Die Zukunft ist erneuerbar! Online-Zeitung der Allianz « Nein zu neuen AKW» Ausgabe 01/2010
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Energie aktuell
Erneuerbare Energie schafft Arbeitsplätze Eine neue Studie belegt das wirtschaftliche Potenzial einer nachhaltigen Energieversorgung. 2009 hatte das Beratungsunternehmen McKinsey ausgerechnet, dass die Schweiz bis zum Jahr 2030 bis zu 45 % der CO2-Emissionen oder 25 Millionen Tonnen einsparen könnte, wenn sie technische Verbesserungen konsequent umsetzt. Jetzt veröffentlichte McKinsey eine weitere Studie © istockphoto.com/jswinborne im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE. Die Wirtschaftsberater kommen zum Schluss, dass Massnahmen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien bis 2020 nicht nur Emissionen senken, sondern für die Schweizer Wirtschaft auch globale Wachstumschancen eröffnen. Als Zulieferer für Anlagen in den Bereichen erneuerbare Energien und energieeffiziente Anlagen könnten Schweizer Unternehmen zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen. Allein Investitionen in der Schweiz würden im Gebäude-, Transport- und Energiesektor 2,6 Milliarden Franken betragen – und hier rund 25’000 neue direkte Arbeitsplätze entstehen lassen. zur Studie
Jedem seine Solaranlage Eine eigene Solaranlage ist nicht nur etwas für Stararchitekten, sondern liefert auch dem Häuschenbesitzer Warmwasser, Heizleistung und Strom, und dies ohne viel Aufwand. Schon wenige Quadratmeter Solar- und Photovoltaikzellen auf dem Hausdach liefern heute Wärme und Strom für den grössten Teil des Eigenbedarfs: Schon mit ca. 6 m2 Solarzellen können in einem Durch© Ernst Schweizer AG, 8908 Hedingen schnittshaushalt 70 % des Warmwasserbedarfs, mit einer kombinierten Anlage auch ein beträchtlicher Teil der Heizleistung und mit 16 m2 Photovoltaikzellen 50 % des Strombedarfs gedeckt werden. Durch Förderbeiträge und Steuerabzüge finanziert sich eine Solaranlage über die Laufzeit von ca. 25 Jahren selber und macht erst noch unabhängig von steigenden Öl- und Strompreisen. Dabei wird das Potenzial von Sonnenenergie in der Schweiz nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft. Gemäss Branchenverband Swisssolar könnte mit der heutigen Technologie die Hälfte des Wärme- und ein Drittel des Strombedarfs allein mit Anlagen auf bestehenden Gebäuden gedeckt werden. Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie SSES Swisssolar mehr zu Förderbeiträgen
Haben Dinosaurier Zukunft? AKW-Betreiber rund um den Globus haben Neubauprojekte angekündigt und präsentieren sich als Retter des Klimas und der Stromversorgung – zu Unrecht.
© Mike Theiler / Greenpeace
Das AKW Beznau präsentierte 2008 seine Klimabilanz und behauptete, pro Kilowattstunde fielen nur gerade 3,04 Gramm CO2 an. Schon bald musste es diese Zahl revidieren, weil die Urankette vom Abbau bis zur Entsorgung nicht korrekt berücksichtigt wurde.
Doch nicht nur die angeblich gute CO2-Bilanz von Atomstrom erweist sich beim genauen Hinsehen als Trugschluss. Selbst der Beitrag von AKW zur weltweiten Energieversorgung ist bescheiden: Sie liefern nur gerade 2,5 % der global konsumierten Energie. Prognos-Studie Gegenwärtig gehen sogar mehr alte AKW vom Netz, als gebaut werden. Denn ohne massive staatliche Hilfe kann kein einziges neues AKW erstellt werden – zu diesem Schluss kamen selbst die Ökonomen der Citibank in der Studie mit dem aussagekräftigen Titel: «New Nuclear – The Economy says NO» (November 2009)
Handbremse bleibt für erneuerbare Energien angezogen Seit Anfang 2009 wird Energie aus Kleinwasserkraft, Sonne, Wind, Biomasse und Geothermie mittels der «Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV)» gefördert. Doch zahlreiche Projekte stecken heute auf einer Warteliste fest. Zum Glück gibt es Zeichen der Entspannung – aber nicht für lange. Das Parlament hat im März 2010 einer Erhöhung © istockphoto.com/PrairieArtProject der KEV auf maximal 0,9 Rappen pro verbrauchter kWh Strom (vorher: 0,6 Rappen) zugestimmt. Beim Bundesamt für Energie geht man davon aus, dass mit dieser Erhöhung der Fördergelder die Warteliste während zwei bis vier Jahren abgebaut werden kann. Das bedeutet aber auch: In spätestens vier Jahren wären viele Kraftwerksprojekte wieder genau so blockiert wie heute. Selbst das BFE rechnet nicht damit, dass mit dieser ungenügenden Erhöhung das ohnehin schon geringe gesetzliche Energieziel für erneuerbaren Strom von plus 5400 GWh bis 2030 erreicht wird. Schade. So wird das Potenzial der erneuerbaren Energien weiterhin und bewusst künstlich klein gehalten. mehr zur KEV Die Zukunft ist erneuerbar! Online-Zeitung der Allianz « Nein zu neuen AKW» Ausgabe 01/2010
Sicher wäre anders In Schweizer AKW häufen sich gefährliche Pannen. Die Störfälle werden gerne schöngeredet. Zwei Beispiele: Als ein Reaktor des AKW Gösgen im Juni 2008 wieder hochgefahren werden sollte, fielen zwei sicherheitsrelevante Geräte aus. Die Störung wurde behoben und weitergemacht, obwohl niemand wusste, was den doppelten Ausfall verursacht hatte. Auf die vorgeschriebene Meldung an das Eidgenös© Greenpeace / Ex-Press / David Adair sische Nuklearsicherheits-Inspektorat ENSI verzichtete man grosszügig. Dieses prüft jetzt ein Strafverfahren gegen die Betreiberin. Das wäre bereits die zweite Klage innerhalb kurzer Zeit. Seit Herbst 2009 läuft ein Verfahren, weil im AKW Beznau zwei Mitarbeiter verstrahlt worden waren. zum ENSI
Energie im Film Gleich mehrere aktuelle Filme zeigen auf: Wie und wo unser Strom produziert wird, kann uns nicht egal sein. Wir verbrauchen immer mehr Energie. Aber Ressourcen wie Uran, Erdöl, Erdgas und Kohle sind endlich. Wie wollen wir dem begegnen? Diese Frage stellt der Film «Die 4. Revolution! EnergyAutonomy» (deutscher Kinostart: März 2010). Für den Regisseur und © istockphoto.com/sergeyussr Produzenten Carl. A. Fechner ist klar: Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist jetzt möglich. Einzige Voraussetzung: Wir müssen ihn auch wollen! Welche Folgen kann das blinde Vertrauen in die angeblich sichere und saubere Atomenergie haben? Was bleibt nach einem der grössten Atomunfälle der Geschichte? 24 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl suchen gleich mehrere Dokumentarfilme nach Antworten und führen die Langzeitschäden für Mensch und Umwelt vor Augen: Into the Zone, an den Solothurner Filmtagen 2010 Déchets: le cauchemar du Nucléaire, Filmpreis Greenpeace Schweiz 2010 Lost Paradise – the Movie, DVD und Film, Deutschland 2008
Im Fokus
Im Aufwind Windkraftwerke tragen noch wenig zur gesamten Stromproduktion bei, vor allem in der Schweiz. Doch ihr Potenzial ist gross. Um es auszuschöpfen, braucht die Windenergie aber bessere Rahmenbedingungen. Weltweit steigt der Strombedarf – und die Politik reagiert darauf, indem sie umstrittene AKW-Pläne unterstützt. Doch diese Projekte sind mit vielen politischen Unsicherheiten behaftet und wären nur langfristig zu realisieren. Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, verzeichnet eine andere Energiequelle enorme Zuwachsraten: die Windenergie. Sie produziert besonders im Winterhalbjahr und ergänzt damit die Solarenergie ausgezeichnet.
europäische Windenergievereinigung EWEA erhob, dass 2009 insgesamt 13 Milliarden Euro in Windenergie investiert und damit 10’000 MW Leistung installiert wurden – vor allem in Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Grossbritannien. Diese Leistung, in einem einzigen Jahr realisiert, entspricht jener von 10 AKW Gösgen! Mit ihrem Wachstum schlägt die Windenergie alle anderen Stromerzeugungstechniken. Sie deckt heute bereits schon 4,8 % des europäischen Strombedarfs. Potenzial und Nachholbedarf sind gross Die Schweiz hinkt diesem Trend hinterher. 2009 wurde im jurassischen St. Brais die siebte Schweizer Anlage in Betrieb genommen – mit 17,5 MW Leistung und einer Produktion von 7 Millionen kWh wird sie 2000 Haushalte versorgen. Weitere geplante Anlagen werden dieses Jahr die Schweizer Produktionskapazität verdoppeln. Bedenken des Landschafts- und Naturschutzes gegen die Windenergie konnten mit dem «Konzept Windenergie Schweiz» entkräftet werden. Es sieht vor, Windenergieanlagen an Standorten zu konzentrieren, wo sie mit Natur und Landschaft vereinbar sind.
© Suisse Eole
Der Beitrag der Windenergie ist noch gering – doch das Potenzial ist gross. Bis 2030 könnte Windenergie gemäss Branchenverband Suisse Eole 2,5 % des heutigen Strombedarfs decken; bis 2050 könnte der Anteil auf über 7 % Prozent wachsen.
Windenergieanlagen in der Schweiz und in Österreich
© Suisse Eole
Frischer Wind in Europa Das Wachstum der Windenergieproduktion ist beachtlich: Quer durch Europa stammen rund 40 % der neu installierten Kraftwerkleistung aus der Windenergie. Die
in Betrieb
in Realisierung
in Planung bis 2015
Vergleich mit Österreich heute
Anzahl Anlagen
15 an 7 Standorten
8 bei Mont-Crosin/BE
111 an 18 Standorten
617 Anlagen
Leistung
17,3 MW
16 MW
214,4 MW
995 MW
Jährliche Stromproduktion
27 GWh
30 GWh
375 GWh
2100 GWh
Strom für
7500 Haushalte
8400 Haushalte
100’000 Haushalte
600’000 Haushalte
Quelle: Suisse Eole, «Windenergie in der Schweiz – Zahlen und Fakten», Stand 15.02.2010
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Quelle: Interessengemeinschaft Windkraft Österreich, 2009
Im Fokus
Kolumne
Förderung mit angezogener Handbremse Ein Problem für alle erneuerbaren Energien ist die Deckelung der Einspeisevergütung (KEV), dem Förderinstrument des Bundes für Strom aus erneuerbaren Quellen. Die Stromproduzenten erhalten dabei für 20 bis 25 Jahre – je nach Produktionsart – einen fixen Betrag pro produzierter kWh ausbezahlt. Allerdings ist die Menge pro Technologie mit dem so genannten «Deckel» begrenzt, und dieser war bereits nach einigen Monaten ausgeschöpft. Gegenwärtig stehen 4780 Projekte auf der Warteliste, davon allein eine Produktionsleistung von 490 GWh Windenergie. Zwar hat das Parlament inzwischen eine Erhöhung der Förderabgabe von bisher 0,6 auf maximal 0,9 Rappen pro kWh verbrauchtem Strom beschlossen. Das bringt kurzfristig eine Erleichterung. Aber bald sind die Kontingente wieder ausgeschöpft und viele Projekte erneut auf der Warteliste. Um das volle Potenzial erneuerbarer Energien auszuschöpfen, muss der Deckel wie in Deutschland weg!
Windenergie: Bremsen lockern, bitte!
Die Schweiz hat den Wind trotz idealen Windverhältnissen verschlafen. Was wir uns bis 2030 vornehmen ist in Österreich längst realisiert. Dort deckt die Windkraft heute über 3 % der Versorgung. Bis 2020 will Österreich seinen Windstrom verdoppeln und mittelfristig 10 % seiner Versorgung auf Wind bauen. Das Kluge liegt so nah!
Reto Rigassi, Co-Geschäftsführer Suisse Eole
drehenden Rotoren grossmehrheitlich positiv, als Wahrzeichen einer zukunftsorientierten Region. Etwas weniger Kleingeist täte unserem Land gut.
Bild: zVg
In Europa hat der Aufbruch zu einer nachhaltigen Energieversorgung längst begonnen. 4,8 % des EU-Strombedarfs stammen heute aus Windenergie. Und das Wachstum geht rasant weiter: 2009 konnte keine andere Stromerzeugungstechnik europaweit stärker zulegen als Windenergie. Auf der anderen Seite wurden mehr Kohle- und Atomkraftwerke stillgelegt als neue dazugebaut. Die Tatsachen sagen mehr als tausend Prognosen. Der Blick über die Grenzen zeigt, dass auch hierzulande mehr möglich wäre. Der bescheidene Windenergieanteil von derzeit 0,5 Promille des schweizerischen Gesamtstromverbrauchs liegt nicht am oft klein geredeten Windpotenzial unseres Landes, sondern an verschiedenen Hemmschuhen, die den Zug nicht in die Zukunft rollen lassen: Ungünstige Tarifstruktur der kostendeckenden Einspeisevergütung, langwierige Bewilligungsverfahren, Opposition des Landschaftsschutzes. Das kleinere, dichter besiedelte und topografisch gut mit der Schweiz vergleichbare deutsche Bundesland Baden-Württemberg hat 25mal mehr Windenergieleistung installiert. Die Touristen im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb sehen die
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Windenergieanlagen werden in der Schweiz sehr sorgfältig geplant, um mögliche negative Auswirkungen weitestgehend zu vermeiden. Das ist gut so. Wenn aber gegen jedes konkrete Windenergieprojekt Einwände erhoben werden, dann verkommt das Credo für eine erneuerbare Energieversorgung zum Lippenbekenntnis und unser Land wird noch lange Europas Schlusslicht bleiben. Denn man kann schlicht keine Omelette machen, ohne ein Ei aufzuschlagen. Wobei mit Windenergie ja nichts kaputt geht. Denn werden dereinst noch bessere Stromgewinnungstechniken marktreif, sind die Anlagen spurlos rückbaubar. Einzig visuell mögen drehende Rotoren gewöhnungsbedürftig sein. Aber ist es nicht schlicht eine Frage des Anstands, dass wir die Auswirkungen unseres Stromkonsums selber tragen, anstatt unseren Nachkommen einen geplünderte Planeten und Abfälle für hunderttausend Jahre zu hinterlassen?
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