Arbeit lohnt sich nicht!

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Zukunft der Arbeit: In den Maschinenfeierabend Die Post-Work-Bewegung möchte uns endlich von der Lohnarbeit erlösen. Es ist die letzte Utopie, zu der westliche Gesellschaften noch fähig sind. Von Tobias Haberkorn 13. Februar 2018, 16:30 Uhr 357 Kommentare

Ein Stahlarbeiter in Salzgitter, spätes 20. Jahrhundert. © Ulrich Baumgarten/Getty Images Die Zukunft ist kein freundlicher Ort. Vorhersagen, wie unwirtlich die Erde wird, hatten in den vergangenen Jahren meist einen Fehler: Sie waren nicht pessimistisch genug und mussten von der nächsten Prognose nach oben korrigiert werden. Wir leben in apokalyptischen Zeiten – zumindest suggeriert uns das ein dauerhafter Krisendiskurs. Die Katastrophe erreicht den Alltag der meisten Menschen in Mitteleuropa jedoch nur in homöopathischen Dosen. Wieder ein kleiner Temperaturrekord. Wieder ein verrückter Tweet mit der Atombombe. Wieder eine kleine fiese Meldung, dass die Reichen absolut reicher und die Armen relativ ärmer geworden sind. All das ändert nichts daran, dass man auch morgen wieder aufstehen, seine Geräte einschalten und sich in den Abnutzungskampf werfen wird, der sich Alltag nennt. In dieser Situation bleibt dem durchschnittlich-saturierten Mitteleuropäer eigentlich nur noch ein konkreter Traum: dass wenigstens die tägliche Plackerei einmal aufhören könnte. Neben dem Geld dürfte die Arbeit die Ressource der Welt sein, die am schlechtesten verteilt ist. Man hat entweder zu viel davon oder zu wenig, oder sie ist zu schlecht bezahlt. Ein Leben ohne oder mit viel weniger Arbeit erscheint als letzte große Utopie, an die ein progressiver Mensch derzeit noch glauben kann. Das dialektische Denken, das ein wenig aus der Mode gekommen ist, hat sich immer zum Ziel gesetzt, die inneren Widersprüche der gerade vorliegenden historischen Situation herauszuarbeiten. Hier wäre einer: Selbstverwirklichung in der Arbeit und Ausgeglichenheit im Leben, diese zwei Imperative sollen wir in unserem emotionalen Kapitalismus miteinander verbinden. Dass das möglich ist, daran kann eigentlich nur glauben, wer entweder mit wenig zufrieden oder schon so abgestumpft ist, dass er einen Ausgleich gar nicht mehr braucht. Begriffe wie "Work-LifeBalance"oder "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" konnten erst Karriere machen, als das, was sie bezeichnen, immer weniger Menschen gelang. Warum also nicht gleich die Arbeit als Ganzes abschaffen? Es ist auffällig, dass sich die großen und kleinen Vorschläge für eine systemverändernde Politik seit der Finanzkrise am Begriff und an den Bedingungen von Arbeit orientiert haben. Bedingungsloses Grundeinkommen, Rentenpunkte für Care-Arbeit, das Recht auf einen würdigen Mindestlohn oder, wie gerade in einer bemerkenswerten


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