Kunstwerke

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Colori compositi

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Riminis und des rimineser Gebietes

Kunstwerke in den kirchlichen Geb채uden

I - 47900 Rimini, piazza Malatesta 28 tel. +39 0541 716371 - fax +39 0541 783808

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edizione tedesca

Riviera di Rimini Travel Notes


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Rimini Pfarrkirche (Pieve) San Salvatore Pfarrkirche San Giuliano Pfarrkirche San Fortunato Kirche Sant’Agostino Tempio Malatestiano Kirche Madonna delle Grazie Kirche Madonna della Colonella Wallfahrtskirche Madonna della Misericordia/ Kirche Santa Chiara Kirche der Serviti (genannt: der Diener) Verucchio Pfarrkirche (Pieve) San Martino Kirche Santa Croce (Villa Verucchio) Kollegiatskirche von Verucchio San Giovanni in Marignano Kirche Santa Maria in Pietrafitta Pfarrkirche San Pietro

Colori compositi

Santarcangelo di Romagna Pfarrkirche (Pieve) von Santarcangelo di Romagna Kollegiatskirche von Santarcangelo di Romagna Morciano di Romagna Abtei San Gregorio Montescudo Pfarrkirche Santa Maria del Soccorso (Valliano) Montefiore Conca Wallfahrtskirche Madonna von Montefiore Hospitalkapelle Madonna della Misericordia Montegridolfo Kapelle San Rocco Wallfahrtskirche Selige Jungfrau delle Grazie (Trebbio) Saludecio Pfarrkirche San Biagio

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Provincia di Rimini Assessorato alla Cultura Assessorato al Turismo Agenzia marketing turistico Riviera di Rimini

Pier Giorgio Pasini Kunstwerke in den kirchlichen Geb채uden Riminis und des rimineser Gebietes

In Zusammenarbeit mit


Koordination: Valerio Lessi Grafik: Relè - Leonardo Sonnoli Fotos aus dem Foto-Archiv der Provinz Rimini Ein Dank an die Fotografen: L. Bottaro, P. Cuccurese, P. Delucca, S. Di Bartolo, L. Fabbrini, R. Gallini, L. Liuzzi, G. Mazzanti, T. Mosconi, Paritani, V. Raggi, E. Salvatori, R. Sanchini, F. Taccola, R. Urbinati Übersetzung: Erich Czichy Link-Up, Rimini Überarbeitung von: Marino Campana, Caterina Polcari Umbruch und Layout: Litoincisa87, Rimini Licia Romani Erste Auflage 2003 Neudruck 2008


Inhalt

Einleitung >

4

Eine engmaschige Verbreitung

Route 1 >

7

Antike Pfarrkirchen

Route 2 >

11

Klรถster

Route 3 >

15

Klรถster

Route 4 >

19

Auf den Spuren San Francescos

Route 5 >

25

Die Kirchen der Madonna

Route 6 >

31

Kleine Kathedralen

Vertiefungen >

37

Lokale Heilige Kunst und Erinnerung

Bibliographie >

38

Wer mehr wissen mรถchte...

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Einleitung > Eine engmaschige Verbreitung

Das rimineser Binnenland verdankt seine so vielfältige Gestalt einem Zusammenspiel von Hügelgebieten und zwei Flüssen (dem Marecchia und dem Conca) mit weiten und malerischen Tälern. Es handelt sich um ein fruchtbares Territorium, das seit der Vorgeschichte vom Menschen aufgesucht worden ist, insbesondere dort, wo die Hanglagen häufiger und “bewegter” sind; es ist also reich an kleinen und großen Ansiedlungen und von einem engen Straßennetz durchzogen, das es mit den Nachbarregionen verbindet. Wegen seiner Lage - zwischen dem Apennin und dem Meer sowie in Sichtweite der emilianischen Ebene - bildete es stets eine Durchgangszone; es war also ein Gebiet des Zusammentreffens verschiedener Kulturen, aber auch des Zwistes und der Waffengänge. Und die Landschaft ist augenfällig genau von den Spuren solcher so beängstigender Bedingungen gekennzeichnet. Die Spuren sind vor allem Überreste eines kriegerischen und funkensprühenden Mittelalters, das sich immer noch hoch auf dem Berge San Marinos zeigt, das immer noch die Hügel mit Ruinen krönt, mit verfallenden Mauern die Ortschaften gürtet und durch Turmfragmente strategische Passagen anzeigt. Aber das Aussehen dieser ebenso verfallenen wie pittoresken Spuren selber zeigt auch, dass sie das Ergebnis definitiv abgeschlossener Begebenheiten sind, deren Zeit nun schon weit zurück liegt. Weniger augenfällig, weniger baufällig, aber genau besehen häufiger anzutreffen sind Zeugnisse anderer Natur: sie haben mit einer weit verbreiteten Religiosität zu tun, die zuweilen bis in die Antike reichende Wurzeln hat (wie gewisse Schichtenablagerungen am “heiligen Ort” und manchmal sogar in ein und demselben Gebäude zeigen), die aber auch heute noch lebendig und vital ist; vermischt, ja, sogar eng verknüpft mit den Anzeichen einer friedvollen säkularen Arbeitsamkeit. Ohne große Mühe stößt man zwischen kultivierten Feldern und längs der Landstraßensäume auf kleine Votivkapellen, die aus Verehrung heraus ständig erneuert werden; an den Ortsgrenzen hingegen finden sich häufig Oratorien, die einstmals kleinen Hospitalen für die Pilger zur Seite standen; und in den Orten und Dörfern Pfarrkirchen unterschiedlicher Form und Größe, oder Heiligtümer, die der Jungfrau geweiht sind. Der letzte Weltkrieg hat längs der “Gotenlinie” für längere Zeit besonders heftig gewütet, zahlreiche Opfer provoziert und bei nahezu allen Ansiedlungen schwerste Schäden hervorgerufen; und dies natürlich auch bei Gebäuden religiösen Charakters, die oft wichtige Zeugnisse bewahrt hatten, besser gesagt: die auch selber wertvolle Zeugnisse der Geschichte und Tradition, des Glaubens und der Kunst gewesen waren. Auch die Landflucht, die ihren Höhepunkt Anfang der sechziger Jahre hatte, hat sich auf die Konservierung von Gebäuden religiösen Charakters in diesem Gebiet ausgewirkt. Trotzdem sind Kirchtürme auch heute noch 4


häufig anzutreffende Elemente: sie unterstreichen die Präsenz von mehr oder weniger bescheidenen Kultgebäuden, die mehr oder weniger gut restauriert und “behütet” sind. Wer dies Gebiet durchqueren möchte, wird überall interessante und häufig erfreuliche Zeugnisse religiöser Kunst vorfinden, manchmal echte und wahrhaftige Meisterwerke, deren Bedeutung und Schönheit dadurch, dass sie an ihren Originalstandorten aufbewahrt werden und immer noch ihrer ursprünglichen Bestimmung dienen, besonders zur Geltung kommen.

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Route 1 > Antike Pfarrkirchen

Santarcangelo di Romagna Pfarrkirche San Michele via Celletta dell’Olio Tel. 0541 626109 Besichtigung auf Nachfrage

Die byzantinische Pfarrkirche (Pieve) San Michele in Santarcangelo. 7

Die Verbreitung des Christentums in Rimini und seinem Gebiet ist wie überall - von märchenhaften Geschichten umgeben, von Legenden, in denen das Wahre vom Phantastischen schwerlich genau zu unterscheiden ist. Wenn man die nicht zweitrangige Rolle der Stadt und ihres Hafens im Verkehr mit Afrika und dem Orient in spätrömischer Zeit bedenkt, begann sie wahrscheinlich ziemlich früh: genau wegen der Wichtigkeit der Stadt und ihres Hafens wurde Rimini denn auch vom Kaiser Konstantin 359 als Konzilsort der Bischöfe des Westens ausersehen. Bedenkt man weiterhin die engen Beziehungen zwischen der römischen Stadt und dem von ihr abhängigen Territorium, können wir die Hypothese einer ziemlich raschen Verbreitung des Christentums auch im Binnenland aufstellen. Tatsächlich präsentieren uns die Dokumente vor dem 10. Jh. ein ziemlich enges Netz von Pfarrkirchen (wenigstens sechzehn), die den bevölkerungsreichsten und wichtigsten Orten vorgestanden haben. Jegliches bauliche Zeugnis ist jedoch seit vielen Jahrhunderten zerstört; von einigen Pfarrkirchen ist selbst die topografische Erinnerung verloren gegangen, während uns von anderen nur relativ moderne Rekonstruktionen überkommen sind. Dasselbe ist innerhalb der Stadt geschehen, in der die ältesten religiösen Bauwerke verschwunden sind, alle, sogar die Kathedrale der Santa Colomba, die man in napoleonischer Zeit entweiht und demoliert hat. Das älteste und faszinierendste der verbliebenen religiösen Bauwerke ist die dem Erzengel Michael gewidmete Pfarrkirche von Santarcangelo di Romagna. Sie erhebt sich einen Kilometer vom Ort entfernt in einer ebenen Gegend und präsentiert sich als ein Gebäude mit nur einem Schiff von sehr ausgewogenen Proportionen und einem hellen Inneren mit den Charakteristiken der ravennatisch-byzantinischen Kunst des 7. Jhs.; auch die außen polygonale Apsis, das flachziegelige Mauerwerk und die harmonische Bogenfenster-Reihe verweisen auf ravennatische Kunst. Das darf nicht verwundern, denn erstens war das gesamte rimineser Territorium Bestandteil der byzantinischen Pentapolis und ist lange gegen die Barbaren verteidigt worden, und zweitens, weil die Kirche Ravennas während vieler Jahrhunderte reichlich Besitztümer in der Romagna und den Marken gehabt hat. Eine der wenigen verbliebenen Spuren dieses Umstandes sind verschiedene, byzantinischen und langobardischen Heiligen gewidmete Kirchen (auch der Erzengel San Michele ist einer von ihnen). Heute präsentiert sich unsere Pfarrkirche ohne Dekoration, aber jüngste archäologische Grabungen haben zur Auffindung von Fußbodenmosaikfragmenten und Marmorbelägen geführt, womit ein einstmals beachtenswerter dekorativer Reichtum dokumentiert wäre. Von ihrer kontinuierlichen Benutzung zeugen der im 12./13. Jh. vor die Fassade gebaute Kirchturm, ein abgelöstes Fresko San Sebastinanos


Rimini Kirche San Salvatore via San Salvatore, 24 Tel. 0541 730159 Besichtigung auf Nachfrage Verucchio Pfarrkirche San Martino via Marconi, 1 Tel. 0541 670197 Besichtigung auf Nachfrage Saiano di Torriana Kirche der Madonna di Saiano via Saiano, 14 Tel. 0541 675107 • Geöffnet: Sommer 8:3019:00; Winter 8:30-17:00

Oben links, Fassade der romanischen Kirche San Salvatore; rechts, die Apsis der romanischen Pfarrkirche (Pieve) von Verucchio; unten, der zylindrische Turm und die Kapelle Madonna di Saiano. 8

(15. Jh.), ein herrliches Kruzifix aus dem “Trecento” (jetzt in der Kollegiatskirche), und der Steinblock, auf dem auch jetzt noch die Mensa des einzigen Altars ruht: eine hochmittelalterliche Skulptur mit BlätterSchösslingen und einem Raubvogel, der einen kleinen Vierfüßler mit den Klauen packt und anhebt; alles von summarischer Linienführung und hart gemeißelt, von barbarischem Geschmack. So alte mittelalterliche Skulpturen sind rar im rimineser Gebiet, aber es sei wenigstens an die unlängst wieder aufgefundene schöne fragmentarische Chorschranke der Kirche Santa Maria in Pietrafitta (Gemeinde San Giovanni in Marignano) erinnert, und an einige Kapitelle der Pfarrkirche San Salvatore (Gemeinde Rimini, Richtung Coriano): aus dem 8. bis 9. Jh. die erste, vielleicht später die anderen, die jedoch byzantinischen Kapitellen nachgebildet sind, von denen sie die Formen und das dekorative Geflecht übernommen haben. Auch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass eine gute Sammlung mittelalterlicher und hochmittelalterlicher meist fragmentarischer Skulpturen oft ungewisser Herkunft im Stadtmuseum aufbewahrt wird. San Salvatore ist eine interessante Kirche, die zahlreiche Umbauten und Restaurierungen erfahren hat, aber dennoch ein malerisches Aussehen bewahren konnte. Sie hat die Ausstrahlung einer soliden “romanischen” Kirche von schlichter Form und einem ungeordneten Mauerwerk, das durch Streifen aus Naturstein und Ziegeln gekennzeichnet ist. Sie hat seitlich vorstehende kleine Bögen, kleine Fensterschlitze und einige “erbeutete” Marmorstücke, auch römische, die hier eine neue Verwendung gefunden haben. Auf den Hügeln des rimineser Binnenlandes kann man Gebäude antreffen, die, einverleibt in eher jüngere Konstruktionen, manches kleinere Zeugnis von hohem Alter bewahren konnten. Aber um vollständige wenn nicht gar intakte - Monumente antiker religiöser Architektur zu finden, muss man sich im Marecchia-Tal landeinwärts bewegen: gleich hinter Villa Verucchio lässt sich die Pfarrkirche San Martino bewundern. Sie ist von rustikaler romano-gotischer Architektur und steht auf einem olivenschattigen Hang zu Füßen des großen Felsens, auf dem Verucchio aufragt. Nur wenig weiter wird man, jenseits des Flusses, die “Tricora”-Kirche (mit der sehr seltenen Anlage dreier Apsis-Kapellen) der Madonna di Saiano sehen, malerisch auf einem steil aufragenden Felsen; an ihrer Seite steht ein Natursteinturm, der von nahem an die byzantinischen Türme erinnert. Und dann kommen, noch weiter landeinwärts, schon auf dem Gebiet des Montefeltro, die Kirchen von San Leo (Pfarrkirche und Kathedrale) und Ponte Messa in Sicht, die eine kostbare architektonische Gruppe bilden, die auf die Zeit zwischen dem 11. und 13. Jh. datierbar ist.




Route 2 > Klöster

Rimini Kirche San Giuliano via San Giuliano, 16 Tel. 0541 25761 • Geöffnet: 7:00-12:00/16:0019:00 Rimini Kirche San Fortunato via Covignano, 257 Tel. 0541 751761 • Geöffnet: Sommer 9:0012:00/15:00-20:00; Winter 9:00-12:00/15:00-18:00

Oben, das Altarbild von Paolo Veronese mit dem Martyrium von San Giuliano (1587), in der Kirche San Giuliano in Rimini. Unten links, Innenraum der Kirche San Fortunato in Covignano di Rimini, vormals OlivetanerAbtei; rechts, das Tafelbild von Giorgio Vasari mit der Anbetung der Heiligen Könige (1547) in der Apsis der Kirche San Fortunato in Covignano di Rimini. 11

In den rimineser Karten des Hochmittelalters trifft man häufig auf die Namen von Klöstern, aber im allgemeinen handelte es sich um kleine Kirchen, die so genannt wurden, weil sie nur einem einzigen Geistlichen anvertraut waren, oder es waren, wenn sie sich auf dem Land befanden, kleine Eremitagen. Die ersten Mönchsgemeinschaften auf rimineser Boden, die nach den “Regeln” lebten, waren Benediktiner gewesen. Rimini rühmte sich zweier wichtiger Benediktiner-Abteien, die sich knapp außerhalb der Stadt, aber neben ihren zwei Haupteinlässen befanden: San Piero, im Zentrum des Viertels San Giuliano, am Beginn der Via Emilia, und San Gaudenzo, am Rand des Viertels San Giovanni, am Ende der Via Flaminia. Von der zweiten, die neben einer antiken heidnischen und christlichen Nekropolis erbaut worden war, gibt es nach den Abrissen in der napoleonischen Zeit keine Spur mehr. Von der ersten hat die Kirche überdauert, die heute mit dem Titel San Giuliano eine Pfarrkirche ist: sie ist von entschieden venezianischem Geschmack und durch ein großes Tonnengewölbe gekennzeichnet, das dem Raum eine bemerkenswerte Feierlichkeit verleiht. Sie ist im 16. Jh. von den Mönchen aus San Giorgio in Alga vollständig erneuert worden; ihnen ist das Tafelgemälde Paolo Veroneses mit dem Martyrium des Heiligen (1587) zu verdanken, das in der Apsis im Zentrum eines beeindruckenden architektonischen Rahmens aus vergoldetem Holz aufbewahrt wird. In der dritten Kapelle links wird ein herrlicher Flügelaltar von Bittino da Faenza (1409) ausgestellt, der die Legende San Giulianos sowie die Überführung seines Körpers in einer großen römischen Lade (die immer noch hinter dem Altar konserviert wird) von Istrien an die rimineser Küste erzählt. In den anderen Kapellen befinden sich wertvolle Gemälde aus dem 17. Jh., unter denen zwei Tafeln von Elisabetta Sirani (Mariä Verkündigung) und Pietro Ricchi (Die Übergabe der Schlüssel an San Pietro, 1649) hervorstechen. Sehr viel weniger alt war eine dritte Benediktiner-Abtei, die jedoch zum “Zweig” der Olivetaner (der “weißen Mönche”) gehörte und sich auf dem Hügel von Covignano bei Rimini erhob. Von ihr hat nur die Kirche überdauert, die jetzt als Pfarrkirche San Fortunato bekannt ist. Das Kloster war Anfang des 15. Jhs. von Carlo Malatesta gegründet worden und hatte dank der Protektion des Malatesta-Hauses in kurzer Zeit seine Besitztümer und Rechte auf viele Örtlichkeiten des Gebietes ausgedehnt, wobei es auch das antike Kloster San Gregorio in Conca mit allem, was dazugehörte, erwarb. Die Kirche hat während der Jahrhunderte erhebliche Veränderungen erlitten, aber bewahrt immer noch die Anlage und Fassade aus dem 15. Jh., eine schöne Decke aus der Renaissancezeit und eine Kapelle mit optimalen Fresken aus dem Jahr 1512, die dem Maler Girolamo Marchesi da Cotignola zugerechnet werden können: im selben Jahr 1512 ist im neben der Kirche liegenden Kloster Papst Julius II beherbergt wor-


Oben, die Reste der Benediktiner-Abtei San Giorgio in Conca bei Morciano. Unten, Apsis der Pfarrkirche von San Giovanni in Marignano, vormals benediktinisch. 12

den. Aber man sollte sich auch an einen anderen Gast erinnern: den Maler Giorgio Vasari, der sich 1547 hier aufgehalten hat. Während ein “gelehrter” Mönch das Manuskript Leben der hervorragendsten italienischen Architekten, Maler und Bildhauer (das dann 1550 in Florenz in Druck ging) übertrug und korrigierte, führte er unter Beihilfe zahlreicher Adjutanten Malereiarbeiten für die Abtei-Kirche aus: in der Apsis aus dem 17. Jh. wird immer noch eine herrliche Anbetung der Könige aus dem Morgenland aufbewahrt, vielleicht das Hauptwerk des Künstlers und eines der schönsten Bilder des italienischen Manierismus. Der benediktinische Ursprung der Kirche ist noch gut ersichtlich durch vier beeindruckende Statuen heiliger Olivetaner, die von Padre Tommaso da Bologna 1650 aus Gips modelliert worden sind und das helle Schiff beseelen, sowie durch zwei schöne Altartafeln, die um die Mitte des 18. Jhs. von Padre Cesare Pronti gemalt worden sind und auf denen heilige Mönche “mit den weißen Gewändern” und San Benedetto selbst dargestellt werden. Was das rimineser Binnenland angeht, so hat nur das Conca-Talgebiet noch einige Spuren jener zahlreichen Benediktiner-Abteien des Mittelalters bewahren können, denen die erste Urbarmachung und die erste Organisation dieses Raums zu verdanken ist. Von der ältesten, die San Gregorio geweiht und von San Pier Damiani gegen 1060 gegründet worden ist, bleiben kräftige und edle Ruinen, die nun fast schon durch moderne Bauten erstickt werden, am Stadtrand von Morciano. Wahrscheinlich verdankt dieser Ort seinen Ursprung als Marktplatz des ganzen Talgebietes genau der Protektion durch die Abtei. Auch heute noch findet hier ein großer Messemarkt in der Woche von San Gregorio (12. März) statt. Von den Kirchen monastischen Ursprungs, die im Talgebiet überdauert haben, kann man die San Pietro geweihte Pfarrkirche von San Giovanni in Marignano erwähnen. Vormals waren hier schwarze Benediktiner (“Montecassino-Mönche”) ansässig und davor gehörte sie zum Kloster San Vitale in Ravenna. Heute präsentiert sie sich in Formen des 18. Jhs. mit guten Kunstwerken; aber jedes monastische Merkmal und jede benediktinische Erinnerung sind verloren gegangen, ausgenommen das Tafelbild des zweiten Altars links, das 1753 von Gian Andrea Lazzarini gemalt worden ist und Die Heiligen Benedetto und Mauro darstellt. Die “napoleonischen Geschehnisse” haben Ende des 18. Jhs. zur Beseitigung aller religiösen Bruderschaften der Romagna geführt: keines der zahlreichen Benediktinerklöster des rimineser Gebietes ist während der Restaurationszeit erneut gegründet worden, auch weil die Gebäude schnellstens demoliert oder radikal transformiert und ihre Einrichtungsgegenstände verkauft oder zerstört worden waren. Auch viele andere zuvor blühende und häufig anzutreffende Ordensgemeinschaften sind nicht ins rimineser Gebiet zurückgekehrt.




Route 3 > Klöster

Rimini Kirche Sant’Agostino via Cairoli, 14 Tel. 0541 781268 • Geöffnet: Winter 9:0012:00/15:30-17:30; Sommer 9:00-12:00/15:30-18:30 Verucchio Kirche Sant’Agostino via Sant’Agostino

Oben, die Kirche San Giovanni Evangelista (genannt Sant´Agostino) in Rimini. Unten links, Detail eines Freskos aus dem 14. Jh. in der Apsis von Sant´Agostino in Rimini; rechts, Detail eines weiteren Freskos aus dem 14. Jh. mit dem Letzten Gericht, aus der Kirche Sant´Agostino in Rimini, jetzt im Stadtmuseum. 15

Zu den wichtigen in Rimini existierenden Orden bis zum Ende des 18. Jhs. müssen sicherlich die Augustiner gezählt werden; sie waren seit Mitte des 13. Jhs. hier und hatten im Stadtzentrum eine große Kirche, neben der sie ein beeindruckendes Kloster genau in den Jahren rekonstruierten, während derer die napoleonische Armee in die Legatenregionen einfiel und in denen die italische Regierung ihre Auflösung verfügte. Die Kirche ist San Giovanni Evangelista geweiht, aber gemeinhin als Sant’Agostino bekannt. Sie ist eine der größten der Stadt und bewahrt in der Apsis und in der Turmkapelle die wichtigsten und besten Zeugnisse jener rimineser “Mal-Schule” auf, die eine der bedeutendsten Kunstbewegungen Norditaliens im 14. Jh. begründet hat und deren Initiatoren der Handschriftenmaler Neri und die Maler Giuliano und Giovanni da Rimini gewesen sind. Es handelt sich um dem Leben der Jungfrau und dem Leben des San Giovanni Evangelista gewidmete Fresken, und außerdem, auf der Hinterwand des Apsis, um Darstellungen des Christus und der Erhabenen Jungfrau. Denselben Malern ist ein auf Tafel gemaltes Kruzifix an der rechten Seite des Schiffes und eine grandiose Szene des Letzten Gerichtes zu verdanken, das sich vormals auf dem Triumphbogen befand und jetzt im Stadtmuseum zu sehen ist. Die Kirche hat während des 17. und 18. Jhs. gravierende Umarbeitungen erfahren, und ihr gegenwärtiges Aussehen ist barock. Außer den zahlreichen Altarbildern aus dem 18. Jh. bemerkt man die Gipsstatuen von Carlo Sarti (etwa 1750) und die schöne ebene Decke von Ferdinando Bibiena mit Gemälden von Vittorio Bigari (1722), und vor allem, im ersten Altar rechts, eine schöne Holzstatue aus dem 13. Jh., Der vom Kreuz genommene Jesus (ursprünglich sollte sie Teil eines Kreuzweges sein), die aus der antiken Kathedrale Santa Colomba stammt. Im rimineser Binnenland haben von den Augustinern das Kloster und die Kirche in Verucchio überdauert, die in einer überwältigenden Panoramaposition am Rande des großen Felsens erbaut worden sind, auf dem sich der Ort erhebt. Das jetzt zum Kommunaleigentum gehörende Kloster zeichnet sich durch eine klare und schlichte Architektur aus und ist jüngst restauriert worden, um das wichtige Museum der verucchieser Villanovakultur zu beherbergen; die anliegende Kirche (in Erwartung ihrer Restaurierung) erfreut durch den barocken Stuck und die phantasievollen vergoldeten Nischen, die schöne Gemälde des 17. und 18. Jhs. einfassen. Auch die Dominikaner hatten seit dem 13. Jh. in Rimini ein wichtiges Kloster mit einer großen, San Cataldo geweihten Kirche, die jetzt völlig zerstört ist. Aus einer ihrer Kapellen stammt das schöne malatestianische Tafelbild Ghirlandaios, das nun im Stadtmuseum aufbewahrt wird und die Heiligen Vincenzo Ferreri, Sebastiano und Rocco, angebetet von Pandolfo IV Malatesta mit seiner Familie (1494) darstellt. Zu den rimineser Dominikanern gehörte die bescheidene Pfarrkirche


von Valliano (Santa Maria del Soccorso), die einsam und verborgen in den Windungen eines sonnigen Tälchens zwischen Coriano und Montescudo liegt. Ihre Apsis ist von seltenen Fresken aus der Renaissancezeit geschmückt, die die Madonna mit dem Kind, Heilige und Gelehrte der Kirche darstellen. Sie sind im letzten Jahrzehnt des 15. Jhs. von einem toskanischen Künstler angefertigt worden, der eine angenehme und durch volkstümliche Tonfälle wohlklingende Ausdrucksweise hat. Die zwei VotivFresken von anderer Hand neben der Apsis stellen Sant’ Antonio Abate und die Mystische Hochzeit der Santa Caterina dar.

Oben, die Augustiner-Kirche von Verucchio. Unten, Fresken aus dem späten 15. Jh. mit den Kirchenvätern in der Kirche von Valliano. 16




Route 4 > Auf den Spuren San Francescos

Villa Verucchio Franziskanisches Kloster und die Kirche Santa Croce via del Convento, 150 Tel. 0541 678417 • Geöffnet: 7:00-12:00/15:0018:00

Oben, der Kreuzgang der Franziskaner-Abtei von Villa Verucchio mit der San Francesco-Zypresse. Unten, Kreuzigung, Fresko der Rimineser Schule des “Trecento” (14. Jh.) in der Franziskaner-Kirche Santa Croce, auch in Villa Verucchio. 19

Dem Franziskanertum, das in der lokalen Gesellschaft besser verankert ist und stärker im Einklang steht mit der Volksmentalität und -frömmigkeit, ist es gelungen, viele der vor den Auflösungen besessenen Klöster zu bewahren oder zurückzugewinnen. Im übrigen hat ja die franziskanische Botschaft in dieser Region tiefreichende Wurzeln, die bis auf die Anwesenheit San Francescos selbst zurückgehen: nach der Überlieferung hat der Heilige die hiesigen Örtlichkeiten im Mai 1213 durchwandert, nachdem er in San Leo vom Messer Orlando de’ Cattanei aus Chiusi den Monte della Verna geschenkt bekommen hatte und nun das Marecchia-Tal hinabkam. Auf dem Wege nach Rimini habe er in einem Wald zu Füßen des Hügels von Verucchio, wo es eine kleine, dem Santa Croce geweihte Einsiedelei gab, Halt gemacht, und hier habe er einige Wunder vollbracht: er habe den Spatzen befohlen, seine Andacht nicht mit ihrem Gezwitscher zu stören, er habe eine Quelle mit Heilwasser zum Sprudeln gebracht und er habe seinen trockenen Wanderstab aus Zypressenholz eingepflanzt und wieder ergrünen lassen. Schon bald war aus der Einsiedelei ein Kloster beworden, dem zur Seite die dem Santa Croce geweihte Kirche sich erhob, die immer noch in Villa Verucchio existiert (es handelt sich um die älteste Gründung der Franziskanerprovinz Bologna). Auch heute noch hat der Platz, an dem sie aufragt, wegen seiner Abgeschiedenheit und der Präsenz von Oliven und Zypressen sehr starke Suggestivkraft; in der Nähe sprudeln Heilquellen, die an das Quellenwunder erinnern, während man im Kreuzgang des Klosters die von San Francesco gepflanzte Zypresse bewundern kann: ein kolossales, sehr seltenes pflanzliches Monument, das von Botanikern auf mindestens siebenhundert Jahre geschätzt wird, was ja dann der franziskanischen Legende entgegen käme. Außer der Zypresse (heutige Höhe, nach einem Abbruch des Wipfels am 6. Dezember 1980, etwa 25 m; maximaler Umfang des Stammes 7,37 m) zeigt man im Klosterinneren den Ort, wo sich der Tradition gemäß die Hütte San Francescos befunden habe. Aber man sollte nicht vergessen, auch die Kirche zu beachten, die doch ein schönes Portal aus dem 14. Jh. hat, weite neoklassische Innenräume, einen raffinierten Chor mit Intarsien aus der Renaissance; und an der linken Wand, zwischen den Bögen aus dem 19. Jh., bemerkt man dann ein hellfarbiges Fresko, das von vielen Figuren bevölkert wird: es zeigt die Kreuzigung und ist während der ersten Hälfte des “Trecento” von einem optimalen Künstler der “Rimineser Schule” gemalt worden. Nachdem der Heilige seinen Weg Richtung Rimini fortgesetzt habe, hätte er sich wenige Meilen weiter zur Nachruhe begeben: und auch dieser Ort wird mit Präzision angegeben, in Vergiano. Man erkennt ihn leicht durch die zwei Zypressenreihen längs eines kurzen Pfades, der von der Straße zu einem Bauernhaus führt, an dessen Fassade sich einige pseudo-


Santarcangelo di Romagna Kollegiatskirche piazza Balacchi, 7 Tel. 0541 626109 • Geöffnet: 7:30-12:00/15:0019:00 Rimini Tempio Malatestiano via IV Novembre, 35 Tel. 0541 51130 (Sakristei) 0541 439098 (DiözesanSekretariat) www.diocesi.rimini.it diocesi@diocesi.rimini.it Es ist die Kathedrale der Diözese Rimini. • Geöffnet: werktags 8:3012:30/15:30-19:00; festtags 9:00-13:00/15:30-19:00

Oben, Jacobello di Bonomo, Flügelaltar aus der zerstörten Kirche San Francesco, jetzt in der Kollegiatskirche von Santarcangelo. Unten, die Fassade des Tempio Malatestiano in Rimini (1450), Arbeit von Leon Battista Alberti. 20

mittelalterliche Elemente befinden, die auf ein antikes Ambiente verweisen sollen. Die bescheidenen franziskanischen Szenen, angenehm und malerisch, stammen aus dem Jahr 1925. Im rimineser Gebiet sind - verteilt auf Verucchio, Rimini, Santarcangelo, Montefiore und Cattolica - Franziskaner aller drei Orden vertreten (Konventuale, Minoriten und Kapuziner); natürlich gehört zu jedem ihrer Klöster eine hinsichtlich Architektur und Gerätschaften interessante Kirche. Von den zerstörten franziskanischen Kirchen sollte wenigstens die der Konventualen von Santarcangelo erinnert werden, die ein gewaltiger Bau mit vielen Kunstwerken war. Von hier stammt der prächtige Flügelaltar, der sich jetzt in der Kollegiatskirche von Santarcangelo befindet und ein zu Recht berühmtes Werk des Venezianers Jacobello di Bonomo (1385) ist: in den äußerst fein geschnitzten gotischen Rahmen befinden sich sechzehn Tafeln, auf denen vor goldenem Hintergrund die Kreuzigung und die Madonna mit dem Kind sowie zahlreiche Heilige dargestellt werden. Unter den franziskanischen Erinnerungsgegenständen Riminis betreffen viele Sant’Antonio aus Padua, der hier sein Fisch-Wunder und sein Maultier-Wunder vollbracht haben soll, um die Patarener zu verwirren und zu konvertieren. Zur Erinnerung an dies letzte Wunder ist im 16. Jh. der kleine Tempel für Sant’Antonio auf dem Hauptplatz der Stadt, der heutigen Piazza Tre Martiri errichtet worden. Aber das zweifellos gefeiertste franziskanische Bauwerk ist der Tempio Malatestiano, der ausschließlich San Francesco geweiht gewesen war, bevor er in sehr junger Zeit auf Anordnung Napoleons (1809) zur Kathedrale wurde. Während des 13. Jhs. erbaut, beherbergte er sehr bald die Grabmäler der bedeutendsten Persönlichkeiten der Malatesta-Familie, die San Francesco sehr verehrten und den friedensstiftenden Aktivitäten der Franziskaner sehr förderlich waren. Ende des 13. oder zu Beginn des folgenden Jahrhunderts hat hier, im Auftrag der Malatestas (nach Vasari), Giotto die Apsis mit Fresken ausgemalt: von den Arbeiten des großen toskanischen Malers ist nur ein großes, auf Holz gemaltes Kruzifix geblieben, dessen Enden verstümmelt sind. 1447 begann Sigismondo Malatesta damit, hier zwei Bestattungskapellen seines Hofes errichten zu lassen, für sich und seine Geliebte (später dann Gemahlin) Isotta degli Atti; 1448 gelobte er, den Tempel vollständig renovieren zu lassen, und 1450 oder wenig später begann er mit den Arbeiten. Das Äußere entwarf Leon Battista Alberti, innen jedoch sollte der traditionale gotische Stil der ersten zwei Kapellen beibehalten werden, worum sich Matteo de’ Pasti und Agostino di Duccio zu kümmern hatten. Das Gebäude, welches mit einem großen runden Kuppelbau beschlossen werden sollte, ist in Folge der Exkommunizierung (1461), der Niederlage (1463) und des Todes




Von oben nach unten und von links nach rechts, Detail aus dem Innenraum des Tempio Malatestiano: Schrein der Ahnen, Pilaster mit Elefanten, Basrelief von Agostino di Duccio, Porträt Sigismondos von Piero della Francesca (1451), die Stigmata San Francescos von Giorgio Vasari (1548), Kruzifix von Giotto (ca. 1300) in der Apsis. 23

Sigismondos (1468) unvollendet geblieben. Die gegenwärtige Apsis ist das Ergebnis der Vervollständigungen des 18. Jhs. und der Wiederaufbauarbeiten nach dem 2. Weltkrieg (die Bombardements hatten den Tempio nämlich schwer getroffen, Apsis, Dach und Sakristei zerstört sowie die Steinplatten-Außenverkleidung erschüttert). Trotz mangelnder Vollendung ist er eines der bekanntesten und wichtigsten Monumente der Frührenaissance, sowohl wegen der aus der Antike her inspirierten Außenarchitektur, wie auch wegen des reichen Inneren, das durch die sehr feinen Skulpturen Agostino di Duccios verziert wird. Wie die antiken römischen Monumente ist er mit hellem Stein verkleidet. Die aus drei, von Halbsäulen flankierten Bögen gebildete Fassade ist feierlich und lässt ein aufmerksames Studium des römischen Torbogens in Rimini erkennen. Die in ihrer Schlichtheit außerordentlich ernsten und harmonischen Seiten bestehen aus einer Reihe von Pilastern und Bögen, unterhalb derer die Sarkophage der bedeutendsten Persönlichkeiten des Hofes hätten platziert werden sollen (aber dies Projekt ist nur auf der rechten Seite teilweise realisiert worden). Zwischen den Pilastern und der Wand des Tempios sind ein gewisser Hohlraum und eine gewisse Indifferenz bezüglich der Übereinstimmung in den Öffnungen gut erkennbar: Indifferenz, die in diesem und anderen Fällen wahrscheinlich von Pasti beklagt worden ist, dem Alberti 1454 geschrieben hat: “Was die Angelegenheit mit dem Pilaster in meinem Modell angeht, so erinnere Dich, dass ich Dir sagte, es sei besser, dass diese Seite eine für sich stehende Arbeit sei, denn diese Breiten und Höhen der Kapellen stören mich ziemlich... Die Abmessungen und Proportionen der Pilaster siehst Du, wenn sie entstehen: das, was Du veränderst, wird ja all jene Musik verstimmen”. Diese Sätze bekräftigen, welche Klarsicht Alberti bezüglich architektonischer Probleme hatte und seine Konzeption der Architektur als logische Harmonie. Andere Passagen dieses Briefes beinhalten explizite Darlegungen seiner Überzeugung von der Vernünftigkeit und Exemplarität der klassischen Architektur. Das ganze Gebäude erhebt sich auf einem Sockel, der von einem Streifen gekrönt wird, in dem sich viele malatestianische heraldische Elemente befinden, die man auch im Innern überreichlich wiederfindet: vom echten und wahrhaftigen Wappen der Familie mit den karierten Bändern bis zu jenem mit dem persönlichen Siegel Sigismondos (S und I); sie werden abgewechselt von Schildern mit dem rosanen Viererblatt und dem Elefanten. Innen wird der Elefant auch zum Stützen von Pilastern und Sarkophagen, zur Krönung der traditionellen Wappen und für den Thron der Statue San Sigismondos benutzt: ein Symboltier mit vielen Bedeutungen, das von Sigismondo und seinem Bruder Malatesta Novello bevorzugt verwendet wurde. Letzterer fügte ihm das Motto hinzu: “Ein


indischer Elefant fürchtet keine Mücken.” Es ist sehr wahrscheinlich, dass Leon Battista Alberti auch zur Innendekoration des Gebäudes maßgebende Ratschläge gegeben hat; so hat man vollständig auf Freskenzyklen verzichtet, denn dies entspricht zum Teil jener Konzeption für eine Ausschmückung, wie sie in seinem Traktat über Architektur dargelegt wird, den er genau in jenen Jahren zusammengestellt hat. Dennoch aber ist der Innenbereich von hervorstechend gotischem Geschmack. Die malatestianischen Kapellen werden von hohen Balustraden umschlossen und sind durch marmorne Pilaster gekennzeichnet; in der ersten links steht der Sarkophag “der Vorfahren und der Abkömmlinge”; in der zweiten rechts befindet sich der von Isotta; Sigismondo ist im Grab neben der Tür, rechts wenn man eintritt, bestattet worden. Die meist bewunderten Kapellen sind die der Planeten (oder der Sternbilder) und der Freien Künste (oder der Musen), die ursprünglich den Heiligen Vätern Girolamo und Agostino gewidmet waren. In der Reliquienzelle, zwischen der ersten und der zweiten Kapelle rechts, befand sich oberhalb der Tür das berühmte Fresko mit Sigismondo auf Knien vor San Sigismondo, das von Piero della Francesca firmiert und auf 1451 datiert ist. Heute befindet es sich in der Kapelle rechts nahe dem Hauptaltar. Von den nach-malatestianischen Werken ist ein großes Gemälde besonders bemerkenswert, auf dem Giorgio Vasari San Francesco, wie er die Stigmata erhält (1548) gemalt hat; in der letzten Kapelle links, vorher jedoch schon am Hauptaltar, wo sich jetzt das Kruzifix von Giotto befindet.

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Route 5 > Die Kirchen der Madonna

Rimini Wallfahrtskirche Madonna delle Grazie via delle Grazie, 10 Tel. 0541 751061 • Geöffnet: 7:00-12:30/16:0018:30 Montefiore Conca Wallfahrtskirche Madonna di Bonora via Santuario, 116 Tel. 0541 980053 • Geöffnet: 8:00-19:00

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Viele franziskanische Kirchen sind der Madonna geweiht, und franziskanisch ist auch das älteste marianische Heiligtum der Diözese und des rimineser Gebietes. Es handelt sich um die Kirche der Madonna delle Grazie, die sich nahe Rimini auf dem Hügel von Covignano erhebt. Ihre Ursprünge sind, wie in vielen anderen Fällen, mit märchenhaften und legendären Tatsachen umkränzt. 1286 schnitzte ein Hirte, der auf diesem Hügel eine Herde hütete, eine Madonna in einen Baumstamm, deren Antlitz von Engeln vollendet wurde, die der Ungeschicklichkeit des improvisierenden Künstler-Hirten nachhelfen mussten. Dieses so wunderbar zu Ende gebrachte Standbild nahm seinen Weg übers Meer und gelangte in Venedig an Land, wo es immer noch als “Madonna di Rimini” in der Kirche San Marziale verehrt wird. Auf dem Hügel von Covignano, am Ort des Wunders, wurde eine Kapelle und dann eine Kirche (1391) mit dem Namen Madonna delle Grazie erbaut, die man im 16. Jh. erweitert (oder besser: “verdoppelt”) hat. Am Altar befindet sich eine schöne Verkündigung des umbrischen Malers Ottaviano Nelli aus dem frühen 15. Jh. (bis vor kurzem war sie noch Giotto zugerechnet worden). Während des letzten Krieges sind sowohl das Heiligtum wie das Kloster “delle Grazie” schwer beschädigt worden; aber das kleine Kloster bewahrt, auch wenn es nur rekonstruiert ist, die Reinheit und die Wärme aller schlichten franziskanischen Bauwerke, und das linke Schiff der Kirche - mit einer schönen, nach venezianischem Geschmack verschalten Decke - eine seiner stillen Schönheiten: beachtliche Kunstwerke und eine interessante Reihe von Votivtafeln. Ein herausragendes Überbleibsel des ursprünglichen Gebäudes ist die Fassade unter dem Säulengang aus dem 17. Jh., mit einem gotischen Portal, das von Freskofragmenten flankiert wird, die die Verkündigung darstellen und wahrscheinlich von Ottaviano Nelli stammen. Für mehr als zwei Jahrhunderte ist auch das Heiligtum der Madonna di Montefiore, das berühmteste des Conca-Tals, den Franziskanern anvertraut gewesen. Seine Ursprünge gehen auf die ersten Jahre des 15. Jhs. zurück, als ein gewisser Bonora Ondidei auf eine Wand seiner Zelle, die er sich inmitten des Waldes erbaut hatte, ein Fresko mit dem Bild der Madonna aufbringen ließ, wie sie Jesus die Brust gibt. 1409 überließ der Eremit sein kleines Gebäude den Franziskanern. Die Mauer mit dem heiligen Bild, das heute Madonna di Bonora genannt wird, hat die Zeit überdauert. Um dieses 1926 feierlich gekrönte Bild herum ist langsam das Heiligtum entstanden. Aber es ist während der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts radikal restauriert und umgewandelt worden. Im Conca-Tal, das von einer Straße durchquert wird, welche die Pilger nach Loreto benutzt haben, gibt es viele der Madonna geweihte Kirchen. Häufig handelt es sich um bescheidene Bauwerke, aber in jedem Fall offenbaren sie die große Verbreitung des marianischen Kultes in der



Montegridolfo Kirche San Rocco via Borgo Tel. 0541 855059 • Geöffnet: 8:00-12:00/14:0018:00

Oben, Detail der Ankündigung von Ottaviano Nelli, in der Apsis der Kirche Madonna delle Grazie in Covignano di Rimini. Unten links, Detail des Freskos aus dem 15. Jh. in der Hospital-Kapelle in Montefiore; rechts, Altarbild von Guida Cagnacci (ca. 1620) in der Kirche San Rocco in Montegridolfo. 27

Zone. So ist zum Beispiel auch die kleine Kirche des Hospitals, die - ebenfalls in Montefiore - im 15. Jh. am Ortsrand erbaut worden war, der Madonna gewidmet; hier wird sie unter dem Titel “della Misericordia” angerufen: in dem Raum befinden sich große Fragmente von Fresken, mit denen vormals alle Wände des Schiffes und der Absis bedeckt waren und die das Letzte Gericht, die Auferstehung der Toten, die Hölle und das Paradies sowie die vier Evangelisten darstellen. Sie sind gegen 1475 - 80 von einem guten Maler mit urbineser Kultur ausgeführt worden. Von der Apsis her wurde die kleine Räumlichkeit durch ein Tafelbild dominiert, das die Madonna della Misericordia mit den Schutzheiligen des Ortes darstellt. Es stammt aus dem Jahr 1485 und ist wahrscheinlich vom selben Künstler gemalt worden, dem auch die Fresken zu verdanken sind: man hat es Giovanni Santi zugeordnet, später dann Bartolomeo di Gentile und noch später Bernardino Dolci. Seit der Nachkriegszeit befindet es sich am Hauptaltar der Pfarrkirche, die von ihrer ursprünglichen gotischen Struktur vor allem noch das wunderschöne Steinportal besitzt, und von der antiken Ausrüstung noch ein großes, auf kreuzförmiges Holz gemaltes Kruzifix, ein Werk eines unbekannten rimineser Malers aus dem 14. Jh. Auf den südlichen Hügeln des rimineser Gebietes, aber auf der andern Seite des Conca-Tals, fast schon in Sicht des Foglia-Flusses und an der Grenze zu den Marken bietet Montegridolfo mehr als nur einen Grund für das Interesse, das den marianischen Kult betrifft. Auch hier befindet sich am Ortsrand eine kleine Kirche, die der Position und dem Namen nach (San Rocco) neben einem Pilgerhospital errichtet worden sein dürfte. Hier hat in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. ein Maler aus den Marken in der Apsis das Fresko Madonna mit dem Kind zwischen den Heiligen Rocco und Sebastiano aufgetragen; ein Jahrhundert später wollten die Gläubigen das Bild vollständig renovieren, es ist - ebenfalls als Fresko und ohne die Ikonographie zu verändern, aber größer und in Formen, die dem Klassizismus dem 16. Jhs. entsprachen - über dem anderen von einem umbro-markischen Maler angefertigt worden. Ein Jahrhundert darauf wiederholte sich die Operation zum dritten Mal, und das Bild bekam Formen, die der pathetischen Frömmigkeit des 17. Jhs. entsprachen. Der Maler war Guido Cagnacci, der es auf Leinwand malte und einen weiteren Heiligen hinzufügte (San Giacinto), womit die Beziehungen zwischen den Figuren erheblich modifiziert worden sind. Durch sehr delikate Ablösungsarbeiten sind die Fresken jüngst wiedergewonnen worden, dann hat man sie restauriert und “aufgebessert”: jetzt sind sie in der Kirche ausgestellt, und außer dass sie all ihre harmonische Schönheit zeigen, bieten sie Anstoß zum Nachdenken über die Beständigkeit des Kultes, über die Funktion der Bilder, über die feinen Variationen der Ikonographie in Beziehung zur Frömmigkeit und über die Wandlungen von Geschmack und Stil.


Trebbio di Montegridolfo Wallfahrtskirche Selige Jungfrau delle Grazie via B.V. delle Grazie, 13 Tel. 0541 855037 • Geöffnet: 9:00-18:00 Rimini Kirche Madonna della Colonnella via Flaminia Tel. 0541 384545 • Geöffnet: 8:00-12:00/16:0018:00

Oben, Detail des Altarbildes von Pompeo Morganti (1549) in der Kirche der Seligen Jungfrau delle Grazie in Montegridolfo. Unten, Innenraum und Detail der Kirche Santa Maria della Colonella in Rimini, 16. Jahrhundert. 28

Ebenfalls in Montegridolfo, im Ortsteil Trebbio, steht ein marianisches Heiligtum, das der Seligen Jungfrau delle Grazie zugedacht ist. Seine Ursprünge verbinden sich mit der Erscheinung der Madonna für Lucantonio di Filippo am 25. Juni 1548 und für Antonia Ondidei am 7. Juli desselben Jahres. Wenige Monate später autorisierte Paolo III durch eine Bulle zum Bau einer Kapelle, die in der Folgezeit dank des Wetteiferns der zahlreichen Gläubigen rekonstruiert und erweitert worden ist. Von der ursprünglichen Konstruktion sind wenige Spuren verblieben, aber auf dem Hauptaltar gibt es noch das Gemälde des faneser Malers Pompeo Morganti, der es 1549 nach den Zeugnissen der zwei “Sehenden” angefertigt hat: es zeigt die Erscheinung der Madonna für die sechzigjährige Antonia; im wunderschönen Hintergrund (der auch ein getreues Abbild von Montegridolfo und der bäuerlichen Landschaft der Umgebung wiedergibt) wird ebenfalls das wundersame Zusammentreffen von Lucantonio mit der “schönsten Frau, die ich je gesehen habe, und sie war von großer Statur”, dargestellt. Das marianische Heiligtum von Montegridolfo ist nicht das einzige im rimineser Gebiet, das im 16. Jh. nach einem wundersamen Geschehen errichtet worden ist. Tatsächlich sind dergleichen auch in Fiumincino in der Gemeinde Savignano (1524, rekonstruiert und erweitert 1729 und in der Nachkriegszeit), in Casale di San Vito in der Gemeinde Santarcangelo (1593, erweitert 1603, im Krieg völlig zerstört und in moderner Form wieder erbaut) und bei der Colonnella an der Via Flaminia, eine Meile von Rimini entfernt, errichtet worden. Die Kirche der Madonna della Colonnella ist chronologisch das erste der großen marianischen Heiligtümer des 16. Jhs. Sie ist von der Gemeinde gegen 1510 zu Ehren eines Bildes der Madonna mit dem Kind erbaut worden. Das Bild (1483) in einer kleinen Zelle an der Straße ist 1506 wundertätig geworden, indem es einen fälschlicherweise des Mordes beschuldigten Pilger vorm Erhängen gerettet hat. Das Gebäude hat während des Krieges schwere Beschädigungen erlitten, aber es ist sehr gut restauriert worden. Wegen der Harmonie der architektonischen Anlage und der reichhaltigen Dekoration, die aus fein mit grotesken Motiven verzierten Steingutlisenen und -rahmen besteht, handelt sich um ein echtes Meisterwerk der Renaissance. Letztere hat Bernardino Gueritti aus Ravenna geschaffen, der auch Baumeister des Gebäudes gewesen ist. Es steht in einzigartigem Gleichklang mit verschiedenen forliveser Bauwerken, die von Marco Palmezzano projektiert oder direkt inspiriert wurden, auf dessen harmonische und schmückende Kunst die architektonische Idee des Baus in seiner Gesamtheit zurückgeführt werden kann. Auch in der historischen Altstadt von Rimini existiert ein wichtiges marianisches Heiligtum, das der Madonna unter dem Titel “della



Rimini Wallfahrtskirche Santa Chiara via Santa Chiara, 28 Tel. 0541 785560 • Geöffnet: 12:00-16:00

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Misericordia” gewidmet ist. Es ist eines der jüngsten. Man hat es nach dem wunderbaren Sichbewegen der Augen eines Madonnenbildes errichtet, das zum ersten Mal am 11. Mai 1850 bemerkt worden ist. Die unter dem Namen “Santa Chiara” bekannte Kirche ist von eklektischem Geschmack und dem rimineser Architekten Giovanni Benedettini zu verdanken: im Zentrum der Apsis befindet sich das Wunderbild, Giuseppe Soleri Brancaleonis Kopie eines gleichermaßen mirakulösen Bildes, das ein halbes Jahrhundert früher auf dieselbe Art tätig war und immer noch von der Bruderschaft San Girolamo im Oratorium San Giovannino aufbewahrt wird.


Route 6 > Kleine Kathedralen

Rimini Kirche dei Serviti (genannt: der Diener) corso d’Augusto, 200 Tel. 0541 27930 • Geöffnet: 8:30-11:30/15:3017:30

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Die Barockzeit hat viele Spuren in der religiösen Kunst Riminis hinterlassen. Während im 17. Jh. aufgrund wirklich empfundener Frömmigkeit und der Zustimmung zu den Diktaten der Gegenreformation fast alle Altarbilder erneuert wurden, sind im 18. Jh. viele Kirchen insgesamt verwandelt oder neugeschaffen worden, häufig in grandioser Form und stets mit einem beachtlichen Augenmerk für Dekoration und Eleganz. Die religiöse Malerei zwischen dem 17. und 18. Jh. geht von den stark naturalistischen Akzenten Cagnaccis und Centinos, die während der ersten Hälfte des 17. Jhs. in der Stadt und auch im Gebiet tätig waren, zu den klassizistischen und frommen Kompositionen Guercinos und der Bolognesi sowie zu den archaisierenden Barockstudien Giovan Battista Costas über (eines bis 1767 überall äußerst arbeitsamen lokalen Malers); aber die Zeit ist auch reich an importierten Meisterwerken aus Rom, Venedig und Urbino. Was die Architektur angeht, so vermeidet sie die Auswüchse des phantasievollsten und pompösen Barocks und entfaltet sich längs einer römisch-bologneser Linie, mit einigen rationalistischen Linienführungen während der zweiten Hälfte des 18. Jhs; praktisch kann man sagen, dass ihre Schöpfungen fast alle dem 18. Jh. zugehören. Und so wurden also die Hauptkirchen des Gebietes und der Stadt im 18. Jahrhundert erneuert. In Rimini entstand die Kirche der Jesuiten und vor allem diejenigen der Augustiner, der Karmeliter und der Serviten wurden rekonstruiert oder von Grund auf modifiziert, darüber hinaus mit neuen Altarbildern und Stuck versehen. Die Kirche der Serviten ist nach einer Zeichnung des bologneser Architekten Gaetano Stegnani zwischen 1777 und 1779 umgebaut worden; der Modellierer Antonio Trentanove hat sie mit stupenden Rokoko-Stuckarbeiten angereichert, die 1887 vergoldet worden sind; sie bewahrt Gemälde von Francesco Albani (1621), Lucio Massari (1620), Ubaldo Gandolfi (1779) und Giovan Battista Costa (1440) auf. Beim Durchstreifen des Gebietes kann man überall Oratorien von schlichter, jedoch raffinierter Form antreffen, ländliche Pfarrkirchen, die außen ärmlich wirken, aber innen reich sind an Stuck und Malerei. Das “der Schule” genannte Oratorium in San Giovanni in Marignano, die Pfarrkirche von Mondaino und jene von San Vito, die Kirche der Nonnen von Santarcangelo und jene “der Fürbitte” in Verucchio zum Beispiel sind hübsche Gebäude und wegen ihrer Architektur und der Kunstwerke, die sie aufbewahren, Monumente von großem künstlerischen Interesse. Aber die Liste wäre lang und letztendlich unnütz. Hier soll vielmehr auf den im 18. Jh. in den Hauptorten der Diözese unternommenen Versuch hingewiesen werden, die Ausübung des Kultes und das Leben des Klerus aufzuwerten und zu rationalisieren, indem man durch die Bildung von Kollegiatskirchen die geweihten Bauwerke “zusammenfasste” und so ihre Anzahl reduzierte. In Savignano wurde das



Santarcangelo di Romagna Kollegiatskirche piazza Balacchi, 7 Tel. 0541 626109 • Geöffnet: 7:30-12:00/15:0019:00 Verucchio Kollegiatskirche via San Martino Tel. 0541 670197 • Geöffnet: 7:30-12:00/15:0019:00

Oben, Innenraum der Kirche der Diener in Rimini, Arbeit von Gaetano Stegani. Unten, Detail der “der Schule” genannten Kirche in San Giovanni in Marignano. 33

Kollegium 1732 gebildet, in Santarcangelo 1744, in Verucchio 1796; aber wegen einer Reihe von Verzögerungen und Unschlüssigkeiten hat man hier erst zwischen 1865 und 1874 gebaut. Diese Kirchen sind praktisch als Kathedralen konzipiert worden, nicht so sehr aufgrund der permanenten Präsenz des Chors für die Kanoniker, als vielmehr wegen der beachtlichen Dimensionen und der erhabenen Formen. Die Kollegiatskirche von Santarcangelo ist eines der wichtigsten Gebäude des 18. Jhs. im gesamten rimineser Gebiet. Sie ist zwischen 1744 und 1758 vom Kammerarchitekten Giovan Francesco Buonamici, dem auch die Kathedrale von Ravenna zu verdanken ist, konstruiert worden und hat ein grandioses und raffiniertes Inneres, das in seiner Schlichtheit römische und bologneser Formen zitiert. In der weiten Konche der Apsis hütet sie ein schönes Altarbild, auf dem die Schutzheiligen des Ortes dargestellt werden, eine Arbeit von Giovan Gioseffo Dal Sole; auch im diskreten Schatten der Seitenkapellen befinden sich auf den Altären der verschiedenen Bruderschaften mit Antependien aus mehrfarbigem Alabastergips aus dem 18. Jh. Tafelbilder von beachtlicher Schönheit (u.a. achte man auf das des zweiten Altars links, das 1635 von Guido Cagnacci für die Bruderschaft der Tischler und Schmiede angefertigt worden ist: es zeigt San Giuseppe, Jesus und Sant’ Eligio). In der großen Kapelle rechts hingegen wird ein auf Holz gemaltes Kruzifix aufbewahrt, das von einem unbekannten rimineser Maler aus dem zweiten Viertel des “Trecento” geschaffen wurde und aus der Pfarrkirche stammt. Auch das Äußere dieser Kirche ist beachtlich wegen seiner schmucklosen und ausgewogenen Stereometrie. Gewählter und anmutig, aber immer auch beeindruckend und feierlich, ist die Kollegiatskirche von Verucchio, die wegen einer Reihe von widrigen Umständen sehr spät gebaut worden ist (dazu gehören die napoleonische Besatzung und die Geschehnisse des Risorgimentos mit den mehrmaligen Kirchenauflösungen sowie die damit verbundenen Verschleppungen aus Groll und wegen der Schwierigkeiten bei der Wiedergewinnung der Besitztümer, die für den Bau unverzichtbar waren). Das Projekt dieser Kirche stammt vom Verucchieser Antonio Tondini, einem belesenen und angenehmen Künstler von eklektischem Geschmack, einem “halb-dilettantischen” Architekten (und das Projekt ist denn auch 1863 vom Rimineser Giovanni Morolli unterschrieben worden, da Tondini keine “Lizenz” hatte). Die innere Anlage nimmt Motive des Barocks und der Renaissance auf, ursprünglich ist alles azur-blau und weiß gewesen, die Dekoration war vergoldet; sie erschien deshalb sehr viel neoklassischer, besser noch, von “imperialem Stil”, als dies heute der Fall ist. Durch die modernen Anstriche ist auch die ehemalige räumliche Wahrnehmung nicht mehr gegeben, die durch die kalten Spiegelungen des Lichtes auf



Saludecio Kirche San Biagio piazza Beato Amato Tel. 0541 982100 • Geöffnet: 8:00-12:00/15:0018:00

Oben, Guido Cagnacci, San Giuseppe, Jesus und Sant´Eligio (1635) in der Kollegiatskirche von Santarcangelo. Unten links, Innenraum der Kollegiatskirche von Verucchio; rechts, Giovan Francesco Nagli, genannt Il Centino, Die Barmherzigkeit San Martinos (1650), Bild des Hauptaltars der Kollegiatskirche von Verucchio. 35

dem farbigen Putz und den Gesimsen geradezu überschwänglich war. In der Kollegiatskirche befinden sich mehrere Altarbilder und Ausrüstungsgegenstände aus den Kirchen Verucchios; beachtlich ist das Gemälde des Hauptaltars mit San Martino, der seinen Mantel einem Armen gibt von Giovan Francesco Nagli, genannt Il Centino (etwa 1650). Aber die wirklichen Meisterwerke dieser Kirche sind zwei auf geformte Tafeln gemalte Kruzifixe: das erste hängt im Presbyterium und ist von einem unbekannten rimineser Künstler aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. (er wird “Maestro di Verucchio” genannt); das zweite ist eine venezianische Arbeit von Catarino (was die Holzarbeit angeht) und Nicolò di Pietro (was die Malerei betrifft); die Unterschrift von Catarino und Nicolò mit dem Datum 1404 ist unten am Kreuz ersichtlich. Die Kollegiatskirche von Verucchio scheint ein wenig als die “Kathedrale” des mittleren MarecchiaTals konzipiert worden zu sein. Auch das Conca-Talgebiet hat eine Kirche, die als die “Kathedrale” des Talgebietes angesehen werden kann: es handelt sich um die San Biagio geweihte Pfarrkirche von Saludecio. Sie ist zwischen 1794 und 1802 (d.h. in wirklich schwierigen Zeiten schwerer ökonomischer und politischer Krise) dank des Mutes und der Beständigkeit eines hervorragenden lokalen Pfarrers, Don Antonio Fronzoni, und dank der Begeisterung über die offizielle Seligsprechung (1776) Amato Ronconis, der seit dem 14. Jh. als Schutzpatron des Ortes verehrt worden ist, errichtet worden. Diese 1930 als “Wallfahrtskirche” proklamierte Kirche hat sehr elegante und harmonische Formen, die die Frucht einer intelligenten Überarbeitung und Rationalisierung zentralisierter Schemen barocken Geschmacks sind. Ihr Autor ist der Cesenater Giuseppe Achilli, der mit ihr sein Meisterwerk und vielleicht das Meisterwerk der gesamten Architektur des späten 18. Jhs. im rimineser Gebiet hinterlassen hat. Die mit viel Nüchternheit zur Bereicherung der architektonischen Struktur angebrachten Stuckarbeiten stammen vom rimineser Modellierer Antonio Trentanove, während die Gemälde Arbeiten guter romagnolischer und marchigianischer Künstler des 17. und 18. Jhs. sind. Unter allen ragen zwei herrliche Tafelbilder von Guido Cagnacci hervor, die den Papst San Sisto und Die Prozession des allerheiligsten Sakramentes (1628) darstellen. In der Sakristei sind Wandschmuck, Gerätschaften und Gemälde hauptsächlich des 17. und 18. Jhs. aus Kirchen und Oratorien der Zone, die Ende des 18. Jhs. von der Kirchenunterdrückung betroffen war, versammelt und ausgestellt; außerdem verschiedene Zeugnisse, die mit dem Kult des Seligen Amato zusammenhängen.



Vertiefungen > Lokale Heilige

Bezüglich des Seligen Amato ist der Heiligsprechungsprozess im Gange; er ist nicht der einzige Selige des Gebietes, vielmehr hat fast jeder Ort einen solchen - mehr oder weniger alt und verehrt sowie mehr oder weniger offiziell seitens der Kirche anerkannt: man kann - unter anderen erinnern an die Seligen Giovanni Gueruli, Gregorio Celli und Bionda da Verucchio (aus Verucchio), den Seligen Alessio Monaldi (aus Riccione), den Seligen Simone Balacchi (aus Santarcangelo), den Seligen Cipriano Mosconi (aus Saludecio), den Seligen Enrico Ungaro (aus Passano di Coriano). Kleine oder große Kapellen oder schlichte Altäre in den Pfarrkirchen der jeweiligen Orte hüten ihre Reliquien und erinnern an ihr Leben und die Wunder. Häufig stützt sich ihr hinsichtlich der räumlichen Ausbreitung sehr begrenzter Kult auf naive Legenden, auf an Wundern reiche volkstümliche Erzählungen, in denen Glaube, Poesie und Phantasie sich vermengen. Ebensolches lässt sich von den antiken Heiligen der Stadt berichten, wie Arduino und Chiara aus Rimini, und von den ältesten Schutzpatronen, den Heiligen Innocenza, Gaudenzo und Giuliano. Auch die Moderne hat Menschen mit einem exemplarischen Leben hervorgebracht, deren Beispiel von Heiligkeit hingegen wohlbekannt und dokumentiert ist: von den modernen Seligen sei erinnert an den Mönch Pio Campidelli und die Nonne Elisabetta Renzi; auf dem Wege der Seligsprechung sind auch die verehrten Laien Alberto Marvelli und Carla Ronci sowie die Nonnen Angela Molari, Faustina Zavagli und Bruna Pellesi.

Oben, Innenraum der Pfarrkirche San Biagio in Saludecio, Arbeit von Giuseppe Achilli. Unten, Guido Cagnacci, Detail des Gemäldes mit der Prozession des Allerheiligsten Sakraments (1628), im Museum von Saludecio. 37


Vertiefungen > Kunst und Erinnerung

Diese kurze Zusammenschau will eine einfache Einladung sein, Rimini und sein Gebiet vermittels der Spuren einer Religiosität zu entdecken, die überall in den Gebäuden des christlichen Kultes beachtliche und wertvolle Zeugnisse hinterlassen hat. Die hier gewählte Richtung der vorgezeichneten Streckenführung ist kein nur äußerlicher oder zufälliger Vorwand; sie erlaubt es nämlich, Geschichte, Kunst und Kultur zusammenzufügen. Gewiss können sich innerhalb dieser Richtung Unterscheidungen herausbilden und vor allem hinsichtlich der Kunstthemen Präferenzen klären. In jedem Fall muss man, um in einem historischen Diskurs von einigem Atem ansonsten fragmentarische Elemente zu verbinden, Zusammenfügungen vornehmen und dabei auf das zurückgreifen, was im rimineser Stadtmuseum gesammelt und aufbewahrt wird. Es handelt sich fast ausschließlich um Arbeiten aus dem rimineser Gebiet mit fast ausschließlich religiöser Thematik. Zwei, was die Kunst angeht, interessante Themenstränge, die es wert sind, vertieft zu werden, kann man abschließend noch empfehlen. Als erstes ohne Zweifel die rimineser Malerei des “Trecento (d.h. 14. Jh.)”, die innerhalb der italienischen Kunst des Mittelalters ein Phänomen nicht unerheblichem Niveaus darstellt. Bedeutende Werke dieser Mal-”Schule” finden sich in Villa Verucchio und Verucchio, in Santarcangelo und Montefiore, in Misano und Rimini. Das zweite ist die rimineser Malerei des 17. Jhs., die dank der Aktivitäten von Guido Cagnacci und Giovan Francesco Nagli, genannt Il Centino, Originalität und eine beachtliche Rolle im Rahmen des italienischen Naturalismus gehabt hat. Die Arbeiten der beiden findet man in Saludecio und Montegridolfo, in Montefiore und Santarcangelo, in San Vito und Verucchio sowie in Rimini. Aber man wird sich z.B. auch der Suche nach den Spiegelungen der Renaissance widmen können, die in den großen Zentren wie Venedig, Florenz und Rom entwickelt worden ist; oder der Auffindung von “Importen” und von Einflüssen aus den Hauptstädten des Barocks wie Rom und Bologna. Wie auch immer, man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass die Kirchen - sowohl in der Stadt, wie im gesamten Gebiet, am Meeressaum, wie auch dort, wo es in der Nähe des Apennins schon hügelig wird, oder dort, wo es sich zur großen Po-Ebene hin zu öffnen beginnt - “gigantische Anhäufungen von Arbeit und der Geschichte der Arbeit sind, Gerinnungen individueller und kollektiver Frömmigkeit, Zeichen der Ergebenheit aber auch erhabenster ästhetischer Regeln”, wie Andrea Emiliani geschrieben hat, als er “die sehr hohe kulturelle und künstlerische Würde” unterstrich, welche die Bauwerke des christlichen Kultes von anderen unterscheidet; so häufig trifft man sie an, so erinnerungs-”dicht” sind sie, so “einverleibt 38


und eingewachsen in jenen äußerst vitalen Bereich, den die Techniker als Territorium bezeichnen, den wir aber vielmehr Stadt und Land nennen müssten, diese so ganz eigene italienische Diarchie, Gegensatz der Funktionen und der Mächte...”. Und genau weil sie diese “Dichte” der Erinnerungen und ihren Wert für die Bewahrung und Aufwertung der spezifischen kulturellen Identitäten berücksichtigt, hat die Provinz Rimini - zusätzlich und als Verstärkung zu den von der zuständigen Oberintendantur und der Diözese durchgeführten Maßnahmen - eine ganze Reihe von Restaurierungen an Kunstwerken finanziert, die sich in den Kirchen des Gebietes befinden, wobei sie sich besonders um die kleineren Orte bemüht hat.

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Bibliographie > Wer mehr wissen möchte...

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P. G. Pasini La pittura del Seicento nella Romagna meridionale e nel Montefeltro, in La pittura in Emilia e in Romagna. Il Seicento Nuova alfa ed., Bologna 1992 P. G. Pasini Arte in Valconca, I-II Silvana ed., Milano 1996-1997 Autori vari Medioevo fantastico e cortese. Arte a Rimini fra Comune e Signoria a cura di P. G. Pasini, Musei Comunali, Rimini 1998 P. G. Pasini Testimonianze d’arte fra XIV e XIX secolo, in Il Montefeltro, 2, Ambiente, storia, arte nell’alta Valmarecchia Pesaro 1999 P. G. Pasini Arte e storia della Chiesa riminese Skira ed., Milano 1999 E. Brigliadori, A. Pasquini Religiosità in Valconca Silvana ed., Milano 2000


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