# 146
| JUNI 2017
FLEET FOXES Epische Rückkehr
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Warum seit dem letzten Fleet Foxes Album sechs Jahre vergangen sind? Weil Sänger Robin Pecknold die Konzertclubs für eine Weile gegen den Uni-Hörsaal tauschte. Mit «Crack-Up» veröffentlicht die Band nun ihr bisher ausgereiftestes Werk. von Nadine Wenzlick Nein, die Fleet Foxes lagen nicht auf der faulen Haut. Zwar sind seit dem letzten Album der US-Indie-Folk-Band stolze sechs Jahre ins Land gegangen – Ex-Schlagzeuger Joshua Tillman veröffentlichte derweil gleich mehrere Alben unter dem Namen Father John Misty – der Grund dafür ist aber, dass Sänger Robin Pecknold sich eine Weile aus dem Musikbusiness zurückziehen und ein ganz normales Leben führen wollte. Die Auszeit tat ihm offenbar gut, denn heraus kam am Ende «Crack-Up», das epische, dritte Album der Band. Doch der Reihe nach. Eigentlich lief für die Fleet Foxes bisher alles bombig. Schon mit ihrem Debütalbum hatten sie 2008 für Begeisterung gesorgt: Psychedelische Popmusik der 60er und 70er war plötzlich wieder hip, The Byrds, Crosby und The Beach Boys gern zitierte Einflüsse. Als drei Jahre später der Nachfolger «Helplessness Blues» erschien, brachte er der mittlerweile auf sechs Mitglieder aufgestockten Band sogar eine Grammy-Nominierung ein. Die Fleet Foxes waren also auf ihrem bisherigen Höhepunkt angekommen, als Pecknold sich zu einer Vollbremsung entschied. «Ich wollte nicht bloss deshalb ein neues Album machen, weil die Leute es erwarten. Ich hatte Angst, dass es eine schlechte Platte werden könnte», erklärt er. «Also beschloss ich, erst mal zur Uni zu gehen, während ich überlege, wie es weitergehen soll. Ich hatte mich seit meinem 14. Lebensjahr voll auf die Musik konzentriert und nie Zeit gehabt, zu studieren. Ich wollte das mal ausprobieren.» Pecknold zog von Seattle nach New York, schrieb sich an der Columbia University ein und studierte Musiktheorie, Kunstgeschichte und Literatur. «Ich habe es genossen mich in etwas völlig Neues zu stürzen», sagt er. «Das ist der beste Weg, um zu wachsen. Das ganze Umfeld tat mir gut. So ein Campus ist wie eine Blase. Ich habe viel gelesen, viel nachgedacht.» Die Musik kam trotzdem nie zu kurz: Permanent nahm Pecknold neue Songs auf. Er schrieb den Soundtrack für das Off-Broadway-Stück «Wyoming», musizierte aber auch einfach bloss aus Spass. «Diese Freiheit habe ich genossen», fährt er fort. «Dadurch habe ich wieder einen anderen Zugang zur Musik gefunden, jenseits des Popkontexts.» Und schliesslich nahm auch das dritte Fleet-Foxes-Album Form an. Statt Dinge zu erzwingen, wartete Pecknold stets auf die Erleuchtung.
Auf den Moment, in dem er wusste: Dieser Song wird der Opener. Jener Song muss am Ende stehen. Oder auch: Die Platte muss «CrackUp» heissen. Der Titel ist einem autobiographischen Essay des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald entliehen, in dem Pecknold Inspiration fand. Er wurde 1936 veröffentlicht und gilt als Dokument von Fitzgeralds Lebenskrise, die schliesslich zu seinem alkoholbedingten Tod führte. «Es geht darin um Depressionen und Fitzgerald spricht von einem Bruch, der in ihm stattgefunden hat. Einiges davon stand in Einklang damit, wie ich mich damals fühlte», wagt Pecknold einen Erklärungsversuch. Weil er gerade selbst nicht wusste, wie es für ihn weitergehen sollte? «Ja», druckst er herum. «Wobei der Essay zum Teil sehr fatalistisch ist. Das teile ich nicht unbedingt.» Man merkt im Interview schnell, dass Pecknold eher der verkopfte Typ ist. Er macht viele Pausen, denkt bei fast jeder Frage lange nach. «Bestimmte Zeilen haben mich einfach angesprochen», schlussfolgert er. «Zum Beispiel ‚your life is just how you're perceiving it’. Wahrnehmung ist ein grosses Thema auf dem Album. Je älter ich werde, desto mehr stelle ich fest, dass die Art, wie ich die Welt sehe, nicht unbedingt damit übereinstimmt, wie sie wirklich ist oder wie andere Menschen sie wahrnehmen. Und dass es gar keine objektive Sicht auf die Welt gibt.» Vertont haben Fleet Foxes diese bedeutungsschweren Gedanken mit einer Mischung aus Waldschrat-Folk, wunderbarem Harmonie-Gesang, dramatischen Mandolinen, warmen Gitarren und eingängigen Melodien – bloss mit noch mehr Nuancen und tiefer durchdacht. Sounds und Stile, die für die Band einzigartig sind, wollte Pecknold dieses Mal auf die Spitze treiben. Das geht so weit, dass die erste Single «Third of May / Ōdaigahara» als fast neunminütiges Epos inklusive Klavier, Streicherquartett und 12-seitiger Gitarre daherkommt. Der Song ist eine Hommage an Gitarrist Skyler Skjelset, mit dem Pecknold die Band 2006 gegründet hat und der am 3. Mai Geburtstag hat. Die beiden kennen sich bereits seit der High School, doch zuletzt hatte ihre Freundschaft unter dem ständigen Touren gelitten. «Wir mussten einfach eine Weile als Individuen leben, um dann wieder zueinander zu finden», so Pecknold. «Der Song ist eine Art Tagebuch unserer Freundschaft und vereint verschiedene Erinnerungen. Skyler ist wie ein Bruder für mich und ich bin echt dankbar für unsere Freundschaft. Es passiert schliesslich nicht oft, dass man so lange zusammen durchs Leben geht.» Umso schöner, wenn dann noch so wunderbare Musik dabei herauskommt.