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Bonaparte "Ich bin einer von euch. Kleingewachsen und immer für einen Hoselupf bereit."

Ein Berner zog aus und wurde in Berlin zum Star. Inzwischen hat Tobias Jundt mit seinem Projekt Bonaparte praktisch die ganze Welt bereist. Sein neues Album «Was mir passiert» ist in Abidjan an der Elfenbeinküste entstanden. Wir haben uns mit Bonaparte unterhalten – über den sechsten Longplayer, seine ersten Tage in Berlin und das Gefühl von Heimweh. (rec/mge)

Inwiefern markiert dein aktuelles Album «Was mir passiert» ein neues Kapitel in deinem bisherigen Schaffen? Es ist sicher auf vielen Ebenen eine sehr spezielle und andere Platte. Zum einen, dass sie in Abidjan aufgenommen wurde und viele Afro-Einflüsse hat, zum anderen weil ich darauf vorwiegend auf Deutsch getextet habe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es einfach ein einmaliges Ding war. Ich werde sicher nicht sehr lange mit diesen Zutaten kochen.

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Wird Abidjan nun dein nächstes Berlin? In Abidjan bin ich total verliebt. Mag die Stadt und die Menschen und die Art, wie alles läuft. Aber es ist auch anstrengend manchmal und ob ich mich da niederlassen würde? Vergleichen kann man diese Städte in keiner Weise. Alleine die fehlende Infrastruktur ist sehr anders als das emsige Berlin, wo jeder zweite mit einem Hut sicher ein Musikproduzent ist oder ein Musik-Start-up gegründet hat.

Durch das Album zieht sich eine gewisse Aufbruchsstimmung, etwas Ungeduldiges. Wie kam es dazu? Wohin zieht es dich – sowohl musikalisch wie auch allgemein im Leben? Das Neue war schon immer wichtig in meinem Schaffen. Ich reise durch die Welt und wenn ich irgendwo kleben bleibe, dann schaue ich, was daraus entsteht.

Wie kam es zu den Kollaborationen mit Sophie Hunger und Die Ärzte auf «Was mir passiert»? Bela B und ich sind seit einem Jahrzehnt sehr gute Freunde, haben aber selten zusammen Musik gemacht und sind oft einfach privat abgehangen. Farin war dann lustigerweise der erste, der seinen Vocal-Part eingesungen hat - ihn verbindet ja eine lange Geschichte mit dem afrikanischen Kontinent, da er da oft monatelang rumfährt und fotografiert. Und meine Landsfrau Sophie ist auch eine gute Freundin des Hauses. Wir treffen uns oft zum Raclette essen und als Exilschweizer muss man ein wenig zueinander schauen. Als ich dann beschloss, ein Mani-Matter-Lied aufzunehmen, hab ich sie vorm Fernseher weggezerrt und ins Studio entführt - sie singt traumhaft of course.

Was hat dich damals bewogen, deine Karriere in Berlin und nicht in der Schweiz zu starten? Ich lebte in Barcelona. Aber da gab es wenig Möglichkeiten für Live-Musik, mehr DJs. Mein Freund gründete dann die Legendäre Bar25 in Berlin und da war mein allererster Gig als Bonaparte. Wir hatten nicht einmal ein Schlagzeug und spielten auf Müll, kann man auf YouTube nachsehen (lacht). Berlin war halt in den 2000er Jahren schon auf eine eigene Art frei und wild - auch wenn sich ein Jahr immer wie drei anfühlte. Es war alles so intensiv und auch schön hedonistisch. Das gab es in der Schweiz in gewissen Epochen sicher auch in kleinen Subkulturen.

Wie hast du die ersten Wochen in Berlin erlebt? Gab es Dinge, die du vermisst hast? Kamen dir je Zweifel, den richtigen Schritt getan zu haben? Es war kalt. Und es wurde immer wie kälter. Ich lebte in einer 350 Quadratmeter grossen Fabriketage und fuhr mit dem Klapprad vom Studiotisch zur Toilette. Aber es gab keine Heizung. Nur einen Ölofen, aber der Öltank war im Keller. Und nachdem ich ein paar Wochen jeden Tag in der Giesskanne das Öl hoch schleppte, nahm ich kurzerhand eine Einladung aus Neuseeland an und stieg in den Flieger, um meine erste Bonaparte Tour Down Under zu spielen. Die Temperaturen waren erträglicher da (lacht). Vermissen tue ich immer nur den Schweizer Käse, die Schweizer Luft und natürlich ganz fest die Sprache – das Mundart, das Bärndütsch (lacht).

Hättest du dich in der Schweiz auch so entfalten können wie in Berlin? Ich denke nicht. Es gibt einem Menschen eine unglaubliche Kraft, niemand zu sein und alles sein zu können, was man sich erträumt. Deshalb sind ja auch viele Menschen, die Grosses geleistet haben, Immigranten. Für mich war es befreiend, niemand zu sein und nichts zu müssen. Ich habe nur noch gewollt. Und jeden Tag voll abgedrückt. Was in einer Stadt wie Berlin eben sehr gut ging - und trotzdem konnte man unterm Radar bleiben, experimentieren.

Du bist fast um die ganze Welt getourt, wie hat dich dieses Erlebnis verändert? Welches sind die Erfahrungen, die du nicht mehr missen möchtest? In der Zeit als ich über 100 Shows im Jahr spielte, war ich in einem Film. Ich habe das eher durch einen Filter wahrgenommen. Die neuen Eindrücke umarmt. Neue Orte, fremde Kulturen, neue Freunde. Ich fand das sehr bereichernd – auch, um als Mensch die Welt zu verstehen. Man kratzt ja sowieso immer nur an der Oberfläche. Ich möchte keine Erlebnisse missen. Ausser in San Diego, Texas - da wurde es mal sehr brenzlig und wäre fast in eine Schlägerei zwischen Publikum, Club-Besitzer und uns ausgeartet. Da war ich froh, dass es eine Hintertür gab (lacht).

Gibt es für dich überhaupt dieses Gefühl von «Heimweh»? Und was ist es dann für eine Heimat, nach der du dich sehnst? Die Schweiz? Berlin? Gewisse Menschen? Einfach nur ein Hotelbett, in dem man mal etwas länger verharren kann? Absolut gibt es dieses Gefühl! Die Schweiz. Das Land, die Luft, die Berge, der Käse und vor allem die Menschen mit ihrer lustigen Elfensprache. Da komme ich her. Ich bin einer von euch. Kleingewachsen und immer für einen Hoselupf bereit. Ich finde das ja faszinierend, dass es Heimat gib, dieses nicht zu erklärende Gefühl, die Seele baumeln lassen zu können. Ich habe das sonst fast nur in Neuseeland erlebt.

Bist du gerne auf Achse wegen Bonaparte oder gibt es Bonaparte weil du gerne unterwegs bist? Ich hatte definitiv die Musik gewählt, weil ich die Welt bereisen und Menschen kennen lernen wollte. Kalt. Bonaparte ist mein Catbus.

Wenn du drei Dinge auf eine Reise mitnehmen müsstest, die dich an Berlin, die Schweiz und Abidjan erinnern, welche wären das? Eine Nacht, einen Berg und das Meer. Diese drei Dinge nehme ich mit. Let’s go!

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