FREIGEIST _ein Mahnmal

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Projektdokumentation Alexander Selbach, Alyssa Rau, Aric Merz, Benjamin Troll


Solch Kampf ist sehr unsicher, sicherer wäre es, geistig zu kämpfen und nicht mit eisernem Schwert gegen den Wind zu schlagen. Jan Hus

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INHALTSVERZEICHNIS

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01 Inhalt

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02 Die Thematik Jan Hus 02.1 Geschichte 02.2 Einfluss heute 02.3 Ableitungen für das Projekt 02.4 Warum ein Mahnmal?

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03 Die Idee „Virus“ 03.1 Herleitung 03.2 Infektion 03.3 Struktur

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04 Standort 04.1 Gründe für den Standort 04.2 Vorteile

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05 Struktur, Formgebung, Materialität 05.1 Vorstufen /Entwicklung 05.2 Bodenstruktur 05.3 Das Individuum 05.4 Fremdkörper 05.5 Materialität 05.6 Innen/Aussen-Wirkung 05.7 Tag/Nacht-Modus

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06 Der inhaltliche Weg 06.1 Unterführung 06.2 Raum 1 06.3 Raum 2 06.4 Raum 3 06.5 Satelliten 06.6 3D Modell

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07 Technik 07.1 Technische Umsetzung 07.2 Konstruktionszeichnung

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08 Fazit / Ausblick

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DIE THEMATIK JAN HUS

02.1 Geschichte Jan Hus (geboren um 1369) war ein tschechischer Reformer und Märtyrer. Er wurde während des Konzils in Konstanz im Jahre 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er hatte sich geweigert seine Kritik an der damaligen Kirche zu widerrufen und von seinen Überzeugungen abzulassen. Hus wurde 1414 mit Zusicherung des freien Geleits nach Konstanz eingeladen. Die Kirchenoberhäupter wollten sich den öffentlichen Angriffen entgegensetzen, sie seien Ketzer und Glieder des Teufels. Hus traf am 3. November in Konstanz ein wo er zunächst für drei Wochen eine Herberge in der heutigen Hussenstraße bezog bevor er verhaftet und eingesperrt wurde. Vom 5. bis 8. Juni 1415 wurde Hus verhört, am 6. Juli kam es schließlich zur öffentlichen Verhandlung im Dom, dem heutigen Konstanzer Münster, wo Hus aufgrund seiner Lehre von der „Kirche als der unsichtbaren Gemeinde der Prädestinierten“ als Ketzer zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurde. Noch am Nachmittag wurde Hus zusammen mit seinen Schriften verbrannt. Seine Asche wurde in den Seerhein geworfen. 02.2 Einfluss heute Der Einfluss Jan Hus‘ ist bis heute spürbar. Seine direkten Anhänger gründeten in seinem Namen die Hussiten, welche der Ansicht waren, die Kirche müsse dringend reformiert werden. Folge dessen waren die Hussitenkriege in den Jahren 1419 bis 1439. Im 16. Jahrhundert nahm Martin Luther Hus‘ Lehren wieder auf. Er gilt bis heute als Symbolfigur der kirchlichen Reformation. Somit kann Hus als Wegbereiter der heute selbstverständlichen Gewissensfreiheit gesehen werden, eines der heute bei uns selbstverständlichen Grundrechte. Auch die Sicht der katholischen Kirche hat sich mit der Zeit geändert. In den 90er Jahren räumte Papst Johannes Paul II. ein, dass die Hinrichtung Hus‘ ein Fehler war. Heute wird Hus tatsächlich nicht mehr als Ketzer, sondern als Reformer gesehen.

02.3 Ableitungen für das Projekt Der Architekt J.Spielmann sagt über Mahnmale:

„ Basis eines jeden Denkmals ist das kulturelle Gedächtnis. Gedächtnis ist Aufbau, Veränderung und Erhaltung von Identität. Doch das kulturelle Gedächtnis ist jeder Gesellschaft und Epoche eigentümlicher Bestand an Wiedergebrauchstexten; Bilder und Riten. Durch die Pflege dieser Riten und Texte kommt es zu einer Stabilisierung des Selbstbildes. Es findet eine kulturelle Formung und institutionalisierte Kommunikation in Form von Unterricht, Büchern und Filmen statt. Alles in allem macht sich diese Form des Gedächtnisses an Fixpunkten fest. Doch wie entstehen diese? Es finden sich in der Literatur fünf aktuelle Tendenzen. „Politische Auseinandersetzungen,[...] das Spektrum der Widmungsgruppe und Denkmalsetzter, [...] historische Orte [...] (sowie) neue künstlerische Form des Gedenkens[...] (und) die pädagogischen Maßnahmen[...]“. Doch wie ist der Entstehungsprozess? Das Ereignis oder eine Person ist Ausgangspunkt des Prozesses. Als Reaktion darauf will eine bestimmte Personengruppe daran erinnern. Sie stellt die Interpretation der Ereignisse dar. Dies führt dann zur Politisierung des Denkmals. Doch gerade die Differenzierung des Gedenkens stellt einen Gradmesser für den Stand der Auseinandersetzung dar. Doch darf man nicht außer Acht lassen, dass Denkmale eine „mehrheitsfähige Interpretation der Geschichte“ darstellen. Daher sagen sie mehr über die Zeit ihrer Setzung aus, als über die Vergangenheit, auf die sie sich bezieht. Doch sind der Standort und dessen historische Bedeutung nicht zu unterschätzen. Er bestimmt maßgeblich die Aussagekraft des Denkmals und verleiht ihm Authentizität und Wertsteigerung. Doch gleichzeitig birgt es die Gefahr, dass Dinge und Zusammenhänge, die sich nicht am Ort oder durch den Ort verdeutlichen lassen nicht mehr realisiert werden und zur Sprache kommen. Dies führt zur Thematik und zum Potential von Symbolen, Metaphern und Inschriften, die an dieser Stelle jedoch zu weit führen würde.“

(Jochen Spielmann,in Denkmal-Zeichen-Monument, >Skulptur und öffentlicher Raum heute<, Prestel Verlag, Seite 112)

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Die Idee „Virus“

Davon ausgehend machten wir uns zur Aufgabe Jan Hus und seine Lehren in die heutige Zeit zu übersetzen und ein modernes Denk- bzw. Mahnmal zu schaffen. Weiterhin war es wichtig einige grundlegende Werte zu definieren, welche in dem Mahnmal angesprochen werden sollten. Diese sind Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Freiheit der Person und Schutz der Menschenwürde. Der Bezug zu Jan Hus soll vorhanden sein, es soll aber kein Jan Hus-Denkmal sein, dann wäre das Projekt mit einer Statue zu Hus‘ Ehren ausreichend gewesen. Als Leitsätze für das Projekt wurden 10 Gebote definiert, anhand derer die Fortschritte und Entscheidungen immer wieder kontrolliert werden konnten. Diese lauten:

01. Herkömmliche Denkmäler sind langweilig 02. Schaffe Mehrwert für jeden 03. Schaffe Aktualität und Relevanz 04. Vermittle Informationen und Werte 05. Stelle Fragen 06. Sei deutlich! 07. Toleriere andere Meinungen 08. Manifestiere die Vergangenheit in der Gegenwart 09. Konstanz und Jan Hus sind nur die Ausgangspunkte. Zeige universelle Zusammenhänge 10. Lasse jeden zu Wort kommen

02.4 Warum ein Mahnmal Ein Mahnmal ist eine Spezialform des Denkmals, das durch seine öffentliche Präsenz mahnend an ein historisches Ereignis erinnern soll. Mahnmale sollen im Betrachter Betroffenheit erzeugen und das Erinnern über die Generationen hinweg tradieren. Mahnmale können künstlerisch gestaltet sein (z. B. das Holocaust-Mahnmal in Berlin), oder aber aus einem Objekt bestehen, das ursprünglich einem anderen Zweck diente und nach dem Ereignis, an welches erinnert werden soll, zum Mahnmal umgewidmet wurde (z. B. Kriegstrümmer). Ein Beispiel für letztere Kategorie ist die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, die als Ruine konserviert wurde und bewusst an die Gründe ihrer Zerstörung erinnern soll. Und genau das ist auch ein Ansatz dieses Konzeptes. Wir wollen zum einen mahnend daran erinnern was Jan Hus passiert ist und zum anderen wollen wir die Menschen wachrütteln und daran erinnern, dass die ihnen selbstverständlichen Freiheiten wie z. B. die Meinungsfreiheit, keinesfalls selbstverständlich sind. Auch in der heutigen Zeit ist es ein Privileg diese Freiheiten zu besitzen. Wir wollen dies ins Bewusstsein rufen, aufzeigen wo die Grenzen sind und die Menschen dazu animieren selber aktiv zu werden.

Grundlegendes Ziel des Projekts war also die Besucher für die Thematik Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu sensibilisieren. Anhand heutiger Personen sollen Pädagogik und Emotionalität vermittelt werden.

03.1 Zur Herleitung: Aufbauend auf den zuvor definierten 10 Geboten stellte sich die Frage nach der Art und Weise wie wir das Gedenken und die Inhalte kommunizieren wollen. Einige sehr wichtige Punkte waren vor allem die Manifestation der Vergangenheit in der Gegenwart, das schaffen von Aktualität und Relevanz, sowie Fragen zu stellen und dabei deutlich zu sein. All diese Grundüberlegungen fokussierten sich immer stärker darauf, sich ausgehend von einem Punkt auszubreiten, zu wachsen und Etwas oder Jemanden zu beeinflussen. Ausgehend hiervon entwickelte sich die Idee eines Impulses. Es soll eine Bewegung geschaffen werden, die wie eine Kettenreaktion wächst und dabei unterschiedlichste Perspektiven aufzeigt und sowohl Fragen als auch Antworten zur Anregung stellt. Nach einer intensiven Auseinandersetzung darüber, was ein starker Impuls ist und welche Form des Impulses unsere Absichten und Ziele widerspiegelt, sind wir auf die Form des Virus gestoßen. Ein Virus der sich ausbreitet, einpflanzt, weiterentwickelt und seinen Wirt verändert und beeinflusst. Dabei kann der Virus zunächst völlig unerkannt bleiben, auch wenn er sich bereits im Wirt eingepflanzt hat. Erst wenn die richtigen Impulse oder Situationen hinzugefügt werden, wird er seine volle Wirkung entfalten. Es stellte sich dann die Frage, was für Formen des Virus es gibt und welcher der widerstandsfähigste und stärkste Virus ist. Es ist der „Gedanke“! Der Gedanke ist, wenn er erst einmal in einen Verstand eingedrungen ist unglaublich stark und es ist nahezu unmöglich ihn wieder zu entfernen ohne das er den Verstand beeinflusst hat. Hierzu ein Zitat aus dem Film Inception: “Ein Gedanke! [...] Wenn ein Gedanke einen Verstand erst einmal infiziert hat, ist es fast unmöglich ihn zu entfernen. Ein Gedanke der voll ausgeformt, vollkommen verstanden ist, der bleibt haften. “ (Quelle: Mitschrift)

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Der Gedanke wird sich weiterentwickeln, manchmal stärker, manchmal schwächer, manchmal schneller, manchmal langsamer. Er wird seinen Träger beeinflussen, er wird ihn verändern, in seinem Denken und schlussendlich auch in seinem Handeln. 03.2 Infektion Und genau das ist auch unser Ziel. Die Menschen zu beeinflussen, sie zu infizieren mit einem Gedanken. Wie sie dann mit dem Gedanken umgehen, sich darauf einlassen oder dagegen sperren, liegt dann wiederum im Handeln jedes Einzelnen. Und genau dieser Prozess ist unserer Auffassung nach ein sehr wichtiger. Egal ob sich jemand für den Gedanken öffnet oder sich dagegen sperrt, er wird sich mit dem Gedanken auseinandersetzten und ihn, ob er will oder nicht, in sein Handeln mit einfließen lassen. Das bedeutet, er wird auch andere Menschen indirekt oder direkt durch sein verändertes Bewusstsein beeinflussen und auch so den Grundgedanken des Virus weitergeben. Dabei findet die Infektion in zwei Schritten statt. Der erste Schritt ist die zu Beginn unbewusste Infektion, über die Spitze des Virus. Diese darf man sich wie einen Dorn oder die Tropfen bei einem Nießer vorstellen. Die tatsächliche und intensive Infektion findet dann im Zentrum des Viruskerns statt. Hier wird der Besucher direkt mit dem Inhalt konfrontiert und schließlich zum eigenen Handeln aufgefordert. Um dieses Prinzip zu verdeutlichen und auch die verschiedenen Wege und Stadien der „Infektion“ aufzuzeigen folgt nun eine beispielhafte, schematische Darstellung: --> bitte umblättern!


Der Aufbau des Virus

Der Weg der „Infektion“

Jan Hus Grundgedanke

Die Basis Jan Hus mit seinen Taten und seinen Werten dient als Ausgangspunkt. Er bildet die Basis des Mahnmals.

infizierter Passant

Die provozierende Spitze hat den Passanten infiziert und wird ihn in seinem Denken und Handeln beeinflussen

Phase 1: Provozierende Spitze Passant

provozierende Spitze

J.H.von Heute J.H.von Heute

J.H.von Heute

Projektion in die Gegenwart Die Übertragung in die Gegenwart wird durch die „Jan Hus von Heute“ transportiert. Diese Personen sind ganz „alltägliche“ Menschen, die sich entweder selber für eine Form der Freiheit eingesetzt haben oder eben ihre Einschränkung erlebt haben.

J.H.von Heute

Jan Hus Grundgedanke

J.H.von Heute

J.H.von Heute

J.H.von Heute J.H.von Heute

Phase 2: Virus Kern

Der Virus Die Gedanken beider Parteien (Jan Hus und J.H. von Heute) verschmelzen zu einem gemeinsamen Grundgedanken und bilden somit die Basis / den Kern des Virus.

Durch die Informationsaufnahme und den Austausch im Viruskern wird der Besucher infiziert und gleichzeitig das Virus verändert und weiterentwickelt

interessierter Besucher Betritt das Objekt

Informationsaufnahme und Austausch

?


Die Ausbreitung des Virus

Kommunikation als Träger Die Kommunikation und jeglicher damit verbundene Austausch über das Gesehene und Erlebte wird zur Verbreitung des Virus beitragen. Hierbei kann auch das Internet genutzt werden. So, dass die Ausbreitung „live“ zu beobachten ist und man aus aller Welt die Reaktionen über das Thema beobachten kann.

infizierter Bekannter

Durch die Kommunikation wird der Besucher seinen Bekannten mit der Idee infizieren und auch sein Denken und Handeln wird sich verändern

Bekannter

infizierter Besucher

Kommunikation

03.3 Struktur des Virus Jeder Virus hat einen Kern, in welchem die Informationen transportiert werden. Diese Informationen werden von innen nach außen transportiert. Dabei gibt es, die bereits in der Grafik dargestellten, Phasen der Infektion. Die Spitzen und den Kern des Virus. Zusätzlich gibt es aber auch noch die weiter verbreiteten Satelliten. Diese bilden die Ausläufer der Infektion. Die Satelliten wurden bereits beeinflusst, da sie sich am weitesten vom Kern „entfernt“ haben und auf ihrem Weg, durch Menschen und andere Gedanken weiterentwickelt wurden. Der Virus wirkt stets von innen nach außen heraus. Sowohl die Information werden aus seinem Inneren nach außen transportiert, als auch der infizierte Mensch. Auch er wird von innen heraus „verändert“. Der Gedanke nistet sich in dem Bewusstsein des Menschen ein und wird dieses zunächst beeinflussen. Dann wird das beeinflusste Bewusstsein den Menschen in seinem Denken und Handeln verändern. Was unweigerlich auch dazu führen wird, dass er seine Umwelt ebenfalls beeinflussen und verändern wird.

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ofnI

emmargaiD ciffarT Aussichtsplattform

der Standort

Wir haben vier unterschiedliche Orte auf ihre Tauglichkeit hin untersucht und ihre Vor- und Nachteile analysiert. Da war zum einen die Hafenpromenade. Sie hätte gut die Tragik der Thematik mit dem Weitblick und der Sehnsucht verbunden. Jedoch war ein eklatanter Nachteil, dass sie primär nur von Touristen, bei schönem Wetter frequentiert wird. Damit deckte sie nicht das Besucherspektrum ab, dass wir vordefiniert hatten. Ein weiterer Ort, war die kleine Erweiterung im Stadtpark zum Hafen hin. Sie liegt ebenfalls an einem exponierten Platz, noch dazu im Grünen. Jedoch bildet sie durch ihre Gestalt eine Sackgassensituation, die uns als nicht förderlich erschien. Hinzu kam das ebenfalls eingeschränkte Besucherspektrum. Auch die prominente Marktstätte haben wir analysiert. Doch leider war bei ihr die bereits starke Verwendung durch Straßenkaffees und Restaurants ein großer Negativaspekt, wodurch wir stark in der Räumlichkeit eingegrenzt worden wären. Schließlich haben wir uns noch die untere Marktstätte und die daran angrenzende Unterführung angeschaut und sie auf ihre Qualitäten hin untersucht. Wie schon zuvor beschrieben, suchten wir einen Ort an dem der Virus sich erfolgreich einpflanzen kann und dabei ein möglichst großes Spektrum an unterschiedlichsten Menschen erreicht.

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nenosreP egihäfemhanfua thciN nenosreP egihäfemhanfua

Obere Marktstätte

1. Stadtgarten 2. Aussichtsplattform 3. Obere Marktstätte 4. Untere Marktstätte / Unterführung

cfifarT trO megiliewej na fualhcrudnenosreP

Untere Marktstätte

Welche Standorte wurden bei der Recherche in Betracht gezogen:

Die Unterführung zwischen der Marktstätte und der Hafenpromenade ist genauso ein Ort. Sie ist schon lange ein Thema in Konstanz. Sie ist die Wunde der Stadt, sie ist der Nicht-Ort, den wir suchten, um das Virus einzuschleusen. Sie ist ein Tor zur Stadt. Dies ist eine Besonderheit, da normalerweise die „Tore einer Stadt“ eher schön sind. Es sind Orte und keine Resträume. Doch dadurch ermöglicht es das Thema der Öffnungen, der Öffnung zu Stadt, zum Hafen zu den Fernverbindungen. Die Unterführung ist ein Ort der Verdichtung; der eine Kompression der Geschwindigkeiten erzeugt. Der Raum wird durchschritten vom Besucher im Schlendergang ebenso wie vom gehetzten Passanten auf dem Weg zum Zug oder zur Fähre. Die Unterführung ist ein Raum des Alltags und ebenso Teil des Ausflugsziels Konstanz. Sie bietet die Möglichkeit jede Zielgruppe zu erreichen, jung-alt, klein-groß, Bewohner-Gast, arm-reich. Und genau dieses Potenzial war es, was wir mit unserem Virus nutzen wollen, um alle zu erreichen. Eine weiterer Vorteil sind die verschiedenen Zugänge zu der Unterführung. Durch sie werden nicht nur immer neue Blickwinkel auf die Installation möglich, sondern sie bildet auch eine historische Verbindung zu den Ereignissen vor 600 Jahren. So wie damals alle Teilnehmer am Konstanzer Konzil aus alles Himmelsrichtungen und Teilen des Reiches kamen, so kommen nun auch die Besucher aus alles Richtungen und Teilen der Welt. Eine Besonderheit stellt auch die Raumfolge der Unterführung dar. Sie wird gebildet von zwei Fahrspuren für Autos und Zug. Dadurch entstehen interessante Licht- und Höhenverhältnisse. Ein Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel, Hoch und Tief. Auch dies ist wieder geschwindigkeitsbestimmend. Der Passant wird gedrängt, gebeugt, getrieben.

Stadtgarten

04.1 Gründe für den Standort Nach dem Vorbild des Virus wollten wir primär Ressourcen der Stadt nutzen. Uns die Besonderheiten eines Ortes zu eigen machen und für unsere Zwecke einsetzten. Wir waren auf der Suche nach einem Ort des Austausches, mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Wir suchten eine Wunde der Stadt, in die wir unseren Virus platzieren können, in der er wachsen kann und durch die er sich in der ganzen Stadt verbreiten kann.

ciffarT eid ssad ,negas gewrov nam ssum lamnie tshcänuZ .nethcir trewnelhaZ netsef meniek hcan hcis emmargaiD -slhüfeG netreinifed snu nov nenie hcilgidel negiez eiS ,nenosreP na egneM eid tbierhcseb treW reseiD .fua trew dnu nebah netlahegfua trO negiliewej med na hcis eid -rev sua nebah thcusrev riw eid ,tiekgihäfemhanfuA erhi nedneglof retnU .neseluzsuareh nretemaraP nenedeihcs trO med na se tbiG :trO ned riw netreisylana nretemaraP tsi ,rhekrevotuA .tneve ,ekrätstuaL ,negnuknelbA elleusiv -hcruD ,hcrud nam tnner redo neliewreV muz ztalP nie se .tknupdnE redo tknupsgnag


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Info

Traffic Diagramme der Standort

Schließlich haben wir uns noch die untere Marktstätte und die daran angrenzende Unterführung angeschaut und sie auf ihre Qualitäten hin untersucht. Wie schon zuvor beschrieben, suchten wir einen Ort an dem der Virus sich erfolgreich einpflanzen kann und dabei ein möglichst großes Spektrum an unterschiedlichsten Menschen erreicht.

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Obere Marktstätte

Sie ist ein Tor zur Stadt. Dies ist eine Besonderheit, da norwaren auf der Suche nach einem Ort des Austausches, mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Wir suchten eine WunNicht aufnahmefähige Personenmalerweise die „Tore einer Stadt“ eher schön sind. Es sind Orte und keine Resträume. Doch dadurch ermöglicht es de der Stadt, in die wir unseren Virus platzieren können, in das Thema der Öffnungen, der Öffnung zu Stadt, zum Hafen der er wachsen kann und durch die er sich in der ganzen aufnahmefähige Personen zu den Fernverbindungen. Die Unterführung ist ein Ort der Stadt verbreiten kann. Verdichtung; der eine Kompression der Geschwindigkeiten erzeugt. Der Raum wird durchschritten vom Besucher im Welche Standorte wurden bei der Recherche in Betracht Schlendergang ebenso wie vom gehetzten Passanten auf gezogen: dem Weg zum Zug oder zur Fähre. Die Unterführung ist ein Raum des Alltags und ebenso Teil des Ausflugsziels Kon1. Stadtgarten stanz. Sie bietet die Möglichkeit jede Zielgruppe zu errei2. Aussichtsplattform chen, jung-alt, klein-groß, Bewohner-Gast, arm-reich. Und 3. Obere Marktstätte genau dieses Potenzial war es, was wir mit unserem Virus 4. Untere Marktstätte / Unterführung nutzen wollen, um alle zu erreichen. Eine weiterer Vorteil sind die verschiedenen Zugänge zu Wir haben vier unterschiedliche Orte auf ihre Tauglichder Unterführung. Durch sie werden nicht nur immer neue keit hin untersucht und ihre Vor- und Nachteile analysiert. Blickwinkel auf die Installation möglich, sondern sie bildet Da war zum einen die Hafenpromenade. Sie hätte gut die auch eine historische Verbindung zu den Ereignissen vor Tragik der Thematik mit dem Weitblick und der Sehnsucht 600 Jahren. So wie damals alle Teilnehmer am Konstanzer verbunden. Jedoch war ein eklatanter Nachteil, dass sie Konzil aus alles Himmelsrichtungen und Teilen des Reiprimär nur von Touristen, bei schönem Wetter frequentiert ches kamen, so kommen nun auch die Besucher aus alles wird. Damit deckte sie nicht das Besucherspektrum ab, Richtungen und Teilen der Welt. dass wir vordefiniert hatten. Ein weiterer Ort, war die kleine Eine Besonderheit stellt auch die Raumfolge der UnterErweiterung im Stadtpark zum Hafen hin. Sie liegt ebenführung dar. Sie wird gebildet von zwei Fahrspuren für falls an einem exponierten Platz, noch dazu im Grünen. JeAutos und Zug. Dadurch entstehen interessante Licht- und doch bildet sie durch ihre Gestalt eine Sackgassensituation, Höhenverhältnisse. Ein Wechselspiel zwischen Hell und die uns als nicht förderlich erschien. Hinzu kam das ebenDunkel, Hoch und Tief. Auch dies ist wieder geschwindigfalls eingeschränkte Besucherspektrum. Auch die promikeitsbestimmend. Der Passant wird gedrängt, gebeugt, genente Marktstätte haben wir analysiert. Doch leider war trieben. bei ihr die bereits starke Verwendung durch Straßenkaffees und Restaurants ein großer Negativaspekt, wodurch wir stark in der Räumlichkeit eingegrenzt worden wären.

Untere Marktstätte

Die Unterführung zwischen der Marktstätte und der Ha04.1 Gründe für den Standort fenpromenade ist genauso ein Ort. Sie ist schon lange ein Nach dem Vorbild des Virus wollten wir primär RessourTraffic Thema in Konstanz. Sie ist die Wunde der Stadt, sie ist der cen der Stadt nutzen. Uns die Besonderheiten eines Ortes Personendurchlauf an jeweiligem Ort Nicht-Ort, den wir suchten, um das Virus einzuschleusen. zu eigen machen und für unsere Zwecke einsetzten. Wir

Stadtgarten

Aussichtsplattform

Zunächst einmal muss man vorweg sagen, dass die Traffic Diagramme sich nach keinem festen Zahlenwert richten. Sie zeigen lediglich einen von uns definierten Gefühlswert auf. Dieser Wert beschreibt die Menge an Personen, die sich an dem jeweiligen Ort aufgehalten haben und ihre Aufnahmefähigkeit, die wir versucht haben aus verschiedenen Parametern herauszulesen. Unter folgenden Parametern analysierten wir den Ort: Gibt es an dem Ort visuelle Ablenkungen, Lautstärke, event. Autoverkehr, ist es ein Platz zum Verweilen oder rennt man durch, Durchgangspunkt oder Endpunkt.


Aussichtsplattform

Stadtgarten

Traffic

Traffic


Untere Marktstätte

Obere Marktstätte

Traffic

Traffic


Untere Marktstätte Wie schon in der Virusstruktur und dem Infektionsweg beschrieben, braucht es mehrere Phasen der Infektion. So benötigen wir zwar „einen“ Ort, dieser muss jedoch die Möglichkeit bieten, diese unterschiedlichen Phasen zu bedienen. Einen solchen Ort stellt die Unterführung dar.

Phase 1: Provozierende Spitze

Phase 2: Virus Kern Der Virus Kern benötigt einen Platz, an dem sich die Menschen zurückziehen können, an dem sie die nötige Ruhe finden und sich mit den Informationen auseinandersetzten können, um diese dann zu reflektieren. Einen solchen Platz bieten die Plateaus gegenüber dem ARAN. Sie bieten durch ihre unterschiedlichen Ebenen sogar die Möglichkeit, die unterschiedlichen Informationsphasen im Kern ideal zu unterteilen.

Für die provozierende Spitze suchten wir in der Unterführung einen Ort, an dem viele Menschen bis dato unbeachtet und schnell vorbei geschleust werden. An genau solch einem Ort wird die von uns angedachte Spitze am besten wirken. Der ideale Punkt bot sich uns nun direkt unter der Brücke, vor dem Aufgang zur Marktstätte. Die Wände bieten eine große, bis dato ungenutze Fläche an der wir unsere Spitze integrieren können.


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Struktur, Formgebung, Materialität

05.1 Vorstufen /Entwicklung Eine der ersten Ideen um dem Mahnmal eine Form zu geben, entstand aus der Verbindung zwischen den Satelliten aus der Unterführung und dem Hauptelement an der Marktstätte. Um beide Plätze miteinander zu verbinden, entwickelten wir eine Art Band. Das Band hätte im unteren Teil des Mahnmals, in der Unterführung, als Projektionsfläche für die schauenden Gesichter eingesetzt werden können (hierzu später mehr). Auf der Marktstätte im oberen Teil, wären durch vertikale und horizontale laufende Bandelemente ein „Raum“ für die Informationsmedien geformt worden. Die Bandstruktur hätte dort auch als Projektionsfläche für die Installationen dienen können. Diese Idee lieferte uns jedoch noch nicht den entscheidenden Mehrwert, dass nämlich ein Virus die Struktur und Gegebenheiten seiner Umgebung nutzt. Durch diese lösung wäre der Virus „nur“ aufgesetzt worden, hätte sich jedoch nicht am Ort eingepflanzt und die bestehenden Strukturen aufgegriffen (wie es für einen Virus üblich ist). Wir versuchten nun bestehende Elemente der Marktstätte in das Mahnmal aufzunehmen und für die Gestaltung zu nutzen. Dieser Schritt erfolgte nicht zuletzt, um den Gedanken des ausbrechenden Virus stärker aufgreifen zu können. 05.2 Bodenstruktur Um den Grundgedanken des Virus besser transportieren zu können, ihn sozusagen metaphorisch an der Marktstätte ausbrechen zu lassen, überlegten wir uns einen Weg, die vorhandenen Gegebenheiten, respektive Strukturen, die die Marktstätte zu bieten hat, zu nutzen. Ein verbindendes Element zwischen dem von uns ausgewählten Platz an der Marktstätte und der Unterführung sind die Bodenplatten. Das Muster der Platten variiert zwar in den einzelnen Bereichen zwischen den Plätzen, die Elemente fügen sich aber durch die Farbigkeit und Anordnung zueinander wieder zusammen und ergeben so einen Einheit. Wir entwickelten aus der Idee, den Virus aus dem Platz an der Marktstätte ausbrechen zu lassen folgende Elemente. Aus den vorhandenen Bodenplatten brechen bis zu sechs Meter in die Höhe ragende Stehlen. Die Stehlen definieren, bzw. grenzen den Hauptbereich des Mahnmales ab und generieren so einen Platz, der in drei Räume unterteilt werden kann. Die Stehlen haben die Grundbemaßung 50 x 50cm

und 80 x 80cm, sie variiren aber in der Höhe, so das sich eine Dynamische Form ergibt, die dem Gedanken des „aus der Erde ausbrechen“ gerecht wird. Die äußeren Stehlen liegen genau auf dem Bodenplattenraster auf, dem Zentrum entgegen brechen sie aber zusätzlich aus dem Raster aus und „wuchern“ zwischen der Rasterung. Der zusätzliche Ausbruch soll den Grundgedanken verstärken. 05.3 Das individuum Wichtig war uns weiterhin, dass der Träger, also die Form des Mahnmals, die individualität der Menschen und auch ihrer Erfahrungen und Meinungen zum Thema Freiheit aufzeigt. Aus diesem Grund werden die Stehlen alle eine unterschiedliche Größe haben. Sie symbolisieren das Individuum. 05.4 Fremdkörper Ein wichtiger Punkt in unserem Konzept war mitunter das „Mahnmal“ als eine Art Fremdkörper in der Stadt zu integrieren. Dieser Ansatz war bewusst verfolgt und angestrebt um die Idee des Viruses umzusetzen. Durch die Aufnahme der Bodenplatten als Grundform der Stehlen wird die Verbindung zwischen Ort und Mahnmal geschaffen. Die Form entspringt zwar dem vorgegebenen Bodenraster, durch die gewählten Dimensionen werden sie aber so stark abstrahiert, dass sie unweigerlich als Fremdkörper wargenommen werden. Verstärkt wird dieser Effekt noch zusätzlich durch die Wahl der Materialität. Hierzu mehr im folgenden Abschnitt.

05.5 Materialität Die Materialität der Stehlen ist enorm wichtig, auch im Hinblick auf den Transport des inhaltlichen Konzeptes. Nach einigen Überlegungen definierten wir zwei Materialien, die beide unterschiedliche Qualitäten auszeichneten. Um den Fremdkörper in das Stadtbild besser zu Integrieren und um eine Doppelung in der Auszeichnung zu vermeiden dachten wir an, die Stehlen zunächst aus Beton zu fertigen. Da die Inhalte aber stets aus dem Inneren des Virus nach außen treten sollten, bedurfte es eines transluzenten Materials (es sollten keine optischen oder haptischen Erhebungen an der Außenfläche auftreten). Um Monitore und Schrift vor Wettereinflüssen zu schützen, war es zudem notwendig sie ins Innere der Stehlen zu verlagern. Wir verwarfen den Gedanken, Beton einzusetzen, da hier die Inhalte nur von aussen hätten angebracht werden können. Wir überlegten zuerst als transluzentes Material Plexiglas einzusetzen. Das Plexiglas hätte bis auf die Stellen wo Schrift oder Monitore zum Einsatz kommen, komplett gesandstrahlt werden können, um so die Technik im Inneren der Stehle vor dem Besucher zu verbergen. Aus Konstruktionsgründen und Materialempfindlichkeit kamen wir von dieser Materialität ab und wählten stattdessen Sicherheitsglas, das bis auf die schon erwähnten Stellen für Schrift und Monitore geätzt wird. Durch die Ätzung wird das Glas nahezu wetterunempfindlich gemacht. Ein weiterer Vorteil der Ätzung ist, dass die Klebekanten an der Seite der Stehlen überdeckt und versiegelt werden. Der haptische Aspekt von geätztem Glas ist zudem ein großer Vorteil gegenüber Plexiglas. Die Materialität wirkt edel, gleichermaßen strahlt sie eine gewisse Seriösität aus und sie erfüllt die von uns gestellten Anforderungen. 05.6 Innen/Aussen-Wirkung Die Inhalte werden ausschließlich im Inneren des Mahnmals dem Besucher aufgezeigt. Dies hat zwei Gründe. Zum einen soll der Besucher, egal von welcher Seite er kommt, in den ersten Raum geleitet werden. Von da an schreitet er einen vordefinierten Weg ab, in dem Inhalte vermittelt werden, die in einer bestimmten Reihenfolge dargestellt sind. Die Reihenfolge ist bewusst so gewählt worden, um inhaltlich eine Struktur in der Informationsvermittlung zu

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generieren und um Inhalte aufeinander aufbauen lassen zu können. Würde man die Inhalt schon auf der Außenseite zeigen, könnte man den Betrachter nicht mehr führen und das Thema gerecht aufbereiten. Die Neugier würde schon im Vorfeld genommen werden und die angestrebte Dramaturgie könnte nicht erreicht werden. 05.7 Tag/Nacht-Modus Die Stehle aus geätztem Sicherheitsglas als transluzentes Element, hat einen weiteren Reiz, der sich mit der Veränderung zwischen Tag und Nacht auszeichnet. Tagsüber entstehen je nach Sonneneinstrahlung Schattenspiele, die dem ganzen Mahnmal Stimmung verleiht, Schutz vor der Sonne bietet oder Wind abwehrt. In der Nacht kann der sonst so leblose Platz, der im Prinzip nicht genutzt wird, mit Leben gefüllt werden. Durch die Beleuchtung der Stehlen von innen heraus, wird ein heller, freundlicher Ort geschaffen, der einlädt zum verweilen und sich mit den dargestellten Inhalten auseinanderzusetzen.


Material Mood

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dooM lairetaM

Die Bodenstruktur

.salG setzt채eg riw netlh채w nelhetS eid r체f t채tilairetaM slA -noK resnu ni tkefrep eid ,netfahcsnegiE eleiv tztiseb sE iebreih etleips slairetaM sed znezulsnarT eiD .nessap tpez .elloR egithciw enie


Info

Material Mood

Die Bodenstruktur

Als Materialit채t f체r die Stehlen w채hlten wir ge채tztes Glas. Es besitzt viele Eigenschaften, die perfekt in unser Konzept passen. Die Transluzenz des Materials spielte hierbei eine wichtige Rolle.

Material Mood


Modell: Vogelperspektive

Modell: Vogelperspektive Modell 6,5m² Trittschalldämmung 1,3m² Bristol-Pappe 3m Transparentpapier 52 Menschen 123 Fenster 157 Stehlen 68 Arbeitsstunden pro Person


Modell: Blick vom Bahnhof

Modell: Blickrichtung Hafen


Modell: Vogelperspektive

Modell: Vogelperspektive


Eingang

360° Panorama

Selbstinitiative

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DER INHALTLICHE WEG

Zur Vermittlung der Inhalte wurde ein inhaltlicher (oder auch didaktischer) Weg definiert. Der Besucher soll seinem Ablauf folgen und so das heikle Thema wirkungsvoll nahe gebracht bekommen.

Eingang

Auditiver Dialog

Eingang

06.1 Unterführung Als „Spitze“ dient hier die Bahnhofsunterführung. Sie ist vom Standort her gesehen interessant, weil sie einen „Unort“ darstellt. Sie ist nieder, dunkel und schmutzig. Die Menschen werden hier durch ein Nadelör geschleust. Sie wollen an den See oder müssen schnell auf einen der Bahnsteige. Um eine Unbehaglichkeit und eine weitere Beschleunigung zu schaffen, werden hier an den Wänden riesige Installationen angebracht. Darauf befinden sich Köpfe, oder besser Gesichtsausschnitte von Menschen, welche die Passanten beim Vorbeigehen beobachten. Die Gesichter tun sonst nichts, sie beobachten nur. Wichtig hierbei ist, dass es sich nicht um Fotos handelt, sondern die Gesichter lebendig sind und nicht starr. Durch die Größe und das Gefühl beobachtet zu werden, soll dem Betrachter klar werden, dass hier etwas nicht stimmt, etwas nicht normal ist. Er soll sich unwohl fühlen und seinen Gang beschleunigen. Er soll möglichst zielgerichtet auf das Zentrum am oberen Ende der Unterführung gesteuert werden. 06.2 Raum 1 // 360° Panorama Der erste Raum stellt den ersten Kontakt mit der Problematik Menschenrechte dar. Es handelt sich um ein 360° Panorama, in dem die Gesichter aus der Unterführung wieder auftauchen. Sie sind aber nicht mehr ruhig und beobachtend, sondern führen einen Dialog. Es handelt sich um ganz normale Menschen, mit denen sich jeder identifizieren kann. Sie reden über ihre eigenen Erfahrungen mit Menschenrechten bzw. der Beschneidung derer. Sie gehen dabei aufeinander ein, kommentieren, stellen Fragen, erzählen ihre eigenen Geschichten. Das Gespräch besteht aus einem Loop, hat keinen Anfang und kein Ende, so kann man jederzeit einsteigen. Der Besucher steht in der Mitte, ist also quasi Teil der Konversation. Die Gesichter der Gesprächsteilnehmer sind groß auf hohen, weissen Stehlen angeordnet. So soll der Besucher einen Eindruck bekommen um was für ein riesiges und ehrfurchtswürdiges Thema es sich hier handelt. Um die volle Emotionalität der Konversationsteilnehmer

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zu erleben, wurde von der Idee abgesehen, den Dialog rein auditiv zu führen. Die Identifikation mit den Personen erschien mit einem visuellen Eindruck höher. Der Raum kann von drei Seiten aus betreten werden, egal durch welchen Eingang man die Installation betritt, man landet immer zuerst in diesem Raum. Er hat die Aufgabe den Betrachter emotional zu sensibilisieren und ihm einen Einstieg zu verschaffen. Um deutlich zu machen um welche Art Geschichten es sich bei der 360° Installation handeln würde, baten wir unsere Kommilitonin Mercedes Senderowicz eine Geschichte zu erzählen, die ihr einige Wochen vorher an einer Konstanzer Tankstelle wiederfahren war, als sie von vier Jungen Männern rassistischen beleidigt und tätlich angegriffen wurde. Nur der Tankwart kam ihr dabei zu Hilfe, obwohl die Tankstelle zu dieser Zeit gut besucht war. Auch wenn diese Geschichte nicht exakt in den durch Hus‘ Geschichte vorgegebenen Themenkomplex passt, empfanden wir die Geschichte durch ihre bedrückende Stimmung und die dazu passende Erzählweise von Mercedes als äußerst beispielhaft für die Ernsthaftigkeit, mit der das Thema in Freigeist angegangen werden soll. Aufgenommen wurde diese Geschichte sowie eine weitere Geschichte (Benjamin Troll erzählt von der Stuttgart-21-Demo) und einige Reaktionen auf die Geschichten im Fotostudio Villa Prym mit einer Canon EOS 5D Mark II (HD-Auflösung) vor einer weissen Wand. Anschließend wurden die Filme maskiert um sie besser in die weiße Stehle einfließen zu lassen. 06.3 Raum 2 // Auditiver Expertendialog Als nächstes gelangt man in den zweiten Raum. Dieser ist rein optisch schon anders gehalten, die Stehlen sind nicht so hoch, es gibt keine Filmbespielung. Auf den Stehlen sind Zitate von bzw. über Jan Hus angebracht. Auf Basis dieser Zitate führen Experten wie Historiker, Theologen oder Philosophen einen Dialog über Jan Hus und seine Werte. So soll dem Besucher die Thematik näher gebracht werden und eine thematische Verbindung zum ersten Raum geschaffen werden. Da hier die visuelle Identifikation mit dem Erzähler nicht so wichtig ist wie im ersten Raum, gibt es hier keine Gesichter zu sehen. Der Betrachter soll sich auf das Gesagte konzentrieren, Mimik und Gestik sind hier irrelevant. Auch soll der Raum keine Konkurrenz zum 360° Panorama darstellen.


06.4 Raum 3 // Selbstinitiative Im dritten und letzten Raum soll der Besucher selbst aktiv werden. Animiert von einem kurzen Instruktionsvideo soll er nun auf die sich hier befindlichen Stehlen seine eigene Meinung oder seine eigene Geschichte zum Thema Meinungsfreiheit oder Menschenrechte schreiben. Die Wahl auf die sehr einfache Art der Meinungsabgabe, nämlich durch einfaches Schreiben, fiel aus mehreren Gründen. Zum einen soll der Besucher seine Meinung selbst außen an die Stehle anbringen, als Gegenpunkt zum von innen nach aussen vermittellten Viruskern. Zum anderen soll jedem die Möglichkeit gegeben werden etwas zu hinterlassen, so auch z.B. Kindern, die noch nicht schreiben können und auf diese Art beispielsweise etwas malen können, was mit einer Tastatureingabe nicht möglich wäre. Als dritter Grund gilt die zunehmende Reduktion der Medien auf dem Weg durch die Installation. Der Abschluss soll ganz einfach und für jedermann verständlich sein.

04.6 3D Modell Um den Weg besser verständlich zu machen und ihn auch Fachfremden zugänglich zu machen, wurde ein CinemaModell erstellt. So war es möglich die Installation aus allen möglichen Perspektiven abzubilden und außerdem eine Kamerafahrt hindurch vorzunehmen. Dies ergab einige Erkenntnisse über Positionierung der Stehlen und das Raumgefühl der Installation und ermöglichte vor allem den Besuchern der Präsentation sich besser in das Projekt und den letztendlichen Ablauf hinein zu versetzen. Das Modell ist nicht repräsentativ für Materialitäten und Anmutungen, diese lassen sich auf den Fotomontagen auf den folgenden Seiten besser erkennen. Die Arbeit am Modell und der knapp 9000 Frames langen Kamerafahrt dauerte ca. zwei Wochen. Allein das Rendern der Kamerafahrt mit bis zu 10 Computern dauerte zweieinhalb Tage.

04.5 Die Satelliten Zum Prinzip Virus gehört auch, dass er sich ausserhalb des Viruskerns verbreitet. Das geschieht durch Wirte oder neu entstehende Viruskerne. Auch Freigeist soll nach diesem Prinzip funktionieren. Die Infektionsstellen ausserhalb des Viruskerns werden Stalliten genannt. Zunächst einmal ist jeder (infizierte) Besucher ein neuer potentieller Virusträger, der die Werte an seine Mitmenschen durch Erzählungen weitergibt. Er hat die Möglichkeit selbst aktiv zu werden und einen Infektionskern aufzubauen. Das kann er selbstständig auf seine eigene Art und Weise tun, oder er kann eine kleinere, weisse Stehle erwerben, die er frei gestalten und an einer beliebigen Stelle in der Stadt aufstellen kann. Der Inhalt seiner Kommunikation bleibt dabei komplett ihm selbst überlassen und wird nicht zensiert. Die Meinung muss sich allerdings der Öffentlichkeit stellen, die die Möglichkeit hat zu reagieren. Dies werten wir als einen Akt der ultimativen Meinungsfreiheit. Durch das almähliche Hinzukommen neuer Stehlen soll das Projekt Freigeist immer weiter wachsen und sich in die Stadt implementieren, sich in ihr breit machen, sie durchdringen. So soll das Thema Meinungsfreiheit mit der Stadt Konstanz verbunden werden. Von Anfang an werden einzelne weisse Stehlen in der Stadt aufgestellt sein um eine Art Teaserfunktion zu erreichen. Der Link zum Viruskern soll allein durch die Materialität, also Optik und Haptik funktionieren.

Storyboard der 3D-Fahrt durch das Freigeist-Modell

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noitallatsnisegaT Aufforderung zur Eigeninitiative Das Instruktionsvideo soll den Besucher zum Handeln animieren. Die zusätzlich gestellten Fragen zu tagesaktuellen Themen geben den Meinungen einen möglichen Rahmen. Selbstverständlich können und sollen auch völlig freie Äußerungen auftauchen.

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Freigeist bei Tag

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Info

Tagesinstallation Am Tag entstehen bei unterschiedlichen Sonneneinstrahlungen durch die unterschiedlich definierten Säulenhöhen Aufforderung zurDas Eigeninitiative verschiedene Schattenspiele. Mahnmal verändert so durch den gegebenen Umstand des Lichts sein Äusseres. Dieser Einfluss kann nicht bestimmt werden, somit generiert die Natur die Erscheinung des Mahnmals. Das Instruktionsvideo soll den

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Freigeist bei Tag

Besucher zum Handeln animieren. Die zusätzlich gestellten Fragen zu tagesaktuellen Themen geben den Meinungen einen möglichen Rahmen. Selbstverständlich können und sollen auch völlig freie Äußerungen auftauchen.


Info

360° Panorama

Raum 2: Auditiver Expertendialog

Raum 1: 360° Panorama

Im 360° Panorama dienen mehrere Stehlen als Projektionsfläche für die bis zu zwei Meter großen Gesichter. Durch die Größe der Gesichter und den daraus resultierenden Abstraktionsgrad erziehlt der erste Raum eine enorme Wirkung auf den Besucher.


Auditiver Expertendialog Der auditive Expertendialog schlägt im übertragenen Sinn die Brücke zum ersten Raum. Innerhalb des Dialoges werden Inhalte definiert und erklärt, die im ersten Raum anhand der Geschichten dargestellt wurden.

Raum 2: Auditiver Expertendialog

Raum 1: 360° Panorama

Info


Info

Eigeninitiative

Freigeist bei Nacht

Raum 3: Selbstinitiative

Im letzten Raum soll die Eigeninitiative ergriffen werden, seine Meinung aufzuschreiben. Durch eine Animation wird dem Besucher der Hinweis gegeben, dass er auf die Stehlen seine Meinung schreiben kann. Eine weiterer Film stellt zudem Fragen, welche die Thematik der Meinungsfreigeit aufgreifen und dem Besucher Hilfestellung bezĂźglich des Aufschreibens geben sollen.


Nachtinstallation Die Stehlen werden im Nachtmodus von innen heraus durch LED Lampen beleuchtet. Das ganze Mahnmal wird so zu einem Ort, der mit Licht durchflutet ist. Der neu geschaffene Platz soll den Besucher einladen sich mit den Inhalten des Mahnmals auseinander zu setzen.

Freigeist bei Nacht

Raum 3: Selbstinitiative

Info


Raum 3 bei Nacht

Raum 1 bei Nacht


Samsung Outdoordisplay

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Technische details

07.1 T echnische Umsetzung Video In den Säulen werden zur wiedergabe der Filme und Animationen Outdoordisplays von Samsung eingesetzt (SyncMaster 700DRn-A Outdoor-Display). Diese sind gegen Sonnenstrahlen, extremen Außentemperaturen von -20 °C bis +40 °C und Nässe nahezu unempfindlich. Durch die LED-Hintergrundbeleuchtung des Full-HD-DID-Panels erreicht dieses Modell eine sehr hohe Leuchtkraft von 2.000 cd/m² bei einem statischen Kontrastverhältnis von 2.000:1 und stellt somit selbst bei Sonneneinstrahlung noch eindrucksvoll die gewünschten Bildinhalte dar. Mit einer Bildschirmfläche von 177,80 cm (70 Zoll) werden die Porträtaufnahmen bestens dargestellt. In der Unterführung werden die Überdimensionalen Gesichtsausschnitte mit einer HD Rückprojektion dargestellt. Die neue HD-Beamer Reihe von Sony zeichnet sich durch ein gestochen scharfes Bild aus und kann dank seines Objektives mit einem minimalen Brennweitenwinkel ein Bild projizieren. Beschriftung Die Typografie wird mit lackbeschichteter Klebefolie an die Stehlen angebracht, diese ist gegen Sonnenstrahlen, Hitze und Nässe resistent und sehr lange beständig. Audio Die Tonaufnahmen werden mit Lautsprecher wiedergegeben, diese sind so in den Stehlen verbaut, dass eine bestmögliche Klangwiedergabe bei davorstehen gewährleistet ist.

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07.2 Konstruktionskonzept. Wie bereits erwähnt war uns wichtig dass eine verschmelzen von Person, Meinung und Stehle erfolgt. Daher war auch ein nahtloses Erscheinungsbild wichtig. Bei den Stehlen handelt es sich um eine Konstruktion aus Sicherheitsglas, das auf Gehrung verklebt und dann die Oberfläche geätzt wird. Dadurch wird die Klebefuge unsichtbar und die Stehle opak. Gleichzeitig behält sie die homogene Oberfläche. Die Stehlen haben eine Abmessung von 50 x 50 cm oder 80 x 80 cm. Die Höhen variieren zwischen 60 cm bis 6 m und sind dadurch eine Anspielung auch auf die Einzigartigkeit der Personen. Für den Teil der Installation mit dem 360° Panorama werden mehrere Stehlen zu einer zusammengefasst. So kann eine Videofläche von 2 x 2 Metern erzielt werden auf der im Inneren die Monitore angebracht sind. Zur Aussteifung sind im Abstand von 1m Zwischenscheiben eingelegt, die in ihrer Mitte einen Durchbruch haben um die Verkabelung zu ermöglichen. Durch das Schottenprinzip können auch unterschiedliche Einbauten positioniert werden, ohne das deren Halterung sichtbar wird. Auch ermöglicht es, die wasserdichte und wetterfeste Verschließung der Technik und erhält trotzdem die Zugänglichkeit zu Wartungsarbeiten. Gegründet sind die Stehlen durch eine Pfahlgründung. Sie ermöglicht das präzise Setzen der Stehlen im Raster des Bodenbelages und schafft gleichzeitig die Einspannung. Die Pfahl besteht aus eine IPE-Kastenprofil, dass in die Stehle einschießt und biegesteif mit ihr verbunden wird. Die Leitungsführung erfolgt in einem Kabelkanal, der ummantelt ist von LED- Bändern. Dadurch können die Stehlen nachts erleuchtet werden und den Stadtraum beleuchten. Durch die Ummantelung wird die Technik im Inneren überstrahlt und damit unsichtbar.


Technische Zeichnung: Aufbau

Technische Zeichnung: Aufbau


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Das Team

Ausblick

Alyssa Rau: Architektin Während des Konziljubiläums 2014–2018 werden Konstanz und die geplanten Feierlichkeiten immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Um Besuchern an einer zentralen Stelle der Stadt eine hochwertige und interessante Möglichkeit der Wissens- und Wertbildung zu ermöglichen, könnte Freigeist während dem Hus-Jahr 2015 als permanente Installation das Bild der Markstätte prägen. Die Wichtigkeit von Jan Hus und seinen Idealen, die uns bis heute beeinflussen, ist bedeutend genug um solch ein Projekt ein ganzes Jahr lang relevant zu halten. Dazu kommt auch das angedachte „Wachsen“ des Virus durch die zur Selbstgestaltung freigegebenen Stehlen, die in der Stadt wachsen sollen. Wichtig wird sein in der Planungsphase die Bürger einzubeziehen um sicher zu gehen das alltägliche Leben an dieser hochfrequentierten Stelle nicht negativ zu beeinflussen. Ein Einfluss auf das Verhältnis der Menschen zu Meinungsfreiheit und eine eventuelle Verhaltensänderung ist selbstverständlich schwer abzuschätzen, die Möglichkeit zum Nachdenken anzuregen sehen wir allerdings als durchaus gegeben. Freigeist kann hierdurch wie auch durch die andauernde Ausstellung einen Einfluss auf die Stadt Konstanz, ihre Bewohner und ihre Besucher ausüben. Das Verhältnis der Konstanzer zu Jan Hus kann sich nachhaltig zum Positiven verändern, wenn man den Bürgern klarmachen kann, was dieser bisher nicht recht gewürdigte Mann für unser heutiges Leben getan hat.

Alexander Selbach: Kommunikationsdesigner

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Aric Merz: Kommunikationsdesigner

Benjamin Troll: Kommunikationsdesigner



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