Diskussionsprozess zur Entwicklung einer Landschaftscharta für die Metropolregion Rhein-Neckar

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LANDSCHAFTSCHARTA METROPOLREGION RHEIN-NECKAR DIE PRÄCHTIGEN 10

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Inhaltsverzeichnis Einführung Was ist eine Landschaftscharta? Warum eine Landschaftscharta? In welchen Kontext steht die Charta? Im Geiste der UN Nachhaltigkeitsziele Wer sind die Akteure der Landschaftscharta? Wer beschließt die Charta und wer füllt diese mit Leben? Wie verbindlich ist die Charta? Die Konklusion Leitsätze 1 Rhein-Neckar Vielfalt kultivieren 2 Rhein-Neckar leben 3 Rhein-Neckar im Dialog verhandeln und steuern 4 Landschaften exzellent bewirtschaften 5 Rhein-Neckar multicodieren 6 Landschaft aktivieren und dabei experimentieren 7 Räume, Akteure und Stoffströme vernetzen 8 Globale Transformationsherausforderungen regional gestalten 9 Rhein-Neckar mit Widersprüchen leben und zukunftsfähig gestalten 10 Die 10 Prächtigen zu etwas Besonderem machen Wie geht es weiter?

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Impressum 3


Rheinniederung

Pfälzerwald

Odenwald Bergstraße

Weinstraße

rechtsrheinische Rheinebene linksrheinische Rheinebene

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Neckartal

Kraichgau

Bauland


Was ist eine Landschaftscharta? Eine Landschaftscharta ist eine freiwillige Selbstverpflichtung wesentlicher Akteure der regionalen Entwicklung. Mit einer Charta werden Ziele und Verfahren einer nachhaltigen regionalen Entwicklung vereinbart, bei der die Landschaft eine besondere Rolle einnimmt und zentrale Aufgaben übernimmt. Die Landschaft stellt dabei eine Marke für die regionale Entwicklung und Profilierung dar. Viele Regionen werben mit ihren Landschaften. Damit die Landschaft in der Metropolregion Rhein-Neckar zu einer Marke wird, wird eine Landschaftscharta erarbeitet, diskutiert und von den Akteuren in der Region ratifiziert. Mit der Landschaftscharta wird kundgetan, dass Landschaft eine Wertschätzung erfährt. Die Landschaftscharta ist ein wesentlicher Baustein, um auch die Nachhaltigkeitsziele der UN in die Regionalentwicklung einzubinden. Die Charta transportiert damit internationale Zielvorstellungen einer nachhaltigen Entwicklung der Metropolregion Rhein-Neckar. Die Landschaftscharta der Metropolregion beschreibt in 10 Leitsätzen Ziele und Handlungsfelder der Landschaftsentwicklung. Die zeitliche Dimension, die mit der Charta adressiert wird, macht eine Perspektive 2040 auf. Der Initiator des Charta-Prozesses ist der Verband Region

Warum eine Landschaftscharta? Rhein-Neckar. Ihm obliegt die Koordination der weiteren strategischen Schritte in Kooperation mit den Partnern der Region. Damit werden die Aufgaben aus dem Staatsvertrag zwischen den drei Ländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz umgesetzt.

Vor dem Hintergrund der globalen Veränderungen wie dem Klimawandel, der wirtschaftlichen Entwicklungen, der rasanten Urbanisierung sowie der sich wandelnden Lebensstilorientierungen steigt der Stellenwert der Landschaft als Standortfaktor. Dabei muss eine Landschaft viel leisten. Sie sorgt für den klimatischen Ausgleich, versorgt die Region mit sauberem Wasser, trägt zu gesunden Lebensverhältnissen bei, bietet Raum für Sport, Erholung und Freizeit vor der Haustür und ist ein Artenreservoir. Landschaft ist auch immer ein Naturraum, der nicht nur für den Menschen, sondern auch für die biologische Vielfalt eine große Bedeutung hat. Landschaft trägt auch als kultureller Ort zur Identität bei. In der globalisierten Welt wird regionale Identität besonders nachgefragt. Die Landschaft bietet dafür die Basis. Im Anthropozän hat der Mensch in den letzten drei Jahrhunderten die Erde nachhaltig verändert. Er nutzt die Rohstoffe, verbraucht Landschaft, belastet die Umwelt und beeinflusst das Klima. Mit der Landschaftscharta erfolgt eine Vereinbarung, wie mit der Landschaft zukünftig verantwortungsvoll umgegangen werden soll. Die Region durch die Landschaft zu entwickeln, ist in diesem Prozess eine besondere Herausforderung. 5


Im Geiste der UN Nachhaltigkeitsziele

Die Landschaftscharta ist ein wesentlicher Baustein der Landschaftsentwicklung der Metropolregion Rhein-Neckar. 2009 wurde bereits der Masterplan Regionalpark Rhein-Neckar beschlossen und so die im Staatsvertrag festgelegten Aufgaben der Freiraumentwicklung zur Umsetzung vorbereitet. Mit dem Landschaftskonzept 2020+ und dem jüngst erarbeiteten Leitbild der Landschaftsentwicklung werden weitere Bausteine gelegt, wie mit Landschaft Regionen entwickelt und ihnen eine Identität gegeben werden kann. Die Landschaftscharta bezieht diese Vorarbeiten ein und übersetzt diese in eine Vereinbarung über die Gestaltung einer nachhaltigen Region. Die Ziele der Vereinten Nationen zur Nachhaltigkeit werden so auch auf regionaler Ebene konkret.

Die Vereinten Nationen rufen mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs) zum Handeln auf. Hierbei adressiert die UN verschiedene Themenfelder ökologischer, sozialer und ökonomischer Dimension.

© CP

In welchem Kontext steht die Charta?

Mit der Charta wird ein umfassender Beitrag geleistet, um diese Ziele in 10 Leitsätzen weiter zu konkretisieren und in der Metropolregion Rhein-Neckar räumlich zu verankern. Die Charta entwickelt Strategien und Maßnahmen, die übergeordneten Ziele wie ressourcenschonenden Umgang mit Natur und Landschaft, mit Wasser und Boden sowie eine nachhaltige und klimagerechte Landschaftsund Siedlungsentwicklung im Raum umsetzen.

LANDSCHAFTSCHARTA METROPOLREGION RHEIN-NECKAR

L a n d s ch a ft i n B ewe g u n g

Der Regionalpark Rhein-Neckar

DIE PRÄCHTIGEN 10

Masterplan

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Landschaft 2020+ Leitbilder Gestaltung Dialog 6

Masterplan Regionalpark Rhein Neckar 2009

Leitbilder der Landschaftsentwicklung MRN 2019

Landschaftscharta Metropolregion RheinNeckar 2020


United Nations Sustainable Development Goals to Transform Our World

Wer sind die Akteure der Landschaftscharta? Alle, die Verantwortung für die Zukunft der Region haben und übernehmen. Dabei geht es in einer Landschaftscharta nicht nur um die wertvollen Schutzlandschaften, sondern auch um die Zukunft der stark genutzten und belasteten Räume. Diese ‚Aufgabelandschaften‘ stellen die Region vor besondere Herausforderungen, um Belastungen zu reduzieren und ‚schlummernde‘ Qualitäten und Potentiale zu heben.

Wer beschließt die Charta und wer füllt diese mit Leben?

Wie verbindlich ist die Charta?

Entscheidend ist, dass die Charta von einem breiten Bündnis an Akteuren, Stakeholdern und Unternehmen mitgetragen wird. Auch wenn der Verband Region Rhein-Neckar im ersten Schritt die Charta ratifiziert, sollen viele weitere Akteure der Charta beitreten, die bereit sind, sich für die Landschaft in der Metropolregion einzusetzen. Mit vielen Multiplikatoren wird die Charta auf eine breite Basis gestellt. Landschaft ist ein Gemeinschaftswerk, das von den vielen Akteuren genutzt, verändert und nachhaltig entwickelt wird.

Die Charta bietet eine Orientierung. Sie ist ein informelles Instrument der Vereinbarung über eine gemeinsame Gestaltung von Zukunft. Die Charta ist aber auch Kriterium und Wertmaßstab der regionalen Entwicklung. Wirksam wird sie, indem ihre 10 Leitsätze mit den Zielen und Vereinbarungen in konkreten Projekten angewendet und erfolgreich erprobt werden. Durch Transparenz, Kommunikation, Fortschreibung und Einbringung in laufende und kommende Planverfahren erhält die Charta ihre ,freiwillige Verbindlichkeit‘ und Legitimation.

Die Charta wurde im Aufstellungsprozess 2019/2020 bereits mit Expertinnen und Experten diskutiert und sukzessive weiter gefüllt. Nach einigen Jahren wird sie evaluiert, weiterentwickelt und fortgeschrieben.

Die Konklusion Mit dem Chartaprozess ‚Zukunft Landschaft Metropolregion Rhein-Neckar‘: - erfolgt ein regionaler Diskurs; - finden ein Austausch und eine Verständigung über Ziele statt; - werden Einzelthemen gebündelt und damit benennbar und sichtbar; - wird die Region über ihre Landschaften profiliert; - wird die Wertschätzung der Landschaft erhöht. 7


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Rhein-Neckar Vielfalt kultivieren

Die

Metropolregion Rhein-Neckar ist durch eine außerordentliche Vielfalt der Landschaften geprägt. Stadt und Land, Natur- und Kulturräume haben sehr unterschiedliche Gesichter mit vielgestaltigen Alltagsqualitäten, Begabungen und auch Herausforderungen. Die Landschaft ist ein wesentlicher Pfeiler der Vielfalt in der Metropolregion Rhein-Neckar. Abgebildet wird die Fülle der Landschaften durch die ,10 prächtigen Landschaften‘: der Pfälzerwald, die Weinstraße, die links- und rechtsrheinische Ebene, die Rheinniederung, die Bergstraße, der Odenwald, das Neckartal, der Kraichgau und das Bauland. Die gesamte Bandbreite dieser ausdrucksstarken Landschaften gilt es mit ihren spezifischen Eigenarten zu schützen, zu pflegen, weiter zu beleben. Dabei verhält es sich mit der Metropolregion und ihren markanten Landschaften wie mit einem Orchester und seinen Instrumentalisten: sein Vermögen zeigt sich im Beherrschen der Einzelrollen UND der Qualität des Zusammenspiels. 8

Vereinbarung _Die Landschaft in ihrer Diversität ist ein wesentlicher Pfeiler für die Qualität der Region. Landschaft in ihrer Vielseitigkeit wird geachtet und wird als Ausgangspunkt einer diversifizierten regionalen Entwicklung kultiviert. _Mit Respekt vor den Unterschieden, ihrer Geschichte, ihren kulturellen Kodierungen und ihren wirtschaftlichen Prämissen ist sowohl der einzelne Landschaftsraum als auch der regionale Ensemblegeist aktiv zu fördern. _Regionalkonferenzen werden zu einem neuen Format, um in der Metropolregion RheinNeckar regional unterschiedliche Aufgaben und Strategien einer zukunftsorientierten Raumentwicklung mit der Landschaft zu initiieren. Sie werden zusammen mit den Akteuren in der Region vorbereitet und durchgeführt.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Landwirtschaft im Bauland und in der Vorderpfalz - Energielandschaft im Bauland - Weinanbau in der Weinstraße - der Neckar in Mannheim © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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Rhein-Neckar leben

Verkehrsknoten wie dem Frankfurter Flughafen oder dem Mannheimer Hauptbahnhof zu vielen europäischen Metropolen. Lange Traditionslinien des Lebens in und mit der Landschaft wie am Kloster Lorsch, der Bergstraße oder in der Pfälzer Weinbauregion gehen Hand in Hand mit hochproduktiven Landschaftssystemen der Nahrungs-, Energie und Wasserversorgung. Naherholung in der Landschaft, Naturerleben, Bewegung und Entspannung im Freien sind Teil von Lebensqualität in einer dynamischen Region.

Die Metropolregion Rhein-Neckar steht für eine

außerordentliche Vielfalt der Lebensqualitäten, Lebensgefühle und Lebensentwürfe in einem diversen Landschaftsraum und einer immer diverser werdenden Gesellschaft. Tiefe geound kulturgeschichtliche Anbindungen an den Rhein oder die Mittelgebirge des Pfälzerund Odenwaldes verknüpfen sich mit einer schnellen Erreichbarkeit von (globalen) 10

Rhein-Neckar leben beschreibt somit die Gleichzeitigkeit mannigfaltiger Anknüpfungspunkte und Zeitschichten innerhalb der Region. Es bedeutet unterschiedliche Identitäten im Alltag wie im Besonderen zu leben. In dieser Vielfalt der Alltagsrealitäten spiegelt sich eine außergewöhnliche kulturelle, soziale, ökonomische und biologische regionale Diversität. Die Landschaften der Rhein-Neckar-Region sind gewaltige lokale Wissensspeicher der vielfältigen sozialen und kulturellen Praktiken. Sie übernehmen damit wichtige Aufgaben der Verortung in einer zunehmend globalisierten Welt.

Vereinbarung _Als zentrale Zukunftsaufgabe wird erkannt, die lokalen Identitäten der einzelnen Teilgebiete zu stärken und damit Vielfalt in der Gesamtregion wertzuschätzen. _Die lokalen und regionalen Identitäten der Orte und Landschaften werden als Lebensgefühl aktiv gefördert ohne die globale Dimension auszublenden. _Das dichte Netz spezifischer Landschaftsräume wird sichtbar und erfahrbar und zum regionalen Markenzeichen entwickelt. _ Räume werden vernetzt und kommuniziert.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Landwirtschaft, Ernte und Weinlese in der Pfalz - Terrassen an der Weinstraße und an der Bergstraße - die Hauptstraße in Heidelberg © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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3 Rhein-Neckar im Dialog verhandeln und steuern Metropolregion erzeugen vielfältige Anforderungen und einen hohen Druck auf ihre Landschaftsräume bis hin zum Entstehen ambivalenter, durch Technik und Infrastrukturen geprägter Landschaften. Wo derartige Dynamiken herrschen, ist eine aktive Steuerung mit Weitsicht gefragt! Einzelentwicklungen müssen zusammengeführt, in der Summe und in ihren Wechselwirkungen beurteilt werden. Wachstum und Transformation müssen koordiniert und gesteuert werden.

Die Metropolregion Rhein-Neckar verändert sich dynamisch. Darin liegen gleichzeitig Chancen und Herausforderungen. Sie will attraktiv und weltoffen, nachhaltig und solidarisch sein. Konkurrierende Interessen in der begehrten 12

Transformation zu verhandeln und zu bewältigen, erfordert eine differenzierte Prozess- und Beteiligungskultur und das Bilden von Allianzen. Nur im Dialog der unterschiedlichen Akteure kann die Vielfältigkeit der Landschaftsräume und der Interessen gemeinschaftlich qualifiziert werden. Es geht darum, Wandel und Wachstum aktiv zu steuern und alle Teilregionen auf den Weg mitzunehmen. Nur so wird sich ein regionaler Ensemblegeist noch stärker in der Alltags- und Planungskultur der Metropolregion verankern können.

Vereinbarung _Der begonnene Dialog zur Landschaft wird fortgesetzt und als Grundpfeiler einer gemeinschaftlichen Regionalentwicklung ausgebaut. _Kooperation und Austausch aller landschaftsgestaltenden Akteure werden zu einem wichtigen Baustein der nachhaltigen regionalen Zukunftsgestaltung und ihrer Steuerung. _Plattformen des Austausches und der öffentlichen Meinungsbildung werden als Bausteine der regionalen Governance und einer neuen Kooperationskultur geschaffen. Landschaft wird als ein wesentlicher Belang integrativ einbezogen. _Projekt- und Prozessgestaltungen werden über Kommunal- und Ressortgrenzen hinweg abgestimmt. Einzelprojekte werden dabei in ihren komplexen Zusammenhängen und Wechselbeziehungen analysiert und beurteilt.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Landschaften der Vorderpfalz, des Baulands und der Bergstraße - der Neckar in Heidelberg © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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4 Rhein-Neckar exzellent bewirtschaften Exzellent wirtschaften heißt, die Region langfristig lebenswert und ökologisch lebensfähig zu erhalten. Ihre Ressourcen, allen voran das Wasser als Lebensader aber auch die Naturräume, sind als ihre Lebensgrundlage langfristig und weitblickend im Sinne der internationalen Nachhaltigkeitsziele zu sichern.

Die Wirtschaft der Metropolregion profitiert von der zentralen Lage in Europa und ihrer hohen Erschließungsqualität durch Straße, Schiene und den Rhein als Europäische Wasserstraße. Sie hat hohe Standortpräferenzen für rohstoffund logistikaffine Industrien und Gewerbe und damit starke Wirtschaftspartner. Hand in Hand mit einem dichten Netz aus Wissenschaftsund Kreativstandorten liegt hier ein großes Zukunftspotential der Region. Die Wirtschaft ist gleichermaßen Nutznießer klimatischer Gunstlagen und landschaftlicher Vielfalt. Die Rheinebene ist aber nicht nur Wirtschaftsraum, sondern auch ein von vielen Infrastrukturen zerschnittener, stark versiegelter und klimatisch belasteter Lebensraum. 14

Die Konkurrenz um die begehrten knappen Flächen in hoher Lagegunst wird nicht allein dem ökonomischen Nutzungsprimat unterworfen. Die Belange der baulichen Entwicklungen sind mit Belangen der Nahrungsmittelproduktion, der Erholung, der Kulturlandschaftsentwicklung, des Naturschutzes, des Wassermanagements und des Klimaschutzes abzustimmen. Auch landwirtschaftliche Produktion und nachhaltige Ressourcensicherung sind mit Augenmaß aufeinander zu beziehen. Dies gilt umso mehr unter den drängenden Herausforderungen des Klimawandels. Es werden heute Entscheidungen getroffen, die über Jahrzehnte wirken werden.

Vereinbarung _ Das Ziel, die Region exzellent zu bewirtschaften und Zukunft aktiv und nachhaltig zu gestalten, wird Grundlage der regionalen Entwicklung. _Konflikte werden klar zu benennen sein. Die vielen Belange, die für eine zukunftsfähige Entwicklung von Bedeutung sind, werden zusammengeführt. Hierzu gehören langfristiger Ressourcenschutz, intakte Naturräume, schöne und hochproduktive Landschaften, Klimaschutz und Klimaanpassung, besondere Kulturangebote, Freizeitwege und touristische Infrastrukturen. _Diese Anforderungen werden als entscheidungsrelevante Belange in die Prozessgestaltung mit einbezogen. Mit solchen Exzellenzkriterien gelingt eine Zukunftsgestaltung, die die internationalen Nachhaltigkeitsziele in den Wirtschaftsprozessen der Region aktiv verankert.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Landwirtschaft in der Vorderpfalz - Weinanbau und Mandelblütenfest in der Weinstraße - John Deere Werk und Freundenberg Forschungsdienste © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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Rhein-Neckar multicodieren

nicht grundsätzlich in Frage gestellt, vielmehr wird das Ziel verfolgt, die Flächen mehrdimensionaler zu gestalten. Eine Strategie der Multicodierung forciert, wo möglich, derartige Überlagerungen und Mehrfachnutzungen, behält aber auch deren Grenzen im Blick. Beispielsweise stellt sich die Frage, wie graue Infrastrukturen, z.B. Straßen, grüner werden, wie Agrarlandschaften einen Beitrag zur Biodiversität liefern, wie Schifffahrtswege mit ihren begleitenden Wirtschaftswegen auch als Freizeitraum qualifiziert oder Gebäude begrünt werden können.

In

einer Region mit einer hohen Flächenkonkurrenz und einem starken Nutzungsdruck bedarf es einer Strategie zum effizienten Umgang mit Flächen und Nutzungen. Boden ist nicht vermehrbar. Anstelle des Nebeneinanders der Flächennutzung bedarf es vermehrt eines Überund Miteinanders. Damit werden Nutzungen 16

Multicodieren heißt nicht nur graue Flächen grüner werden zu lassen, sondern auch ökologische und ökonomische Belange, z.B. in der Waldwirtschaft, stärker in Einklang zu bringen. In einer Region mit hohem Nutzungsdruck ist Multicodierung eine Chance, um weiter zu wachsen, aber gleichzeitig auch Nachhaltigkeit zu fördern.

Vereinbarung: _Eine Multicodierungsstrategie für eine fachübergreifende und integrierte Planung und Kooperation wird vereinbart. Die ressortübergreifende Zusammenarbeit ist dabei eine wesentliche Maßnahme. _Eine regionale Offensive der Multicodierung wird gefördert. _Die Multicodierung von Flächen wird als Ziel vereinbart und hat Vorrang vor Inanspruchnahme von neuen Flächen.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - der Neckar in Heidelberg und der Rhein in Mannheim - die Bundesstraße 44 in Mannheim - Weinanbau und Dörfer der Weinstraße und der Pfalz © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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6 Landschaft aktivieren und dabei experimentieren Blick auf das Vorhandene offensiv ein Klima für Transformation, für Experimente und mögliche Pilotprojekte zu schaffen. Tolerante Kulturen sind in allen Teilen der Regionen zu fördern und Versuchsräume bereitzustellen.

`Landschaft aktivieren´ beginnt damit, die lokalen, historisch gewachsenen Gegebenheiten und Begabungen von Natur und Landschaft in der Region zu erkennen und aktiv zur Grundlage der künftigen Entwicklung zu machen. Doch Regionen wandeln sich gegenwärtig rasant. Menscheninduzierte Veränderungen wie der Klimawandel, Artensterben, die Energieund die Nahrungswende verändern auch die Landschaften beachtlich. Diesen Wandel ökologisch sinnvoll, sozial integrativ und in der gebotenen Geschwindigkeit tatkräftig zu gestalten, ist eine Herausforderung, die ohne Mut zum Ausprobieren und Mut zum Experiment nicht zu bewerkstelligen ist! Daher ist neben dem 18

Neuland ist zugleich in der offensiven Verknüpfung von Akteuren der Wissenschaft und der Praxis z.B. durch Reallabore zu betreten. Alles Schritte, um Rhein-Neckar zu einer Modellregion des Landschaftsumbaus werden zu lassen. Viele Projekte von großräumig bis lokal, von der Klimaanpassungsstrategie und Wassermanagement in der Rheinebene bis zu Renaturierungs- und Pflegemaßnahmen in den unterschiedlichen Kulturlandschaften sowie Öko-Engineering können zeigen, wie Landschaft als Motor regionaler Entwicklung und lokaler Verortung aktiviert werden kann. Der Wettbewerb Landschaft in Bewegung zeigt einige dieser Ansätze bereits auf. Weitere, prototypische Lösungen für insbesondere zukunftsweisende hochproduktive Landschaften zu entwickeln, kann zum Aushängeschild der Metropolregion werden.

Vereinbarung _Es wird vereinbart, die Metropolregion zu einer Modellregion für innovative Landschaftsstrategien und den Landschaftsumbau zu entwickeln. Das Zusammenführen von Nachhaltigkeit und Experiment gekoppelt mit dem Mut zu Neuem sollen neben Schutz und Erhalt zu einem zentralen Treiber der Landschaftsentwicklung werden. _Die Region setzt sich gezielt dafür ein, Landschaft zu aktivieren und den Wandel durch experimentelle Projekte zu testen. Dabei reicht die Bandbreite der Projekte von groß und interkommunal bis klein und lokal. _Pioniere sollen motiviert werden und Anreizprogramme initiiert werden.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Landschaften aus dem Pfälzerwald, der Weinstraße und dem Bauland - Skulpturenradweg und Odenwälder Freilandmuseum - Collin-Steg in Mannheim und Ludwigshafen © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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7 Räume, Akteure und Stoffströme vernetzen

Eine

starke, zukunftsorientierte regionale Vernetzung umfasst viele Dimensionen: harte Investitionen in digitale Netze gehören genauso dazu wie Investitionen in immaterielle und ideelle Strukturen und das Entstehen vielfältiger, kreativer und unterschiedlicher sozial-räumlicher Milieus, die Stärkung der Kreislaufwirtschaft und eine nachhaltig gestaltete Landschaft. Das gilt umso mehr vor der hohen Diversität der gegenwärtigen Lebensbedingungen und den vielgestaltigen Zukunftsoptionen einer so heterogenen Rhein-Neckar-Metropolregion. Räume, Akteure und Stoffströme vernetzen bedeutet heute zugleich, Grenzen und enge sektorale Zuständigkeiten zu hinterfragen und, wo nötig, zu überwinden. Eine zukunftsorientierte Mobilitätsstrategie ist multimodaler ausgerichtet, bezieht Landschaft als Qualitätsmerkmal mit ein und ermöglicht die Entscheidung zwischen verschiedenen Mobilitätsformen im Alltag. Eine zukunftsorientierte Energieversorgung gestaltet 20

einen ausgewogenen Mix von lokaler und globaler Energieproduktion und fragt, was in den einzelnen Regionen machbar ist. Der Klimaschutz hat dabei eine hohe Priorität. Die Nahrungswende reflektiert, was für welchen Preis - ökologisch wie ökonomisch – in der Region, was global nachhaltig produziert werden kann. So wächst eine starke, kooperative Region heran mit klarem Blick auf ihre Grenzen aber auch auf ihre zu stärkenden Kompetenzen. Um fruchtbare Synergien auf materiellen und ideellen Ebenen für die Region zu erzeugen oder weiter zu qualifizieren, sind offensive Vernetzungsstrategien erforderlich. Zukünftig wird verstärkt darauf abzuheben sein, wie sektorale Einzelprojekte, Räume und Stoffströme besser vernetzt werden können, um gemeinsame Wirkungen und materielle Synergien zu erzeugen. Da Raum von Akteuren gemacht wird, wird die Vernetzung nicht nur räumlich, sondern vor allem auch akteursbezogen auszubauen sein. Stoffströme werden vermehrt verknüpft, Allianzen der Kreislaufwirtschaft unterstützt.

Vereinbarungen _Materielle und ideelle Vernetzungen werden aktiv erzeugt und ein fester Bestandteil regionaler Governance. _Vernetzung erfolgt räumlich, stofflich und akteursbezogen. _Stoffströme werden vermehrt verknüpft und Allianzen der Kreislaufwirtschaft unterstützt. Der Klimaschutz und die Klimaanpassung erfordern ein neues Denken.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Landschaft aus dem Bauland - der Rhein in Mannheim - Infrastruktur bei Mannheim Š Rhein-Neckar Š VRRN / CP

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8 Globale Transformationsherausforderungen regional gestalten wirken in manchen Teilräumen der Region direkt, in anderen eher schleichend. Mal gilt es darum, Transformationen in kleinen Schritten zu gestalten, in denen Landschaft auch langfristig ein Anker für Identität sein kann. Mal geht es eher darum, radikale Landschaftstransformation zu lenken und deren Grenzen mit Respekt vor bestehenden Qualitäten und Naturraumempfindlichkeiten auszuloten, um den Anforderungen der kommenden Generationen gerecht zu werden.

Transformationen sind eine Herausforderung und gleichzeitig die Voraussetzung, um Zukunft zu gestalten. Globale Trends und Entwicklungen 22

Globale Transformationsherausforderungen müssen hierbei häufig durch lokal entwickelte und angepasste Strategien bewältigt werden. Damit dies gelingt, sind pro-aktive und nicht nur reaktive Landschaftskonzepte als Grundpfeiler der Regionalentwicklung erforderlich. Von zentraler Bedeutung wird es zudem sein, Huckepackstrategien zu initiieren, mittels derer Raumtransformation und Landschaftsqualifizierung eng verknüpft werden. Transformationen sollen als Gelegenheitsfenster genutzt werden, um gleichzeitig Landschaft mit zu entwickeln.

Vereinbarung _Es wird vereinbart, dass Landschaft immer ein integraler Bestandteil einer Raumtransformation sein wird und damit eine entsprechende Wertschätzung erfährt. Transformation wird als Gelegenheitsfenster verstanden, um Landschaft im Huckepack nachhaltig zu entwickeln. _Es werden pro-aktive, nicht nur reaktive Landschaftskonzepte als Grundpfeiler der Regionalentwicklung entwickelt. _Strategien und Instrumente werden auf die Besonderheiten der Teilregionen zugeschnitten. _Grenzen radikaler Landschaftstransformation sind auszuloten.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Hochwasserereignis in Ludwigshafen am Rhein - die Bundesstraße 44 in Mannheim - Pfälzerwald und Vorderpfalz © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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9 Rhein-Neckar mit Widersprüchen leben und zukunftsfähig gestalten seits und im Sinne des Gemeinwohls und der Vorsorge andererseits getroffen werden?

Die Region und ihre Regionalentwicklung sind

nicht nur vielfältig und dynamisch sondern auch kontrovers und voller Interessenskonflikte. Die Zukunftsfähigkeit der Region zeigt sich nicht zuletzt daran, wie es ihr gelingt mit diesem Konfliktpotential umzugehen. Aufgaben wie Digitalisierung, Klimaschutz und Klimaanpassung, Erhalt der biologischen Vielfalt, Wasserengpässe, Logistik oder Waldumbau sind simultan zu bewältigen - und häufig nicht widerspruchsfrei. Wie können Entscheidungen im Sinne möglichst vieler der unterschiedlichen Beteiligten einer24

Hierbei geht es in einem ersten Schritt um Information, Wissensvermittlung und Transparenz. In einem zweiten Schritt geht es um mehr: um neue Modelle des Interessensausgleichs und gemeinschaftlicher Raumgestaltung. Vielschichtige Governance-Strukturen werden für ein breites Themenspektrum vom nachhaltigen Wassermanagement im Klimawandel bis hin zu neuen Konfliktbewältigungsstrategien im Spannungsfeld von Siedlungsflächenentwicklung, naturschutzrechtlichem Ausgleich und landwirtschaftlichen Entwicklungsanforderungen benötigt. Es geht um neue Formen des kooperativen Handelns und der Konfliktbewältigung im Sinne eines regionalen Verständigungsprozesses. In ihrer Fähigkeit, ökologische, technologische, ökonomische und soziale sowie kulturelle Transformationsanforderungen aufeinander zu beziehen, wird sich zeigen, wie resilient und widerstandsfähig die Region in Zukunft sein wird.

Vereinbarung _Es wird vereinbart, Konflikte frühzeitig zu identifizieren und mittels neuer Formate offen zu diskutierten, um nachhaltige Lösungsoptionen vorzubereiten. _Dies kann je nach Fragestellung unterschiedliche Formen kooperativer Konfliktlösungen umfassen. _Der Verband Region Rhein-Neckar wird im Verbund mit den regionalen Akteuren hierzu Anstöße geben.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Mannheim und der Mühlauhafen - das Bauland und der Rhein © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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10 Die 10 Prächtigen zu etwas Besonderem machen Die Metropolregion hat ein starkes und außer-

gewöhnlich facettenreiches landschaftliches Fundament. Durch die 10 prächtigen Landschaften sticht die Rhein-Neckar-Region im Vergleich der anderen Metropolregionen hervor. Die 10 Prächtigen können zu einzigartigen Zukunftserzählungen für die Region entwickelt und so zu Plattformen der Zukunftsgestaltung der Region werden, auf die weiter aufgebaut werden kann. Dazu bedarf es einer Strategie, die aus den jeweiligen Regionen kommt und die von ihnen getragen werden. Die bereits vorliegenden Planungen und Aktivitäten der regionalen Freiraumstrategien - Landschaftskonzept 2020+, Regionalpark Rhein-Neckar, Leitbilder der Landschaftsentwicklung - werden die Basis der kommenden Konzepte sein.

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Vereinbarung _Alle Akteure setzen sich für die weitere Stärkung der Vielfalt der Landschaften mit ihren regionalen Unterschiedlichkeiten, Begabungen und Potentialen ein. _Um das Landschaftspotential in den Regionen zu heben, wird vereinbart, für die 10 Prächtigen Konzepte der Landschaftsentwicklung als Zukunftserzählungen in enger Vernetzung mit den Akteuren zu erarbeiten. _Der Verband Region Rhein-Neckar wird sich im Verbund mit den regionalen Akteuren dafür einsetzen und Hilfestellungen erarbeiten, wie die Begabungen, die Stärken und Schwächen in den 10 Prächtigen in eine Zukunftsstrategie überführt werden können.


Collage mit Fotos der Metropolregion Rhein-Neckar: - Pfälzerwald, Weinstraße, Bergstraße, Odenwald und Neckartal - Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen - Skulpturenpark und Mandelblütenfest © Rhein-Neckar © VRRN / CP

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Wie geht es weiter? Der Entwurf der Landschaftscharta Metropolregion Rhein-Neckar ist ein erster Schritt. Die 10 Leitsätze wurden in einer Fachwerkstatt und einer größeren Fachveranstaltung Anfang 2020 vorgestellt und durch Beiträge der Akteure der Region geschärft und zugespitzt. Die Ergebnisse dieser Diskussionsrunden werden dem Planungsausschuss der Verbandsversammlung der Metropolregion Rhein-Neckar zur Beschlussfassung vorgelegt. Ziel ist es, dass im weiteren Prozess viele weitere Akteure die Charta mit unterstützen und diese mit Projekten und Maßnahmen konkretisieren und so mit Leben erfüllen.

Ziel ist es einen Aktionsplan von bedeutenden Projekten in der Region zu erstellen, in dem Handlungsbedarfe und auch Prioritäten erkennbar sind. Solche kommunal- oder auch länderübergreifenden regional abgestimmten Projektideen sind eine gute Basis und häufig auch ein ‚Türöffner‘, um Förderprogramme zu nutzen.

Für die Aufstellung von regionalen Landschaftskonzepten für die 10 Prächtigen wird der Verband Rhein-Neckar einen Leitfaden erarbeiten und organisatorische Unterstützung anbieten. Zielsetzung ist, dass im BUGA-Jahr 2023 über die Erfolge der regionalen Freiraumstrategie berichtet werden kann.

Um diesen Prozess weiter zu befördern, sollen zu verschiedenen Leitsätzen und Themen der Landschaftscharta in den nächsten Jahren Regionalkonferenzen durchgeführt werden. Von Seiten des Verbandes Region Rhein-Neckar wird hierzu die organisatorische und inhaltliche Vorbereitung geleistet.

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Auftraggeber

Verband Region Rhein-Neckar M1, 4-5 68161 Mannheim www.m-r-n.com Konzept und Koordination im Modellvorhaben der Raumordnung "Regionale Landschaftsgestaltung" Dr. Claus Peinemann Verband Region Rhein-Neckar claus.peinemann@vrrn.de Inhalte, Bearbeitung und Layout

bgmr Landschaftsarchitekten GmbH Prager Platz 6, 10779 Berlin berlin@bgmr.de Dr. Carlo W. Becker Prof. Undine Giseke Sven Faßbender Christine Guérard

Berlin/Mannheim, März 2020 30


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