Gottesdienst 28. Juni 2020 German Church Atlanta
Orgelvorspiel Bekanntmachungen und Begrüßung Psalm 103: 1-13 Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! 2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: 3 der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, 4 der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, 5 der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler. 6 Der HERR schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden. 7 Er hat seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder Israel sein Tun. 8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. 9 Er wird nicht für immer hadern 1
noch ewig zornig bleiben. 10 Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. 11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. 12 So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. 13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.
Lied 1: Lobe den Herrn
Lesung aus den Briefen: 1. Timotheus 1: 12-17 12 Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt, 13 mich, der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. 14 Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. 15 Das ist gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin. 16 Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben 2
sollten zum ewigen Leben. 17 Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen
Lesung aus dem Evangelium des Lukas: Lukas 15: 1-3, 11b-31 Es nahten sich ihm aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. 2 Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. 3 Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. 14 Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben 15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. 17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 23 und 3
bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. 25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen 26 und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. 27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. 29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. 30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. 32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.
Lied 2: Vater Deine Liebe
Predigt
Das Wort Gottes für diese Predigt steht im Buch des Propheten Micha im 7.Kapitel: 7 Ich aber will auf den Herrn schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich ehren. 9 Ich will des Herrn Zorn tragen denn ich habe wider ihn gesündigt -, bis er meine Sache führe und mir Recht 4
schaffe. Er wird mich ans Licht bringen, dass ich seine Gnade schaue. 18 Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übrig geblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! 19 Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Liebe Gemeinde, Micha wird uns vorgestellt im ersten Kapitel als ein kleiner, unbedeutender, auf dem Lande lebender Unheilsprophet. Klein, weil niemand auf ihn hören wollte. Unbedeutend, weil seine Worte wie Rauch verhallten und die Menschen ihn unterbrachen, wann immer er von Gott und von Gerechtigkeit redete. Auf dem Land lebend, weil er sicher isoliert war und vielleicht Angst haben musste um sein Leben. Micha‘s Name bedeutet: Wer ist wie Gott? Manchmal wünscht man sich Propheten wie Micha in unserer Zeit. Propheten, die etwas von Gott zu sagen haben zu den Problemen unserer Gesellschaft: Zum kollektiven Egoismus - zu Terror, Gewalt und Krieg – zu Rassismus und Systemischer Ungerechtigkeit und allem, was damit zusammenhängt. Manchmal wünscht man sich Propheten in unserer Zeit. Wir können uns gut vorstellen: Solch ein Prophet wäre isoliert und einsam. Er wäre angesehen bei vielen als ein Spinner, der sich verzweifelt dem Strom der Zeit entgegenstemmt. Die normale Empfehlung für solche Spinner wäre in unserer Gesellschaft heute: Anpassung. „Go with the flow“ Schwimm mit der Strömung! Geh mit der Zeit! Passe dich an! Häng dein Fähnlein nach dem Wind! Mach mit! Mancher unter uns mag die Entwicklung in unserer Gesellschaft mit Sorge beobachten. Mancher mag sich wünschen, es wäre alles ganz anders. Aber viele Prophet gibt er trotzdem nicht. Nein, Prophet will keiner werden. Prophet kann niemand von sich aus werden. Prophet wird man durch Gottes Auftrag.
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Trotzdem spüren wir deutlich in unserem Alltag: Wir brauchen Propheten, die den Menschen, die uns die Wahrheit in Gottes Namen auf den Kopf zusagen. Wir wollen auf Micha hören. Er, der vor etwa 2700 Jahren wirkte, soll heute in unser Leben hineinsprechen. Wir hören Micha als Prophet des 21.Jahrhunderts Micha sagte zu Beginn: „Ich aber will auf den Herrn schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören.“ Deutlich setzt sich der Prophet von der Gesellschaft ab, in der er lebt. Gegen den Strom schwimmt er. Gegen den Zeitgeist setzt er sein: Ich aber! Wo die Dinge nicht mehr so laufen, wie er sie sich wünscht, da steht bei ihm das Vertrauen auf Gott. Der wird ihn erhören und sich als Gott des Heils erweisen. Solches Vertrauen, liebe Schwestern und Brüder, kostet Kraft. Es ist nicht leicht, auf Gott zu schauen, wenn alle ihren Blick woanders hinwenden. Es ist schwer, auf ihn seine Hoffnung zu setzen, wenn niemand bei mir steht. Ich bin isoliert. Alles spricht gegen solches Vertrauen. Micha bringt diesen Kraftakt zustande. Als Prophet sagt er: „Ich aber will auf den Herrn schauen!“ Die erschreckende Umwelt des Propheten wird in den vorlaufenden Versen klagend beschrieben: Die frommen Leute sind weg in diesem Lande, und die Gerechten sind nicht mehr unter den Leuten. ... Ihre Hände sind geschäftig, Boeses zu tun. Der Fuerst und der Richter fordern Geschenke. Die Gewaltigen reden nach ihrem Mutwillen. ... Niemand glaubt seinem Nächsten, niemand verlässt sich auf einen Freund! Bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft. Der Sohn verachtet den Vater, die Tochter widersetzt sich der Mutter ..., und des Menschen Feinde sind seine eigenen Hausgenossen. So klagen können auch wir. Es ist, als hätte Micha unsere Gesellschaft im Blick. Man fragt sich, wo die 2700 Jahre geblieben sind. 2700 Jahre liegen zwischen Micha und uns heute. In fast erschreckender Weise ist Micha aktuell. Kollektiver Egoismus und Machtgier, Korruption und Bestechlichkeit, Misstrauen und Feindseligkeit bis in die Familien hinein - all das beschäftigt auch uns im 21.Jahrhundert. 6
Was soll das nun aber mit Gottes Zorn oder Strafe zu tun haben? Das Alte Testament ist doch zu weit weg mit dieser Sprache, diesem Konzept. Gottes Zorn tragen? - Son Quatsch! Was hat die gegenwärtige Lage unserer Gesellschaft mit Gott zu tun? Es fällt uns schwer, von der Strafe Gottes zu reden. Das Alte Testament spricht immer wieder davon, dass Gott Menschen einfach in ihre Sünde dahingibt. Strafe wird also nicht als Gericht von außen angesehen. Strafe ist hier nicht gemeint als ein aktives Handeln Gottes, sondern als Verfallenheit und Verlorenheit von uns Menschen an das eigene Versagen. Martin Luther redet ähnlich davon wenn er von unserem Verlorensein in unserer Sünde spricht oder von unserem Getrenntsein von Gott. Verlorenheit auch als Getrenntheit von anderen Menschen und auch letztlich von uns selbst. Der heutige Sonntag hat das Verlorene zum Thema. Habt Ihr schon einmal etwas ganz Wichtiges verloren? Ist etwas für Euch Wertvolles aus Eurem Leben verschwunden? Jede und jeder von uns könnte wohl jetzt eine persönliche Geschichte vom Verlieren erzählen. Von den Sorgen und dem Schmerz, den es bedeutet, ein Erinnerungsstück oder ein Kuscheltier, einen größeren Geldbetrag oder wichtige persönliche Dokumente verloren zu haben. Unvergleichlich schwerer als bei verlorenen Dingen wiegt der Verlust von Lebendigem. »Entlaufen« sagen wir, wenn Katze, Hund oder Zwergkaninchen plötzlich verschwinden. Es folgt eine verzweifelte Suche an allen möglichen und unmöglichen Orten, Selbstvorwürfe und Schuldzuweisungen stellen sich ein. Wie konnte das passieren? Wieso war ich so unaufmerksam? Wie wird es nun weitergehen ohne das Verlorene? Die Perspektive des Verlorenen selbst, obwohl es doch für den Suchenden so wichtig ist, gerät allerdings bei all der Aufregung, die die großen Suchaktionen auslösen, häufig aus dem Blick. Seid Ihr schon einmal verloren gegangen? Erinnert Ihr Euch an das Gefühl, plötzlich den Anschluss verloren zu haben, allein zurück zu bleiben in unvertrauter Umgebung? Unzählige Menschen, haben dieses Schicksal auf der 7
Flucht erlitten, in den Schrecken der Weltkriege des 20. Jahrhunderts oder bei der Flucht aus bedrohten Ländern, inklusive der Kinder von Eltern die aus Mexico fliehen wollten. Die Heimat verlieren, das kann man auch. Fremd sein in einer neuen Kultur. Verloren sein kann auch heißen dass man sich allmählich selbst entfernt von den eigenen Wurzeln, der eigenen Religion oder der gelebten Spiritualität. Alles das löst beim Verlorenen oft große Ängste aus und auch Zweifel oder das Gefühl, selbst schuld zu sein an der Lage, in die man nun geraten ist. Verlorenheit kann auch anders erfahren werden, nämlich indem man viel verliert. Ich denke wir leben in diesen Wochen und Monaten in einer Zeit, wo wir als Gesellschaft und als Individuen vieles verlieren. Zum Beispiel die Selbstverständlichkeiten des Amerikanische Westlichen Lebensstils. Oder unbeschwertes soziales Verhalten. Unsere ökonomische Sicherheit. Und das Gefühl gesundheitlich sicher und versichert zu sein. Und dann sind da auch Drohungen von Verlust: wie die Grundsätze unseres legalen Systems oder unsere Sicherheit in einer Demokratie zu leben, inklusive Pressefreiheit. Wir haben eine Regierung verloren, die Wissenschaft ernst nimmt und mit Zahlen und Statistiken arbeitet. Wir haben Politiker verloren die ihren Auftrag darin sehen das Gemeinwohl der Bevölkerung im Blick zu haben. Wir vermissen eine Regierung die Verantwortung in einer Pandemie übernimmt. Das Buch Micha, das über einen Zeitraum von mehreren Hundert Jahren hin entstanden ist, beschreibt ebenso viele Verluste. Gott hatte damals einen Teil seines Volkes verloren, weil Menschen das Vertrauen in ihn verloren haben in Zeiten des Exils und der Bedrohung. Gott hat sein Volk damals aber auch durch Wohlstand, durch Macht und durch falsche Sicherheiten verloren damals zurzeit des Micha. Wohl nicht zufällig schließt sich vom Anfang und Ende des Buches ein Kreis: „Wer ist ein Gott wie du? Oder: Wo ist solch ein Gott, wie du bist?“ „Ein Gott, 8
der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und all unsere Sünden ins Meer werfen!“ Das sind für ein alttestamentliches, Unheil verkündendes Prophetenbuch wie das Buch des Micha erstaunliche Töne, wie ein Psalm, wie ein Gebet, ein Hymnus eines Geretteten. Keine Drohung mehr an die, die sich nicht oder noch nicht zu ihm bekennen. Keine Schuldzuweisung, nur Gnade. So klingt schon im Alten Testament das Thema „Gnade oder Barmherzigkeit“ an, das später Martin Luther zum Zentrum seiner Theologie gemacht hat. Es ist interessant, dass als Luther seine Theologie der Gnade entwickelte, in Israel auch der Rabbi Moses Cordovero lebte, der unter dem Titel »Der Palmbaum der Deborah« eine Ethik radikalen Erbarmens entwirft. Er beschrieb ein Erbarmen, das man sich nicht durch gute Taten »verdienen« kann. Beide Theologen stellten fest: Gott sucht seine Menschen, sucht die Verlorenen, zu denen auch wir zählen, um sie zu umhüllen mit seiner Gnade, die neuen Anfang und neues Leben schenkt. Gott sucht uns. Sollten wir ihn da nicht auch suchen, wenn er uns verloren geht? Eine jüdische Weisheitsgeschichte mag uns dazu den Blick weiten: »Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jechiel, spielte einst mit einem anderen Knaben Verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suche. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck; aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber musste er weinen, kam weinend in die Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über den Spielgenossen. Da flossen Rabbi Baruch die Augen über und er sagte: »So spricht Gott auch: Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen.« Seid Ihr schon einmal wiedergefunden worden? Wer wiedergefunden wird, dem widerfährt das größtmögliche Glück. Das gilt jedenfalls sicher für alles 9
Lebendige. Für das heisere Kätzchen, das nach Tagen des Suchens kohlrabenschwarz aus dem Schuppen befreit werden kann. Für das ausgebüxte Kaninchen, das der Nachbar über den Gartenzaun reicht. Vielleicht gilt es sogar auch für die Puppe, die etwas angeschmuddelt vom Fundbüro abgeholt werden kann. Alle Verlorenen sind selig, in die Arme geschlossen zu werden, so wie „der Verlorene Sohn“ im Lukasevangelium von seinem Vater. Dieses Gleichnis vom Verlieren und der Freude über das Gefundene heißt auch das »Gleichnis vom barmherzigen Vater«. Die beiden Überschriften spiegeln die zwei genannten Perspektiven wieder, die des Verlorenen und die des vom Verlust getroffenen. Der Sohn leidet unter seiner Entscheidung, er bereut es, sich vom Haus des Vaters entfernt und losgesagt zu haben. Dies ist auch ein Sinnbild für die Freiheit des Volkes Israel, sich von Gott loszusagen, wie ein großer Teil es dann ja auch getan hat im Verlauf der Geschichte, nicht nur im babylonischen Exil, sondern immer wieder. Gott aber blieb seinen Menschen treu, suchte und fand sie auch an den entlegensten Orten und erwies sich als barmherzig, als gütig. Jakob und Abraham werden bei Micha stellvertretend genannt für alle Menschen, denen Gott die Treue hält, denen er nachgeht und die er sucht, bis heute. Liebe Gemeinde, diese Worte des Micha sollen auch am Ende dieser Predigt stehen. Das letzte Wort soll nicht die notvolle und bedrückende Lage haben, in der sich Micha findet und in der auch wir uns heute finden. Das letzte Wort hat Gottes Barmherzigkeit. In Zeiten wie die unsere, wo vieles Verloren geht, da Staunen wir ganz neu über die unverdiente Liebe unseres Gottes. Micha staunt. Er hat so viel Verderben gesehen. Er hat so viel Gericht gepredigt. Aber sein letztes Wort bleibt das von der Liebe und Zuwendung Gottes. Gut, das zu wissen. Wir mögen kommen mit all dem Schrott unseres Lebens. Wir mögen auf den Scherben unserer Beziehungen stehen. Wir mögen eingebunden sein in eine kranke Gesellschaft. Wir mögen viel Unrecht erleben und Gesetzlosigkeit. Wir 10
mögen erleben was das Alte Testament „Gottes Strafe“ nennt, nämlich die kollektive Verfallenheit und Verlorenheit von uns Menschen an das eigene Versagen. Und doch: Das letzte Wort behält nicht der Zorn, nicht das Gericht, nicht die Strafe. Gott sagt letztlich ja. Er macht heil, was kaputtgegangen war. Er macht gesund, was schon im Sterben lag. Er schenkt Leben, wo nur noch Tod zu erwarten war. In Jesus Christus hat Gott ein für alle Mal seine letztgültige Liebe und Barmherzigkeit über uns Menschen und über unserer Schöpfung kundgetan. Liebe Gemeinde, das ist unsere Hoffnung. Daran halten wir fest gegen allen Augenschein von Verfall und Schuld in unserer Gesellschaft und in unserem Leben. Wir haben die Stimme des Propheten gehört. Micha predigt auch heute noch. Amen
Lied 3: Wo ist solch ein Gott?
Fürbitte Lasst uns gemeinsam beten: Barmherziger Gott, Das Jahr ist auf seiner Höhe. Wir beten zu dir, du Schöpfer des Himmels und der Erde. Wir schauen zurück und beten: Wandle in Segen, 11
was in den zurückliegenden Wochen zur Bedrohung und Last wurde. Gib neues Leben, wo Krankheit und Hass den Atem stocken ließen. Du Schöpfer des Himmels und der Erde, geh mit deinen Geschöpfen in diesen Sommer.
Das Jahr ist auf seiner Höhe. Wir beten zu dir, du Ursprung des Lebens. Wir halten Ausschau nach dem, was kommen wird und beten: Behüte die, die zu Neuem aufbrechen. Bleib an der Seite der Schwachen und Ängstlichen. Du Ursprung des Lebens, geh mit deinen Geschöpfen in diesen Sommer.
Das Jahr ist auf seiner Höhe. Wir beten zu dir, du Quelle der Gerechtigkeit. Wir erinnern uns an Johannes den Täufer und beten: Steh deinen Freundinnen und Freunden bei, wenn sie ihre Stimme erheben. Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Du Quelle von Gerechtigkeit und Frieden, 12
geh mit deinen Geschöpfen in diesen Sommer.
Das Jahr ist auf seiner Höhe. Wir schauen zurück und halten Ausschau nach dem Kommenden. Du Herr der Zeit und unseres Lebens, wir vertrauen dir in der Ungewissheit unserer Gegenwart und wir bitten Dich: lass Deine Barmherzigkeit das letzte Wort haben durch Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn Amen.
Wir beten gemeinsam: Vater unser im Himmel Geheiligt werde Dein Name Dein Reich komme Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern und führe uns nicht in Versuchung sondern erlöse uns von dem Bösen Denn Dein ist das Reich, und die Kraft und die Herrlichkeit 13
In Ewigkeit, Amen
Segen
Orgelnachspiel
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