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3,10
Dez 2012 magazin-city.at
Tempel der Lust Kaufhäuser und Einkaufszentren Architektur als Inszenierung
Funktionalismus mit Humor
Glaskuppel im Pariser Kaufhaus Galerie Lafayette dit photo / my Marion
Wie in Amsterdam und Holland gebaut wird
Archiv
liebe leserinnen und leser!
DIE TEMPEL des Konsums nennen sich heute nicht mehr Galeries Lafayettes oder Harrod‘s, sondern City, Center, Mall oder Resort – mit dem Zusatz Shopping. I ilse huber
I
mmer mehr mutiert das klassische Einkaufszentrum zur Zufluchtsstätte, zum Erholungs-, ja zum Urlaubsort. An diesem künstlichen Platz bleibt der Alltag draußen und das scheinbar glückliche Leben beginnt. Leben heißt kaufen. Um das so angenehm wie möglich zu machen, geizen die Betreiber nicht mit idealisierten Vorstellungen. „Der Handel ist nicht mehr auf Versorgung ausgerichtet“, betont Michael Oberweger, Leiter Consulting bei RegioPlan. „Was wir suchen ist der emotionale Wert einer Ware. Wir kaufen,
weil es das Gefühl schürt, an sozialem Status oder Modernität zu gewinnen.“ Die steigenden Besucherzahlen und die steigenden Marktanteile der Einkaufszentren belegen diese Meinung. Kontinuierlich wachsen in Österreich Verkaufsfläche und Umsätze. Allein zwischen 2006 und 2010 stieg der Umsatz der wichtigsten österreichischen Einkaufszentren um neun Prozent.
Keine Resorts mehr auf der grünen Wiese Am Ende des Jahres, wenn die Zwickeltage monatlich aufeinan-
derfolgen, konzentrieren sich die Verkehrsdurchsagen auf Staumeldungen vor allem dort, wo eingekauft wird: Shopping City Süd, Auhofcenter und neuerdings auch Gerasdorf. Das sogenannte G3 liegt wohl auf dem Gemeindegebiet Gerasdorf, allerdings etliche Kilometer außerhalb des Ortes selbst, in der Industriezone Seyring. Das G3 soll dem Vernehmen nach das letzte seiner Art sein. Denn Einkaufszentren, die sich wie im Fall G3 schick „Shopping Resort“ nennen und auf der grünen Wiese errichtet wurden, sollen in
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Der aus Wien stammende und 1938 vertriebene Architekt Victor Gruen (ehemals Grünbaum) war ein Visionär. Einkaufen sollte nicht nur dem Konsum dienen, sondern ein Erlebnis werden, das Kultur, Freizeit und Sport und auch das typisch wienerische Kaffeehauserlebnis einschloss, das Gruen in den USA so sehr vermisste. Mit der Shopping Mall wurde zwar nicht so sehr der Schöpfer und Architekt Gruen, aber immerhin seine Idee weltberühmt. Und er brachte sie wieder nach Wien zurück: Ende der sechziger Jahre ließ er sich in seiner alten Heimatstadt wieder nieder und war hier Wegbereiter für den ersten Wiener Stadtentwicklungsplan und damit für Wiens erste Fußgängerzone in der Kärntner Straße. Dass von Gruens Idee, Malls als neue soziale Zentren in den Stadtrand zu implantieren, bei deren Umsetzungen in aller Welt in den meisten Fällen mit Ausnahme des Shoppings nicht viel übrig blieb, veranlasste ihn unter anderem dazu, sich als geistiger Urheber des damals größten Einkaufszentrums Europas, der Shopping City Süd, zu distanzieren. Doch Victor Gruens Ideen scheinen, wie viele gute Ideen, langsam den Weg zurück ins Bewusstsein zu finden. In den neuen Shopping Malls wie Daniel Libeskinds West Side in Bern, dem G3 bei Wien und selbst der im Umbau befindlichen SCS in Vösendorf sollen Kommunikation, Begegnung und Austausch zwischen Menschen im Vordergrund stehen. Iris Meder und Ilse Huber haben sich des Themas und der Ideen Gruens angenommen und registrieren, dass Errichter und Betreiber zu erkennen scheinen, dass es nicht der Konsum allein ist, der die Menschen glücklich und damit die Kassen voll macht. „Funktionalismus mit Humor“ nennt Barbara Jahn ihren Befund über die holländische Architekturszene. Anlass ist das bevorstehende Jahr der Jubiläen und Events, die sich rund um die Kanäle – ein Weltkulturerbe – und andere Baulichkeiten in Amsterdam abspielen werden.
vom shoppen zum sein
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Roland Kanfer
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Der neueste Shoppingtempel bei Wien, das G3 in Gerasdorf
G3, Tischler
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