books – das Magazin der Orell Füssli Buchhandlungen – März 2011
«Man muss die Kamera rechtzeitig ausschalten» Interview mit Alex Capus
Die Kunst des Weglassens
Das Phänomen Martin Suter
Bitter, sauer, salzig – und sehr süss
Liebesromane
Homo Frisch
Neuerscheinungen zum Max-Frisch-Jubiläum
Mit Wettbewerb !
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© Christian Kaufmann
Wem die Stunde schlägt
10
© Andrej Reiser/Suhrkamp Verlag.
Liebe Leserin, lieber Leser
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Inhalt
Das Buch stirbt. So oder ähnlich lauten die Prognosen schon seit vielen Jahren. Doch das Buch lebt. Oder frei nach Mark Twain: Die Nachrichten über seinen Tod sind stark übertrieben.
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4 10 15 16
Notizen Die Kunst des Weglassens: Das Phänomen Martin Suter Mein Buch «Man muss die Kamera rechtzeitig ausschalten»: Interview mit Alex Capus 20 Bitter, sauer, salzig – und sehr süss: Neue Liebesromane 24 Homo Frisch: Neuerscheinungen zum Max-Frisch-Jubiläum 28 Neues von Orell Füssli 32 In Frauenschuhen durch die Jahrtausende: Neue historische Romane 36 Fantastisch! Fantasy-Neuerscheinungen 40 Kochbücher: Geschichten, die das Leben schrieb 42 Kaffeepause: Die Debatte 48 Veranstaltungskalender 49 Kreuzworträtsel 50 Kolumne: So schreibe ich
Die nächste Ausgabe von books, dem Magazin der Orell-FüssliBuchhandlungen, erscheint am 27. Mai 2011. Sie erhalten books kostenlos in jeder Filiale. Bestellungen nehmen wir gern entgegen über www.books.ch, orders@books.ch und Telefon 0848 849 848. Buchhandlungen von Orell Füssli finden Sie in Bern, Frauenfeld, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich.
Impressum Herausgeber: Orell Füssli Buchhandlungs AG Dietzingerstrasse 3 Postfach 8036 Zürich Gesamtherstellung: Media Tune AG, Zürich Redaktion: Die Blattmacher GmbH, Zürich Gestaltung: Strichpunkt GmbH, Winterthur Foto Cover: Isolde Ohlbaum
Alle so gekennzeichneten Bücher sind auch als eBook auf www.books.ch erhältlich.
Davon sind wir bei Orell Füssli fest überzeugt. Darüber hinaus glauben wir auch, dass Sie Ihre Bücher bei uns beziehen, weil wir Sie bei der Auswahl kompetent beraten. Oder weil Sie sie bei uns sofort erhalten. Oder weil Sie sich in unseren Filialen wohlfühlen und Bücher durchblättern können. Und deshalb investieren wir jetzt auch in die Zukunft. Im Kramhof haben wir die Verkaufsfläche massiv vergrössert und unsere «Kinderwelt» eröffnet. Der Orell Füssli Krauthammer ist ebenfalls in den Kramhof gezogen. Bald eröffnen wir zudem eine Filiale im Flughafen Kloten, und auch in Winterthur können sich Buchfreundinnen und -freunde auf noch mehr Orell Füssli freuen. Die letzte Stunde des Buchs hat noch lange nicht geschlagen. Aber für uns war es Zeit, dem Buch einen noch würdigeren Rahmen zu geben. Überzeugen Sie sich selbst davon – wir freuen uns darauf, Sie bei uns begrüssen zu dürfen.
Ihr András Németh Mitglied der Geschäftsleitung
Notizen Der Zürcher Rotpunktverlag wurde einst gegründet, um «die Herausgabe und Verbreitung sozialistischer Literatur zu fördern». Seine erste Publikation war eine Sammlung von Reden Fidel Castros. Dieser Hintergrund könnte den einen oder anderen leidenschaftlichen Wanderer überraschen – denn heute ist der Rotpunktverlag auch berühmt für seine hervorragenden, tiefschürfenden Wanderführer. Ein besonders geglückter Band ist «Wandern wie gemalt». Ruth Michel Richter und Konrad Richter präsentieren 14 Touren zu jenen schönen Orten im Berner Oberland, die auf berühmten Landschaftsgemälden dargestellt wurden. Die beiden Autoren schöpfen das Thema auf vielfältige Weise aus, verweben Landschaftsbetrachtungen mit Künstlerbiografien, Kultur mit Freizeitvergnügen, Service mit Didaktik. Wir erfahren, warum Paul Klees blaue Berge so dreieckig sind, was Poetischer Realismus ist und wo es sich auf den Spuren von Ferdinand Hodler vortrefflich rasten lässt. Wen es nach dem ersten Durchblättern des dicht bepackten Buchs nicht reizt, sofort die Wanderschuhe zu schnüren, ist wahrlich ein Stubenhocker. Maximilien de Meuron, Le grand Eiger vu de la Wengern Alp, 1822/23, Musée d’art et d’histoire
Notizen Vor zwei Jahren starb der Pulitzer-Preisträger John Updike im Alter von 77 Jahren. Jetzt ist das letzte neue Buch von ihm erschienen: «Die Tränen meines Vaters». Es handelt sich um eine Sammlung von 18 späten Erzählungen, die fast alle aus Sicht des alternden Mannes geschrieben sind. Manche davon sind schwermütig – etwa jene, in welcher der Ich-Erzähler auf der Klassenzusammenkunft einer längst vergessenen Liebe begegnet. Manche sind mitreissend, zum Beispiel «Spielarten religiöser Erfahrung»: Updike beleuchtet darin die Katastrophe des 11. September 2001 aus der Perspektive verschiedener Beteiligter. Wir werden Zeuge, wie ein Angestellter, der in einer der oberen Etagen des World Trade Center gefangen ist, ein letztes Telefongespräch mit seiner Frau führt und ihr seine Liebe erklärt. Wie Updike diese Situation beschreibt, ohne in Kitsch zu verfallen, verrät seine Meisterschaft. Überhaupt ist diese letzte neue Publikation von Updike ein würdiger Abschluss seines Werks; es steckt voller kleiner Weisheiten, die ganz beiläufig vermittelt werden. Auch wenn einige Geschichten einen Hauch von Humor aufweisen, bleibt der Ton grundsätzlich aber düster: Hier bedauert einer, dass sich sein Leben dem Ende zuneigt. «Ich musste alt werden, um zu erkennen, dass die Welt für die Jungen da ist», heisst es in der letzten Erzählung dieses Vermächtnisses.
4 – books – März 2011
1994 veröffentlichte der französische Computerfachmann Michel Houellebecq seinen ersten Roman, «Ausweitung der Kampfzone». Das Buch über das langweilige Leben zweier Programmierer machte seinen Autor auf einen Schlag berühmt. Noch erfolgreicher war das Folgewerk «Elementarteilchen»; allein in Frankreich verkaufte es sich 300’000 Mal, und es löste wie alle Bücher des Franzosen eine heftige Polemik über seine stets provozierenden Thesen aus. Seither gilt Houellebecq als böser Junge der französischen Literaturszene. Manche Kritiker sind ihm in den letzten Jahren gar ausgesprochen aggressiv begegnet. Doch siehe da: Versöhnung ist möglich. Für seinen neuesten Roman «Karte und Gebiet» erhielt Houellebecq den bekanntesten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt. Der «vollendete Geniestreich von überraschender Zartheit», wie ein Kritiker schrieb, erzählt die Geschichte des erfolgreichen Künstlers Jed Martin. Diese fiktive Figur malt im Jahr 2035 das Porträt eines Schriftstellers – Michel Houellebecq. Im Roman wird der umstrittene Autor auf bestialische Weise ermordet. Er ist übrigens nicht die einzige real existierende Person, die im Buch auftaucht; Houellebecq führt seine Freunde und Feinde leibhaftig vor. Es geht um die ganz grossen Themen Liebe, Leben und Tod, aber auch um Entfremdung und Dekadenz. Behandelt wird dieser Strauss von Ernsthaftigkeiten auf überraschend humorvolle Weise. «Karte und Gebiet» beweist, was Fans schon lange wussten: Houellebecq ist mehr als das Enfant terrible des Literaturbetriebs.
Macht sie heute über uns haben und wie sie uns manipulieren. Dabei bleibt er immer sachlich. Der Autor steht der Entwicklung zwar kritisch, aber am Ende ausgesprochen nüchtern gegenüber: Beeinflussen kann man sie kaum noch, ist er überzeugt.
VOM WILDEN UND VOM ZAHMEN LEBEN
Die Bis(s)-Romane von Stephenie Meyer haben einer alten Schreckgestalt wieder neues Leben eingehaucht: dem Vampir. Woher kommt eigentlich dieser Mythos? Was macht ihn so aufregend, ja geradezu sexy? Welche Todessehnsucht verbirgt sich hinter dem Erfolg der Figur? Immer kompetente und oft vergnügliche Antworten auf diese und überhaupt alle Fragen, die man bezüglich Vampiren stellen kann, liefert der 400-seitige Wälzer «Vampirismus». Autor Norbert Borrmann, ein Kunsthistoriker ohne akademischen Dünkel, hat bereits ein lesenswertes Buch über den FrankensteinMythos sowie das tolle «Lexikon des Verbrechens» verfasst. Er beherrscht sein Thema – und macht mit dem frisch aufgelegten Standardwerk klar, warum der Vampir einfach nicht totzukriegen ist.
Seit einiger Zeit kann in Zürich eine bedenkliche Entwicklung beobachtet werden: Villen werden abgerissen, um Platz zu machen für klobige Luxus-Mehrfamilienhäuser. Dabei werden meistens prächtige Gärten zerstört. Auf diese Weise könnte der parkähnliche Charakter ganzer Quartiere verloren gehen. Was durch die maximale Ausnutzung des wertvollen Bodens bedroht wird, zeigt eine prunkvolle Neuerscheinung: «Die geheimen Gärten von Zürich», ein Bildband mit klugen Texten des Journalisten Andreas Honegger und schönen Bildern des Fotografen Gaston Wicky. Gezeigt werden aber nicht ausschliesslich Villengärten vom Zürichberg, sondern auch versteckte Refugien in der Altstadt oder repräsentative Anlagen in einer Gemeinde an der «Goldküste» – einfach alles, was den Autoren gefiel. Allen Gärten ist gemein, dass sie privat und ungeheuer einladend sind. Man versteht jedenfalls sofort, warum Zürich als Stadt mit einer unschlagbaren Lebensqualität gilt. Wer nicht selber über eine solche Oase verfügt, hat jetzt endlich Gelegenheit, atemberaubende, charmante, verwunschene oder idyllische Anlagen aus der Nähe zu bestaunen. Am 7. April 2011 wird das Buch übrigens im Orell Füssli Kramhof präsentiert – ab 18.30 Uhr.
Foto: Anita Affentranger
Geht es Ihnen auch so? Manchmal beschleicht einen nach einem Tag am Computer das leise Gefühl, doch «nichts Rechtes» gemacht zu haben. Man hat sich durch Hunderte von Seiten geklickt, Dutzende von E-Mails beantwortet, Bilder vom Netz geladen oder Informationen zusammengetragen – aber irgendwie scheint das alles keinen festen Boden zu haben. Ähnliche Gefühle scheint auch Carsten Görig zu kennen. In seiner klugen Analyse «Gemeinsam einsam» beschreibt er, wie die Internet-Revolution unser Denken und Leben verändert hat: Wir arbeiten zwar schneller, aber viel unkonzentrierter, oberflächlicher und ungenauer als früher. Wissen wird zunehmend in unendlich viele kleine Häppchen aufgespalten, die den Blick aufs grosse Ganze versperren. Wenige Firmen bestimmen immer detaillierter, was gut für uns ist. Die Privatsphäre geht flöten – wussten Sie, dass Apple jederzeit Programme auf Ihrem iPhone löschen kann? –, und die Beziehungen werden eindimensional: Wir plappern nur noch miteinander. In seinem Buch zeigt Carsten Görig, wie Facebook, Google, Twitter und Apple entstanden sind, welche
Roman gebunden, 288 Seiten ISBN 978-3-0369-5600-8
Nach Emmas Glück brilliert die Bestseller-Autorin Claudia Schreiber wieder mit einem Roman, der vor Lebenslust nur so strotzt.
KEINbooks & ABER – März 2011 – 5
Notizen «Zufall ist ein Wort ohne Sinn; nichts kann ohne Ursache existieren», befand einst der französische Schriftsteller und Philosoph Voltaire. Wir wollen dem grossen Denker auch gar nicht widersprechen. Trotzdem: Es muss sich um einen Zufall handeln, dass wir in dieser Rubrik für einmal fast ausschliesslich Jahrestage aus der englischsprachigen Welt feiern. Oder sehen Sie dafür eine andere Ursache, Monsieur? 1911 war wichtig fürs Theater, denn in diesem Jahr kamen grosse Dramatiker zur Welt. Max Frisch zum Beispiel, dem wir ab Seite 24 dieser Ausgabe einen ausführlichen Beitrag widmen. Oder Tennessee Williams. Die Stücke des USAmerikaners zählen zu den meistgespielten des 20. Jahrhunderts; sie sind psychologisch äusserst anspruchsvoll, handeln von seelisch-moralischem Verfall, von innerer Zerrissenheit und komplexen Konflikten. Schauspielerinnen und Schauspieler bieten sie begehrte Plattformen zur Entfaltung ihres Könnens. Marlon Brando wurde durch seine Rolle in Williams’ «Endstation Sehnsucht» zum Star; er spielte den raubeinigen Stanley Kowalski erst am Broadway, dann in der Verfilmung. Und mit ihrer Mitwirkung in zwei Filmen nach Stücken von Williams, «Die Katze auf dem heissen Blechdach» und «Plötzlich im letzten Sommer», etablierte sich Elizabeth Taylor als ernstzunehmende Schauspielerin. Der immer wieder von Depressionen geplagte Williams starb 1983 unter mysteriösen Umständen. Weil Theaterstücke nicht gerade als Bestseller gelten, sind sie oft nur schwierig zu bekommen – anlässlich des runden Geburtstags von Tennessee Williams ist jetzt aber glücklicherweise ein neuer Band mit seinen zwei bekanntesten Stücken erschienen, «Endstation Sehnsucht. Die Katze auf dem heissen Blechdach».
war seine Karriere schlagartig beendet – doch Hammett hatte niemanden verraten. Er starb völlig verarmt an Lungenkrebs. Der Diogenes-Verlag hat jetzt Hammetts wichtigsten Romane neu aufgelegt. Wenn wir gerade bei Krimis aus den USA sind: Einen runden Geburtstag gibt es auch bezüglich der Königin des Genres zu vermelden. Patricia Highsmith kam vor 90 Jahren in Texas zur Welt, am 19. Januar 1921. Wie in den Werken Hammetts geht es auch in ihren Büchern nicht primär um die Aufklärung eines Verbrechens; während bei Hammett die Atmosphäre zentral ist, konzentrierte sich Highsmith vor allem auf das Innenleben ihrer Figuren. Ihre berühmteste Schöpfung ist Tom Ripley. Oder müsste man sagen: ihre berüchtigtste Schöpfung? Ripley ist nämlich, ungewöhnlich für einen Serienhelden, ein Bösewicht, der auch einmal mordet, wenn ihm das nützt. Vor allem die erfolgreichen Verfilmungen der Ripley-Romane führten dazu, dass das übrige Werk von Patricia Highsmith ein wenig in den Hintergrund geriet. Sehr zu Unrecht: Ihre oft von schwarzem Humor durchdrungenen Romane und Erzählungen sind hohe und dennoch unterhaltsame Literatur. Patricia Highsmith starb 1995 im Tessin, wo sie seit 1981 gelebt hatte.
Jahrestage
Fast eine Generation älter als Tennessee Williams war sein Landsmann Dashiell Hammett, dessen Todestag sich am 10. Januar zum 50. Mal jährte. Der 1894 geborene Autor gilt als einer der Väter des Kriminalromans und als Erfinder eines ganzen Subgenres: Er kreierte den so genannten «hard-boiled» Ermittler, den hartgesottenenen Privatdetektiv. Unzählige andere Schriftsteller und Filmemacher haben dieser Figur ihre Reverenz erwiesen. Bei Hammett heisst der Detektiv mit der rauen Schale und den ehernen Grundsätzen Sam Spade; er ist die Hauptfigur des Romans «Der Malteser Falke». Dass Spade so glaubwürdig ist, hängt damit zusammen, dass Hammett selber jahrelang als Privatdetektiv gearbeitet hatte: Hammett war Spade, in mancherlei Hinsicht. Das bewies er auch, als er in der McCarthy-Ära vor den Ausschuss gegen «Unamerikanische Umtriebe» gezerrt wurde. Der bekennende Kommunist beharrte auf seinem Zeugnisverweigerungsrecht und wurde deshalb zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt. Damit 6 – books – März 2011
Ebenfalls in der Schweiz, nämlich in Vevey, starb ein anderer grosser Literat aus dem englischsprachigen Raum – der Brite Graham Greene. Sein Todestag jährt sich am 3. April zum 20. Mal. Greene, geboren 1904, war zeit seines Lebens ein schreibender Star; er verfasste hervorragende Drehbücher, zum Beispiel für den Film «Der dritte Mann», und viele grossartige Romane wie «Unser Mann in Havanna» oder «Der stille Amerikaner». Er soll häufiger für den Literaturnobelpreis nominiert gewesen sein als jeder andere; diese höchste Auszeichnung in der Literaturwelt gewann er jedoch nie. Lesetipp: Die Neuausgabe seines Agenten-Romans «Der menschliche Faktor». Und wenn wir schon beim Literaturnobelpreis sind: Auch bezüglich des jüngsten Autors, der diese Auszeichnung bislang gewann, gibt es einen Jahrestag zu vermelden. Rudyard Kipling starb am 18. Januar 1936 in London – also vor genau 75 Jahren. Zur Welt kam Kipling 1865 im d a m a l i g e n Bombay in Indien. Nach einer Jugend in England kehrte er wieder nach Indien und Pakistan zurück und liess sich dort zu seinem berühmtesten Werk inspirieren: «Das Dschungelbuch». Als er 1907 den Nobelpreis erhielt, war Kipling gerade einmal 42 Jahre alt. Danach verblasste sein Ruhm allerdings rasch; erst Walt Disney holte ihn mit der Verfilmung von Mowglis Abenteuer wieder aus der Versenkung.
Notizen
Was lesen Sie gerade ? Sina, Sängerin und Songwriterin, Fahrwangen: «Eigentlich hätte ich wegen der Veröffentlichung meines neuen Albums ‹Ich schwöru› gegenwärtig anderes zu tun – aber die Schauspielerin Mia Farrow kürzt mir schmerzlich meine Nächte ab. Ihre Memoiren ‹Dauer hat, was vergeht› erzählen von einer Frau, die mal labil, dann stark durch die eigene Geschichte navigiert. Sehr amerikanisch ist der erste Teil von Mia Farrows Leben mit Jetset, Drogen und ersten Erfolgen als Kinostar; in dieser Phase mutet sie zuweilen etwas naiv an. Es folgen die Suche nach dem Sinn des Lebens, ihre Rolle als Mutter von 14 leiblichen und adoptierten Kindern, die gescheiterten Beziehungen mit Frank Sinatra, André Previn und Woody Allen und immer wieder Neuanfänge – man wünscht ihr schnell einmal, sie würde endlich landen und Ruhe finden. Gern hätte ich wie Mia Farrow mit Salvador Dalì herumgesponnen oder mit Frankie-Boy im Mondschein ein Lied gesungen. Lieb geworden ist mir in ihrer Gegensätzlichkeit und Suche aber vor allem sie selber – diese grossartige Schauspielerin.»
Neuseeland 1875: Die abenteuerliche Reise durch das Land der weißen Wolke geht weiter
Leute, die das mögen, mögen auch ... Oft ist die letzte Seite eines Buchs jene, die man am wenigsten gern liest – weil man nicht möchte, dass das Buch schon zu Ende ist. Glücklicherweise können einem Fachleute in solchen Momenten weiterhelfen und einem Bücher mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen. Heute macht das Susanna Beusch; sie ist seit 33 Jahren Buchhändlerin und arbeitet seit sechs Jahren bei Orell Füssli in Winterthur. «Ich verstehe, dass das Buch ‹Die Enden der Welt› von Roger Willemsen ein so grosser Erfolg war: Willemsens Reisebeschreibungen sind Literatur, sehr klug und sehr persönlich. Die besonderen Orte, die er besucht hat, nimmt man durch seine Augen wahr. Wer ‹Die Enden der Welt› mag, freut sich wohl auch an den Büchern von Ilija Trojanow. Der Bulgare, der in Deutschland aufwuchs und heute in Wien lebt, schreibt eher im Reportage-Stil, er kann die Situationen vor Ort aber genauso anschaulich wiedergeben wie Willemsen – er zieht einen
regelrecht mit auf seine Reisen. Ich finde beide Autoren gleich wichtig, weil sie beide gescheit, offen und in allem liebevoll sind. Von Trojanow kann man zum Beispiel zuerst einmal ‹Der entfesselte Globus› lesen. In diesem Buch nimmt er einen an ganz verschiedene Orte mit – wie Willemsen in seinem. Wir reisen, ohne wegzugehen.»
Wettbewerbs-Gewinner In der letzten Ausgabe von books verlosten wir Büchergutscheine. Gewonnen haben:
1. Preis: Andrea Foenander, Felben-Wellhausen – 2. Preis: Ruth Gattiker, Wil 3. Preis: Verena Surbeck, Zürich
Hörbuch ISBN 978-3-7857-4453-6 | sFr 27,90 Buch ISBN 978-3-7857-6047-5 | sFr 27,90
Herzliche Gratulation! Die Gewinnerinnen und Gewinner der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. www.luebbe.de
books – März 2011 – 7
Notizen
Die Leseausrüstung: 5. Folge Wer liest, reist gern. Zumindest in der Vorstellung, in der Regel aber auch per Zug und Flugzeug – denn Leserinnen und Leser sind neugierige Menschen. Passende Accessoires für den grossen Ausflug bietet ihnen jetzt alife: Pass-Hüllen, Gepäckanhänger, Kreditkartenhüllen oder Dokumenten-Etuis in fröhlichen Farben und aus unverwüstlichem PVC. Diese Produkte findet man neu in allen Filialen von Orell Füssli.
Laut einer gängigen Definition ist Kreativität «die Neukombination von Informationen». In diesem Sinn kann man die «Bartimäus»-Serie von Jonathan Stroud als ein äusserst kreatives Werk bezeichnen: Dem englischen Autor ist es gelungen, aus altbewährten Zutaten ein höchst originelles neues Gericht zu zaubern. Die Ausgangslage seiner Geschichte ist eigentlich recht simpel: Ein begabter, aber unerfahrener Zauberlehrling namens Nathanael beschwört den mächtigen Dschinn Bartimäus, um sich kraft dessen Magie an einem anderen Zauberer zu rächen. Das Besondere an den Büchern ist ihre Tonalität: Bartimäus kommentiert das Geschehen fortlaufend auf sarkastische Weise. Kürzlich erschien der vierte Band der Serie, ein so genanntes Prequel: «Der Ring des Salomo» spielt 5000 Jahre vor den ersten drei Bänden. «‹Bartimäus› hat auch im vierten Band nichts von seinem Reiz verloren», jubelte sogar die «Neue Zürcher Zeitung». «Das liegt einerseits an der Attraktivität dieses Dschinns und andererseits an der Ironie, mit der Jonathan Stroud den angestrengten Ernst des Genres durchbricht.» Leider ist die Reihe mit dem vierten Band wohl endgültig abgeschlossen. Trotzdem gibt es eine Bartimäus-Neuerscheinung: Eben kam eine recht gelungene Comic-Adaption des ersten Bands auf den Markt. Die Graphic Novel «Bartimäus – Das Amulett von Samarkand» folgt der Vorlage ziemlich genau und besticht durch eine Umsetzung, die sich zahlreicher filmischer Mittel bedient. Dass sie an Superhelden-Comics gemahnt, ist kein Zufall: Illustrator Lee Sullivan hat für den legendären Marvel-Verlag auch schon Robocop- und Transformers-Comics gezeichnet. Der Charme der Buchvorlage geht in der knalligen Bilderwelt zwar etwas verloren, für Fans bleibt es aber eine Freude, in diese Interpretation der Gedankenwelt von Jonathan Stroud einzutauchen.
Bestseller 2010 Ehret heimisches Schaffen – unter dieser Überschrift könnte die Rangliste jener Bücher stehen, die bei Orell Füssli 2010 am häufigsten über den Ladentisch gingen. 1. Martin Suter: Der Koch Diese Top-Nominierung ist ungefähr so überraschend wie ein Grand-SlamSieg von Roger Federer: Fast jedes Buch von Martin Suter wird zum Bestseller. 2. Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf Da sieht man einmal, wie wichtig Preise sind: «Tauben fliegen auf» gewann den Schweizer und den Deutschen Buchpreis – und mauserte sich vom Geheimtipp zum Hit. 3. Stieg Larsson: Verblendung Die Taschenbuch-Ausgabe verlängerte die Erfolgsgeschichte der MillenniumsTrilogie: Alle drei Folgen der Serie verkauften sich 2010 wie die sprichwörtlichen warmen Weggli. 4 Stieg Larsson: Vergebung 5. Stieg Larsson: Verdammnis 6. Elizabeth Gilbert: Eat, Pray Love 7. Jan-Philipp Sendker: Das Herzenhören 8. Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels 9. Michael Theurillat: Sechseläuten 10. Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind 11. Henning Mankell: Der Feind im Schatten 12. Michael Mittermeier: Achtung Baby! 13. Donna Leon: Schöner Schein 14. David Nicholls: Zwei an einem Tag 15. Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab 16. Martin Suter: Der letzte Weynfeldt 17. Gregory David Roberts: Shantaram 18. Tommy Jaud: Hummeldumm 19. Bernhard Schlink: Sommerlügen 20. Zürich geht aus!
Alle Notizen von Marius Leutenegger 8 – books – März 2011
Notizen
Aus dem Leben einer Buchhändlerin
Ein Standardwerk zum Thema «Neues Wohnen»? Das ist ein ambitioniertes Projekt – denn zum einen ist ja gar
Kunde: Ich suche ein Buch. Titel und Autor weiss ich nicht mehr, aber die ISBN fängt mit 978 an! Buchhändlerin: Aha. Dieser Dialog ereignete sich tatsächlich in einer Filiale von Orell Füssli. Er eröffnet uns eine gute Gelegenheit, einmal auf diese seltsamen Zahlen einzugehen, die auf allen Büchern stehen und auf die Buchhändlerinnen und -händler ganz versessen sind – weil sie nämlich als präzise Wegweiser im riesigen Titeldschungel dienen. «ISBN» steht für «International Standard Book Number» und ist eine eindeutige Kennzeichnung einer selbstständigen Veröffentlichung mit redaktionellem Inhalt. Sie wurde 1972 von der Internationalen Organisation für Normung eingeführt; «erfunden» hatte diese Art der Nummerierung aber bereits ein paar Jahre früher die britische Buchhandlungskette WHSmith. Seit einigen Jahren ist die ISBN 13-stellig und an EAN angeschlossen. EAN ist das System internationaler Artikelnummern. Die ersten drei Ziffern der EAN gelten als «Ländercode», für die Schweiz sind zum Beispiel die Nummern 760 bis 769 reserviert. Lustigerweise haben Bücher einen eigenen «Ländercode» erhalten: 978 und 979. Alle Artikel, deren Code mit 978 oder 979 beginnen, stammen also aus dem «Land der Bücher»; daher ist die Angabe des oben zitierten Kunden nicht gerade aussagekräftig. Auf den «Buchlandcode» folgen dann jeweils eine 3 für «deutschsprachiger Raum», eine Verlagsnummer, dann die Nummer des Buchs und schliesslich noch eine Prüfziffer – fertig ist die ISBN!
ARNO GEIGER
nicht richtig klar, was mit «modernem Leben» gemeint ist, zum anderen gibt es bereits unzählige Bücher zum Thema. «Living Modern» von Richard Powers und Phyllis Richardson erfüllt aber den hohen eigenen Anspruch – durch eine umfassende, geradezu globale Betrachtungsweise und eine glanzvolle Aufmachung. Das Buch ist sowohl Schmöker für den Coffee-Table als auch kompetenter Ratgeber und bunte Inspirationsquelle. Die Texte sind angenehm kurz und unprätentiös – für ein Buch aus dem Bereich Architektur ist das alles andere als selbstverständlich.
Was im Leben wirklich wichtig ist: »Ein auf berührende Weise beglückendes Buch.«
Foto: © Wonge Bergmann
Elmar Krekeler, Welt am Sonntag
Auch als
-book
im Buchhandel erhältlich
192 Seiten. Geb. sFr 27,90 www.arno-geiger.de books – März 2011 – 9
Reportage Text: Benjamin Gygax – Fotos: Keystone
Die Kunst des Weglassens Martin Suter hat sich mit seinen Kolumnen, Theaterstücken, Drehbüchern und Romanen eine grosse und treue Leserschaft erschrieben. Wo liegen die Ursachen seines aussergewöhnlichen Erfolgs?
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Reportage «Es gibt Leute, die können tun, was sie wollen, es sieht immer richtig aus. Geri Weibel ist nicht einer von ihnen.» So stellt uns Martin Suter die Hauptfigur seiner berühmten Kolumne «Richtig leben mit Geri Weibel» im NZZ Folio vor. Der Autor selber scheint aber eher zu denen zu gehören, die immer nur das Richtige tun. Wie die Geri-Weibel-Kolumne wurde auch Suters «Business Class», die er ab 1992 während 12 Jahren für die Weltwoche verfasste, eifrig gelesen und diskutiert. Der Zürcher, der heute auf Ibiza und in Guatemala lebt, schrieb zudem Reportagen für GEO, verfasste Drehbücher fürs Fernsehen, Stücke fürs Theater und veröffentlichte inzwischen mit «Allmen und die Libellen» seinen achten Roman. Kurz: Martin Suter ist unglaublich produktiv und ungemein erfolgreich. Was er auch anpackt, scheint ihm zu gelingen – und er packt viel an. Wie kommt es, dass sich der Autor eine so treue und begeisterte Fangemeinde schaffen konnte? Was steckt hinter dem Phänomen Martin Suter?
gründete er seine eigene Agentur und präsidierte auch einmal den «Art Directors Club» der Schweiz. Werber suchen laufend nach einem Bild oder einigen Worten, die eine kurze und einprägsame Geschichte erzählen. Es ist diese Fähigkeit, die nach Buchelis Ansicht auch den Erfolg des Schriftstellers begründet: «Suter arbeitet mit jenen Mechanismen, die ihm aus der Werbesprache vertraut sind. Ich glaube nicht, dass jemand, der in dieser Art mit Sprache umzugehen gelernt hat, allein deswegen schlechtere Literatur schreibt. Ganz im Gegenteil: Wenn jemand ein solches Sprachsensorium entwickelt hat und das für seine Bücher nutzbar macht, sollten wir dafür dankbar sein – denn gnade uns Gott vor langweiliger Unterhaltungsliteratur!»
bgy. Johann Friedrich von Allmen verbrachte seine Jugend in einem englischen Internat. Dort entdeckte der Jugendliche seine Begabung als Dandy und erlernte die Kunst des kultivierten Schuldenmachens. Diese betreibt der Lebemann und Feingeist seither mit grossem Erfolg. Das Familienvermögen, das sein Vater mit Landspekulation angehäuft hatte, ist auf ein Gärtnerhaus, einen Flügel und einige Kunstgegenstände
zusammengeschrumpft.
Allmen lebt auf dem Existenzminimum – zählt allerdings seinen Butler Carlos und ein Opernhaus-Abonnement dazu. Als dem Schöngeist das Wasser definitiv am Hals steht, versucht er widerwillig, fremde Antiquitäten zu verkaufen.
Was Martin Suter auch anpackt, scheint ihm zu gelingen – und er packt viel an.
Auf den Punkt gebracht «Als Konrad Lang zurückkam, stand alles in Flammen, ausser das Holz im Kamin.» Mit dieser folgenschweren Episode eröffnet Martin Suter seinen ersten Roman «Small World» und illustriert gleichzeitig dessen thematischen Hintergrund – Alzheimer. Seine Romanfigur Lang hatte Scheite im Kamin aufgeschichtet, «aber dann den Stoss neben dem Kamin in Brand gesetzt». Dem Autor Suter passiert ein solches Missgeschick nie. Zielgerichtet treibt er die Handlung voran, und effektvoll sind seine Beschreibungen: Es brennt das, was brennen soll. Ein Leser kommentiert auf der Website des «Tages-Anzeigers»: «Seine wundervollen, bildhaften Sätze bringen Menschen und Situationen so treffend auf den Punkt, dass es gar keine langatmigen Beschreibungen braucht.» Roman Bucheli, Feuilleton-Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» und renommierter LiteraturKritiker, schreibt diese Fähigkeit Martin Suters beruflicher Herkunft zu: «Er kommt von der Werbesprache und vom Drehbuchschreiben her – er weiss mit Sprache und ihren dramaturgischen Mitteln umzugehen.» Tatsächlich arbeitete Martin Suter zunächst als Werbetexter und wurde schon mit 26 Jahren «Creative Director» der renommierten Werbeagentur GGK. Danach
Allmen: Schnüffler wider Willen
Dazu gehören auch die ebenso zarten wie teuren Jugendstil-Schalen mit Libellen-Motiven des berühmten Gallé. Sie bringen ihn und sein Faktotum Carlos auf eine Geschäftsidee: eine Firma zur Wiederbeschaffung schöner Dinge. Wie der Privatdetektiv Sam Spade in Dashiell Hammetts «Der Malteser Falke» jagt Allmen verlorenen Kunstgegenständen nach. Allmen
Wie ein Film gebaut
ist zwar alles andere als ein hartgesottener
Kurzweilig ist nicht nur Suters Sprache, auch seine Themen und seine Dramaturgie sind es. Ob Alzheimer, Hochfinanz, ayurvedische Küche oder Literaturzirkus, «Martin Suter berührt die Menschen deshalb, weil er die richtigen Themen setzt und daraus spannende Geschichten mit Zeitbezug zu entwickeln versteht», schrieb ein Leser als Kommentar auf der Website der «Zeit». Oft beginnen seine Romane mit dramatischen Wendepunkten. «Ein harter Schlag traf seine Brust. Im Fallen hörte er ein dumpfes Plopp und spürte einen Schmerz am Hinterkopf.» So endet das erste kurze Kapitel von «Allmen und die Libellen» – und damit sind wir schon mitten in der Handlung. Suter arbeitet gern und oft mit Rückblenden und unterhält seine Leserinnen und Leser mit unerwarteten Wendungen. Roman Bucheli findet: «Er ist ein Virtuose im Bearbeiten seiner Stoffe – und das ist kein Kinderspiel. Er hat gelernt, wie man einen Stoff bearbeitet und aufgliedert. Wie man mit harten Schnitten immer wieder die Szene abbricht, ganz woanders einsetzt und dann wieder zurückkommt.» Wie in der Struktur eines Films gliedert Suter seine Romane in kurze Kapitel und beendet diese oft mit einem Cliffhanger – das
Ermittler mit locker sitzendem Revolver, der heftig Prügel austeilen und einstecken kann; als ihm der ungehobelte Gläubiger Dörig im eigentlichen Wortsinn auf die Zehen steigt, ist das für Allmens Geschmack mehr als genug Gewalt. Aber alle anderen Ingredienzien des Film noir sind da: die Femme fatale, der reiche Industrielle mit dunklem Geheimnis sowie ein Protagonist, der es mit richtig und falsch nicht immer so genau nimmt.
Allmen und die Libellen 194 Seiten TOP-PREIS: CHF 27.90 Diogenes
Weitere geplante Allmen-Krimis: Allmen und der rosa Diamant Allmen und die Delfinsuite
books – März 2011 – 11
Reportage hält die Leserinnen und Leser in Atem und Spannung und treibt sie beim Lesen voran.
Typen wie du und ich Ob Suter uns vom linkischen Hochstapler David Kern erzählt, der sich in «Lila, Lila» ein fremdes Manuskript aneignet, um die Liebe seiner Angebeteten zu gewinnen, von der durchgeschüttelten Physiotherapeutin Sonia in «Der Teufel von Mailand» oder vom Journalisten Fabio Rossi in «Ein perfekter Freund»: Suter zeichnet Figuren, in denen wir uns wiedererkennen können, trotz oder gerade wegen ihrer Schwächen. Der Dandy von Allmen zum Beispiel hat im Umgang mit seiner Schwäche für Luxus eine hohe Virtuosität entwickelt und verwandelt sie in eine Stärke. «Das macht uns diese Figur sympathisch», ist Roman Bucheli überzeugt. Und immer haben wir beim Lesen den Eindruck, diesem Menschen schon einmal begegnet zu sein. Das mag damit zusammenhängen, dass Martin Suter seine Figuren nicht zu exakt zeichnet, ja manchmal mehr als Rolle beschreibt. Kritiker mögen bemängeln, dass die Figuren
auf diese Weise schemenhaft bleiben – Suters Stil lässt aber unserer Fantasie Raum, und wir können die Lücken mit eigenem Erlebten füllen. Deshalb haben wir immer wieder das Gefühl, diese Szenebar auch schon besucht, diesen Typen auch schon kennengelernt und jenem Gespräch auch schon gelauscht zu haben. Diese häufigen Déjà-vu-Effekte führt der Literaturkritiker Bucheli ebenfalls auf Suters Werbevergangenheit zurück: «Als Romanerzähler macht er das, was auch die Werbung immer versucht: Entweder eine vertraute Geschichte ganz neu zu erzählen oder eine ganz neue Geschichte in einem vertrauten Kleid zu zeigen.»
Der Schriftsteller-Darsteller Dass Martin Suter bei seinem Publikum ankommt, hat also viel damit zu tun, dass er dessen Erwartungen kennt und erfüllt. Eine Rolle spielt aber auch seine eigene Person: Im Interview mit dem Diogenes-Magazin wurde Martin Suter auf den Marketing-Zirkus rund um die Schriftstellerei angesprochen. Er hatte sich für das Magazin ausgie-
big fotografieren lassen und wurde gefragt, ob es dazugehöre, gleichzeitig Schriftsteller und Schriftsteller-Darsteller zu sein. «Das gehört zum Beruf, auch wenn ich es nicht wahnsinnig gern mache», antwortete Suter, «Ich nehme mich zusammen bei Lesungen oder Fototerminen, um freundlich und gut drauf zu sein. Ich finde, das bin ich den Leuten schuldig.» Bleibt zu hoffen, dass es Suter nicht ergeht wie seiner Romanfigur aus «Die dunkle Seite des Mondes», die er wie immer mit einem gekonnten ersten Satz vorstellt: «‹Kein Problem›, antwortete Urs Blank freundlich und stellte sich vor, wie er Dr. Fluri ohrfeigte, ‹dazu bin ich schliesslich da.›» Blank verlor seine Geduld und mutierte zum gesellschaftsunfähigen Waldmenschen. Suter aber ist Profi und akzeptiert die Arbeit des Schriftstellers in all ihren Facetten. Das macht ihn seinem Publikum sympathischer, weckt aber auch Argwohn. «Wir glauben noch immer, dass Kunst etwas ist, das einem Genie zufliegt und das man dem Geist dann in harter Arbeit abringen muss», erklärt Roman Bucheli, «entsprechend ist auch das Bild eines
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12 – books – März 2011
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WERDVERLAG www.werdverlag.ch
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Reportage Martin Suters Romane Small World (2000) 336 Seiten CHF 18.90 Diogenes
Die dunkle Seite des Mondes (2001) 320 Seiten CHF 18.90 Diogenes
Ein perfekter Freund (2003) 352 Seiten CHF 18.90 Diogenes
Lila, Lila (2005) 344 Seiten CHF 18.90 Diogenes
Schriftstellers eben auch das eines mausarmen, frierend und hungernd vor sich hin arbeitenden Künstlers.» Martin Suter verfolge offensichtlich ein anderes Lebenskonzept und zeige, was Schreiben auch sein könne – ein Handwerk.
Den Lesern ist es so U wie E Trotz allem handwerklichen Geschick und seinem Erfolg ist klar, dass Martin Suter nicht jeden Anspruch an künstlerische Sprache oder Introspektion erfüllt. Daraus macht auch der Autor selbst kein Geheimnis, wenn er leicht kokett sagt: «Natürlich gibt es in Deutschland nach wie vor eine
Schule, die davon ausgeht, dass nur das Literatur ist, was Arbeit für den Leser bedeutet. Das finde ich nicht. Was nicht bedeutet, dass ich etwas gegen schwere Literatur habe. Aber ich selber bin vielleicht so frivol, dass eine gewisse Art von Unterhaltung beim Lesen ruhig geboten sein darf. Ich schreibe so, wie ich gerne lese.» Dass ihm dies gelingt, bestätigen Millionen von Menschen. Eine Leserin drückte es so aus: «Suters Plots sind spannend, seine Geschichten einprägsam und sein Stil ist prägnant. Dieses ganze Geschwafel um U- und E-Literatur ist mühsam. Gute Unterhaltung zu liefern ist grosse Kunst.»
Der Teufel von Mailand (2007) 304 Seiten CHF 18.90 Diogenes
Der letzte Weynfeldt (2009) 313 Seiten CHF 19.90 Diogenes
Der Koch (2010) 320 Seiten CHF 39.90 Diogenes
Ein Mann, eine Klippe. Viele Frauen. Endlich! Der neue Roman von Tim Binding! 336 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, CHF 33,90 ISBN 978-3-86648-132-9, www.mare.de
books – März 2011 – 13
mare
Buchtipps
Luka und das Lebensfeuer
Die Gottfriedkinder
Salman Rushdie
Max Peter Ammann
Luka ist der jüngste Sohn des legendären Geschichtenerzählers Raschid, bekannt aus Salman Rushdies berühmtem Märchen «Harun und das Meer der Geschichten». Um seinen Vater aus höchster Gefahr zu retten, muss Luka sich auf eine abenteuerliche Reise ins Land der Magie begeben und dort das Lebensfeuer suchen. Unterwegs erforscht Luka auf fantastische Weise grosse Themen wie Leben und Tod, die Beziehung zwischen Fantasie und Realität, zwischen Autorität und Freiheit, zwischen wahr und falsch. Rushdies Geschichte ist Lesespass für Jung und Alt: Während junge Lesende ein spannendes Abenteuer erleben, können ältere Lesende die tiefgreifenden Themen erforschen.
Die Schweiz im Jahr 1918: Der Erste Weltkrieg ist vorbei, die Spanische Grippe wütet in ganz Europa, und der Winter ist bitterkalt. Als die Rekruten Jonas und Gottfried aus der Armee entlassen werden, halten sie sich als Tagelöhner über Wasser. Doch dann spannen sie zusammen und gründen das Discountgeschäft JO&GO – und werden zu erfolgreichen Unternehmern. Als Gottfried heiratet und dreifacher Vater wird, scheint das Glück perfekt. Allerdings beginnt die schöne Fassade bald zu bröckeln: Gerüchte über Jonas’ Homosexualität treten einen Skandal los, und Gottfrieds Kinder leiden unter dem Geiz und der religiösen Selbstzerfleischung des Vaters.
272 Seiten
352 Seiten, Roman
CHF 33.90
CHF 38.90
Rowohlt
Rotpunkt
ISBN 978-3-498-05787-9
ISBN 978-3-85869-441-6
Im Schatten des Vaters
Grünschnabel
David Vann
Monica Cantieni
Jim hat sich eine Holzhütte gekauft, um dort ein Jahr lang mit seinem Sohn Roy, den er kaum kennt, zu leben. Doch die Hütte steht auf einer abgelegenen Insel im südlichen Alaska – und Jim ist jämmerlich auf das Leben in der Wildnis vorbereitet. Regen, Schnee, Bären und die Einsamkeit setzen den beiden zu. Roy will nur noch weg von der Insel, aber er fürchtet sich vor dem, was passiert, wenn er geht. Also bleibt er bei seinem Vater, dessen verzweifeltes Schluchzen er nachts mitanhören muss. Ein erschütterndes Ereignis besiegelt schliesslich das Schicksal der beiden ... Eine mitreissende Geschichte über das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen.
«Mein Vater hat mich für 365 Franken von der Stadt gekauft.» So beginnt die Geschichte eines Kindes, das, zur Adoption freigegeben, bei neuen Eltern im Immigrantenmilieu der 1970er-Jahre landet. Richtig gross werden die Probleme, als es beim italienischen Nachbarn im Kleiderschrank eine Entdeckung macht, die eine Lawine auslöst. Monica Cantieni wurde für diesen Roman vom Aargauer Kuratorium gefördert. Felicitas Hoppe urteilte als Mitglied der Jury: «Der tragisch-komische Ton bricht mit vertrauten realistischen Erzählmustern und öffnet imaginäre Räume jenseits von Ort und Zeit.» «Grünschnabel» ist ein lakonisches Meisterwerk, welches das Wunder vollbringt, uns die Welt noch einmal mit den Augen eines Kindes sehen zu lassen.
184 Seiten
240 Seiten
CHF 29.90
CHF 31.90
Suhrkamp
Schöffling & Co.
ISBN 978-3-518-42229-8
ISBN 978-3-89561-345-6
14 – books – März 2011
Mein Buch
Die Bücher sind immer und überall Wir möchten von Orell-Füssli-Kundinnen und -Kunden wissen: Welches ist Ihr liebstes Buch? Heute antwortet Catherine Becker aus Zürich. Aufzeichnung: Erik Brühlmann
Catherine Becker gehört zu den Menschen, die von sich sagen, sie könnten ohne Bücher nicht leben. Sie hat immer ein Buch bei sich und liest auch mehrere Bücher gleichzeitig, denn «man ist ja nicht immer in der gleichen Stimmung». Ausserdem könne man anspruchsvolle Literatur, zum Beispiel philosophische, sowieso fast nicht an einem Stück bewältigen. «So lese ich dann halt immer mal ein Kapitel und mache mir dann meine Gedanken darüber», sagt sie. Die private Bibliothek von Catherine Becker umfasst mittlerweile rund 2000 Bücher – und sie wird weiter ausgebaut. «Es kommt halt einiges zusammen, wenn man schon in jungen Jahren mit dem Lesen begonnen hat», meint die 64-Jährige. «Ich habe mir immer viel Zeit zum Lesen genommen. Und jetzt, da ich im Rentenalter bin, kann ich mir natürlich noch mehr Zeit dafür nehmen.» In ihren Regalen stehen
Bücher aller Genres, von Klassikern wie Goethe und James Joyce über Krimis bis hin zu Sachbüchern. «Ich habe nicht den Dünkel, nur Abgehobenes lesen zu müssen», sagt die Büchersammlerin. «Niveau sollten die Geschichten jedoch in jedem Fall haben.» Ein eigentliches Lieblingsgenre hat Catherine Becker zwar nicht, dafür aber einige Lieblingsautoren. Gabriel García Márquez ist einer von ihnen. «Von ihm habe ich jedes Buch gelesen. Seine Geschichten sind einfach fantastisch. ‹Hundert Jahre Einsamkeit› kann ich zum Beispiel immer wieder lesen.» Gerold Späth gehört ebenfalls zu Catherine Beckers Favoriten. «Ansonsten habe ich es allerdings nicht so mit den Schweizern, besonders nicht mit den Frauen», gesteht sie schmunzelnd und ergänzt, den Ton einheimischer Schriftstellerinnen fände sie oft allzu wehleidig. Angetan ist sie hingegen von Agota Kristof. Die gebürtige Ungarin, die heute in Neuenburg lebt, besteche durch ihre präzise Sprache. «Man kann kein einziges Wort wegstreichen, sonst fällt alles in sich zusammen», schwärmt Catherine Becker,
die Kristofs Romane in der französischen Originalversion gelesen hat. Agota Kristofs Erstlingswerk «Le grand cahier» («Das grosse Heft») steche dabei besonders heraus. In dieser Geschichte zweier Zwillingsbrüder protokolliert die Autorin eine Kindheit, die alles andere als idyllisch ist. Die Brüder müssen betteln, stehlen und töten, um zu überleben. Sie versuchen einander mit Schmerzen und Beleidigungen abzuhärten, um die Bitterkeit ihres Lebens besser ertragen zu können. «Es ist einfach faszinierend, diese völlig andere Kultur zu erleben», sagt Catherine Becker. Doch sie fände es unfair, nur dieses eine Buch zu empfehlen. «Eigentlich ist jeder von Agota Kristofs Romanen es wert, gelesen zu werden.»
Das grosse Heft Agota Kristof 187 Seiten CHF 16.90 Piper
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Schwerpunkt Text: Marius Leutenegger – Fotos: André Albrecht
«Man muss die Kamera rechtzeitig ausschalten» 16 – books – März 2011
Schwerpunkt «Léon und Louise» ist eines der schönsten Bücher der Saison. Mit diesem Roman ist dem in Olten lebenden Schriftsteller Alex Capus ein Werk gelungen, das die Herzen vieler Menschen berühren könnte – deshalb publiziert sein Verlag die Liebesgeschichte gleich in der sehr hohen Startauflage von 100’000 Exemplaren. books hat Alex Capus in Olten besucht, bevor der grosse Rummel um «Léon und Louise» losgeht. books: Alex Capus, warum wollen wir Liebesgeschichten hören? Alex Capus: Weil die Verbindung mit anderen Menschen der zentrale Aspekt unseres Lebens ist – sie ist so wichtig wie Nahrung und Schlaf. Ein Baby, das keinen Kontakt zu anderen Menschen hat, stirbt. Deshalb bleibt die Liebe in der Literatur das grosse Thema, und darum geht es in der grossen Literatur eigentlich immer um Menschen und darum, wie sie miteinander umgehen. Lesen Sie selber Liebesgeschichten? Es gibt eine sentimentale und triviale Liebesliteratur, die mich nur bedingt interessiert. Doch die grossen Liebesromane der Weltliteratur sind immer auch Sittengemälde einer Epoche, einer Gesellschaft – und das spricht mich sehr an. Auch «Léon und Louise» ist in einen historischen und sozialen Kontext gestellt. Der Roman erzählt eine Liebesgeschichte, die sich über sieben Jahrzehnte erstreckt und mit ihrer Zeit stark verwoben ist. Haben Sie die spannungsvolle Ausgangslage – eine zarte Liebe vor dem Hintergrund zweier Weltkriege – bewusst gewählt, um auch ein Sittengemälde zu malen? Ich habe diese Geschichte nicht einfach erfunden und in der Weltgeschichte platziert – denn sie lehnt sich stark an die wahre Geschichte meines Grossvaters väterlicherseits an. Er war wie Léon Chemiker bei der Pariser Kriminalpolizei. Meine ersten Lebensjahre verbrachte ich an der Rue des Écoles, an der auch Léon lebt. Ich kenne die Wohnung meines Helden ganz genau. Ja, in groben Zügen ist Léon mein Gross-
vater. Ich habe aus der Familiengeschichte geschöpft wie noch nie. Und Louise gab es auch? Mein Grossvater hatte tatsächlich eine lebenslange Herzensfreundin. Die ganze Familie wusste Bescheid, aber niemand war auf dem Laufenden – in der Familie wurde eine sehr katholische Form von Konfliktmanagement betrieben; man ignorierte die Tatsachen einfach. Die Eingangsszene meines Buchs, in der eine kleine, alte Frau bei der Beerdigung von Léon auftaucht, ereignete sich tatsächlich, und auch das Hausboot, das Léon und Louise ein Refugium bietet, existierte. Die Liebesgeschichte habe ich also in ihren groben Zügen nicht erfunden. Was sich im Einzelnen zutrug, weiss aber niemand, und deshalb machte ich es mir zur Aufgabe, mir vorzustellen, was hätte sein können.
Alex Capus ml. Alex Capus kam 1961 in der Normandie
Hatten Sie keine Hemmungen, eine Geschichte aus Ihrer Familie zu erzählen? Es ist tatsächlich immer eine heikle Sache, wahre Geschichten zu erzählen – das kann man eigentlich erst tun, wenn alle Protagonisten tot sind. Würde mein Grossvater noch leben, hätte ich «Léon und Louise» nicht geschrieben, denn ich finde, Kunst darf nicht alles. Aber jetzt sind alle tot, und ich denke, sie schauen mir aus dem Jenseits milde lächelnd zu.
als Sohn eines Franzosen und einer Schweizerin zur Welt. Die ersten fünf Lebensjahre verbrachte er bei seinem Grossvater in Paris. Dann zog er mit seiner Mutter nach Olten. Er studierte Geschichte, Philosophie und Ethnologie in Basel und arbeitete als Journalist und Redaktor bei verschiedenen Tageszeitungen sowie bei der Schweizer Depeschenagentur. Sein erster Erzählband erschien 1994: «Diese verfluchte Schwerkraft». Seither hat er rund ein Dutzend weiterer Bücher publiziert, die in viele Sprachen übersetzt
Man hat als Leser den Eindruck, diese Geschichte hätten Sie mit richtig viel Begeisterung geschrieben. Sie ist ausgesprochen flüssig verfasst. Ich schreibe immer sehr gern! Ich gehöre nicht zu den Autoren, die beim Schreiben leiden. Mir ist der Fluss einer Erzählung sehr wichtig. Für mich ist es ein handwerkliches Gesetz, die Kausalkette ganz eng zu stricken. Jeder Satz muss zwingend aus dem vorhergehenden hervorgehen, der Leser muss immer das Gefühl haben, die Geschichte könne sich gar nicht anders entwickelt haben. Deshalb beginne ich beim Schreiben auch auf Seite eins und höre auf der letzten Seite auf. Natürlich überarbeite ich den Text immer wieder, aber mir ist es sehr wichtig, so zu schreiben – ich will eine Kausalkette von Anfang bis Ende schmieden.
wurden und zahlreiche Preise gewannen. Oft verbindet Capus in seinen Werken sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven Erzählebenen; einige seiner Publikationen sind Sammlungen literarischer Porträts und historischer Miniaturen. Einen Namen gemacht hat sich Capus auch als Übersetzer von Romanen des US-amerikanischen Autors John Fante. Alex Capus lebt noch immer in Olten. Dort präsidiert er die lokale SP, und dort besitzt er seit kurzem mit dem «Flügelrad» auch eine eigene Beiz – gemeinsam mit seinem Schriftstellerfreund Pedro Lenz («Der Goalie bin ig»). Capus ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.
Wissen Sie denn von Anfang an, wie sich die Geschichte entwickeln wird? books – März 2011 – 17
© Marianne Rosenstiehl
288 S., CHF 33,90. ISBN 978-3-88897-702-2
»Eine unmögliche – und doch vollkommen glaubwürdige Liebesgeschichte.« Elle
verlag antje 18 – books – März 2011
kunstmann
In groben Zügen schon. Ich kenne den Spannungsbogen, wenn ich zu schreiben beginne, aber manches entwickelt sich natürlich erst beim Schreiben. Und beim Recherchieren. Louise wirkt zu Beginn der Geschichte als Todesengel im Dorf; sie überbringt den Familien die Botschaft, dass der Sohn an der Front gefallen ist. Das hat sich entwickelt, als ich mich über die Lebensumstände in der französischen Provinz während des Ersten Weltkriegs informierte. Ich las die Memoiren eines Bürgermeisters, der derart unter der Aufgabe litt, die schlimme Nachricht zu übermitteln, dass er den Dienst quittierte. In meinem Roman überlässt er diese Aufgabe jetzt Louise. Über Gefühle zu reden ist nicht leicht, und über die Liebe schon gar nicht. Oft resultiert Kitsch. Sie umschiffen erfolgreich jede Kitschklippe. Wie haben Sie das gemacht? Es gibt im ersten Teil des Buchs eine Episode, in der Léon und Louise miteinander ein Wochenende am Meer verbringen. Da besteht natürlich akute Kitschgefahr. Ich tendiere in solchen Fällen zu grosser Zurückhaltung und versuche, die Kamera im richtigen Moment auszuschalten. Auf diese Stelle verwendete ich grosse Sorgfalt. Ich schrieb verschiedene Varianten, die sich darin unterschieden, wie lang die Kamera dabeiblieb und wie viele Worte ich brauchte, um die Gefühlslage zu beschreiben. Versuchsweise ging ich auch einmal eindeutig über mein übliches Mass hinaus, um zu sehen, wie das wirken würde – und dann fuhr ich alles so weit zurück, bis mir diese Stelle nicht mehr peinlich war. Die Kamera schalten Sie auch aus, wenn die beiden Hauptfiguren einander körperlich näherkommen. Ich lese nicht gern, wie es zur Sache geht, und ich sehe das auch im Kino nicht gern – Sexszenen sind mir immer unangenehm. Der Liebesakt hat von aussen betrachtet ja auch etwas Albernes, und die Anzahl verfügbarer Bilder, mit denen man eine Sexszene beschreiben kann, ist sehr beschränkt. Für mich ist es jedenfalls unnötig, Details zu beschreiben, wenn man genau weiss, wie es weitergeht. Es gibt in Ihrem detailreichen Buch noch mehr Unausgesprochenes. Beim Wiederlesen merkte ich plötzlich: Ich habe keine Ahnung, wie Louise aussieht. Ich suchte
dann nach Beschreibungen – fand aber fast nichts. Haben Sie selber eine Vorstellung von der äusseren Erscheinung Louises? Ich habe schon ein Bild von ihr. Aber es war mir tatsächlich wichtig, ihre äussere Erscheinung vage zu lassen, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann. Ich beschreibe nur einzelne Merkmale, zum Beispiel die Lücke zwischen den Oberzähnen. Manchmal reicht ganz wenig zur Charakterisierung. Louise wird zu Beginn charakterisiert. Von da an weiss man, wer und wie sie ist. Es ist doch gar nicht so wichtig, wie sie aussieht. Natürlich muss ich auch zeigen, wie die Zeit vergeht – darum heisst es alle 100 Seiten einmal: Jetzt sind die ersten weissen Haare gekommen. Aber das reicht. Ich wundere mich immer, wenn jemand mit erzählerischem Furor die Unterwäsche der Heldin beschreibt. Ist Louise Ihre Idealvorstellung einer Frau? Vielleicht trug ich Idealbilder von Frauen vor mir her, als ich 16 Jahre alt war. Heute finde ich es einfach schön, dass es ganz verschiedene Frauen gibt. Ich bin verheiratet und habe fünf Kinder. Mich interessiert deshalb die romantische Liebe, die durch äussere Umstände nicht gelebt werden kann, genauso wie die Liebe, die durch äussere Umstände zusammengehalten wird und sich bewähren muss. Ich habe auch die Ehefrau meines Helden gern, und vor ihr habe ich grossen Respekt. Besteht nicht die Gefahr, dass das nähere Umfeld alles persönlich nimmt, wenn man als Autor eine grosse Liebesgeschichte ausbreitet? Mein Umfeld weiss, dass ich beim Schreiben weit über meinen persönlichen Lebenskosmos hinausgreife. Es gibt Autoren, die ganz intensiv aus ihrem Leben schöpfen und bei denen man alles auf sie beziehen kann. Ich lasse schon Persönliches in meine Texte einfliessen, aber ich gehe auch in die weite Welt hinaus und schaue mich um. Ich finde es jedenfalls segensreich, dass ich mich mit dem Älterwerden immer weniger für mich selber interessiere. Ein wichtiges Element des Buchs sind drei lange Briefe, die Louise ihrem Léon schreibt. War es für Sie eine Herausforderung, aus der Sicht einer Frau zu schreiben? Das wäre mir als ganz junger Autor viel-
Schwerpunkt leicht schwergefallen, aber ich habe jetzt doch so manches Jahr Eheleben hinter mir – da lernt man ein, zwei Dinge. Manchmal habe ich mich beim Schreiben in meine Frau hineingefühlt und mich gefragt: Was würde sie machen, was würde sie sagen? Es ist nicht so schwierig, aus der Sicht von Frauen zu schreiben, wenn man versucht, sie wirklich zu verstehen – und sie nicht nur als Spiegel männlicher Fantasmen sieht.
ist mir natürlich klar, dass dies die Sichtweise eines Privilegierten ist. Aber sie hat zum Beispiel dazu geführt, dass Yvonne, die Ehefrau von Léon, nicht einfach als treues Heimchen am Herd vorgeführt wird und die Narrenkappe aufgesetzt bekommt. Bei Dreiecksgeschichten gibt es ja immer Verlierer. Mir war es aber wichtig, dass die Gewinner- und Verliereranteile gerecht verteilt sind.
Manchmal wird behauptet, unerfüllte Lieben seien die schönsten. Sie haben noch eine Steigerung gefunden: Eine unerfüllte Liebe, die am Ende doch noch gelebt werden darf. Ist das für Sie die Spitze der Romantik? Nun, ich bin da eigentlich eher pragmatisch: Was ist, ist, und was nicht ist, ist nicht. Natürlich ist es ein bisschen sonderbar, wenn das ein Romanschriftsteller sagt, der das Reich der Möglichkeiten ausloten sollte. Aber ich finde die Vorstellung der romantischen Liebe nicht nur segensreich. Dieses Ideal hat viel verdorben. Ein Bürgertöchterlein, das immer denkt, der wirkliche Prinz komme dann schon noch, und das die real existierenden Männer um sich herum gar nicht wahrnimmt, kommt vielleicht lebenslang nie zur Liebe. Nein, die allzu romantischen Bilder sind nicht erstrebenswert.
Haben Sie schon ein neues Projekt begonnen? Alles hat seine Zeit. Jetzt bin ich zuerst einmal auf Lesereise, dann werde ich weitersehen. Jetzt ist Showbusiness-Zeit, dann kann ich nicht schreiben, sondern muss jeden Abend den Kasper machen. Es ist abgesehen davon auch nicht gut, wenn man etwas zu schnell übers Knie bricht. Ein Buch muss sich entwickeln.
Wem immer ich das Buch zu lesen gab – die Reaktionen waren sehr gut. Wie zufrieden sind Sie selber mit Ihrem Werk? Wenn ich mit einem Buch fertig bin, muss ich die Empfindung haben: Besser hätte ich es im Moment nicht machen können. Es kann schon sein, dass ich in zwei Jahren zart erröte, wenn ich den Roman wieder lese, aber ich weiss, dass ich jetzt mein Bestes gegeben habe. Ich finde, man sollte dem eigenen Werk gegenüber auch ein wenig demütig sein. Natürlich darf ein Künstler nie ganz zufrieden sein mit sich selber, aber wenn einer immer alles einstampfen will, hat das auch Züge von Hochmut. Was, glauben Sie, führt dazu, dass «Léon und Louise» so gut ankommt? Ich glaube, den Menschen gefällt das freundliche Menschenbild, das ich in diesem Buch ausbreite – und dieses Menschenbild habe ich ja tatsächlich. Bei allem Schrecken erscheint mir die Welt insgesamt noch immer eher als ein Garten denn ein Dschungel. Es
Werden Sie wieder etwas in der Art von «Léon und Louise» schreiben, nachdem dieses Buch so gut geglückt ist? Man sollte ein Erfolgsrezept nicht wieder anwenden. Die Wiederholung ist der Tod jedes Künstlers. Dieses Buch könnte Sie zu einem Bestseller-Autor machen. Erhöht das nicht den Druck auf Sie, wenn Sie jetzt über Ihr nächstes Projekt nachdenken? Hat man als Schriftsteller Erfolg, verdient man Geld – und das ist natürlich sehr angenehm, denn der ökonomische Druck wird kleiner und die Freiheiten werden grösser. Nein, ich glaube, der Druck ist grösser, wenn man beginnt, als wenn man bereits erfolgreich ist. Als Anfänger kann man sich einen Misserfolg viel weniger leisten. Wird mein nächstes Buch kein grosser Hit, ist das für meine Laufbahn als Schriftsteller wohl nicht so schlimm.
Weitere Bücher von Alex Capus Glaubst du, dass es Liebe war? (2003) 144 Seiten CHF 14.90 dtv
Tunichtgut Harald flüchtet vor seiner schwangeren Geliebten und seinen Gläubigern nach Mexiko. 13 wahre Geschichten (2004) 173 Seiten CHF 14.90 dtv
In historischen Miniaturen erzählt Capus von skurrilen Helden und abenteuerlichen Wechselfällen eidgenössischer Geschichte. Reisen im Licht der Sterne (2005) 240 Seiten CHF 14.90 btb
«Die Schatzinsel» von Stevenson neu erzählt: Gibt es die legendäre Pirateninsel wirklich? Patriarchen (2006) 190 Seiten TOP-PREIS: CHF 16.90 btb
Porträts zehn erfolgreicher Erfinder und Firmengründer: Wie erfand Julius Maggi den Suppenwürfel? Wo entdeckte Rudolf Lindt das Rezept für die beste Schokolade? Eine Frage der Zeit (2007) 345 Seiten CHF 16.90 btb
Drei deutsche Werftarbeiter geniessen ihre Odyssee durch Deutsch-Ostafrika. Himmelsstürmer (2008) 207 Seiten CHF 16.90 btb
Zwölf ungewöhnliche Porträts ungewöhnlicher Schweizer: Madame Tussaud, Jean-Paul Marat oder der Aargauer, der die USA vergrösserte. Der König von Olten (2009) 236 Seiten CHF 26.90 Knapp
Léon und Louise 320 Seiten CHF 29.90 Hanser
Alex Capus’ Liebeserklärung an seine Heimat Olten.
books – März 2011 – 19
Schwerpunkt
Bitter, sauer, salzig
– und sehr süss
«Wüsste man, was Liebe ist, gäb’s weder Religion noch Dichtung», schrieb der Berner Autor Kurt Marti. Offenbar wissen wir noch sehr wenig über die Liebe, denn sie bleibt das grosse Thema der Literatur: Jedes Jahr erscheinen Hunderte, ja Tausende von Büchern über bittere und saure Beziehungen, versalzene Affären oder süsses Begehren. Wir haben aus dieser riesigen Masse eine Handvoll neuer Romane rund um die Liebe ausgesucht. Die Auswahl ist völlig subjektiv – manchmal weckte allein das Cover oder ein Name darauf unser Interesse. Denn was kann man bei so viel Liebe auch anderes tun, als einfach seinem Bauchgefühl zu folgen? Text: Marius Leutenegger
Jeden Tag, jede Stunde Nataša Dragnic 288 Seiten CHF 31.90 DVA
Darum geht’s: Als Dora den Raum betritt, fällt Luka in Ohnmacht. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und fortan sind die beiden unzertrennlich. Das überrascht ihr ganzes Umfeld, denn Dora und Luka sind erst zwei und fünf Jahre alt. Vier Jahre später zieht Doras Familie aus dem romantischen kroatischen Fischerdorf nach Paris. Die Liebenden vergraben die Erinnerung aneinander unter vielen neuen Erlebnissen, doch noch als Erwachsene spüren sie: Ihrem Leben fehlt etwas. Eine zufällige Begegnung in Paris lässt die alte Liebe hervorbrechen wie ein Tiger aus dem Unterholz. Die Umstände verhindern allerdings, dass Dora und Luka zusammenbleiben dürfen. Sie müssten jetzt ohne einander sein – doch das können sie nicht ... Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Alfred Hitchcock sagte einmal, die Wahrscheinlichkeit interessiere ihn nicht. Wichtig war für den Meister der Spannung die Wirkung. Auch beim Lesen dieses Romans sollten wir uns nicht fragen, ob die Geschichte sehr realistisch ist – sondern uns ganz dieser romantischen Liebe hingeben, die zwei Künstlerseelen miteinander ver20 – books – März 2011
bindet. Möglicherweise kommt einem das eigene Liebesleben nach der Lektüre ein wenig bescheiden vor, aber vielleicht ermuntert uns das ja, wieder ein bisschen netter zu unserem Partner zu sein. Eignet sich für: Leserinnen und Leser, die sich nicht schämen, von einem Buch zu Tränen gerührt zu werden; alle, die gerade reisen; Menschen, die an die Liebe glauben oder diesen Glauben erst kürzlich verloren haben.
Ada liebt Nicole Balschun 192 Seiten CHF 26.90 DuMont
Darum geht’s: Während der Beerdigung von Tante Rosi lässt ein unbekannter Sargträger aus Versehen sein Gebetbuch ins Grab fallen. Ich-Erzählerin Ada interessiert sich für den kräftigen Mann – und findet heraus: Er heisst Bo, ist Landwirt und Hilfskraft auf dem Friedhof. Fortan besucht Ada auffallend oft das Grab ihrer Tante. Bo und Ada nähern sich einander an, obwohl sie verschiedener nicht sein könnten: Ada arbeitet als Literaturwissenschaftlerin und geht gern in die Oper, Bo interessiert sich vor allem für neue Melkmaschinen und kann nie weg vom Hof. Ihre Gefühle stehen zwar über solchen Äusserlichkeiten, trotzdem kommt es
zur Entscheidungsschlacht zwischen Herz und Kopf ... Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Nicole Balschun schreibt das Porträt einer modernen Frau: Ihre Ada hadert ein bisschen mit dem Schicksal, weiss nicht genau, was aus ihr werden soll, hat ein komplexes – wenn auch bemerkenswert herzliches – Verhältnis zu ihren Eltern und spürt plötzlich, dass sie eigentlich schon lang aus ihrer biederen Existenz ausbrechen will. Dass Ada ihre Geschichte in extrem langen Sätzen erzählt, ist zu Beginn etwas irritierend, bringt uns aber der Innenwelt der Protagonistin näher: Ada denkt dieses Buch einfach so vor sich hin, und da häufen sich natürlich die Einschübe. Das ist manchmal im besten Sinn des Wortes komisch. Eignet sich für: Leserinnen und Leser, die «Bauer sucht Frau» mögen; Leute, die wissen wollen, was Literaturwissenschaftler und Bauern den ganzen Tag lang tun; Menschen, die gern einen Nachmittag lang in einer schnurgeraden Geschichte versinken.
Der Sommer ohne Männer Siri Hustvedt 256 Seiten CHF 33.90 Rowohlt
Darum geht’s: Mia, eine Frau um die 50, ist mit Boris verheiratet. Eines Tages eröffnet er ihr, er brauche eine Pause. «Die Pause war eine Französin mit schlaffem, aber glänzendem braunem Haar», berichtet Ich-Erzählerin Mia. «Natürlich war sie jung, zwanzig Jahre jünger als ich, und ich vermute, dass Boris schon länger scharf auf seine Kollegin gewesen war, ehe er sich auf ihre signifikanten Bereiche stürzte.» Mia bricht zusammen – und zieht ins Provinzkaff, in dem ihre Mutter lebt. Dort leitet sie einen Poesiekurs für Teenager, lernt die verzweifelte junge Frau im Nebenhaus kennen und versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Dann treffen die ersten zerknirschten EMails von Boris ein ... Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Wir geben es gleich zu: Dieses Buch ist
Schwerpunkt Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Adam Ross hat bislang nur ein paar Kurzgeschichten veröffentlicht – und jetzt die Literaturwelt mit einem ambitionierten und sehr dicht gebauten Roman überrascht. In den USA löste «Mr. Peanut» eine Begeisterungswelle aus, und der Autor wurde bereits mit Jonathan Franzen verglichen. Das ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber der Roman imponiert tatsächlich: Er rückt die dunklen Seiten der Beziehung zwischen Mann und Frau ins Licht. Die Eheleute leben neben-, aber nicht miteinander, hassen einander zuweilen dafür, dass sie nicht ohne einander sein können, und ihre Liebe welkt in beredter Sprachlosigkeit dahin. Eignet sich für: Leserinnen und Leser, denen ihre Liebe an die Nieren geht – und die Trost in der Tatsache finden, dass sie damit nicht allein sind; Thriller-Freunde, die sich auch einmal vertieft mit Beziehungsfragen auseinandersetzen wollen.
Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe Bernhard Moshammer unser Liebling. Es ist mit viel Humor geschrieben, steckt voller kleiner Weisheiten und weist einige raffinierte Drehs auf. Zum Beispiel diesen: Mia freundet sich mit der Greisen-Clique um ihre Mutter an und versucht gleichzeitig, den Zickenkrieg ihrer Schülerinnen zu schlichten. Damit kann die Autorin den Bogen übers ganze Leben spannen und uns Einblicke ins Liebesleben von drei Generationen bieten. Siri Hustvedt, US-Amerikanerin mit norwegischen Wurzeln, ist seit einer kleinen Ewigkeit mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet. Wir nehmen an, er ist ein glücklicher Mann – denn ein solches Buch kann nur eine kluge, witzige und gefühlvolle Frau schreiben. Eignet sich für: Leserinnen und Leser im Alter von Mia (also mitten im Leben und schon einen Schritt daneben); alle, die der Traurigkeit unserer Existenz auch gern mit Humor begegnen, aber die schmale Grenze zum Sarkasmus nicht überschreiten wollen.
Mister Peanut Adam Ross 496 Seiten CHF 35.90 Piper
Darum geht’s: David Pepin ist ein erfolgreicher Spieleentwickler; gegenwärtig arbeitet er an einem Game, das in eine Endlosschleife mündet. In einer solchen befindet sich auch Davids Ehe mit Alice. David stört an seiner Frau weniger ihr kolossales Übergewicht als ihre frustrierend erfolglosen Versuche, dieses zu verlieren. Ein paar Kapitel später liegt Alice auf dem Küchenboden – als wunderschöne, gertenschlanke Leiche. Ganz allmählich erfahren wir, was passiert ist. Und dann lernen wir parallel dazu auch noch die wahre Geschichte eines legendären Justizirrtums kennen: Der Arzt Sam Sheppard wurde in den 1950er-Jahren zu Unrecht des Mordes an seiner schwangeren Frau Marilyn beschuldigt und sass acht Jahre lang im Gefängnis.
220 Seiten CHF 26.90 Milena
Darum geht’s: Die Geschichte von Benjamin, der durch die Liebe schwer geschädigt wurde. Ein Teil des Buchs spielt in seiner Jugend, der andere in der Gegenwart – im Jahr 24 n.F., nach Feli, dem Mädchen, das ihm das Herz brach. Damals war er 15 Jahre alt, seither hat er der Liebe abgeschworen. Doch jetzt taucht Maria auf. Dummerweise passiert unserem gebrochenen Helden genau wieder das, was ihn vor 24 Jahren traumatisierte. Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Ein witziges und manchmal auch ziemlich trauriges Buch – eine Trouvaille. Wie Moshammer den Friedhof beschreibt, auf dem sein Vater liegt, muss man gelesen haben. Wie er die Gefühle eines 15-Jährigen wiedergibt, hat Klasse. Viele Zeilen sind Schulbeispiele für Lakonie und gediegenen Schwermut: «Ich mag Brot. Es kann alt books – März 2011 – 21
Schwerpunkt
Halb zog sie ihn, halb sank er hin ml. Eine besonders beliebte Gattung von Liebes-
die Chance einer solchen Begegnung mit «eins
der schwarzen Maske aus «Star Wars», von der
romanen sind die so genannten «Nackenbeisser».
zu einer Million» und findet die Story offenbar
Autorin gewollt.
Früher bezeichnete man diese Werke als «Trivi-
selber etwas dick aufgetragen, aber das tut dem
Nun, die Kondome kommen dann doch noch zum
alliteratur», ihren eigentümlichen gegenwärtigen
Buch gut, denn jetzt kann man es plötzlich auch
Einsatz. Zuerst wird aber in einer Scheune gehei-
Namen haben sie sich mit ihren Covers verdient.
als recht selbstironisches Werk lesen. Und da-
ratet und Camry «gebietet ihm auch noch Ein-
In zarten Pastelltönen zeigen diese jeweils ein
mit macht die Sache endlich Spass – uns, der
halt», weil seine Hände kalt sind. Aber am Ende
Liebespaar in idyllischer Landschaft und leiden-
Leserschaft, allem Anschein nach aber auch der
zeigt der erfahrene Wissenschaftler seiner Kolle-
schaftlicher Verknotung: Die brave Heldin aus
Autorin, die zur Hochform aufläuft.
gin, was Mann mit Frau macht. Interessant und
gutem Haus und den verwegenen Geliebten mit
sprachlich geradezu meisterhaft ist, wie alles ge-
gestählter Brust. Selbstverständlich sieht er aus
sagt wird, ohne es zu benennen: Eine sich über
wie ein wilder Kerl, ein Pirat oder Gauner, wie et-
mehrere Seiten erstreckende detaillierte Sexsze-
was Verbotenes jedenfalls – das lädt die Situati-
ne lang findet man keine wüstere Bezeichnung
on zusätzlich auf. Und fast immer beugt er sich
als «nach unten». Natürlich geht die Raketenfor-
derart über die Heldin, als wäre er ein Adliger aus
scherin jetzt ab wie Apollo 11, nachdem sie auf
Transsylvanien und würde er ihr gleich in den ap-
den Geschmack gekommen ist. «Wumm Wumm,
petitlichen Nacken beissen.
Ehemann!», lautet fortan ihr Lockruf.
Es geht das Gerücht um, die Covers enthielten
Die Nackenbeisser-Romane sind ein gutes Bei-
verschlüsselte Botschaften darüber, wie scharf
spiel dafür, wie wichtig es heute für die Verlage
es im Buch zur Sache geht: Je mehr Nacktheit
ist, dem Publikum auf einen Blick klarzuma-
und je spitzer die Türmchen des Schlosses im
chen, zu welchem Genre ein Titel gehört. Es gibt
Hintergrund, desto expliziter der Inhalt. Bele-
«Wölkchenbücher» («P.S. Ich liebe dich»), Bücher
gen lässt sich das zwar nicht, aber machen wir
Wenig überraschend richtet sie sich allerdings
mit nackten Füssen drauf, bei «Bridget-Jones»-
doch einmal den Selbstversuch anhand einer
eher an ein weibliches Publikum. Das zeigt sich
Epigonen dürfen die Süssigkeiten nicht fehlen.
hübschen Neuerscheinung: «Lockruf der High-
zum Beispiel darin, dass die Beschreibungen der
Sogar die Titel sind teilweise gespensterhaft ty-
lands» der US-amerikanischen Bestseller-Au-
männlichen Figuren weit ausschweifender und
pisiert – die historischen Romane, denen wir in
torin Janet Chapman. Das Blüslein der Heldin
origineller sind als jene der Frauen. «Seine Brust
diesem Heft ab Seite 32 die Reverenz erweisen,
ist auf dem Cover ja bereits ganz schön aufge-
war ebenfalls beachtlich; die Muskeln zeichneten
setzen zum Beispiel gern auf den Genitiv («Das
knöpft, und wo zur Hölle hat die Dame eigentlich
sich deutlich ab und waren mit weichen Härchen
Spiel der Gauklerin», «Die Hure des Kaisers»).
ihre Linke? Das ist wirklich vielversprechend!
versehen», heisst es über Luke. Der weiss, wer
Das erleichtert dem Publikum die schnelle Ori-
Die Sache beginnt allerdings nicht gerade so,
Camry ist, sie aber nicht, wer er ist, und so fällt
entierung: Die Verpackung legt den Inhalt sofort
dass man sich daran schneiden könnte: Auf den
sie über ihn her, knöpft sein Hemd auf und stellt
offen. Wumm Wumm, Ehemann!
ersten Seiten wird vornehmlich geduscht, es gibt
«mit ihrer Zunge köstlich sündige Dinge mit sei-
viel Personal und es geht irgendwie um Raketen-
nen Brustwarzen an» – was immer das auch sein
antrieb. Ein älteres sexy Paar, das sieben schöne
soll.
Töchter hat, landet im Ehebett, und die Gattin
Natürlich ist die Entfremdung der Protagonisten
ruft: «Liebe mich, mein Ehemann. Entführe mich
unumgänglich, als sie herausfindet, wer er ist,
auf eine Fahrt jenseits der Sterne kraft deiner
und schliesslich zeigt sich gar: Die schöne Heldin
Energie!»
ist trotz ihrer 32 Jahre noch Jungfrau, denn sie
Dann gewinnt die Story aber an Fahrt. Es kommt
fürchtet die Mutterschaft. Darum dreht sich jetzt
zu einer wüsten Bar-Keilerei in einem Provinzkaff,
fortan alles um so seriöse Themen wie Hausge-
und dort treffen die beiden Hauptfiguren aufein-
burt, Kondome, schwierige Entscheidung und
ander: Camry und Luke, zwei hochtalentierte
die Prophezeiungen eines konservativen alten
Raketenwissenschaftler, die einander nur per E-
Priesters. Der heisst Vater Daar – hoffentlich ist
Mail kennen und gar nicht mögen. Luke beziffert
diese Anspielung auf Darth Vader, den Bösen mit
22 – books – März 2011
Lockruf der Highlands Janet Chapman 349 Seiten CHF 13.90 Blanvalet
werden, ohne seinen Geschmack zu verlieren. Brot ist mein Vorbild.» Leider ein viel zu kurzer Roman auch über die Schönheit der Liebe. Oder wie Maria zu Ich-Erzähler Benjamin sagt: «Deine Worte sind leicht und schwer zugleich.» Eignet sich für: Leserinnen und Leser, die «High Fidelity» mochten – wobei wir Moshammer natürlich noch nicht auf die gleiche Stufe wie Nick Hornby stellen möchten, aber das kann ja noch kommen.
Die erste Liebe Véronique Olmi 288 Seiten CHF 33.90 Antje Kunstmann
Darum geht’s: Ausgerechnet am 25. Hochzeitstag und während den letzten Vorbereitungen zum Festessen stösst Emilie auf ein Zeitungsinserat: «Komm so schnell wie möglich zu mir nach Genua.» Das Inserat ist möglicherweise an sie gerichtet und stammt vielleicht von ihrer ersten Liebe Dario. Emilie bläst die Kerzen aus, stellt den Ofen ab und fährt ohne Eile los. Ehemann Marc und die drei Töchter reagieren ziemlich schockiert, doch Emilie lässt sich nicht aufhalten. Ihr Trip ist nicht nur eine Reise in die Vergangenheit, sondern auch eine in die Gegenwart und Zukunft: Sie knüpft an Gefühle von damals an, um sich jetzt wieder lebendig fühlen und das Morgen hoffnungsvoll erwarten zu können. Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Das Buch ist in mancherlei Hinsicht vergleichbar mit «Ein Sommer ohne Männer» – und genauso gut. Emilie tut das, was wir alle auch schon einmal gern getan hätten: alles stehen- und liegenlassen und einfach lossausen. Dabei handelt das Buch weniger von der idealisierten Liebe zum Verflossenen oder der nüchternen zum Ehemann, sondern vor allem von Emilies Liebe zu sich selbst. Man begleitet die Protagonistin jedenfalls gern auf ihrer turbulenten und ereignisreichen Reise in ihre subtil gezeichnete Gefühlswelt. Kein Wunder, zählt Véronique Olmi zu den erfolgreichsten Autorinnen Frankreichs!
Eignet sich für: Leserinnen und Leser, die auch schon einmal alles hinschmeissen wollten, und für Menschen, die gelegentlich einer Liebe aus Jugendtagen nachhängen – also für alle.
St. Ives Robert Louis Stevenson 520 Seiten CHF 39.90 Hanser
Darum geht’s: Ein Soldat der napoleonischen Armeen landet als Kriegsgefangener in einem britischen Gefängnis. Für die lokale Bevölkerung ist das Gefängnis eine Art Zoo. Auch eine selbstbewusste junge Frau kommt regelmässig auf Gefangenen-Schau – und verliebt sich leidenschaftlich in unseren Helden. Fortan jagt ein Abenteuer das nächste, bis die beiden einander glücklich in die Arme schliessen können. Unser Lieblingszitat: «Damals wusste ich noch nicht, dass eine Frau instinktiv, wenn der Mann, den sie liebt, in Schwierigkeiten steckt, ihm erst einmal zu essen gibt.» Subjektiver Eindruck und Besonderheiten: Robert Louis Stevenson, Autor von «Die Schatzinsel» und «Dr. Jekyll und Mr. Hyde», starb 1894. Dass wir «St. Ives» unter den Neuerscheinungen aufführen, hat damit zu tun, dass der Roman auf Deutsch lange Zeit nicht mehr erhältlich war und jetzt endlich wieder in neuer Übersetzung vorliegt. Er bietet alles, was ein guter Abenteuerroman braucht: Spannung, Humor und viele Emotionen. Stevenson selber war von diesem Werk wenig angetan und schrieb es nicht ganz fertig; wenige Wochen, nachdem er es zur Seite gelegt hatte, erlag er einer Hirnblutung. Als Autor war er damals allerdings auf der Höhe: «St. Ives» ist schmissig und äusserst lebhaft, und im englischen Sprachraum gilt es als Schlüsselwerk. Eignet sich für: Liebhaber von Mantel-und-Degen-Filmen; Leute, die gern in einem Buch schwelgen; Männer, die von der Zeit träumen, als die Liebe noch ein bisschen einfacher war; Frauen, die auch gern einen gut aussehenden, unerschrockenen Helden heiraten würden.
Vater tut mir
immer sehr weh.
Aber Heute
Abend werde ich Vater töten
Der SerientAter auf der Bestsellerliste Hörbuch 978-3-7857-4448-2 | sFr 35,90 ISBN 978-3-7857Buch ISBN 978-3-7857-2407-1 | sFr 33,90
books – März 2011 – 23 www.luebbe.de
Saison
Homo Frisch Der Zürcher Max Frisch kam vor 100 Jahren zur Welt – am 15. Mai 1911. Dieses Jubiläum ist ein idealer Anlass, sich wieder einmal mit dem Werk des weltberühmten Autors zu beschäftigen – und mit seinem Leben, das in vielen Neuerscheinungen beleuchtet wird. Text: Marius Leutenegger – Fotos: Keystone
«Ich bin nicht Stiller.» Dieser Satz gehört wohl zu den berühmtesten Roman-Auftakten überhaupt. Mit dieser Aussage bestreitet die Titelfigur von Max Frischs erstem Welterfolg «Stiller», jener zu sein, für den ihn alle halten: der Bildhauer Anatol Ludwig Stiller, der vor ein paar Jahren bei Nacht und Nebel spurlos verschwand. Der vermeintlich Zurückgekehrte lehnt die ihm angebotene Identität ab und fordert seine Umgebung auf, ihn so zu sehen, wie er ist – und nicht so, wie sie ihn sehen möchte.
Du sollst dir kein Bildnis machen. Das Thema des «Identitätsgefängnisses» durchzieht das gesamte Werk von Max Frisch. Er war immer ein Anwalt für Offenheit den anderen, vor allem aber auch sich selber gegenüber. Diese Haltung ist für seine Biografen ein grundsätzliches Problem – denn eine Biografie ist stets auch eine Festlegung und damit genau das, wogegen Frisch lebenslang angeschrieben hat. «Nein, das geht natürlich nicht», schreibt Volker Weidermann im Vorwort seiner Lebensbeschreibung «Max Frisch – sein Leben, seine Bücher». «Das festgefügte Gebäude eines Lebens, zusammengefügt aus unverrückbaren Bausteinen, die Stein für Stein den lebendigen Menschen einmauern, bis die Wände ihn schliesslich ganz umschliessen und jede Bewegung unmöglich machen. Biografie – das ist der Tod.»
Der Fan Glücklicherweise beweist Volker Weidermann gleich selbst, dass eine Biografie keine endgültige Festlegung sein muss. Sein fast 400 Seiten langer und – nun ja – sehr frisch formulierter Text ist ein richtiges Geburtstagsgeschenk für Fans und solche, die es werden möchten. Der Feuilleton-Chef der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» hat das Problem, dass man sich gerade von Frisch kein abschliessendes Bildnis machen sollte, auf elegante Weise gelöst: Er zitiert Max Frisch, wo er nur kann, kommentiert gelegentlich salopp-verschmitzt und ohne jegliche Rechthaberei – und überlässt es den Leserinnen und Lesern, sich eine eigene Vorstellung von diesem sehr menschlichen Autor zu machen. Gerade weil er Max Frisch bewundert, beleuchtet Weidermann auch dessen schwierigen Seiten – zum Beispiel die fast masslose Egozentrik und Eitelkeit. Auf diese Weise ist ein vielfältiges, buntes, kluges Mosaik entstanden, aber kein eindimensionales 24 – books – März 2011
Saison Bildnis. Ein guter und leichter Einstieg in den Frisch-Kosmos!
Max Frisch beleuchtete sein Leben oft schonungslos offen und scheute sich auch nicht, Bekannte blosszustellen. Die Bekannte Wer sich dort schon ein bisschen besser auskennt, kann auch zu «Mein Name ist Frisch» greifen. Die Autorin dieser Textsammlung, die renommierte Literaturkritikerin Beatrice von Matt, ist die Ehefrau des bekannten Germanisten Peter von Matt, der mit Max Frisch befreundet war. Auch Beatrice von Matt kannte Frisch persönlich. Die stärksten Passagen ihres Buches sind denn auch die Beschreibungen ihrer Begegnungen mit dem Autor. Das letzte Treffen der beiden fand kurz vor Frischs Tod an dessen «Endbett» statt, wie er es nannte – es ist eindrücklich, wie Beatrice von Matt die Stimmung einfängt, die den unsentimentalen Schwerkranken erfasst und umgibt. Das Buch ist eine Zusammenstellung bereits erschienener und neuer Texte, es folgt daher nicht Frischs Lebenslauf, und es setzt Vorwissen sowie ein vertieftes Interesse an den Gedankengebäuden des Schriftsteller-Architekten voraus. Beatrice von Matt interpretiert das Werk von Frisch kenntnisreich und schafft zahlreiche Bezüge zur Geschichte oder zur Literatur, vor allem zur Literatur von Frauen. Ihr ist ein persönliches und anregendes Buch gelungen – trotz eines zuweilen etwas arg akademischen Tons und mancher ideologisch anmutenden Interpretation.
strickung, vor Fesseln», schreibt die Tochter. «Sturz durch alle Spiegel» ist nicht einfach ein Buch über Max Frisch – es ist ein Buch über eine Kind-Vater-Beziehung, über die Wut und Liebe einer Tochter und über das Sterben. Es ist ergreifend, wie Ursula Priess die letzten Spaziergänge mit ihrem Vater beschreibt. Und es geht einem schon sehr nahe, wenn sie einen mitnimmt auf die Intensivstation, wo der Schwerkranke nach einer am Ende sinnlosen Operation vor sich hindämmert.
Leben und Sterben in Grossaufnahme Man könnte sich fragen, ob es Frisch recht gewesen wäre, dass seine Tochter derart Intimes öffentlich macht. Sie folgt darin aber – wie auch in manchen anderen Punkten – nur dem Beispiel des Vaters. Max Frisch beleuchtete sein Leben oft schonungslos offen und scheute sich auch nicht, Bekannte blosszustellen. Seine Tochter brach für viele Jahre den Kontakt zu ihm ab, nachdem sie sein exhibitionistisches Alterswerk «Montauk» gelesen hatte. Ein Satz darin habe eine verheerende Wirkung gezeigt, schreibt sie in ihrer «Bestandesaufnahme». Dieser Satz lautet: «Die schlichte Nachricht, dass ein
Kind gezeugt worden ist, hat mich gefreut: Der Frau zuliebe» – mit ihm beschrieb Frisch seine Reaktion auf die Mitteilung, seine Frau sei mit Ursula schwanger. «Ein Freund fragte mich, ob meinem Vater die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage eigentlich bewusst gewesen sei», so Ursula Priess. «Ich muss gestehen, dass ich es nicht weiss, Max aber auch nicht danach gefragt habe, wie er es gemeint habe.» «Sturz durch alle Spiegel» ist ein imponierendes Buch. Vor allem auch deswegen, weil Ursula Priess sich trotz aller Offenheit nicht an Max Frisch rächt – obwohl er sie offenbar schwer verletzte –, sondern uns daran teilhaben lässt, wie sie mit ihrem Vater Frieden schliesst.
Du sollst dir die vielen Bilder anschauen! So viel Schwere. Dabei ist ein Jubiläum ja eigentlich ein festlicher Anlass – 100 Jahre Max Frisch! Feierlich wird es einem immerhin zumute, wenn man eine Neuerscheinung aus dem Suhrkamp-Verlag durchblättert – Peter Suhrkamp war übrigens einer der wichtigsten Förderer von Max Frisch. Der Verlag des neben Friedrich Dürrenmatt erfolgreichsten Schweizer Literaten veröffentlicht rechtzeitig zum Geburtstag den auf-
Max Frisch ml. Max Frisch kam am 15. Mai 1911 in Zürich
etablierte er sich auch als Dramatiker von
zur Welt. Als sein Vater, ein Architekt, 1932 starb,
Weltrang.
begann er als freischaffender Journalist für die
In der Schweiz wurde sein grosser Erfolg nicht
«Neue Zürcher Zeitung» zu arbeiten – so konnte
nur mit Stolz registriert, denn Max Frisch war
er sich und seine Mutter finanziell über Wasser
ein streitbarer Kritiker der hiesigen Verhältnisse.
halten. Erste literarische Versuche folgten und
Und dies bis zuletzt: Sein letztes Werk, das 1989
brachten ihm einigen Erfolg, doch Frisch ent-
aufgeführte Bühnenstück «Jonas und sein Vete-
schied sich vorerst für eine bürgerliche Exis-
ran», war ein Beitrag zur Armeeabschaffungs-
tenz: Er studierte Architektur an der ETH Zürich
initiative. Der dreifache Vater starb am 7. April
und heiratete eine Tochter aus gutem Haus.
1991 in Zürich an Darmkrebs.
Bald drückte aber wieder die Künstlerseele
Die Liebe spielt in Max Frischs Werk stets eine
durch. Obwohl er nach dem Studium schnell
wichtige Rolle – und sie ist auch ein wesentli-
Die Tochter
einen grossen Auftrag an Land zog – den Bau
ches Element seiner Biografie. Mit der öster-
Wer gern noch etwas tiefer im Privatleben von Max Frisch schürfen möchte, kann zu einem Titel greifen, der schon länger auf dem Markt ist, jetzt aber neu als Taschenbuch erschienen ist: «Sturz durch alle Spiegel». Die Verfasserin Ursula Priess hat wohl am ehesten ein Anrecht darauf, ein Bild von Max Frisch zu kolportieren – denn er war ihr Vater. Die Beziehung zwischen den beiden war schwierig. «Schon immer gehörte ich zu dem, was ihn mit Angst besetzte, Angst vor Ver-
des Freibads Letzigraben in Zürich –, schmiss
reichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann
er Büro und Ehe hin, reiste fortan als Rastloser
führte er eine unheilvolle Beziehung, die beide
und Suchender in der Welt herum und widmete
in literarischen Werken aufarbeiteten. 1968 hei-
sich vor allem dem Schreiben. Seinen endgülti-
ratete er eine junge Germanistikstudentin, und
gen Durchbruch erlebte er 1954 mit dem Roman
1974 begann er eine Beziehung zu einer 32 Jah-
«Stiller». Es folgten noch zwei Romane, die heu-
re jüngeren US-Amerikanerin – dieses Verhältnis
te zum Schulkanon gehören, «Homo Faber» und
beschreibt er schonungslos in seinem grandio-
«Mein Name sei Gantenbein». Mit den Stücken
sen Spätwerk «Montauk».
«Biedermann und die Brandstifter» und «Andorra»
books – März 2011 – 25
Saison wändig gestalteten Bildband «Max Frisch – Sein Leben in Bildern und Texten», der vom Spiegel-Redaktor Volker Hage zusammengestellt wurde. Hage kennt sein Thema gut, denn er verfasste bereits 1983 die erste Max-Frisch-Biografie. Jetzt im Jubiläumsjahr doppelt er nach: Seine neue Biografie ist eine unprätentiöse, sachliche Annäherung an Frisch – einen der grössten Autoren des 20. Jahrhunderts.
Frisch lesen ml. Und was, wenn man nicht über, sondern et-
«Tagebuch 1946 –1949» : Frischs Tagebücher
was von Max Frisch lesen möchte? Die Auswahl
sind keine Nabelschauen, sondern sorgfältig
ist riesig – Frisch hat ein in mancherlei Hinsicht
gestaltete Textcollagen. Das «Tagebuch 1946–
gewaltiges Werk hinterlassen, und dessen Qua-
1949» ist ein wahres Füllhorn von Ideen, Gedan-
lität ist ausgesprochen konsistent. Unter den
kensplittern, Beschreibungen und Notizen. Eini-
vielen Perlen, die jetzt fast alle neu aufgelegt
ge seiner wichtigsten Werke werden hier bereits
werden, seien ein paar besonders glänzende
skizziert, wir erfahren viel über Frischs Begeg-
hervorgehoben:
nungen oder seine Arbeit am Freibad Letzigra-
«Stiller»: Der Roman von 1954 begründete Max
ben Zürich. Dieses Tagebuch ist ein literarisches
Frischs Weltruhm. Der Autor schöpft aus dem
Geschenk.
Vollen, behandelt parallel mehrere zentrale Themen des Menschseins und unterhält dabei auch noch prächtig. Die Figuren sind stark, der Plot ist raffiniert – ein Meisterwerk. «Biografie: Ein Spiel». Frisch war ein grosser
Stiller Max Frisch 451 Seiten CHF 15.90 Suhrkamp
Theaterliebhaber. Dieses 1967 entstandene Stück zählt zwar zu seinen meistgespielten Dramen, konnte die Literaturkritiker aber nie richtig überzeugen. Das überrascht, denn es ist faszinierend. Der todkranke Professor Kürmann be-
Biografie: Ein Spiel Max Frisch 119 Seiten CHF 19.90 Suhrkamp
kommt die Chance, irgendwo in seiner Biografie noch einmal einzusteigen und seinem Leben eine Wende zu geben. Doch er kann nicht aus sich heraus – und landet immer wieder bei sich selber.
26 – books – März 2011
Tagebuch 1946–1949 Max Frisch 407 Seiten CHF 16.90 Suhrkamp
Max Frisch Volker Weidermann 406 Seiten CHF 38.90 Kiepenheuer & Witsch
Mein Name ist Frisch Beatrice von Matt 160 Seiten CHF 24.90 Nagel & Kimche
Sturz durch alle Spiegel Ursula Priess 176 Seiten CHF 16.90 btb
Max Frisch – Sein Leben in Bildern und Texten Volker Hage (Hrsg.) 257 Seiten CHF 39.90 Suhrkamp
Max Frisch Volker Hage 180 Seiten CHF 15.90 Rowohlt (erscheint im Mai)
Buchtipps
Alle sieben Wellen
Eine Frage der Höflichkeit
Daniel Glattauer
Amor Towles
Wer den Erfolgsroman «Gut gegen Nordwind» gelesen hat, kennt Emmi Rothner und Leo Leike bereits – die beiden Menschen, die sich per EMail unsterblich ineinander verliebt haben. Ihre Geschichte geht in diesem Buch weiter! Denn die beiden Verliebten haben schliesslich eine Chance verdient, sich endlich einmal persönlich zu begegnen, oder? Zu heiraten, glücklich zu werden, Kinder zu bekommen ... Aber ob es dazu wirklich kommt? Immerhin ist Emmi schon verheiratet, auch wenn ihre Ehe in einer tiefen Krise steckt. Und was hat es eigentlich mit dieser siebten Welle auf sich? Der Fortsetzungs-Bestseller jetzt endlich als Taschenbuch!
New York am Neujahrstag 1937: Die beiden Provinzschönheiten Kate und Eve gabeln in einer Jazzkneipe den charmanten Tinker Gray auf. Er scheint reich zu sein und Single – perfekt für zwei junge Frauen, die im Big Apple dazugehören wollen. Es entwickelt sich eine turbulente Freundschaft. Kate und Eve lehren Tinker das Schnorren, und Tinker revanchiert sich, indem er die beiden in die feinsten Klubs der Stadt ausführt. Das Abenteuer scheint nie enden zu wollen – bis ein Unfall die schöne Welt aus Bentleys und Champagner zum Einstürzen bringt. Und plötzlich stellt sich für Kate die Frage, wer eigentlich in wen verliebt ist. Ein modernes Gesellschaftsmärchen à la F. Scott Fitzgerald.
224 Seiten
416 Seiten
CHF 16.90
CHF 34.90
Goldmann
Graf
ISBN 978-3-442-47244-4
ISBN 978-3-86220-010-8
Die Freundin meines Sohnes
Dieses Leben, das wir haben
Lauren Grodstein
Lionel Shriver
Pete Dizinoff ist ein Glückspilz: Er hat eine gut gehende Arztpraxis, eine liebevolle Frau, ein hübsches Haus in einem gediegenen Vorort und seinen Sohn Alec, für den er nur das Beste will. Doch dann taucht die bildschöne Laura wieder auf. Sie ist die Tochter von Petes bestem Freund, zehn Jahre älter als Alec – und wird verdächtigt, als Teenager ihr Baby bei der heimlichen Geburt getötet zu haben. Alec verliebt sich sofort in Laura, doch für Pete ist Laura nur eine Bedrohung. Er versucht, die Beziehung zu untergraben. Aber das löst nur den Eindruck aus, er habe selber ein Auge auf Laura geworfen. Plötzlich bekommen die Dinge eine Eigendynamik und geraten ausser Kontrolle ...
Nachdenken, miteinander reden, die Welt sehen und einfach nur da sein. Das hat sich Shep für den Rest seines Lebens vorgenommen. Er will endlich seinen Job und all den Ärger des Alltags hinter sich lassen. Die knappe Million Dollar aus dem Verkauf seiner Firma soll dabei helfen. Doch da teilt ihm seine Frau Glynis mit, dass sie schwer krank ist. Shep wird vermutlich all sein Geld brauchen, um sie nicht für immer zu verlieren. Nach ihrem grossartigen Roman «Liebespaarungen» beschreibt Lionel Shriver mit Präzision und Anteilnahme den Wandel einer Ehe, in der eine lebensbedrohliche Krankheit auch eine Chance für neue Zärtlichkeit und sogar funkelnden Humor bietet.
351 Seiten
480 Seiten
CHF 37.90
CHF 31.90
Klett Cotta
Piper
ISBN 978-3-608-93896-8
ISBN 978-3-492-05441-6
books – März 2011 – 27
Orell Füssli
Biotop für junge Bücherwürmer und Leseratten
20’000 Franken für die Stiftung Mütterhilfe
Mitte Februar 2011 eröffnete Orell Füssli im Kramhof seine neue bunte Kinderwelt: Willkommen im Reich von Pixi, Globi, Harry Potter, Eragon & Co.!
ml. Bei Orell Füssli kann man sich ein gekauftes Buch kostenlos als Geschenk verpacken lassen. In der Weihnachtszeit ist dieser Service so begehrt, dass die Buchhändlerinnen ins Päckli-Zelt im Innenhof ausweichen müssen. Seit drei Jahren sucht sich Orell Füssli für das Päckli-Zelt jeweils einen gemeinnützigen Partner. Freiwillige der ausgewählten Institution helfen beim Einpacken – und der Institution kommt dafür das ganze Geld zugute, das Kundinnen und Kunden für diesen Dienst spenden. In der vergangenen Weihnachtszeit beteiligte sich die Stiftung Mütterhilfe an der Aktion. Ihre Helferinnen und Helfer leisteten 330 Arbeitsstunden und verpackten dabei über 15’000 Päckli. Die Kundinnen und Kunden spendeten grosszügig – und Orell Füssli rundete den Spendenertrag auf 20’000 Franken auf. Das Geld trägt dazu bei, dass die Stiftung Mütterhilfe Mütter, Väter und Paare in der ganzen Deutschschweiz mit vielfältigen Dienstleistungen unterstützen kann. Im Februar konnte Verena Zollikofer, Geschäftsführerin der Stiftung Mütterhilfe, von der stellvertretenden Filialleiterin Tanja Ziegler die prall gefüllte Spendenkasse entgegennehmen.
Eine 300 m2 grosse Bücherwelt, in der man sich auch bewegen kann.
Eine junge Leseratte hat sich mit ihrem kostbaren Fund in die Baumhöhle zurückgezogen, eine andere huscht gerade über die Hängebrücke zwischen den mächtigen Baumstämmen. Durchs Gras kriecht ein kleiner Bücherwurm auf der Suche nach einem bequemen Plätzchen unter dem ausladenden Blätterdach, um seine Entdeckung in Ruhe zu untersuchen. Das klingt nach emsigem Treiben in der freien Wildbahn – ist aber eine Szene, die sich fortan mitten in Zürich abspielen wird: im Orell Füssli Kramhof. Nach mehreren Wochen Umbauzeit ist im ersten Stock der Filiale Kramhof neben der Zürcher Bahnhofstrasse die Kinderwelt von Orell Füssli eröffnet worden. Auf 300 Quadratmetern finden Kinder und Jugendliche eine anregende Bücherwelt, die speziell für sie gestaltet wurde. Auf einer grünen Wiese aus hochflorigem Teppich stehen zwei dicke Baumstämme. Im einen gibt es eine kleine Höhle, um den anderen herum 28 – books – März 2011
führt eine Plattform mit Rutschbahn. Unter dem ausladenden Blätterdach werden die beiden Baumstämme durch eine Hängebrücke verbunden. In der neuen Kinderwelt sind die Bücher nicht mehr nach Genre sortiert, sondern in vier Altersstufen. Jede Stufe hat eine eigene Farbe erhalten. Damit fällt es Kundinnen und Kunden jeden Alters leichter, ein passendes Buch zu finden. Das umfassende Sortiment von Kinder- und Jugendbüchern wird ergänzt durch DVDs, Bücher zu den Themen Schwangerschaft und Pädagogik sowie Spiele, Spielsachen und vieles mehr. Sandra Lehmacher leitet die neue Kinderwelt. «Der Ausbau der Kinderwelt ist für uns ein wichtiger Schritt», sagt die Buchhändlerin, «denn mit unserem Sortiment und unserer Beratung können wir Kinder und Jugendliche ans Lesen heranführen – das ist eine schöne Aufgabe!»
Die stellvertretende Filialleiterin Tanja Ziegler (rechts) übergibt Verena Zollikofer von der Stiftung Mütterhilfe die Spendeneinnahmen aus dem Päckli-Zelt.
Orell Füssli
Auch als eBook erhältlich.
Bienvenue chez Orell Füssli Livres français: In Zürich gibt es dafür eine neue Adresse, denn im Orell Füssli Kramhof ist eine grosse französische Abteilung eröffnet worden.
Erika Vogel wirkte die vergangenen fünf Jahre im Hintergrund – sie war in der Logistik von Orell Füssli tätig. «Jetzt freue ich mich sehr darauf, die neue französische Abteilung zu leiten und wieder im Laden zu arbeiten. Der Kontakt mit den Kunden und den Neuerscheinungen hat mir gefehlt.» Dass sie die französische Abteilung leitet, hat auch damit zu tun, dass Erika Vogel einmal ein Jahr lang in Lausanne lebte. «Ich muss meine Französischkenntnisse aber schon noch ein wenig aktualisieren», gesteht sie. Orell Füssli engagierte eine Sprachlehrerin, die das Branchen-Französisch aller Mitarbeitenden in der neuen Abteilung auffrischte. Nicht alle hatten aber den Kurs nötig: Zwei Mitarbeiterinnen
416 Seiten | CHF 33.90
stammen aus Frankreich und verkaufen seit Jahren französischsprachige Bücher in Zürich. Für sach- und sprachkundige Beratung ist also gesorgt.
Der Buchtipp von Erika Vogel: «Le maître des âmes» von Irène Némirovsky. «Der 1939 erschienene Roman zeichnet ein Gesellschaftsporträt der 1920er-Jahre in Paris und Nizza. Ein junger Arzt wandert von der Krim nach Frankreich ein und behandelt als zwielichtiger Scharlatan die oberen Zehntausend. Getrieben vom Ehrgeiz, schafft er den gesellschaftlichen Aufstieg. Das Buch lässt die Lebenslust einer interessanten und stilvollen Epoche aufleben.» Le maître des âmes Irène Némirovsky
KNALL ZART. Hoch sensibel schildert Vanessa Diffenbaugh die Geschichte einer Frau, die das Leben hart gemacht hat.
280 Seiten CHF 14.90 Gallimard
Beim Lesen vergeht die Zeit wie im Flug …
© FinePic ®, München
Als Payot 2005 seinen Laden an der Bahnhofstrasse schloss, übernahm Orell Füssli Krauthammer im Niederdorf dessen Sortiment. Das war die Rettung für alle Liebhaber der französischen Sprache in Zürich. Jetzt ist auch die Filiale im Niederdorf geschlossen worden, doch das ist kein Grund zum Trauern – denn französische Bücher haben in der Filiale Kramhof eine neue Bleibe gefunden. Die neue französische Abteilung im Orell Füssli Kramhof vergrössert ihr Angebot deutlich und führt ein kleines Vollsortiment; das Schwergewicht liegt bei der Literatur und aktuellen Neuerscheinungen, angeboten werden aber auch Ratgeber oder Bücher rund um Kultur und Philosophie.
… und beim Fliegen kann einem die Zeit ohne Buch manchmal ganz schön lang vorkommen. Deshalb gehört spannende Lektüre in jedes Handgepäck. Wer sie vergessen hat, kann sich jetzt in letzter Minute mit einem guten Buch eindecken: in der neuen Filiale von Orell Füssli im Flughafen Kloten. Im öffentlichen Bereich des Flughafens finden Reisende ab Mitte April auf 200 Quadratmetern ein Sortiment, das ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.
books – März 2011 – 29
Buchtipps
Road Dogs
Erlösung
Elmore Leonard
Claus Cornelius Fischer
Jack Foley ist überzeugter Bankräuber und ein cooler Hund. Cundo Rey ist ein schwerreicher kubanischer Gangster. Im Knast werden die beiden Freunde. Cundo besorgt Jack eine Anwältin, die aus 30 Jahren Haft schlappe 30 Monate macht. Jack wird als Erster entlassen – und schuldet jetzt natürlich Cundo einen Gefallen. Doch da ist auch noch Dawn Navarro, Cundos attraktive Frau, die nur allzu gern die Kohle ihres Gatten absahnen würde. Und schon steht Jack zwischen den Fronten einer attraktiven Frau und eines skrupellosen Gangsters. Und welches sind eigentlich seine eigenen Pläne? Ein rasanter Krimi aus der Feder des Schöpfers von «Get Shorty», «Jacky Brown» und «Out of Sight».
Eigentlich ist es nur ein nächtlicher Routineeinsatz in Berlin. Doch für die junge Notärztin Ella Bach steht er am Anfang eines Albtraums. Völlig unvorbereitet trifft sie am Schauplatz eines Mordversuchs ein. Das Opfer, eine junge Französin, ist schrecklich zugerichtet – und verschwindet noch in der gleichen Nacht spurlos aus der Charité. Als am nächsten Tag auch ihr Rettungsassistent und ehemaliger Liebhaber Max ermordet aufgefunden wird, dämmert es Ella, dass sie in etwas Grösseres hineingeraten ist. Wie gross das Durcheinander aber wirklich ist, bemerkt sie erst, als sie von der Polizei gejagt wird. Plötzlich muss die Lebensretterin ihr eigenes Leben retten ...
303 Seiten
528 Seiten
CHF 33.90
CHF 31.90
Eichborn
Karl Blessing
ISBN 978-3-8218-6119-7
ISBN 978-3-89667-445-6
Die Filmerzählerin
Adams Erbe
Hernán Rivera Letelier
Astrid Rosenfeld
Das Kino ist das Aufregendste, was es im Minendorf in der chilenischen Wüste gibt. Die Männer bauen Salpeter ab, und die Frauen kümmern sich um die Kinder. Hollywoodfilme und mexikanische Melodramen bieten da eine willkommene Abwechslung vom Alltag. Doch eines Tages erhält das Kino Konkurrenz: Die zehnjährige María Margarita kann Filme so anschaulich und dramatisch nacherzählen, dass schon bald die halbe Siedlung in die enge Stube ihrer Familie drängt. Eines Tages, als das Mädchen einem allein lebenden Mann in dessen Haus einen Western nacherzählen soll, widerfährt ihm etwas schrecklich Verstörendes ...
Edward Cohen ist Besitzer einer angesagten Modeboutique in Berlin. Seit seiner Kindheit sagt man ihm, er gleiche seinem Grossonkel Adam. Selbst kennengelernt hat Edward das schwarze Schaf der Familie jedoch nie. Als Edwards Leben in tausend Stücke zerbricht, fällt ihm das Vermächtnis des Grossonkels in die Hände: ein Stapel Papier, adressiert an eine Anna Guzlowski. Und so liest Edward Seite um Seite, wie Adam 1938 in Nazi-Deutschland diese Anna kennenlernte; wie sie ihm die Erfüllung seiner Träume schien; wie sie in der Reichskristallnacht spurlos verschwand – und wie weit Adam ging, um sie zu suchen. Eine bewegende Geschichte, welche die Vergangenheit und die Gegenwart verbindet.
104 Seiten
400 Seiten
CHF 25.90
CHF 37.90
Insel
Diogenes
ISBN 978-3-458-17495-0
ISBN 978-3-257-06772-9
30 30– –books books– –März März2011 2011
Orell Füssli
Neue Welt der schönen Bücher Orell Füssli Krauthammer ist umgezogen – vom Niederdorf ins vergrösserte Hauptgeschäft an der Bahnhofstrasse. Liebhaber schöner Bücher kommen hier voll auf ihre Rechnung. Der Buchtipp von Andrea Kempter: «René Burri. Brasilia». «Dieses Buch empfehle ich aus vielen Gründen. Ich interessiere mich für Fotografie und habe eine hohe Affinität zur Architektur, weil zwei meiner Brüder und meine Schwägerin Architekten sind. Und mir gefällt das Projekt: René Burri hat die Entstehung und das Alltagsleben von Brasilia über 30 Jahre lang dokumentiert. Auf diese Weise ist ein einmaliges Porträt einer aus dem Boden gestampften Stadt entstanden.» René Burri. Brasilia Arthur Rüegg (Hrsg.) 256 Seiten CHF 102.00 Scheidegger & Spiess
Die Unvollendeten
Nicht nur für Kinder hat Orell Füssli in der Filiale Kramhof heftig gebaut, sondern auch für alle Erwachsenen, die Bücher zu den Themen Architektur, Kunst, Fotografie, Design und Mode lieben. Entstanden ist ein rund 300 Quadratmeter grosser Loft für die Kunstbuchhandlung, die weiterhin unter dem bewährten Namen Orell Füssli Krauthammer geführt wird. Andrea Kempter leitet die neu gestaltete Abteilung. Dabei kann sie auf eine grosse Erfahrung zurückgreifen: Vor einigen Jahren führte sie bereits ihre eigene Kunstbuchhandlung in Zürich. «Das ist schon eine verrückte Geschichte», meint sie.
«Diese Abteilung ist jetzt sogar grösser als der Laden, den ich einst führte.» Die schönen Bücher werden im Licht ebenso schöner Leuchten präsentiert, und Design-Klassiker laden dazu ein, sich mit einem Buch in eine ruhige Ecke zu setzen. Die hintere Wand des Lofts bleibt frei für wechselnde Ausstellungen. Andrea Kempter über die erste Nutzung: «Das Magazin ‹Du› feiert seinen 70. Geburtstag mit einer Jubiläumsnummer über den Magnum-Fotografen René Burri – deshalb haben wir die Abteilung mit einer Vernissage unserer René-Burri-Ausstellung eröffnet.»
Milena Moser und Sibylle Aeberli sprühen beide vor Ideen und Witz. Die Schriftstellerin und die Sängerin der Band «Schtärneföifi» brüteten schon lange darüber, einmal gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. «Ich spiele mich selbst – und Frau Aeberli spielt alle anderen ...», lässt Milena Moser über ihr gemeinsames Stück wissen. Jetzt touren sie mit ihrem Programm «Die Unvollendeten» durch die Schweizer Theater. Orell Füssli unterstützt das Projekt. Die Premiere findet am 8. April 2011 im Tabourettli in Basel statt.
Neue Filiale in Winterthur Einen haben wir noch: Last but not least können wir berichten, dass auch Winterthur eine neue Orell-Füssli-Filiale erhält. Mitte April gibt es das umfassende Sortiment, die kompetente Beratung und die gemütlichen Ecken zum Schmökern auch im Einkaufszentrum Rosenberg in Winterthur.
Alle Beiträge von Benjamin Gygax books – März 2011 – 31
Zeitreise
In Frauenschuhen durch die Jahrtausende Auch wenn sich die Geschichtswissenschaft seit vielen Jahrzehnten ebenso um die kleinen Leute bemüht wie um Könige oder Gelehrte – historische Quellen berichten weiterhin meistens von grossen Männern und ihren Taten. Die Fiktion in historischen Romanen kann diese einseitige Sicht auf die Vergangenheit ergänzen. Vielleicht schreiben in diesem Genre deshalb so oft Frauen über Frauen? Text: Benjamin Gygax
Nicht umsonst sind die meisten historischen Romane im späten Mittelalter oder danach angesiedelt: Schrift- und Bildquellen sind ab dieser Zeit reichlich vorhanden und vermitteln ein anschauliches Bild der Zeit. Dank ihnen können Schreibende ihrer Geschichte Leben einhauchen und Authentizität verleihen. Kann es aber auch gelingen, eine Geschichte aus der Steinzeit vor 30’000 Jahren zu schildern? Jean M. Auels Leserinnen und Leser sind offensichtlich der Meinung, dass das geht. Die Autorin schliesst mit dem sechsten Roman «Ayla und das Lied der Höhlen» ihren Zyklus «Die Kinder der Erde» ab: Vor vielen Jahren wurde das Cro-Magnon-Mädchen Ayla vom Neandertalerclan des Bären verstossen und begann ihre Reise durch Europa am Ende der Eiszeit. Im sechsten Band ist sie mit ihrem Gefährten Jondalar bei seinem Stamm, den Zelandonii der Neunten Höhle, heimisch geworden und hat ein Baby. Obwohl Ayla als junge Mutter mehr als genug zu tun hat, nimmt sie das grosszügige Angebot der Heilerin und spirituellen Anführerin der Neunten Höhle an und wird ihre Gehilfin. Voll Eifer stürzt sich Ayla in die jahrelange Ausbildung und unternimmt die dazugehörenden Reisen. Doch die doppelte Belastung zehrt an der Beziehung zu Jondalar, der sich vernachlässigt fühlt. Wie uns Jean M. Auel in die Eiszeit versetzt, ist verblüffend. Zwar wirken die zwischenmenschlichen Aspekte des steinzeitlichen Lebens bisweilen etwas modern, doch die Gesellschaft, das Weltbild und der Alltag der Zelandonii sind kenntnisreich und überzeugend beschrieben. Sehr sorgfältig recherchiert hat auch die britische Historikerin Philippa Gregory. Die 32 – books – März 2011
Autorin wurde im englischsprachigen Raum schon als Königin des historischen Romans bezeichnet – und das zu Recht. Mit grossem Erfolg verfasste sie bereits zahlreiche Romane, aber auch Kinderbücher, Reiseberichte und Drehbücher. Mit «Die Königin der weissen Rose» eröffnet die Erfolgsautorin eine Trilogie über die Zeit der Rosenkriege. Der Name steht für einen erbitterten Thronfolgekrieg, der England in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erschütterte. In zahlreichen Schlachten erkämpfte sich das Geschlecht der Yorks – sie führten eine weisse Rose im Wappen – die Krone des herrschenden Königs Heinrich VI. aus dem Hause Lancaster mit der roten Rose im Wappen. Gregory hält sich in ihrer Schilderung eng an historisch belegte Fakten und Personen, dennoch zeichnet sie ein dramatisches und lebendiges Bild – gesehen mit den Augen der Königin der weissen Rose, Elisabeth Woodville. Die verwitwete und verarmte Landadlige stellt sich Edward IV. in den Weg, um vom frisch gekrönten Yorkisten-König ihre verlorenen Güter zurückzuerbitten. Aus dieser Begegnung entflammt eine heftige Liebe, die weder in Elisabeths Familie noch am Hof gern gesehen wird. Doch der König setzt sich gegen seine Familie und Berater durch und heiratet die junge Witwe heimlich. Der Traum vom Thron verwandelt sich schnell in einen Albtraum unablässiger Schlachten, Intrigen und Frontwechsel. Mit sicherer Hand verbindet die Autorin die Linien der Ereignisse mit überzeugenden Personenbeschreibungen. En passant vermittelt uns Gregory viel über das Leben und Sterben im späten Mittelalter und über das politische Denken jener Zeit: Familien bilden die Machtbasis, Hochzeiten be-
siegeln Koalitionen, Lehen sichern die Treue. Wüsste man nicht, wie hart das Leben der einfachen Leute vor 500 Jahren war, man hätte Mitleid mit dieser politischen Elite! Rund 100 Jahre später hatte sich in Europa viel verändert: Reformatoren beendeten das Monopol der katholischen Kirche, die Entdeckung Amerikas, die Renaissance und der Humanismus öffneten neue Horizonte, und die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg schuf das erste Massenmedium, mit dem sich neue Erkenntnisse schneller verbreiteten. Aus diesen Gründen identifiziert die Geschichtswissenschaft in diesem ereignisreichen Jahrhundert den Beginn der Neuzeit. Allerdings blieb auch vieles beim Alten: Auch nach 1600 blieben Schwangerschaft und Niederkunft lebensbedrohend, und die Geburt eines unehelichen Kindes bedeutete den gesellschaftlichen Tod. Von diesen Themen handelt «Das Labyrinth der Engel», der Erstling von Hannah Brebeck. Sie erzählt die Geschichte der königlichen Leibhebamme Louise Bourgeois. Diese hilft Oberhebamme Estienette Rimbault aus dem Pariser Spital Hôtel-Dieu, als dort das Buch mit den Namen aller eintretenden Schwangeren gestohlen wird. Schnell hegen die Frauen den Verdacht, dass der Diebstahl die Niederkunft einer ledigen Mutter aus dem Adel vertuschen soll. Im Zuge der Nachforschungen werden die mysteriösen Vorgänge immer bedrohlicher: Seltsame Geräusche dringen nachts aus der Apotheke, in der Kerzenzieherei macht man eine furchtbare Entdeckung, und eine dunkle Gestalt besteigt den Turm der Ungeborenen. Als auch noch die Leiche eines Augustinerbruders gefunden wird, ist dies erst der Beginn des Schreckens. Hannah Brebecks spannende Geschichte ist zwar erfunden, die Autorin stützt sich aber auf ihr langjähriges Quellenstudium und die reale Person der Louise Bourgeois. Diese Hebamme verfasste ein frauenheilkundliches und geburtshilfliches Werk, das 1619 auch auf Deutsch erschien und lange Zeit als Standardwerk galt. Weiter geht’s von Paris nach Hamburg: Der Hafen hat die Stadt wohlhabend gemacht. Doch noch Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der Hansestadt Armut, Epidemien und Hunger. Auch die junge Greta ist nicht mit dem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen. Ihr Vater ertrinkt, ihre Mutter liegt mit Tuberkulose im Bett, und Greta schlägt
Zeitreise
sich als Küchenhilfe ihrer Tante durch, die im Dienst von Hamburgs feiner Gesellschaft kocht. Schon bald zeigt sich aber, dass die ebenso feingliedrige wie zähe Greta eine begnadete Köchin ist. Schafft sie es gemeinsam mit ihrer Tante und dem jungen Fuhrunternehmer Siggo, sich mit ihrem Talent aus der Misere zu befreien und ihr dunkles Geheimnis zu überwinden? Der Leserin und dem Leser wird auf jeden Fall schon nach wenigen Seiten klar: Auch in diesem Jahrhundert tragen ledige Mütter immer noch ein vernichtendes Stigma. Die Journalistin Brigitte Janson verbindet in ihrem ersten historischen Roman «Die Tortenbäckerin» ein scharf gezeichnetes Sittengemälde der Hansestadt um 1895 mit einer zartbitteren Liebesgeschichte. Und noch eine Zutat gibt es in ihrem Gericht: Janson präsentiert uns einige Originalrezepte der alten gutbürgerlichen Hamburger Küche. Sie sind im Anhang des Buches zum Nachkochen aufgeführt. Die Hamburger Krabbensuppe klingt zum Beispiel so verführerisch wie die Beschreibung der Titelheldin. Bisweilen ist die Geschichte so süss wie Gretas Sahnetorten, doch süffig geschriebene und unterhaltsame Lektüre ist «Die Tortenbäckerin» alleweil. Das letzte Buch, das wir hier vorstellen, ist kein historischer Roman im eigentlichen Sinn. Der Hauptstrang der Handlung spielt in der Gegenwart, doch Autorin Jennifer Donnelly verbindet ihn geschickt mit den Erlebnissen einer jungen Frau in Paris während der Französischen Revolution. «Das Blut der Lilie» verspricht grosses Lesevergnügen – wenn man den schneidenden Sarkasmus und Lebensverdruss eines psychisch angeschlagenen Teenagers erträgt. Das nämlich ist die Protagonistin des Romans: Nachdem Andis kleiner Bruder mit zehn Jahren durch Gewalt ums Leben kommt, fällt ihre Familie ausein-
ander – und die 17-jährige Andi gibt sich die Schuld. Sie versinkt in tiefe Depression und hält sich mit Pillen und ihrer Musik knapp über Wasser. Als ihr Vater befürchten muss, dass seine Tochter auch noch die Abschlussarbeit ihrer teuren Privatschule schmeisst, zwingt er sie zu einem gemeinsamen Aufenthalt in Paris. Dort soll sie sich auf ihre Abschlussarbeit konzentrieren und etwas Abstand zu ihrem Trauma gewinnen. Stattdessen versinkt sie immer tiefer im Schicksal des Kronprinzen Louis Charles, der während der Französischen Revolution im Alter von zehn Jahren allein in einem Verlies starb. Sie findet nämlich das Tagebuch der Betreuerin von Louis Charles, eines Mädchens einfacher Herkunft, das verzweifelt um das Leben ihres Schützlings kämpfte. Mehr sei über die Geschichte nicht verraten. Um sie in Gang zu bringen, strapaziert Donnelly den Zufall bisweilen etwas stark, dafür bietet sie viel: Wortwitz und Sarkasmus, zahlreiche Bezüge zur Musik, eine schöne Liebesgeschichte und einen spannenden Einblick in die Ereignisse während der grossen Revolution von 1789 bis 1795.
Ayla und das Lied der Höhlen Jean M. Auel 1168 Seiten CHF 43.90 Heyne
Die Königin der weissen Rose Philippa Gregory 560 Seiten CHF 16.90 rororo
Das Labyrinth der Engel Hannah Brebeck 288 Seiten CHF 26.90 Pendo
Weitere lesenswerte Neuerscheinungen Die Medici-Chroniken Rainer M. Schröder 650 Seiten CHF 33.90 Arena
Ein Roman über Verschwörungen, Intrigen und Affären, in dem Fakten und Fiktion zu einem packenden Drama verwoben sind: Als der bettelarme Sandro in den Dienst der mächtigen florentinischen Medici-Familie eintritt und auch noch die wunderschöne Tessa trifft, scheint sein Glück perfekt. Doch dann verschwindet die Frau, und eine Verschwörung gegen die Medici braut sich zusammen. Die Pforten der Ewigkeit Richard Dübell 864 Seiten CHF 33.90 Lübbe
Als Kaiser Friedrich II. 1250 stirbt, fehlt der Nachfolger, und das Reich ist in Aufruhr. Kreuzritter und Nonnen begegnen einander und bauen bei Bamberg ein prächtiges neues Kloster, das die Gemeinschaft unter den Schutz des neuen Kaisers stellen und die Pforten der Ewigkeit öffnen soll. Ein Mittelalterroman über den Klosterbau, eine mutige junge Nonne und die Liebe im Angesicht des Jüngsten Gerichts. Der König und die Totenleserin Ariana Franklin 432 Seiten CHF 33.90 Droemer Knaur
CSI im 12. Jahrhundert: Die Waliser glauben noch immer an die Rückkehr ihres Nationalhelden König Artus und dessen Frau, deshalb lehnen sie sich gegen Heinrich II. auf. Als im Kloster Glastonbury zwei Skelette entdeckt werden, soll die Totenleserin Adelia klären, ob es sich um die sterblichen Überreste des sagenumwobenen Königs handelt. Gleichzeitig darf kein schiefes Licht aufs Kloster fallen. Der Fall ist grausamer als gedacht – und für Adelia lebensgefährlich.
Die Tortenbäckerin Brigitte Janson 400 Seiten CHF 15.90 Ullstein
Das Blut der Lilie Jennifer Donnelly 484 Seiten CHF 31.90 Pendo
books – März 2011 – 33
Buchtipps
Jamie unterwegs Jamie Oliver Der Meister der Genüsse lädt in seinem neuesten Kochbuch zu einer kulinarischen Entdeckungsreise durch sechs beliebte Urlaubsländer ein: Italien, Spanien, Griechenland, Frankreich, Marokko und Schweden. Rund 100 authentische Rezepte wecken nicht nur die Lust aufs Kochen, sondern auch aufs Reisen. Stimmungsvolle Reisebilder und persönliche Reiseeindrücke versetzen in Urlaubsstimmung und vermitteln dabei ein authentisches Bild von Land, Leuten und der länderspezifischen Esskultur. Alle Gerichte sind stets so variiert, dass sie garantiert einfach in der eigenen Küche nachzukochen sind. Wem Jamies Erfolgstitel «Genial italienisch» gefallen hat, der wird «Jamie unterwegs» lieben!
Knoblauch – eine Liebeserklärung Erica Bänziger Rekordverdächtig, was die aromatischen Zehen alles zu bieten haben! Knoblauch ist eine der ältesten Kultur- und Heilpflanzen. Er schützt nachweislich vor Viren, Bakterien und Pilzen, stärkt das Herz und macht geistig fit. Der hohe Gehalt an sekundären Substanzen lässt ihn zudem extrem antioxidativ wirken – Knoblauch gehört daher zu den natürlichen Anti-Aging-Mitteln. Erica Bänziger liebt die tolle Knolle seit eh. In ihrem neuen Buch stellt sie ihre 60 Lieblingsrezepte aus den Weltküchen, beliebte Klassiker und eigene Kreationen vor. Liebhaber werden neue Seiten am Knoblauch entdecken, Skeptiker werden sich vielleicht über die informative Warenkunde mit ihm anfreunden.
359 Seiten
128 Seiten
TOP-PREIS: CHF 34.90
CHF 29.90
Dorling Kindersley
Fona
ISBN 978-3-8310-1845-1
ISBN 978-3-03780-443-8
Das innere Auge
All die verschwundenen Dinge
Oliver Sacks Der berühmte Neurologe zeigt den Zusammenhang von visueller Wahrnehmung und Bewusstsein in neuen, packenden Fallgeschichten auf. Er erzählt von der gefeierten Pianistin, welche die Fähigkeit des Notenlesens verlor, aber trotzdem Konzerte geben konnte. Oder von der schielenden Neurobiologin, die mit 50 Jahren zum ersten Mal perspektivisch sehen konnte. Besondere Aufmerksamkeit zieht das Buch auf sich, weil Sacks darin berichtet, wie er Ende 2005 an einem bösartigen Tumor im Auge erkrankte. Er beschreibt nicht nur seine Erfahrung, mit Krebs zu leben und die visuellen Fähigkeiten zu verlieren, sondern auch von überraschenden Phänomenen und der veränderten Farbwahrnehmung.
Lukas Hartmann, mit Bildern von Tatjana Hauptmann Dauernd verliert Karl seine Sachen: den kleinen Plastiksaurier, einen Torhüterhandschuh, die neue Schirmmütze. Seine Eltern meinen, er müsse besser auf die Sachen aufpassen – aber das hilft Karl nicht weiter. Als er im Park auch noch seinen besten Freund verliert, die Handpuppe Kasper, geht Karl auf Expedition. Er will endlich den Ort finden, wo all die verschwundenen Dinge hingehen. In einer Vollmondnacht bringt ihn sein Hündchen Timo auf die richtige Spur. Und die führt nicht zum Fundbüro ... Eine abenteuerliche Geschichte über das Suchen und Finden. Zum Vorlesen für Kinder ab 6 Jahren oder zum Selberlesen ab 8 Jahren. Erscheint am 22. März 2011.
288 Seiten
96 Seiten
TOP-PREIS: CHF 29.90
CHF 23.90
Rowohlt
Diogenes
ISBN 978-3-498-06408-2
ISBN 978-3-257-01151-7
34 – books – März 2011
Buchtipps
2013: Botschaft für die Gegenwart Brian D’Amato Die alten Maya berechneten die grossen Katastrophen der Menschheit genau voraus. Die grösste Katastrophe von allen – der Tag, an dem alles endet – datierten sie auf den 21. Dezember 2012. Jed DeLanda, ein moderner Nachkomme der Maya, hat mit den technischen Hilfsmitteln der Gegenwart eine Zeitreise ins 7. Jahrhundert unternommen. Er will bei den alten Maya herausfinden, was an jenem schicksalhaften Tag geschehen soll. Im Körper eines Maya-Kriegers versucht er, eine Botschaft dorthin zu bringen, wo sein modernes Ich danach suchen wird. Doch dieses moderne Ich sieht seine Bestimmung gar nicht mehr darin, die Welt zu retten, sondern sie ihrem Ende zuzuführen.
Die Pforte von Nebadon Roger Kappeler Sam ist eigentlich bloss auf der Suche nach einem neuen Job. Aber ehe er sich versieht, landet er auf mysteriöse Art und Weise im Reich Nebadon, das tief in Inneren der Erde verborgen liegt. Dort erfährt er, dass er einen geheimnisvollen Auftrag hat: zusammen mit Miranda-Panda den atlantischen Kristall zu ... ach, man kann es gar nicht beschreiben, diese Geschichte ist einfach zu unglaublich. Sie ist so unglaublich, dass es eigentlich keine Worte dafür gibt. Nun ja, einige gibt es doch, und die finden sich zwischen den beiden Buchdeckeln. Aufklappen, zurücklehnen, lesen – und aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
992 Seiten
94 Seiten
CHF 29.90
CHF 14.90
Lübbe
Wagner
ISBN 978-3-7857-6045-1
ISBN 978-3-86683-525-2
Zürich – Magic Happens
Jessy und Jim
Roger Kappeler
Arthur Brühlmeier
Anna, die Schwester von Joe, kommt bei einem Autounfall ums Leben. Seither geschehen in Joes Leben merkwürdige Dinge – er hat auf einmal ein völlig neues Bewusstsein. In seinen mysteriösen Visionen reist er zusammen mit der nicht irdischen Lichtgestalt Sram durch unendliche strahlende Sphären ausserhalb von Raum und Zeit. Auf diesen Ausflügen erfährt er, dass noch unzählige Versionen von Zürich in anderen Dimensionen existieren ...
Jessy erwacht – drüben, im Jenseits. Nun muss sie sich in der neuen Welt zurechtfinden: schweben lernen, ohne Uhren auskommen, Unarten ablegen. Bald begegnet ihr Jim, und die Liebe zwischen den beiden erwacht. Doch der Weg zum grossen Liebesblitz ist lang, voller Überraschungen, Prüfungen und Gefahren. Eifersucht, Streitlust und Luzis Geschwätz stiften immer wieder Verwirrung, und erschütternd ist auch der Gang in die düsteren Täler der verirrten Seelen. Glücklicherweise lässt der Autor immer wieder den Schalk aufblitzen – und würzt das Ernste und Tiefgründige mit Leichtigkeit und Humor. «Jessy und Jim» ist ein zu Herzen gehendes Buch voller Weisheit für Jung und Alt.
145 Seiten
477 Seiten
CHF 16.90
CHF 36.90
Wagner
Govinda
ISBN 978-3-86683-690-7
ISBN 978-3-905831-06-1
books – März 2011 – 35
Fantastisch!
Eine junge Mitarbeiterin von Orell Füssli präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen. Aufzeichnung: Marius Leutenegger
«Für das erste Buch, das ich vorstelle, habe ich mich kurzfristig entschieden: ‚Die Auswahl’ von Ally Condie. Ich wollte einfach einmal ein paar Seiten davon lesen – dann aber hat es mich regelrecht in seinen Bann geschlagen. Die Geschichte spielt in der Zukunft; alle Menschen sind einer vollständigen Kontrolle unterworfen. Regiert wird das System von der ‹Gesellschaft› – sie ist vergleichbar mit der Partei in einem kommunistischen Staat. Hauptfigur ist die 17-jährige Cassia. Wir begleiten sie zu Beginn des Buchs zu ihrer ‹Paarungszeremonie›; bei diesem Fest wird einem jener Mensch zugeteilt, den man mit 21 Jahren heiraten soll. Cassia bekommt Xander zugesprochen und ist froh darüber, denn er ist bereits ein guter Freund. Am Ende 36 – books – März 2011
der Zeremonie erhält sie einen Chip mit allen wichtigen Daten über ihren Zukünftigen. Als sie diese Daten am Abend anschauen will, erscheint zwar zuerst das Bild von Xander, es wird dann aber sofort vom Porträt eines anderen Jungen überlagert. Am nächsten Tag spricht eine Funktionärin Cassia auf den fehlerhaften Mikrochip an und fragt sie, ob sie den zweiten Jungen erkannt habe. Cassia muss das bejahen: Das zweite Bild zeigte Ky, einen von der Gesellschaft ausgestossenen Aussenseiter, der in ihrer Siedlung wohnt. Cassias Interesse für Ky wächst, und die beiden treffen einander von nun an häufiger. Sie gehen oft miteinander im Wald spazieren und allmählich keimt eine Liebe zwischen ihnen auf. Der Gesellschaft bleibt das nicht verborgen, und weil diese ungeplante Liebe das System infrage stellt, droht die Gesellschaft, Ky in die äusserste Provinz zu schicken. Auch Xander kommt langsam dahinter, dass Cassia Gefühle für einen anderen entwickelt hat, und reagiert sehr eifersüchtig. Es kommt, wie es kommen muss: Ky und Cassia küssen ein-
ander – und werden dabei von der Funktionärin erwischt ... Der Plot der Geschichte erscheint ziemlich simpel. Faszinierend an diesem Buch ist aber die Beschreibung des Systems. Alles ist durchorganisiert: Es gibt nur 100 Filme, 100 Lieder und 100 Bücher, aus denen die Menschen wählen können, denn die Gesellschaft ist der Meinung, dass zu viel Wissen schadet. Die meisten Regelungen folgen einer kaum zu bestreitenden Logik: Die Paare werden optimal zusammengestellt – und müssen immer genau zwei Kinder haben, damit die Anzahl Menschen gleich bleibt. Alle sterben am 80. Geburtstag, weil dann die besten Jahre vorbei seien. Das Essen ist exakt auf jedes Individuum abgestimmt, der gesamte Tagesablauf ist durchstrukturiert. Die Gesellschaft hat auch berücksichtigt, dass die Menschen feiern wollen – deshalb gibt es eine Reihe klar definierter Zeremonien. Ky und Cassia wissen, dass alle diese Regelungen einen Sinn haben, aber sie fragen sich mit der Zeit immer stärker, ob ein Leben mit mehr Freiheiten
Fantastisch! mane das Zeug zum internationalen Bestseller und erscheint gleichzeitig in 25 Sprachen.
Katharina Iten Katharina Iten, 23, lebt in Dübendorf. FantasyBücher liebt sie, weil «die Geschichten in einer anderen Welt spielen, aber meistens sehr realistisch klingen – und weil sie fast immer ein Happy End haben». Meistens arbeitet sie am Kundendienst bei Orell Füssli Kramhof an der Zürcher Bahnhofstrasse – ab sofort können sich Fantasy-Fans von ihr aber jeden Mittwoch und Freitag in der Fantasy-Abteilung im Erdgeschoss beraten lassen.
nicht doch schöner wäre. Ganz allmählich beginnen sie, sich gegen die Logik der Gesellschaft aufzulehnen. Man kann die Argumente, mit denen die Gesellschaft ihre Regeln vertritt, durchaus nachvollziehen – denn die Regeln sorgen für ein absolut sicheres Leben. Man versteht aber auch Ky und Cassia, die diese Regeln brechen wollen. Der Zwiespalt regt zum Denken über unsere eigene Gesellschaft, über unseren Umgang mit Regeln und Freiheiten an. Ky und Cassia müssen ihre Auflehnung am Ende des Buchs jedenfalls teuer bezahlen. Allerdings ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende, denn ‹Die Auswahl› ist der erste Teil einer Trilogie. Ich freue mich schon auf die nächsten beiden Bände, denn der Auftakt hat mir unheimlich gut gefallen. Das Buch erzählt eine wundervolle Liebesgeschichte und ist sehr schön geschrieben. Autorin Ally Condie ist von der gleichen Lektorin entdeckt worden, die auch schon auf das ‹Bis(s)›-Manuskript von Stephenie Meyer aufmerksam wurde. ‹Die Auswahl› hat wie die ‹Bis(s)›-Ro-
Bereits durchgesetzt als Autorin hat sich Holly Black; die US-Amerikanerin kann auf eine riesige Fangemeinde zählen, zu ihren bekanntesten Werken zählen die Spiderwick-Chroniken und der Roman ‹Elfentochter›. Hauptfigur ihres neuen Buchs ‹Weisser Fluch› ist Cassel Sharpe. Wir befinden uns in der Gegenwart. Magie ist verboten, es gibt aber noch ein paar randständige Fluchmagier – zum Beispiel die Brüder von Cassel: Philip kann durch Berührung Knochen brechen, Barron das Glück manipulieren. Cassel dagegen hat keine magischen Kräfte, als Einziger seiner Familie. Er geht in einem Internat zur Schule, und weil er sich für einen genialen Trickbetrüger hält, baut er dort ein illegales Wettbüro auf. Leider geht eine Wette schief, und er schuldet seinen Gläubigern viel Geld. Er hat aber keinen Cent, und deshalb verfällt er auf die Idee, ein Diamantenamulett zu stehlen – ausgerechnet jenes des berüchtigten Mafia-Bosses Zacharow, für den auch seine Brüder und sein Grossvater arbeiten. Um ans Amulett zu gelangen, entführt Cassel die Tochter von Zacharow. Erst findet er die junge Dame blöd, dann entwickelt sich aber eine Liebesgeschichte zwischen den beiden. Schliesslich findet Cassel auch noch heraus, dass er doch nicht so unmagisch ist, wie er dachte. Es kommt zum grossen Showdown. Auf dem Umschlag des Buchs steht zwar die Bezeichnung ‹Thriller›, aber das ist meines Erachtens nicht sehr passend. Es gibt in ‹Weisser Fluch›, dem ersten Teil einer Trilogie, zwar viel Action, die Erzählung ist gelegentlich düster und wirklich spannend, aber ich fand viele Stellen auch sehr humorvoll – Cassel überschätzt sich zum Beispiel ständig und erlebt deshalb ein Desaster nach dem anderen. Nein, ein Thriller ist das nicht. Aber ein aussergewöhnliches Fantasy-Buch, welches das Genre um ein paar neue Elemente bereichert und das rasant geschrieben ist. Nach diesen beiden Neuerscheinungen verweise ich gern noch auf zwei Bücher, die schon etwas länger auf dem Markt sind. ‹Die Heilerin› von Janice Hardy ist schlicht und einfach super. Es spielt in der Welt Geveg. Nya und ihre Schwester Tali sind Waisen. Sie müssen sich vor den obersten Heilern verstecken, weil Nya ein einmaliges Talent hat: Sie kann jemandem die Schmerzen nehmen und
diese an andere Menschen weitergeben. Tali wird entführt, Nya startet eine Rettungsaktion. Auch dieses Buch ist der Start zu einer Trilogie. Es ist sehr gut geschrieben, spannend, tempogeladen, packend von der ersten Seite an. Die fiktive Welt ist, ähnlich wie bei ‹Herr der Ringe›, ungeheuer plastisch dargestellt, man kann so richtig in sie eintauchen. Es gibt mehrere Handlungsbögen, eine schöne Liebesgeschichte, eine Rebellion – das ist wirklich ein sehr üppiges Buch. Zuletzt noch ein Vampirroman: ‹Eternity› von Meg Cabot. Die Drehbuchautorin Meena Harper sieht den Todeszeitpunkt und die Todesart jedes Menschen, den sie berührt. Eine unangenehme Gabe! Eines Abends rempelt sie einen Fremden an und sieht – nichts! Es stellt sich heraus, dass er ein Prinz ist, Lucien. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung. Nach einigen Tagen stürmt ein gutaussehender Fremder in Meenas Wohnung. Er gibt sich als Vampirjäger aus und verlangt von ihr, Lucien auszuliefern – der sei eben ein Untoter. Meena weigert sich, die Existenz von Vampiren anzuerkennen, und stellt Lucien zur Rede. Er erklärt ihr, er sei in die USA gekommen, um wieder Recht und Ordnung in die Vampirgesellschaft zu bringen. Und er bekennt: ‹Ich bin der Sohn von Graf Dracula› ... Das Buch ist romantisch bis zum Abwinken. Ich empfehle es all jenen Leserinnen, die sich einen gemütlichen Samstag machen und sich mit einer heissen Schokolade lesend aufs Sofa zurückziehen möchten!»
Die Auswahl Ally Condie 512 Seiten CHF 28.90 Fischer
Weisser Fluch Holly Black 512 Seiten CHF 28.90 Bertelsmann
Die Heilerin Janice Hardy 288 Seiten CHF 19.90 Lübbe
Eternity Meg Cabot 512 Seiten CHF 25.90 Blanvalet
books – März 2011 – 37
Fantastisch! Junge Mitarbeitende von Orell Füssli geben weitere Tipps:
Tim Lenny George, 16, pendelt täglich von Bern nach Zürich, wo er in der Filiale Kramhof von Orell Füssli das erste Jahr seiner Buchhändler-Lehre absolviert. An Fantasy-Romanen liebt er, dass «sie mich in eine andere Welt eintauchen lassen, aber trotzdem einen Bezug zur Wirklichkeit haben – denn sie vermitteln einem viele Lebensweisheiten». Sein Tipp: «Zwischen Nacht und Dunkel» von Stephen King. «Stephen King, der Meister des Schreckens, meldet sich mit vier brandneuen Novellen zurück. Alle drehen sich ums gleiche Thema: Vergeltung! In ‹1922› ermordet ein Farmer mit Hilfe seines Sohnes seine Ehefrau. Alles scheint bestens, doch dann beginnt ein Albtraum ... In ‹Big Driver› sinnt eine vergewaltigte, vom Täter tot geglaubte Frau auf Rache. In ‹Faire Verlängerung› beschliesst ein krebskranker Mann mit dem Teufel einen Pakt, der von ihm verlangt, jemanden ins Unglück zu stürzen. Und in ‹Eine gute Ehe› wirft ein zufälliger Fund in der Garage ein ganz neues Licht auf den Mann – nach 27 Jahren Ehe … Wer schon mehrere King-Bücher gelesen hat, weiss, dass der Autor solche Geschichten bestens dazu nutzt, menschliche Abgründe zu beschreiben. Man kann an den einzelnen Stories das eine oder andere Detail bemäkeln, insgesamt ist das Buch aber einfach toll!» Zwischen Nacht und Dunkel Stephen King 527 Seiten CHF 31.90 Heyne
Janine Dübendorfer, 17, arbeitet im zweiten Lehrjahr in der Filiale am Bellevue. Sie lebt in Zürich und liest regelmässig Fantasy-Bücher, weil «mir erfundene Welten und Geschöpfe Abwechslung zum Alltag bieten». Ihr Tipp: «Die Flammende» von Kristin Cashore. «Dass sie mit ihrem rotglänzenden Haar alle in ihren Bann zieht, gehört ebenso zur Bestimmung von Fire wie ihre Fähigkeit, das Bewusstsein anderer Menschen zu lenken. Bald lernt Fire, ihre Macht zum Wohl ihres Landes einzusetzen: Sie kann damit Informationen über den bevorstehenden Krieg gewinnen. Als aber die Feinde des Königs von diesem aussergewöhnlichen Mädchen erfahren, wollen sie es um jeden Preis in ihren Besitz kriegen. Kann Prinz Brigan, der auch Fires innere Schönheit erkannt hat, sie beschützen? Wie bereits in ihrem ersten ersten Werk ‹Die Beschenkte› entführt uns Kristin Cashore in eine fremde Welt voller fantastischer Gaben.» Die Flammende Kristin Cashore 509 Seiten CHF 32.90 Carlsen
Amos König, 18, arbeitet im dritten Lehrjahr in der Filiale Kramhof in Zürich. Er lebt in Adliswil. «Meine Mutter ist Buchhändlerin bei Orell Füssli in Luzern und Frauenfeld», erzählt er, «deshalb sind Bücher bei uns daheim ein Dauerthema.» Ihm gefallen an Fantasy-Büchern vor allem die mittelalterliche Atmosphäre und die Tatsache, dass die Autorinnen und Autoren eine ganze Welt nach ihrem Gusto gestalten können. Heute empfiehlt er «Berge des Wahnsinns» von Howard Phillips Lovecraft. «Die Erzählung des Horroraltmeisters handelt von einer geologischen Forschungsexpedition in die Antarktis. Nach sensationellen Funden bricht der Kontakt zum provisorischen Aussenposten ab. Das Rettungsteam macht eine schreckliche Entdeckung; zwei Mitglieder wollen der Sache nachgehen, überfliegen die ‹Berge des Wahnsinns›, finden die Überreste einer uralten, unmenschlichen Zivilisation und stossen auf Geheimnisse, die besser ungelüftet blieben ... Ich habe erst vor kurzem erkannt, dass ich eine Schwäche für das zu Lebzeiten leider erfolglose Horror-Genie Lovecraft habe. Der Autor besticht durch seine klare Sprache, die mit einer ausgefallenen Wortwahl ein wahres Kopfkino entfacht. Man fühlt mit den Figuren mit, spürt ihr Erstaunen, ihre Neugierde, und man ahnt zwischen den Zeilen ihr Grauen. Ich lege das Buch jedem ans Herz, der subtiles Gruseln mag – ‹Berge des Wahnsinns› überzeugt mit einer Atmosphäre und Bildkraft, die in diesem Genre ihresgleichen sucht.» Berge des Wahnsinns Howard Phillips Lovecraft 192 Seiten CHF 12.90 Suhrkamp
38 – books – März 2011
Urknall Der neue Roman von Peter Zeindler »Das raffinierte Spiel mit der Identität ist die Spezialität des Zürcher Schriftstellers Peter Zeindler, dessen zahlreiche Kriminalromane mit Preisen überhäuft wurden.« Schweizer Illustrierte
Peter Zeindler Urknall 320 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag 978-3-7245-1700-9
Jetzt im Buchhandel oder unter www.reinhardt.ch.
Kochbücher
Rezepte, die das Leben schrieb Hinter vielen Gerichten stehen auch Geschichten von Menschen. Wer etwas über die Küche fremder Kulturen erfahren will, befasst sich deshalb am besten auch mit den kochenden und essenden Leuten. Text: Markus Ganz
Menschen aus allen möglichen Ländern und Kulturen sind als Flüchtlinge, «Gastarbeiter» oder Einwanderer in die Schweiz gekommen. Mitgebracht haben sie auch Rezepte von Speisen, die ihr Leben geprägt haben und die ihnen die Heimat in Erinnerung behalten. Jakob Sollberger hat sich für die Geschichten und die Gerichte solcher Zugewanderten interessiert. Für «Vielfalt statt Eintopf – so kocht die multikulturelle Schweiz» hat der Schweizer Autor, der selbst in eine Familie mit deutschen und algerischen Verwandten geboren wurde, 46 Immigrantinnen und Immigranten besucht. Er lässt sie zunächst von sich selbst erzählen, über die Gründe für das Auswandern und ihr Leben fern der Heimat. Dann schaut er ihnen aber in die Kochtöpfe, in denen sie die kulinarischen Traditionen ihrer Heimat weiterpflegen. In den Rezepten widerspiegelt sich auch die Vielfalt der Porträtierten. Neben geheimnisvoll klingenden Gerichten wie Ajlasan, Bandera Dominicana und Incir Tatlisi werden auch Klassiker wie Paella, Baklava und Moussaka vorgestellt, die mittlerweile einen festen Platz im Menuplan vieler Schweizerinnen und Schweizer gefunden haben. Doch die Geschichten der Menschen, die sie erzählen, lassen die bekannten Speisen in einem neuen Licht erscheinen. Eindrücklich sind nicht zuletzt die Porträtfotos, die wie die Bilder der Speisen ebenfalls von Jakob Sollberger stammen. Einen vertieften Einblick in das Leben und das Essen einer türkischen Familie erlaubt
40 – books – März 2011
das Buch «Echt türkisch!». Latife Arslantas und ihre Tochter Hilal haben 80 Rezepte der türkischen Küche in jenen Abwandlungen aufgeschrieben, wie sie in ihrer Familie seit Generationen weitergegeben werden. Mit schön inszenierten Fotos zeigt das Buch, wie Gerichte von Börek über Pilaw mit Huhn bis zu Baklava authentisch zubereitet und serviert werden. Hinzu kommen Geschichten über Land und Leute, die den Gerichten einen aufschlussreichen Hintergrund verleihen.
Sie erzählen aus ihrem Leben – dann aber lassen sie sich in die Kochtöpfe schauen, in denen sie die kulinarischen Traditionen ihrer Heimat weiterpflegen. Dass Mütter unseren Bezug zum Essen prägen, ist eine Binsenwahrheit. In Italien gilt sie allerdings ausgeprägt. Cristina Bottari will dem mit ihrem Kochbuch «Mamma Mia» gerecht werden. Die Autorin präsentiert in 150 Rezepten traditionelle Gerichte aus ganz Italien, wie sie von der Mamma gekocht werden. Sie hat die handgeschriebenen Rezepte allerdings sanft an die leichteren Ernährungsgewohnheiten von heute angepasst. Die Fotos der Gerichte werden mit solchen von italienischen Alltagsszenen und nostalgischen Familienbildern ergänzt. Hinzu kommen Tipps und Tricks, wie sie eben nur eine Mamma kennt. «Mamma Mia» wurde 2010 im Rahmen der Gourmand World Cookbook Awards als «Bestes italienisches Kochbuch weltweit» ausgezeichnet.
Von historischen Staatsmännern sind oft nur die politischen Wegmarken bekannt, obwohl ihr privates Leben auch ihr Handeln erhellen könnte. Mario Süssenguth zeigt in seinem Buch «Essen und trinken wie August der Starke», dass Friedrich August I. von Sachsen (1670–1733) eine schillernde Figur war, die auch leidenschaftlich gern ass und trank. Man erfährt in dieser kulinarischen Biografie nicht nur viel über die Ess- und Trinksitten an seinem Hof, sondern auch, was der gewöhnliche Sachse zu jener Zeit speiste. Der Autor beschreibt zudem auf amüsante Weise die Küche des Barock. Anhand originaler Rezepte können mutige Köche solche Gerichte sogar selbst zubereiten.
Vielfalt statt Eintopf Jakob Sollberger 176 Seiten CHF 39.00 Werd (erscheint im April)
Echt türkisch! Latife und Hilal Arslantas 224 Seiten CHF 39.90 Christian
Mamma Mia Cristina Bottari 288 Seiten CHF 43.90 Dorling Kindersley
Essen und trinken wie August der Starke Mario Süssenguth 224 Seiten CHF 21.90 Eulenspiegel
Kochbücher
Für Sie probiert : Pato marinado – Marinierte Ente (Rezept aus dem links besprochenen Buch «Vielfalt statt Eintopf – so kocht die multikulturelle Schweiz» von Jakob Sollberger)
Für 4 Personen : Zutaten: 1 Ente, Fett weggeschnitten, in Stücke geschnitten 1 Bund Koriander 1 ½ TL Koriander, gemahlen 1 TL schwarzer Pfeffer, gemahlen 1 EL Senf 2 EL Tomatenpüree ½ Knolle Knoblauch, geschält und zerdrückt 1 ½ dl Bier Zubereitung: Sämtliche Gewürze in eine grosse Schüssel geben, das Bier dazugiessen und alles gut mischen. Die Fleischstücke in die entstandene Marinade legen und gut vermischen. 2 Stunden kühl stellen – oder noch besser über Nacht. Die Fleischstücke aus der Marinade nehmen, abtrocknen und die übrig gebliebene Marinade beiseitestellen. In einer Bratpfanne das Fleisch in mehreren Portionen rundherum gut anbraten. Anschliessend in einen Gusseisentopf geben, die Marinade darübergiessen und den Topf gut verschliessen. Er soll nicht mehr geöffnet werden, bis die Ente gar ist. Den Topfinhalt bei grosser Hitze zum Kochen bringen, dann sofort die Hitze reduzieren und alles bei kleinster Hitze 1½ Stunden garen. Dazu passen Reis und Maniok oder Süsskartoffeln.
books – März 2011 – 41
Kaffeepause lektüre. Warum hast du dieses Buch gewählt, Immanuel? IP: Weil viele davon geschwärmt haben – wie auch vom kürzlich erschienenen Roman «2666» von Bolaño. Ich hoffte, mit diesem dünneren Buch einen Zugang zu Bolaños Werk zu finden. Ja, der «Lumpenroman» ist kein Aufsteller, aber er gibt Stimmungen und Gefühle wieder, die ich auch kenne – wenn auch nicht in dieser Dramatik –, und deshalb kann dieses Buch auch einen gewissen Trost spenden. Das Unschöne bleibt ja immer ein Teil unseres Lebens, wir können uns ihm nicht verschliessen.
Die
Debatte Was machen eine Buchhändlerin und ein Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern über Bücher. books hat sich im «Starbucks» der Filiale Bellevue zu den Orell-Füssli-Mitarbeitenden Patrizia Melaugh und Immanuel Peter gesetzt. Aufzeichnung: Marius Leutenegger
books: Die Debatte in neuer Besetzung – diesmal diskutiert Immanuel Peter mit. Lassen wir dir doch gleich den Vortritt, Immanuel: Welches Buch stellst du vor? Immanuel Peter (IP): Den «Lumpenroman» des 2003 verstorbenen chilenischen Autors Roberto Bolaño. Es ist sein letztes Werk, das noch zu seiner Lebzeit erschien; erst jetzt liegt es in deutscher Übersetzung vor. Die Geschichte spielt in Rom. Bianca schaut auf ihre Jugendzeit zurück: Nach dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern lebt sie allein mit ihrem Bruder in einer Wohnung. Die beiden beziehen eine kleine Waisenrente und verdienen ein bisschen Geld mit Nebenjobs. Mit der Zeit verfallen sie in völlige Passivität, vernachlässigen die Schule und gucken fast nur noch fern; offenbar überfordert sie das Leben nach dem Verlust 42 – books – März 2011
der Eltern. Eines Tages bringt der Bruder zwei Freunde heim. Sie wohnen fortan mit den Geschwistern zusammen und planen einen Coup: Sie wollen den Tresor eines alternden Bodybuilders ausplündern. Bianca setzen sie als Lockvogel ein. Sie besucht den Mann regelmässig und stellt dabei fest, dass es vermutlich gar keinen Tresor gibt – in diesem Moment nimmt die Geschichte eine Wende. Patrizia Melaugh (PM): Der Bodybuilder wird als unsympathischer, hässlicher Alter beschrieben. Er ist aber der einzige Mann in der Geschichte, der beim Namen genannt wird. Bianca ist nicht etwa verliebt in ihn, aber man spürt: Hier gibt es einen Ansatz menschlicher Wärme. Bianca und ihr Bruder erleben ihre Umwelt sonst als ausgesprochen rau und kalt. IP: Ja, sie haben keine Perspektiven und sind völlig isoliert. PM: Aber man weiss von Anfang an, dass eine Entwicklung möglich ist. Bolaño lässt Bianca zu Beginn des Buchs sagen: «Jetzt bin ich Mutter und auch eine verheiratete Frau. Vor gar nicht langer Zeit war ich eine Kriminelle.» books: Trotzdem klingt das alles nicht gerade nach einer entspannenden Einschlaf-
books: Wie ist das Buch geschrieben? PM: Mich hat die Knappheit beeindruckt: Auf sehr wenig Raum wird eine krasse Geschichte eindrücklich und glaubwürdig erzählt. IP: Bolaños Sprache ist zugänglich, klar und verständlich. Aber sie ist nicht anspruchslos: Dem Autor gelingen immer wieder schöne, ausdrucksstarke Sätze. Er beschreibt zum Beispiel, wie sich die Kinder nach dem Tod der Eltern fühlten: «Auf einmal gab es keine Nacht mehr, und alles war ein Dauerzustand von Sonne und Licht.» Das erinnert an die Situation in der Einzelhaft, in der es keinen Rhythmus gibt. Man könnte das auch umgekehrt beschreiben, als ewige Nacht, aber interessanterweise spricht Bolaño hier von einem ständigen Geblendetwerden. Das ist sehr gekonnt. books: Wem würdet ihr dieses Buch empfehlen? IP: Es eignet sich für alle Leser, die sich bewusst auf ein schwieriges Thema einlassen wollen. Oder die einen intensiven Nachmittag verbringen möchten – man kann dieses Buch in einem Zug lesen. PM: Ich denke, der «Lumpenroman» ist ideal für Leute, die keine Angst haben vor einem guten Buch. books: Patrizia, du hast «Die hellen Tage» der Deutschen Zsuzsa Bánk mitgebracht. PM: Der Roman erzählt von einer Kindheit und Jugend in einer süddeutschen Kleinstadt. Die Erzählerin ist ein Mädchen. In seiner Nähe beziehen eine Frau und deren kleine Tochter ein Häuschen, fast eine Hütte. Die beiden Zugezogenen sind Flüchtlinge aus Ungarn, Zirkusartisten. Die Mädchen freunden sich miteinander an, später
Kaffeepause Lumpenroman Roberto Bolaño 109 Seiten CHF 23.90 Hanser
Die hellen Tage Zsuzsa Bánk 544 Seiten CHF 33.90 S. Fischer
Streng vertraulich Andrea Camilleri 272 Seiten CHF 29.90 Nagel & Kimche
Patrizia Melaugh: «Von ‚Die hellen Tage‘ sollte man immer nur zwei, drei Seiten am Stück lesen, dann kann man es richtig geniessen.» Immanuel Peter: «Das habe ich ganz anders empfunden – das zeigt wieder einmal, wie individuell das Lesen ist.»
kommt auch ein Bub hinzu, und es entsteht eine lebenslange Freundschaft. Die Erzählerin besucht das Mädchen und deren Mutter oft; diese Besuche stehen im Zentrum des Buchs. Man merkt, dass die Erzählerin von diesen Leuten und ihrer Andersartigkeit fasziniert ist. Auch die Mütter der Kinder freunden sich miteinander an. Und später, als sie erwachsen sind, leben die Kinder eine Zeit lang zusammen in Rom. Das ist eigentlich schon die ganze Handlung. books: Action gibt es also keine ... PM: Es gibt schon einige Wendungen, die ich jetzt aber nicht verraten will. Das Buch ist in kurze Abschnitte gegliedert, die meist nur etwa zwei Seiten lang sind. Sie kommen mir vor wie Erinnerungsblasen, die aus der Tiefe aufsteigen: Erinnerungen an die Kindheit. Und weil in vielen Blasen ähnliche Dinge stecken, wiederholt sich manches. Die Autorin kommt mit einem sehr reduzierten Inventar aus, beschreibt immer wieder die gleichen Dinge und Gegenstände. Mit der Zeit sind mir die vielen Wiederholungen allerdings etwas auf den Wecker gegangen. Dann habe ich das Buch zur Seite gelegt – und kaum nahm ich es ein paar Tage später wieder zur Hand, fand ich
es sehr gut. Von «Die hellen Tage» sollte man immer nur zwei, drei Seiten am Stück lesen, dann kann man es richtig geniessen. IP: Das habe ich ganz anders empfunden – das zeigt wieder einmal, wie individuell das Lesen ist. Ich würde nie sagen, in diesem Buch passiert fast nichts. Es ist eine Entwicklungsgeschichte von der Kindheit über die Jugend bis zum Erwachsenwerden. Sie zeigt uns, welchen Schmerz das Erwachsenwerden mit sich bringt, wie sich Sichtweisen verändern. Es geht uns doch allen so: Wir haben Kindheitserinnerungen an bestimmte Sachen, und wenn wir ihnen dann als Erwachsene gegenüberstehen, müssen wir oft feststellen, dass sie viel kleiner und weniger zauberhaft sind als in der Erinnerung. Mir hat auch die schöne Atmosphäre des Buchs gefallen – das ist ein richtiges Kontrastprogramm zu Bolaño. PM: Zu Beginn empfand ich die beschriebene Idylle als etwas zu idyllisch ... IP: Ich befürchtete auch, die Welt werde etwas gar heil dargestellt. Dann zeigt sich aber, dass alle drei Familien, die in der Geschichte vorkommen, ein schweres Schicksal haben. PM: Ja, allen Kindern fehlt jemand – der Vater oder der Bruder.
books: Also jeweils ein Mann. Sind die Männer die grossen Abwesenden? IP: Ich fragte mich irgendwann tatsächlich: Ist das ein Frauenbuch? Es gibt viele starke Frauenfiguren, und die Männer kommen nicht gut weg. Trotzdem habe ich als Mann das Buch gern gelesen. Die Figuren sind mir nahe gegangen, und ich habe so stark in diesem Buch gelebt, wie das selten möglich ist. PM: Das ist ja, was man immer sucht: Bücher, in denen man leben kann. IP: Ich bin wirklich sehr froh, dass du dieses Buch ausgewählt hast, ich wäre nie von mir aus darauf gekommen, es zu lesen. PM: Du hast es an einem Stück gelesen? IP: Ja, ich blieb intensiv dran. Ich sag ja: Ich habe es ganz anders empfunden als du. Ich fände es schade, nur wenige Seiten am Stück zu lesen. books: Wie schreibt Zsuzsa Bánk? PM: Sie schränkt sich ein, indem sie viel auslässt, sie lässt nicht einfach das Erzählen fliessen. IP: Das habe ich auch wieder ganz anders empfunden. Mir gefällt der Fluss, die Autorin hat einen guten Rhythmus gefunden, ich wurde richtig in den Text hineingezogen. books – März 2011 – 43
www.aufbau-verlag.de Kaffeepause
Die Welt entdeckt
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»Ein literarisches Großereignis.« the new york times Falladas bedeutender Widerstandsroman erobert die internationalen Bestsellerlisten. Jetzt erscheint erstmals die ungekürzte Originalfassung.
44 – books – März 2011
Immanuel Peter, 26, lebt in Zürich und arbeitet in der Abteilung Belletristik der Filiale am Bellevue. Er liest gern ganz unterschiedliche Romane sowie Sachbücher im Bereich Gesundheit und Meditation.
Patrizia Melaugh, 58, lebt in Schaffhausen und arbeitet in der Abteilung Belletristik der Filiale Kramhof. Sie mag vor allem Bücher aus dem englischen Sprachraum. Ihre zwei Kinder sind bereits erwachsen.
books: Kommen wir zum dritten Titel: «Streng vertraulich» des Italieners Andrea Camilleri. PM: Das ist für einmal kein Krimi von Camilleri. Der Roman spielt in Italien zwischen den Weltkriegen. Italien hat grosse politische Interessen in Äthiopien, und 1929 kommt der Neffe des äthiopischen Kaisers ins Land, um hier zu studieren. Die Behörden setzen alles daran, dass sich der Prinz gut behandelt fühlt, denn sie möchten, dass er dem kaiserlichen Onkel in einem Brief von Italien vorschwärmt. Der Prinz nutzt diese Situation schamlos aus. Er leiht sich überall Geld, kauft sich schöne Kleider, bändelt mit verschiedenen Frauen an. Die Behörden sind überfordert und fragen nach, wie sie reagieren sollen. Das ganze Buch besteht nur aus Dialogen, fiktiven Briefen und Zeitungsausschnitten.
Vater, ein Hitlerverehrer, Rassist, Antisemit und Schwulenverächter, empört sich darüber, dass ein «Neger» die gleiche Schule besucht wie sein Sohn. Was der Vater nicht weiss: Sein Sohn ist schwul und verliebt sich ausgerechnet in den Äthiopier. Obwohl die Zeichen mehr als deutlich sind, wird diese Tatsache von nahezu allen ignoriert. PM: Witzig ist auch, dass sich keiner getraut, den Prinzen in die Schranken zu weisen – und wie dieser alle an der Nase herumführt. Er findet immer neue Gründe, den Brief nicht zu schreiben, kassiert aber trotzdem ständig Geld dafür. Es geht lange, bis die Behörden beschliessen, ihn loszuwerden.
books: Diesen Prinzen hat es also nicht gegeben? IP: Doch, es gab einmal einen äthiopischen Prinzen, der in Italien studierte, aber den Rest hat Camilleri erfunden. Er nutzt die reale Ausgangslage für eine Satire auf das faschistische Italien. Ich fand das Buch sehr lustig, oft ist es wirklich skurril. Der Prinz will in Sizilien an der königlichen Bergbauschule studieren, und alle werden aufgefordert, keine abschätzigen Bemerkungen über seine dunkle Haut zu machen. An der Schule studiert auch ein Deutscher. Dessen
books: Ihr sagtet, das ganze Buch bestehe nur aus Dialogen und Briefen. Funktioniert denn diese Form? IP: Ja, sie macht den Text lebendig und vielseitig. Man liest das Buch wirklich gern. Doch, ich bin begeistert, wie Camilleri hier ein heikles Thema behandelt. PM: Das Buch kam in Italien sehr gut an – wohl auch deshalb, weil es viel mit der heutigen Zeit zu tun hat. Über Beamte lacht man ja immer gern. IP: Ich denke, das ist ein Buch für Leser, die gute Unterhaltung suchen, humorvolle Texte mit geschichtlichem Hintergrund schätzen – und sich für eine besondere literarische Form interessieren.
Exit Through the Gift Shop: Limited Edition
The Kids Are All Right
Stichtag Komödie
1
Komödie
2
Komödie
Bollywood Traumpaare 01 3
Bollywood
4
Peter Highman (Robert Downey Jr.) soll in fünf Tagen Vater werden. Da er rechtzeitig bei seiner Frau sein will, nimmt er den nächsten Flug in Atlanta. Doch leider lernt er dabei den geborenen Pechvogel Ethan Tremblay kennen. Prompt werden die beiden aus dem Flugzeug geworfen und für alle Flüge gesperrt – während Peters Gepäck, sein Ausweis und Portemonnaie die Heimreise antreten. Also müssen Peter und Ethan zusammenspannen und per Auto in den Westen fahren. Der Trip wird zur Nervenprobe ...
Nic (Annette Benning) und Jules (Julianne Moore) leben den sonnigen Traum des klassischen Familienglücks im Süden Kaliforniens – abgesehen davon, dass sie zwei Mütter sind und auf einen Vater pfeifen. Anders geht es den beiden Kindern Laser und Joni, die ihren leiblichen Vater suchen und damit ein grosses Chaos auslösen. Denn der Vater ist charmant, cool und Junggeselle. Als er eine Affäre mit Jules beginnt, hängt der Haussegen zwischen den beiden Müttern endgültig schief.
Banksy ist ein Phantom. Obwohl seine Kunst auf unzähligen Fassaden und Mauern auf der ganzen Welt zu sehen ist, weiss niemand, wer hinter dem gefeierten Street-Art-Künstler steckt. Der etwas verrückte französische Dokumentarfilmer Thierry Guetta hat sich vorgenommen, das Geheimnis endlich zu lüften. Es gelingt ihm, Banksy aufzuspüren, doch es kommt alles anders als gedacht. Plötzliche steht Guetta selbst vor der Kamera und startet eine Karriere als Künstler.
Lassen Sie sich verzaubern von den Traumpaaren des BollywoodKinos und ihren schönsten Filmen! Die DVD vereint die Klassiker «In guten wie in schweren Tagen» sowie «Und ganz plötzlich ist es Liebe». Sharukh Khan, Kajol, Rani Mukherjee, Amitabh Bachchan und Jaya Bhaduri singen und tanzen zwischen Liebe und Leid, Herzschmerz und Erfüllung, Drama und Freude. Opulente Bilder und mitreissende Musik inklusive. Ein Muss für alle Fans von grossem Bollywood-Kino!
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EAN 5051890023728
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Blu Ray 5051890023711
3 1 2 4
books – März 20112011 – 45 45 – books – März
DVD 4
2 3
1
7 5 6
46 46– –books books– –November März 2011 2010
8
Le Petit Nicolas – Der kleine Nick Komödie
How About Love – Director’s Cut 1
Schweizerfilm
The Social Network: 2-Disc Collector’s Edition
Goethe! Drama
2
3
Drama
4
Am kleinen Nick kommt kaum jemand vorbei, denn die Buchvorlage ist so zeitlos und wunderschön, dass sie von Generation zu Generation weitergereicht wird. Und jetzt erobert Nick auch den Fernseher! Diesmal hat der kleine Spitzbub einen schrecklichen Verdacht: Seine Eltern wollen ihm ein Brüderchen schenken – doch darauf kann Nick gern verzichten. Deshalb tun er und seine Freunde alles Kindermögliche, um das schreckliche Vorhaben der Eltern zu vereiteln.
Fritz Reinhart ist beseelt von seiner Arbeit als Herzchirurg. Trotzdem lässt er sich von seiner Frau Lena zu einer Urlaubsreise in den Norden Thailands überreden. Dort besuchen sie einen ehemaligen Arztkollegen, der jetzt in einem Flüchtlingslager Erste Hilfe leistet. Tief berührt, entschliesst sich Fritz zu bleiben und zu helfen, während Lena zu den Kindern zurück in die Schweiz fliegt. Als Fritz eine burmesische Flüchtlingsfrau kennenlernt, gerät sein Leben völlig aus den Fugen.
Weil der junge, erfolglose Dichter Goethe sein Jurastudium vernachlässigt, wird er von seinem Vater an das Reichskammergericht eines verschlafenen Städtchens verbannt. Dort verliebt er sich unsterblich in die junge Lotte. Das Glück der beiden scheint perfekt. Allerdings wissen sie nicht davon, dass Lotte längst Johanns Vorgesetztem Kestner versprochen ist. Ein moderner Kostümfilm über das monumentalste aller deutschen Schriftstellermonumente – emotional und schwungvoll inszeniert.
Facebook? Kennt jeder! Wie diese simple und geniale Plattform entstanden ist, dokumentiert dieser Film. Er begnügt sich allerdings nicht mit der alten Geschichte «Vom Tellerwäscher zum Milliardär», sondern schildert auch schonungslos offen die Kehrseiten der Erfolgsmedaille: Streit um das Urheberrecht, Verrat, Betrug und der Verlust von Freundschaften. Die ebenso spannende wie humorvolle Geschichte des jüngsten Milliardärs der Geschichte.
CHF 28.90
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Ab 6 Jahren
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Blu Ray 7619965021987
Blu Ray 5051890022271
Blu Ray 4030521723429
180 Grad
Veronika beschliesst zu sterben
Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen
Das Ende ist mein Anfang
Drama
5
Drama
6
Drama
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Religion
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Eine Grossstadt in der Abenddämmerung: Zwei Teenager flirten am Flussufer; eine Hausfrau freut sich auf den Fernsehabend; zwei Krankenschwestern tratschen während der Nachtschicht; ein Liebespaar küsst sich während der Autofahrt; ein Amokläufer flüchtet vom Tatort. Es braucht nicht viel, um all diese Leben aus der Bahn zu werfen und um 180 Grad zu ändern – eine Unachtsamkeit, Zufall oder einfach nur Schicksal. Nur der Glaube an Liebe verspricht Rettung.
Am Ende seines Lebens angelangt, hat sich der Reisende, Journalist und Buchautor Tiziano Terzani mit seiner Frau in die Toskana zurückgezogen, um zu sterben. Er bittet seinen Sohn Folco zu sich, um ihm sein Leben zu erzählen: von der Jugend in Florenz über die drei Jahrzehnte als Asienkorrespondent bis hin zur Reise zu sich selbst. Besonders die drei Jahre bei einem grossen Weisen im Himalaya erweisen sich als entscheidendes Erlebnis für Terzani.
Veronika ist jung, schön, hat einen gut bezahlten Job und lebt in einem schicken Apartement in New York. Wärme und Gefühl haben in ihrem Leben jedoch keinen Platz. Sie beschliesst, ihrem Dasein ein Ende zu setzen, doch die Überdosis Schlaftabletten bringt sie lediglich in eine psychiatrische Anstalt. Dort erfährt sie, dass sie wegen eines Herzschadens nur noch wenige Tage zu leben hat. Und plötzlich beginnt Veronika zu kämpfen ... Die Verfilmung von Paulo Coelhos Bestsellerroman.
In der Grabeskirche in Jerusalem leben sechs christliche Konfessionen Tür an Tür unter einem Dach. Eine muslimische Familie verwahrt den Schlüssel zur Kirche. Sie öffnet morgens das Haupttor und schliesst es abends wieder zu. So ist es schon seit der osmanischen Zeit. Doch es ist nicht immer ein einträchtiges Zusammenleben: An hohen Feiertagen kommt es manchmal zu absurden Szenen religiöser Leidenschaft, bei denen Prozessionen einander gegenseitig in die Quere kommen und sich Gläubige ineinander verkeilen.
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CHF 29.90
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Ab 12 Jahren
Ab 6 Jahren
Ab 12 Jahren
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EAN 7611719406118
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Blu Ray 4042564127386
books – November 2010 – 47
Veranstaltungen
Veranstaltungen von Orell Füssli Nacht der Frau Kreativität, Genuss und Experimentierfreude Samstag, 12. März 2011, ab 17 h Orell Füssli Frauenfeld, Bahnhofstrasse 70/72, 8500 Frauenfeld
Lesung von Melinda Nadj Abonji: «Tauben fliegen auf» in Zusammenarbeit mit der Kellerbühne St. Gallen Montag, 14. März 2011, 20 h Kellerbühne St. Gallen, St. Georgen-Strasse 3, 9000 St. Gallen
Buchvernissage: «Stirb, schöner Engel» von Stephan Pörtner Moderation: Monika Schärer Mittwoch, 23. März 2011, 20.30 h Orell Füssli am Bellevue, Theaterstrasse 8, 8001 Zürich
Lesung von Martin Betschart: «Ich weiss, wie du tickst» Montag, 28. März 2011, 20 h Rösslitor Bücher, Multergasse 1-3, 9000 St. Gallen
Lesung von Erich Hackl: «Familie Salzmann» in Zusammenarbeit mit der Kellerbühne St. Gallen Montag, 4. April 2011, 20 h Kellerbühne St. Gallen, St. Georgen-Strasse 3, 9000 St. Gallen
Lesung von Martin Betschart: «Ich weiss, wie du tickst» Montag, 4. April 2011, 17 h Orell Füssli Frauenfeld, Bahnhofstrasse 70/72, 8500 Frauenfeld
Gärtnern mit Globi für Kinder ab 4 Jahren Mittwoch, 6. April 2011, 14 - 17 h Orell Füssli Westside, Gilberte-de-Courgenay-Platz 4, 3027 Bern
Buchpräsentation: Die geheimen Gärten von Zürich
Literaturcafé
Donnerstag, 7. April 2011, 18.30 h Orell Füssli Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Zürich
Buchhändlerinnen stellen Neuerscheinungen vor Montag, 9. Mai 2011, 20 h Rösslitor Bücher, Multergasse 1-3, 9000 St. Gallen
Lesung von Martin Betschart: «Ich weiss, wie du tickst»
Zeitreise mit den Gebrüder Grimm
Donnerstag, 7. April 2011, 20 h Orell Füssli Luzern, Frankenstrasse 7-9, 6003 Luzern
und mit Sue Bachmann Mittwoch, 4. Mai 2011, 14 - 17 h Orell Füssli Westside, Gilberte-de-Courgenay-Platz 4, 3027 Bern
Buchvernissage: «Papa steht seinen Mann» von Sven Broder
Märlistunden
Donnerstag, 14. April 2011, 18 h Orell Füssli Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Zürich
Welttag des Buchs: Stand am Bahnhof Stadelhofen Samstag, 23. April 2011, ab 11 Uhr Orell Füssli am Bellevue, Restseller Stadelhofen
Lesung von Catalin Dorian Florescu: «Jacob beschliesst zu lieben»
für Kinder ab 3 Jahren Samstag, 26. März 2011, 11 h Samstag, 30. April 2011, 11 h Samstag, 28. Mai 2011, 11 h Orell Füssli Luzern, Frankenstrasse 7-9, 6003 Luzern Samstag, 26. März 2011, 10.30 h Samstag, 30. April 2011, 10.30 h Samstag, 28. Mai 2011, 10.30 h Orell Füssli Frauenfeld, Bahnhofstrasse 70/72, 8500 Frauenfeld
Moderation: Urs Heinz Aerni Mittwoch, 20. April 2011, 20.30 h Orell Füssli am Bellevue, Theaterstrasse 8, 8001 Zürich
Samstag, 2. April 2011, 14 h Samstag, 7. Mai 2011, 14 h Orell Füssli Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Zürich
Papa Moll ist zu Besuch
An hour full of stories, fun and activities. Samstag, 2. April 2011, 10 h Samstag, 7. Mai 2011, 10 h Orell Füssli The Bookshop, Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich
für Kinder ab 4 Jahren, mit dem Team Wendolina Mittwoch, 4. Mai 2011, 14 - 17 h Orell Füssli Westside, Gilberte-de-Courgenay-Platz 4, 3027 Bern
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Kinderspezialprogramm immer am Mittwoch und Samstag – ausführliche Informationen unter www.books.ch ab 4. April 2011 Orell Füssli Kramhof, Füsslistrasse 4, 8001 Zürich
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books – März 2011 – 49
Kolumne Ich vergleiche das Schreiben oft mit Tagträumen. Das versteht jeder: Man denkt sich etwas aus, ein wenig Unbewusstheit ist dabei, aber der grösste Teil ist Kontrolle. Was wäre, wenn ich einen Porsche führe statt eines Twingos, wenn ich Roger Federer wäre oder George Clooney? So entsteht eine Welt, die mir etwas mehr entspricht als die, in der ich lebe. Und ich kann und habe darin alles, was ich mir wünsche und was mir die Wirklichkeit versagt. Aber diese Traumwelt ist ziemlich beliebig, und wir halten uns genau so lange darin auf, bis die Kaffeepause zu Ende ist oder der Chef ins Büro kommt. Mein Schreiben besteht darin, solche Fantasiewelten zu finden oder zu erfinden und sie zu erforschen, um ihre verborgenen Geheimnisse zu entdecken. Wo genau diese Welten herkommen, kann ich nicht sagen. Ich denke, sie haben mit verborgenen Wün-
schreiben, sondern einen fiktiven. Und dafür wäre zu viel Wissen eher hinderlich gewesen. Es brauchte mehrere Anläufe und zehn Jahre, bis ich endlich den ersten Satz der Geschichte fand, den Punkt, von dem aus ich sie erzählen wollte. Das Mädchen, Anja, ist erwachsen geworden, hat geheiratet und Kinder bekommen. Jetzt schaut Anja zurück auf eine Zeit, die für sie so unverständlich ist wie für mich. Die Geschichte beginnt mit einer Szene im Wald. Anja ist am frühen Morgen aufgewacht und hat gemerkt, dass sie nicht allein ist, dass ein Jäger sie beobachtet. Der Beobachter hat in der Geschichte viele Gesichter, er wird verkörpert vom Jäger, einem Ladendetektiv, einem Schulpsychologen, einem ratlosen Ehemann. Während ich schrieb, war ich zugleich Beobachter und Beobachteter, Jäger und Wild.
werden will, aber nicht berührt. Die Antwort auf diese Frage ist der Weg, den ich beim Schreiben zurückgelegt habe – mein ganz persönlicher Weg durch meinen Wald, den ich jetzt ein bisschen besser kenne als vor einem halben Jahr, aber in dem noch viele Wege zu entdecken sind.
Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen in books, wie sie schreiben. Heute: Peter Stamm schen zu tun, mit Wahrnehmungen, die unverarbeitet bleiben und doch nicht vergessen werden. Sie sind das Un- und Unterbewusste, aus dem Träume gemacht sind, Gefühle, Stimmungen und Literatur. Eine Forschungsreise durch eine unbekannte Landschaft braucht zuallererst einen Ausgangspunkt, einen ersten Satz. Der kommt oft unerwartet und manchmal erst Jahre, nachdem die fiktive Welt entstanden ist. Eines Morgens stehe ich auf und weiss, wo ich losmarschieren und in welche Richtung ich gehen will. Dann rüste ich mich mit Tee und Zigaretten aus und setze mich hinter meinen Computer. In meinem neuen Erzählband gibt es eine Geschichte von einem Mädchen, das drei Jahre lang im Wald lebte und dabei jeden Tag zur Schule ging. Ich las 1998 von dem Fall und entschloss mich sofort, daraus eine Geschichte zu machen, ohne zu wissen, was mich daran interessierte. Der Versuch, über den Journalisten mit der jungen Frau Kontakt aufzunehmen, misslang. Aber ich merkte bald, dass das gar nicht nötig war. Ich wollte ja keinen journalistischen Text 50 – books books – März – März 20112011 – 50
Das Schreiben an Anjas Geschichte war eine Wanderung durch einen Wald abseits vorgespurter Wege. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Ein wichtiger Teil meiner Arbeit bestand darin, mich in den Wald zu begeben, ins Unterholz, und die Augen und Ohren aufzumachen. Ich kam oft nur mühsam voran im unebenen Gelände, geriet auf Holzwege, musste umkehren, aber manchmal tat sich unerwartet eine Lichtung auf. Ich stieg mit Anja auf den Aussichtsturm, um den Überblick nicht zu verlieren, suchte mit ihr Schutz vor dem Regen auf Hochsitzen oder in den Unterständen der Waldarbeiter. Und ich begann den Wald, den ich schon seit mehr als zwanzig Jahren kenne, ganz neu zu entdecken. Ein bisschen habe ich auch recherchiert für die Geschichte, ich habe mit dem Leiter eines Supermarkts über Ladendiebstahl gesprochen, einen Jäger interviewt und im «Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens» gelesen, zu dem Sigmund Freud das Vorwort schrieb. Aber die Hauptarbeit bestand darin, herauszufinden, was es mit diesem Mädchen auf sich hat, das gesehen
Peter Stamm, 48, wuchs im Thurgau auf und lebt heute in Winterthur. Seit Erscheinen seines Erstlingswerks «Agnes» zählt er zu den erfolgreichsten Autoren der Schweiz. Er verfasst Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Hörspiele. Soeben ist von ihm ein Band mit neuen Erzählungen erschienen: Seerücken 192 Seiten CHF 29.90 S. Fischer
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