Shappi - Leseprobe

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Schappi



Schappi†Anna Haifisch Die Halle der edlen Schnitzwerke Das Mausglas A Proud Race Fuji-San Brief an Wiesel

5 Kurzgeschichten



Ein Herz t von Fell un d Federn umhĂźll

Ein Pochen in der mageren Br

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Ein Freund mit Schnabel oder S

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Zu Haus und in d er F Baron Voge erne lfrei und P rinz S c

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Die Halle der edlen Schnitzwerke

Meine Hände sind länglich, meine Finger sind zart. So ist es sorgfältig dokumentiert. Meine restlichen Körperteile sind ebenso wohlgeformt. Ich bin gesund. Ich bin mächtig und ich bin sehr, sehr reich.


Ich besitze ein Stück Land, auf welchem ich meine Galerie erbauen ließ. Vielleicht drücke ich mich zu bescheiden aus… Genauer gesagt handelt es sich um eine bedeutende Kunsthalle.


Über die Jahre hat sich eine Künstlerkolonie am Fuße meines Kolosses angesiedelt. Bemitleidenswerte und drollige Geschöpfe.


Nun, f체r ihre Pr채senz gibt es gewiss einen Grund. Auf meinen Wunsch bringen die K체nstler am 1. Juli eines jeden Jahres ihre besten Kunstwerke 체ber den Schutzwall zu mir in mein Schloss.


Die Schöpfung ihrer Werke ist quälend. Durch mein Fernglas wurde ich Zeuge wie sich ein paar arme Seelen im kleinen Bächlein hinter ihren kargen Hütten und Jurten ertränkten.


Die K체nstler haben sich zu einer niedertr채chtigen und neidischen Gemeinschaft zusammengetan, in welcher der Alltag von Missgunst und Nervenzusammenbr체chen gepr채gt ist.


Es ist ein freudloser Anblick. Mein Fernglas bleibt die meiste Zeit in seinem kleinen Samtkästchen.


Ich habe alles schon einmal gesehen: Lächerliche Skulpturen, die einen unappetitlichen klebrigen Fleck auf meinem Parkettboden hinterlieĂ&#x;en, plumpe verschrobene Malereien, unbeholfene Schnitzwerke und schwachsinnige Videoarbeiten. Alles zusammengenommen ein gellender Schrei nach Hilfe.


Aus dem endlosen Strom von Gerümpel und Unsinn wähle ich jedes Jahr drei brauchbare Kunstwerke für meine Sammlung.


Die restlichen Arbeiten werden umgehend unter dem Westbalkon verbrannt. Das Feuer dauert sechs Tage.


Ich kann die KĂźnstler in der Ferne weinen hĂśren. Ihr Schluchzen lullt mich in einen tiefen Schlaf.


Nachdem ich am nächsten Morgen erquickt erwache, schreite ich durch meine stillen Hallen. Hier und da fächel ich ein bisschen Staub von meinem kostbaren Besitz.




Das Mausglas



Dank der erfrischenden Schönheit und soliden Sicherheitslage der Elefantenprovinz fand dort am 9. Juni 2018 der 42. Tiergipfel statt. Als Bündnis mit gemeinsamen Werten wünschten alle Teilnehmer Frieden und Wohlstand quer durch die Arten und Rassen zu erhalten und, wo es sein muss, zu begründen. Die Delegierten erhofften sich belebende Diskussionen und famose Snacks in geschmackvollem Ambiente.


Die ersten, die anreisten, waren der Schlangenscheich und seine Tochter mit ihrer Dienerschar. Unzählige Lakaien und 20 Köche. Allein 15 davon spezialisiert auf Haute-Nagetier-Cuisine, drei Gastronomen ausschließlich zuständig für die Obstplatten und sieben Tee-Sommeliere, die sich hingebungsvoll um des Sultans First Flush Darjeeling kümmerten.


Die Diener trugen den Thron mit der Schlangenprinzessin zusammen mit den restlichen Besitztümern des Scheichs in eine Jurte. Als symbolische Geste des Schlangenstolzes errichteten die Gesandten des Schlangenkönigreichs ihre Zelte hinter dem Château Roi Phillipe Baton-Rouellefort, in dem der Gipfel stattfand.


Was für ein heiterer und herzlicher Empfang war das als die anderen – Präsidenten, Könige, Delegierte, Attachés und Botschafter – an diesem sonnigen Samstagmorgen eintrafen.


Die Ente umarmte die Schlange. Das Wiesel küsste das Frettchen. Das Stinktier schüttelte die Hand vom Tintenfisch ein kleines bisschen zu lang. Das Krokodil und Zar Leopard machten die Ghettofaust und die Maus salutierte neckisch dem Gastgeber. „Ach du“, kokettierte der Elefant.


Schnatternd und kichernd schlenderten die Gäste zu ihren Stühlen. Ihre Augen huschten neugierig umher und ein jedes Tier fragte sich, was der Gipfel wohl für sie bringen würde. Der Gastgeber begrüßte die illustere Gruppe ungezwungen und herzlich und schon sollte die Konferenz beginnen.


Die Föderation der Amphibien und Reptilien warb für eine Union mit den Bürgern der Wälder und Steppen. „Eine wunderbare Idee. Aber die kulturellen Unterschiede scheinen doch zu groß, um überwunden werden zu können“, entgegneten die Säugetiere und Vögel.


„Aufgeblasene Bürokratie und schwerfällige Verwaltung wären wohl das Resultat“, merkte die Eule hochnäsig an. „Und ausserdem müssen wir uns dann mit den streng religiösen Salamandern herumschlagen. Glitschige, tickende Zeitbomben sind das.“ Ficker!, dachte die Ente und griff nach einem frischen Kanapee. Den Kaviar schmierte sie unter das iPad vom Faultier.


Das Krokodil lieĂ&#x; sich entschuldigen und schlich in seine Suite, um ein bisschen zu entspannen.


Das Wiesel, so groß wie eine Klobürste, faselte aufgebracht von Erbschaftssteuern. Die Ziege setzte dem ein Ende: „Diese Frettchenangelegenheit bringt hier keinen weiter. Spar dir das Thema für dein kleines Frettchenparlament.“ Und hier kippte die heitere Stimmung. „Wir sind Wiesel – Frettchen sind Kommunisten per Definition! Sie besitzen keine Güter…“, wimmerte das Wiesel. Frettchen, Marder, Wiesel … für die Ziege sahen die alle gleich aus.


Das saftige Wiesel reizte den Schluckreflex der Schlangenprinzessin. Sie räusperte sich und hielt ihr Sektglas zum Auffüllen in die Luft, um ihren Schlingdrang zu unterdrücken.


Während der Teezeit flanierten die Tiere in kleinen Grüppchen durch den Lustgarten auf die Terrasse, um sich mit reizenden Gesprächen die Zeit zu vertreiben. Ehemänner und Frauen mischten sich unter die Bummelnden und bald vermengte sich exquisiter Zigarrenrauch mit verzücktem Gelächter. Um halb vier schnappte sich jeder einen letzten Spritzkringel und ging zurück zu seinem Platz.


Als Nächstes sprach die Hyäne, die um nachhaltige Investitionen in ihrer Region bettelte. Sie erntete mitleidige Blicke und unterdrücktes Hüsteln. Mit ihren fiebrigen Augen, den kahlen Stellen im Fell und ihrem blutigen Zahnfleisch war sie klar und deutlich das jämmerlichste Geschöpf vom ganzen Gipfel. „Hyänen sind solche Downer! Aber kein Wunder“, flüsterte die Maus zum Krokodil, „friss den ganzen Tag ranzige, madige Kadaver und du wirst krank!“ Damit hob die Maus seine Hand.


„Ich beobachte die Entwicklung in der Hyänenregion seit einiger Zeit mit großer Sorge und unsere – und da spreche ich für alle hier am Tisch – Ressourcen sind erschöpft. Die Motive dieser Vandalen bleiben mir und meinem Volk verborgen, aber ich stoppe jegliche Verbindung noch hier und heute bevor ich noch einen Cent für eine Nation von Degenerierten ausgebe.“ Die Maus blinzelte in Richtung der Hyäne. Seit wann ist die Maus so ein Rassist?, fragte sich das Krokodil.


„Wie wollen die vereinten Nationen der Tiere zukünftig mit solch hemmungsloser Faulheit umgehen?“ Was ist das immer mit den Nagetieren, sinnierte das Krokodil. „Ist es nicht immer wieder witzig wie eine bestimmte Tierart die ganze Atmosphäre verpesten kann?“, spottete die Maus. Das war der Moment, in dem das Stinktier den Raum verließ.


„Zur Hölle mit Stinkbären“, krächzte der Falke. Die Maus nickte zustimmend und wollte gerade wieder seine kleine Pfote heben, als das Krokodil sein Saftglas über die dürre Nervensäge stülpte.


Für die nächsten drei Minuten drückte das Krokodil das Glas noch ein bisschen fester auf die Tischdecke und war überrascht das kleine Großmaul ohnmächtig vorzufinden. Es berührte die magere Mausbrust und realisierte, dass der Mauspräsident so tot wie ein Dodo war.


Auf der anderen Seite des Tisches konnte die Schlangenprinzessin die Augen nicht von der Wieseldelegation lassen. Hörbar schluckte sie zweimal. Da dämmerte dem Krokodil die Lösung des Mausproblems. Es wickelte den Verschiedenen in eine Serviette und reichte das Bündel der Schlange. „Ein kleines Souvenir vom Nil.“


Die Schlangenprinzessin tat als wolle sie sich die Schwanzspitze kratzen und verschwand mit ihrem warmen Geschenk unter dem Tisch. Zwei dankbare Augen funkelten ein wenig später quer über die Tafel und in diesem Moment wurde dem Krokodil bewusst wie schön die Prinzessin war. Es fragte sich, ob es sich jemals in eine Schlange verlieben könnte.


Ein paar Themen blieben unangesprochen. Was ist mit den Aufständen und dem drohenden Bßrgerkrieg in der Tiefsee?


„Nicht unser Problem“, verkündete der Falke. „Wenn die Fische nicht herkommen, um ihr Anliegen vorzutragen, sollten wir mit ihrer Sache keine Zeit vergeuden. Unser Sauerstoff ist wohl nicht gut genug für unsere glitschigen Freunde?“ Man denkt Falke und automatisch denkt man intelligent. Aber das gilt nicht für den hier anwesenden Repräsentanten seiner Art.


Was ist mit Frauenrechten und legalen Abtreibungen im Hasental? Das Minenunglück in der Maulwurfsrepublik? Die Grillenflüchtlingskrise? „Was gibt‘s zum Abendbrot?“, fragte der Elefant und verkündete, dass Feierabend sei.


Die Tiere schlenderten in freudiger Erwartung in den Speisesaal. Appetitliche Sushikreationen blendeten ihre scheuen Augen. Die Ziege bewundert den Eisschwan ein bisschen zu lang, dachte das Wiesel und ritzte das Wort Arschkriecher in die Skulptur.


Der Falke verÜffentlichte einen niederträchtigen Tweet und schlief auf seinem Blackberry ein. Es war ein anstrengender Tag.


Arrrrrr zzzzzz.


S c ISBN

Schappi Š Anna Haifisch www.hai-life.com 1. Auflage Oktober 2019 Rotopol www.rotopol.de ISBN 978-3-96451-008-2

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a p p i 978-3-96451-008-2

Die Halle der edlen Schnitzwerke adaptiert von Merwyn Peake The Hall of the Bright Carvings Kramers Ergot 10 Fantagraphics, 2019 Das Mausglas The Mouse Glass Perfectly Acceptable Press, 2018 A Proud Race Now 3 Fantagraphics, 2018 Fuji-San Kabinett Heft 41, 2018 Brief an Wiesel, 2019

Ebenfalls von Anna Haifisch bei Rotopol erschienen Von Spatz 2016 ISBN 978-3-940304-97-1 10 Beste Tiere Reiher Longdog Vogel Strauss Krokodil Schlange Echse Elefant Meerschwein Sittich langes Wiesel

Danke! Aeni Kaiser James Turek Franziska Leiste Stefanie Leinhos Rita FĂźrstenau



Anna Haifisch

Rotopol


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