Das Welterbe in Deutschland - die Altstädte

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Regensburg: Die Steinerne Brücke und die beiden Türme von St. Peter sind nur zwei von zahlreichen mittelalterlichen Bauwerken in der Altstadt

Das Welterbe in Deutschland – die Altstädte reiseziele Deutschland ist ein Land voller Kulturdenkmäler und einmaliger Naturlandschaften. Das zeigt sich in den über 30 Stätten, die bereits zum UNESCO-Weltkultur- oder Weltnaturerbe erklärt wurden. Trend & Tradition stellt sie in den nächsten Ausgaben vor – diesmal die sieben Altstädte in Bamberg, Goslar, Lübeck, Quedlinburg, Regensburg, Stralsund und Wismar.

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ie historischen Stadtkerne in Deutschland sind heute noch in einer Vielzahl mittelgroßer Städte weitgehend erhalten geblieben. Die Großstädte, die im Verlauf des Zweiten Weltkrieges zum Ziel der alliierten Bomberflotten wurden, haben dagegen ihre Altstädte entweder nur zum Teil wieder errichten können oder unwiederbringlich verloren. In Köln und Dresden, zwei besonders arg getroffenen Städten, sind die Spuren der Zerstörung bis

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heute unübersehbar. Das liegt vor allem an den vielen, architektonisch eher schlichten Bauten der Nachkriegszeit. Gerade deshalb hatte der durch weltweite Spenden ermöglichte Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden einen so großen Symbolcharakter für den Frieden und die Versöhnung in Europa. Die ältesten Städte in Deutschland gehen auf die Römerzeit zurück, wie etwa Trier, Augsburg, Bonn und Regensburg. Nach dem Ende des Römi-


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schen Imperiums und der Zeit der Völkerwanderung kam es erst unter den Karolingern ab dem 8. Jahrhundert sowie den Ottonen ab dem 10. Jahrhundert zur Gründung von Städten in Deutschland. Diese entstanden oft in der Nähe von Bischofssitzen oder Pfalzen, also Stützpunkten für die reisenden Könige, wie etwa Goslar. Erst der im 12. Jahrhundert einsetzende wirtschaftliche Aufschwung, der fast 250 Jahre anhielt, sowie die weitgehende Befriedung Mitteleuropas sorgten für die Gründung zahlreicher Städte in Deutschland, wie etwa Lübeck (1143) und Leipzig (1165). Diese Städte wuchsen im Laufe der Zeit zu Zentren mit einer wechselvollen politischen und wirtschaftlichen Geschichte. Einige von ihnen konnten dabei ihr historisches Gesicht bewahren und gehören heute zum Weltkulturerbe.

Die ehemalige Fischersiedlung „Klein Venedig“ am Regnitzufer in Bamberg

bürgerlicher Talstadt. Die bürgerliche Bebauung wird durch Fachwerk und Barockbauten bestimmt, wie etwa die ehemalige Fischersiedlung „Klein Venedig“.

Bamberg – größter unversehrter Goslar – Altstadt, Bergwerk und Wasserregal Mit seinem Reichtum von fast 30 Millionen Tonnen Erz hat historischer Stadtkern Der deutsche König und spätere der Rammelsberg die Geschichte und Entwicklung der Kaiser Heinrich II. (973-1024) verStadt Goslar geprägt. Der Reichtum an Silber- und vor folgte den Plan, das ihm am Herallem Kupfererz war Anfang des 11. Jahrhunderts Ursache zen gelegene Bamberg zu seiner für die Gründung der Pfalz durch Kaiser Heinrich II., der weltlichen Hauptstadt zu machen dort 1009 die erste Reichsversammlung in Goslar abhielt. und so einen politischen Gegenpol Goslar war Residenzstadt deutscher Könige und Kaiser bis zu Rom zu schaffen. Im Jahr 1007 1253. Durch den Metallhandel hatte die Stadt später eine Der Bamberger Reiter – eine begründete er auf dem heutigen bedeutende Stellung innerhalb der Hanse. rühmte Steinskulptur aus der Domberg das Bistum Bamberg, Das Oval des Altstadtkerns von Goslar wurde auf engsStauferzeit am Bamberger Dom das er mit reichen Schenkungen tem Raum von einem Quadratkilometer angelegt. Der mächtige Pfalzbau wurde im romanischen Stil errichtet. ausstattete. Der Dom St. Peter und St. Georg – in dem mit Clemens II. der einzige Papst nördSie war über Jahrhunderte hin die größte und sicherste lich der Alpen seine letzte Ruhestätte fand – beherrscht Pfalzanlage sächsischer und salischer Kaiser. Goslar wurde mit seinen vier Türmen noch heute die Bamberger Altstadt. ein Zentrum des christlichen Glaubens, das „nordische Anlässlich der Weihe des ersten Domes an dieser Stelle Rom“. Die Türme der 47 Kirchen und Kapellen bestimmen wird in Bamberg 2012 die 1000-Jahr-Feier des Domes benoch heute die einzigartige Silhouette der Stadt. Das gegangen. schlossen erhaltene Stadtbild wird durch die Gildehäuser, Die Altstadt von Bamberg, die auf einer Insel zwischen zwei Armen der Regnitz liegt, kann sich des größten unversehrt erhaltenen historischen Stadtkerns in Deutschland rühmen. Die Alte Hofhaltung, die Neue Residenz sowie zahlreiche Kirchen und ehemalige Klöster prägen ihre Silhouette, darunter die Klosteranlage St. Michael oder auch die gotische Obere Pfarrkirche. Das Wahrzeichen der Stadt, das inmitten der Regnitz stehende Alte Rathaus, bildet die Grenze zwischen geistlicher Berg- und Die Kaiserpfalz in Goslar – hier residierten Kaiser und Könige auf ihren Reisen durch das Reich

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Lübeck: Das im Winkel stehende, historische Rathaus neben der Marienkirche kündet vom Stolz der hanseatischen Kaufleute auf ihre Stadt

Das Quedlinburger Schloss (oben) mit der romanischen Stiftskirche thront über der Altstadt. Rechts: Das Rathaus von Stralsund

das historische Rathaus und eine große Zahl an Bürgerhäusern mit kunstvoll beschnitztem Fachwerk geprägt. Das 1988 stillgelegte Erzbergwerk Rammelsberg bei Goslar, das als einziges Bergwerk der Welt kontinuierlich über 1000 Jahre in Betrieb gewesen ist, wurde 1992 zusammen mit der mittelalterlichen Altstadt Goslars und ihrer Kaiserpfalz in die Welterbeliste der UNESCO eingetragen. 2010 wurde die Welterbestätte um das südwestlich von Goslar gelegene Oberharzer Wasserregal erweitert, das als eines der weltweit größten vorindustriellen Energieversorgungssysteme gilt.

kobskirche, Heiligengeist-Spital und den Baublöcken zwischen Glockengießer- und Aegidienstraße, das Viertel der Patrizierhäuser des 15. und 16. Jahrhunderts zwischen Petrikirche und Dom, das Holstentor und die Salzspeicher am linken Traveufer.

Lübeck – die Hansestadt an der Trave Mit dem mittelalterlichen Stadtkern der Hansestadt Lübeck wurde 1987 erstmals in Nordeuropa eine ganze Altstadt von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Lübeck ist ein hervorragendes Beispiel für eine typische Hansestadt im Ostseeraum. Die Stadt wurde 1143 gegründet und 1159 unter Heinrich dem Löwen in den bis heute fortwirkenden Grundlinien angelegt. Die früh ausgeprägte wirtschaftliche und gesellschaftliche Differenzierung innerhalb des Stadtgefüges – im Westen die Kontor- und Wohnhäuser der wohlhabenden Kaufleute, im Osten das Kleingewerbe und die Handwerker – ist noch heute erlebbar. Besonders deutlich wird sie in der Anordnung der „Gangbuden“, Werkstätten auf dem rückwärtigen Grundstück der Kaufmannshäuser, zu denen ein enges Netz von „Gängen“ führt. Der von der UNESCO geschützte Bereich bezieht die wichtigsten Bauwerke Lübecks ein: den Baukomplex des Rathauses, das Burgkloster, den Koberg – ein vollständig erhaltenes Viertel des späten 13. Jahrhunderts – mit Ja-

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Quedlinburg – jahrhundertealte Fachwerkhäuser Quedlinburg, in der Nähe des Brockens auf der östlichen Seite des Harzes gelegen, bietet ein außergewöhnliches Beispiel für eine mittelalterliche Stadt, die aus einem Burgdorf und mehreren Ansiedlungen entstanden ist. Altstadt und Neustadt verschmolzen 1330 zu einer Doppelgemeinde mit gemeinsamer Stadtmauer. Dieses zusammenhängende städtische Gefüge mit vier alten Pfarreien und den alten Fachwerkhäusern bestimmen den Charakter des Ortes. Vom Schlossberg aus schaut man auf ein schief verwinkeltes Spitzgiebel- und Türmchengewirr. Mit seinen rund 1300 Fachwerkhäusern aus sechs Jahrhunderten und einer Reihe von Jugendstilbauten gilt Quedlinburg als eines der größten Flächendenkmäler Deutschlands. Kurz vor dem Fall der Mauer verhinderte der Widerstand der Quedlinburger großräumig geplante Abrisse im Nordteil der Altstadt. Nach der Wende wurden mithilfe von Förderprogrammen Fachwerkhäuser repariert und modernisiert. Als architektonisches Meisterwerk der Romanik erachtet die UNESCO, die die Quedlinburger Altstadt 1994 in die Welterbeliste aufnahm, die Stiftskirche St. Servatii. Sie ist ein sichtbares Zeugnis der sächsisch-ottonischen Dynastie. In ihrem Gründungsbau wurden König Heinrich I. (936) und später auch seine Frau Mathilde (968) beigesetzt. Neben Aachen und Halberstadt beherbergt sie den wertvollsten Kirchenschatz des Mittelalters.


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Der Hafen von Wismar (links) – die Ostseestadt verdankte ihren Aufstieg der Mitgliedschaft in der Hanse

Stadtamhof verbindet. Beide wurden gemeinsam 2006 in die Welterbeliste aufgenommen.

Stralsund und Wismar – Perlen an der Ostsee Die Altstädte von Stralsund und Wismar – seit 2002 Teil des Welterbes – repräsentieren idealtypisch die entwickelte Hansestadt während der Blütezeit des Städtebundes im 14. Jahrhundert. Die historischen Stadtkerne haben ihren mittelalterlichen Grundriss nahezu unverändert bewahrt und zeigen die politische Bedeutung und den außerordentlichen Reichtum der Ostseestädte im Mittelalter. Wismar ist die einzige in dieser Größe und Geschlossenheit erhaltene Hansestadt im südlichen Ostseeraum. Das alte Hafenbecken vermittelt ein authentisches Bild von dem eigentlichen Rückgrat der Seehandelsstadt. Stralsunds einmalige Insellage zwischen dem Strelasund und den im 13. Jahrhundert aufgestauten Teichen betont den mittelalterlich geprägten Stadtkörper. So war Stralsund neben Lübeck die bedeutendste Stadt im gesamten Ostseeraum und wurde 1370 als Ort für die Friedensverhandlungen mit Dänemark (Stralsunder Friede) ausgewählt. Von dieser Zeit zeugen die aufwändig gestalteten Kaufmannshäuser und das historische Rathaus. Im 17. und 18. Jahrhundert standen Stralsund und Wismar unter schwedischer Herrschaft. Aus dieser Zeit stammen einige herausragende Barockbauten wie das Zeughaus in Wismar oder das Schwedische Regierungspalais in Stralsund. Christoph Neuschäffer

Regensburg – mittelalterliche Großstadt Die vorzügliche Lage an kontinentalen Verkehrssträngen machte Regensburg, dessen Geschichte mit einem Römerkastell begann, schon im 8. Jahrhundert zu einem wichtigen Treffpunkt der Großen des karolingischen Reichs. Später wurde Regensburg für Jahrhunderte zu einem der politischen Versammlungsorte des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Mit dem Immerwährenden Reichstag in Regensburg (1663-1806) bildete sich ein politisches Instrument heraus, das als einziges neben dem Kaiser selbst das Heilige Römische Reich in seiner Gesamtheit repräsentierte. In dem hervorragend erhaltenen Reichstagskomplex lassen sich die politischen und transnationalen Strukturen dieser Epoche nachvollziehen. Die Altstadt von Regensburg hat den Umfang bewahrt, den sie um 1320 angenommen hatte. Die Patrizierfamilien ReIn Deutschland gibt es 36 Denkmäler, die auf der Welterbeliste der UNESCO gensburgs manifestierten dort verzeichnet sind. Sie stehen damit unter ihren Reichtum in den bis heute dem Schutz der Internationalen Konvention für das Kultur- und Naturerbe der erhaltenen prächtigen, durch Menschheit. Die 1972 von der UNESCO verabschiedete Konvention ist das inGeschlechtertürme ausgezeichPrächtig geschmückte Fassade in ternational bedeutendste Instrument, um Kultur- und Naturstätten, die einen neten Handelshäusern des 11. der Regensburger Altstadt außergewöhnlichen universellen Wert besitzen, zu erhalten. Denkmäler werbis 14. Jahrhunderts. Die Patriden nur dann in die Liste des Welterbes aufgenommen, wenn sie die in der zier stifteten außerdem gewaltige Kirchenbauten. So Konvention festgelegten Kriterien der „Einzigartigkeit“ und der „Authentiziist der Regensburger Dom das einzige Beispiel frantät“ (bei Kulturstätten) bzw. der „Integrität“ (bei Naturstätten) erfüllen. zösischer Kathedralgotik östlich des Rheins, sein BeRinghotels in der Nähe von Welterbestätten finden Sie auf unserer Deutschstand an mittelalterlicher Glasmalerei ist einzigartig landkarte, die unter www.ringhotels.de/prospektbestellung kostenlos angein Deutschland. Als überragende Ingenieurleistung fordert werden kann. aus dem 12. Jahrhundert gilt die Steinerne Brücke über die Donau, die die Altstadt mit dem Stadtteil

Die Welterbeliste der UNESCO

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