EINTR8 Magazin 1

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EINTR8 Analyse & Konzept Denise Julia Reytan



»EINTR8«

– Konzeption, Entwurf und Realisation von Schmuck als Inszenierung

Analyse & Konzept

Diplomarbeit von Denise Julia Reytan Fachhochschule Düsseldorf Sommersemester 2008 Referenten – Professorin Elisabeth Holder Professor Herman Hermsen


INHALTE

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– VORWORT –4 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– TRACHT –6 – VOLKSTRACHTEN –8 TRACHTEN IN DEUTSCHLAND – 10 VIELFALT IN TRACHT – 12 TRACHTEN HEUTE – 14 IDENTITÄT DURCH TRACHT – 15 MYTHOS TRACHT – 16 ZUM WESEN DER TRACHT – 18 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– MODE – 20 – MODE & MODISCH – 22 MODE VS TRACHT – 24 VERÄNDERUNG & VERSCHWINDEN DER TRACHT – 26 MODE HEUTE – 28 UNIFORM – 29 UNIFORMITÄT – 30 UNIFORM UND STIL – 31 KOSTÜM – 32 KLEIDUNG – 32 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––. SCHMUCK – 34 – SCHMUCK IST IDENTITÄT – 36 WERTIGKEIT VON SCHMUCK – 38 STATUSSYMBOL – 40 SCHMÜCKEN ALS NONVERBALE METHODE DER KOMMUNIKATION – 42 SCHMUCK UND KLEIDUNG – 44 TRACHTENSCHMUCK – 46

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––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– INSZENIERUNG – 48 – TRACHT ALS INSZENIERUNG – 50 DIE TÄGLICHE INSZENIERUNG – 52 KLEIDERCODE – 54 KLEIDERCODE ALS WANDELNDE SELBSTORGANISATION – 56 KÖRPERGESTALTUNG – 57 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– KONZEPTFINDUNG – 58 – MEINE SCHMUCKDEFINITION – 60 MEINE WERTIGKEIT – 62 FASZINATION SCHMUCK – 64 SCHMUCK IST INNERER AUSDRUCK – 66 DIE WECHSELWIRKUNG VON TRADITION UND TREND – 68 TRADITIONELL & AKTUELL – 70 FÜR WEN SIND MEINE TRACHTEN? – 72 MEINE TRACHTDEFINITION – 74 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– EINTR8 – 76 – KONZEPT – 78 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– LITERATURVERZEICHNIS – 80 BILDNACHWEIS – 82

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VORW Seit meiner Kindheit bin ich geprägt und fasziniert von bunten Aufklebern, Plastikspielfiguren, der Knopfsammlung meiner Mutter, von Aufnähern, Glasperlen und Filzstiften. All die vielen Farben und Formen, das Glitzern, Leuchten und Glänzen dieser Dinge faszinierten und beeindruckten mich so sehr; sie waren mir unendlich wertvoll. Ich fing somit schon als kleines Mädchen an zu sammeln und zu basteln. Es gibt Gegenstände, die solch eine starke Anziehungskraft auf mich haben, daß ich ihnen einfach nicht widerstehen kann und sie besitzen muss. Egal ob Plastikfundstücke, die vom Rhein an Land gespühlt wurden, ein rosa farbiger Putzpinsel mit feinsten Haaren oder eine Rolle gelbes Klebeband – es ist diese, den Dingen eigene verlockende, machtvolle Anmutung, der ich mich nicht entziehen und widerstehen kann. In diesem magischen Moment, indem ich mich in ein Ding verliebe, ist es mir absolut egal, ob diese Dinge wertvoll und edel sind oder nicht. Es ist mir einfach nicht wichtig.

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WORT Nun befinde ich mich im Diplom und habe ein wunderbares, sehr interessantes Thema gefunden, welches sich genau mit meiner Faszination und meiner Leidenschaft beschäftigt und mit dem ich mein Studium an der Fachhochschule Düsseldorf beenden möchte: »EINTR8 – Schmuck als Inszenierung« Denise Julia Reytan Fachhochschule Düsseldorf im Juli 2008

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TRAC Der Begriff »Tracht« kommt von althochdeutsch »traht«, mittelhochdeutsch »dracht« und bedeutet »tragen«.   Tracht bezeichnet das, was man trägt bzw. was man auf einmal tragen kann, wie eine Tracht Holz, oder auch etwas, was man »er« tragen kann.   Tracht versteht man somit ursprünglich allgemein im Sinn des »Getragenen« und im textilen Sinne ist sie das, was man auf dem Leib trägt, also Kleidung.   Im deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wird die Tracht als »das tragen oder getragen werden« definiert. Die Verben mit denen »tracht« verbunden wird, sind die des »gebens« und »empfangens«.   Mit dem Begriff »Tracht« sind zunächst überhaupt keine Traditionen oder regionale Unterschiede verbunden. Erst durch Kontext und Interpretation verengt sich der Trachtenbegriff.   Wie hier bei der Definition aus dem Meyers Lexikon:   Tracht ist die Bezeichnung für »jede vom Mensch getragene Kleidung und die dazugehörige Aufmachung (Haartracht, Barttracht), wie sie von der vorherrschenden Sitte, einer Konvention oder Institution vorgeschrieben wird«.

Trachten wurden beinahe immer schon getragen und sind fast so alt wie der Mensch selbst. Die Tracht hängt fest »mit dem menschlichen Bestreben nach Ordnung, Einordnung und damit Gemeinschaftsbildung zusammen«. »Schambekleidung, Schutz- und Schmuckbedürfnis allein hätten noch nicht dazu angeleitet, dass sich Menschen gruppenhaft kleideten, gemeinschaftlich äußerten und auf diese Art und Weise ihren Zusammenhalt bestärkten und schützten.« (G. Pesendorfer, »Lebendige Tracht in Tirol«, S.6, Zeile 7ff) Die Tracht ist somit Ausdruck einer Gemeinschaft und eines gemeinsamen Lebens. Der Begriff »Tracht« meint im klassischen Verständnis die Kleidung ländlicher und kleinbürgerlicher Bevölkerungskreise, die regional, zeitlich, konfessionell und teilweise auch ethnisch begrenzt ist, die den sozialen Status widerspiegelt und je nach Anlass wechselt. Außerdem galt die Tracht lange Zeit zudem als von den Trägergruppen nach alt überlieferten Mustern und Regeln selbst gefertigt. Die im Begriff »Tracht« eingeschlossene Abgrenzung gegenüber der schnell wechselnden Mode (vor allem vorkommend bei den oberen Schichten) führte unter anderem dazu, dass im wissenschaftlichen Bereich heute der Begriff »Tracht« eher vermieden bzw. nur noch für Phänomene absichtlicher und organisierter Kleidungsgestaltung verwendet wird.

Die Tracht bezeichnet auch die traditionelle Kleiderordnung einer bestimmten Region, eines Landes oder der Angehörigen einzelner Bevölkerungsgruppen, z.B. Ethnien (Volksgruppe) oder Berufgruppe.   Die Berufstracht, Zunftstracht oder Amtstracht brachte die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe zum Ausdruck und stammt aus dem handwerklichen und städtischen Umfeld. Im deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wird die Tracht als »das tragen oder getragen werden« definiert. Die Verben mit denen »tracht« verbunden wird, sind die des »gebens« und »empfangens«. Seit dem 16.Jahrhundert unterteilte man Trachten in modische, national und ständisch definierte Kleidung.

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ACHT

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VOLKSTRACHTEN

Unter Volkstracht versteht man eine regionaltypische Bekleidungsform, also die einem Volke eigentümliche Bekleidung, vor allem die der ländlich-bäuerlichen Bevölkerung. Deren Unterscheidung beruht auf territorialer wie geografischer Abgrenzung, weshalb man hier auch von Trachtenlandschaften spricht.   Die ersten bäuerlichen Trachten entstanden Ende des 15. Jahrhunderts, doch eigentlich hatten sie ihren Ursprung im Empire (1800-1820), Biedermeier (1820 1848) und Rokoko. Die Blütezeit der Volkstrachten war im 18. Jahrhundert. Im Gegensatz zu traditioneller Kleidung unterscheiden Volkstrachten streng die verschiedenen Altersstufen und Lebensordnungen einer Gemeinschaft, d.h. Kinder, Verheiratete, Verwitwete und zum Teil auch die Konfession. Dies wirkte sich dann auch auf Farbe, Schnitt, Stoffwahl und Art des Tragens aus.   Volkstrachten unterteilen sich meist in zwei Ausführungen, einer Werktagstracht und einer Festtagstracht.

Tracht als gebräuchliche und lebendige Kleidung wieder aufgegeben, weshalb seit Ende des 20. Jahrhunderts Trachtenerneuerung und die Erhaltung des Trachtenbrauchtums zu den Aufgaben vieler Trachtenvereine zählen.   Auch die volkskundliche Erforschung der Volkstrachten hat gleichzeitig stark zugenommen. Trachtenforschung und »Trachtenpflege«, die zum Teil auch modisch abgewandelt wird, beeinflussen sich gegenseitig, doch bleiben viele, althergebrachte Stickereien (wie auf dem Balkan) oder Strickmuster (wie in Skandinavien) weiterhin in den Volkstrachten erhalten.

Festtagstrachten sind oft sehr aufwendig hergestellt. Zu ihnen gehören typische Hüte oder Hauben, wie z.B. der Bollenhut oder Goldhauben. Festtagstrachten werden noch heute in ländlichen Gegenden oft bei Festen oder traditionellen Anlässen getragen.   Die Festtagstracht (besonders beim Kirchgang) unterschied sich stark von der Trauertracht und die Brauttracht spielte eine ganz besondere Rolle. Werktagstrachten wurden ürsprünglich als Alltagskleidung getragen und noch heute findet man sie insbesondere in Trachtenvereinen, Heimatvereinen, Musikkapellen, Schützenkompanien oder Chören. Sie sind einfacher und günstiger herzustellen als die Festtagstrachten.   Die bäuerliche Alltagstracht besteht aus einfachen Kleidungsstücken, wie Holzschuh, Lodenumhang und anderes. Berufstrachten sind regional und konfessionell nicht oder nur wenig gebunden. Berufsständische Trachten bildeten vor allem die Berg- und Zimmerleute.

Französische Tracht aus der Normandie, mit kunstvoll gemustertem Schürzenträger und einer hohen, für die Region typische Kopfbedeckung.

Bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die

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Brautpaar vom Volk der Xhosa im prächtigen zeitgenössischen Hochzeitsgewand aus Perlen, ca. 1960. Die Brille und die Plastikarmbänder sind Zeichen seiner »modernen« Einstellung.

Palästinensische Steinmetze aus dem späten 19.Jh.

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TRACHTEN IN DEUTSCHLAND »Als Tracht wird die Kleidung der ländlichen Bevölkerung bezeichnet, deren Verbreitung regional, zeitlich und konfessionell begrenzt ist. Sie wechselt in den ihr vorgeschriebenen Grenzen nach Anlass und Trauerstufe und spiegelt den sozialen Status wider.« (Definition aus den Richtlinien des Landestrachtenverband Niedersachsen) Tracht bezeichnet hier den Ausdruck einer dörflichen Gemeinschaft mit dem dazugehörigen, gemeinsamem Leben in einer bestimmten Ordnung. Bei der Tracht steht nicht die Trägerin oder der Träger im Mittelpunkt, sondern die Bekleidung dient zur Präsentation von Besitz und Reichtum. Das heisst, je aufwendiger die Tracht verziert war, je mehr Stoff und Knöpfe verwendet wurde, desto reicher war die Trägerin oder der Träger der Tracht.   In manchen Regionen wurden die Knöpfe so eng an die Westen genäht, dass sie kaum Platz hatten und es gab Röcke mit so tiefen Falten, dass sie eine Schwere hatten, die man kaum mehr tragen konnte. Somit machten die Ausprägungen der Tracht durch ihre finanziellen Grenzen die sozialen Schichten der Bevölkerung deutlich. Man durfte jedoch nicht die Grenze der einzelnen dörflichen Gesellschaftsschichten übertreten, auch wenn man sich eine teure Tracht hätte leisten können.

Die Tracht dieser ländlichen Bevölkerung lieferte somit einem wissenden Betrachter viele deutliche Informationen: – – – –

aus welcher Region die Tracht stammt aus welchem Dorf der Träger / die Trägerin stammt die augenblicklichen wirtschaftlichen Verhältnisse die soziale Stellung innerhalb der Dorfgemeinschaft – den Personenstand (ledig, verheiratet, verwitwet, verwitwet und heiratswillig) – die Trauerstufe (Voll-, Halb-, Vierteltrauer, Freudenzeit) – den Anlass (Abendmahl, sonntäglicher Kirchgang, gewöhnlicher Sonntag, Hochzeit, Kommunion, Konfirmation, etc.)

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VIELFALT IN TRACHT Ihrem Wesen nach ist die Tracht eine Art Einheitskleidung, doch der Kenner kann z.B. an der Verarbeitung von kostbaren und üppigen Stoffmengen, an der reichen Verzierung oder an den vielen aufwändigen Knöpfe soziale Unterschiede erkennen. Somit wurde über die Tracht der eigene Stand und seine Interessen deutlich. Die Tracht vermittelt somit »in einer Gruppe ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine Homogenität bei aller bestehenden individuellen Unterschiedlichkeit«. Als Einheitskleidung kommt die Tracht deshalb nicht in Betracht. (Sibylle Sättler, »Vielfalt in Tracht«, LernCafe.de)

Slowakische Frauen in ihren farbenprächtigen Trachten

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TRACHTEN HEUTE Heutzutage wird der Begriff »Tracht« im Wesentlichen für den Bereich regional definierter Volkstrachten verwendet, sowie für alle Bekleidungen, in denen wie in Standestrachten, Berufstrachten und Nationaltrachten zeitbedingte Kleidungsformen über die modische Entwicklung hinaus Bestand haben. Traditionelle Kleidung wird heute fast nur noch als Festtagstracht getragen, doch gibt es Länder, in denen die traditionellen Kleidungsstücke heute noch im Alltag getragen werden, wie z.B. der Sari in Indien, in Österreich und Bayern das Dirndl oder die Lederhosen. An der Columbia University in den Vereinigten Staaten wurde zum ersten Mal im Jahre 1895 eine akademische Tracht festgelegt. Der Schnitt, Stil, das Material, sowie Farben für die einzelnen Studienfächer wurden festgelegt und noch heute richten sich die meisten US-Universitäten bei der Wahl der Farben, die einzelne Studienfächer symbolisieren, nach den damals festgelegten Regeln.

Es entwickeln sich heutzutage immer mehr spielerische, sogar ironisch-zitierende Ausformungen von Trachten, eine Art von Bricolagen, bei denen der assoziative Zusammenhang zur konservativen Tracht fast nebensächlich zu werden scheint, obwohl er natürlich weiter wichtig bleibt.   Die Deutung der Tracht und damit auch ihre Nutzung hat sich somit verändert. Tracht ist längst nicht mehr einseitig, sondern zeigt sich elastisch und neuen Kontexten anpassbar. Somit entstehen und verändern sich die Grundbedeutungen der Tracht in einem ständigen Nutzungsdiskurs, wobei manche Merkmale aber haften bleiben.

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IDENTITÄT DURCH TRACHT Tracht und Mundart werden als Emanzipations- und Integrationsmedium genutzt, denn die Zeichen eines Trächtigen markieren Erdung und Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Die Tracht ist, wo sie so genutzt wird, allgemeiner und vergleichsweise leicht verfügbarer Zeichenvorrat für das Schichten übergreifende Regionale. Für Menschen in meist Einfach-LändlichenRegionen ist die allgemeine Verfügbarkeit der Tracht und damit der Schein des »Eingewurzelten« in ihrer einfachen Codierung ziemlich attraktiv.   Sie verbinden Identität vor allem mit einem regionalen oder nationalen Akzent, wodurch die soziale Herkunft (die für Identität ja nicht unwichtig ist) durch die Regionalität der Zeichen und ihre Dominanz im öffentlichen Geschehen überlagert wird. Die Tracht mit ihren Zeichen schafft somit eine Sicherheit und man glaubt mit den anderen Trachtenbekennern eins zu werden. Der Begriff der Globalisierung ist beim Thema der Tracht nicht unwichtig. Globalisierung meint die rasante Vernetzung von Politik, Wirtschaft, Kapital und Kultur, doch spaltet er damit die Meinung der Menschheit, denn wo die einen das globale Dorf entdecken, sehen andere das Heraufziehen einer weltweit einheitlichen Massenkultur.

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MYTHOS TRACHT

Mythen entstehen in der Moderne, wenn eine Sache in Frage gestellt wird. Wenn ein Kontext nicht mehr selbstverständlich ist, wenn die bisherigen Autoritäten nicht mehr akzeptiert sind und die Meinung nicht mehr geteilt wird, müssen Mythen herhalten. An die Stelle des Unbefragten tritt ein Wissen, das neuen Deutungen entstammt, wodurch ältere Deutungen durch neues Wissen angepasst werden.   Die moderne Nutzung der Tracht entstammt auch aus einer Mythisierung der frühen Gesellschaft.   So entstanden Trachten als vielfältige Entwicklungen selbstentwickelter Wunschbilder. Manche Trachten haben die Anmutung von Vögeln, von übermenschlichen Wesen oder Göttern. Bunte Phantasien werden zum Leben erweckt, die Kreativität kennt keine Grenzen.   Auch das Phänomen der Jugendlichen in Japan sich mit ihrem Styling zu inszenieren und zu identifizieren, erinnert auch an eine Mythisierung, an eine Art von Wunschbild das sie darstellen wollen. Oft sind es ganz moderne Vorbilder, Helden aus japanischen Mangas, Zeichentrickfilmen oder Sänger aus bekannten Rockbands. Diese ganzköperliche Inszenierung wirkt oft übermenschlich und märchenhaft. Jedes kleinste Detail ist ganz gezielt ausgesucht und liebevoll miteinander kombiniert. Nichts wird dem Zufall überlassen und für mich macht es den Eindruck, als wollen diese Jugendlichen eine ganze Geschichte über sich und ihre Leidenschaften erzählen. Sie behängen sich mit ihren wertvollsten Schätzen, um sich ganz individuell ihrer Umwelt zu präsentieren.

menschliches Wollen und Können, Wissen und Fühlen investiert ist, sind jenes objektiv Dastehende, das wir als Bedeutsamkeit und Bereicherung des Daseins auch dann empfinden, wenn wir von seinem Geschaut-, Genutzt- oder Genossenwerden völlig abstrahieren.«  (Zitate von Georg Simmel, »Philosophische Kultur« Kapitel »Der Begriff und die Tragödie der Kultur«)

Georg Simmel , ein deutscher Philosoph und Soziologe, der viele wichtige Beiträge zur Kulturphilosophie schrieb, hat einmal gesagt, dass die Menschen Kraft aus Objekten schöpfen, die sie zuvor mit dieser Kraft ausgestattet hätten. »Gewiss ist es für den kulturellen Sinn des Objekts, auf den es uns hier schließlich ankommt, das Entscheidende, dass in ihm Wille und Intelligenz, Individualität und Gemüt, Kräfte und Stimmung einzelner Seelen (und auch ihrer Kollektivität) gesammelt sind.    Allein indem dies geschehen ist, sind jene seelischen Bedeutsamkeiten doch auch an einen Endpunkt ihrer Bestimmung gelangt.«  »Die materiellen und immateriellen Gebilde, in denen

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ZUM WESEN DER TRACHT Um das Wesen der Tracht besser verstehen und einordnen zu können, möchte ich in den nächsten Kapiteln die Begriffe »Mode«, »Uniform« und »Uniformität« erläutern. Sie haben Gemeinsamkeiten, aber auch Gegensätze zur Tracht.

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MO »Von der Mode heißt es, sie strebe nicht nach Einheitlichkeit, sondern nach Differenz, Andersartigkeit und Originalität.«

Elena Esposito aus »Die Verbindlichkeit des Vorübergehenden: Paradoxien der Mode«, Suhrkamp 2004

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MODE & MODISCH

Die etymologische Geschichte der Begriffe »Mode, modisch und modern« zeigt, dass diese nicht eindeutig, sondern mehrdeutig waren und immer noch sind.   Der Ausdruck »Mode« wurde erstmalig im 15. Jahrhundert in Frankreich benutzt und im Sinne von »Art und Weise«, sowie als »Maß« und »Takt« verwendet. Im darauf folgenden Jahrhundert teilte sich der Begriff »Mode« in zwei voneinander abweichende Bedeutungsgruppen: einmal ins maskuline, die dem lateinischen »modus« entspricht und in die feminine Bedeutungsgruppe, welche » die dem wechselnden Geschmack unterworfene Art sich zu kleiden« und auch die »zeitgenössische Art und Brauch im allgemeinen« umfasst.( Böth, G.,»Sich kleiden«,S.11) Seit dem Auftauchen des Begriffs »Mode« in Deutschland im 18.Jahrhundert, bezeichnet er nicht nur umfassend den »für relativ kurze Dauer innerhalb von Personenkreisen gebräuchlichen Zeitgeschmack«, sondern auch ganz begrenzt »eine relativ kurzfristig in bestimmten Bevölkerungskreisen getragene Bekleidung«. ( Böth, G.,»Sich kleiden«, S.11 )   Der verkürzte Begriff »modisch« entsteht Ende des 17. Jahrhunderts und wird 1730 bzw. 1750 durch »neumodisch« und »altmodisch« vervollständigt. Somit werden diese Begriffe nicht nur zur Charakterisierung einer Gegebenheit benutzt, sondern gleichzeitig auch um sich abzugrenzen.

der Begriff »modern« die Wendungen »neuartig, auf der Höhe der Zeit, modisch, dem Zeitgeschmack entsprechend, der Mode entsprechend«.   Walter Hävernick, ein Schriftsteller, der Beiträge zur deutschen Volks- und Altertumskunde herausgegeben hat, definiert Mode, als »die sich dauert wandelnde Welt an Äußerungen und Verhaltensweisen, die – einmal eingeführt – schnell für alle Mitglieder einer Gemeinschaft verbindlich werden, falls man nicht riskieren will, ein unmoderner Outsider zu sein.« Für Hävernick sei Mode »schlechthin die Bezeichnung der gültigen und unabdingbaren Kleiderform unserer bürgerlichen Umwelt geworden.« Für ihn werden zwei verschiedene Verhaltensweisen unter dem Begriff »Mode« gefasst:   1. die Einführung einer neuen Form zwecks Auszeichnung und Hervorhebung der Trägers und   2. den Zwang zur Rezipierung der soeben aufgekommenen »Mode« durch die Gemeinschaft. (Beide Zitate aus »Kinderkleidung und Gruppengeistigkeit in volkskundlicher Sicht«, S.52f)

So steht im Deutschen Wörterbuch als Beispiel: »auch war der bauer in tracht, in sprache und liedern nicht modisch, wie der städter, er gebrauchte gern alte derbe worte.«   »Modisch« wird heute »sowohl im Sinne einer Beschäftigung mit der Mode« gebraucht, also ein modisches Interesse oder modisches Verhalten, als auch im Sinne einer Prägung durch die Mode oder Zugehörigkeit zur Mode, z.B. »modisches Äußeres«. Seit dem 18.Jahrhundert kennt man auch den Begriff »modern« in Deutschland. Er bezeichnete »neu, neulich, nach der jetzigen mode, facon, tracht, manier, art, weise oder gewohnheit«.(Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 1984, Bd.12)   Heutzutage lässt sich zudem der Einfluß des Substantivs »Mode« erkennen, denn laut Duden umfasst

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MODE VS. TRACHT Auch Ingeborg Petrascheck-Heim versucht in ihrem Buch »Die Sprache der Kleidung«, Wesen und Wandel von »Tracht, Mode, Kostüm und Uniform« darzustellen.   Für sie muss das Phänomen »Mode« unter drei Aspekten behandelt werden: 1. Mode als eine neue Art und Weise; 2. Mode als soziologischer Wertbegriff und 3. Mode als eine Art der Kleidung.   Für Petrascheck-Heim ist Mode das Gegenteil von »Sitte und Brauchtum«. Denn während »Sitte und Brauchtum« festliegende, genormte Lebensformen sein, beinhaltet »Mode« ja genau das Gegenteil, jenes Versteckte, Schlummernde, »teilweise noch Ungeformte, jenes Werden und Wachsen neuer Formen und vor allem jenes noch nicht in den Kulturprozeß fest Eingeordnete.«   Modekleidung sieht sie somit als Gegensatz zur Tracht, denn während Tracht mit einzelnen Kleidungselementen Zeichen setzt, sei die »Mode« eine ganzheitliche Erscheinung, die nicht aus der Summierung einzelner Teile gebildet werde und nur als Gesamtheit mit der »reinen Form« eine Formensprache spreche. Die »reine Form« entstehe bei der Formgebung der »Mode« unabhängig von einem Inhalt und könne daher nie zeichensetzende Sprache sein. Gitta Böth ist in ihrem Aufsatz »Die Mode und die Volkskunde« anderer Meinung. Sie gibt zu verstehen, dass die Mode schon immer die Tradition beeinflusst hat, dass somit die Grenzen zwischen Mode und Tradition fließend sind, wobei mit Mode nicht nur die Kleidermode gemeint ist, sondern viele unterschiedliche Gegenstände aus der Hauskultur und der geistigen Welt. So werden Kulturgüter von einer bestimmten Gruppe ausgewählt, aufgenommen und an ihre Lebenswelt angepasst, wodurch der Traditionsbesitz verändert wird.   Durch diese Wechselwirkung von Mode und Tradition zeigt sich, dass »jedes Traditionsgut zu einer bestimmten Zeit, in einem bestimmten regionalen Bereich und für eine bestimmte soziale Gruppe einmal eine Mode gewesen ist, - und dass andererseits sich jede Mode unter gewissen Umständen zu einem Traditionsgut ausformen kann.« (aus »Die Mode und die Volkskunde« von Gitta Böth, S. 15, Zeile 38ff)

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Somit bezeichnet die ÂťModeÂŤ nicht nur den periodischen Stilwechsel der Kleidung, sondern auch den anderer kultureller Erscheinungen.

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VERÄNDERUNG UND VERSCHWINDEN DER TRACHT Die Kommunikation war damals und ist auch noch heute der Übermittler des Modewandels. Früher im 16.Jahrhundert kamen die Normalbürger selten über das nächste Dorf hinaus, es gab keine Zeitschriften und der größte Teil der Leute konnte nicht lesen. Neue Impulse für die Mode erreichten somit ein Dorf nur auf drei Wegen: durch ortsansässige oder durchreisende Adlige und reiche Bürger, durch reisende Händler oder durch Besuch im Nachbarort und umgekehrt.   Bei diesen Begegnungen von den Dorfbewohnern mit den modernen Adeligen, die teilweise nur ein Augenblick dauerten, wurden dann einzelne Merkmale gesehen, gespeichert und übernommen: eine neue Kragenform, eine Verzierung oder die Rocklänge. Diese Merkmale wurden dann auch von anderen Einwohnern übernommen und teilweise sogar zu der dort bestehenden Tracht als neues Element hinzugefügt! Je größer eine Ortschaft war und je näher sie an einer Großstadt lag, desto eher war die Bevölkerung Einflüssen von außen, d.h. vom Adel oder sogar aus dem Ausland ausgesetzt.   Je mehr Zugang somit jemand zur Kommunikation hatte und je weiter sie reichte, desto größer war auch die Ähnlichkeit zwischen seiner Tracht und der anderer Regionen bzw. Schichten. Genau dasselbe gilt auch noch heute.   Mit der Beschleunigung der Kommunikation im 19.Jahrhundert erreichte der Modewandel auch schließlich die Provinzen und ebnete die regionalen Unterschiede immer mehr ein. Dies erklärt damit auch das Aussterben der regionalspezifischen Trachten im Verlauf des 19.Jahrhunderts und auch den Grund, warum die ländliche Bevölkerung am längsten an ihren Trachten festgehalten haben.   Ein weiterer Grund liegt darin, dass man damals den billigen und weniger wertvollen Materialien immer mehr den Vorzug gab. Diese Veränderung wurde zum Teil von der Industrie beeinflusst, die zum Beispiel bestimmte Stoffe und Bänder, die man zur Herstellung der Trachten benötigte, einfach nicht mehr herstellten, sondern einen billigen Ersatz dafür anboten. Mit der

Zeit wurden somit die kostbaren Kleidungstücke immer weniger im Alltag getragen und eher als untragbar in den Schrank gehängt oder sogar verkauft.   In volkskundlichen Kreisen war man noch vor nicht all zu langer Zeit der Lehrmeinung, dass »Tracht schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschwunden und der städtischen Mode und dem industrialisierten Kleidungsverhalten zum Opfer gefallen sei.« Doch war die Zeit ab 1860 noch nicht einmal in Ansätzen erforscht und die »Vorstellung der »Trachtenpflege« war in den 1980er Jahren noch geprägt von der »Hochblüte« der Volkstracht, also der Zeit nach der französischen Revolution und der Aufhebung der Kleiderordnungen durch Montgelas bis zum Ende des Biedermeier.« (Stefan Hirsch, Bezirksheimatpfleger von Oberbayern in der »aviso«- Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern« im Artikel »Stoff nicht nur für Schneider«) Somit wird noch in viele Richtungen nach weiteren Gründen geforscht, doch ist man weitgehend der Meinung, dass das Aussterben der Regionaltrachten eine Folge des technischen und sozialen Fortschritts ist. Das was wir heute unter Regionaltrachten kennen, sind unterschiedlich abgewandelte Modetrachten, die zur Zeit ihres Aussterbens fossilisiert wurden. Man ging im Alltag einfach zur Modetracht über, so dass sich die einzelnen Regionaltrachten nicht mehr veränderten. Eine Tracht, die niemand mehr im Alltag trägt, wandelt sich nicht mehr mit der Mode und ist somit tot.

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MODE HEUTE

Die Mode ist heute eines der wichtigsten Repräsentationsmittel des Menschen. Die Gestaltung des Selbst, das »Self_Fashioning« wird in unserer heutigen Gesellschaft immer wichtiger und das quer durch alle Einkommensschichten. An der Mode lassen sich allgemeine gesellschaftliche und ästhetische Tendenzen ablesen und bei der Erstellung von Designs spielt die Computertechnologie eine ganz wesentliche Rolle.   Immer schneller kann die Massenproduktion von Mode verändert werden, Varianten von Entwürfen werden blitzschnell erstellt, so dass man auf aktuelle Geschmäcker reagieren kann.   Heutzutage haben wir ein unglaubliches Angebot an Farben, Symbolen, Formen und ausgefallenen High-Tech Materialien. Besonders die Jugendmode zeichnet sich durch ein sehr kreatives und kommunikatives Potenzial aus. Der Käufer bekommt immer mehr Mitbestimmungsrecht und soll selber Entscheidungen treffen. Neben Musik, Magazinen oder dem Internet gehört die Mode zu den wichtigsten Kommunikationsmittel von Jugendkulturen. Jugendstile sind auf Medien beschränkt, die ihnen ohne größere Schwierigkeiten zugänglich sind, um ihr Anliegen an die Öffentlichkeit zu tragen. Vor allem die Kleidung ist prädestiniert eine Stellungnahme zu den jeweiligen herrschenden gesellschaftlichen Normen und Ordnungen abzugeben. Jugendkulturen sind des weiteren Konsumgemeinschaften, die durch die Fetischisierung von Waren bedeutsame Stilelemente kreieren.

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UNIFORM

Der Begriff »Uniform« kommt aus dem lateinisch-französischem und bedeutet gleich-, einförmig, gleichmäßig und einheitlich. Als Uniform bezeichnet man eine gleichartige Kleidung, die bestimmten Richtlinien in Stoff, Farbe und Schnitt unterliegt, um optisch einheitlich in der Öffentlichkeit aufzutreten. Eine Uniform symbolisiert die Funktion ihres Trägers und/oder dessen Zugehörigkeit zu einem Verband, Verein oder zu einer Organisation.   Durch das Tragen der Uniform soll das Individuum seinen Beruf oder seine Aufgabe verkörpern und diese besonders in den Vordergrund stellen.

zieren, spricht man bei diesem Gruppengefühl vom Korpsgeist. Hierdurch sollen die Gruppenmitglieder vor allem zu gemeinsamen Zielen motiviert werden. Der Korpsgeist wird durch das uniforme Auftreten mit eigenen Symbolen, Maximen, Mottos, Maskottchen, Sprüche, Lieder, Ehrungen und ähnliches. Besonders im Militär, in Studentenverbindungen und zum Teil bei Polizeien ist der Korpsgeist weit verbreitet.

Uniformen werden entweder vorgeschrieben (öffentlichen Dienst), sind üblich oder sogar bei Soldaten und Hilfsorganisationen im Auslandseinsatz verpflichtend. Uniformen werden bei der Arbeitsverrichtung, als Dienstuniform / Arbeitskleidung und bei bestimmten Anlässen getragen, z.B. bei Zeremonien. Beim Militär gibt es ein sehr komplexes Gebilde mit sehr vielen unterschiedlichen Ausführungen, Tragweisen und Bezeichnungen. Die ersten Vorläufer der Uniformen waren die Trachten. In der Antike waren sie beim Militär üblich, vor allem bei den Römern, welche jedoch mit dem Untergang des Römischen Reiches auch wieder verschwanden. Im Frühmittelalter trugen nur die Leibwachen der Herrscher, Ordensritter und Stadtgarden eine einheitliche Kleidung. Soldaten trugen bei Feldzügen in Mitteleuropa ein Fahne mit Wappen ihres Landesherrn voran, um sich als feindliche Kampfeinheit erkennbar zu machen. Eine Uniform besteht aus einer kompletten Garnitur der Bekleidung: Kopfbedeckung, Oberbekleidung, Beinkleid, Schuhwerk sowie Dienstabzeichen und Orden.   Träger einer Uniform sind Soldaten, Polizeivollzugsbeamte, Zollbeamte, Strafvollzugsbeamte, Feuerwehrleute, Rettungsdienst-Angehörige, Dienstboten, Offiziere bei der Handelsmarine, Pfadfinder, Piloten, Angestellte der Eisenbahn und Post.   Wenn sich Mitglieder mit einer Gruppe identifi-

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UNIFORMITÄT

Uniformität bezeichnet die spezifischen kulturellen Phänomene, die ein einheitliches Erscheinungsbild aufweisen und an den Körper als Austragungsort gebunden sind.   In traditionellen Kontexten wie Militär, Kirche, Staat oder Unternehmen wird die Uniformität durch Verordnungen bewirkt.   Durch die Vereinheitlichung des Aussehens wird die visuelle Kennzeichnung von Gruppenzugehörigkeit mit ihren eindeutig markierten internen Hierarchien, sowie die gleichzeitige Abgrenzung nach außen erreicht. Dazu zählen die körperliche Performanz, Kleidung und Verhaltenscodex.   Durch die Integration in ein klar gegliedertes Ordnungsmodell verschafft die Uniformität dem Individuum eine soziale Identität. Jenseits institutioneller Verordnungen, im alltäglichen Kontext der Konsumkultur, bildet sich das Prinzip der Uniformität anders heraus. Die Uniformität der seriell produzierten Kleidermode, Massenmode, wird von den Konsumenten nicht gewünscht. Daher entwickeln sich vor allem in den Jugendkulturen wirkungsvolle Gegenstrategien, die Individualität als Differenz in den Vordergrund stellen, ohne jedoch die Identität mit einer Gruppe auszuschließen. Auch in den alltäglichen Medien und in künstlerischen Räumen unserer heutigen visuellen Kultur gilt das Prinzip der Uniformität. In der Bildenden Kunst wird sie zu einer neuen Strategie, obwohl sie eher negativ konnotiert ist und mit der Aufgabe von Individualität und künstlerischer Originalität gleichgesetzt wird. Am stärksten wird die Uniformität, wenn standardisierte Technologie in die Mode eindringt und tragbar wird. Der Körper spielt bei der Uniformität eine ganz besondere Rolle, da er das Phänomen der Uniformität an die Materialität zurück bindet. Uniformität ergibt sich bei den Jugendkulturen im Rahmen der Szenebildung. Uniformität als Konzept und strukturelles Prinzip bewegt sich somit aus den traditionellen Feldern, wie Militär, Kirche, Staat und Wirtschaft immer mehr hinaus in unterschiedliche Alltagskontexte wie Jugendkulturen, Firmen und Medien.

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UNIFORM UND STIL Während die Uniform normalerweise »von oben« verordnet wird, erfolgt die Stilbildung auf einem informelleren und vermeintlich individuellerem Wege. Aber auch der Stil gliedert Individuen in ein kollektives Kategoriesystem ein, wie bei der Tracht. Dem Konzept der Uniform ähnlich, vermittelt der Stil auch Abgrenzung gegenüber anderen und gleichzeitig Anpassung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Mit der Uniformität verdichten sich die Beziehungen zwischen einzelnen Individuen und Gruppen über Körper und Kleidung und werden auch materiell besonders betont.   Die Konstruktion von Differenz ist nicht der Gegensatz zur Uniformität. Vielmehr geht es um die Bedingungen und Formen, in denen sich Differenz und die Konstruktion persönlicher und sozialer Identität materiell äußern und repräsentieren.   Mode aus jugendkulturellen Bekleidungspraktiken werden somit nicht als Gegenpart zu Uniformität begriffen, denn Uniformität ist an keine spezifische materielle Form (wie etwa »die Uniform«) gebunden. Uniformität und Mode bedingen einander und können nur in ihrer Relation zueinander wahrnehmbare Konturen entwickeln. Die Entwicklung einer Tracht ist vor allem ein Versprechen und die Suche nach Individuation, denn das Individuum möchte die eigene Einzigartigkeit durchsetzen und unter Beweis stellen, sich aber trotzdem einer Gemeinschaft oder Gruppe zugehörig fühlen. Als Fazit dieses Kapitels wird nun deutlich, wo die Überschneidungen und Gemeinsamkeiten zur Tracht liegen und von welchen Aspekten sich die Tracht ganz deutlich abgrenzt.

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KOSTÜM

KLEIDUNG

Der Begriff Kostüm bezeichnet in allgemeinster Bedeutung das den verschiedenen Geschichtsepochen, Ländern, Ständen etc. Eigentümliche und Allgemeinübliche in Tracht, Sitten und Gebräuchen; insbesondere die Art und Weise, sich zu bekleiden, die Wahl der Bekleidung und Schmückung des Körpers nach Form, Farbe und Stoff, einschließlich des eigentümlichen Schnittes oder Arrangements der Haare und des Bartes, der Färbung oder Bemalung der Haut, der Fingernägel etc.

Kleidung ist die in verschiedensten Formen und aus unterschiedlichem Material gefertigte Körperbedeckung einschließlich Unterkleidung, Fußbekleidung und Kopfbedeckung. Kleidung trägt man zum Schutz vor Umwelteinflüssen und Verletzungsgefahren, andererseits dient sie in ihrer Gestaltung auch der nonverbalen Kommunikation und setzt Zeichen. Sie dient zur Anpassung des Äußeren an kulturelle, religiöse, standesgemäße und berufliche Gegebenheiten, sowie als schmückende und rein modische Veränderung.

Das Kostüm eines jeden Volkes wurde bestimmt durch die Beschaffenheit des Klimas, durch ihren Charakter und Lebensweise, durch den Boden und Anbau, durch die Viehzucht, etc. Die Tätowierungen der Polynesier, die Federtracht der Indianer, Tierfelle der Germanen, Leinen- und Baumwollstoffe der Ägypter, starre Seidenstoffe der Orientalen, weiche Wollstoffe der Griechen, die römische Toga, waren immer entsprechend dem Streben des Volkes nach würdevoller Erscheinung.

Als Kleidung bezeichnet man die Gesamtheit aller Materialien, die den Körper des Menschen als eine künstliche Hülle umgeben. Je nach klimatischen, individuellen und modischen Bedürfnissen des Menschen hat sich die Kleidung kultur- und zeitabhängig sehr unterschiedlich entwickelt. Reine Schmuckgegenstände gehören nicht zur Kleidung.

Das Kostüm war daher ursprünglich die Nationaltracht, welche bei den Völkern der Alten Welt so lange für den strengen Unterschied der Rassen und Nationalitäten charakteristisch war. Bis zu dem Zeitpunkt, als die römische Weltherrschaft die ganze antike Welt umspannte und Rom tonangebend für das Kostüm der zivilisierten, unter römischer Oberhoheit stehenden Bevölkerung des Morgen- und Abendlandes wurde. Die römische Tracht wurde die modische Tracht und damit erschien auch zum ersten Mal der Begriff der Mode.

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SCHM Durch ihre Plastizität und damit auch ihre Eigenständigkeit grenzen sich Schmuckstücke von anderen Schmückungen des Körpers wie zum Beispiel von der Körperbemalung, Tätowierungen oder Ziernarben ab. Der starke Bezug von Schmuck zum Körper verstärkt sich bei Schmuckstücken, die durch eine ganz direkte, innige Bindung an bestimmte Körperteile angebracht werden.

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Nasen- und Ohrringe, afrikanische Lippenscheiben und auch alle Arten von Piercings durchdringen den Körper und sind oft auch speziell auf diese Körperteile angepasst, so dass sie auf keine andere Art und Weise mehr verwendet werden können. Untersucht man den Begriff »Schmuck« sprachgeschichtlich, findet man ihn im Grimmschen Wörterbuch als Verbalsubstantiv zu »schmiegen«.


MUCK Schmuck bezeichnet somit die Handlung des Anschmiegens, sowie auch das sich Schmiegende, besonders von Kleidung und anderen Zierraten. Wichtig ist jedoch, wenn man von der Kleidung als Schmuck spricht, dass sie nicht einfach den Leib deckt, sondern dass sich mit ihr das Schรถne, Kostbare und Verzierte verbindet.

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SCHMUCK IST IDENTITÄT In traditionellen Kulturen außerhalb Europas ist Schmuck der wichtigste Ausweis für die ethnische, soziale, ökonomische, geschlechtsspezifische oder religiöse Identität seines Trägers. Neben Behangschmuck (Ketten), Bandschmuck (Stirnbänder, Gürtel), Ring- beziehungsweise Spangenschmuck und Einsteckschmuck (Zierkämme, Federn) erfüllen auch Bemalen, Tätowierung, Deformierung einzelner Körperteile sowie das Anbringen von Zierrat auf der Kleidung das Schmuckbedürfnis.   Aber nicht nur Schmuck im traditionellen Sinne, sondern auch Kleidung, Haartracht, Körperbemalung, Tätowierungen oder Schmucknarben sind Zeichen am Körper und unterstreichen die Ausstrahlung und Persönlichkeit ihres Trägers. All diese unterschiedlichen Schmuckarten sind Ausdruck von Schönheitssinn, Schmucktrieb, Anerkennung (Prestigebedürfniss) und somit auf Kommunikation ausgerichtet. Gegenstände die diese Bedürfnisse befriedigen, können als Schmuck definiert werden.   Ursprünglich wurde Schmuck zur Abwehr von Gefahren und Geistern verwendet oder man trug ihn als Talisman. Auch diente Schmuck dazu, die Attraktivität, die soziale Rolle oder den Stellenwert einer Person innerhalb einer Gesellschaft oder Gruppe zu kennzeichnen, zu erhöhen oder einen Status sichtbar zu machen. Des weiteren benutzte man Schmuck zur Aufbewarung und zur Schaustellung von Reichtum, als Schnalle, Gürtel oder Knopf hatte Schmuck praktische Funktionen, da er die Kleidung zusammenhielt.

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WERTIGKEIT VON SCHMUCK Die Verwendung von kostbaren Edelmetallen und Edelsteinen hat beim Goldschmieden eine lange Tradition und auch Berechtigung. Diese Materialien besitzen besondere Eigenschaften wie Härte oder optische Auffälligkeit, stellen einen Materialwert dar und dienen daher auch zur »Hortung und Zurschaustellung von Reichtum« (dtv Lexikon). Schmuck als Wertanlage spielt seit jeher eine wichtige Rolle, doch ihn nur unter diesen Aspekten zu betrachten und herzustellen, ist für mich eine eingeschränkte Betrachtungsweise.

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STATUSSYMBOL

Viele Menschen sehen Schmuck als reine Wertanlage, vergleichbar mit Sparbüchern, Goldbarren oder Aktien. Reichtum in Form von Schmuck zu tragen und zu demonstrieren ist für viele schwer nachvollziehbar, doch in manchen anderen Kulturen der »Dritten Welt« tragen noch heute die Frauen ihr gesamtes Vermögen in Form von Schmuck mit sich herum, da im Falle einer Verstoßung vom Mann, dieser Schmuck ihre ganze Lebensversicherung ist. Es wird sogar vermutet, dass Schmuck bereits in der Altsteinzeit, vor ca. 50.000 Jahren dazu verwendet wurde, Fremden gegenüber den eigenen Status anzuzeigen. Und es ist interessant, dass dieser Brauch von Schmuck als Wertanlage noch bis heute in unseren Kulturkreisen erhalten blieb.

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SCHMÜCKEN ALS NONVERBALE METHODE DER KOMMUNIKATION Als nonverbale Kommunikation wird der Teil der Kommunikation des Menschen bezeichnet, der nicht mittels einer gesprochenen, gebärdeten oder geschriebenen Sprache erfolgt, sondern durch nichtlinguistische Mittel. Dazu zählen Körperhaltung, Gesten, Mimik, nicht-sprachliche Laute, Piktogramme und natürlich auch Trachten und Schmuck. Das Benehmen, die geistige und sittliche Haltung einer Person oder einer sozialen Gruppe hat auch wichtige nicht-sprachliche Komponenten.

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SCHMUCK & KLEIDUNG Der Bezug von Schmuck zum Körper verschwimmt zunehmend bei Halsketten, Amuletten oder Broschen. Da diese Schmuckstücke meistens über der Kleidung getragen werden, entsteht ein fliessender Übergang zum Textilschmuck. Dazu gehören Manschettenknöpfe, Orden, Krawattennadeln, Zierknöpfe oder Charivaris. Kleidung an sich kann durch seinen textilen Charakter von Schmuck gut abgegrenzt werden, doch wenn Metalle wie Textilien verarbeitet werden, zum Beispiel als Kettenhemd, oder wenn Textilien mit Metallen verwebt oder verziert sind oder Schmuck aus Textilien hergestellt wird, wie bei Leder- oder Filzschmuck, dann ergeben sich Abgrenzungsprobleme. Gerade diese Mischformen von Schmuck finde ich sehr spannend und gerade bei den Trachten gibt es viele davon, wie z.B. der verzierte Gürtel, die bestickte Schürtze oder die mit Knöpfen voll benähte Weste. Auch in Asien findet man Kopfschmuck, der mit kostbaren Steinen besetzt ist. Objekte bei denen eher die Funktion und der Verwendungszweck im Vordergrund steht oder die als Gebrauchsgegenstände gelten, werden nicht als Schmuck bezeichnet. Doch auch hier sind die Abgrenzungsmerkmale fliessend: verzierte Waffen für dekorative Zwecke, Schlag- , Gift- oder Siegelringe sind wegen ihres Werkzeugcharakters einen Grenzfall, sowie Haarspangen, Krawattennadeln oder Gürtelschnallen, die eher als Gebrauchsgegenstände gelten.

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TRACHTENSCHMUCK

Schmuck ist ganz wichtiger Partner der Tracht. Sein Auftreten ist brauchtümlich geregelt und in Kleidungs- und Körperschmuck, Brust- und Hals- oder Kopfschmuck meistens genau festgelegt. Die sozial bezogenen Aspekte der Tracht in der Gemeinschaft, nimmt auch der Schmuck auf, indem er als Standesabzeichen und Statussymbol dient, doch besitzt er einen viel engeren Individualbezug und hat auch einen starken Bedeutungsgehalt als religiöses, rechtliches und apotropäisches Zeichen. Eine Tracht ist erst mit dem dazugehörigen Schmuck vollständig, weshalb sie auch eine untrennbare Einheit bilden, ein Gesamtbild was mich so fasziniert.

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INSZENI Wir leben in einer ästhetisierten Lebenswelt und wir tun, was wir tun, kaum noch unreflektiert.   Es gibt viele Ausdrucksmittel, mit denen wir uns jeden Tag aufs Neue selbst herzustellen suchen. Dies können Trachten sein, aber auch andere Kleidungsund Schmuckstücke, Hunde, Telefone, Haarschnitte, Taschen, Fahrräder, Möbel, sogar Autos, Häuser oder lifestyle, sobald sie eine deutbare Ausdrücklichkeit erreichen, d.h. sobald sie ihre unbefragte Selbstverständlichkeit verloren haben. Der Begriff der Inszenierung bedeutet genau dies: »In die Szene setzten«, ein Werk vollständig zur Anschauung bringen, um durch äußere Mittel die Absicht zu ergänzen und die Wirkung des Werkes zu verstärken. Das Meyers Lexikon definiert Inszenierung, als den »Prozess des Auswählens und Arrangierens von etwas mit dem Ziel der Präsentation vor Dritten. In seiner Gesamtheit schließlich das entstandene Werk. Darstellerische Mittel einer Inszenierung können alle Formen menschlichen Ausdrucks (Sprache, Bewegungen, Gesten) sein, auch in Verbindung mit technischen Repräsentationsformen (Schrift, Bild, Musik, Film).«

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IERUNG

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TRACHT ALS INSZENIERUNG Eine Tracht gilt als Zeichen, als Bekenntnis und als eine Spielform von Ausdrucksmöglichkeiten. In der Kultur der Moderne wird die Tracht in Prozessen der Selbstherstellung zur Inszenierung und Darstellung genutzt. Dies steht für ihre Brauchbarkeit im reflektierten und deshalb auch berechenbaren Schaffen von »Images«, von einem gewissen Bild.

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DIE TÄGLICHE INSZENIERUNG Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, schaue ich nach, wie ich mich fühle und in welcher Kleidung ich mich heute gerne sehen möchte und vor allem wohl fühle. Nach diesen instinktiven Gefühlen wähle ich dann die Farben, Kleidungsstücke und auch den Schmuck aus. Somit kann ein geübter Beobachter an meiner eigenen Inszenierung genau erkennen, wie ich mich fühle und wonach mir an diesem Tag ist. Natürlich setzt dieses Verhalten auch eine gewisse Kleidungsvielfalt und Schmuckschatz voraus und auch die Leidenschaft sich an diesem täglichen Entscheidungen seines Auftretens zu erfreuen und der Wunsch sich über diesen Weg mitzuteilen. Somit werden Trachten, Kleidung und Schmuck in die feine, tägliche Architektur der eigenen, ganz persönlichen Lebensgeschichte eingebaut. Trachten und »normale Kleidung« können also miteinander, als auch stark gegeneinander existieren und einem ständigen Wandel unterzogen sein. Auch die Grundbedeutungen der Tracht sind in einem ständigen Wechsel und Nutzungsaustausch, wobei manche Merkmale jedoch immer haften bleiben.

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KLEIDERCODE

Ein weiterer wichtiger Begriff im Zusammenhang mit Trachten, den ich nun erklären möchte ist der »Kleidercode«. Unter dem Begriff »Kleidercode« versteht man die Kleidung als Zeichensystem bzw. als nonverbale Sprache. Der Kleidercode steht im Gegensatz zur Kleiderordnung, mit der Regeln oder Erwartungshaltungen verbunden sind. Das Zeichensystem der Kleidung beruht auf Variabilität der Kleidung: lang und kurz, eng und weit, bunt und einfarbig, matt oder glänzend, usw.   An diese unterschiedlichen Farb-, Form- und Materialvariablen sind unterschiedliche Bedeutungen geknüpft, die sich je nach Kultur und Konvention verändern. Häufige Bedeutungen sind männlich und weiblich, alltäglich und feierlich, sowie Assoziationen bezüglich des gesellschaftlichen Status.

Das Zeichensystem des Kleidercodes ermöglicht somit eine klare Unterscheidung z.B. zwischen Gast und Kellner, weist einen Bahnbegleiter als Ansprechpartner aus oder kennzeichnet im Militär die Verantwortlichkeit anhand der Uniform. Der Kleidercode markiert und begrenzt Sozialräume, zum Beispiel beim Uniform- und Frackzwang oder bei der Tracht der Mönche. Der Kleidercode kann auch Ausgrenzung (mit Gefängniskleidung oder dem Judenstern) genauso wie

Die Gesamtheit der zeichenhaften Elemente in einem Kleidungsstil eines Individuums bezeichnet man somit als Kleidercode. Insgesamt umfasst der Kleidercode (im weitesten Sinne) die vielen verschiedenen Formen und Arten der gesamten äußeren Erscheinung eines Menschen, das heißt alle Kleidungsstücke, Accessoires, Schmuck und sonstige Maßnahmen der Körpergestaltung. Dazu gehört also, neben der Gesamterscheinung, mit Kleidungsstücken, Kopfbedeckungen, Haarschnitt … auch Farben und Marken, sowie Formen der Bewegung und des Verhaltens. Der Kleidercode stellt nicht nur die Hierarchieansprüche (wie Rang, Titel, Orden, Gehalt) innerhalb eines sozialen Systems dar, sondern ist auch für die Orientierung und Funktionsabgrenzung notwendig. Daher unterscheiden sich auch verschiedenste Subkulturen und Szenen, sowie »normale« Arbeits-, Freizeit-, Geschäfts- und Festtagskleidung voneinander.

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Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen, Traditionen und Weltanschauungen (Kopftuch) signalisieren. Der Kleidercode ist somit eine Selbstinszenierung und ganz persönliche Aussage. Er umfasst das Syling und Outfit, wobei es nicht nur im nationalen, sondern vor allem auch im internationalen Stil deutliche Unterschiede zwischen Europa und anderen Kontinenten gibt.   Die eigene Meinungsäußerung über den Kleidercode durch Aufdrucke (bei T-Shirts) und Buttons ist eine weitere Variante der Selbstinszenierung. So kann dann auch die Religionszugehörigkeit, die Lieblingsband, der Lieblingsfußballverein und vieles andere nach außen

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kommuniziert werden.   Darüber hinaus signalisieren Elemente der Kleidung eine rollenspezifische Zugehörigkeit und Zuordnung, zu einer oder mehreren Gruppen. Diese Gruppen sind hierarchisch geordnete Gruppen (wie Stand, Schicht, Klasse, etc.) und gleichberechtigt nebeneinander bestehende Gruppen (wie z.B. Familie oder verschiedene Szenen). Diese durch den Kleidercode vermittelten Zeichen signalisieren somit Ansprüche auf einen gesellschaftlichen Status, indem sie dem jeweiligen Dresscode der Gruppe gerecht werden.


KLEIDERCODE ALS WANDELNDE SELBSTORGANISATION Der Kleidercode ist des weiteren (im Gegensatz zu Kleiderzwang und Kleiderordnung) eine sich sehr stark wandelnde Form der Selbstorganisation. Dieser ständige Wandel entsteht durch soziale und mehr oder weniger geschlechtsspezifischen Verhaltensnormen. Diese setzen sich teilweise so stark durch, dass sie als Mode bezeichnet werden können. Dementsprechend gibt es starke Unterschiede zwischen Zeitstilen und Alters- bzw Generationsstilen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Strumpfhose, die ursprünglich ein rein männliches Kleidungsstück war, dann im 20.Jahrhundert für Kinder und Frauen wieder eingeführt wurde und in den letzten Jahren, aufgrund des Unisex Trends, wieder zunehmend von Männern getragen wird. Man sieht also, dass sich die geschlechtsspezifischen Zuordnungsmuster mit der Zeit immer wieder wandeln.

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KÖRPERGESTALTUNG

Im engeren Sinn meint Körpergestaltung nur die unmittelbare Veränderung des Körpers, im weiteren Sinne jede Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes.   Körpergestaltung kann die natürliche Erscheinung unterstreichen oder die Attraktivität einer Person verstärken. Körpergestaltung dient auch der Stilisierung, des Stylings, also der Inszenierung eines bestimmtes Stils. Dieser Stil kann individuell oder ein aktueller Modestil sein.

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KONZEPTF

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FINDUNG

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MEINE SCHMUCKDEFINITION ZEICHEN AM KÖRPER Schmuck sind für mich Objekte oder dreidimensionale, eigenständige, plastische Skulpturen, mit denen sich Menschen auf ganz unterschiedliche Weise schmücken und ausdrücken. Schmuck wird am Körper und an der Kleidung getragen, was den starken, ganz persönlichen Bezug zum Träger erzeugt.   Schmuck sind Zeichen am Körper. Er repräsentiert und charakterisiert seinen Träger, unterstreicht bestimmte Körperteile und definiert im optischen Wahrnehmungsbereich seine Identität. Schmuckstücke erweitern den Körper und unterstützen die eigene Ausstrahlung. Schmuck und Körper verschmelzen zu einem Ganzen, zu einer Haltung und Aussage. Schmuck ist für mich innerer Ausdruck, individuelle Aussage, und Kennzeichen der eigenen Persönlichkeit. Schmuck kommuniziert, beinhaltet Botschaften, übermittelt Einstellungen und sagt etwas über die eigenen Ansichtsweisen aus.   Schmuck ist ein Freund und Begleiter im Leben, schenkt dir immer wieder Freude, spendet Kraft und kann viele Gefühle beinhalten.

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MEINE WERTIGKEIT VON SCHMUCK Zu den spannendsten Aspekten von Schmuck gehören für mich ein kreativer, spielerischer Umgang mit neuen Materialien, das Zeigen und der Ausdruck deines Charakters, damit auch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder einem bestimmten Style. All diese Aspekte würden sich nicht entfalten, wenn man Schmuck nur mit kostbaren, wertvollen Materialien und Techniken herstellen würde. Daher sollte jeder ab und zu mal seine Kriterien »edel« und »unedel« in Bezug zu Schmuck mal kritisch auf den Prüfstand stellen. Für mich ist es gerade spannend etwas zu Schmuck zu

erklären was andere so nicht direkt als schön empfinden. Zuerst ist es eine Frage der Wahrnehmung und persönlicher Sichtweise, worin Du Schmuck siehst, was Dich fasziniert und worin Du Schönheit siehst. So ist für jeden ist etwas anderes wertvoll, für jeden etwas anderes Schmuck. Mit deinen Ansichten kommunizierst Du eine Sichtweise und Einstellung, Dein persönliches Empfinden und Sehen, so dass man dich über deinen Schmuck identifizieren könnte.

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FASZINATION SCHMUCK Wenn ich einen Gegenstand sehe und mich seine Farbe, seine Materialität und Form fasziniert reicht das, um ihn Schmuck zu nennen. Durch einen respekt- und liebevollen Umgang mit diesem Objekt werte ich ihn auf und er entwickelt sich durch einen Gestaltungsoder Befestigungsakt zu einem Schmuckstück und ist vollkommen, sobald er an meinem Körper angekommen ist. Somit ist die Handlung, der Umgang und der Gestaltungsakt wichtig, um etwas zu Schmuck werden zu lassen.   Schmuck aus alltäglichen Materialien wie Plastikabfall, Broschen aus Silikonabdrücken oder eine Halskette aus alltäglichen Putzlappen, eingeschnitten, zusammengenäht und verknotet, bestickt mit Perlen und bemalt mit Nagellack. Auf diese Weise entsteht mein Schmuck, der so wertvoll ist, wie meine mit ihm verknüpften Gefühle, Assoziationen und Erinnerungen.

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SCHMUCK IST INNERER AUSDRUCK Schmuck ist eine Möglichkeit sich auszudrücken, Stellung zu nehmen und etwas zu kommunizieren, deine Aussage und individuelle Philosophie. Schmuck trägt deine Meinung, visuell und an deinem Körper, der äußere Hülle deiner Seele ist. Schmuck ist ein von außen, an den Körper herangetragenes Objekt, welches eine Beziehung mit ihm eingeht. Der gestalterische Prozess des Schmückens muss erkennbar sein, denn Schmuck ist nichts zufälliges oder etwas schon zu deinem Körper gehörendes.

Seit Jahren arbeite ich in verschiedene Richtungen und suche nach Wegen unterschiedliche Disziplinen und Techniken miteinander zu verbinden. Dies bietet mir, die für mich wichtige Freiheit, ganz intuitiv, uneingeschränkt und spielerisch Methoden und Ansätze zu verbinden, um dadurch ganz frei und authentisch gestalten zu können. Von einschränkenden, konventionellen Grenzen habe ich mich zu befreit, um neue Gestaltungssprachen und auch mich weiter entwickeln zu können.

Dieser Ritus des Schmuck machen, entsteht, um sich von der Natur abzugrenzen und der Mensch spiegelt sich im Machen des Ritus wieder. Die Wahl eines Schmuckstückes ist durch Prägung bestimmt, wobei der zeitliche Kontext und der kulturelle Hintergrund unsere Betrachtungsweise stark beeinflusst.   Die Schmuckprägung ist der gegangene Weg individueller Vorlieben, tief verwurzelt in einem Meer voller Lebensgeschichten und prägenden Momenten. Menschen, Aussagen, Orte, Stimmungen, Objekte, Formen, Erlebnisse und Gefühle prägen deine Seele, deine Wahrnehmung, deinen gestalterischen Anspruch, dein Ich.   Dazu gehören Objekte, Farben, Materialien und Formen, die einem gefallen und dich glücklich stimmen. Dinge mit denen man sich gerne täglich umgibt.   Um die eigene Schmuckprägung zu entdecken braucht man eine spielerische Leichtigkeit, Sensibilität, Spontanität und Mut zur Ehrlichkeit. Im Schmuck vereinen sich Triebe, Wünsche und Sehnsüchte. Der Schmucktrieb beschreibt den Drang sich im Schmuck auszudrücken, den Wunsch, sich optisch durch Schmuck, von anderen abzugrenzen und seiner Individualität Ausdruck zu verleihen und sich zu seiner gesellschaftlichen Stellung zu bekennen. Im Studium habe ich mich mit der Wertigkeit und der Faszination von Schmuck auseinandergesetzt. Immer wieder Schmuck aus unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet, Versuche durchgeführt, Wertvorstellungen hinterfragt und nach Möglichkeiten gesucht, meine Bewunderung auszudrücken und in Form zu bringen.

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DIE WECHSELWIRKUNG VON TRADITION UND TREND Mein Fazit zur Tracht Bei dem Thema der »Tracht« handelt es sich um ein ziemlich kompliziertes Thema. Manche Wissenschaftler setzen Mode und Tracht als Oppositionspaar gegeneinander und stellen der beständigen und dauerhaften Tracht die kurzlebige und flatterhafte Mode gegenüber. Wiederum andere sehen die Tracht in Zusammenhang zur Mode.   Einerseits hat sich die Verwendung vom Begriff »Tracht« als Synonym zu Kleider und Kleidungsweise verengt, bezeichnet heutzutage eher das Gegenteil der Mode und bezieht sich nur noch auf die einer bestimmten Gemeinschaft eigene einheitliche Kleidung.   Andererseits sind auch heutige Uniformen eine Art von Trachten, Amtstrachten. Die klassische Kleidung der Zimmermannsleute, die weißen Kittel der Ärzte, die grünen Kittel der Chirurgen mit ihrem Mundschutz und Haube oder der Blaumann des Fabrikarbeiters dies sind alles Berufstrachten. Sogar die Kleidungsstile der Hippies, Punks oder Rocker könnten als Tracht angesehen werden, weshalb es wirklich unsinnig wäre, den Begriff »Tracht« nur mit den ländlichen Volkstrachten in Verbindung zu bringen.   Jedoch sollte man bedenken, dass die Tracht keine Uniform mit verrückbaren Strukturen war. Sie folgte ihren eigenen Modegesetzen und so gab es zu jeder Zeit unfeine Kleidungsstücke, an denen man eine finanzielle Schwäche ablesen konnte. Trotzdem folgt die Tracht selbst in Zeiten ihrer Einbindung in Modeströmungen immer noch klassischen Formmustern. Trotz aller Geregeltheit der Tracht blieb dem Einzelnen noch immer ein Spielraum für individuell ästhetische Entscheidungen. »Tracht« ist demnach ein Kleidungsensemble, das von einer bestimmten Gruppe getragen wird und diese Gruppe von allen anderen unterscheidet. Ob diese Unterscheidung eine berufliche, regionale oder soziale ist, ist unerheblich.

Die Deutung der Tracht und damit auch ihre Nutzung hat sich verändert. Trachten sind längst nicht mehr einseitig, sondern elastisch und immer neuen Kontexten und Zeiten anpassbar. Somit entstehen und verändern sich die Formen und Grundbedeutungen der Trachten in einem ständigen Nutzungsdiskurs, wobei manche Merkmale aber bestehen bleiben. Diese Merkmale interessieren mich auch in meiner Arbeit, wie z.B. die Schürze, Haube, das kostbar Gesticktev und reich Verzierte und vor allem die Frage, wie sie in unserer heutigen Zeit wohl aussehen würden.   Sich symbolisch festzulegen, im Rahmen von Mode, Schmuck, lifestyle oder mit anderen Dingen, führt über viele Entscheidungen zu einer Bekenntnis. Man bekennt sich zu diesen Zeichen und Symbolen. Daher ist eine Tracht gedeutet, hat Bedeutung und ist ein Zeichen. Genau wie Schmuck! Unsere Moderne benötigt einen erhöhten und spezifisch anmutenden Zeichenbedarf. Das erkennt man alleine an den vielen neuen schmückenden Formen im Bereich der Mode, Accessoires, mit Brandings oder Logos.   Die Entwicklung der eigenen Tracht ist somit vor allem die Suche nach Individualität, mit der man die eigene Einzigartigkeit durchsetzen und unter Beweis stellen will.

Eine Tracht, die niemand mehr im Alltag trägt, wandelt sich nicht mehr mit der Mode und ist somit tot. Genau an diesem Punkt möchte ich nun anknüpfen und die Tracht wieder zu neuem Leben erwecken.

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Trachten setzten Zeichen, die Zugehörigkeit, Regionalität und Nationales vermitteln und somit auch ein Stück weit gegen den Prozess der heutigen Globalisierung laufen können. Doch anders herum ist es noch viel spannender. Wir leben heutzutage in einem globalen Dorf, dem »Global village«. Jedes Land und jede Stadt ist auf irgendeine Art und Weise miteinander verbunden, man kann überall hinreisen und sich über Alles untereinander austauschen.

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TRADITIONELL & AKTUELL Die Tracht war schon immer verbunden mit Werten, mit Brauchtum und Moral. Sie war sinnvoll, hatte eine Aussage und Ordnung. Die Rückbesinnung, das Anerkennen und der bewusste Umgang mit diesen Werten ist mir für meine Arbeit wichtig, um diesem Thema den entsprechenden Respekt entgegen zu bringen. Doch ist mir genauso wichtig die Tracht als ein offenes, lebendiges Gefüge zu sehen, als etwas, dass sich wandelt und weiterentwickelt. Ich bin der Ansicht, dass die Mode (Mode im weiten Sinne, wie schon erklärt) schon immer Einfluss auf die Tradition und somit auch auf die Trachten hatte. Somit ist auch meine EINTR8 geprägt von zeitlichen Stilwechseln und kulturellen Erscheinungen. Die EINTR8 beinhaltet Erneuerungen und Erweiterungen ohne den Ursprung der Tracht aus den Augen zu verlieren. Gemeinschaften sind heute wie damals vor tausenden von Jahren lebenswichtig und der Hang des Menschen zur Gemeinschaft somit »naturgegeben«. Im Laufe der Zeit haben sich neben der Gemeinschaft der Familie und Sippe viele neue Gemeinschaften entwickelt, wiederum andere haben sich zurückgebildet. Es gibt Vereine, Jagt- und Fußballvereine, Tanzgruppen, Musikszenen, Mode- und Kunstinteressierte, politische, studentische und religiöse Verbindungen etc etc   Durch die immer weiter zunehmende Globalisierung sind uns auf einmal auch Interessensgemeinschaften aus fremden Ländern und Kulturen zugänglich. So ist es durch das Internet zum Beispiel möglich Gemeinschaften in ganz anderen Größenverhältnissen zu bilden. Die Vorraussetzungen sind damit optimal gegeben, die regionale Grenze zu überschreiten und weltweite Gemeinschaften zu bilden.   Deshalb ist die Zeit für mich reif den Versuch einer multikulturellen, »Melting Pot-Tracht« zu starten und die verschiedenen Kulturen und Werte, die mich und meine Umwelt ausmachen, zu einer gemeinsamen Tracht zu vereinen, zu einer EINTR8! Es beginnt ein großes Zusammenschmelzen verschiedenster Kulturen und Sprachen, Zeichen und Symbole, Interessen und Werte.

und Sitten aus anderen Ländern und Kontinenten für sich zu entdecken. Mein Leben wäre um sehr viele, wunderschöne Dinge ärmer, gebe es nicht diese wunderbaren, geheimnisvollen Länder und Kulturen dieser Welt. Ich finde es wichtig diesen fremden Kulturen mit Respekt zu begegnen, damit ihr Eigenes bewahrt wird.. Seit meiner Kindheit bin ich geprägt von den Geschichten meiner Eltern, wie sie auf Reisen waren: Indien, Malaysia, Afghanistan, Indonesien, Marokko… um nur einige zu nennen. Entsprechend kochen, spielen, schmücken, dekorieren und leben wir in einem eigenen multikulturellen Mix aus vielen Kulturen.   Mich interessieren die unterschiedlichen Anmutungen des eigenen Heimatlichen, die auch von jedem Menschen als etwas Spannendes und Unterscheidendes gesucht und angenommen werden. Gleichzeitig aber auch gemeinsam für unsere moderne Gesellschaft stehen. Somit empfinde ich die Kultur in der ich lebe, als eine übergreifende Lebenswelt, als Inspiration und Bezugskontext für die Entwicklung und den Umgang mit meinen Trachten.   Bei meinen Trachten ist daher die Region aus der ich komme nicht wichtig, denn was kann es schon aussagen, dass ich in Düsseldorf geboren und in Unterbilk aufgewachsen bin? Viel wichtiger ist mein Umfeld, meine Familie, meine Freunde, meine Interessen, meine Reisen, Ziele, Lieblingsfarben, Leidenschaften und noch so Vieles mehr!? Diese Dinge beschreiben mich und mein Wesen viel genauer und damit auch mein Umfeld.

Ich sehe es als wunderbare Bereicherung die Kulturen

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FÜR WEN SIND MEINE TRACHTEN? Meine Trachten entwerfe ich für Menschen die meine Interessen teilen, die sich für Kunst, Malerei, Schmuck, Musik, Tiere, Technik und Mode interessieren. Für Menschen jedes Alters, die Freude an Farben, interessanten Formen und spannenden Materialitäten haben, die sich gerne einkleiden, inszenieren und sich auszeichnen möchten. Für Menschen die ihr Inneres nach Außen tragen wollen und ihrer Persönlichkeit Ausdruck verleihen möchten. Für Menschen die auf dem optisch, schmückendem Weg zeigen möchten, für was sie sich interessieren und welche Leidenschaften sie ausmachen. Mensch zu sein heißt sich zu schmücken, sich in Objekten und Gegenständen widerzuspiegeln und sich wieder zuerkennen. Wir haben einen ureigenen Schmucktrieb. Ich möchte Menschen für eine neue Art des Schmückens sensibilisieren, eine Art sich am ganzen Körper, als eine Einheit zu schmücken, mit einer Tracht.   Sich seine eigene Tracht zu kreieren ist ein Prozess mit vielen Entscheidungen. Welche Gegenstände bringe ich an meinen Körper, welche Dinge müssen in meiner Tracht vorkommen, da sie zu mir gehören und mich auszeichnen? Welche Farben sind die meine und welche Formen der Kleidung entsprechen meiner Person? Betone ich meine Weiblichkeit, meinen Status, dass ich ledig bin oder verheiratet? Was ist mir wichtig?   Ich muss mich selber kennen und mich mit mir selber auseinandersetzen, um überhaupt zu wissen, wer ich bin. Dann erst kann ich versuchen meine »Repräsentanten« zu suchen.   Desweiteren entscheide ich mich für eine bestimmte Art und Weise der Anbringung. Wie trage ich etwas? Modern, wild, frech, humorvoll oder doch eher klassisch?

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MEINE TRACHTDEFINITION Die Tracht definiere ich als ein eigenes, individuelles Medium, mit dem man seiner Persönlichkeit durch Kleidung, Accessoires und Schmuck Ausdruck verleihen kann.   Die Tracht ist ein einheitliches, in sich rundes, harmonisches Schmuckensemble, eine individuelle Inszenierung am Körper, ohne inhaltliche oder gestalterische Grenzen, ein Schmuckgebilde mit einer gemeinsamen Verbindung durch den Körper. Sich eine Tracht anzulegen ist ein Ereignis und Erlebnis. Es ist ein ganzkörperliches Schmücken, daß mit einem hohen Maß an Auswahlprozessen, einer Vielfalt an Farben, Formen, Symbolen, vielseitigen Ansichten und ausgefallenen Materialien verbunden ist.   Trachten sind wie Gedichte am Körper, eine objekthafte Poesie. Farben und Formen bilden Sätze und Zeichen, spielen und kommunizieren miteinander und vermischen sich zu neuen Gebilden. Durch die Wirkung der Farben, Materialien und Formen soll ein eigenständiges, kunstvolles und selbstredendes Bild entstehen und den körper-

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lichen Raum in ein atemberaubendes Gemälde verwandeln. Das grundlegende, verbindende Glied, der Raum an dem sich alles vereint, ist der menschliche Körper, der Körperraum. Er ist verbindender Ausgangspunkt, der Ort an dem sich alles harmonisch, als ein schmückendes Ensemble einer Selbstinszenierung vereint, als Tracht der Einheit, als »EINTR8«. Diese Art des individuellen Schmückens mit einer Tracht möchte ich den Menschen näher bringen, sie ermutigen und inspirieren die eigene, ganz persönliche Tracht für sich zu entwickeln. Trachten lassen sich in kleinere Objekte auffächern. Sie beinhalten die Freiheit sich in den Gestaltungsprozess mit einzubringen, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen und die Komposition zu verändern, um den eigenen »Auszeichnungsdurst« zu befriedigen. Somit möchte ich zu einer eigenen Zeichenund Körpersprache ermutigen und eine fast vergessene Möglichkeit zur eigenen individuellen Inszenierung zu neuem Leben erwecken.

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EINT

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TR8 Den Titel meines Diploms »EINTR8« habe ich gewählt, da ich in eine Tracht in Eintracht entwickeln möchte. In Einklang mit Mode, Accessoires und Schmuck, mit einer Harmonie zwischen allen verwendeten Farben, Formen und Materialien und mit einer Brüderlichkeit zwischen regionalen und globalen Aspekten der Trachten.   Meine Trachten sollen somit unabhängig von Zeit, Kultur, Alter, Status und Sprache die Menschen dieser Welt durch bedingungslose Schönheit miteinander vereinen und in schmückenden Einklang bringen. Das Wort Eintracht bedeutet nach der freien Enzyklopädie Wikipedia »Einigkeit, Einklang, Friede, Übereinstimmung und Harmonie« und ist desweiteren Synonym für Z.B. »Brüderlichkeit, Einstimmung, Frieden, Gleichgesinntheit, Gleichklang, Gleichtakt, Sympathie und Verbundenheit«. Die Eintracht ist ein friedlicher, brüderlicher Zusammenhalt und steht für Harmonie und Übereinstimmung innerhalb einer Gruppe. Eintracht kommt aus dem lateinischen »concordia« und ist das Gegenteil von Zwietracht. Schön, dass meine Familie seit meiner Geburt auf der Konkordiastrasse lebt.   Die »8« in meinem Diplomtitel »EINTR8« habe ich aus mehreren Gründen gewählt. Einmal ist die 8 gekippt das Unendlichkeitssymbol und damit ein nie aufhörender Kreislauf.   In der christlichen Zahlensymbolik des Mittelalters ist die Acht die »Zahl des glücklichen Anfangs, des Neubeginns, der geistigen Wiedergeburt oder der Taufe und der Auferstehung, Symbol des Neuen Bundes und Symbol des Glücks«. Und die »Oktave als Grundlage des abendländischen Tonsystems spiegelt nach Pythagoras die Harmonie des Kosmos«. (Meyers Lexikon) Auch in meinem Diplom geht es um den Neubeginn und Wiedergeburt der Tracht. Es geht mir darum die Art des Schmückens mit Trachten wieder auferstehen zu lassen, in einer Zeit der unbegrenzten Kommunikation und Kombination. Diesen Kreislauf und die inhaltliche Harmonie zwischen Kulturen und Wertigkeiten wird durch die Zahl, das Symbol und das Zeichen »8« in »EINTR8« nochmals bekräftigt und optisch verdeutlicht.

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KONZEPT

Ich möchte Trachten entwerfen. Trachten wie ich sie mir heute vorstelle und tragen würde.   Diese Trachten sollen die Umwelt und vielseitige Kultur aus der ich komme repräsentieren, meinen sozialen Status, die Szene in der ich mich befinde, meine Gruppenzugehörigkeit und meine Interessen. Deshalb möchte ich das Traditionelle der Trachten mit dem heutigen Zeitgeist verbinden und allgemeine Wertvorstellungen verändern, indem ich moderne und traditionelle Merkmale, Formensprachen, Materialien, Techniken, Muster und Aussagen miteinander kombiniere, neu interpretiere und in die heutige Welt übersetze. Für mich besitzt die Tracht die Kraft alle verschiedenen Elemente aus verschiedenen Zeiten miteinander zu einer äusserlichen und inneren Einheit zu verbinden, was ihr auch die hohe Qualität einer eigengearteten Kulturerscheinung verleiht. In meinen Trachten geht es somit um die Auseinandersetzung mit Wertbegriffen, um die bedingungslose Schönheit von Farben und Formen, um schmückende Gleichberechtigung und um das Teilen meiner Ideen und der mir wertvollen, gesammelten Gegenstände. Meine Trachten bestehen somit aus mich faszinierenden Materialien und Gegenständen aus Alltag, Konsum und der Umwelt, die mich, meine Kultur und meine Zeit in der ich lebe repräsentieren. Mit meinem Diplom »EINTR8« möchte ich den Versuch beginnen meine eigene Tracht zu entwickeln, am Traditionellen anzuknüpfen und es weiterentwickeln. »EINTR8« soll somit gezeichnet sein von meiner heutigen Kultur und Mode, von neuen Medien und Techniken und auch unter diesen wichtigen Charakteristiken herstellen werden.

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LITERATURVERZEICHNIS

------------------------------------------------------------------------Heike Jenß »Sixties dress only – Mode und Konsum in der RetroSzene der Mods« Campus Verlag ------------------------------------------------------------------------G. Mentges, D. Neuland-Kitzerow, B. Richard »Uniformierungen in Bewegung – Vestimentäre Praktiken zwischen Vereinheitlichung, Kostümierung und Maskerade«, Waxmann Verlag ------------------------------------------------------------------------Konrad Köstlin »Tracht und die Inszenierung von Authentizität. Bewegliche Ästhetik im Alltag der Moderne« 2002 Schweizerisches Archiv für Volkskunde . - Basel : Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde ------------------------------------------------------------------------Gitta Böth, Gaby Mentges »Sich kleiden« Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung Band 25 , Hessische Vereinigung für Volkskunde durch Jonas Verlag, 1989. ------------------------------------------------------------------------Walter Hävernick »Kinderkleidung und Gruppengeistigkeit in volkskundlicher Sicht 2« In Beiträge zur Deutschen Volks- und Altertumskunde 6 , 1962 ------------------------------------------------------------------------Gislind M. Ritz »Alter bäuerlicher Schmuck« Verlag Georg D.W. Callwey München, 1978 ------------------------------------------------------------------------Max Tilke »Kostümschnitte und Gewandformen« Wasmuth Ernst Verlag ------------------------------------------------------------------------Ted Polhemus »Streetstyle: From Sidewalk to Catwalk Thames & Hudson Ltd Verlag ------------------------------------------------------------------------Ted Polhemus und Uzi »Hot Bodies – Cool Styles : New Techniques in Self-Adornment« Thames & Hudson Ltd Verlag

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------------------------------------------------------------------------Julie Schafler Dale »KunstKleiderKunst« Propyläen Verlag 1987 ------------------------------------------------------------------------Shoichi Aoki »Fruits« Phaidon Press, 1994 »Fresh Fruits« Phaidon Press, 2005 ------------------------------------------------------------------------Jan Brand, Jose Teunissen »Global Fashion, Local Tradition – On the Globalisation of Fashion« Terra Verlag ------------------------------------------------------------------------Irmgard Gierl »Trachtenschmuck aus fünf Jahrhunderten« Rosenheimer Verlag --------------------------------------------------------------------Karl Gröning »Geschmückte Haut – Eine Kulturgeschichte der Köperkunst« Frederking & Thaler Verlag München, 1997 ------------------------------------------------------------------------Yuka Oyama »Schmuck Quickies« Mima Verlag, 2005 -----------------------------------------------------------------------Patricia Rieff Anawalt »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, 2007 ------------------------------------------------------------------------Malcolm Kirk »Neuguinea - Gesichter und Masken« List Verlag, München, 1981 ------------------------------------------------------------------------Ger Daniels »Schmuckformen der Völker« Wasmuth Verlag, 1989


------------------------------------------------------------------------Konrad Köstlin »Tracht und die Inszenierung von Authentizität – Bewegliche Ästhetik im Alltag der Moderne« Schweizerisches Archiv für Volkskunde 98 ------------------------------------------------------------------------Gertrud Pesendorfer »Lebendige Tracht in Tirol« Universitätsverlag Wagner, 1966 ------------------------------------------------------------------------Sibylle Sättler »Vielfalt in Tracht« LernCafe - Online Journal zur allgemeinen Weiterbildung ------------------------------------------------------------------------Georg Simmel »Philosophische Kultur« Alfred Kröner Verlag, Leipzig 1919 ------------------------------------------------------------------------Jacob Grimm, Wilhelm Grimm »Deutsches Wörterbuch« ,1984

------------------------------------------------------------------------Historisches Lexikon Bayerns - Trachtenbewegung, Trachtenvereine http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44671 ------------------------------------------------------------------------Georg Simmel: Philosophische Kultur http://socio.ch/sim/phil_kultur/kul_13.htm -------------------------------------------------------------------------

------------------------------------------------------------------------Tracht (Kleidung) - Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Tracht_%28Kleidung%29 ------------------------------------------------------------------------Definition Tracht - Meyers Lexikon online http://lexikon.meyers.de/meyers/Tracht ------------------------------------------------------------------------Was ist eigentlich „Tracht“ http://www.marquise.de/de/ethno/bayern/tracht.shtml ------------------------------------------------------------------------Lerncafe - Vielfalt in Tracht http://lerncafe.de/joomla/index.php?option=com_conte nt&task=view&id=74&Itemid=129 ------------------------------------------------------------------------Dirndl und Tracht Lexikon http://www.dirndl-dress.com/de/dirndllexicon.php

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BILDNACHWEIS

------------------------------------------------------------------------Seite 7 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, S.119 ------------------------------------------------------------------------Seite 8 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, S.118 ------------------------------------------------------------------------Seite 9 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, S. 530 & S.58 ------------------------------------------------------------------------Seite 11 »Alter bäuerlicher Schmuck« Verlag Georg D.W. Callwey München S.97 ------------------------------------------------------------------------Seite 12 & 13 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, S.100 ------------------------------------------------------------------------Seite 14 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, S.228 und »Fruits« Phaidon Press, keine Seitenangaben ------------------------------------------------------------------------Seite 16 & 17 »Neuguinea - Gesichter und Masken« List Verlag, München, Seite 56 , 54 & 51 ------------------------------------------------------------------------Seite 18 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, S.476 ------------------------------------------------------------------------Seite 21 »Global Fashion, Local Tradition – On the Globalisation of Fashion« Terra Verlag, s.29

------------------------------------------------------------------------Seite 22 »WOOFIN`« Hip Hop Magazine Issue October 2006 ------------------------------------------------------------------------Seite 27 »Fruits« Phaidon Press, keine Seitenangaben ------------------------------------------------------------------------Seite 28 Beide Bilder aus »Fruits« Phaidon Press, keine Seitenangaben ------------------------------------------------------------------------Seite 29,30 & 31 Flickr , Photocommunity Suchergebnis »Uniform« ------------------------------------------------------------------------Seite 32 »Geschmückte Haut – Eine Kulturgeschichte der Köperkunst« Frederking & Thaler Verlag München, S. 56 ------------------------------------------------------------------------Seite 33 »Asien – Stämme, Kulte & Rituale« Christian Brandstätter Verlag, 2003, S.76 ------------------------------------------------------------------------Seite 40 & 41 »Asien – Stämme, Kulte & Rituale« Christian Brandstätter Verlag, 2003, S. 108 , 109 ------------------------------------------------------------------------Seite 43 »Hot Bodies – Cool Styles : New Techniques in Self-Adornment« Thames & Hudson Ltd Verlag ------------------------------------------------------------------------Seite 44 »KunstKleiderKunst« Propyläen Verlag 1987 ------------------------------------------------------------------------Seite 46 & 47 »Asien - Stämme, Kulte & Rituale« Christian Brandstätter Verlag, 2003, S.155, 163, 171

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------------------------------------------------------------------------Seite 49 Yuka Oyama »Schmuck Quickies« Mima Verlag 2005 ------------------------------------------------------------------------Seite 50 & 51 »Fruits« Phaidon Press, keine Seitenangaben ------------------------------------------------------------------------Seite 52 & 53 »WOOFIN`« Hip Hop Magazine Issue October 2006 ------------------------------------------------------------------------Seite 54 & 55 »Fruits« & »Fresh Fruits« Phaidon Press, keine Seitenangaben ------------------------------------------------------------------------Seite 56 & 57 »Fruits« Phaidon Press, keine Seitenangaben ------------------------------------------------------------------------Seite 68 »Weltgeschichte der Bekleidung – Geschichte, Traditionen, Kulturen« Haupt Verlag, 2007, S.303 ------------------------------------------------------------------------Alle anderen Fotos sind von Denise J. Reytan

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DANKESCHÖN

Ich möchte mich ganz herzlich bei Bonnie, Chaim und Bjoern bedanken. Ohne Euch würde das alles nicht gehen.   Ich bedanke mich bei Professorin Elisabeth Holder und Professor Herman Hermsen, die mich in meinem Studium geprägt, gefördert und mir geholfen haben, meinen eigenen Weg zu finden.   Ein großes, herzliches Dankeschön geht auch an Mareen Fischinger, Benjamin Schulte, Axel Appel, Uwe Küster, Volker Leven, Brigitte Aust, Jens Buss, Eva Hahn, Liuba und an alle Anderen die mir geholfen und mich unterstützt haben!

URHEBERRECHT Alle in diesem Magazin gezeigten Arbeiten, Bilder und Texte unterliegen dem Urheberrecht von Denise J. Reytan und Dritten. Jede Verwendung oder Vervielfältigung der Bilder, Texte oder Teilen davon, in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen und deren Veröffentlichung, auch im Internet, ist nur nach vorheriger, schriftlicher Genehmigung des Copyright-Inhabers gestattet.

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Hiermit versichere ich, Denise J. Reytan, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen und bei Zitaten kenntlich gemachten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. © 2012


Denise J. Reytan Sonnenallee 96 12045 Berlin mail@reytan.de www.reytan.de


Thank you and have a nice day!


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