Tagebuch des Leonhard König

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TAGEBUCH DES

LEONHARD KÖNIG Hier findet ihr alle Tagebuch-Einträge gesammelt. Zum Genießen. Gemeinsam mit Leonhard König, Baritonhornist der Hoch- und Deutschmeister.


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DAS TAGEBUCH Liebe Leute, es ist etwas Sensationelles passiert. Passt auf, beim Aussiedeln aus der Maria Theresienkaserne haben wir etwas gefunden. Etwas ganz Besonderes: ein altes Tagebuch eines Musikers der Teutschmeister. Leider schon ziemlich mitgenommen, der Zahn der Zeit hat seine Spuren hinterlassen, aber einige Passagen sind lesbar. Folgt der spannenden Geschichte von Leonhard Kรถnig, Baritonhornist.


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„Es war einmal und es war wirklich“, schreibt Leonhard König, Baritonhornist. „Ich kann´s gar nicht glauben liebes Tagebuch. Jetzt ist es soweit, Ihre Majestät die Kaiserin hat`s getan. Ihre Majestät hat diesen Juni im Jahre des Herrn 1741 per Dekret verfügt, dass jedes Regiment seine eigene Kapelle stellen muss. Klar, davor waren immer schon Spielleute im Regiment und haben getrommelt oder den Marsch geblasen. Aber es gab keine eigene Regimentskapelle. Die erste Musterung für das Infanterieregiment fand am 3. Juni 1696 in Donauwörth statt. Und jetzt im Jahre des Herrn 1741 – 45 Jahre später - muss jedes Regiment seine eigene Kapelle stellen, um die Truppen zur Parade zu führen und im Kampf anzuspornen. Hahah, ich halt’s gar nicht aus. Jetzt brauchen’s überall Musiker. Endlich. Aber jetzt muss i no viel mehr üben. Besser werden. Ich will in diese neue Kapelle. Ich will zu den Teutschmeistern.“

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Unglaublich. Ich hab’s geschafft. Aber einfach war es nicht. Und Leute waren da beim Vorspielen. Hunderte. Und ich bin dabei. Hab auch gleich einen alten Bekannten getroffen, den Heinrich. Guter Mann am Helikon. „Wir wern das schon dablasen“, hat er gemeint und recht behalten. Beide dabei. Ich könnt’ platzen vor Stolz. Als klar war, wer dabei ist, ging´s gleich zum Uniform ausfassen. Das macht schon was her, so eine blaue Uniform mit den goldenen Knöpfen und dem Tschako, schon fein so ein Husarenhelm. Ahja und auf die Lagermütze muss ich noch warten. Aber ich bin jetzt ein echter Teutschmeister. Und morgen ist schon die erste Probe, und am Samstag haben wir schon die erste Spielerei im Schlosspark von Schönbrunn.

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Der nächste Eintrag muss Jahre später von Leonhard König verfasst worden sein. Ach liebes Tagebuch, ich sag´s dir, ich bin so stolz. Egal wo wir spielen, die Leute jubeln und haben eine riesen Hetz. Einfach wunderbar. Und in der Zwischenzeit sind wir auch in Wien angekommen. In der Hauptstadt der Musik. Im Jahre des Herrn 1781 sind wir auf Geheiß seiner Majestät Kaiser Josef II in Wien stationiert worden. Das heißt wir spielen in und um Wien und jetzt kommen Kameraden fürs Regiment und Kameraden für die Regimentskapelle auch aus Wien und den Wiener Vorstädten. Da sind ein paar Schlawiener dabei, das kann ich dir sagen, also langweilig wird uns nicht. Und Wien ist einfach ein Traum, nicht nur wegen der Musik, in Wien sind auch die Mädls ein Traum. Und was soll ich sagen, ich habe mich verliebt, nicht nur in die Musik und in Wien, nein sondern auch in die Hannerl.

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Und wieder ein wenig später schreibt Leohnhard König über die Wiener Kultur. Liebes Tagebuch manchmal glaube ich träume das Alles nur. Die Regimentskapelle ist zu einem festen Bestandteil der Wiener Musik-Kultur geworden. Was wir alles spielen ist unglaublich. Wir spielen bei Feiern und Siegesparaden, bei Bällen und geben Platzkonzerte. Wir spielen bei den Heurigen in Grinzig und in den prunkvollsten Palais in Wien. Wir spielen drinnen und im Freien und natürlich für unser Regiment. Und einmal, ich trau es mir gar nicht sagen, wir waren mit dem Regiment im Feld und wir spielten, obwohl das Regiment kapituliert hatte. Das musst du dir vorstellen, liebes Tagebuch, in Lanrecy im Jahre des Herrn 1794 marschierte die komplette Garnison mit allen militärischen Ehren und unserem klingenden Spiel aus und legte die Waffen auf dem Glacis vor den siegreichen französischen Truppen nieder. Aber das war der Wahnsinn, Jessas haben die Franzosen geschaut, wie wir trotz der Niederlage gespielt haben. Sowas haben die noch nie gehört, glaub ich.

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Und dann finden sich in Leonhard Königs Aufzeichnungen sehr ehrenvolle Worte über die Regimentskapelle. Wir spielen bei so vielen Anlässen und was mir sehr gefällt, nicht nur im militärischen Rahmen, nein, wir spielen öffentliche Konzerte vor dem Schloss Belvedere und im Garten von Schönbrunn, damit die Menschen kommen und Freude haben. Einmal sogar vor der Gloriette. Und eins kann ich dir sagen liebes Tagebuch: wir machen Freude, wenn wir spielen. Ha. Einmal nach der 5. Zugabe glaub´ ich im neuen Stadtpark hat ein Zuhörer gesagt: „Leute, ihr seid´s Deutschmeister und ihr seid´s mehr als eine Militärkapelle, ihr seid’s Botschafter des österreichischen musikalischen Prunkes in Friedenszeiten – und darauf könnt’s ihr stolz sein.“ Pfahh, das war schon was, und das sind wir auch, liebes Tagebuch, das sind wir – Botschafter der Wiener Musik, des Wiener Klanges.

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Kurze Zeit später schreibt ein Korporal des Regiments Deutschmeistergeschichte und Leonhard König beschreibt dieses Ereignis so: Liebes Tagebuch, heute Nacht ist etwas passiert, ich bin noch ganz aufgeregt. Bin gerade erst heimgekommen und muss das aber aufschreiben. Es ist der 20. März im Jahre des Herrn 1893 und es ist 3 Uhr in der Früh. Ich war gestern mit ein paar Offizieren und Soldaten vom k.u.k. Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister und Freunden und Familienmitgliedern im Ober Sankt Veiter Kasino eingeladen. Die Hälfte des Militärdienstes war abgeleistet und das gehört gefeiert, außerdem war der Heilige Josef und das gehört natürlich auch gefeiert. Mich hat der Kamerad Wilhelm Jurek dazu eingeladen. Wir kannten uns und redeten oft über unsere Musik und die Kapelle. Und dann kommt´s liebes Tagebuch, um elf sowas, wir hatten gut gespeist und schon ein paar Achterl getrunken setzt sich der Jurek ans Klavier, holt sich den Kameraden Auerböck dazu und fängt zu spielen an. Mein Herz ist schon bei den ersten Takten wie verrückt gehupft. Und als der Auerböck dann den Refrain zum ersten Mal gesungen hat konnte ich nicht mehr sitzen bleiben, beim zweiten Mal bin ich aufgesprungen und habe mitgesungen – und nicht nur ich, fast der ganze Salon sang: „Mir san vom ka und ka Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nummero Vier!“ 7


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Und wieder hält er in seinem Tagebuch ein weltbewegendes Ereignis fest: Liebes Tagebuch wir tragen den Wiener Klang in die ganze Welt hinaus und dem Jurek sein Deutschmeistermarsch ist immer dabei. Ganz Wien singt ihn und überall wo wir auftreten singen die Leute mit und wir sind viel aufgetreten in den letzten Jahren. Wir waren in Deutschland, Holland, Dänemark, Schweiz, Norwegen, Bulgarien, Rumänien und in der Türkei. Aber eines kann ich dir sagen, eines war unglaublich: Im Jahre des Herrn 1893 sind wir, die k.u.k Wiener Regimentskapelle des Infantrieregiments Nummero 4 Hoch- und Deutschmeister bei der Weltausstellung in Chicago unter unserem Kapellmeister Carl Michael Ziehrer umjubelt worden – und wie, ich glaube fast wir waren die Attraktion der Weltausstellung.

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Leonhard König schreibt um den Jahrtausendwechsel über den neuen Kapellmeister Wacek und was dieser gemeinsam mit Wilhelm Wisberg für ein wunderbares Stück Musikgeschichte geschaffen hat: Liebes Tagebuch, wieder hat sich einiges getan: im Jahre des Herrn 1896 wird Wilhelm Wacek neuer Kapellmeister. Er schaut immer darauf junge qualifizierte Musiker in die Kapelle zu holen. Dadurch haben wir ein Niveau erreicht, liebes Tagebuch, ein Wahnsinn, in Wien nennt man uns jetzt die Philharmoniker in Uniform. Und Wacek ist nicht nur ein hervorragender Kapellmeister er ist auch ein ausgezeichneter Komponist. Und dann trifft der den Wilhelm Wisberg. Der wiederum kann gut mit Worten und die zwei schreiben das Deutschmeister Jubiläumslied mit den legendären Zeilen: „Dös waas nur der g´wiß, der a Deutschmeister war oder a Deutschmeister is.“

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Leonhard König mit den Deutschmeistern auf hoher See: Liebes Tagebuch, Chicago war unbeschreiblich, aber etwas hat sogar die Weltausstellung noch übertroffen. Wir – die Deutschmeister – gingen zur See, ja wirklich. Der deutsche Mäzen Herr Krupp ermöglichte uns eine Konzertreise nach Argentinien. In Triest gingen wir Anfang Oktober an Bord und waren bis zum 16. Dezember 1910 unterwegs. Und was soll ich sagen liebes Tagebuch, mehr als 2 Monate auf einem Schiff mit lauter hervorragenden Musikern und die sind natürlich allesamt keine Kinder von Traurigkeit. Alter Busenhalter, das war eine Zeit. Da war was los an Bord. Jeden Abend nach dem Dinner spielten wir einfach so zur Gaudi ein Konzert und jeden Abend waren wir besser. Aber das Größte kommt noch: Wir haben nämlich ein Mittel gegen Seekrankheit gefunden, hihi, Walzer tanzen. Und wenn du es nicht glaubst, kannst du es ja ausprobieren.

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So liebes Tagebuch wir sind am Ziel unserer Seereise: Buenos Aires. Heiß, hier ist es heiß. Uns Musikern hat die Hitze schon sehr zu schaffen gemacht, aber wir ham´s irgendwie geschafft, aber die Instrumente nicht alle. Unsere Kratzer mussten Geigen und Cellos allesamt reparieren lassen. Ich weiß nicht wie man eine Wiener Geige argentienientauglich macht, aber es ging. Tja, und dann haben wir Musikgeschichte geschrieben: Wir haben im Teatro Colon vor argentinischem Publikum zum ersten Mal als österreichischer Klangkörper den Donauwalzer gespielt. Und wie, da hatten selbst wir Musiker Donauwasser in den Augen und ich schwöre dir liebes Tagebuch, keiner der Buenos Aireser war seekrank, weil alle haben Walzer getanzt.

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Dann schlägt das Schicksal und die Geschichte unerbittlich zu. Leonhard König beschreibt die Stimmung kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Es ist 1914. Eine traurige und wilde Zeit. Wir sind alle irgendwie übereuphorisch und dann wieder traurig. Liebes Tagebuch, ich komme gar nicht zum Nachdenken. Es ist aber irgendwie überall so. Die Jungen schreien euphorisch: wir wollen Krieg und die alten schreien wir wollen Krieg. Überall brodelt’s. Eine komische, eine wilde Zeit. Wir merken´s alle. Stell´ dir vor wir haben von Jänner 1914 bis Ende Juli 229 Auftritte gespielt. 229 Konzerte, Tanzveranstaltungen, kleine Spielereien und viele Bälle. Und alles in Wien, im Palais Liechtenstein glaub ich, hab ich allein mehr als 20ig Mal gespielt. Und das in 7 Monaten. Am ärgsten war’s im Februar im wahrlich wildesten Monat, da haben wir 61 Mal gespielt - wieviele Tage hat der Februar meistens? Tja, da waren öfters 3 Partien gleichzeitig unterwegs. Anstrengend war das schon, aber auch lustig, na ja, nicht wirklich, weil was dann passiert ist, lässt mich immer noch erstarren.

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Es ist Krieg, auch für Leonhard König und er schreibt so: Dann ist plötzlich alles anders, liebes Tagebuch. Der Krieg ist da. Wir spielen nicht mehr zum Spaß, nein, wir spielen zum Auszug der Truppen. Stell´ dir das vor, wir müssen für die nötige Stimmung spielen, wenn die Regimenter ausmarschieren. Das war schon ein merkwürdiger Moment als unsere Kameraden vom Infanterieregiment Nummero 4 Hoch- und Deutschmeister ausgerückt sind. Brrr. Aber wir spielen weiter. Wir spielen für die Kriegsfürsorge. Wir spielen in Spitälern und da sehen wir die dunkelste Seite des Krieges. Für einen Moment können wir den verwundeten Kameraden Freude bereiten. Mehr nicht. Bitter. Wir spielen auch im neutralen Ausland um hier trotz aller Kriegswirren diese Seite von Österreich zu zeigen. Bitter.

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Und der letzte Eintrag von Leonhard Kรถnig, Baritionhornist der k.u.k. Wiener Regimentskapelle IR 4 Hoch- und Deutschmeister lautet:

Bitte lieber Gott, nie wieder Krieg.

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DIE KAPELLE Hoch- und Deutschmeister hat eine Tradition, die bis zur Kaiserin Maria Theresia zurückgeht. Es ist mehr als nur eine Militärkapelle. Hoch- und Deutschmeister ist etwas, was sich “unter der Haut” abspielt. Auf der folgenden Seite ist eines der Paradestücke des Regimentsorchesters Wien: “Der Radetzkymarsch”, viel Vergnügen.



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IMPRESSUM Das eBook wurde mit einem Text von Andreas Thßrnbeck gestaltet. Die Videoaufnahme ist eine Auskopplung der DVD der Regimentsorchesters Wien. Die Fotos stammen von Rudolf Strutz, der auch Herausgeber des eBooks ist. Das eBook darf unter Nennung der Quelle frei kopiert werden. Ein Verkauf ist nicht zulässig, es ist ein Geschenk an die Freunde des Regimentsorchesters Wien.


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