Booklettest 10

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CAUSSIN DUO

Music for Cello and Piano


Jean Sibelius

Im Dezember 1865 wird Johan Christian Julius - mundgerecht Janne bzw. modisch internationalisiert Jean - Sibelius zwar nicht in eine Musiker-, jedoch in eine musikliebende Familie hineingeboren. Zusammen mit seinen Geschwistern Linda (1863 - 1932) am Klavier und Christian (1869 - 1922) am Cello vertieft er sich in klassische und romantische Kammermusikwerke. Sein Andantino in C-Dur von 1884 (?) ist erst seine vierte überlieferte Komposition - ein melancholisch nachdenkliches Lied ohne Worte für das Cello, bei dem das Klavier der melodischen Entfaltung die Basis bereitet. In dem während seiner Studienzeit in Helsinki entstandenen Andante molto in fMoll (1887) greift es schon selbstständiger in das Geschehen ein. Die größere dramatische Entwicklung, die in der Mitte des Stücks in einer Solokadenz kulminiert, durchläuft allerdings das Cello. Den Sommermonaten von 1889 entspringt das musikalische Souvenir Tempo di valse in fis-Moll, das - weniger trocken - als Lulu-Walzer mit seiner Nostalgie verzaubert. 1890 steht Sibelius unmittelbar vor seinem internationalen Durchbruch, als seine jüngste Tocher Kristi an Typhus stirbt. Ihr Tod stürzt seine Frau in eine tiefe Depression und Sibelius Alkoholkonsum nimmt bedrohliche Ausmaße an. In dieser Phase entsteht, angeblich in nur drei Stunden, sein op. 20 Malinconia (ursprünglich Fantasia). Mit Musik von drängender Leidenschaft und eruptiver Virtuosität, die beide Instrumente gleichermaßen fordert, scheint er sich die Trauer von der Seele zu schreiben.


Jean Sibelius

Johan Christian Julius – bite-sizedly Janne or fashionably internationalized Jean – Sibelius was born 1865 not into a family of musicians, but into a family of music lovers. Together with his sister Linda (1863 – 1932) on the piano and his brother Christian (1869 – 1922) on the cello he delves into the works of classical and romantical chamber music. In that environment he also takes his first steps as a composer. The Andantino in A major (1884?) is his only fourth known composition – a melancholy-thoughtful song without words for cello in which the piano prepares the basis for the melodic unfolding. In the Andante molto in F minor (1887), that Sibelius wrote while studying in Helsinki, it takes action already more independantly. However, it is the cello that goes through the bigger dramatic development, culminating in a solo cadenza in the middle of the piece. Tempo di valse in F-Sharp minor rises from the sommer months in 1889 as a musical souvenir, enchanting with its nostalgia – less dryly – as Lulu Waltz. In 1890, immediately prior to his international breakthrough, his youngest daughter Kristi dies of typhoid fever. Because of her death his wife falls into a deep depression und Sibelius‘ alcohol consumption reaches threatening levels. At this stage Malinconia op. 20 (originally Fantasia) arises, allegedly only in three hours. With music of urgent passion and eruptive virtuosity, challenging both instruments alike, he seems to write the grief off his chest.


Arvo Pärt: Fratres Ein Gefecht im neoklassizistischen Stil, ein geordneter Rückzug in den Serialismus und schließlich der Griff nach den Wurzeln der abendländischen Musik und achtjährige Versenkung in die Tiefen der mittelalterlichen Vokalpolyphonie - mit der musikalischen Tradition hat sich der 1935 geborene estnische Komponist Arvo Pärt mehrfach duelliert. 1976 mit 41 Jahren hat er seine musikalische Sprache gefunden: er nennt sie „Tintinnabuli“ (lat. tintinnabulum - Glöckchen). Auf der Suche nach Schlichtheit und Einigkeit konzipiert er eine Mehrstimmigkeit - angelehnt an die Anfänge der Polyphonie - bei der Ton gegen Ton - punktus contra punktum im wörtlichen Sinne (Nora Pärt) - gesetzt wird. Eine Stimme, die „Glöckchenstimme“, beschränkt sich dabei auf die Töne eines Dur- oder Molldreiklangs, die andere, melodietragende Stimme ist nach strengen Regeln mit ersterer verkettet. Bei den 1977 komponierten Fratres (lat. Brüder) verschmelzen ein a-Moll-Dreiklang und zwei psalmartige „Gegenstimmen“, die sich in d-harmonisch-Moll bewegen. Die sich daraus ergebende, obsessiv kreisende Akkordfolge wird vom Cello wirbelnd vorgestellt und im Folgenden vom Klavier aufgegriffen. Die acht Wiederholungen, jeweils durch tongeschlechtslose, perkussive Einwürfe des Klaviers und einen Harfenvorhang des Cellos voneinander getrennt, ornamentiert das Cello zum Zentrum des Stückes hin mit wachsender Leidenschaft, bevor - in der letzten Variation - durch die Spiritualität des Flageoletklangs das Kreisen schließlich sich beruhigt. Stillstand kommt. „Ich könnte meine Musik mit weißem Licht vergleichen, in dem alle Farben enthalten sind. Nur ein Prisma kann diese Farben voneinander trennen und sichtbar machen, dieses Prisma könnte der Geist des Zuhörers sein.“ (Arvo Pärt)


Arvo Pärt An encounter in the neo-classical style, an orderly withdrawal to serialism, and finally the grip on the roots of the occidental music and an eight-year sinking in the depths of medieval vocal-polyphony, the gregorianic chorals and the school of Notre Dame – 1935 born Estonian composer Arvo Pärt fought many fights with musical tradition. In 1976 with 41 years of age he found his musical language: he calls it „Tintinnabuli“ (lat. Tintinnabulum – little bell). On the search for simplicity and unity Pärt designs a polyphony, relating one note with another – literally punktus contra punktum (Nora Pärt). One part, the „little-bell-part“ (tintinnabulum), thereby limits itself on the notes of a major or minor triad. The other part, sustaining the melody, is chained to the first one according to strict rules. In the 1977 composed Fratres (lat. brothers) an A-minor triad melds into two psalmodic dissenting voices, moving towards D-harmonic-minor. The resulting, obsessively circling sequence of chords is presented by the cello whirly and picked up by the piano later on. The eight repetitions, each separated by percussive interjections from the piano and harpy pizzicatos from the cello, are garnished to the center of the composition by the cello, before – in the last variation – the circling calms down by the spirituality of the flageolet. Stagnation comes. „I could compare my music to white light which contains all colours. Only a prism can divide the colours and make them appear; this prism could be the spirit of the listener.“ (Arvo Pärt)


Alfred Schnittke: Cellosonate Nr. 1

Auf die Frage, wozu Musik nötig ist, antwortet Alfred Schnittke: „Wenn man annehmen müsste, dass Musik für irgendein bestimmtes Ziel notwendig sei, so würde sie für mich uninteressant. Musik ist einfach nötig, das ist alles.“ Eine Erweiterung des musikalischen Materials durch Klangexperimente steht ebenso wenig im Schaffenszentrum von Schnittke oder Pärt, wie die musikalische Ingenieurskunst des Serialismus. Zeitgleich - 1968 - beschließen beide, allerdings unabhängig voneinander, aus diesem „bereits überfüllten Zug auszusteigen“ (Schnittke). Während Pärt auf religiösen Pfaden der Tonalität auf den Grund geht, liefert sich Schnittke romantisch seinen Gefühlen aus, vertieft sich in den assoziativen Gehalt von Musik und strebt - statt nach revolutionärer Neuerung - den Dialog mit der Vergangenheit an. In der vorliegenden ersten Cellosonate von 1978 manifestiert sich die Polystilistik rein äußerlich in der Form, deren Dreisätzigkeit (schnell-langsam-schnell) allerdings verkehrt wird: zwei, motivisch eng verknüpfte langsame Sätze, in denen der Fähigkeit des Cellos zum Gesang bohrende Intensität abverlangt wird, rahmen ein wildes Scherzo mit groben Walzereinwürfen. Am musikalischen Wegesrand finden sich vereinzelt leuchtende Dur- und Mollterzen, die den Ruinen der tonalen Vergangenheit melancholischen Glanz verleihen. In der Gegenüberstellung von Vergangenem und Gegenwärtigem verfangen sich die Spannungen unserer Zeit.


Alfred Schnittke

Asked about the necessity of music, Schnittke said: „If one we‘re to assume that music would be necessary for a certain purpose, I would find it uninteresting. Music is necessary, that‘s all.“ Expanding the musical material by sound experiments does not stand in the center of their oeuvre, like serialism‘s engineering art. Simultaneously – 1968- both of them decide, yet independent of eachother, to exit the „already overfilled train“ (Schnittke).Whilst Pärt gets to the bottom of tonality on religious paths, Schnittke romantically delivers himself to his emotions, digs into the associative content of music, and strives for the dialog with the past instead for revolutionary renewal. Only now the composing in and layering of several styles gives his own voice the sounding space. In his first Cello Sonata from 1978 the polystilistic manifests itself only apparently in the form, because its three-movement rule (fast-slow-fast) gets inverted: two, motivically closely linked slow movements, requiring piercing intensity from the cello‘s abilities to sing, frame a wild scherzo with rough waltz interjections. Along the musical wayside there are sporadically glowing major and minor thirds giving melancholic smoothness and gloss to the ruins of the tonal past. The tensions of our times are entangled in the contrast of the past and the present. (Text by Wenzel Gummer)


Henrik Kristian Häring

Der Cellist Henrik-Kristian Häring erhielt seine Ausbildung u.a. bei R. Faupel, R. Ginzel und T. Hanhinen. Sein Studium absolvierte er bei J. Metzger und N. Eppinger an der Hochschule für Musik in Würzburg und schloss diese mit dem Meisterklassendiplom mit Auszeichnung ab. Meisterkurse besuchte er u.a. beim Juilliard String Quartet, dem Mandelring Quartett, Joel Krosnick, David Geringas und Pieter Wispelwey. Der junge Künstler erhielt bisher zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den ersten Preis beim Südwestdeutschen Musikwettbewerb um den Karel-KuncPreis, den Talentpreis der Stadt Fürth, sowie den Förderpreis des Sozialwerks der Stadt Fürth für besonders talentierte Nachwuchsmusiker. Als Cellist des Trio Dimension und des Caussin Duos wurde er mit dem FischerFlach-Preis für Kammermusik ausgezeichnet und erhielt beim Wettbewerb der Musikalischen Akademie Würzburg den ersten Preis. Henrik-Kristian Häring spielt ein Instrument von Francois Caussin (um 1800).




Elisa Eleonore Häring

Die junge Pianistin absolvierte ihr Studium an der Musikhochschule Würzburg in der Klasse von K. Betz und im Anschluss an der Musikhochschule München bei F. Massinger, V. Banfield und F. Schwinghammer. Diese schloß sie mit dem Meisterklassendiplom mit Auszeichnung ab. Meisterkurse besuchte sie u.a. bei Peter Nagy, Eero Heinonen, Erik T. Tawaststjerna, Fedele Antonicelli und dem Mandelring-Quartett. Elisa Eleonore Häring ist mehrfache Preisträgerin von Solo- und Kammermusikwettbewerben, u.a. des „Südwestdeutschen Kammermusikwettbewerbs der Stadt Bad Dürkheim“ und des Münchner Internationalen Klavierwettbewerbs „Klavierpodium der Jugend“. Als Pianistin des Trio Dimension erhielt sie den „Fischer-Flach-Preis“ für Kammermusik und auch den 1. Preis beim Wettbewerb der „Musikalischen Akademie Würzburg“. Außerdem erhielt die Pianistin 2002 den Talentpreis der Stadt Fürth und 2004 den Förderpreis des Sozialwerks der Stadt Fürth für besonders talentierte Nachwuchsmusiker.


Henrik Kristian Häring

Born in Germany, cellist Henrik-Kristian Häring studied with Jörg Metzger and Niklas Eppinger at the University of Music in Würzburg, Germany. Mr. Häring has attended many master-classes with prominent teachers, such as Joel Krosnick, David Geringas and Pieter Wispelwey. He has been a top prizewinner of the Karel Kunc Chamber Music Competition (Cello-Piano) in 2002, and has been awarded with the Talent Prize for very promising young musicians of the city of Fürth in Germany in 2003 and 2004. His performance is described by the press as a “full savor of the sound-color palette of his instrument”, and as a “sovereign mastering of all technical and musical challenges, yet without exhibiting his virtuosity unduly.” Mr. Häring plays a cello made by French violinmaker Francois Caussin (around 1820).


Elisa Eleonore Häring

Pianist Elisa Häring studied with Prof. Karl Betz at the University of Music in Würzburg, Germany and with Prof. Franz Massinger and Prof. Volker Banfield at the University of Music in Munich, Germany. Elisa Häring has attended master-classes with Peter Nagy, Eero Heinonen, Erik T. Tawastjerna, Margit Rahkonen and Fedele Antonicelli. Ms. Häring is a top prizewinner of different competitions such as the “National Young Musicians Competition of Germany” in 2002, including a special prize of the Irino Foundation Tokio and the Karel Kunc Chamber Music Competition (Violin-Piano in 2000, Cello-Piano in 2002). She has been awarded with the Talent Prize for very promising young musicians of the city of Fürth, Germany in 2002 and 2004.promising young musicians of the city of Fürth, Germany in 2002 and 2004.



CAUSSIN DUO Henrik-Kristian H채ring, Violoncello Elisa Eleonore H채ring, Piano Produktion und Musikregie Daniel Keinath Eva Bauer-Oppelland Aufnahme 4.-5. April 2014 Bauer Studios, Ludwigsburg Tonmeister Daniel Keinath Artwork Roman Weingardt


caussinduo.com


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