RCKSTR Mag #154 | März 18

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IAMJJ #154 | MÄRZ 2018

«Ich war ein Nervenwrack. Letztes Jahr konnte ich fast neun Monate lang nicht richtig schlafen. Ich lag bis fünf Uhr morgens einfach wach. Ich war müde und frustriert und ich war in einer Beziehung, die nicht funktionierte. Ich war zu hart zu mir selbst, denn ich will immer zu viel. Ich will das mein Leben aussergewöhnlich ist und ich will meine Kreativität leben. Und gutes Essen.»

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von Christian K. L. Fischer Niemand hat behauptet, es wäre ein Ponyhof, Musik aufzunehmen. Oder auch nur zu Leben. Denn bevor ihn die Arbeit an seinem Debütalbum um den Verstand bringen konnte, musste IAMJJ erst einmal gegen sich selber ankommen: «Ich war immer der Clown als kleiner Junge und in der Schule. Ich war auch nicht gut in der Schule.» Er war ein Fuck-Up, wie er es selber sagt, und er war dick und kiffte zu viel und im Gymnasium begann er auch noch zu trinken. Erst kurz bevor es zu spät war, riss er sich zusammen – und in diesem Moment zeigte sich, dass der Junge einen eisernen Willen hat.

VOM FUCK-UP ZUM FUCK IT

Er begann zu trainieren, nahm ab und am Ende schrieb er nur Einer und Zweier. «Das war eine wunderbare Erfahrung.» Dann stelle sich nur noch die Frage, was nun – mit der neuen Freiheit und dem Wissen, dass er alles erreichen kann, wenn er nur will. Aber klar – eigentlich hatte er die Antwort schon. Seitdem er 13 ist. «Ich hatte Angst davor, Musiker zu werden. Du stehst da allein vor einem riesigen Berg und den musst du erklimmen. Doch irgendwann dachte ich: Fuck it!» Er gab sich vier Jahre. Gebraucht hat er viereinhalb. «Angefangen habe ich mit Luft-Gitarre spielen. Ich hörte ein Lied, fühlte es und träumte, dass ich es wäre, der es spielt.» Seine Eltern kaufen ihm eine billige, akustische Gitarre und «natürlich klang es schlecht, aber ich übte – ich wollte die Anerkennung meiner Eltern. Die meinten nämlich: «Wenn du schon laut spielst, dann spiele nicht so Scheisse.» Später sparte er sein Geld und kaufte sich eine Gibson SG. «Da begannen sich meine Eltern Sorgen zu machen, denn durch den Verstärker und Verzerrer klang es alles noch schlechter.» Er hatte auch noch keine Ambitionen, doch «als meine Schwester 18 wurde, schrieb ich ihr ein Lied. Es war das erste Mal etwas, dass aus meinem Herzen kam. Es war rein. Und das ist das Wichtigste bei Musik – diese Reinheit. Da wurde mir klar,

IAMJJ

BLOODY FUTURE

WARNER MUSIC

Diese Stimme, der eigenwillige Sound zwischen dem klassischen Singer/Songerwriter-Rock eines Tom Waits, der Poesie eines Cohen und einer neugierigen Produktion mit moderner Technik – doch vor allem diese Stimme! Wir sagen das viel zu oft, aber dieses Mal stimmt es: «Bloody Future» klingt ausnahmsweise wirklich nach etwas Eigenem, etwas Rauem und spürbar Echtem, nach gelebten Leben und fieser Authentizität. Es ist nicht perfekt, es holpert sogar – aber genauso klingt die Realität nun einmal. wwwwwwWvvv Für Fans von: Tom Waits, Leonard Cohen, Nick Cave

was ich tun wollte. Es gibt im Leben nur selten Momente, in denen du spürst, dass du auf dem richtigen Weg bist – und diese Momente sind auch noch sehr selten. Meistens merkst du ja nur, dass du auf dem falschen Weg bist», lacht er. «Aber in diesem Augenblick spürte ich, dass ich das tun musste, was ich liebe – und dass ich damit Menschen glücklich machen kann.» Er war damals 16 – und kümmerte sich im Ergebnis zunächst noch weniger um das Lernen als sowieso schon. «Ich stürzte mich jeden Tag ins Üben, ich schwänzte die Schule dafür.» Und nun, endlich, nach all diesem Suchen und Finden, scheint es, dass alles seine Richtigkeit gehabt hat, denn genau von dieser Intensität lebt sein Debütalbum. Es ist auf seine Art sehr laut – und alles andere als Scheisse.


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