Die Bluehinsel zwischen Ackerlan und Deisterrand

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Susanne Frank

Die Bl端hinsel

zwischen Ackerland und Deisterrand


Während eines Spaziergangs entdeckte Susanne Frank im Calenberger Land (südlich von Hannover) zwischen Feld und Wald eine Art Insel: Blühende Heckenrosen und Bäume säumten ein Gelände von der Größe eines halben Hektars, dem köstlicher Duft entstieg. Kleine Lücken in der Hecke gewährten ihr den Blick auf einen märchenhaften Blumengarten. Was sie sah, ließ ihr Fotografinnenherz höher schlagen. Mit dem Einverständnis der Eigentümerin Sieglinde Dorn begleitete sie ein Gartenjahr mit Kamera, Papier, Stift und manchmal auch einem Spaten. So entstand dieses Foto-Tagebuch, das neben der Gartenpracht auch den enormen Arbeitseinsatz dokumentiert und dabei die Gärtnerin mit ihren Ideen und Sorgen porträtiert. Es ist zugleich Augenweide und Einladung für Menschen, die gern über Zäune schauen, die so Offene Pforten besuchen, um sich inspirieren zu lassen. Dieses Gartentagebuch „öffnet“ den Garten Dorn zu allen Jahreszeiten und macht mit seinen Höhen und Tiefen vertraut.

ISBN: 978-3-00-037758-7


Vorwort Während eines ausgedehnten Spaziergangs zwischen Feld und Wald im Calenberger Land südwestlich des Dorfes Lüdersen, fiel mein Blick auf eine duftende Parkrosenhecke, die sich so unvermittelt auftat, dass ich mir die Augen rieb und glaubte, einen wahrhaft geheimen Garten entdeckt zu haben. Dieser erste Anblick hat mich verzaubert. Einen unbekannten Garten zu betreten – sei er privat oder öffentlich, weitläufig oder beengt, in der näheren Umgebung oder auf Reisen, vermittelt stets anregende Eindrücke. Auf der ewigen Suche nach Neuem entdecken wir die Rose, die genau in unsere Sammlung passt, das Gehölz, was daheim gar nicht recht gedeihen will oder erfreuen uns an Stauden, die wir nie zuvor gesehen haben. Für mich heißt das pure Muße, ob allein oder in geselliger Runde – noch besser unter anregender Führung. Auf diese Weise bleiben Hände sauber und Rücken intakt. Vielleicht fotografieren auch Sie, führen gern Fachgespräche oder machen sich Notizen. Der Garten, um den es hier geht, in dem ich mich anfangs immer wieder verlief, ließ mich nicht wieder los. Die unermüdlich gärtnernde Besitzerin Sieglinde Dorn vollbringt darin auf einem halben Hektar Land täglich kleine Wunder. Mit unglaublicher Energie, Disziplin und Sachkenntnis, aber auch großer Liebe zur Natur hat sie

über drei Jahrzehnte nicht nur einen Gehölz- und Rosengarten geschaffen. Ich staunte genauso über Staudenbeete in impressionistischer Farbgebung wie über ertragreiche Obst- und Gemüseflächen. Ich fragte mich, wie ein Leben aussieht, das bei Wind und Wetter den Pflanzen gewidmet ist. Wie bewältigt Sieglinde Dorn die Herausforderungen in ihrem „Arbeitsparadies“? Für sie erschließt sich ihr Garten als Ort der Begegnung mit anderen Menschen, die sie bereitwillig durch ihr farbenprächtiges Refugium führt. Gern verzichtet sie auf Reisen; sie entdeckt lieber neue Sämlinge oder einen seltenen Schmetterling mitten im Dill. Ein Gartenjahr lang nahm ich teil mit Kamera, Notizbuch und Bleistift an diesem besonderen Leben. Ich lauschte anmutigen Vogelgesängen, half Maulwurfshügel abzutragen, Kirschen zu pflücken und Wege zu fegen. Dabei entstand das vorliegende Fototagebuch, das vielleicht auch Sie anregt, ein Stück vom üppig schönen Garten Dorn in sich aufzunehmen. Ich habe das Buch für Menschen geschrieben, die gern über Zäune schauen, „offene Pforten“ besuchen und sich fragen, wie solch ein umfangreiches Pflanzendorado wohl Tag für Tag bearbeitet wird. Es regt an und gibt Antworten und Tipps für den eigenen Garten. Susanne Frank

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Mai

Regen zaubert neue Farben hervor


6. bis 10. Mai

Ein ungebetener Gast, da seine Engerlinge großen Schaden anrichten

Kalt und tiefgrau beginnt der Tag. Es nieselt und noch mehr Regen ist angesagt. Ganze acht Grad zeigt das Thermometer. Ich frage mich, ob im Zuge der Klimaerwärmung auch die „Kalte Sophie“ nach vorne gerutscht ist. Vorsichtshalber erkundige ich mich telefonisch, ob Sieglinde wirklich vorhat, den Garten aufzusuchen. Was für eine Frage! – natürlich wird sie die Aufräumarbeiten fortsetzen. Seit zwei Tagen kämpft sie schon mit den erfrorenen Ruten einer Kletterrose, die sich über Jahre eine Korkenzieherhasel als Gerüst ausgesucht hatte. Die letzten noch im Winterkleid verbliebenen Beete sollen geputzt werden, denn Sonntag kommt Besuch. Eine Frau aus dem Dorf hat sich angemeldet, die ihren Gästen einen Gartenrundgang bieten möchte. Wie so manch anderer Spaziergänger entdeckte auch sie das Dorado zunächst als Zaungast. Auf diese Weise entstanden schon viele Bekanntschaften. Mit Lehmboden gefüllte Eimer und Säcke aus meinem heimischen Garten ziehen heute um in den Garten Dorn. Über den holprigen Feldweg fahre ich ausnahmsweise mit dem Auto bis zum Gartentürchen, um sogleich die Erde in eine Schubkarre umzuladen.

Hasenglöckchen trotzen dem regnerischen und kalten Maibeginn

Kopfschüttelnd kommt Sieglinde mir mit einer anderen Karre entgegen – „Nein, die doch nicht, die hat einen platten Reifen.“ Obwohl er geflickt und aufgepumpt wurde, hält er die Luft nicht. Die Erde wird in den hinteren Gartenteil befördert. Dabei ist Vorsicht geboten: So mancher Pflanze ist es im Beet zu eng geworden und hat bereits den schmalen Plattenweg erobert – da wird schnell etwas zerdrückt. Trotz kühler Witterung wächst alles emsig. Wir gehen zurück zum Gemüseland. Hier recken sich senkrecht verwilderte, grüne Spargelstangen aus einem der Vergissmeinnicht-Beete. Für zwei Mahlzeiten könnten sie reichen. Vereinzelt schaukelt in einem halben Meter Höhe auch zartgelber, knospiger Färberwaid.

Färberwaid

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Frühjahrsputz im Grund Und dahinter? Da war ja noch jemand fleißig, denn die ganze Brachfläche ist sorgfältig umgegraben. Der in der vergangenen Woche engagierte junge Mann – der dritte Versuch in dieser Saison – hat offenbar zügig und zu Sieglindes Zufriedenheit gearbeitet. Wenige Meter hinter dem Gemüseland erblüht ein Zwergfliederbusch violett. Er erfüllt seine Umgebung nicht nur im Mai mit köstlichem Duft, sondern wartet mit einer zweiten Blüte im Herbst auf. Ein neuer Bewohner sei noch erwähnt: Erstmals nistet eine Mönchsgrasmücke in der dornigen Berberitze. Bei ihrem schönen Gesang wird die Arbeit leichter von der Hand gehen und für die Besucher hält sie vielleicht ein besonders schönes Lied bereit. Am kommenden Wochenende finden im Stadtpark von Hannover so genannte Pflanzentage statt, an denen viele Gärtnereien neben gängigen Pflanzen auch Besonderheiten anbieten.

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Pflegeleicht und immer ein Hingucker - Ensemble aus Zierkiwi, Buchs, Gras und Bergenien


Zartvioletter Zwergflieder, davor Silbertaler Lunaria annua Sie sind ein absolutes Muss für eine Gärtnerin wie Sieglinde Dorn, besonders nach einem verlustreichen Winter wie diesem. Sie will auf die Suche nach einigen passenden Clematissorten gehen und dabei wird es sicherlich nicht bleiben. Auf einen Pfirsichsämling werde ich noch aufmerksam gemacht und dann ist mein heutiger Besuch auch schon beendet. Wieder verlasse ich den Garten mit einem Eimer voller Ableger – Eisenkraut, violette Flockenblumen, Wolfsmilch und Storchschnabel sind es diesmal. Sie hätten ihr Dasein sonst auf dem Komposthaufen beendet. Kalte Füße und Hände habe ich bekommen – um warm zu bleiben, muss man heute besonders fleißig arbeiten. Das Hypericum schiebt vorsichtig zartgrüne Blätter aus den Zweigen

Ein feuchtkalter Samstag und ein durch Sonnenschein wieder versöhnender Sonntag bildeten das begegnungsreiche Wochenende. Auf dem Pflanzenmarkt drängten sich mehrere Tausend Besucher, froren, kauften und schleppten mit Handwagen, Einkaufskörben und Schubkarren die dort erworbenen Schätze heim.

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Die wehrhafte Rosa Sancta beginnt zu blühen Sieglinde fand keine passende Clematis, dafür aber eine Rotblättrige Wolfsmilch Euphorbia amygdaloides und verschiedene Phloxe. Sie werden sofort eingepflanzt. Am Sonntagnachmittag schauen sie den Gartenbesuchern bereits von ihren neuen Plätzen entgegen, als stünden sie schon immer dort. Ich erfahre, dass die Städter ein wenig enttäuscht wirkten, weil noch nicht so viel blühte. Der Sonnenschein jedoch ließ auch das Grün im Garten satt erstrahlen, so dass sie doch noch ein schönes Farberleben mit nach Hause nahmen. Ganz ist das Braun auch jetzt nicht verschwunden. Von den beiden stattlichen, rund geschnittenen Johanniskrautbüschen, treibt einer an den Zweigenden aus, der andere schiebt vom Boden her grüne Triebe hervor. Viel besser als die Pflanzen haben offenbar die Mäuse den Winter überstanden: Sie haben sich schonungslos vermehrt und vereiteln nun so manchen Wiederauferstehungsversuch. Sie sind eine richtige Plage. Sieglinde: „Die zarten Clematispflanzen haben gleich zwei Widersacher: Die Rötelmaus frisst von oben, die Wühlmaus lebt in Saus und Braus von den Wurzeln.“

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Die austreibende Clematis im „Mäuseschutzmantel“


Freude bereitet ihr dagegen der Grünfink, weil ihm die Samen der Pusteblumen schmecken, auf denen er sich niederlässt und dabei noch schaukelt. Wann immer die Gärtnerin eine Vogelbrutstelle bei der Arbeit entdeckt, meidet sie diesen Ort. „Ich entschuldige mich bei den Vögeln, wenn ich ihnen zu nahe komme.“

Spierenstrauch

Beim Gartenrundgang erfahre ich, woher die einst als Wildrose im Nordwesten Äthiopiens gefundene Rosa sancta ihren Namen hat: In ihrer Heimat war es üblich, den Toten wertvolle Grabbeigaben mitzugeben. Sie war mit ihren zahlreichen harten Stacheln und dem starkbuschigen Wuchs eine willkommene Pflanze, um Grabräuber abzuwehren. Auch hier hat sie sich nach dem Schnitt schon einen Meter nach vorn ausgebreitet und drückt nun auf eine Taglilie und eine Katzenminze. An anderer Stelle gerät umgekehrt eine austreibende Rose in Nöte durch starkwüchsige Stauden um sie herum. Eine weitere Ausbreitungstendenz gibt es auf dem „gelben Beet“: Eine Freundin brachte vor drei Jahren die kleine, gelb panaschierte Eberraute Arthemisia vulgaris ´Oriental Limelight`mit, die inzwischen eine Fläche von vier Quadratmetern bedeckt.

Deutzia gracilis im Waldgarten

Überall strecken sich Stauden, die vor kurzem erst wenige Zentimeter lange Triebe aus dem Boden schickten: Die bizarren Knospen der Jungkerlilie Asphodeline lutea fallen mir ins Auge. In wenigen Tagen werden ihre gelben Blüten erscheinen. Die Gärtnerin überrascht mich immer wieder mit ihrem geschärften Blick für zentimeterkleine Besonderheiten in diesem Meer von Pflanzen – sei es ein winziger, aber besonderer Sämling oder das hübsche Gesicht einer einzigen kleinen Stiefmütterchenblüte – ihr entgeht nichts.

Primula sieboldii

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Das gelbe Beet mit Blick in Richtung Waldgarten Im unteren Waldgarten blühen mit feinen weißen Rispen ein Spierenstrauch und eine Deutzia gracilis auf, wegen seiner Blütenform auch als Maiglöckchenstrauch bekannt. Vielleicht aufgrund ihrer unterschiedlichen Standorte entwickeln sie sich recht verschieden – der im Schatten wachsende Strauch trägt ein hellgrünes Laubkleid und wenige Blüten, der im Licht ist voller Blüten an braunen, blattlosen Zweigen. Ebenfalls im Waldgarten entdecken wir noch die frisch austreibende Hortensienverwandte Tiarella und eine zartviolette Primel mit Blütenblättern wie Engelsflügel, Primula sieboldii.

Die bizarren Knospen der Jungkerlilie

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Vorgezogenes und neu Erworbenes auf der Gartenwartebank 13. Mai

Spierenstrauch Exochorda x macrantha`The Bride´

Das Maiengrün glänzt erfolgreich gegen den beharrlich trüben Himmel an. Nur wenige Meter vom Eingang entfernt leuchten in strahlendem Weiß zwei Spieren der Sorte Exochorda x macrantha `The Bride´. Ihre überhängenden Zweige sind voller jasmingroßer, dicker Blüten. Die Bodenauflockerungsarbeiten sind jetzt so gut wie abgeschlossen, nein, abgeschlossen sind sie natürlich nie, aber jedes Fleckchen ist jetzt mindestens einmal in den Genuss einer Bearbeitung gekommen. Regen verdichtet den Boden zwischen den Pflanzen von neuem, aber täglich breitet sich die Blattmasse mehr aus und die braunen Erdflecken werden bald nur noch dort sichtbar sein, wo es für das Wohlergehen einer Pflanze unabdingbar ist, Freiraum um sich zu haben. Die Schnittarbeiten an den Kletterrosen waren zwar nicht komplett zu schaffen, doch wen kümmert’s? Das verbliebene „Gestrüpp“ in der Kiefer hängt dort ganz gut und schadet nicht.

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Der Boden wartet auf weitere Einsaat

Die knospigen Pfingstrosen fordern die nächste Aufmerksamkeit. Wenn die Eisheiligen vorbei sind, es endlich warm wird und ihre schweren Blüten sich entfalten, drohen erste Gewitter mit Platzregen. Darum müssen die etwa hundert Päonien zügig angebunden werden. Aus Sieglindes Innenhof sind heute fünf Kisten mit aus Samen vorgezogenen Stauden und einjährigen Sommerblumen in den Garten umgezogen: Storchschnabel, Kokardenblumen sowie noch Unbekanntes aus hier und da „gemausten“ Samen. Ungefähr achtzig Pflänzchen wollen in die Erde – hoffentlich bekommen sie nicht zu kalte Füße! Einen Strauß Apfelminze pflücke ich heute, lauter obere Drittel der Stängel. Sie werden abgeknipst, bevor sich eine Blüte bildet. So verzweigt sich die Pflanze und bildet zwei oder drei Blüten pro Stängel – sehr zur Freude der Hummeln. Und aus dem Minzestrauß bereite ich mir einen erfrischenden Aufguss. 41

Einen Wildfliederableger, einen Buchsbaum und, oh welches Glück, so eine zartviolette Engelsflügelprimel nehme ich als Gartengeschenke auch noch mit nach Hause.

17. Mai Zwei große Löcher in einem frisch geputzten Beet überraschen heute Morgen Sieglinde – ringsherum verteilt liegen graue Stofffetzchen. Wer könnte der Übeltäter gewesen sein? Wenn sie richtig vermutet, war er aus gärtnerischer Sicht sogar nützlich. Sie tippt auf einen Marder, der auf Mäusenester aus ist – wenn er mit Erfolg gesucht hat, verzeiht sie ihm die angerichtete Unordnung, denn sie hat dann eine Mausefamilie weniger unter ihren Stauden und Rosen.


Mai Mehr Ärger bereitet der Rosentriebfraß an etlichen Pflanzen – verantwortlich dafür sind wohl Rehe, nur ist die undichte Stelle im Zaun nicht zu finden. Ich frage mich, wer eigentlich mehr Erde in diesem Garten bewegt – die Hundertschaft von Mäusen und Mardern oder die Gärtnerin? Es liegt so viel Arbeit an, dass sich Sieglinde heute mindestens vier Händen wünscht. Ich soll raten, was sie verändert hat und scheitere kläglich.

Neue Schutzanzüge aus Draht für Clematispflanzen hat Sieglinde gebastelt, ebensolche aus dornigen Rosenzweigen für eine Sterndolde. An die dreißig Stützgitter und -stäbe hat sie noch zusammengetragen, die nun ordentlich gestapelt auf ihren Sommereinsatz warten. Trödelarbeiten nennt die Gärtnerin derartige Tätigkeiten – „sie nehmen viel Zeit in Anspruch und man sieht nichts.“

Diese rosé-violette Komposition aus Grasnelken, Hornveilchen und Sauerklee ließen die Mäuse unbeachtet.

Für die gelb blühenden Berberitzen mussten drei Rosen weichen

Es ist so ähnlich wie mit einem aufgeräumten Haushalt, wo man auch die getane Arbeit nicht sieht, aber die unerledigte.

Eine Gartenfreundin hat am Wochenende einige Kisten mit Rinde und Feldsteinen vorbeigebracht. Es ist willkommenes Material, um Wege zu gestalten und überbordende Pflanzen zu stützen.

Dabei sind es drei große Rosen, die sie verpflanzt hat, damit sich die Berberitze mit den schönen gelben Blüten besser ausbreiten kann. Armdicke Wurzeln hatten sie, es war ein mehrere Stunden dauernder „Kampf“. Neben ihr steht ein Korb mit ausgepflanzten Primeln – sie entwickeln sich besser, wenn sie alle paar Jahre geteilt werden und neue Plätze erhalten. Und als ob das nicht schon genug wäre, entfernt sie in der letzten halben Stunde des Arbeitstages noch ein altes Rosengitter.

Wegeveränderungen sind Dauerthema im Garten Dorn. Die rotblättrigen Berberitzen mit den überhängenden Zweigen und dem zarten grünen Blattrand Berberis thunbergii ´Coronita` kratzen im Vorbeigehen. Man könnte sie zurückschneiden, aber dann wären sie eines Teils ihrer Schönheit beraubt. Das kommt nicht in Frage. Eine andere Möglichkeit ist die wahrscheinlichere, nämlich den Weg so zu verlegen, dass er einen kleinen Bogen bildet.

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Also nimmt sie die Betonplatten hoch, ebnet den Boden und verlegt sie neu. Der Kupfermond Rodgersia podophylla benötigt ebenfalls eine Wegeveränderung. So vergehen schnell sechs bis acht Stunden in dieser Spätfrühlingszeit mit ihren sichtbar länger werdenden Tagen. Warm wird der Gärtnerin dabei, aber ins Schwitzen gerät sie nicht bei den kühlen acht bis zwölf Graden, Hier entfernte Sieglinde ein altes Rosengitter

Der Kupfermond Rodgersia bekommt mehr Platz

die sich auch nach den Eisheiligen bis auf Ausnahmen konstant halten. Dazu gibt es immer wieder Regenschauer. Nass, pappig und klumpig ist der schwere Lehmboden und verlangt wiederholtes Auflockern.

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Die Sterndolde wird mit Dornen vor Mäusen geschützt


Die ersten Storchschnäbel sind erblüht – neue Farben, neues Insektenfutter, neue Arrangements für das Auge. Sieglinde ist des Lobes voll für sie, da sie bei aller Schönheit sehr pflegeleicht sind. Die meisten Sorten kommen mit fast jedem Boden zurecht und arbeiten sich stetig vor. Sie ernähren sich von den sie umgebenden Pflanzenresten. Von niedrigen, bodendeckenden Sorten bis hin zu solchen, die bis zu einem Meter hoch werden oder sich an anderen Pflanzen emporhangeln, erstreckt sich das Angebot. Jedes Stückchen Wurzel bringt eine neue Pflanze hervor und für jede Farbumgebung gibt es eine passende Nuance.

18. Mai Der Mai bleibt nass. Regen liegt schwer auf den zarten jungen Rosenblättern und drückt manches noch nicht Angebändelte zu Boden. Er läuft kalt von oben in Sieglindes Ärmel, doch sie arbeitet sich weiter mit Leiter, Draht, Schere und Säge gewappnet durch den Garten. Das stört auch sie. Was sie auch noch stört, sind die ins Schluchtern geratenen Wogen von Vergissmeinnicht. Obwohl noch nicht ausgeblüht, müssen sie weichen, weil die gründliche Farbgestalterin das jetzt verblichen wirkende Blau zwischen den frischen Maifarben von Storchschnabel, Iris und Nelkenwurz nicht dulden mag.

Die ersten Storchschnäbel

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Abschied von den Vergissmeinnicht Allmählich erholen sich die Clematispflanzen unter ihrem Drahtschutz. Der Speisezettel der Nager bleibt mir unverständlich. Warum bevorzugen sie eigentlich die wenigen Pflanzen des blauen Storchschnabels? Er sollte einen Farbeffekt in Kombination mit dem Irisblau bilden, aber er wird immer wieder von den Nagern kurz gehalten. Den in Massen wachsenden rosablühenden dagegen rühren sie nicht an. Eine zerdrückte kleine Fläche in der niedrigen Fetthenne verführt zum Ausruf: „Welches Lumpentier hat sich denn hier niedergelassen?“ Wahrscheinlich ruhte ein Marder auf dem Sedumpolster. Damit wird es bald vorbei sein – auch hier wird ein „Dornenverhau“ gebaut. Ein Pfauenauge trotzt dem Regenwetter. Haben wir es vielleicht aufgescheucht?

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Mai

22. Mai Frau S. möchte sich den Garten ansehen. Ist es nicht störend für den Arbeitsablauf, wenn häufig Besucher kommen? So eine Besichtigung dauert mindestens eine Stunde, bei wissbegierigen Gartengängern meist länger. Ich biete an, die Besucherin durch das Gelände zu führen. Zur Not könnten wir Sieglinde immer noch dazu holen. Aber nein: „Gern bin ich mit Besuchern im Garten unterwegs. Ich habe dann einen anderen Blick für alles, nehme den Blickwinkel des Betrachters ein und sehe manches anders. Außerdem gibt es Stellen, an die ich tagelang nicht komme. Und das ist dann eine gute Gelegenheit.“ Ein kleines Messer oder einen Jäter hat sie immer dabei. Hier wird ein Sämling entdeckt, dort ein Draht gerichtet, ein Gitter entfernt, eine vom Storchschnabel bedrängte Rose befreit. So wird jede Besucherführung mit kleinen Arbeiten verknüpft, die sich auf dem Weg ergeben. Lichter wirkt der Garten an manchen Stellen, gerade im oberen Bereich, wo viele der sonst großen Kletterrosen fehlen. Dort ist auch eine der immergrünen Berberitzen bis auf einen Zweig erfroren.

Dafür hat das farnblättrige Geißblatt in diesem Jahr einen guten Auftritt – früher war es kaum sichtbar. Das und die erste erblühte Pfingstrose entzücken die Gärtnerin. Auch wenn einige Sträucher noch unfrisiert geblieben sind, müssen sie bis zum nächsten Jahr warten, denn zuviel würde bei den Arbeiten jetzt am Boden zertreten. Was muss man überhaupt schaffen? Erhalten, vermehren, säubern. „Erschreckend ist, was außerdem noch wächst“. Dieses Außerdem sind die zahlreichen Wildkräuter, die von den Weiden, den Ackerrändern und aus dem Wald herbeifliegen. Das Kreuzkraut gehört auch dazu – im Vorbeigehen wird es mit dem Küchenmesser herausgespießt. Eine häufig gestellte Frage lautet: „Wie kommt es, dass Sie von so vielen Pflanzen Sämlinge erhalten? Ich warte meist vergebens darauf.“ Die Antwort klingt überzeugend: „Oft wird zu früh gehackt und der Sämling hat keine Chance, sich bis zur Sichtbarwerdung zu entwickeln.“

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Eindrücke vom Gartenrundgang: erste Pfingstrosenblüte, neu gestaltetes Bodendeckerbeet, Wiesenraute, Pechnelke

Das weiße Tränende Herz schenkt in diesen Wochen zahlreiche Nachkommen, die mehrere Besucher dankbar mitnehmen. Ihnen gegenüber beklagt Sieglinde oft die zahlreichen Schäden durch Wildfraß und wird gefragt, was sie dann tue. Mit einem Schulterzucken kommt es lapidar aus ihr heraus: „Mich ärgern!“ Sie nimmt es einesteils als gegeben hin, aber unternimmt andererseits allerhand Abwehrversuche.

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Am unteren Abhang entlang des Teiches im wilden Grenzgebiet des Gartens, entdeckt der heutige Gartengast, was Sieglinde schon seit längerem sucht: Einen kleinen Trampelpfad und eine Handvoll dunkler „Bohnen“. Die Spur ist eindeutig: Von hier kommen die Rehe, denen Rosentriebe, Phlox und Astilben so köstlich den Gaumen kitzeln.

Bachnelkenwurz

Der morsche Zaun ist heruntergedrückt – wirklich ein geeigneter Einstieg ins Futterparadies! Mit einigen Metern Stacheldraht und etlichen Stolperstöcken als Vorwarnung werden die ungebetenen Gäste noch am selben Tag gestoppt – hoffentlich. Wenn es gelingt, werden die Rosentriebe sich erholen. Hier unten im Schatten gedeihen Rhododendren. Da sie durch Schneebruch aus der Form geraten sind, sollen sie nach der Blüte geschnitten werden. Doch wer wird das tun? Die größeren Exemplare sind gut acht Meter hoch und entsprechend schwer erreichbar. Ein altes Gartenhaus harrt wie verwunschen zwischen hohen Bäumen aus. Eine jahrzehntealte Kletterhortensie und ein Blauregen haben es vollständig eingenommen. Früher übernachtete die Familie Dorn hier ab und zu an Sommerwochenenden. Inzwischen gehört es den Mardern.

In diesem Grenzbereich des Gartens fand das Reh einen Durchschlupf

Das alte Gartenhaus verschwindet unter einer Kletterhortensie und einem Blauregen

Auf dem Rückweg fällt mir noch der an ein Spalier gebundene Tafelwein auf – endlich hat auch er ausgeschlagen. Mit blaugefrorenen Händen verlassen wir an diesem grimmigen Hochnebeltag den die Sonne herbeiwünschenden Garten.

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Heiteres Zusammenspiel von Storchschnabel und Bartiris

23. Mai Das Wunder ist geschehen! Der Pfingstsonntag zeigt sich sonnig und warm, wie er schöner nicht sein könnte. Nach einer Radtour durch die singende, grüne Feldmark landen wir, drei gartenbegeisterte Frauen, am späten Vormittag am Gartentürchen. Wir werden schon erwartet – von den ersten cremefarbenen Bartirisblüten, der rosa Strauchpäonie in deren unmittelbarer Nähe sowie einem frisch aufgeworfenen Erdhügel mitten im gelben Beet. Das ist schon provozierend, gehört es doch zu den schönsten Beeten im Mai. Verschiedene Bachnelkenwurzarten z.B Geum coccineum, Fingerkraut Potentilla, Junkerlilie Asphodeline lutea und gelbe Taubnesseln neben gelbblättrigen Berberitzen bilden einen sonnengelben Teppich.

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Gelb panaschierte Sorten von Hosta und Schwertlilie sind allerdings durch die Kälte noch etwas zurückgeblieben. Dafür sind die ersten dunkelroten Sterndolden Astrantia major auf dem roten Beet erblüht. Besondere Mühe verwendet Sieglinde bei ihrer Gestaltungskunst auf die Farbübergänge zwischen den Beeten. Sie erklärt uns: „Ich möchte große Flächen mit sanften Farbübergängen durch Immergrünes oder Gruppen von höher wachsenden Pflanzen wie Berberitzen oder Kletterosen, die Ruheorte zwischen Farbsinfonien schaffen. Ich möchte keine Gartenzimmer, sondern einen Überblick ohne Trennungen.“


Weiter geht es durch den Waldgarten zu dem weißen Beet mit den vielen panaschierten Stauden. Hinter ihnen bemühen sich eine blaue Clematis und die dunkelrote, kleinblütige Heckenkirsche Lonicera tatarica ´Arnold Red` trockene und dünne Stämme älterer Fichten zu begrünen. Da sie noch jung sind, ist ihr Erfolg erst mäßig.

Weißer Wildflieder

Bartiris

Bei Aufräumarbeiten fand Sieglinde hier eines Tages eine kleine cremefarbene Scheinquitte – fast unter ihrem Fuß. Ausgegraben und nach vorn an den Wegrand geholt, geht es ihr sichtlich besser. Dann treffen wir auf einen blühenden Buchsbaum – ein Buchsbaum kann blühen? Ja, wenn man ihn lässt und nicht schneidet, tut er das und sogar mit süßem Aroma! Ein Stück weiter am Hang ist ein weißer Wildflieder zart erblüht. Tief füllen wir unsere Lungen mit seinem faszinierenden Duft. Weiteren intensiven Wohlgeruch erleben wir rund um das täglich bunter werdende Irisbeet. Einen Weg gibt es dort nicht, nur einen Trittstein. So treten wir nacheinander in den Duftraum. Vom vielen Sehen, Riechen, Fragen und Erfahren sind wir hungrig geworden und widmen uns nun einem weiteren Grund unseres Treffens zu Pfingsten: Ein Picknick haben wir auf unseren Gepäckträgern mitgebracht. Sieglinde steuert die Tischdecke und das Geschirr bei. Hätte man gestern noch Handschuhe gebrauchen können, müssen wir uns heute darüber verständigen, wer einen Schattenplatz benötigt und wer die Sonne aushält. Die Sitzgruppe zwischen Rosen und Clematis ist noch längst nicht grün umhüllt. Bei Quiche, Geflügelsalat und weiteren Leckerbissen finden unsere Gartengespräche behagliche Fortsetzung. Später werden die Gepäckträger noch neu befüllt mit Ablegern und Sämlingen. Nelkenwurz, Iris und Tränendes Herz machen sich mit uns auf den Heimweg Richtung Deister.

Mit einem Schneeball verflochtener Goldregen

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