Predigt

Predigt über 2 Tim 1,7 Liebe Freunde, liebe Konfirmanden und Konfirmandinnen, liebe Schwestern und Brüder, Ist schon alles gesagt über Corona und Glaube?

Seit einigen Monaten nun reden Menschen auf der ganzen Welt ueber: Viren, Epidemien, Abstandhalten, Hygienemaßnahmen und vor allem Masken, Masken, Masken.

Masken, die den Atem nehmen und die Brille beschlagen lassen. Masken, die das Gesicht verdecken. Masken, die die Passanten vergessen, wie den Hausschlüssel oder die Handtasche.

In letzter Zeit zunehmend in einem gereizteren, verdrosseneren Ton. Verdrossenheit führt leicht zu Verschwörungstheorien. Deren Anhänger gewinnen z.Zt. an Boden und basteln sich immer unwahrscheinlichere Szenarios zusammen, mit denen sie den sicheren Grund vernünftigen Handelns aufschwemmen.

Auch wer die Medizin ernst nimmt, Maske trägt und Abstand hält, der merkt nach einem halben Jahr

dennoch so etwas wie eine untergründige Verstörung, die sich in unterschiedliche Richtungen ausprägt. Die alte Lockerheit und Unbeschwertheit sind verloren gegangen.

Viele Menschen haben Angst, andere anzustecken, insbesondere gefährdete Senioren aus der eigenen Familie oder im Pflegeheim. Aber das Abstandhalten zerstört auch den Zusammenhalt, das Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft in Familien, Cliquen und Freundeskreisen. Viele Menschen fühlen sich einsam, obwohl sie Beziehungen pflegen, aber eben nur virtuell über Skype oder Zoom. Homeoffice kann eine sehr schöne Sache sein, es fehlt aber das Gespräch mit den Kollegen. Homeoffice kann einsam machen.

Anderen macht es Mühe, durch eine Fußgängerzone oder einen Park zu gehen und niemandem mehr ins Gesicht schauen zu können, weil dieses von Masken verdeckt ist. Die Fußgänger, die durch einen Park gehen, kennen ja die meisten Menschen nicht, die an ihnen vorübergehen. Und dennoch schafft die Anwesenheit von unbekannten, anonymen MitMenschen ein gewisses Gefühl der Vertrautheit, das

vielen erst aufgefallen ist, als es durch Shutdown und Abstandsregeln verlorengegangen war.

Mediziner, die die Ausbreitung des Virus genau beobachten, gießen in diesen Tagen Wasser in den Wein der Sehnsucht die Epidemie hinter uns zu lassen. Das Virus bleibt unberechenbar und verändert sich ständig. Bis ein Impfstoff entwickelt ist, wird es noch Monate dauern. Ein günstiges Szenario würde vorsehen, daß ab Mitte nächsten Jahres ein passender Impfstoff zur Verfügung steht.

Aber selbst dann würde es noch mehrere Jahre dauern, bis der größere Teil der Bevölkerung geimpft wäre. Bis alle Vorsichtsmaßnahmen wieder aufgehoben werden können, würde es noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Und das gilt nur in diesem günstigen Szenario, also für den Fall, daß ein Impfstoff schnell gefunden und dann in großen Mengen produziert werden kann.

Wer sich also, was sehr vernünftig ist, auf medizinisches Fachwissen und kluges politisches Kalkül verläßt, der muß mit einer längeren Dauer der Schutzmaßnahmen rechnen.

Und alle die vielen, die vernünftig sein wollen unter uns, aber gleichzeitig von Anfällen von Überdruß und Einsamkeit geplagt werden, fragen sich, wie sie die Geduld aufbringen sollen, die unangenehmen Schutzmaßnahmen noch jahrelang durchzuhalten.

Einer solcher Resignation steht der Predigttext aus dem 1.Timotheusbrief entgegen. Gerade in Zeiten wie diese heute hoeren wir mit besonderer Aufmerksamkeit die Zusage Gottes: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Liebe, der Kraft und der Besonnenheit.“ Ja was heisst das denn? Wie sieht das aus? Hierzu eine kleine Geschichte: Eine Tochter kommt weinend zu ihrem Vater. „Ich bin so erschöpft, das Leben ist so schwer. Jedes Mal, wenn ich ein Hindernis überwinde, taucht bereits das nächste auf. Ich glaube nicht, dass ich so weiter leben kann.“ Der Vater wischt ihr die Tränen aus dem Gesicht und führt sie an der Hand in die Küche.

Er füllt drei Töpfe mit Wasser, stellt sie auf den Herd und schaltet den Herd an.

„Was tust Du da?“ fragt die Tochter, aber ihr Vater antwortet nicht. Stattdessen geht er in die Vorratskammer. Als er wieder kommt, bringt er Kartoffeln, Eier und Kaffeebohnen mit. „Was tust Du da?“ fragt die Tochter wieder, mittlerweile ein wenig verärgert. Ihr Vater sagt immer noch nichts. In den ersten Topf gibt er die Kartoffeln, in den zweiten die Eier und in den dritten die Kaffeebohnen. Seine Tochter wird ungeduldig. „Sag mir, was Du da tust,“ fordert sie, aber ihr Vater schweigt weiterhin. Endlich nimmt er Topf vom Herd, stellt diesen aus, legt die Kartoffeln und die Eier auf einen Teller und schüttet den Kaffee in eine Tasse. „Was siehst Du?“ fragt er. „Kartoffeln, Eier und Kaffee,“ antwortet die Tochter. „Ich verstehe nicht, wie mir das helfen soll!“ „Schau genauer hin,“ sagt der Vater. Sie stupst die weiche heiße Kartoffel an. Sie entfernt die Schale von dem Ei und bemerkt, wie hart und weiß es darunter ist. Sie nimmt einen Schluck von dem heißen dunklen Kaffee. „Ich verstehe immer noch nicht,“ sagt sie.

„Die Kartoffeln, die Eier und die Kaffeebohnen mussten sich alle dem gleichen Hindernis stellen.

Sie wurden in heißes Wasser gepackt,“ erklärt ihr Vater. „Die Kartoffeln waren zunaechst hart und undurchdringlich, und das kochende Wasser machte sie weich und einfuehlsam. Die Eier waren zunaechst zerbrechlich, aber das Wasser machte sie hart und stark. Die Kaffeebohnen aber wurden nicht viel vom Wasser verändert. Nein, sie selbst veränderten das Wasser und verwandelten es in etwas Kreatives und Neues.

Er legt den Arm um seine Tochter und lächelt. „Welches bist DU?“ fragt er. „Eine Kartoffel, ein Ei oder eine Kaffeebohne? Wenn Du Schwierigkeiten im Leben hast: Machen Sie Dich weichherziger? Lassen sie Dich staerker werden? Oder verwandelst Du sie mit Besonnenheit in neue Möglichkeiten?“ Liebe Gemeinde, neben allen negativen Gefuehlen, die sich versuchen einzuschleichen in dieser „Hitze“ Zeit, wo soviele Noete brennen und soviele Herausforderungen auf uns warten, neben all den menschlichen Momenten der Furcht, da frage ich uns: „Wo sind wir in den

letzten Monaten weichherziger geworden?

Mitfuehlender? Wo gehen wir sanfter mit uns selbst um und mit anderen? Das ist der Geist der Liebe.

Wo waren wir ueberascht, dass wir uns angepasst haben und Durchhaltekraft entwickelt haben? Wo dachten wir zuvor so lange koennten wir niemals ohne bestimmte Gewohnheiten und Dinge leben, und hier sind wir heute, staerker als zuvor weil wir mit weniger auskommen und sogar tiefe Momente der Freude an den kleinen Dingen erleben. Wo sind wir geduldiger, wahrnehmungsfaehiger und dankbarer geworden? Das ist der Geist der Staerke.

Wo haben wir gelernt uns zurueckzuziehen von zuviel Mediaspektakel, zuviel Negativity, zuviel vergiftenden Worten und Gedanken? Wo haben wir begonnen still zu sitzen, einfach so. Vielleicht ein gutes Buch lesen, ein Telefonat fuehren, das Tiefgang hat, vielleicht mehr als vor der Pandemie.

Wenn Ihr langsamer geworden seid und Euch mehr Zeit nehmt fuer Dinge die sonst in Hetze gemacht wurden, dann ist das der Geist der Besonnenheit.

Liebe Gemeinde ein christlicher Glaube, der Furcht und Hysterie schafft, ist in sein Gegenteil verkehrt.

Ja, man kann sogar sagen: Dort, wo aus angeblichem Glauben Furcht entsteht, da hat sich der Glaube an Gott wie Jesus uns verkuendigt hat längst verflüchtigt.

Wenn wir Gott vertrauen, da wird unsere Angst vor der Welt und ihrer Wirklichkeit weniger. Vertrauen laesst neuen Mut wachsen, und Geduld zusammen mit der Bereitschaft, sich für das Gemeinwohl der Welt einzusetzen.

Der Geist der Kraft hilft gegen Langeweile, Lethargie und das Nichtstun, zu dem die Virusepidemie viele Menschen verurteilt hat.

Der Geist der Liebe hilft gegen die Isolation und die Einsamkeit, in die sich viele Menschen zurückziehen mußten, um in Quarantäne abzuwarten, bis die Ansteckungsgefahr abgeklungen war.

Der Geist der Besonnenheit hilft gegen Kurzschlußreaktionen, Jähzorn und Panikmache.

Unser Glauben braucht Besonnenheit, weil er naemlich mehr ist als ein oberflächliches fröhliches Gefühl, das sich am Sonntag im Gottesdienst nach einer großen Dosis Gebet und Gesang einstellt.

Glauben als Kraft, Liebe und Besonnenheit sind keine Pillen, die an jedem Sonntag in hoher Dosis unter Aufsicht der Pfarrerin einzunehmen wären.

Besser sind sie als Geschenke zu verstehen, die uns Glaubenden in einen Prozeß des Wachstums hineinnehmen. Dieser geistliche Wachstumsprozeß hilft dazu, die Herausforderungen des Lebens zu bestehen, sich mit ihnen denkend, handelnd und verändernd auseinandersetzen. Es fängt beim Maskentragen an, und es hört beim politischen Einsatz, beim friedlichen Demonstrieren und Vermeiden von Plastik nicht auf.

Und so können wir uns taeglich darin üben, uns zu besinnen und auf diesen von Gott uns geschenkten und anvertrauten Geist zu vertrauen. Wir können dem Geist Raum einräumen in unserem Leben: täglich im Innehalten, in einer Zeit der Stille oder Meditation, sonntäglich gemeinsam im Gottesdienst, um dann im taeglichen Alltag im Geiste der Kraft und Liebe und eben auch der Besonnenheit agieren zu können.

Und der Friede Gottes, welcher vor keiner Maske haltmacht, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lasst uns gemeinsam beten: Lass mich wach sein, mein Gott, und bereit, Dir zu begegnen.

Lass mich stark sein, mein Gott, in den Forderungen des Tages.

Lass mich getrรถstet sein, mein Gott, und in Dir geborgen, wenn ich falle. Lass mich offen sein, mein Gott, und bereit, Dich, die Menschen und mich selbst zu lieben. Amen