Das Welterbe in Deutschland - die Natur

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Das Wattenmeer ist eine der drei UNESCONaturerbestätten in Deutschland.

Das Welterbe in Deutschland – die Natur reiseziele

Deutschland ist ein Land voller Kulturdenkmäler und einmaliger Naturlandschaften. Das zeigt sich in den über 30 Stätten, die bereits zum UNESCO-Weltkultur- oder Weltnaturerbe erklärt wurden. Trend & Tradition stellt sie in einer Reihe von Ausgaben vor – diesmal die drei Naturerbestätten Alte Buchenwälder, Wattenmeer und die Fossilienlagerstätte in der Grube Messel.

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as kulturelle Erbe der Menschheit besteht vor allem aus Bauwerken und architektonischen Anlagen, die als Meisterwerke der menschlichen Schöpferkraft einen außergewöhnlichen universellen Wert besitzen. Weltweit gibt es über 745 von der UNESCO als schützenswert ausgezeichnete Kulturdenkmäler. Zum erhaltenswerten Erbe der

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Menschheit gehört gemäß der Welterbekonvention der UNESCO aber auch die Natur. Ein Naturerbe sollte eine „überragende Naturerscheinung“, von „außergewöhnlicher Schönheit“ und „ästhetischer Bedeutung“ sein. Die weltweit über 200 Naturdenkmäler können beispielhaft für eine Stufe der Erdgeschichte oder bedeutende ökologische und biologische Prozesse stehen.


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Im Museum der Grube Messel wird die Geschichte der Erde vor über 45 Millionen Jahren durch Fossilienfunde anschaulich gemacht.

Grube Messel: Fossilien und Bilder zeigen die Tierwelt des Eozäns.

In Deutschland wurde 1995 mit der Fossilienlagerstätte Grube Messel erstmals ein Naturdenkmal in die Weltnaturerbeliste aufgenommen. Die dort gemachten Funde ermöglichen Geologen, Archäologen und Wissenschaftlern anderer Fachrichtungen einen tiefen Einblick in die Erdgeschichte sowie die Entwicklung pflanzlichen und tierischen Lebens in früheren Erdzeitaltern. Mit dem Wattenmeer sowie den fünf Alten Buchenwäldern in Mittel- und Ostdeutschland wurden 2009 beziehungsweise 2011 zwei Landschaften von außergewöhnlicher Schönheit in die Liste eingetragen. Beide stellen singuläre Lebensräume mit einer großen Artenvielfalt dar, die für die Zukunft bewahrt werden sollen. So ist das Wattenmeer für rund 50 Vogelarten wie die Heringsmöwe oder die Trauerente ein unverzichtbarer Lebensraum, die Alten Buchenwälder bieten seltenen Tierarten wie Wildkatzen und Fledermäusen Schutz.

Fossilienlagerstätte Grube Messel In der Grube Messel bei Darmstadt wurden von 1859 bis 1970 Tonstein, Eisenerz und Braunkohle abgebaut. Die auch als Ölschiefer bezeichneten Sedimente entstanden im Eozän vor rund 47 Millionen Jahren. Eine Forschungsbohrung ergab 2001 Aufschluss über deren Entstehung: Im Eozän ereignete sich in Messel ein Vulkanausbruch, der

einen Explosionstrichter zurückließ, in dem sich ein 300 Meter tiefer See bildete. Dieses sogenannte Maar verflachte in den rund 1,5 Millionen Jahren seines Bestehens durch Sedimentation. Die sehr große Tiefe des Vulkansees im Verhältnis zu seiner kleinen Oberfläche führte dazu, dass tote Tiere und abgestorbene Pflanzen auf den Grund sanken und dort aufgrund des Sauerstoffmangels versteinerten, anstatt sich zu zersetzen. Die Fossillagerstätte gibt mit bislang rund 80.000 Funden einen einzigartigen Aufschluss über die frühe Evolution der Säugetiere. Sie dokumentiert die Entwicklungsgeschichte der Erde zu einer Zeit, als nach dem Aussterben der Dinosaurier explosionsartige Veränderungen die Tier- und Pflanzenwelt bestimmten. Der Ölschiefer der Grube birgt Fossilien, die das gesamte Spektrum der Lebewesen zwischen 47 und 45 Millionen Jahren vor unserer Zeitrechnung umfassen, in einer Artenvielfalt und Qualität wie sie bisher von keiner anderen Fundstelle belegt ist. Die Auswertung der Funde in der Grube Messel, die der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft sowie dem Hessischen Landesmuseum anvertraut ist, öffnet das Fenster in die Vorgeschichte menschlichen Lebens. Die Fossillagerstätte gibt Aufschluss über Kontinentaldrift und Sedimentation, über Ozeanbildung und Landbrücken zwischen sich verschiebenden Kontinenten, über Tiefe und Erstreckung der Biosphäre und über Klima- und Lebenszyklen. Der hervorragende Zustand der Fossilien ermöglicht ein präzises Bild von Anatomie und Lebensweise der bislang 100 nach- Abgüsse von Fossilien dürfen nicht gewiesenen Wirbeltierarten, nur betrachtet werden und machen darunter 40 Säugetiere. Erdgeschichte hautnah erlebbar.

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Sandbänke vor der Nordseeküste nutzen Robben als Ruheplätze.

Das Leben im Wattenmeer wird vor allem durch die Gezeiten geprägt.

Zu den spektakulären Fossilienfunden gehören die Überreste von mehr als 70 Urpferden, darunter über 30 vollständige Skelette. Von Wirbeltieren blieben Skelette mit Weichteilkonturen und sogar Mageninhalten erhalten. Fossilienfunde von Vögeln versprechen völlig neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung der damaligen Vogelwelt mit einem überraschenden Artenreichtum. Die Vielfalt der Reptilien- und Amphibienfauna ermöglicht Rückschlüsse auf Nahrungsketten und das ökologische System des fossilierten Biotops. Die Grube Messel ist auch eine der bedeutendsten Fundstellen fossiler Insekten und auch die Pflanzenwelt gilt unter Paläobotanikern als eine der artenreichsten des Alttertiärs. Die Pflanzenreste lassen Rückschlüsse auf klimatische Verhältnisse und besondere Standortbedingungen zu. Mehr Informationen zu Öffnungszeiten und Themenführungen erahlten Sie unter www.grube-messel.de.

Hamburgisches Wattenmeer hinzu, dessen Schutzgebiet an der Elbemündung vor Cuxhaven liegt und auch die Inseln Neuwerk, Nigehörn und Scharnhörn umfasst. Das Wattenmeer ist mit über 10.000 Quadratkilometern eines der weltweit größten und wichtigsten gezeitenabhängigen Feuchtbiotope. Insgesamt macht es 60 Prozent aller Tidegebiete in Europa und Nordafrika aus. Neben der reinen Wattfläche mit Schlick- und Sandwatt gehören zahlreiche andere Lebensräume wie zum Beispiel Salzwiesen, Marschflächen, Dünen und Sandbänke zu der eingerichteten Schutzzone. Einzigartig ist die außerordentlich große Artenvielfalt: Etwa 10.000 Arten leben im Wattenmeer. Die Salzwiesen beherbergen rund 2.300 Pflanzen- und Tierarten, die marinen und brackwasserhaltigen Zonen circa 2.700 weitere Arten. Zu den im Wattenmeer lebenden Säugetieren zählen Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale. Im Schlick tummeln sich Muscheln und Krebse, Faden- und Strudelwürmer. Das Watt ist Laichplatz von zahlreichen Meeresfischen wie Scholle und Seezunge. Das große Nahrungsangebot macht das Wattenmeer überlebenswichtig als Zwischenstopp für Zugvögel auf ihrem Weg von Südafrika entlang der Atlantikküste nach Nordsibirien oder Kanada. Durchschnittlich ziehen jährlich zehn bis zwölf Millionen Zugvögel durch das Gebiet. Um mehr über das Wattenmeer und seine Flora und Fauna zu erfahren, können sich Besucher an rund 50 Info-Zentren entlang der Küste informieren, von denen fast 40 auf deutschem Gebiet liegen. Sie reichen vom Feuerschiff Borkumriff an der niederländischen Grenze bis zum Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt. Eine Liste aller Infozentren finden Sie unter www.waddensea-worldheritage.org/de/wattenmeer-erleben/infozentren.

Das Wattenmeer Das Wattenmeer zwischen Den Helder in den Niederlanden und dem dänischen Esbjerg ist die größte zusammenhängende Wattlandschaft der Welt und eines der letzten Gebiete in Europa, in der die Natur sich noch weitgehend vom Menschen unbeeinflusst entwickeln kann. Damit dies so bleibt, erklärten die deutschen Küstenländer es zum Nationalpark: 1985 das schleswig-holsteinische Wattenmeer, 1986 das niedersächsische und 1990 das hamburgische Wattenmeer. Nach einer gemeinsamen Nominierung mit den Niederlanden bei der UNESCO wurden 2009 zunächst das niederländische Wattenmeer-Schutzgebiet sowie die deutschen Wattenmeer-Nationalparks von Niedersachsen und Schleswig-Holstein in die Welterbeliste aufgenommen. Im Juni 2011 kam der Nationalpark

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Im Schutz der Alten Buchenwälder leben viele Pflanzen und Tiere.

Mehr als 500 holzbewohnende Käferarten gibt es in den Buchenwäldern.

Alte Buchenwälder und liegendem Totholz und natürlichen Höhlen verfügen, Fünf Buchenwaldgebiete in Deutschland wurden im Juni bieten einen idealen Lebensraum für Höhlenbrüter, Fle2011 in die Liste des Welterbes aufgenommen: der Natiodermäuse und viele andere Lebewesen. nalpark Hainich in Thüringen, der Grumsiner Forst in BranDie Einzigartigkeit der Alten Buchenurwälder entdeckt denburg, der Nationalpark Kellerwald-Edersee in Hessen, man am besten bei einer Wanderung oder dem Besuch der Nationalpark Jasmund und der Serrahner Buchenwald der dort eingerichteten Besucherzentren. Hier erhält man im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern. Die einen Einblick in das wertvolle Ökosystem der europäiBuchenwaldgebiete sind Teil einer grenzüberschreitenden schen Buchenwälder mit ihrer Flora und Fauna. Geführte Naturerbestätte, zu der auch zehn Buchenurwälder der Touren und Mitmach-Angebote vor Ort machen das WeltKarpaten im Grenzgebiet der Slowakei und der Ukraine genaturerbe zu einem besonderen Erlebnis. Mehr Informahören. Während die Gebiete in den Karpaten in montanen tionen zu den einzelnen Nationalparks und den und subalpinen Höhenlagen von bis zu 1.940 Metern lieBesucherzentren finden Sie unter www.weltnaturerbegen, stellen die fünf deutschen Buchenwaldgebiete die buchenwaelder.de. Christoph Neuschäffer wertvollsten verbliebenen Reste naturnaher TieflandBuchenwälder dar, die es weltweit nur noch in Deutschland gibt. Der Nationalpark Jasmund auf der Ostseeinsel Rügen liegt nur 100 Meter über dem Meeresspiegel, der Kellerwald auf bis zu 626 Metern. Buchenwälder sind deshalb so bedeutsam, weil sie In Deutschland gibt es 37 Denkmäeinst maßgeblich das Erscheinungsbild Europas prägler, die auf der Welterbeliste der ten: Vor 6.500 Jahren bedeckten diese Wälder rund UNESCO verzeichnet sind. Sie ste40 Prozent des Kontinents. Die Buchenurwälder in hen damit unter dem Schutz der den Karpaten sind die letzten Überreste der alten BeInternationalen Konvention für das Kultur- und Naturerbe der Menschheit. waldung. Die deutschen sind wesentlich jünger und Die 1972 von der UNESCO verabschiedete Konvention ist das international benur wenige Teilabschnitte sind von menschlichem deutendste Instrument, um Kultur- und Naturstätten, die einen außergeEinfluss weitgehend verschont geblieben. Der Buwöhnlichen universellen Wert besitzen, zu erhalten. Denkmäler werden nur chenwald im Nationalpark Hainich war über 40 Jahre dann in die Liste des Welterbes aufgenommen, wenn sie die in der Konvention militärisches Sperrgebiet und wurde kaum betreten, festgelegten Kriterien der „Einzigartigkeit“ und der „Authentizität“ (bei Kulder Grumsiner Forst war Staatsjagdgebiet der DDR turstätten) bzw. der „Integrität“ (bei Naturstätten) erfüllen. und wurde ebenfalls kaum angetastet. Sie beherberRinghotels in der Nähe von Welterbestätten finden Sie auf gen eine große Artenvielfalt, die sich erst bei älteren unserer Deutschlandkarte, die unter www.ringhotels.de/ Wäldern voll entfalten kann. Buchenwälder, die über prospektbestellung kostenlos angefordert werden kann. einen hohem Anteil an alten Bäumen, stehendem

Die Welterbeliste der UNESCO

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