Predigt 10. Mai 2020

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Zwei Frauen kamen zu König Salomon. 1. Koenige 3: 16-28 Zu der Zeit kamen zwei Frauen zum Koenig. Die eine sagte: Bitte, Herr, ich und diese Frau wohnen im gleichen Haus, und ich habe dort in ihrem Beisein geboren. Am dritten Tag nach meiner Niederkunft gebar auch diese Frau. Wir waren beisammen; kein Fremder war bei uns im Haus, nur wir beide waren dort. Nun starb der Sohn dieser Frau während der Nacht; denn sie hatte ihn im Schlaf erdrückt. Sie stand mitten in der Nacht auf, nahm mir mein Kind weg, während deine Magd schlief, und legte es an ihre Seite. Ihr totes Kind aber legte sie an meine Seite. Als ich am Morgen aufstand, um mein Kind zu stillen, war es tot. Als ich es aber am Morgen genau ansah, war es nicht mein Kind, das ich geboren hatte. Da rief die andere Frau: Nein, mein Kind lebt, und dein Kind ist tot. Doch die erste entgegnete: Nein, dein Kind ist tot, und mein Kind lebt. So stritten sie vor dem König. Da begann der König: Diese sagt: Mein Kind lebt, und dein Kind ist tot, und jene sagt: Nein, dein Kind ist tot, und mein Kind lebt. Und der König fuhr fort: Holt mir ein Schwert! Man brachte es vor den König. Nun entschied er: Schneidet das lebende Kind entzwei und gebt eine Hälfte der einen und eine Hälfte der anderen! Doch nun bat die Mutter des lebenden Kindes den König - es regte sich nämlich in ihr das Mitleid mit ihrem Kind: Bitte, Herr, gebt ihr das lebende Kind und tötet es nicht! Doch die andere rief: Es soll weder mir noch dir gehören; zerteilt es! Da befahl der König: Gebt jener das lebende Kind und tötet es nicht; denn sie ist seine Mutter. Ganz Israel hörte von dem Urteil, das der König gefällt hatte, und sie schauten mit Ehrfurcht zu ihm auf; denn sie erkannten, daß die Weisheit Gottes in ihm war“ .


In dieser Geschichte aus dem Alten Testament geht es aber nicht nur um die Weisheit des Königs. Sie ist für mich eine der schönsten Muttertags-geschichten, denn sie veranschaulicht, was mütterliche Liebe - ja, überhaupt „Liebe“ bedeutet: Liebe ist weniger nur eine begehrende, die besitzen will, sie ist vielmehr eine gebende, die schenken möchte. Damit aber hat Liebe immer auch mit „Leid“ zu tun. Geben bedeutet eine Trennung: Man gibt von sich: von seiner Person, von seinem Besitz, von seinem Leben. Schon die Geburt eines Kindes ist zugleich die Trennung von der Mutter. Mutterliebe ist von Anfang an dazu bestimmt, eine gebende und frei-gebende Liebe zu sein. Liebe muß Freiraum gewähren und fuer den anderen ein Leben in Freiheit eröffnen. Es ist so schwer wenn ein Teenager anders ist als wir, die Eltern. Wenn Werte, Vorstellungen und Entscheidungen anders sind als wir uns das vorgestellt haben. Vielleicht kein College, oder zumindest nicht das wir uns fuer unsere Tochter, unseren Sohn erhofft haben. Loslassen, frei geben. Wenn unsere Kinder aus dem Haus gehen, und das eigene Leben anfangen. Wie schwierig ist die „empty Nest“ Erfahrung. Und dann mit Corona, viele erwachsene Kinder sind nach Hause zurueckgekommen da die Colleges geschlossen wurden. Auf einmal lebt man auf engem Raum wieder zusammen. Frei-geben kann heissen, dass der Sohn nicht zum Fruehstueck auf der Matte steht, sondern einen anderen Tagesrhythmus hat. Auch wenn man erwachsene Kinder hat, so hoert das Elternsein doch nicht auf. Das Mitfuehlen, das Beste wollen, das immer wieder Loslassen der eigenen Plaene und stattdessen das wollen, was das Beste fuer die naechste Generation ist, auch wenn wir oft nicht wissen was das ist. Gerade in Zeiten wie diese, wo


alle unsere logischen und „normalen“ Erwartungen und Plaene ueber den Haufen geworfen werden. Loslassen – in Liebe Loslassen... das heisst auch der Zukunft vertrauen auch wenn ich keine Kontrolle habe... Die Mutter in unserer Geschichte wollte dass ihr Kind eine Zukunft hat, auch wenn dieses bedeutete dass sie keine Rolle im Leben des Kindes spielen wuerde. Und daran erkannte der Koenig Salomo sie als die echte, die wirkliche Mutter. Selbstlose Liebe. Die hoechste aller Formen der Liebe. Der Koenig Salomon war weise, da er wusste wie die hoechste aller Formen von Liebe aussah. Der juedische Gott damals hatte diese Zuege der hoechsten Form der Liebe schon, und Salomo kannte Gott durch die Geschichten eines muetterlichen Gottes, der Israel bewahrte, begleitete, befreite und auch Fehler machen liess. Spaeter wurde diese hoechste Form der Liebe Gottes in Jesus ganz anschaubar: Jesus hat uns die Mutterliebe Gottes ganz konkret vorgelebt. Er hat den Sündern Barmherzigkeit erwiesen und Kranke geheilt. Er hat Liebe verwirklicht in der Fußwaschung und beim Abendmahl. Er hat sein Wort bis zum Letzten in die Tat umgesetzt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Und so eroeffnete uns die Liebe Jesu eine Freiheit, die wir so vorher nicht kannten. Wir nennen diese Freiheit auch: die „Freiheit der Kinder Gottes“ oder Luther wuerde sagen:„die Freiheit eines Christenmenschen“. Gottes Liebe setzt und frei. Sie ist keine besitzende Liebe, keine egoistische Liebe, keine Liebe die Bedingungen setzt und uns wenns brenzlich wird dem Schwert zum Opfer gibt. Am Wesen Gottes erkennen wir, was wahre Liebe eigentlich wirklich ist. Gott ist in sich kein Egoist. Gott ist sich verstroemende Liebe. Freigebende Liebe. Heilende Annahme und freies Loslassen. Viele Arbeiter die uns im Moment als Gesellschaft auf den Schultern tragen schenken uns diese verstroemende Liebe. Sie tut weh. Sie kostet alles. Sie erschoepft und viele Traenen werden geweint.


Wie war das noch? „Die Traenen? Das sind keine undichten Stellen. Das sind einfach Tränen der Liebe. Sie fliessen bei Freude, Trauer oder Enttäuschung, bei Schmerz oder Verlassenheit. Und Gott lächelte versonnen und sprach: „Ich weiß. Und darum sind mir tief liebende Menschen so ähnlich.“ Und so denken wir heute und danken besonders unseren Müttern, aber auch unseren Vätern, unseren Eltern und unseren Großeltern, und allen mütterlich liebenden Menschen die uns auf unserem Lebensweg begleitet haben. Wir denken an alle Menschen die ihr eigenes Leben riskieren in diesen Tagen, Wochen und Monaten, sodass andere Menschen leben und ueberleben koennen. Heute am Muttertag danken wir fuer alle liebende Menschen, alle „Weisen in der Liebe“. Wer immer es in Deinem Leben war und ist, Deine Mutter, Dein Vater, Deine Grosseltern, Dein Lehrer, Dein aelterer Bruder oder Schwester, oder ein Freund: In dieser Mutterfigur, in diesem liebevollen Menschen ist uns diese freigebende und zutiefst unser Bestes wollende Liebe begegnet und hat in uns den Glauben an einen uns liebenden Gott grundgelegt. Des sind wir froh! Des danken und singen wir: „Gott sei Lob und Dank!“ Amen.

Begruessung: Wir feiern heute den Muttertag, und ich begrüße herzlich alle Mütter - auch Großmütter -


alle mütterlichen Menschen und alle, die eine Mutter haben - also jeden und jede. „Allmächtiger Gott, in dieser Feier hast du uns an deinem göttlichen Leben Anteil geschenkt. Laß uns niemals von dir getrennt werden, sondern bewahre uns - unsere Mütter, Väter und Familien - uns alle in deiner Liebe. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.“

Allmächtiger Gott. Durch Mutter und Vater hast du uns Liebe erwiesen. Wir danken dir für unsere Mütter und Väter für alle Menschen, die sich mütterlich um andere sorgen. Stärke täglich neu die Kraft unserer Liebe.


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