WeltraumwetterNeue Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz

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Bevรถlkerungsschutz 2 | 2011

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Risikomanagement


Liebe Leserinnen und Leser, die „Dreifach-Katastrophe“ vom 11. März 2011 im Nordosten der japanischen Hauptinsel Honshu hat auch hierzulande die Diskussion über den Umgang mit Risi­ ken im Allgemeinen und mit Restrisiken im Besonderen intensiviert. Die Analysen von Katastrophen solcher Dimensio­ nen zeigen uns, dass der Umgang mit Risiken, also das Risikomanagement, und die Bewältigung von Katastrophen, also das Katastrophenmanagement, untrennbar zusammengehören und nur die jeweils andere Seite der selben Medaille sind. Gerade mit Blick auf die potenziellen kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen solcher Katastrophen stehen die Prävention mit dem Ziel der Verhinderung solcher Ereignisse sowie die Vorsorge mit dem Ziel der optimalen Vorbereitung auf eine effektive Schadensbewältigung und -begrenzung im Ereignisfall an erster Stelle staatlicher Anstrengungen für eine sicherere Gesellschaft. Gleichzeitig zeigen uns solche Ereignisse aber auch Unwägbarkeiten und Grenzen unseres Strebens nach Unverwundbarkeit und umfassender Sicherheit auf. Heutige moderne Gesellschaften bieten einerseits für das Individuum einen unvergleichlich höheren Schutz als in früheren Zeiten. Gleichzeitig sind sie durch enorme Abhängigkeiten von technischen Infrastrukturen und durch die globale Vernetzung in elementaren Sektoren auf andere Art und Weise spürbar verletzlicher geworden. Dies trifft insbesondere auf Megacitys und Agglomerationsräume zu. 100%ige Sicherheit generieren zu können ist eine Illusion, eine gefährliche dazu! In der Konsequenz bedeutet dies für den Bevölkerungsschutz, sowohl das Risikomanagement als auch das Katastrophenmanagement weiter miteinander zu ver-

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zahnen und dort zu verbessern, wo Defizite erkannt und Lösungsansätze vorhanden sind. Hier kann uns die Risikoforschung helfen, den Umgang mit Risiken noch besser zu gestalten, sich auf akzeptierte Restrisiken einzustellen und die notwendigen Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) räumt dem Risikomanagement einen hohen Stellenwert im Gesamtkontext von Katastrophenprävention, Katastrophenvorsorge und Katastrophenbewältigung ein. In verschiedenen Projekten befasst sich die Behörde mit Risiko- und Fähigkeitsanalysen für den Bevölkerungsschutz, Präventions- und Vorsorgekonzepten rund um die Kritischen Infrastrukturen, baulich-technischen Schutzempfehlungen von Wohn- und Industriebebauung u. v. m. Diese Projekte leisten in Form von Leitfäden, Maßnahmeempfehlungen und nicht zuletzt Übungen ihren Beitrag in der praktischen Beratung von Bundesressorts, Ländern, Kreisen und Kommunen hierzulande. Parallel dazu bringt das BBK seine diesbezüglichen Erfahrungen in die bilaterale Zusammenarbeit mit anderen Staaten oder aber in den laufenden Prozess auf EU-Ebene ein. Risikomanagement hat mit Blick auf die heute als besonders bedrohlich empfundenen Risiken sowie mit Blick auf die zunehmende Vernetzung der Welt per se einen elementaren internationalen Aspekt. Ich wünsche Ihnen beim Lesen der Beiträge in dieser Ausgabe von Bevölkerungsschutz viele Anregungen und gute Hinweise, die auch für Ihr Risiko- und Katastrophenmanagement von Nutzen sind! Ihr

Dr. Wolfram Geier


INHALT

risikomanagement Nach der Krise ist vor der Krise

Risiko- und Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz – die Verbindung von Fähigkeiten vor und nach einer Krise

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Daueraufgabe Risikoanalyse Ein unverzichtbares Instrument für das Risikomanagement

Naturgefahren und -risiken

Risikomanagement und Governance

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Resilienz – wie widerstands- und anpassungsfähig sind wir?

Die Verbindung von Aspekten des Risiko- und Krisenmanagements im BBK

Kooperation ist gefragt

Risikomanagement am Beispiel der Stromversorgung

Weltraumwetter

Neue Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz?

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Neuorientierung

Risikomanagement und Notfallplanung – wichtige Elemente in der Katastrophenvorsorge Chinas

Die Projektgruppe BauProtect

Neue Wege jenseits klassischer (Bau-)Normen

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„Nach der Krise ist vor der Krise“ – erfolgreiches Risikomanagement besitzt die Fähigkeit zur Vorsorge und Vorbereitung auf mögliche Krisen und Katastrophen. Risikoanalysen, Horizon Scanning und vergleichbare Methoden gehören ebenso zum Arsenal wie die Zusammenarbeit mit den Betreibern Kritischer Infrastrukturen (Foto oben: Rainer Sturm/pixelio) oder internationaler Wissensaustausch. Probleme, Möglichkeiten, Aussichten S. 2 bis 39.

krisenmanagement Havarie an der Loreley

Ein Beispiel für ebenen- und bereichsübergreifendes Krisenmanagement

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forum Arbeiter-Samariter-Bund 44 Bundesanstalt Technisches Hilfswerk 46 Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft 48 Deutscher Feuerwehrverband 49 Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge 50 Deutsches Rotes Kreuz 50 Johanniter-Unfall-Hilfe 51 Malteser Hilfsdienst 53 Verband der Arbeitsgemeinschaften der Helfer in den Regieeinheiten/-einrichtungen des Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik Deutschland e.V. 54

Neben den „bekannten“ Bedrohungsszenarien wie zum Beispiel Naturkatastrophen oder etwa politischen Auseinandersetzungen rückt auch das Geschehen im Weltraum zunehmend ins Blickfeld des Risikomanagements. Mögliche neue Herausforderungen ab S. 29. (Bild: DLR)

rubriken Nachrichten 56 Impressum 56

Serie Kulturgutschutz in Deutschland

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Zu Jahrersbeginn hat die Havarie des Tankmotorschiffs WALDHOF gezeigt, welche Herausforderungen das ebenen- und bereichsübergreifende Krisenmanagement bereit hält. Lösungsansätze, die sich bewährt haben ab S. 40. (Foto: WSA Bingen)

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risikomanagement

Nach der Krise ist vor der Krise Risiko- und Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz – die Verbindung von Fähigkeiten vor und nach einer Krise Alexander Fekete und Andre Walter Dieser Artikel erklärt grundsätzlich, was Risiko- und Krisenmanagement sind und wofür man solche Konzepte braucht. Es werden die Gemeinsamkeiten von Risikound Krisenmanagement herausgestellt und erklärt, wie beide Seiten sich im Bevölkerungsschutz ergänzen. Da viele Anwender im Bevölkerungsschutz mit der Einsatzphase während oder nach einer Krise bereits vertraut sind, wird hier der Punkt Risikomanagement in der Phase vor einer möglichen Krise näher beleuchtet.

Wofür braucht man Risiko- und Krisenmanagement? Damit die eine Hand weiß, was die andere tut oder tun soll und nicht jede für sich alleine und

Risikomanagement ist ein Prozess, der bereits im Vorfeld einer Krise viele Akteure an einen Tisch bringt.

ohne Plan agiert. Risiko- und Krisenmanagement sind für moderne Unternehmen wie auch für moderne Verwaltungen grundlegende Pläne, um eine

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Das Risikomanagement umfasst insbesondere Fähigkeiten und Aufgaben zur Vorsorge und Vorbereitung auf mögliche Krisen oder Katastrophen. Dazu gehören beispielsweise Risikoanalysen und andere moderne Methoden, wie etwa das Horizon Scanning. Für die in Deutschland vorhandenen administrativen Ebenen wird beispielhaft dargestellt, welche Fähigkeiten des Bevölkerungsschutzes für ein Risiko- und Krisenmanagement dienen können.

Vielzahl an Aufgaben im Bereich Sicherheit zu strukturieren. Risiko, das umfasst den Bereich bevor etwas passiert, und vom Krisenmanagement redet man gemeinhin, sobald etwas passiert ist. Jedoch beinhalten beide Bereiche Aufgaben, die man bereits vor einer Krise und solche, die man nach einer Krise zu bewältigen hat. Daher verwundert es nicht, wenn beide Begriffe häufig miteinander verwechselt oder gleichgesetzt werden. Umso notwendiger ist es, ein Konzept zu nutzen, das beide Bereiche und damit alle Fähigkeiten im Bevölkerungsschutz vor und nach einer Krise in einem Guss verbindet. Während es Konzepte und Pläne, auch Normen zu Risiko- und Krisenmanagement in vielen Bereichen bereits länger gibt, z.B. im Finanzwesen oder bei Versicherungen, erhalten sie in Behörden erst nach und nach Einzug. Der Bevölkerungsschutz ist von Natur aus sehr eng mit Themen wie Risiko und Krisen verbunden. Daher ist es gerade für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) notwendig, sich mit der Erstellung eines einheitlichen Konzeptes hierzu zu befassen. Der Bevölkerungsschutz kann auf allen Ebenen, von der Kommune bis zum Staat, von einheitlichen Plänen und Konzepten nur profitieren.


Ist eine Krise oder gar Katastrophe erst eingetreten, dann ist es zu spät, sich um die Erstellung von Notfallplänen zu kümmern. Wer aber solche Pläne schon in der Schublade hat und auch noch ein einheitliches Konzept benutzt, hat es leichter, sich zu verständigen und rasch zu handeln.

1.

Grundlagen Risikomanagement

schließlich können auch nur identifizierte Risiken analysiert, bewertet und behandelt werden. Aus diesem Grund sollte diesem Bereich eine entsprechend hohe Bedeutung beigemessen werden. Die Identifikation der relevanten Risiken sollte expertenbasiert auf der Grundlage eines Gefährdungskatalogs erfolgen. Es ist hierbei zu ermitteln, welche Gefahr potenziell auf ein Bezugsgebiet einwirken kann. Hierzu gehört auch das Erkennen künftiger sicherheitsrelevanter Gefährdungen („Horizon Scanning“; siehe auch S. 29 ff.). Im Beispiel können

Unter Risikomanagement versteht man ein organisatorisches Verfahren zur Identifikation und zur Bewertung von Gefahren und Risiken mit dem Ziel, auf diese vorbereitet zu sein. Ein Beispiel für ein Risikomanagement im Bevölkerungsschutz wäre das Hochwasser, das eine bestimmte Stadt betreffen könnte. Im Risikomanagement geht es darum, das Risiko durch Hochwasser für die Stadt zu erkennen und einzuschätzen. Damit aber nicht genug, für die gewonnenen Erkenntnisse werden Maßnahmen empfohlen und umgesetzt. Der idealtypische Ablauf eines Risikomanagements im Bevölkerungsschutz:

die primären Gefahren in hohen Niederschlagsmengen oder auch Sturzflutregen, die sich nicht an Flussläufe halten, bestehen. Es können aber auch so genannte sekundäre Gefahren auftreten, also solche, die erst durch das Hochwasser ausgelöst werden, z.B. Erdrutsche oder Kontamination des Erdreichs durch austretendes Heizöl.

a.

c.

Kontext herstellen Das Risikomanagement bettet die Einschätzung von Risiken in ein mehrphasiges Konzept ein (siehe auch ISO 31010:2009). Dieses Konzept betrachtet vor einer Einschätzung zunächst den Kontext sowie die einzubeziehenden Akteure und identifiziert Problemfelder, die in einer Risikoanalyse untersucht werden sollen. Um beim o.g. Beispiel zu bleiben, würde man für die Stadt den Kontext, die Akteure und die Problemfelder zum Thema Hochwasser im ersten Schritt erfassen. Kontext bedeutet hier geographische Lage, z.B. Flachlandsflüsse oder Hanglagen; Akteure sind die möglicherweise betroffenen Anwohner und die zuständigen Behörden für Baulandausweisung, Hochwasserschutz usw.; Problemfelder können schließlich in bebauten Zonen oder ausgewiesenen Gewerbegebieten in den verkehrsgünstig gelegenen Flussauen liegen. b.

Gefahren identifizieren Die Identifikation von potenziellen Gefahren für ein zu betrachtendes Gebiet ist als wichtiges Element des Risikomanagements anzusehen. Alle potenziellen Gefahren, die nicht als solche identifiziert wurden, treffen ein Gebiet u.U. unvorbereitet —

Horizon Scanning Strukturierter Prozess, der aktiv, kontinuierlich und systematisch nach Trends, Entwicklungen oder Er-

eignissen sucht, die für ein Bezugsgebiet relevant sein könnten (vgl. Habegger 2009).

Risiken analysieren Der nächste Schritt — die Risikoanalyse — ist ein weiterer wesentlicher Aspekt des Risikomanagements. Mit ihr wird für ein Bezugsgebiet systematisch das Schadensausmaß ermittelt, das bei Eintritt der vorher identifizierten Gefahren zu erwarten ist. Das Verfahren dient dazu, Risiken, die durch verschiedene Gefahren auf ein Bezugsgebiet einwirken können, für die Zwecke des Bevölkerungsschutzes zu quantifizieren und somit vergleichbar zu machen. Hiermit liefert es eine Entscheidungsgrundlage für eventuell erforderliche Maßnahmen in den Bereichen Reaktion, Vorsorge und Vorbereitung. Die Analyseergebnisse können dazu beitragen, einzelne Fähigkeiten zu identifizieren, die im Falle des Eintritts eines bestimmten Ereignisses unzureichend ausgeprägt sind. In unserem Beispiel würde eine Risikoanalyse etwa betroffene Siedlungsflächen entlang der Ufer quantifizieren können und damit einen Wert für die maximale Anzahl betroffener Anwohner liefern. d.

Risiken bewerten Nachdem eine Risikoanalyse vorliegt, werden die Risiken bewertet, evaluiert und darauf aufbau-

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risikomanagement

end Risikomanagementmaßnahmen erwogen. Risikoanalysen liefern eine Entscheidungsgrundlage für eventuell erforderliche Maßnahmen in den Bereichen Reaktion, Bewältigung & Wiederaufbau, Vorsorge & Anpassung sowie Vorbereitung (Abb. 1). Die Erkenntnisse aus einer Risikoanalyse können dazu beitragen, Lücken und Schwächen, aber auch Verbesserungspotenziale innerhalb einer jeden Phase des Risiko- und Krisenmanagements zu erkennen. Eine Risikobewertung erlaubt eine Priorisierung der analysierten Risiken. Entscheidungsträger, z.B. in der Politik oder im Bevölkerungsschutz, können damit zielgerichtet Mittel für die Behebung ggf. erkannter Fähigkeitsdefizite bereitstellen. Mit diesem Gesamtkonzept stehen Risikoanalysen nicht für sich allein, sondern werden mit Zielen verbunden. Einen entscheidenden Beitrag für die Risikobewertung liefern entsprechende Schutzziele. Schutzziele beschreiben Qualitätskriterien, die die Leistungsfähigkeit eines Systems repräsentieren. Schutzziele Schutzziele sind eine Möglichkeit, verschiedene Akteure und auch eine breitere Öffentlichkeit in die Risikokommunikation einzubeziehen. Dabei geht es um angestrebte Inhalte und Ziele eines Risikomanagements im Bevölkerungsschutz. Ein Schutzziel ist nach der internen Definition des BBK ein angestrebter Zustand eines Schutzguts, der bei einem Ereignis erhalten bleiben soll. Ein Schutzgut ist alles, was aufgrund seines ideellen oder materiellen Wertes vor Schaden bewahrt werden soll. Schutzziele können abstrakt sein, z.B. der Schutz menschlichen Lebens, können aber auch konkrete Schutzniveaus beinhalten, z.B. das Ziel von Null Toten im Straßenverkehr (vision zero) oder die Zeit in Minuten, bis ein Rettungswagen am Notfallort eintrifft. In Risiko- und Krisenmanagementleitfäden des BBK (z.B. BMI 2007) werden strategische Schutzziele be-

reits in der Vorplanungsphase einer Risikoanalyse eingebunden. Strate­ gische Schutzziele „beschreiben einen Sollzustand“ und „schaffen Lösungsräume für die Umsetzung un­terschiedlicher Maßnahmen“ (BMI 2007: 15). Diese Ziele können vielfältig sein; Risikoreduzierung, Risikovermeidung oder –überwälzung (BMI 2007: 22), Risiko-Steuerung (risk governance, z.B. IRGC 2008), Toleranz und Akzeptanz von Risiken, u.a. Strategische Schutzziele können als generelle Werte festgelegt werden, die es zu schützen gilt. Diese Aufgabe ist eine gesamtgesellschaftliche, nicht die einer einzigen Institution wie etwa dem BBK. Das bedeutet, dass Schutzziele genutzt werden kön­nen, um das BBK mit anderen Akteuren zu vernetzen und auch öffentlich die Beschäftigung und Bedeutung des Themas Risikomanagement im Bevölkerungsschutz zu verdeutlichen.

Operative Schutzziele oder Schutzniveaus ergeben sich möglicherweise erst aus den Ergebnissen einer Risikoanalyse. Die Möglichkeiten und Grenzen von Schutzmaßnahmen, Vorsorge- und Notfallreaktionsfähigkeiten sowie Erkenntnisse aus Risikoanalysen können dazu dienen, Möglichkeiten und Grenzen im Umgang mit Risiken zu ermitteln.

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Es können entweder gesamtgesellschaftliche oder spezifische Ziele für verschiedene Sektoren, Akteure und administrative Ebenen gefunden werden. Es wird schwierig, wenn nicht unmöglich oder nicht zielführend sein, Schutzniveaus allgemein für alle Gefahren, Branchen oder Verwaltungsebenen festzulegen. Jedoch könnten insbesondere gesamtgesellschaftliche Leitbilder für den Umgang mit Risiken ermittelt werden. Auch könnten spezifische Grenzen von Schutzniveaus, z.B. die Grenzen der Notstromkapazitäten der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), einer breiteren Öffentlichkeit deutlich machen, dass der Strom aus der Steckdose nicht in allen Fällen selbstverständlich fließt. Damit wird auch die Verantwortung von Versorgungseinrichtungen deutlich gemacht, die zu ca. 80% in privater Hand liegen. Gleichzeitig wird aber auch damit kommuniziert, dass man nicht für alle Eventualitäten sinnvoll Schutzmaßnahmen finanzieren und vorhalten kann und dass auch die Bevölkerung selbst sich dessen bewusst werden muss. Im Beispiel Hochwasser würde die Stadt anhand der Risikoanalyse zur Bewertung kommen, dass die Überflutungsgefahr für bereits ausgewiesene Gewerbeflächen zu hoch ist. An konkreten Maßnahmen steht eine weite Spanne zur Verfügung, von der Rücknahme der Flächenausweisung über die Erhöhung von Deichen bis zu mobilen Schutzwänden, der Erweiterung von Rückhaltebecken, usw. Das Ergebnis der Risikobewertung ist auch eine Entscheidung, ob ein bestimmtes Risiko für den Betrachtungsraum als tragbar angesehen wird oder nicht. Diese Bewertung und die daraus entstehenden Konsequenzen müssen von allen betroffenen Akteuren überdacht und kommuniziert werden. Daher ist ein besonders wichtiger Bestandteil des Risikomanagements die Risikokommunikation. Risikokommunikation sollte von allen Akteuren und zu allen Phasen des Risikomanagements durchgeführt werden. Ein wichtiger Bestandteil der Informa­ tion der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich potenzieller Risiken liegt auf der Übermittlung von Handlungsanweisungen und Möglichkeiten zur individuellen Vorsorge. Darüber hinaus muss mittels einer kontinuierlichen Risikoüberwachung sichergestellt werden, dass Entwicklungen erkannt werden und es zu keiner Verschlechterung der Risikosituation kommt. Ein probates Mittel hierfür ist die regelmäßige Neu-


bewertung der Risiken. Sollte die Risikobewertung das analysierte Risiko für den Betrachtungsraum als „nicht tragbar“ einstufen, müssen zusätzlich Maßnahmen der Risikobehandlung ergriffen werden. Hieraus ergeben sich ggf. Konsequenzen für die Akteure im Bevölkerungsschutz.

bedeutet einerseits die Einbeziehung aller administrativen und räumlichen Ebenen des Katastrophenschutzes (siehe Kapitel 3) sowie aller beteiligter und betroffener Akteure — Bevölkerung selbst, andere Institutionen, Umwelt, Wirtschaft, Wissenschaft und andere.

e.

Risiken behandeln Die Risikobehandlung als abschließender Schritt im Risikomanagementzyklus betrifft Maßnahmen, die auf den Erkenntissen der vorherigen Schritte aufbauen. Hierbei sind nach organisatorischen sowie operativen Gesichtspunkten die Konsequenzen aus den Erkenntnissen der Risikoanalyse und der anschließenden Risikobewertung zu ziehen. Es bestehen mehrere Optionen zur Risikobehandlung, z.B.: • • • •

Beseitigung der Gefahr → Risikovermeidung Abschirmung der Gefahr →Risikoverminderung Verlagerung der Schäden → Risikoüberwälzung Bereitschaft, ein Risiko selbst zu tragen → Risikoübernahme

Zur Überführung des dargestellten Verfahrens in einen kontinuierlichen Prozess müssen die einzelnen Schritte in regelmäßigen Abständen erneut durchlaufen werden. Neue Erkenntnisse können sich beispielsweise durch herausragende Schadensereignisse ergeben, was die Neubewertung einzelner Risiken erforderlich macht. Besonderes Augenmerk sollte besonders bei Eintreten einer gewissen Routine in den Prozessabläufen auf die Risikoidentifikation gelegt werden: Risiken, die nicht als solche erkannt werden, treffen das System Bevölkerungsschutz mit hoher Wahrscheinlichkeit unvorbereitet. Das potenzielle Schadensausmaß kann signifikant ansteigen. Bei Verlagerung aller verfügbaren Handlungsoptionen in den Bereich der Reaktion wird den Beteiligten die Chance genommen, sich optimal auf das Ereignis vorzubereiten.

2.

Ganzheitlicher Ansatz des Risiko- und Krisenmanagements im BBK

Das BBK verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz des Risiko- und Krisenmanagements. Ganzheitlich

Krisenmanagement steuert alle Fähigkeiten, eine Krise zu überstehen.

Ganzheitlich meint auch die Berücksichtigung aller zeitlichen Phasen des Risikomanagements. Diese zeitlichen Phasen findet man häufig in der Darstellung eines Katastrophenkreislaufmodells (Disaster Cycle) wieder (DKKV 2003). Dieses Modell wird ständig überarbeitet und ergänzt. Gegenwärtig werden insbesondere die Phasen des Risikomanagements vor einer möglichen Krise oder Katastrophe betont und erweitert. Mit der Antizipation (Anticipation) versucht man, künftige Trends, Veränderungen und Bedrohungen zu beobachten und einzuschätzen (Horizon Scanning). Die Einschätzung von Risiken (Assessment) ist ein weites Feld und wird im BBK durch Risikoanalysen — der Erfassung von kritischen Zuständen, Verwundbarkeiten sowie von Anpassungs- und Bewältigungsfähigkeiten bearbeitet. Die Antizipation und die Einschätzung von Risiken im Vorfeld ergänzen in Australien und Großbritannien die bestehenden Punkte Prävention (Prevention) und Vorbereitung (Preparedness) (Rogers 2011). In Deutschland wird schon seit längerem

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risikomanagement

diese Befassung mit Risiken bereits im Vorfeld möglicher Ereignisse mit dem Begriff Katastrophenvorsorge verdeutlicht. Das Deutsche Komitee Katastrophenvorsorge (DKKV) wie auch das BBK stellen diesen Ansatz national wie international dar. In glei-

kommunikation werden beispielsweise bei der Selbsthilfe der Bevölkerung, der Frühwarnung, im Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ), in verschiedenen weiteren Koordinierungs- und Warnungsstellen, im deutschen Notfallvorsorge- und Informationssystem (deNIS), in Arbeitskreisen und runden Tischen im Feld der Risikoanalysen bearbeitet, aber natürlich auch in der Öffentlichkeitsarbeit und an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) vermittelt. Bei der Risikoanalyse werden fachliche Erfahrungen von externen und internen Experten gebündelt. So tragen BBK-interne Fachabteilungen, z.B. zu CBRN-Gefahren, Gesundheitswesen oder Kulturgutschutz, aber auch die Nähe zum THW und anderen Behörden des Bundesministeriums des Innern (BMI) und anderer Ministerien, zu einem Gesamtbild von Risiken bei.

3.

Abb. 1: Risiko- und Krisenmanagementprozess im Bevölkerungsschutz.

cher Weise werden vom BBK auch die Phasen des Ri­ sikomanagements oder Krisenmanagements in der Reaktionsphase (Response) oder in der Erholungsund Wiederaufbauphase (Recovery) während oder nach Krisen oder Katastrophen bearbeitet. Abb. 1 zeigt einen integrierten Ansatz von Risiko- und Krisenmanagementzyklus. Ein Ereignis (räumliches Zusammentreffen von Schutzgut und Gefahr) löst die Reaktion der Katastrophenabwehrkräfte aus. Die Auswirkungen, die sich durch das Ereignis für die Schutzgüter ergeben, werden bewältigt und es startet der Wiederaufbau. Zusätzlich zu der konkret durch ein gegebenes Ereignis betrachteten Gefahr weisen vermutlich auch weitere Gefahren ein Risikopotenzial für ein betrachtetes Bezugsgebiet auf. Diese werden in die weitere Untersuchung in den Bereichen Vorsorge und Anpassung sowie Vorbereitung einbezogen. Die Phasen vor, während und nach einem Er­ eignis werden im BBK abteilungsübergreifend und fachlich vernetzt behandelt. Aspekte der Risiko-

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Zuständigkeiten im Risiko- und Krisenmanagement auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen

Die Implementierung eines Risiko- und Krisenmanagement-Prozesses im Bevölkerungsschutz bietet sich grundsätzlich für sämtliche Verwaltungsebenen an. Die jeweiligen Zuständigkeiten bestimmen hierbei die Betrachtung der potenziellen Risiken. a.

Kommunale Ebene Die kommunale Ebene unterteilt sich bei der Betrachtung des Bevölkerungsschutzes in Gemeinden und Landkreise bzw. kreisfreie Städte. Die Gemeinden sind zuständig für die alltägliche Gefahrenabwehr. Daraus ergeben sich in erster Linie Notwendigkeiten für die Planung des Feuerwehrwesens (Abwehrender Brandschutz, Technische Hilfeleistung, Vorbeugender Brandschutz, Mitwirkung im Katastrophenschutz). Hierzu gehören auch Vorkehrungen für funktionierende Führungseinrichtungen einschließlich der erforderlichen Kommunikationswege (im Sinne von Kritischen Infrastrukturen) sowie die angemessene Bereitstellung von Löschwasser. Es gibt eine große Anzahl potenzieller Gefahren, die auf eine Gemeinde einwirken können. Im Rahmen einer Gefahrenabwehrbedarfsplanung (Brandschutzbedarfsplanung) kann ein syste-


matisches, alle Phasen abbildendes Risiko- und Krisenmanagement etabliert werden. Hiermit wird ein ganzheitliches Instrument sowohl für die Planung der Reaktion auf eingetretene Ereignisse als auch zur Vorbereitung auf potenziell drohende Ereignisse geschaffen. Landkreise bzw. kreisfreie Städte als untere Katastrophenschutzbehörden haben die umfassende Aufgabe zur Katastrophenbekämpfung (Bewältigung von Großschadensereignissen). Schwerpunkt hierbei ist die Leitung und Koordination aller im Katastrophenschutz eingesetzter Einheiten. Hierfür unterhalten Landkreise und kreisfreie Städte i.d.R. Leitstellen sowie Führungseinrichtungen. Zusätzlich stellen Landkreise und kreisfreie Städte den Gemeinden einen ggf. bestehenden überörtlichen Bedarf für den Feuerschutz und die Hilfeleistung zur Verfügung. Des Weiteren sind Landkreise und kreisfreie Städte Träger des Rettungsdienstes. Für die Zuständigkeiten erstellen Landkreise und kreisfreie Städte z.B. Katastrophen- Alarm- und Einsatzpläne sowie Rettungsdienstbedarfspläne. Diese Planungsinstrumente bieten sich als zentrale Werkzeuge zum institutionalisierten Risiko- und Krisenmanagement an. b.

Regierungsbezirke (sofern vorhanden) Den oberen Katastrophenschutzbehörden obliegt – soweit vorhanden – die Rechtsaufsicht über die Träger des Katastrophenschutzes (Landkreise/ kreisfreie Städte). Ebenso treffen die Bezirksregierungen ggf. Regelungen zur überörtlichen Hilfeleistung größeren Umfangs und stellen somit ein wichtiges Bindeglied zwischen der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte sowie der Landesregierung dar. c.

Länder Die Länder mit ihrer Funktion als oberste Katastrophenschutzbehörden haben die Gesetzgebungskompetenz. Hiermit liefern sie wesentliche Steuerungselemente hinsichtlich der Organisation und der Funktion des Katastrophenschutzes. Vor allem gehören Rahmenbedingungen zu Risikobewertungen sowie zu Schutzzielen zu den Möglichkeiten, Einfluss auf den Bevölkerungsschutz zu nehmen. Die Länder erstellen auch Alarm- und Einsatzpläne für Anlagen und Ereignisse von denen potenziell umfangreiche Gefahren ausgehen. Die Länder

sind darüber hinaus auch für die Ausbildung der Feuerwehren zuständig. d.

Bund Im Rahmen der Beschlussfassung der Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland aus dem Jahr 2002 durch die Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) wurde u.a. festgelegt, auf der Grundlage von Gefahren- und Risikoanalysen Schutzziele zu definieren. Als Konsequenz hieraus wurde im Jahr 2005 von Bund und Ländern gemeinsam eine „Bundeseinheitliche Gefährdungsabschätzung“ erarbeitet. Hierbei erfolgt derzeit jährlich eine Aktualisierung der Identifikation von Gefahren, die die Länder für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich festgestellt haben. In einem weiteren Schritt wird derzeit eine vom BBK entwickelte Methode „Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz“ implementiert, die auf allen administrativen Ebenen in Deutschland anwendbar ist und die als Erweiterung und Ergänzung der Gefährdungsabschätzung zu betrachten ist (siehe auch S. 10 ff. bzw S. 33 ff.). Ein Aspekt dieser Risikoanalyse beinhaltet die regelmäßig durchzuführende Identifikation von Gefahren (auch zukünftiger Gefahren – „Horizon Scanning“), die innerhalb der Risikoanalyse betrachtet werden. Durch die Implementierung der Methode Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz auf Bundesebene sowie das Zusammenwirken mit den Ländern (gem. ZSKG § 18(1)) kann ein ebenenübergreifendes System eines Risikomanagementsystems initiiert werden. Die Vorteile hiervon sind, dass die Risikoeinschätzung nach einem vergleichbaren Prinzip durchgeführt wird und dass sich durch eine gemeinsame Nutzung dieses Systems der Aufwand für die Beschaffung von Informationen (z.B. über Naturgefahren oder historische Schäden) für den Einzelnen möglicherweise deutlich reduzieren lässt. Entsprechende kooperative Ansätze werden im BBK schon heute in mehreren Bereichen des Risiko- und Krisenmanagements praktiziert:

Kooperativer Ansatz Das Risiko- und Krisenmanagement des BBK wird in Zusammenarbeit mit Kommunen und Ländern, aber auch mit der Wirtschaft und anderen Institutionen, beständig weiterentwickelt. Mit der Wirtschaft wird z.B. im Bereich der Kritischen Infrastrukturen (siehe auch S. 24 ff.) ein kooperativer An-

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satz verfolgt statt einer einseitigen Regulierung. Das Risiko- und Krisenmanagement des BBK berücksichtigt dabei Vorgehensweisen und bestehende Standards, die in der Wirtschaft bekannt sind, z.B. im Business Continuity Management oder ISO-Normen von Risikoanalysen und Risikomanagement. Auch zukünftige Trends wie z.B. der Begriff „Resilienz“ werden im Rahmen einer beständigen Aktualisierung des Risiko- und Krisenmanagements im BBK bereits aufgegriffen (siehe auch S. 20 ff.). Die ebenenübergreifende Zusammenarbeit beim Risikound Krisenmanagement führt durch einen Wissensund Informationsaustausch zu einem deutlichen Gewinn für alle Beteiligten.

Verhinderung von Gefahren, sondern auf die Vorsorge- und Reaktionsmöglichkeiten. Die präzise Beobachtung von Gefahren wird von anderen Behörden geleistet, u.a. Deutscher Wetterdienst (DWD) oder Bundeskriminalamt (BKA), wovon das BBK profitiert. Spezifische Vorsorge- und Reaktionskompetenzen sind z.T. im BBK vorhanden (s.o.), jedoch in Deutschland im Katastrophenschutz größtenteils auf kommunaler- oder Länderebene eingerichtet. Durch einen All-Gefahren-Ansatz wird insbesondere das Gemeinsame an den verschiedenen Risiken und Gefahrensituationen betont. Der All-Gefahren-Ansatz wird somit zu einem All-Risiko-Ansatz. Damit können Maßnahmen entwickelt werden, die einerseits für eine Vielzahl von Gefahren gleichzeitig sinnvoll sind, sich aber auch situativ anpassen lassen müssen.

4.

Mobile Hochwasserschutzwände sind nur ein Teilaspekt, der sich als konkrete Maßnahme aus einem Risikomanagementkonzept ergeben kann. (Fotos: Fekete)

All-Gefahren-Ansatz Dieses ganzheitliche Konzept wird auch in einem Multi- oder auch All-Gefahren Ansatz (all hazards approach) verfolgt (Rogers 2011, DHS 2003). Es geht dabei einerseits um die Offenheit, möglichst viele Gefahren zu berücksichtigen, seien sie natürlichen, menschlichen oder technischen Ursprungs. Zum anderen wird jedoch angesichts der Vielzahl an möglichen Bedrohungen die Unmöglichkeit eines hundertprozentigen Schutzes deutlich. Das Hauptaugenmerk für den Bevölkerungsschutz richtet sich damit weniger auf die präzise Beobachtung oder

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Der Mehrwert durch die Anwendung eines Risiko- und Krisenmanagements

Die Etablierung eines kontinuierlichen Risikomanagementprozesses im Bevölkerungsschutz stellt im jeweiligen Zuständigkeitsbereich für alle Verwaltungsebenen einen wesentlichen Mehrwert dar. Ein wirkungsvolles Risikomanagement führt ggf. zu einem abgemilderten Verlauf des Ereignisses oder im Optimalfall auch dazu, dass die Gefahr sich nicht negativ auf die vorhandenen Schutzgüter auswirkt. Somit entlastet das Verfahren die Reaktionskräfte im Krisenmanagement. Das Erkennen von Gefahren und das anschließende Analysieren und Bewerten der potenzi­ ellen Risiken verkleinert den „blinden Fleck“ der Verantwortlichen für den Bevölkerungsschutz. Entwicklungen, die entweder als schleichender Prozess oder als plötzlich auftretendes Ereignis erstmals zu unerwarteten Auswirkungen geführt haben, können vorab erkannt werden und ihnen kann mit organisatorischen Maßnahmen begegnet werden. Darüber hinaus ergeben sich die nachfolgenden positiven Effekte bei der Verbindung von Fähigkeiten des Risiko- und des Krisenmanagements: • Identifikation der Rolle und Bedeutung einer jeden Fachabteilung des BBK, aber auch der externen Einheiten des Bevölkerungsschutzes, innerhalb des Risiko- und Krisenmanagement-Kreislaufs.


• Integration aller Fähigkeiten und Kernaufgaben aus allen zugehörigen Abteilungen und Referaten in ein einheitliches Konzept. • Gezielte Erkennung von Kernaufgaben, aber auch Fehlstellen, innerhalb der bisherigen Fähigkeiten des BBK. • Nahtlose Verzahnung von Einzelprojekten zu verschiedensten Themen innerhalb des BBK, aber auch mit externen Partnern. • Verbindung, Ergänzung und Synergieeffekte statt Trennung der beiden wichtigen Bereiche Risikomanagement und Krisenmanagement. • Orientierung an internationalen Standards (z.B. ISO 31010:2009), welche den Austausch und die Kooperation mit anderen Einrichtungen des Bevölkerungsschutzes, aber darüber hinaus der gesamten inneren Sicherheit und auch mit Unternehmen erheblich erleichtert.

Fazit

Risiko- und Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz sind mehr als die zwei Seiten einer Medaille. Beide Begriffe umfassen sämtliche Fähigkeiten zur Bewältigung von Krisen oder Katastrophen. Das schließt alle Phasen ein, vor, während und nach einer Krise und wieder in der Vorsorge auf weitere, Literatur BBK (2010): Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz. In: Wissenschaftsforum Bd. 8. BBK (noch unveröff.): Zentrale Begriffe des Bevölkerungsschutzes. BMI (2007): Schutz Kritischer Infrastrukturen – Risiko- und Krisenmanagement. Leitfaden für Unternehmen und Behörden. Berlin: Bundesministerium des Innern (BMI). DHS (2003): Homeland Security Presidential Directive-5: Management of Domestic Incidents. Department of Homeland Security (DHS), USA. DKKV (2003): Hochwasservorsorge in Deutschland. Lernen aus der Katastrophe 2002 im Elbegebiet. Bonn: Lessons Learned. Schriftenreihe des DKKV (29) Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge e.V. (DKKV). Gullotta, G. & E. Schulz (2010): Risiko- und Krisenkommunikation, oder: Ehrlich währt am längsten. In: BBK und Deutscher Städtetag (Hrsg.): Drei Ebenen, ein Ziel: Bevölkerungsschutz – gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen, S. 52-60. Habegger, B. (2009): Factsheet: Identifikation von Risiken. Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich. IRGC (2008): An introduction to the IRGC Risk Governance Framework: International Risk Governance Council (IRGC). Rogers, Peter (2011): Development of Resilient Australia: enhancing the PPRR approach with anticipation, assessment and registration of risks. In: The Australian Journal of Emergency Management, Jg. Volume 26, No. 1, January 2011, S. 54–58.

neue Krisen. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel und damit steht der Bevölkerungsschutz in der Pflicht, nicht unvorbereitet zu sein, komme was wolle. Das bedeutet, dass die teilweise lange Vorphase vor der nächsten Katastrophe, in der nichts passiert, die wichtigste sein kann. In der Vorphase kann man strukturiert und gezielt Fähigkeiten aufbauen, um Risiken zu erkennen und zu bewerten, aber auch um rasch und effektiv auf Krisen zu reagieren. Zahlt sich Vorsorge aus? 1993 hat das Hochwasser am Rhein große Schadenssummen verursacht. 1995 war das Hochwasser genauso hoch, doch waren diesmal die Anwohner und die Kommunen besser vorbereitet, die Schäden waren geringer. Verschiedene Experten sind der Meinung, dass Investitionen in Vorsorge günstiger als die aus einem Katastrophenfall resultierenden enormen Kosten sind. Dies betrifft z.B. Investitionen in verstärkte Bausubstanz bzgl. Erdbeben, in Wetterwarnung für Hochwasser- oder Sturmschäden oder auch in die Reduktion der Kohlenstoffemissionen zur Abmilderung des Klimawandels. „Jeder Dollar, der in Katastrophenvorsorge investiert wird, erspart 7 Dollar an wirtschaftlichen Schäden beim Wiederaufbau.“ (Houston Advanced Research Center). Dieser viel zitierte Satz ist nicht einfach von den USA und dem Wirbelsturm Katrina auf Deutschland und für jede mögliche Krise übertragbar. Und natürlich sind solche Zahlen nur bedingt gültig; man kann auch zu wenig, zu viel, für die falsche Gefahr oder in die falsche Art Vorsorge investieren. Jedoch wird auch angesichts aktueller Krisen und Katastrophen überdeutlich, dass eine vorsorgende Beschäftigung mit Risiken im Risikomanagement und ein vorausplanendes Krisenmanagement für die Vermeidung und Bewältigung von Katastrophen unerlässlich sind.

Dr. Alexander Fekete ist Mitarbeiter des Referates „Gefährdungskataster, Schutzkonzepte Kritischer Infrastrukturen“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dr. Andre Walter ist Mitarbeiter des Referates „Grundsatzangelegenheiten des Bevölkerungsschutzes, Risikomanagement, Not­ fallvorsorge“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

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risikomanagement

Daueraufgabe Risikoanalyse Ein unverzichtbares Instrument für das Risikomanagement Angela Clemens-Mitschke und Susanne Lenz

Die Risikoanalyse ist zentraler Bestandteil und unverzichtbares Instrument des Risikomanagements im Bevölkerungsschutz (Abb. 1). Denn nur auf Grundlage belastbarer Informationen zu Gefahren, Risiken und vorhandenen Fähigkeiten kann über den Umgang mit Risiken angemessen entschieden werden. Dies hat auch die Bundesregierung erkannt und die Risikoanalyse gesetzlich verankert. Gemäß § 18 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes (ZSKG) vom 2. April 2009

Warum Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz? Deutschland verfügt über gut funktionierende zivile Strukturen zum Schutz seiner Bevölkerung und ist gegenüber alltäglichen Schadensereignissen durch hoch qualifizierte Rettungsdienste, Feuerwehren und Katastrophenschutzeinheiten bestens gerüstet. Gleichwohl ist auch Deutschland immer wieder von Ereignissen und krisenhaften Entwicklungen betroffen, die zumindest größere Bevölkerungsteile Abb. 1: Risikoanalyse als zentrales und ihre LebensgrundlaElement des Risikomanagements. gen, aber auch die Funktionsfähigkeit vitaler Infrastrukturen und damit des Staates und der Gesellschaft gefährden können. Die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz umfasst die vorausschauende und strukturierte Analyse von Schutzgütern (z.B. Menschen, Tiere, natürliche Lebensgrundlagen, Infrastrukturen), von Gefahren sowie von Schäden, mit denen bei Eintritt

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erstellt der Bund im Zusammenwirken mit den Ländern eine bundesweite Risikoanalyse für den Zivilschutz und das Bundesministerium des Innern ist beauftragt, dem Deutschen Bundestag hierzu jährlich zu berichten. Der vorliegende Beitrag stellt die zentralen Aussagen des ersten Berichtes der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag zum Thema Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz vor. 1

der Gefahren zu rechnen ist. Ziel der Risikoanalyse ist die Bereitstellung belastbarer Informationen als Entscheidungsgrundlage für Planungen und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen. Die Risikoanalyse ist somit ein politisches Entscheidungs- und administratives Planungsinstrument, das methodisch auf allen Verwaltungsebenen (Bund, Länder und Kommunen) eingesetzt werden kann und eine risiko- und bedarfsorientierte Vorsorge- und Abwehrplanung im Zivilund Katastrophenschutz ermöglicht. Darüber hinaus steht die Risikoanalyse in engem Zusammenhang mit anderen aktuellen (sicherheits-) politischen Initiativen. Hierzu zählen neben der Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen auch die Anpassungsstrategie zum Klimawandel sowie die Vorgaben der Europäischen Union im Bereich der Präventionsmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung.2 Denn die im Rahmen der Risikoanalyse gewonnenen Erkenntnisse können auch zur Entscheidungsunterstützung mit Blick auf Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor extremen Folgen des Klimawandels sowie vor Folgen beim Ausfall Kritischer Infrastrukturen

Vgl. Bericht über die Methode zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz: Unterrichtung durch die Bundesregierung. In: Verhandlungen des Deutschen Bundestages: Drucksachen. (2010), 17/4178 vom 09.12.2010, S 36.

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eingesetzt werden und bei der Erarbeitung von lösungsorientierten Schutzkonzepten im Rahmen der Präventionspolitik auf europäischer Ebene dienen. Auch bei den Ländern ist die Bedeutung von Risikoanalysen und ihr Mehrwert für den Bevölkerungsschutz unstrittig. So forderte die IMK im „Programm Innere Sicherheit“ (Fortschreibung 2008/ 2009) eine intensivere Berücksichtigung von besonderen Risiken, die sich aus großen Schadensereignissen ergeben können sowie ein bundesweites, einheitliches Risiko-/ Gefährdungskataster für eine Risikoanalyse als konzeptionelle Grundlage für Planungen im Bevölkerungsschutz.

barem Aufwand rasch gute Ergebnisse erzielt werden können. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Bevölkerungsschutzes können künftig unter Verwendung dieser Methode auf allen administrativen Ebenen Risikoanalysen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich durchgeführt werden. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen Bund und Ländern über die Netzwerke des BBK unterstützt dabei das Zusammenwirken und die gemeinsame Nutzung von Erkenntnissen.

Wie erfolgt die Umsetzung der Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat auf Wunsch der Länder eine Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz entwickelt.3 Hierbei wurden neben Erkenntnissen aus der Erarbeitung der bundeseinheitlichen Gefährdungsabschätzungen auch Recherchen zu international gebräuchlichen Methoden der Risikoanalyse sowie Ergebnisse des fachlichen Austausches mit verschiedenen Bundesbehörden, internationalen Partnerbehörden und Wissenschaftseinrichtungen berücksichtigt. Mit dieser Methode können unterschiedliche Risiken systematisch analysiert und im Hinblick auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und das damit jeweils verbundene Schadensausmaß vergleichend in einer Risiko-Matrix dargestellt werden (Abb. 2). Dieses Ergebnis soll den politisch Verantwortlichen als Entscheidungsgrundlage dienen, z.B. mit Blick auf die Priorisierung von Maßnahmen der Vorsorge und Vorbereitung. Mit der Entwicklung dieser Methode der Risikoanalyse hat der Bund einen ersten wichtigen Schritt zur Umsetzung des durch § 18 ZSKG erteilten Auftrages realisiert. Die Methode ist auf allen Verwaltungsebenen umsetzbar, wobei mit überschau Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates zu einem Gemeinschaftsrahmen für die Katastrophenverhütung in der EU, November 15394/09. 3 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2010): Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz. (Wissenschaftsforum, Bd. 8) 2

Abb. 2: Vergleichende Darstellung unterschiedlicher Risiken durch Punkte in der Matrix (beispielhaft).

Auf Länderebene werden seit 2010/2011 Pilotprojekte zu ausgewählten Fragestellungen auf der Basis der bereits erstellten Gefährdungsabschätzungen in eigener Zuständigkeit umgesetzt. Die Federführung der Risikoanalyse liegt beim jeweiligen Land bzw. beim jeweiligen Land-/oder Stadtkreis. Das BBK begleitet die Projekte auf Wunsch des jeweiligen Landes. Die hier gemachten Erfahrungen liefern wertvolle Erkenntnisse für den weiteren Fortschritt der Implementierung der Methode Risikoanalyse auf allen administrativen Ebenen. Auf der Ebene des Bundes wird sich die Risikoanalyse auf Gefahren/Ereignisse beziehen, die als national bedeutsam erachtet werden. Nicht nur zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrages aus § 18 ZSKG, sondern auch zur Einlösung der Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag und des Programms zur Inneren Sicherheit sowie zur Umsetzung der Nationalen

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Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen und der Deutschen Anpassungsstrategie zum Klimawandel ab 2011 sind hier Szenarien für national bedeutsame Risiken zu entwickeln und Risikoanalysen durchzuführen. Die Erarbeitung der Risikoanalysen erfolgt ressortübergreifend, unterstützt durch die bereits bestehenden Experten- und Behördennetzwerke des BBK.

Abb. 3: Akteure und Aufgaben im Risikomanagement.

Die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz ist eine Daueraufgabe für alle politisch Verantwortlichen und ist als Prozess zu verstehen. Nur so ist eine realistische Einschätzung der aktuellen Risiken möglich, die je nach bereits erfolgten Maßnahmen im Rahmen des Risiko- und Krisenmanagements zu einer Veränderung (im besten Falle Verbesserung) der Risikolandschaft führt. Ein Erfolgsfaktor für die Risikoanalyse ist die Einbindung fachübergreifender Expertise gleich zu Beginn des Verfahrens, um möglichst viele Aspekte der verschiedenen Risiken abzudecken. Zugleich kann über interdisziplinäre und behördenübergreifende Zusammenarbeit auch eine intelligente Verknüpfung bereits vorhandener Daten erfolgen, um belastbare Aussagen zu generieren.

Was geschieht mit den Ergebnissen der Risikoanalyse? Auf allen administrativen Ebenen können die mit Hilfe der Risikoanalyse jeweils generierten Erkenntnisse als Grundlage für die politisch Verantwortlichen dienen, um über den Umgang mit den identifizierten Risiken zu entscheiden. Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen hierbei sowohl im

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Risikomanagement (z.B. Priorisierung von Maßnahmen zur Minimierung von Risiken) und in der Notfallplanung (z.B. Vorbereitung auf unvermeidbare Ereignisse) als auch im Krisenmanagement (z.B. Vorhaltung von Ressourcen). Auf der Grundlage der Ergebnisse von Risikoanalysen können die Bewertung von Risiken für die Bevölkerung, die Anpassung an neue Gefahren und sich verändernde Verwundbarkeit, die Priorisierung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sowie deren Planung erfolgen. Außerdem wird die Erarbeitung von konkreten Schutzempfehlungen und Notfallplänen im Vorfeld möglicher Schadensereignisse unterstützt, so dass ein effizienter Einsatz vorhandener Ressourcen und ein schnelles, flexibles und nachhaltiges Handeln im Ereignisfall ermöglicht werden. Für eine wirklich bedrohungsgerechte Anpassung des Bevölkerungsschutzes bedarf es einer Risikoanalyse, deren Ergebnisse in Beziehung zu den noch nicht abschließend definierten Schutzzielen gesetzt werden müssen. Nur so lässt sich feststellen, ob das Verbundsystem Bevölkerungsschutz in Deutschland für alle zu erwartenden Schadenslagen hinreichend dimensioniert und vorbereitet ist oder ob für Bund, Länder und Kommunen Handlungsbedarf besteht und, wenn ja, wo. Das Gesamtsystem des Bevölkerungsschutzes in Deutschland kann von der breiten Anwendung des hier vorgestellten Verfahrens nur profitieren. Allerdings bedarf es hierbei der intensiven Kommunikation der Erkenntnisse zwischen der Politik und den Behörden, den Behörden untereinander sowie zwischen Behörden und Bürgern (Abb. 3). Ein vollständiger Schutz der Bevölkerung kann durch staatliche Vorsorge alleine nicht gewährleistet werden. Deshalb muss zusätzlich zur staatlichen Vorhaltung eine entsprechende ereignisabhängige Vorbereitung der Bürger (Auf- und Ausbau der Selbsthilfefähigkeiten) gefordert und gefördert werden. Eine aktive Risikokommunikation schafft ein Risikobewusstsein und kann somit dazu beitragen, dass die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung und der Vorsorgegedanke gestärkt werden. Angela Clemens-Mitschke ist Leiterin des Referates „Grundsatzangelegenheiten des Bevölkerungsschutzes, Risikomanagement, Not­fallvorsorge“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Susanne Lenz ist Mitarbeiterin desselben Referates.


Naturgefahren und –risiken Risikomanagement und Governance Thomas Glade und Stefan Greiving

Überflutung

Lokal

Sturmflut Sturm

Regional

Dürre

Global

Tsunami

Das Risikomanagement von Naturgefahren unterscheidet sich vom Management sonstiger Risiken in mehrfacher Hinsicht. Naturgefahren können in differenzierten Ausprägungen, an den verschiedensten Lokalitäten und zu unterschiedlichsten Zeitpunkten auftreten (Abb. 1). Sie können nur Sekunden andauern (z.B. bei Blitz oder Erdbeben) oder sich über Tage und Wochen hinziehen (z.B. bei Überschwemmungen oder Dürren). Sie betreffen entweder einzelne Lokalitäten (z.B. bei Steinschlag oder Lawine) oder können ganze Regionen betreffen (z.B. bei Vulkanismus oder Erdbeben). Die Auslöser der Naturereignisse sind vollkommen unterschiedlich und beinhalten meteorologische Ursachen (z.B. Starkniederschläge, Winde, Trockenheit), endogene Ursachen (z.B. Entlastungen von Spannungen in Kontinentalplatten), extraterrestrische Ursachen (z.B. Meteoriteneinschlag), oder auch anthropogene Ursachen (z.B. Sprengungen). Dies sind fundamentale Unterschiede zu anderen Risiken, wie beispielsweise technische Gefahren oder Gefahren im Straßenverkehr. Weiterhin „halten“ sich die ablaufenden Naturprozesse weder an administrative Grenzen noch an gesellschaftliche Rahmenbedingungen – sie operieren nach physikalischen Gesetzen. Dies stellt ganz besondere Herausforderungen an ein Risikomanagement. Darüber hinaus sei an dieser Stelle jedoch zu betonen, dass die Naturgefahren ganz grundsätzlich einfach nur natürliche Prozesse darstellen. Diese fanden schon immer in unserer Umwelt statt und werden auch in der Zukunft unsere Landschaften formen. Unsere natürliche Umwelt ist nur so vorhanden, da natürliche Prozesse sie gebildet haben. Der Vulkan basiert auf dem Vulkanismus, steile Täler im Hochgebirge sind häufig von Gletschern geformt worden und jetzt finden Berg- und Felsstürze

statt, die großen Schwemmkegel in alpinen Tälern bilden sich über Muren, die ausgedehnten Talauen formen sich durch regelmäßige Überschwemmungen, Dünen bewegen sich durch starke Winde und die Küsten verändern sich bei Stürmen. Diese Beispiele zeigen, was wir immer wieder in unsere Erinnerung rufen müssen: Wir leben in einer Umwelt, die zwar sehr stark vom Menschen und seinen Aktivitäten genutzt und verändert wird, die aber gleichzeitig nach wie vor von den natürlichen Prozessab-

Erdbeben

Hintergrund

Desertifikation

Vulkanismus

Punktuell

Schneelawine

Grav. Massenbewegung

Blitz

Sekunde

Tag

Jahr

Jahrzehnt

Abb. 1: Schematische raum-zeitliche Verteilungen von klassischen Naturgefahren (Hinweis: Die blau hinterlegten Naturgefahren treten eher schnell auf, die beige markierten Naturgefahren sind eher langsame Prozesse.)

läufen dominiert wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass das Eintreten eines natürlichen Ablaufs eines Naturereignisses an sich keine Katastrophe ist, sondern ein ganz normaler Prozess in der Landschaftsentwicklung. Zur Katastrophe kann das Naturereignis erst dann werden, wenn die Gesellschaft im weitesten Sinne davon betroffen ist und nicht angepasst ist (Felgentreff & Glade 2008).

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risikomanagement

Das lange geglaubte Fundament einer „Beherrschung“ der Natur kann in der absoluten Form nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wir müssen begreifen, dass wir zwar die Ereignisse mit kleinen Magnituden und hohen Frequenzen beherrschen können, dass wir aber niemals die großen Magnituden mit den geringen Frequenzen signifikant beGrundlegende Begriffe: Naturgefahren- und Naturrisikodefinitionen in den Naturwissenschaften Natürliche Prozesse Hierunter fallen alle Prozesse, die in der natürlichen Umwelt ablaufen. Die Prozesse können langsam oder extrem schnell und punktuell oder flächenhaft auftreten. (engl.: natural events; natural processes; natural events) Naturgefahren Potentiell Schaden bringende natürliche Prozesse werden zu Naturgefahren. Diese sind gekennzeichnet durch eine Auftrittswahrscheinlichkeit in einem bestimmten Raum, in einer vorgegebenen Zeiteinheit/ Periode (=Frequenz) und mit einer variablen Stärke (=Magnitude). Die Klassifizierung erfolgt über die Ursache. (engl.: natural hazards) Naturrisiko Werden die potentiellen Schäden zusätzlich erfasst, sei es quantitativ oder qualitativ, dann liegt ein Na-

turrisiko vor. Die qualitative Herangehensweise beschreibt die gesellschaftlichen Konsequenzen der Naturgefahren. Mit den quantitativen Methoden werden die sozioökonomischen Schäden in ihrer Ganzheit berechnet, meist basierend auf dem Ansatz R = f(G, K), wobei K = f(E, V) mit R = Naturisiko, G = Naturgefahr, K = Konsequenzen, E = Risikoelemente (z.B. Strassen, Häuser, Menschen, etc.), und V = Vulnerabilität. (engl.: natural risks) Katastrophe Eine Katastrophe tritt dann ein, wenn ein Raum (z.B. Ort, Lokalität, Region) von einem Naturereignis so stark betroffen ist, dass die lokalen Bewältigungskapazitäten nicht ausreichend sind und von außen Hilfeleistungen notwendig werden. (engl.: natural disasters; natural catastrophes)

einflussen können. Sicherlich helfen uns Deiche entlang von Flüssen, Schneelawinenverbauungen im Gebirge, Schutzwände bei Tsunamis oder erdbebensichere Bauvorschriften bei Erdbeben, mit den geringen Magnituden umzugehen. Wir wissen aber auch, dass daraus häufig ein Sicherheitsgefühl entsteht, auf dessen Basis dann die früher gefährdeten Räume intensiver genutzt werden, sei es durch Bebauung, Tourismus oder wirtschaftliche Nutzung. Es wird hierbei häufig nicht genügend bedacht, dass alle Schutzbauwerke nur bis zu gewissen Größen der Naturereignisse konzipiert sind (z.B. der 100-jährlichen Überschwemmung, der 300-jährlichen Lawine oder dem 150-jährlichen Tsunami). Aus einer langfristigen Perspektive ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis auch größere Ereignisse auftreten. Die Folgen sind dann umso verheerender, denn die gegenüber kleinen Naturereignissen geschützten Räume sind nach wie vor den großen Magnituden ausgesetzt. Aktuellste Beispiele sind das Erdbeben in

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Christchurch, Neuseeland (21.02.2011) oder der Tsunami in Japan (11.03.2011). Auch dies sind größte Herausforderungen an ein Management von Naturgefahren und –risiken. Neben der Frequenz, der Stärke und dem räumlichen Auftreten der Naturereignisse wird noch ein anderer Aspekt gerade in der Notfallvorsorge immer wichtiger: Wir als Gesellschaft. Die natürliche Umwelt wird von uns intensivst genutzt. Naturressourcen werden gefördert (z.B. Kohle, Holz), Landschaften werden modifiziert (z.B. Flurbereinigungen, Landgewinnungen am Meer) und weitflächig agrarwirtschaftlich genutzt. Daraus folgt, dass wir immer stärker von der Natur abhängig werden, d.h. auch, dass wir tendenziell immer anfälliger werden. Und dies, obwohl wir eine immer stärkere gespürte Sicherheit empfinden, ein klassisches Verletzlichkeitsparadoxon. Umso schockierter und überraschter ist man, wenn auch hochentwickelte Regionen fundamental von den Naturereignissen betroffen werden (s. Tsunami in Japan). Dies gilt in gleichem Maße für das Risikomanagement von Naturgefahren: Obwohl unsere Managementsysteme immer differenzierter und effizienter werden, werden sie gleichzeitig auch immer anfälliger – man denke nur an Stromausfall oder eine generelle Unterbrechung der Infrastruktur. Dies erfordert einen bewussten Umgang mit den Hightechsystemen. Es stellt sich folglich die Frage, welche Mana­ gementoptionen für Naturgefahren und -risken entwickelt werden können. Hierbei müssen die unterschiedlichen natürlichen Dimensionen genauso beachtet werden wie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Im Folgenden werden grundlegende Managementstrategien anhand von einzelnen Beispielen erläutert, die besonders für die Notfallvorsorge von großer Bedeutung sind.

Managementstrategien Grundsätzlich sollten Managementstrategien in den Risikozyklus (Abb. 2) eingebaut sein. Im Risikozyklus steht die eingetretene, oder die erwartete, Naturkatastrophe im Fokus der Betrachtung. Im Kontext der Katastrophennachsorge muss zwischen einer direkten Bewältigung der Katastrophe und dem anschließendem Wiederaufbau klar unterschieden werden. Der Wiederaufbau sollte hier-


bei so organisiert und strukturiert sein, dass er auch in die Katastrophenvorbeugung integriert ist. In der konsequenten Weiterentwicklung verbessert man somit die Katastrophenvorbereitung. Vorbeugung und Vorbereitung sind hierbei Teil der allgemeinen Katastrophenvorsorge. Je effektiver hierbei das Ziel verfolgt wird, die Konsequenzen der kommenden Katastrophe zu minimieren, desto stärker integriert man die Katastrophenvorsorge auch in den Wiederaufbau mit einer direkten Verbesserung der Katastrophenbewältigung. Dieser Verbesserung wird in Abb. 2 durch einen gegenläufigen Pfeil Rechnung getragen. Das Risikomanagement der Naturgefahren sollte folglich auf allen Ebenen der Katastrophennachsorge und –vorsorge operieren. Denn in den meisten Fällen ist es nicht eine Frage, ob ein katastrophales Naturereignis wieder eintreten wird, sondern nur wann und in welcher Stärke es zu erwarten ist. Traditionell wird im Risikomanagement besonders auf die direkte Katastrophenbewältigung durch operative Einsatzplanung der Hilfsinstitutionen (in Deutschland z.B. THW, Feuerwehr, Malteser Hilfsdienst etc.) und im Kontext der Katastrophenvorsorge auf lokale technische Schutzbauwerke (z.B. Deichanlagen, Lawinenverbauung, Steinschlagnetze, etc.) fokussiert. Für ein Risikomanagement können einige wesentliche Handlungsoptionen festgehalten werden: 1. „Mache nichts“. Auf den ersten Blick erscheint diese Option nicht akzeptabel. Häufig wird es auch als verantwortungslos oder gar verwerflich beurteilt. Wenn diese Option jedoch nach einem langen und sorgfältigen Erwägungsprozess entsteht, ist absolut nichts dagegen einzuwenden. Ausweichen ist häufig vernünftiger und langfristig effektiver als mit Schutzbauten aufwändig in das Natursystem einzugreifen. Auf einer administrativen Ebene sollte man jedoch Handlungsstrategien für die einzelnen Bereiche des Risikozyklus entwickeln. 2. Lokale Lösungen. Viele Managementoptionen basieren auf Detaillösungen. Hierzu gehören die klassischen Schutzbauwerke genauso wie ein lokales Frühwarnsystem, z.B. für Überschwemmungen, Schneelawinen oder gravitative Massenbewegungen. Häufig wird hierbei jedoch nicht genügend bedacht, dass alle lokale Lösungen auch

einen langfristigen Unterhaltungsbedarf aufweisen, der auch in der Ressourcenplanung berücksichtigt werden muss. Weiterhin sollten auch diese lokale Lösungen in ein übergreifendes Manage­ mentkonzept eingebunden sein.

Wiederaufbau u.a. Reperaturmaßnahmen, Aufbau der Infrastruktur Bewältigung u.a. Bergungs- und Rettungsmaßnahmen, Evakuierungen

Vorbeugung u.a. Landnutzungsplanung und Raumordnung, Aufbau von Frühwarnsystemen Vorbereitung u.a. Notfallpläne, Üben von Katastrophensituationen, Einsatz des Warnsystems

Abb. 2: Der Risikozyklus mit der Katastrophenvorsorge und –nachsorge sowie dem gegenläufigen Zyklus der Verbesserung der Vorsorge für das nächste Naturereignis durch eine effektive Nachsorge der vorherigen Naturkatastrophe (verändert nach Dikau & Weichselgartner 2005).

3. Regionale Ansätze. Es wird versucht, übergeordnete Managementstrategien und –optionen zu entwickeln und zu etablieren. Diese reichen von regionalen Einsatzplänen der im Katastrophenfall betroffenen Institutionen bis zu präventiven Gefahren- und Risikokarten. In den Gefahrenkarten werden die potentiellen Auftretensgebiete und -wahrscheinlichkeiten des jeweiligen Naturereignisses ausgewiesen. Die Risikokarten beinhalten zusätzlich noch Informationen zu den möglichen Konsequenzen, seien es potenziell betroffene Gebäude, Infrastruktur oder Menschen. Der Hauptschwerpunkt aller Karten ist folglich, die möglichen zukünftigen Gefahrenräume zu identifizieren und die möglichen Konsequenzen auszuweisen. Diese Informationen erlauben, entsprechend angepasste Gegenmaßnahmen zu set-

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zen. Die Maßnahmen variieren von lokalen Interventionen (z.B. Schutzbauwerke) bis zur Raumplanung (Vermeidung der Nutzungsintensivierung dieser ausgewiesenen Flächen beispielsweise). 4. Experteneinsätze. Egal, welche Handlungsoptionen von 1) bis 3) etabliert sind oder werden, die jeweiligen Fachexperten und Fachexpertinnen sind immer von größter Bedeutung. Nur deren fundiertes Fachwissen und häufig detaillierte Ortskenntnis erlauben einen bestmöglichen und nachhaltigen Umgang im Risikomanagement von Naturgefahren und –risiken. Weiterhin sind die Experten immer der Pfeiler, auf dem die jeweiligen Managementoptionen ruhen müssen. Ganz unabhängig, wo, in welcher Form und in welchem institutionellen Rahmen ein Risikomanagement etabliert ist, häufig gibt es neben den technischen Herausforderungen auch gesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Es ist immer wieder zu beobachten, dass zwar ausgeklügelte und ausgezeichnet durchdachte Risikomanagementpläne bestehen, dass es im Eintrittsfall dann aber doch sehr häufig zu Reibungsverlusten und im schlimmsten Fall sogar zum totalen Zusammenbruch des Mana­ gements kommen kann. Dies kann mehrere Ursachen haben, auf die an dieser Stelle nicht gesamtheitlich eingegangen werden soll. In diesem Beitrag wird die besondere Rolle der Kenntnis und Akzeptanz des etablierten Risikomanagements behandelt.

Governance von Naturrisiken Staatliches Risikomanagement zielt letztendlich darauf ab, erkannte Risiken so zu bewältigen, dass das verbleibende Risiko nach Umsetzung der risikoreduzierenden Maßnahmen akzeptabel ist. Dabei ist der Begriff „Risiko“ anthropozentrisch zu verstehen. Das Denken in Kategorien von Risiko setzt ein Mindestmaß an Gestaltbarkeit von Zukunft und damit die Vermeidbarkeit von negativen Ereignissen durch Vorsorge voraus. Da diese negativen Ereignisse unerwünscht sind, umfasst die Behandlung von Risiko ein normatives Konzept und damit eine rechtliche Dimension. Ein klassisches Risikomanagement greift jedoch häufig mehrfach zu kurz. Raumplanung wie auch die jeweils für Risikomanagement zuständigen

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Fachplanungen wie etwa Wasserwirtschaft oder Geologische Dienste sind gleichermaßen lediglich in der Lage, auf die zukünftige Raumnutzung, nicht jedoch den baulichen Bestand Einfluss zu nehmen. Dies ist die Aufgabe der Kommunen oder von privaten Eigentümern bzw. des Katastrophenschutzes. Zweifellos befähigt das öffentliche Recht (Fachplanungsrecht, Raumplanungsrecht) den Staat, weitere, risikoerhöhende Maßnahmen weitgehend zu unterbinden – doch zu einem hohen Preis. Denn diese fachgesetzlichen Unterschutzstellungen bzw. raumordnerischen Zielfestlegungen sind sehr unflexibel, u.a. auch gegenüber lokalen Rahmenbedingungen, und erfolgen ebenfalls nicht primär im Hinblick auf ihre Effektivität und Effizienz hin. Vielmehr sind sie quasi konditional programmiert, d. h., dass sich aus einer bestimmten Tatbestandsvoraussetzung (z. B. Lage in einem Überschwemmungsgebiet) eine feststehende Rechtsfolge (Bauverbot) ergibt. Folglich greifen planerische Festlegungen alleine zu kurz, da sie lediglich den weiteren Anstieg der Schadens­ potenziale zu bremsen in der Lage sind – eine Reduzierung des Risikos muss dagegen auf diese Weise misslingen. Zudem entstehen durch den globalen Wandel und insbesondere durch die Folgen des Klimawandels zusätzliche Unsicherheiten, mindestens für hydro-meteorologische Gefahren. Während bisher davon ausgegangen worden ist, dass Wahrscheinlichkeiten z. B. für bestimmte Bemessungswasserstände hinreichend sicher prognostiziert werden können, muss nunmehr angenommen werden, dass man sich von Wahrscheinlichkeiten („probabilities“) zu bloßen Möglichkeiten bewegt („possibilities“), weil durch die sich verändernde Umwelt kein Verlass mehr auf statistische Wiederkehrintervalle besteht. Denn diese beziehen sich traditionell auf Beobachtungen in der Vergangenheit. Umso problematischer ist dann aber die Fixierung starrer, konditional-programmierter Managementregeln, die zudem zu wenig Rücksicht auf die regional unterschiedlichen Folgen dieses Wandels nehmen. Bereits aus diesen beiden genannten Gründen – Mangel an Einfluss auf den Bestand und zunehmende Unsicherheit – ergibt sich die Notwendigkeit eines mehr auf Diskurs und Kooperation setzenden Vorgehens. Akzeptanz und Integration von Betroffenen sind angesichts der Tatsache, dass Entscheidungen über den Umgang mit Risiken (aus


trag um eine Zeitdimension erweitert. Der gerechdem Klimawandel) letztlich Wertentscheidungen tigkeitsbegründete Konsens aller wird seitdem sind, außerordentlich wichtig. Dies trifft vor allem dann zu, wenn Entscheidungen unter Unsicherheit auch von der Zustimmung der Zukünftigen abhängig gemacht, weil eine Norm nicht deshalb bereits (z. B. über die zukünftige Entwicklung des Klimas) zu treffen sind und viele der erforderlichen Maßnah- gerecht sein kann, weil ihr die Lebenden zustimmen. Methodischer Kern dieser Philosophie ist die Idee men nur durch Eigentümer und Bewohner umgesetzt werden können, weil sie den baulichen Bestand des „Veil of Ignorance“, die verhindert, dass wir Zeitpunkt und Status unseres derzeitigen Daseins erbetreffen, auf den auf Grund der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG hoheitlich nur sehr begrenzt Ein- kennen (Rawls 1971). Um Prinzipien formulieren zu können, denen auch auf der Zeitachse alle zustimfluss genommen werden kann (Greiving 2008). Ein zusätzlicher Risikoabschätzung: Risikomanagement: Grund besteht im Produktion Entscheidung über und Risikoidentifizierung von Wissen Umsetzung von grundsätzlichen Miss• Problemdefinition Maßnahmen • Frühwarnung trauen der Bevölkerung • Screening gegenüber behördli• Festlegung wissenschaftl. Kontroversen chen Entscheidungen. Risikomanagement Risikobewertung Eine öffentliche EntRisikoabschätzung Implementierung scheidungsfindung, • Hazard Identifikation & Abschätzung • Umsetzung der Handlungsoptionen • Abschätzung Exposition & • Monitoring & Kontrolle Kommunikation welche lediglich auf der Verwundbarkeit • Feedback der Praxis tatsächlich „wissen• Risikoabschätzung Entscheidungsfindung Interessenanalyse • Identifikation von Alternativen schaftlichen“, durch • Risikowahrnehmung • Alternativenbewertung Experten ermittelten • Soziale Interessen • Alternativenauswahl • Sozio-Ökonomische Auswirkungen Wissensgenerierung Beurteilung von Tolerabilität & Akzeptanz basiert sowie die NichtRisikoevaluation Risikocharakterisierung • Beurteilung der Tolerabilität und der • Risikoprofil berücksichtigung der Akzeptanz • Beurteilung der Ernsthaftigkeit des „sozial-kulturellen“ le• Erforderlichkeit der RisikomindeRisikos rungsoptionen • Risikominderungsoptionen bensweltlichen Dimension, führen zu MissAbb. 3: Kontext des Risiko Governance. (Quelle: in Anlehnung an IRGC (2005)) trauen (Löfstedt 2005). men können, muss daher das Wissen um individuEin anderes Entscheidungsproblem besteht darin, elle Privilegien ausgeblendet werden. In der umdass messbare Fakten angesichts bestehender Unweltpolitischen Debatte hat sich diese Idee im Leitterschiede in der individuell und sozial geprägten bild der Nachhaltigen Entwicklung niedergeschlaRisikowahrnehmung unterschiedlich gewertet gen. Allerdings erscheint das Leitbild der Nachhalwerden können („ambiguity“), wie es an der Distigkeit, das im Kern auf den Erhalt eines stabilen kussion über die zivile Nutzung der Kernenergie und die damit verbundenen „Restrisiken“ leicht er- Umweltzustands abzielt, nur bedingt geeignet zu sein, Gesellschaften auf den Umgang mit schockarkennbar ist (Klinke/Renn 2002). tigen Ereignissen vorzubereiten. Hier kommt ResiliEine besondere Herausforderung besteht auch in der Berücksichtigung der zeitlichen Kompo- enz bzw. Anpassungsflexibiltiät an sich verändernde Umweltzustände ins Spiel. nente von Risikomanagement. Das Schicksal und Die aus den bisherigen Ausführungen entstedie Zustimmung künftiger Generationen finden keihenden Anforderungen sind wesentliche Merkmale nen Eingang in die Vorstellungen von Gerechtigkeit auf Grundlage klassischer Gesellschaftstheorien für die Organisation eines Diskurses, für den der (Rousseau, Kant, Hobbes), da deren Zeitverständnis mittlerweile international gebräuchliche Terminus „Risk Governance“ steht. Risiko Governance zielt statisch ist. Dass zu einem bestimmten Zeitpunkt konsensfähige Verhaltensmaßstäbe nicht im Inter- darauf ab, die gesellschaftliche (oder räumliche) Resilienz gegenüber Katastrophen zu vergrößern und esse künftiger Generationen sein könnten, war damals nicht vorstellbar. Erst später wurde von Rawls umfasst die Gesamtheit von Akteuren, Regeln, Übereinkommen, Prozessen und Mechanismen, die sich mit seiner „Theory of Justice“ der Gesellschaftsver-

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damit befassen, wie relevante risikobezogene Information gesammelt, analysiert sowie kommuniziert wird und wie Managemententscheidungen getroffen werden (IRGC 2005). Gegenüber dem klassischen Risikomanagement bedeutet dies insofern einen Paradigmenwechsel als dass Risikokommunikation während des gesamten Prozesses im Mittelpunkt steht. Bereits bei der Problemstellung sollten Betroffene identifiziert und mit einbezogen werden müssen. Neben den Einbindungen in die Planungsphase sollte auch eine Begleitung während der ganzen Implementierungsphase erfolgen. Es ist klar, dass dies ein anstrengender und zeitintensiver Prozess ist. Aber nur dadurch kann erreicht werden, dass die Akzeptanz der Betroffenen größtmöglich ist. Natürlich darf dies nicht dazu führen, dass einzelne Prozesse nicht mehr durchführbar sind, aber es sollte versucht werden, den Betroffenen kontinuierlich die Möglichkeit zu geben, sich nachhaltig einzubringen. Denn bei der Abschätzung von Risiken gilt es nicht länger nur physikalische Fakten, statistische Eintrittswahrscheinlichkeiten oder mögliche monetäre Schäden zu betrachten, sondern auch die Wahrnehmung und Bewertung der Risiken durch Betroffene sowie deren Interessen mit zu berücksichtigten. Der Frage der Akzeptabilität von Risiken an sich, aber auch Maßnahmen zur Risikoreduzierung kommt eine zentrale Rolle zu. Staatliches Handeln findet häufig wenig Akzeptanz und stößt mitunter auf Misstrauen unter den Anspruchsgruppen. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass Akzeptabilität allzu oft alleine von technischen (DIN-)Normen abhängig gemacht wird, wo Expertengruppen ohne demokratische Legitimation Entscheidungen etwa über Bemessungsfälle treffen, auf die Anlagen ausgerichtet sein müssen. Damit treffen sie auch Entscheidungen für die Gesellschaft, welche Risiken zu tolerieren sind. Kommunikation und Diskurs gehören zu den zentralen Bausteinen eines jeden Konzepts, das erfolgreich das Handeln autonom agierender Akteure beeinflussen und gleichzeitig die Akzeptanz staatlichen Handelns verbessern will.

Herausforderungen Das Risikomanagement und das Risiko Gover­ nance müssen sich in Bezug auf Naturgefahren und

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Naturrisiken ganz besonderen Herausforderungen stellen. Einige dieser Herausforderungen sind im Folgenden zusammengefasst. Sehr häufig fehlen noch ganz grundlegende Informationen zu den einzelnen natürlichen Prozessen, seien es Erdbeben, Stürme, Schneelawinen, Blitze oder gravitative Massenbewegungen. Besonders hinsichtlich der Modellierung der Einzelprozesse und deren Kombinationen sind noch wesentliche wissenschaftliche Fragen offen. Diese Modellierungen sind aber ein ganz wesentlicher Bestandteil in der Abschätzung des Ausmaßes von zukünftigen Naturereignissen. Die Bereitstellung der Information muss direkt erfolgen um ein möglichst korrektes und schnelles Management der Naturereignisse zu ermöglichen. Der real-time Zugriff von Daten in einem Monitoring Netzwerk wird immer besser, z.B. Zugbahnen von Tornados, propagierende Hochwasserwelle in einem Gebiet, oder eine sich ausbreitende Tsunamiwelle. Hierbei spielen auf Funkübertragungen basierende Frühwarnsysteme eine immer wichtigere Rolle (z.B. Bell et al. 2010). Gleichzeitig muss die Information möglichst umfassend, klar strukturiert und nutzerorientiert zur Verfügung gestellt werden. Hierbei ist es ganz zentral, vor dem Ereignis genauestens zu vereinbaren und festzulegen, wer welche Informationen in welchem Detailgrad erhält und wer welche Entscheidungsbefugnis in der Katastrophenbewältigung erhält, um eine bestmöglich angepasste Reaktion zu ermöglichen. Hierbei werden web-basierte Anwendungen eine immer größere Bedeutung gewinnen – wobei auch hier zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen klar unterschieden werden muss. Besonders schwierig ist es auch, zielgruppenspezifisch zu kommunizieren. Dafür müssen zunächst die Interessen der jeweiligen Zielgruppe geklärt und dann geeignete Kommunikationspfade gewählt werden: Älteren, konservativen Akteuren sind andere Information anders zu vermitteln als „modern performers“, die mit Internet-Diensten aufgewachsen sind. Das Konzept der sog. „sozialen Milieus“ erscheint hier vielversprechend für eine differenzierte Kommunikationsstrategie. Diese Stragtegie sollte zudem zweidimensional sein: es geht nicht nur um die einseitige Vermittlung von Informationen, sondern auch um das Antizipieren von deren Wahrnehmung und Bewertung durch die Ziel-


gruppe, um das eigene Handeln zu reflektieren und ggf. anzupassen. Die klaren Kommunikationswege mit den eingebundenen Daten aus Frühwarnsystemen müssen gleichzeitig auch in mittel- und langfristige präventive Strategien eingebunden sein. Hierzu gehören beispielsweise die Identifikation von potenziellen Krisengebieten aufgrund von Naturgefahrenund Risikokarten, die einerseits in langfristiger Raumplanung berücksichtigt werden können, aber auch für die Einsatzplanung der Rettungskräfte optimiert werden können. Flächendeckende Gefahrenhinweis- und Risikokarten für die verschiedenen Naturgefahren und deren Kombinationen stellen ein zentrales Hilfsmittel im kurz-, mittel- und langfristigen Risikomanagement und den übergreifenden Governance Strategien dar. Allerdings ist der Spagat zu bewältigen, der zwischen fortdauernder „Vollkaskomentalität“ des überwiegenden Teils der Gesellschaft, die in Befragungen immer wieder die Erwartung zum Ausdruck bringt, dass der Staat und nicht der Einzelne für Risikoprävention von Naturgefahren verantwortlich ist, und dem neuen Staatsverständnis eines sog. „Gewährleistungsstaats“ besteht. Dieser zieht sich auch mangels finanzieller Möglichkeiten aus immer mehr Handlungsbereichen zurück und überwacht lediglich die Gewährleistung von Aufgaben, die durch Private erbracht werden. Im Kontext der Risiko Governance muss nicht nur die Bereitschaft aller Beteiligten zum Dialog vorhanden sein, es müssen auch rein praktisch entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden. Es muss erkannt werden, dass ein Dialog nicht „nebenbei“ geführt werden kann. Es müssen Ressourcen zur Verfügung stehen, diesen Diskurs zu führen – nur dann wird er zum Erfolg werden und zu einem nachhaltigen Ergebnis beitragen. Abschließend sei aber eindringlich darauf hingewiesen, dass wir uns auch im Risikomanagement und dem Risiko Governance nicht zu abhängig vom technischen Fortschritt machen dürfen. Bei aller hervorragender und notwendiger technischer Entwicklung und Machbarkeit ist es ganz zentral, auch redundante Systeme aufzubauen. Es darf nicht sein, dass der Ausfall eines Teils im Risikomanagement dazu führt, dass das ganze System versagt. Es müssen genügend alternative Redundanzen eingebaut

Literatur Bell R., Mayer J., Pohl J., Greiving S. & T. Glade (Hrsg.) (2010): Integrative Frühwarnsysteme für gravitative Massenbewegungen (ILEWS) - Monitoring, Modellierung, Implementierung. Klartext Verlag, Essen 271 S. (als download frei verfügbar unter: http://homepage.univie.ac.at/thomas.glade/Publications/BellEtAl2010b.pdf) Dikau R. & J. Weichselgartner (2005): Der unruhige Planet: Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 191 S. Felgentreff, C. & T. Glade (Hrsg.) (2008): Naturrisiken und Sozialkatastrophen.- Springer, Berlin, 454 S. Greiving, S.: (2008): Hochwasserrisikomanagement zwischen konditional und final programmierter Steuerung. In: Jarass, H. D. (Hrsg.): Wechselwirkungen zwischen Raumplanung und Wasserwirtschaft. Beiträge zum Raumplanungsrecht 237. Lexxion-Verlag, Berlin, S. 124 -145. IRGC – International Risk Governance Council (2005): White paper on risk governance: Towards an integrative approach, Geneva: IRGC. (s. auch: http://www.irgc.org) Klinke, A. & Renn, O. (2002): A New Approach to Risk Evaluation and Management: Risk-Based, Precaution-Based and Discourse-Based Strategies, Risk Analysis Vol. 22: 1071-1094. Löfstedt, R. (2005): Risk management in post-trust societies, Houndmills, Basingstoke, Hampshire, New York, 1965 S. Rawls, J. (1971): A Theory of Justice, New York, 594 S.

werden, damit man nach wie vor noch Handlungsoptionen hat. Hierzu gehört sicherlich, dass man wieder verstärkten Wert darauf legt, dass Einsatzkräfte oder Manager im Katastrophenfall auch Entscheidungen fällen können, selbst wenn nicht alle Informationen zur Verfügung stehen, z.B. da aufgrund eines Stromausfalls keine Funkübertragungen mehr funktionieren. Die Fachkenntnis des Einzelnen muss genauso wie das Denken in übergeordneten Zusammenhängen kontinuierlich gefördert werden. Denn die Naturkatastrophen sind nicht die kleinen Ereignisse – die Naturkatastrophen sind die extremen Ereignisse, die häufig zu einem Zusammenbruch des Krisenmanagements führen. In diesem Beitrag konnten nur einige Aspekte gestreift werden. Es ist jedoch deutlich, dass ein nachhaltiges Risiko Governance mit einem angepassten und optimierten Management von Naturgefahren und Naturrisiken uns auch in der Zukunft vor große Herausforderungen stellen wird.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Glade ist Institutsvorstand am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien und Editor-In-Chief der Zeitschrift Natural Hazards. (thomas.glade@univie.ac.at) Prof. Dr.-Ing. Stefan Greiving ist geschäftsführender Leiter des Instituts für Raumplanung der Technischen Universität Dortmund. (stefan.greiving@tu-dortmund.de)

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Resilienz — wie widerstandsund anpassungsfähig sind wir? Die Verbindung von Aspekten des Risikound Krisenmanagements im BBK Alexander Fekete Immer häufiger ist von „Resilienz“ die Rede. Was ist damit gemeint? Im Bereich Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe umfasst Resilienz Eigenschaften und insbesondere Fähigkeiten, die sowohl zur Vorsorge als auch zur Bewältigung einer Krise gehören. Für das BBK könnte sich insbesondere der integrative Charakter des Resilienz-Begriffs eignen, um eine Vielzahl von Akti-

vitäten im Risiko- und Krisenmanagement als ganzheitliches, umfassendes und modernes Konzept darzustellen. Resilienz umfasst Aspekte eines persönlichen wie auch kommunalen und nationalen Risiko- und Krisenmanagements. Ziel dieses Beitrags ist es, die Anwendungen des Begriffs Resilienz für vielfältige Aufgaben im Bevölkerungsschutz aufzuzeigen.

„Japan 2011“ — das verbindet man in diesen Tagen mit Erdbeben, Tsunami und nuklearer Bedrohung. Wie gehen die Menschen in Japan mit einer solchen Serie von Ereignissen um? Wie widerstandsund anpassungsfähig wären wir in Deutschland gegenüber einer Verkettung ähnlicher Ereignisse? Kann man sich auf solche Größenordnungen überhaupt noch vorbereiten, ihnen widerstehen oder sich an sie anpassen?

auf vielen Ebenen zu stellen sind, inwiefern man für die zivile Sicherheit auch in Deutschland aus diesen Erfahrungen Lehren ziehen kann. Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe übergreifen alle Ebenen und betreffen Bund, Länder und Kommunen, aber auch die Bürger selbst. Auf allen diesen Ebenen bestehen Fähigkeiten, sich auf Krisen und Katastrophen vorzubereiten, zu reagieren und zum Wiederaufbau und der Neuplanung beizutragen: mit anderen Worten, vor, während, und nach einer möglichen Krise. Die umfasst alle Fähigkeiten und Phasen des Risiko- und des Krisenmanagements. Für dieses Ebenen übergreifende und umfassende Verständnis wird neuerdings häufig der Begriff „Resilienz“ verwendet. Der folgende Bei­ trag versucht, kurz in den Umgang mit dem Be­griff Resilienz einzuführen. Als roten Faden kann man sich dabei bei jedem Einzelbeispiel immer wieder von der Frage aus der Überschrift leiten lassen — wie widerstands- und anpassungsfähig sind wir?

Was ist Resilienz? Resilienz bezeichnet eine ganze Reihe von Eigenschaften, um Krisen ohne größere Schäden zu überstehen. Es geht darum, nach Krisen möglichst rasch und ohne nachhaltige Beeinträchtigung zu einem relativ stabilen Zustand zurückzukehren. Im Bereich Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe umfasst Resilienz Eigenschaften, die sowohl zur Vorsorge als auch zur Bewältigung einer Krise zählen. Dazu gehören z.B. die

Widerstandsfähigkeit, aber auch die Anpassungsfähigkeit, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Ein Risiko- oder Krisenmanagement ist damit umso erfolgreicher, je früher bereits im Vorfeld Risiken erkannt und Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden. Der Begriff Resilienz wird in vielen Bereichen verwendet, z.B. in der Umweltforschung, Wirtschaft, aber auch in der Psychologie.

Das sind komplexe Fragen, die jetzt noch nicht beantwortet werden können, gerade angesichts der nuklearen Krise in Fukushima, die noch andauert und vielleicht noch lange andauern wird. Dieser Beitrag wird daher nicht tiefer auf die Ereignisse in Japan eingehen. Klar ist jedoch, dass viele Fragen

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Der Begriff „Resilienz“ Ständig werden neue Begriffe geprägt, um Risiken, Krisen oder Katastrophen begreifbar zu machen. Gegenwärtig bestimmt der Resilienz-Ge-


danke das internationale Krisen- und Risikomanagement (in Großbritannien: Cabinet Office 2008, USA: The White House 2010, siehe auch Kirk, Theobald 2010) und erfasst zunehmend auch die Wirtschaft sowie Bereiche der Erziehung oder Konfliktbewältigung. Der Begriff Resilienz wurde in der ökologischen Systemforschung entwickelt (Holling 1973) und bezeichnet Fähigkeiten, eine Krise zu überstehen und bei einer Krise möglichst rasch und unversehrt zu einem stabilen Zustand zurückzukehren. Neben der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit fallen jedoch noch weitere Begriffe unter den Oberbegriff Resilienz, z.B. Robustheit, Flexibilität, Fehlertoleranz, und viele mehr. Während der Begriff Resilienz zunächst für die Rückkehr zum Ursprungszustand oder Gleichgewichtszustand stand, erfährt er in der Katastrophen-Forschung zunehmend eine flexiblere Auslegung. Die Anpassungsfähigkeit an andere, neue Gegebenheiten gewinnt immer mehr an Bedeutung. Damit können auch für zukünftige schwere Krisen, die als nicht vorhersehbar und unerwartet gelten, Maßnahmen entwickelt werden. Das Beispiel Japan 2011 zeigt zu diesem Beitrag Folgendes auf. Resilienz gilt es für verschiedene Bereiche zu erfassen, für den Einzelnen, die Gesellschaft, für verschiedene Institutionen — auch und gerade des Bevölkerungsschutzes — aber auch z.B. der Wirtschaft und der Umwelt. Auf jedem dieser Gebiete gibt es bestimmte Fähigkeiten, Krisen oder Katastrophen im Vorfeld oder im Nachgang zu bewältigen. Die Resilienz liefert hierzu die zu beachtenden Fähigkeiten. Dabei kann im einen Fall eine Widerstandsfähigkeit unmöglich erscheinen, z.B. bei einem Tsunami. Genauso kann aber auch die Anpassungsfähigkeit schnell ihre Grenzen erreichen. Innerhalb der Resilienz gibt es jedoch noch eine ganze Reihe weiterer wichtiger Fähigkeiten. Gerade der Begriff Resilienz vermag es, uns auf diese Fähigkeiten aufmerksam zu machen, die im jeweiligen Bereich vorhanden und typisch sind. Es geht nicht darum, dass man mit dem Begriff Resilienz alles lö­ sen kann, sondern an möglichst vieles denkt.

Resilienz auf lokaler Ebene Der Resilienz-Gedanke betont besonders die Beteiligung und Stärkung der betroffenen Men-

schen und Gemeinden (community resilience) bei der Vorbereitung und Bewältigung möglicher Krisen. Auch die Selbsthilfefähigkeit spielt hier eine große Rolle und umspannt Aspekte der Vorbereitung auf Krisen, den Zugang zu Informationen, Bürgerbeteiligung u.a. (z.B. Edwards 2009). Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist dies in Deutschland bereits durch die gesetzliche Verankerung des Katastrophenschutzes auf LandkreisEbene und die vielen Freiwilligen-Organisationen im Prinzip eingerichtet. Mit dieser Praxis hebt sich Deutschland insbesondere von vielen englischsprachigen Staaten ab, in denen der Resilienz-Begriff derzeit populär ist.

Resilienz umfasst neben der Anpassungsfähigkeit des Baumes auch die auf dem Bild nicht sichtbare Widerstandsfähigkeit gegen die Veränderung. (Bild: Fekete).

In Großbritannien hat der Begriff Resilienz in den Alltagsgebrauch auf allen Ebenen des Bevölkerungsschutzes Eingang gefunden. So erstellen Städte und Kreise eigene Risikoanalysen und Bedarfsanalysen, um die eigene Resilienz gegenüber Naturkatastrophen zu stärken. Diese Aktivitäten formen die nationale Resilienz-Strategie Großbritanniens. Auch im Bereich Klimawandel und den damit verbundenen Risiken erhält der Begriff Resilienz gerade für lokale Regierungen und Städte eine Bedeutung. Das internationale Programm „Resiliente Stadt“ (resilient cities) wurde 2010 auf Initiative der

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Vereinten Nationen hin gestartet mit dem Ziel, die Anpassung an den Klimawandel gemeinsam anzugehen, sich auszutauschen und die Bemühungen um Nachhaltigkeit zu stärken. Japan 2011 – Umgang mit Erdbeben, Tsunami und nuklearer Bedrohung Seit dem 11. März 2011 überschlagen sich in Japan eine ganze Reihe aufeinander folgender Katastrophen und Krisen. Diese Ereignisse führen einerseits vor, wie sämtliche Sicherheitsstandards und Krisenvorsorge­ maßnahmen von Naturgewalten überwunden werden können. Andererseits zeigen sie mehrere Widerstands- und Anpassungsfähigkeiten, aber auch deren Grenzen auf. Die Reaktion der Bevölkerung, trotz all der Schicksalsschläge und Ungewissheiten relativ besonnen zu reagieren, erstaunt uns. Jedoch bedarf es noch einer tiefer gehenden Untersuchung, die kulturelle Unterschiede im Umgang und Ausdruck von Betroffenheit erfasst. Diese kulturell bedingte Resilienz, Krisen zu überwinden, und aus Krisen gestärkt hervorzugehen, haben die

Japaner z.B. bereits 1995 nach dem Erdbeben in Kobe gezeigt. Auch die Wirtschaft hat sich nach 1995 rasch erholt. Als Eigenschaften der wirtschaftlichen Resilienz gelten dabei das hohe Know How und die Industrialisierung, Technisierung, aber auch wiederum das Durchhaltevermögen, Disziplin und Ehrgeiz der Menschen dort. Resilienz ist also immer auch mit den Eigenschaften der Menschen verbunden. Die Überwindung der gegenwärtigen Katastrophen in Japan und die langfristigen Folgen lassen sich im Moment noch nicht abschätzen. Es wäre auch zu früh, und an dieser Stelle zu knapp, über institutionelle Aspekte des Risiko- oder Krisenmanagements oder langfristige Umweltaspekte zu sprechen, die auch zum Gesamtbild dazugehören.

In Deutschland ist dieses „Gegenstromprinzip“ (bottom-up approach) bereits im Gange, das woanders mit dem community resilience Begriff erst noch errichtet oder gestärkt werden soll. Das darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in Deutschland noch viele Herausforderungen hierbei bestehen, angefangen bei der Kenntnis und Akzeptanz der Eigenverantwortung der Bürger und der Kommunen, über Parallelstrukturen und Kompetenzgerangel innerhalb der föderalen Strukturen bis hin zur Stärkung mehrerer Aspekte der Resilienz aus Bundessicht.

Resilienz — ein Thema für das BBK Für das BBK könnte sich insbesondere der integrative Charakter des Resilienz-Konzepts eignen, um eine Vielzahl von Aktivitäten im Risiko- und Krisenmanagement als ein ganzheitliches, umfassendes und modernes Konzept darzustellen. Resilienz wird in vielen Ländern als die momentan beste Metapher für die gesamten strategischen Planungs­ aspekte der nationalen Sicherheit und des Notfallmanagements betrachtet (Rogers 2011). Das BBK hat

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diese Bedeutung intern bereits aufgegriffen (Kirk, Theobald 2010). Ein ganzheitlicher Ansatz, All-Gefahren-Ansatz oder Mehrebenenansatz wird in einzelnen Projekten im BBK verwendet und auch in den aktuellen Strategiepapieren (BMI 2009) dargestellt. Die ganzheitliche und gesamtstaatliche (whole-of-nation, whole-of-government) Darstellung eines modernen Risiko- und Krisenmanagements, die das Resilienz-Konzept einfordert (Rogers 2011), kann allerdings noch geschärft werden. Hausintern bedeutet das für das BBK die Zusammenführung vieler Einzelaspekte zu einem gemeinsamen, abteilungsübergreifenden Risiko- und Krisenmanagement. In diesem Sinne können Trennlinien überwunden werden (BBK 2010) und Fähigkeiten des BBK für alle Phasen eines gedachten Katastrophenverlaufs verzahnt dargestellt werden, von der Vorphase bis hin zur Phase während und nach einer Krise oder Katastrophe. Neben dieser Verwendung für Strategien und Konzepte gibt es auch diverse Felder, in denen Resilienz konkret anwendbar und messbar wird. Im Bereich Kritischer Infrastrukturen werden beispielsweise Kriterien für Resilienz genutzt, um Verwundbarkeiten, aber auch gleichzeitig Fähigkeiten zu identifizieren. Das Projekt KritisKAT nutzt Erkenntnisse aus der Resilienz auch im Bereich Kritische Infrastrukturen.

Grenzen der Anwendbarkeit von Resilienz Das Thema Resilienz birgt neben den genannten Vorteilen auch noch offene Fragen und mögliche Probleme. Die Frage der Notwendigkeit und Übertragbarkeit wurde anhand des speziellen Themenfeldes community resilience bereits dargestellt. Weiterhin muss sich erst noch herausstellen, welche Möglichkeiten der konkreten Anwendbarkeit, auch Messbarkeit, aber auch welche neuen blinden Flecken mit dem Begriff Resilienz verbunden sind. Zum Beispiel sind, ähnlich wie in der Anpassung an den Klimawandel, auch Fehlanpassungen und andere Fehlentwicklungen denkbar. Durch den umspannenden Allgemeinheitsanspruch des Resilienz-Begriffs bleibt noch zu zeigen, inwiefern für alle Situationen passende, flexible und anpassbare Maßnahmen in Richtung Gießkannenprinzip gehen (no-regret Maßnahmen). Letztlich ist in der


Forschungsgemeinschaft und auch auf Anwender­ ebene eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Beständigkeit von Modebegriffen spürbar. Da Resilienz aber eine Vielzahl bestehender Themen des Risiko- und Krisenmanagements einbezieht und überwiegend positive Eigenschaften hervorhebt, wird sich der Bevölkerungsschutz mit diesem Begriff künftig auseinandersetzen müssen.

Notwendigkeit, bereits im Vorfeld auf entstehende Risiken vorbereitet zu sein. Angesichts global bekannter Risiken und der raschen medialen Verbreitung nimmt die Verantwortung zu, zumindest für erwartbare oder bekannte Risiken vorzeigbare Maß­ nahmen in der Schublade zu haben.

Fazit Eine gewisse Skepsis gegenüber immer neuen Fremdwörtern ist zwar verständlich, zumindest wenn die Begriffe im Deutschen nicht selbsterklärend sind, aber da sich Risiko- und Krisenmanagement auf allen Ebenen ständig weiterentwickeln und modernisieren ist auch eine gewisse Anpassungsbereitschaft des Katastrophenschutzes notwendig. Dies gilt gerade im Umfeld ständig neuer Risiken, die nicht nur durch sich verändernde Umweltbedingungen und Klimawandel entstehen, sondern auch aus gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem demografischen Wandel, der Globalisierung, der fortschreitenden Technisierung oder politischen Strategien. Durch eine zunehmende Vernetzung der In­ formationen über Naturgefahren und andere Risiken erwachsen auch neue Möglichkeiten, sich als Bürger selbst zu informieren. Für das Risiko- und Krisenmanagement wächst dadurch aber auch die Literatur BBK (2010): Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland. Wissenschaftsforum (4), Bonn BMI (2009): Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie). Bundesministerium des Innern (BMI), Berlin. Cabinet Office (2008): The National Security Strategy of the United Kingdom. Security in an interdependent world. Edwards (2009): Resilient Nation, Demos, London Holling, C. S. (1973): Resilience and Stability of Ecological Systems. In: Annual Review of Ecology and Systematics, Jg. 4, S. 1–23. Kirk, Manfred; Theobald, Michael (2010): Resilienz-Management. Einstieg in ein neues Konzept für die Krisen- und Katastrophenbewältigung. In: Deutsche Feuerwehr-Zeitung BRANDSchutz, Jg. 9/10. Rogers, Peter (2011): Development of Resilient Australia: enhancing the PPRR approach with anticipation, assessment and registration of risks. In: The Australian Journal of Emergency Management, Jg. Volume 26, No. 1, January 2011, S. 54–58. The White House (2010): National Security Strategy.

Von der Tsunami-Welle überspülter Flughafen nahe Sendai. (Quelle: Wikipedia / Samuel Morse)

Auch der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz ist auf allen Ebenen fortlaufend im Wandel begriffen. Dabei geht es nicht darum, jedem Trend zu folgen, aber eben auch darum, nicht den Anschluss an internationale Modernisierungen von Strategien und Maßnahmen zu verpassen. Resilienz erfordert Robustheit und Widerstandsfähigkeit, aber eben auch Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Gegenüber Krisen und Katastrophen gilt das für jeden von uns persönlich, aber auch gerade im Bezug auf unsere Arbeit. Und das ist das eigene an diesem Begriff, er bezieht nicht nur die Fachleute im Elfenbeinturm, sondern auch jeden von uns selbst ein, bei der Beschäftigung mit Krisen und der Frage — wie widerstands- oder anpassungsfähig sind wir?

Dr. Alexander Fekete ist Mitarbeiter des Referates „Gefährdungskataster, Schutzkonzepte Kritischer Infrastrukturen“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

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Kooperation ist gefragt Risikomanagement am Beispiel der Stromversorgung Heinz-Willi Brenig und Kathrin Stolzenburg

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Schutz der Bevölkerung vor Stromausfall

Die Transformation der Energieversorgung von ehemals geschlossenen Versorgungseinheiten zu einem liberalisierten System mit überregionalen Transportaufgaben wurde innerhalb von nur zwei Dekaden vollzogen. Die Integration erneuerbarer Energien und der grenzüberschreitende Emissionshandel wie sie beide im europäischen Energie- und Klimapolitik-Paket „20-20-20 bis 2020“ festgehalten sind, sind weit vorangeschritten. Derzeit wird in Deutschland der Ausstieg vom Ausstieg der Atomenergie diskutiert, der kurzfristig zumindest zu einer geringeren Stromproduktion führen könnte. Dies sind drei Beispiele politischer Entscheidungen, die die Stromversorgung direkt betreffen. Sie können gravierende Änderungen im System hervorrufen. Ein veränderter Erzeugungspark, neue Erzeugungsstandorte, der Ausbau der Stromnetze oder auch eine andere Struktur der Stromversorgungsunternehmen sind mögliche Konsequenzen. Zu diesem übergeordneten Rahmen gehören weitere, die Stromversorgung mittelbar oder unmittelbar beeinflussende Faktoren wie eine schwer einschätzbare weltweite Sicherheitslage, die Auswirkungen des Klimawandels oder eine veränderte Bevölkerungsstruktur (demografischer Wandel). All diese Faktoren besitzen in ihrem gemeinschaftlichen Auftreten das Potenzial, die Stromversorgung zu destabilisieren. Sie kommen zu „alltäglichen Störungen“ wie dem Baggerschaden, bekannten Gefahren wie Hochwasser oder Brand oder auch Ereignissen höherer Gewalt hinzu. Diese Störungen treffen auf ein technisch aber vor allem auch organisatorisch hochkomplexes System mit zahlreichen Beteiligten. Im Rahmen der liberalisierten Stromversorgung existieren über 1000 Unternehmen. Durch unsere förderale Struktur mit geteilten Verantwortlichkeiten auf Ebene der

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Kommunen, der Länder und des Bundes sowie der aufgeteilten Ressortzuständigkeit gibt es auch hier eine Vielzahl an Involvierten. Beim Stromausfall kommen noch die Gefahrenabwehr, andere Infrastrukturbetreiber und nicht zuletzt die Bevölkerung dazu. Die Vielzahl von Akteuren macht eine umfangreiche Kooperation und Kommunikation zwischen ihnen notwendig. Zur Abwehr der angesprochenen Störungen verfügen die Beteiligten in der Regel über jeweils spezifische Risikomanagementsysteme. Risikomana­ gement in der Stromversorgung hat zum Ziel, mögliche Probleme für die Versorgung der Bevölkerung frühzeitig zu erkennen, rechtzeitig gegenzusteuern und präventive Maßnahmen zur Begrenzung der potenziellen Auswirkungen zu planen und zu ergreifen. Auch wenn Zielsetzungen und Inhalte der individuellen Risikomanagementsysteme abweichen, ist es sinnvoll, sich einer einheitlichen Methode zu bedienen. Diese sollte kompatibel sein mit bereits angewandten Managementsystemen wie Umwelt- und Qualitätsmanagement. Mit Veröffentlichung der DIN ISO 31000 im Januar 2011 liegen Grundsätze und Leitlinien für die Strukturierung und Implementierung eines Risikomanagementsystems für Prozesse beliebiger Art vor.

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2.1

Risikomanagement zur Verhinderung von Stromausfällen

Aufgaben und Pflichten der Betreiber und des Staates Schaut man konkret auf Staat und Betreiber, haben beide unterschiedliche Verpflichtungen und damit abweichende Zielsetzungen ihres individuellen Risikomanagements. Im Rahmen ihrer Betreiberpflichten tragen die Unternehmen die Verantwortung, dass gesetzliche Vorgaben, Normen und


Richtlinien eingehalten werden. Der Staat ist verpflichtet, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Energie zu gewährleisten. Auf beiden Seiten sind umfassende und effiziente Risikomanagementsysteme vorhanden, die einem begrenzten Stromausfall entgegenwirken. Um einen ausgedehnten Stromausfall abzuwehren, könnten Ergänzungen im Risikomanagement zum Schutz der Bevölkerung und entsprechend in den individuellen Risikomanagementsysteme notwendig werden. Im Hinblick auf den Bevölkerungsschutz ist es sinnvoll, von einer zweistufigen Vorgehensweise beim Gesamtrisikomanagement der Stromversorgung auszugehen. Diese Stufung ist vergleichbar mit der Sicherheitsphilosophie im Störfallrecht (BImSchG, 12. BImSchV). Die erste Stufe würde dem Auslegungsstörfall entsprechen. Im Allgemeinen werden solche Szenarien durch Betreiberpflichten und Gefahrenabwehr gut bewältigt. Die zweite Stufe ähnelt dem Dennochstörfall, der nicht durch gesetzliche Verpflichtungen der Betreiber abgedeckt ist. Bei großflächigen langanhaltenden Stromausfällen, die unter Umständen durch einen solchen „Dennochstörfall“ ausgelöst werden, kommen auf die Systeme neue Anforderungen und Aufgaben zu. Im Folgenden werden diese vor allem im Hinblick auf die Schnittstellen zwischen den Energieversorgungsunternehmen und den staatlichen Stellen diskutiert. 2.2

Vorgehen zur Abwendung eines Stromausfalls Jedes Unternehmen im Stromverteilungsprozess, beginnend mit der Stromerzeugung, über die Übertragungsnetze bis hin zu den regionalen Verteil- und Ortsnetzen besitzt in der Regel ein wirksames eigenes Risikomanagementsystem. Dies dient in erster Linie der Absicherung von Unternehmens­ zielen und ist entsprechend auch eng an die Umsetzung von Gesetzen gekoppelt. Manche Gesetze machen dabei recht konkrete Vorgaben, die im unternehmensinternen Risikomanagement beachtet werden müssen. Dies sind z.B. Anforderungen des Gesetzes zur Transparenz und Kontrolle von Aktiengesellschaften (KonTraG); und die so genannte EPSKi Richtlinie der EU1 fordert von Betreibern europäischer Kritischer Infrastrukturen einen Sicherheitsplan, der eine szenarienbasierte Risikoanalyse enthält. Eine grundlegende Betreiberpflicht der Energieversorgungsunternehmen ist die Versorgung

der Allgemeinheit mit Strom. In der Regel stehen den Betreibern ausreichend Instrumente zur Verfügung, um das System in einem Störungsfall wieder in den Normalzustand zurückzuführen. Die Systemverantwortung zur Abwendung von Gefährdungen oder Störungen obliegt hierbei den Übertragungsnetzbetreibern2. In einem ersten Schritt können sie netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen einleiten. In einem weiteren Schritt können die Übertragungsnetzbetreiber dann Anpassungen an Stromeinspeisungen, -transite und -abnahmen durchführen oder die Durchführung verlangen. Das heißt beispielsweise, dass Verbraucher, also auch Haushalte, von der Stromversorgung abgekoppelt werden könnten, um einem Zusammenbruch des Netzes entgegenzuwirken. Welche Maßnahmen die Betreiber genau vorzunehmen haben, schreibt der Staat nicht vor. Er verlangt jedoch eine Information über die Vorkommnisse. Diese Information bildet eine Grundlage sowohl für staatliches Handeln zum Schutz der Stromversorgung als auch für die Gefahrenabwehr. Die Betreiber informieren die unmittelbar Betroffenen und die Regulierungsbehörde entsprechend unverzüglich über durchgeführte Anpassungen und Maßnahmen3. Ist die Normalisierung des Zustandes nicht umgehend wieder möglich, ist die kommunale Gefahrenabwehr in Alarmbereitschaft versetzt. Diese hat die kurzfristige Abwendung einer Katastrophe zum Ziel und gewährleistet im Notfall z.B. die Versorgung wichtiger Infrastrukturen mittels mobiler Notstromaggregate. Um die Grundversorgung der Bevölkerung mit Strom weiterhin aufrecht zu erhalten, kann zur Unterstützung der Gefahrenabwehr ein so genanntes Vorsorgegesetz, das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) Anwendung finden. Direkte Einflussmöglichkeiten auf die Erzeugung und Verteilung von Strom behalten auch mit dem EnSiG im wesentlichen weiterhin die Erzeuger und Stromverteiler. Doch kann der Staat hier flankierend bzw. unterstützend tätig werden. Er kann weitreichende Verfügungen im gesamten Bereich der Erzeugung, des Bezugs, der Umwandlung, Umspannung, Weiterleitung, Zuteilung, Abgabe, Verwendung, Einfuhr und Ausfuhr elektrischer Energie sowie der Lagerung, Abgabe und Verwendung von Brennstoffen geben. Möglicherweise nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehende Energie muss dann sinnvoll

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risikomanagement

verteilt werden. Im Münsterland konnten 2005 durch die staatliche Gefahrenabwehr (Notbestromung durch THW) gemeinsam mit dem Krisenmanagement der Betreiber die betroffenen Einwohner notversorgt werden. Sollte diese Versorgung aber wegen der Größe des betroffenen Gebietes, der Anzahl der Bevölkerung oder anderer Gründe nicht so umfassend möglich sein wie im Münsterland, müssen Entscheidungen über die Versorgung mit Strom getroffen werden. Wer erhält wann wie viel, wie lange und woher Strom? Das ENSiG mit seinen Verordnungen4 begründet deshalb auch eine Priorisierung für den Bezug im Fall einer Minderversorgung und könnte bei Fällen, die das Ereignis im Münsterland übersteigen, ein Hilfsmittel sein. 2.3

Risikomanagement als Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Wirtschaft Gefahrenszenarios, die einen großflächigen und langanhaltenden Stromausfall provozieren können, sind mitunter nicht durch gesetzliche Vorgaben Szenarien

Schutzziele

Identifizierung kritischer Bereiche

Verwundbarkeitsanalyse

Maßnahmen

maßgeblich Aufgabe des Staates maßgeblich Aufgabe der Betreiber

Erfolgsprüfung

gemeinsame Aufgabe von Staat und Betreiber

Abb. 1: Darstellung der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten beim Risikomanagement des Systems Stromversorgung. Zu beachten ist, dass „Maßnahmen“ nicht nur technischer Art sind (dann wäre ihre Umsetzung reine Aufgabe des Betreibers), sondern im hier betrachteten Rahmen auch organisatorische Prozesse und z.T. politische Entscheidungen beinhalten. Darstellung deshalb abgewandelt aus: BBK, unveröffentlicht.

abgedeckt. Im Vergleich mit dem Störfallrecht entsprächen sie der zweiten Stufe, dem Dennochstörfall. Für solche Störungen wird ein erweitertes Risikomanagement benötigt. Zum Schutz der Bevölkerung betrachten Staat und Betreiber gemeinsam5 Einwirkungen auf die Stromversorgung, die nicht allein durch Erfüllung von Betreiberpflichten abgewendet werden können. Dazu gehören Terrorszenarien und Naturgefahren, die unter höhere Gewalt fallen. Wie die dramatischen Ereignisse in Japan gezeigt haben, kann bei den zu untersuchenden Naturgefahren

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die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht immer das betrachtungsentscheidende Maß der Dinge sein. Bei Terror ist dies per se nicht möglich6. In einem Dialog sollten entsprechende „reasonable worst cases“ behandelt werden, also Szenarien über gravierende, sehr seltene, aber grundsätzlich nicht ausschließbare Ereignisse. Auch bei einem solchen Ereignis ist das Ziel aller Beteiligten des Risikomanagements Stromversorgung, die Funktion des Systems aufrecht zu halten. Oder konkreter: einen langanhaltenden Stromausfall abzuwenden. Denn auch wenn Deutschland über eine sehr gute funktionierende und koordinierte Gefahrenabwehr verfügt, haben die Möglichkeiten des Krisenmanagements Grenzen. Die optimale Krisenbewältigung ist also immer die Vermeidung oder bestmögliche Vorbereitung auf eine Krise durch ein optimales Risikomanagement. Die einzelnen Managementsysteme auf den verschiedenen Ebenen sowie zwischen den betroffenen Akteuren können im Hinblick auf den Bevölkerungsschutz nur dann ordnungsgemäß funktionieren, wenn die entsprechenden Ergebnisse aus den Risikoanalysen und die darauf aufbauenden Risikobewertungen vorliegen. Dabei haben Staat und Betreiber in diesem kooperativen Ansatz unterschiedliche Aufgaben. (Abb. 1) Für die Durchführung von Risikoanalysen zum Schutz vor großflächigen langanhaltenden Stromausfällen liefert der Staat die notwendigen Vorgaben in Form der zu betrachtenden Szenarien, die vernünftigerweise als Ereignisursache nicht ausgeschlossen werden können. Als Beispiel sei hier das mögliche Szenario „kein ausreichendes Kühlwasser für die Kraftwerke infolge zu geringer Wasserpegel in den Flüssen bei Dürreperioden“ genannt. Auf Basis dieser vom Staat noch festzulegenden Szenarien liefern die Betreiber die sich daraus ergebenden möglichen Auswirkungen für die Stromerzeugung und -verteilung (nach Häufigkeit und Ausmaß). Für die Risikobewertung stellt der Staat, ausgehend von allgemein akzeptierten Schwellenwerten für das Ausmaß der Störungen, konkrete Schutzziele. Letztendlich muss ein Abgleich zwischen diesen Schutzzielen und den derzeitigen Möglichkeiten seitens der Betreiber für die Erreichung dieser Schutzziele unter Berücksichtigung der Bewältigungskapazitäten auf Seiten der Gefahrenabwehr erfolgen.


Sind Lücken vorhanden und werden diese als nicht hinnehmbar bewertet, sind in einem Konsens zwischen Staat und Betreibern geeignete Lösungen zur notwendigen Reduzierung des Restrisikos zu finden. Allerdings können wir in unserer heutigen Gesellschaft nicht alle als unakzeptabel eingestuften Risiken vollständig ausschließen bzw. verhindern. Für solche Risiken muss eine sinnvolle Anpassung vereinbart werden, z.B. die Priorisierung des Strombezugs. Diese kann vom Staat festgelegt werden, setzt allerdings einen Dialog über technische Möglichkeiten, ethische Erwägungen und zuständigkeitenübergreifende Zusammenarbeiten voraus.

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verschiedener Ursachen entwickelt, die unter anderem natürliche Gefahren, technisches Versagen, menschliches Fehlverhalten aber auch vorsätzliche Handlungen sowohl einzeln als auch in Kombination berücksichtigen. Auf der Basis dieser Ergebnisse erfolgt eine Analyse der Verwundbarkeit. Im Hinblick auf bestehende Risiko- und Krisenmanagementsysteme der Versorgungsunternehmen werden die Prozesse und Strukturen der Stromversorgung bewertet. Die Ergebnisse des Verbundprojektes sollen es den Betreibern ermöglichen, potenziell neue, bisher nicht

Stromausfallszenarien und Schutzziele

Konkrete Schwellenwerte und Schutzziele im Hinblick auf den Stromausfall sind eine essentielle Grundlage des gemeinschaftlichen Risikomanagements zum Schutz der Menschen. Sie liegen derzeit in Deutschland nicht vor, da die dazu notwendigen Arbeiten und Abstimmungen noch nicht abgeschlossen sind. Im Rahmen dieser Diskussion sollen hier beispielhaft die Forschungsarbeiten GRASB − Szenarienorientierte Grundlagen und innovative Methoden zur Reduzierung des Ausfallrisikos der Stromversorgung unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Bevölkerung und KRITISKapa − Risiko Stromausfall: Grundlagenermittlung zur Festlegung von Schutzzielen auf der Basis von Kapazitäten von Betreibern, staatlichem Krisenmanagement und der Bevölkerung angesprochen werden.

Der neue Block 10 des HKW Duisburg-Walsum ist noch im Probebetrieb. (Foto: Dietmar-Böhmer/pixelio)

bekannte oder nicht anzunehmende Ausfallrisiken spezifisch für ihre Anlagen zu identifizieren bzw. neu zu bewerten. 3.2

3.1

GRASB − Reduzierung des Ausfallrisikos, Erarbeitung von Szenarien Im Rahmen des Verbundprojektes „Szenarienorientierte Grundlagen und innovative Methoden zur Reduzierung des Ausfallrisikos der Stromversorgung unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Bevölkerung (GRASB)“7 werden Szenarien im Sinne von „reasonable worst cases“ ermittelt und risikotechnisch bewertet. GRASB analysiert Rahmenbedingungen sowie kritische Elemente und Prozesse, deren Ausfall zu einem großflächigen und länger anhaltenden Stromausfall führen können. Es werden Szenarien

KRITISKapa − Kapazitäten und Schutzziele Schwellenwerte und Schutzziele im Hinblick auf die Stromversorgung können auf unterschiedliche Weise festgelegt werden. Ein möglicher Ansatz ist die Ermittlung der Notfallfähigkeiten und Ressourcen für die Versorgung der Bevölkerung8. In der Studie KRITISKapa, die im Auftrag des Bundesministeriums des Innern (BMI) von der Fachhochschule Köln in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erarbeitet wird, wird zunächst eine allgemeine Methode zum Aufbau von Schutzzielkonzepten für kritische Infrastrukturen abgeleitet. Aus-

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risikomanagement

Literatur Brown, G.G.; Cox, L. A. Jr.: How Probabilistic Risk Assessment Can Mislead Terrorism Risk Analysts. In: Risk Analysis. Vol. 31, Nr. 2, 2011. S. 196 – 204. Bundesministerium des Innern. Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS Strategie).2009. (www.bmi.bund.de) Dolf, Ch. : Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze – Bedeutung für Kreise und kreisfreie Städte. In: BBK, DTS (Hrsg.): Drei Ebenen, ein Ziel: BEVÖLKERUNGSSCHUTZ – gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. 2010. S. 40 – 43. Fekete, Dr. A.: Vortrag „Criticality Analysis of Critical Infrastructures (CI) – Development of a CI priority list on national level. At: International Disaster and Risk Conference, Davos 2010. Holznagel, B. Prof. Dr.; König, Ch. Prof. Dr. Gutachten zur rechtlichen Analyse des Regelungsumfangs zur IT-Sicherheit in kritischen Infrastrukturen. 2002. 2005. (www.bsi.bund.de) Lorenz, D. F.: Kritische Infrastrukturen aus Sicht der Bevölkerung. In: Schriftenreihe Forschungsforum Öffentliche Sicherheit. 2010. (www.sicherheit-forschung.de)

gehend von vorhandenen Notfallkapazitäten wird daraufhin ein Vorschlag für Schwellenwerte bei der Elektrizitätsversorgung entwickelt: Hierzu werden vorhandene Kapazitäten und Fähigkeiten in personeller, technischer und organisatorischer Hinsicht, z.B. Reservepersonal, Ersatzstromanlagen und vorbeugenden Planungen, berücksichtigt. Die Schwellenwerte geben an, ab welchem Zeitpunkt die ermittelten Kapazitäten nicht mehr ausreichen, die Folgen eines Stromausfalles abzufedern. Daraus entwickelt sich der Vorschlag einer Schutzzieldefinition, die aussagt, welches Qualitätsniveau mindestens erreicht werden soll.

4

Fazit

Der Schutz der Menschen vor den Folgen eines langanhaltenden Stromausfalls in Deutschland ist eine Aufgabe des Bevölkerungsschutzes. Erfüllt werden kann diese aber nur durch Zusammenarbeit aller Verantwortlichen. Der vorliegende Artikel hat das Risikomanagement der Betreiber und des Staates beleuchtet. Beide verfügen über individuelle Ri-

Prof. Dr.-Ing. Heinz-Willi Brenig, gelernter Maschinenbauer, ist Mitarbeiter der FH Köln. Er ist Professor am Institut für Rettungsingenieurwesen. Seine Arbeitsgebiete sind Brandschutz, Anlagensicherheit und Risikomanagement. Kathrin Stolzenburg ist Mitarbeiterin des Referates „Gefährdungskataster, Schutzkonzepte Kritischer Infrastrukturen“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

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sikomanagementsysteme, die einem zeitlich und räumlich begrenzten Stromausfall entgegenwirken bzw. einen effektiven Übergang in das Krisenmanagement bei Stromausfall ermöglichen. Kommt es dennoch zu einem größflächigen Stromausfall, müssen die vorhandenen individuellen Risikomanagementsysteme gegebenenfalls angepasst werden, um den Schutz der Bevölkerung auch bei „reasonable worst cases“ zu gewährleisten. Dies kann nur durch einen kooperativen Ansatz auf und zwischen allen Zuständigkeitsebenen geschehen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Betreiber solche Fälle allein durch technische Maßnahmen abwenden können, hier ist auch der Staat mit seinen Möglichkeiten, z.B. zur Gefahrenabwehr, gefordert. Konkret schließt dieses gemeinschaftliche Vorgehen die Festlegung von Szenarien, Schwellenwerten und Schutzzielen durch den Staat und die Maßnahmenergreifung durch alle Beteiligten ein. Trotz aller gemeinsamer Anstrengungen bleibt ein noch festzulegendes Restrisiko, das allgemein akzeptiert werden soll, übrig. Die Risikokommunikation mit der Bevölkerung und eine Stärkung ihrer Selbstschutzfähigkeiten sind deswegen immanenter Bestandteil des Risikomanagements. In gemeinsamen Gesprächskreisen sowie in Forschungsprojekten wie KRITISKapa und GRASB nähern sich Staat, Betreiber, aber natürlich auch die Forschungsgemeinschaft den notwendigen Antworten an.

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1 Richtlinie 2008/114/EG des Rates über die Ermittlung und Ausweisung europäischer kritischer Infrastrukturen und die Bewertung der Notwendigkeit, ihren Schutz zu verbessern. Sie wird in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt. 2 § 13 EnWG 3 § 13 (5) EnWG 4 Konkret die Elektrizitätssicherungsverordnung (EtSV) 5 Der kooperative Ansatz zum Schutz Kritischer Infrastrukturen ist in der nationalen KRITIS-Strategie (2009) verankert. 6 Eine interessante Diskussion über wahrscheinlichkeitsbasierte Risikobewertung bei Terrorangriffen führen Brown & Cox (2011). 7 GRASB wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ als Teil der Hightech-Strategie der Bundesregierung. 8 Dieser Ansatz wird z.B. von Fekete, Dr.A. (2010) thematisiert. Weiterführende Informationen finden sich auch bei der Projektbeschreibung KritisKAT unter www.bbk.bund.de


Weltraumwetter Neue Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz? Frank Jansen, Benjamin Lambrecht und Stefan Mikus

Weltraumwetter und Bevölkerungsschutz Weltraumwetter und dessen Auswirkungen sind nicht auf den Weltraum beschränkt. Je nach Intensität wirkt es ebenso in der Erdatmosphäre und auf der Erdoberfläche. Ein direkt sichtbares Zeichen des Weltraumwetters im Bereich der Erde ist das Polarlicht. Aber auch negative Effekte sind durchaus möglich. Wie allgemein bekannt ist, kann atmosphärisches Wetter mittels Sturm oder Schnee zu Störungen im Bahnverkehr oder der Stromversorgung führen. Ebenso beeinträchtigt auch das Weltraumwetter über seine Mechanismen bestimmte Kritische Infrastrukturen. In den letzten Jahrzehnten erzielte die Forschung eine Reihe neuer Erkenntnisse im Bereich des Weltraumwetters. So gilt es als erwiesen, dass Phänomene des Weltraumwetters u.a. Auswirkungen auf Satelliten, Navigationssysteme oder die Stromversorgung haben. Erst kürzlich, am 25. März 2011, veröffentlichte das Industrial Control Systems Cyber Emergency Response Team (ICS-CERT) des U.S. Department of Homeland Security in seinem Beratungs-Service eine Mitteilung zu den Auswirkungen von Sonnenstürmen auf Leitund Kontrollsysteme. Danach sind durch Sonnenstürme Störungen in der Funkübertragung, in Stromnetzen sowie in Öl-, Gas- und anderen Pipelines möglich. Insbesondere durch die Störung der Funkübertragung und Defekte in Stromnetzen können andere Systeme indirekt beeinträchtigt werden. Kritische Infrastrukturen sind von der Funktionsfähigkeit anderer Kritischer Infrastrukturen, vor allem der Informations- und Telekommunikationstechnik sowie der Stromversorgung, abhängig. Moderne Gesellschaften wiederum hängen extrem vom Funktionieren Kritischer Infrastrukturen ab. Die zivilen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bilden die Aufgaben des Bevölkerungsschut-

zes. Er umfasst die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen inklusive der Feuerwehren und Hilfsorganisationen in der Notfallvorsorge. Dabei unterstützen sich der Bund und die Länder bei der Bewältigung von außergewöhnlichen, großflächigen oder nationale Gefahren- und Schadenlagen. Im Umfeld des Bevölkerungsschutzes ist Weltraumwetter bisher jedoch eine wenig beachtete Gefahr.

Eine auf der Erde sichtbare Folge des Weltraumwetters ist das Polarlicht. (Foto: Rebel/pixelio)

Daher ist es eine dringende Aufgabe des Bevölkerungsschutzes, sich mit der Frage der Gefährdung durch Weltraumwetter in Deutschland zu befassen. Umso mehr gerade auch Sonnenstürme unter dem Verdacht stehen, besonders wichtige Kritische Infrastrukturen, wie die Telekommunikation oder die Stromversorgung, beeinträchtigen zu können.

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risikomanagement

Das Weltraumwetter: seine Ursachen, Vorhersage und Risiken Der häufig benutzte Begriff „Sonnensturm“ beschreibt nur Teilaspekte des sehr komplexen Weltraumwetters, denn das wird von der primären Quelle „Sonne“ und zusätzlich von der sekundären Quelle „galaktische kosmische Strahlung“ verursacht. Das Weltraumwetter von der Sonne tritt an der Erde in Form des Sonnenwindes, solarer kosmischer Strahlung, koronaler Massenauswürfe (engl. CMEs – Coronal Mass Ejections) und elektromagnetischer Strahlung auf. Der Sonnenwind strömt mit einer – astronomisch langsamen – Geschwindigkeit von etwa 400 km/s zur Erde. Bei „Böen“ im Sonnen-

Während gewaltiger Eruptionen bei Sonnenflecken werden Plasmawolken mit vielfachem Erddurchmesser in den Weltraum geschleudert. (Quelle: ESA / NASA)

wind sind schon 800 km/s mit Satelliten beobachtet worden. Der Sonnenwind ist eine relativ ungefährliche Form des Weltraumwetters und erzeugt vor allem die Polarlichter. Die solare kosmische Strahlung ist eine hochenergetische Teilchenstrahlung – also z.B. Atomkerne und starke, elektrische Ströme verursachende Elektronen – die innerhalb von ca. 30 Minuten die enorme Entfernung von 150 Millionen Kilometern von der Sonne zur Erde zurücklegt! Dann liegt in der Erdumgebung über Tage eine hunderttausendfach höhere Intensität von solarer

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kosmischer Strahlung vor. Bei den koronalen Massenauswürfen handelt es sich um riesige (mit bis zu einigen Millionen Kilometer Durchmesser) explosionsartig von der Sonne ausgestoßene Wolken mit solarem Material (Plasma) und Magnetfeld. Satelliten haben CMEs schon mit über 2000 km/s gemessen, weshalb diese Plasmawolken nur etwa zwei bis vier Tage zur Erde benötigen. Aufgrund der Ausdehnung der CMEs befindet sich die gesamte Erde meistens über Tage in diesen Plasmawolken. Elektromagnetische Strahlung, d.h. Photonen, sendet die Sonne ständig in Richtung Erde aus: vom hochenergetischen Gamma-, Röntgenund Ultraviolett-Bereich über das sichtbare Licht bis zur niederenergetischen Infrarot- und Radiostrahlung. Außer im sichtbaren Licht (die Sonne strahlt hier ohne größere Schwankungen) ist die Intensität der elektromagnetischen Strahlung von der Sonne oft über mehrere Größenordnungen veränderlich. Deshalb erscheinen Aktivitätsregionen auf der Sonne in Bildern und Videos im Röntgen-, Ultraviolett- oder Radiobereich räumlich und zeitlich sehr variabel. Ausbrüche auf der Sonne im elektromagnetischen Bereich erreichen die Erde in nur acht Minuten. Die galaktische kosmische Strahlung besteht ebenfalls aus Atomkernen und Elektronen, die ständig, seit Millionen von Jahren, von bestimmten Sterntypen aus der Milchstraße (Galaxis) an der Erde ankommen. Die galaktische kosmische Strahlung ist etwa tausendfach und mehr energiereicher als die solare kosmische Strahlung und durchdringt deshalb die Erdatmosphäre bis zum Erdboden. Die Vorhersage der verschiedenen Formen des Weltraumwetters hat in den letzten beiden Dekaden weltweit erhebliche Fortschritte gemacht. Zur langfristigsten Vorhersage: es ist seit langem bekannt – etwa alle elf Jahre ist die Sonne besonders aktiv. Das nächste solare Maximum wird sich etwa über den Zeitraum von 2013 bis 2015 erstrecken. Die galaktische kosmische Strahlung hat dann eine etwa 20% geringere Intensität an der Erde, weil sie durch den Sonnenwind und CMEs abgeschwächt wird. Mittelfristige Vorhersagen: durch Satelliten sind wir in der Lage, auf der erdabgewandten Seite der Sonne größere Aktivitäten bei Sonnenflecken zu beobachten, die höchstens vierzehn Tage benötigen, um auf der erdzugewandten Seite der Sonne zu erscheinen. Auf der erdwärts gerichteten Seite


URSACHE

SONNENWIND

ORT

SOLARE KOSMISCHE STRAHLUNG

KORONALE MASSEN­AUSWÜRFE

ELEKTOMAGNETISCHE STRAHLUNG VON DER SONNE

GALAKTISCHE KOSMISCHE STRAHLUNG

Stromversorgung, Pipeline-Korrosionsschutz und Orientierung von Tieren

Bräunung des Menschen

Elektronik in Computern und Fahrzeugen

Strahlungsbelastung des Flugpersonals und der FlugzeugElektronik

Orientierung von Vögeln

Ozon-Änderung, atmosphärische Aufheizung und zeitlich variable Solarkonstante

StrahlungsbeLastung des Flugpersonals und der FlugzeugElektronik Wolkenbildung

Abbremsung von Satelliten

Strahlungsbelastung der Astronauten und Satelliten-Elektronik

ERDBODEN

ATMOSPHÄRE

IONOSPÄRE und MAGNETOSPHÄRE

Polarlichter und Satelliten Schutzgebiet? (räumliche bzw. zeitliche Dimensionsänderung)

Strahlungsbelastung der Astronauten und Satelliten-Elektronik

Polarlichter, Satellitennavigation, Telekommunikation und Funkwellenausbreitung

INTERPLANETARER RAUM

SatellitenAufladung

Strahlungsbelastung der Astronauten und Satelliten-Elektronik

SatellitenElektronik

Strahlungsbelastung der Astronauten und Satelliten-Elektronik

Weltraumüberwachung zum Schutz kritischer Infrastrukturen und der Bevölkerung.

der Sonne werden die oben genannten Formen des Weltraumwetters in unterschiedlicher Qualität von verschiedenen Instrumenten auf Satelliten gemessen und in nahezu Echtzeit auf der Erde verarbeitet. Da die Ausbreitungszeit von CMEs bis zur Erde einige Tage beträgt, werden diese auf ihrem Weg von der Sonne durch den interplanetaren Raum von Teleskopen auf Satelliten (Koronographen im Ultraviolett-Bereich) und auf der Erde (Muon-Teleskop­ netzwerk für kosmische Strahlung) verfolgt. Durch die Koronographen, das Muon-Teleskopnetzwerk sowie entsprechende Simulationen wird die verbleibende Zeit (unterhalb von ca. 24 Stunden) bis zur Ankunft der CMEs an der Erde in Echtzeit bestimmbar. Nach der Ankunft des CME an der Erde ergeben sich Effekte und Risiken in der Magnetosphäre, Ionosphäre, Atmosphäre und am Erdboden – verzögert um etwa 30 bis 60 Minuten. In Tab. 1 sind einige durch das Weltraumwetter verursachte Risiken in technischen Systemen bzw. Effekte auf Lebewesen in Abhängigkeit von ihrer Ursache, sowie vom Ort an dem die Effekte bzw. Risiken auftreten, zusammengefasst. Auslöser für weltweite Aktivitäten zum Weltraumwetter waren insbesondere Strom- und Satellitenausfälle, Störungen bei der Navigation mit Satelliten und die Strahlungsbelastung bei Flügen sowie die damit einhergehenden Probleme für die Betroffenen und die wirtschaftlichen Verluste. Dementsprechend entstanden infolge verschiedener Studien und Konferenzen bei NASA, ESA, dem DLR –

mit Beteiligung von Partnern aus der Industrie, der Forschung und Bundeseinrichtungen – Projekte und Programme zur Überwachung des Weltraums, unter anderem bezüglich des Weltraumwetters. Meilensteine sind – bzw. stellvertretend für diese Entwicklungen stehen – das Nationale Weltraumwetter-Programm in den USA in den 1990iger Jahren, das White Paper zur Weltraumpolitik der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2003 sowie bei ESA – seit etwa fünfzehn Jahren – Machbarkeitsstudien, Pilotprojekte und das 2008 begonnene Weltraumüberwachungsprogramm. In 2010 wurde die neue Raumfahrtstrategie der Bundesregierung vorgestellt, die zusätzlich zum Weltraumwetter u.a. auch die Gefahren durch den Weltraummüll und durch potenzielle, erdbahnkreuzende Asteroiden berücksichtigt.

Workshop des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Die Federal Emergency Management Agency (FEMA) in den USA, die Swedish Civil ContingenLiteratur FEMA, MSB, NOAA (2010), Managing Critical Disasters in the Transatlantic Domain - The Case of a Geomagnetic Storm, Workshop Summary. (www.fema.gov) ICS-CERT (25.03.2011), ICS-CERT Advisory, ICSA-11-084-01-Solar Magnetic Storm Impact on Control Systems. (www.us-cert.gov)

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risikomanagement

cy Agency (MSB) und die U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) führten 2010 einen Workshop zur Risikobewertung von geomag­ netischen Stürmen durch. Ein Ergebnis aus Sicht der Teilnehmer war, dass wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse unerlässlich für eine angemessene

Der hellste Fleck (mehr als Erdgröße) auf der Sonnenscheibe ist der Ort, von dem der haloförmige CME am 15. Februar 2011 in den Weltraum ausgestoßen wurde. Auf dem Bild hat der CME schon einen Durchmesser von etwa drei Millionen Kilometern. (Fotos: NASA SDO- und ESA/NASA SOHO-Satelliten)

Reaktion auf die durch Weltraumwetter verursachten Risiken sind. Auch die oben erwähnte ICS-CERT Mitteilung vom 25. März 2011 führte aus, dass durch Sonnenstürme verursachte gegengerichtete Ströme und Spannungseffekte untersucht und analysiert werden müssen, um einen optimalen Schutz gewährleisten zu können. Der Auslöser der ICS-CERT Mitteilung war erhöhte Sonnenaktivität: kürzlich, zwischen dem 15. und 18. Februar 2011, haben Satelliten und das Myon-Teleskopnetzwerk für kosmische Strahlung den stärksten geomagnetischen Sturm

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seit mehr als vier Jahren beobachtet. Die entsprechende Plasmawolke verließ die Sonne mit etwa 750 km/s, benötigte zur Erde etwa 71 Stunden und hatte an der Erde an ihrer Vorderseite eine Ausdehnung von einigen zehn Millionen Kilometern! In Deutschland finden bisher kaum Untersuchungen der möglichen Auswirkungen geomagnetischer Stürme auf Netzinfrastrukturen statt. Verletzlichkeiten der Infrastruktur sowie mögliche Risiken sind stark von den lokalen Gegebenheiten, wie u.a. der geografischen Lage oder der Leitfähigkeit des Untergrunds abhängig. Darüber hinaus wirken sich aber auch die Netze selbst, etwa durch die Netztopologie oder die verbauten Komponenten, auf die Verletzlichkeit aus. Die Übertragung von Untersuchungsergebnissen aus anderen Ländern ist somit nur sehr bedingt möglich. Konkret stellen sich Fragen nach der Betroffenheit für Netzinfrastrukturen in Deutschland sowie den hieraus zu entwickelnden Handlungsoptionen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) führte im März 2011 einen Workshop zum Thema „Geomagnetische Stürme – Auswirkungen auf Netzinfrastrukturen, Sachstand und Forschungsbedarf“ durch. Mitarbeiter des BBK und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aus den Aufgabengebieten Kritische Infrastrukturen, Forscher aus dem Bereich Weltraumwetter sowie Betreiber von Netzinfrastrukturen tauschten sich zum aktuellen Stand der Wissenschaft und den Aktivitäten auf dem Gebiet aus. Auf Basis dieses Workshops soll die Zusammenarbeit kurzfristig intensiviert werden. Die dort erarbeiteten Fragen und der ausgemachte Forschungsbedarf bilden dafür die Grundlage. Ziel des BBK ist es, die Forschung zu Geomagnetischen Stürmen weiter voranzutreiben und damit den Bevölkerungsschutz auf diesem Gebiet zu stärken.

Dr. Frank Jansen ist Mitarbeiter am DLR Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen. Benjamin Lambrecht und Stefan Mikus sind Mitarbeiter des Referates „Gefährdungskataster, Schutzkonzepte Kritischer Infrastrukturen“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.


Neuorientierung Risikomanagement und Notfallplanung − wichtige Elemente in der Katastrophenvorsorge Chinas Wolfram Geier und Christof Johnen Am 12. Mai 2008 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,9 die chinesische Provinz Sichuan. Durch einstürzende Gebäude und andere Schäden wurden ca. 70.000 Menschen getötet und ca. 375.000 verletzt. Die große Zahl der vermisst gebliebenen Menschen lässt jedoch eine Zahl von über 80.000 Toten befürchten. Durch das Hauptbeben, dem zahlreiche gravierende Nachbeben folgten, wurden ganze Dörfer und Stadtteile zerstört. Insgesamt gehen die Behörden von mehr als fünf Millionen zerstörten oder beschädigten Gebäuden aus. In besonderer Erinnerung sind die eingestürzten Schulen und die von ihnen begrabenen Schulkinder geblieben. Obwohl China zu den von Erdbeben sehr gefährdeten Ländern dieses Planeten zählt und schwere Erdbeben in der chinesischen Geschichte immer wieder zu erheblichen Schäden und vielen

Verlusten an Menschenleben führten, erfolgte durch das Sichuan-Beben eine Zäsur. Die chinesische Regierung entschied, zusammen mit geeigneten Partnern, das Risiko- und Katastrophenmanagement der Volksrepublik fachlich, organisatorisch und strukturell verbessern zu wollen, um Ereignisse wie das Sichuan-Beben künftig effektiver bewältigen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland wurde von der Volksrepublik China um Prüfung einer intensiven Zusammenarbeit auf diesem Gebiet gebeten und im April 2009 konnte der Startschuss für ein zunächst auf drei Jahre ausgelegtes gemeinsames Projekt gegeben werden. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) − bis 2010 Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) − wurde als besonders geeignete Organisation mit

Feierliche Unterzeichnung der Vereinbarung über das „Sino-German Disaster Risk Management Projekt“ 2009 in Beijing. (Foto: THW)

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risikomanagement

Jahresbeginn 2011 mit Workshops an zwei ausgewählten chinesischen Pilotstandorten das Teilprojekt „Risikoanalyse und Notfallplanung“. Obwohl das schwere Erdbeben in der Provinz Sichuan Auslöser des Gesamtprojektes war, werden in der chinesischen Gesellschaft mehr und mehr auch zahlreiche andere katastrophenrelevante Risiken wahrgenommen, die man einer nachhaltigen Gesamtbetrachtung unterziehen möchte. Neben Erdbeben, Starkniederschlägen, Hochwasser und Taifunen sollen auch industrielle und technische sowie vom Menschen verursachte Risiken in diese Betrachtung aufgenommen und modernen Risikoanalysen unterzogen werden. In der Folge sollen die Erkenntnisse in eine neue angepasste Notfallplanung auf allen relevanten Ebenen der chinesischen Verwaltung einfließen können und damit sowohl das Risiko- als auch das Katastrophenund Krisenmanagement verbessern helfen. In einem ersten Schritt wurden vom GIZBüro Beijing und dem BBK in der Regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing am Zusammenfluss von Jialing und Jangtsekiang sowie in Guangzhou in der Provinz Guangdong mit den Städten Shenzhen und Heyuan spezielle mehrtägige Workshops Dozenten des BBK (links im Bild) führten bereits mehrfach am NIEM in Beijing sechstägige Seminare für chinesische Dozenten durch. zur Methodik der Risikoanalyse organisiert und gen Ausbildungen finden sowohl an der BBK-eige- durchgeführt. Ein Expertenteam des BBK zeichnete dabei fachlich für die Workshops verantwortlich. nen Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) und der Bundesschule Teilnehmer auf chinesischer Seite waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Katastrophenschutzdes THW in Deutschland als auch an der Chinesibehörden (Emergency Management Office − EMO) schen Verwaltungsakademie (CAG) und dem Natiauf kommunaler und Provinzebene sowie von einonalen Institut für Notfallmanagement (NIEM) in schlägigen anderen Behörden, wie Wetterdienst, Beijing statt. Nachdem in den Jahren 2009/2010 zahlreiche Wasser- und Landwirtschaftsämtern, VerkehrsbehörFunktionsträger aus der chinesischen Administration den, Polizei und Feuerwehr. Fachlich aufmerksam begleitet wurden die Workshops durch hochrangiüber das deutsche System des Bevölkerungsschutzes informiert und in speziellen Fragestellungen des ge Vertreter der CAG bzw. des NIEM aus Beijing. In beiden Workshops vermittelten die ExperKatastrophenschutzes und des Krisenmanagements ten die theoretischen und methodischen Grundzüge ausgebildet wurden, starteten GIZ und BBK zum mehr als 25-jähriger deutsch-chinesischer Kooperationserfahrung und als 100%iges Bundesunternehmen mit der Projektverantwortlichkeit betraut. Prämiumpartner der GIZ im so genannten „Sino-German Disaster Risk Management-Project“ wurden die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), zwei Bundesbehörden unter dem Dach des Bundesministeriums des Innern (BMI). Während sich das THW u.a. auf den Aufbau spezieller operativer Fähigkeiten chinesischer Katastrophenschutzkräfte konzentriert, werden durch das BBK seit 2009 verantwortliche Beamte der chinesischen Zentral- und Provinzverwaltungen, die Bürgermeister ausgewählter Städte im Krisenmanagement sowie Multiplikatoren für die Krisenmanagementausbildung geschult. Die mehrwöchi-

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ran gedacht, qualitative Standards für die Erarbeider Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, wie sie vom BBK in den vergangenen Jahren für Deutsch- tung von Notfallplänen auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einzuführen und mit Hilfe ausgeland entwickelt wurde und derzeit fortlaufend angepasst wird. Theorie und Methodik wurden durch wählter deutscher Praxisbeispiele besonders relevante Teile der Notfallplanung zu unterfüttern. praktische, szenarienbezogene Beispieldarstellungen ergänzt. In Arbeitsgruppen wurde anhand selbst Auch hier werden wieder die Experten des BBK gegewählter chinesischer Fallbeispiele die technische meinsam mit Praktikern aus anderen deutschen BeAnwendung der Methode erprobt. In den sehr kon- hörden und Unternehmen unterstützend tätig sein. Sicherlich wird der Umbau des Notfall-, Risikostruktiven und lebhaften Workshops und Arbeitsund Katastrophenmanagements im bevölkerungsgruppen konnte von chinesischer Seite zielsicher und schnell das Beherrschen des methodischen An- reichsten Land der Erde noch einige Zeit in Ansatzes geübt und erfolgreich demonstriert werden. spruch nehmen. Ohne Zweifel wird er sich in einer geographisch, seismologisch und meteorologisch Darüber hinaus wurden bereits in den Workshops wichtige Diskussionen über die notwendige Anpas- so disponierten Weltregion auch regelmäßig einer sung der Methode, der zu betrachtenden Risiken, der Eintrittswahrscheinlichkeiten und vor allem der Schadensschwellenwerte auf chinesische Verhältnisse geführt. In den Nachbesprechungen zu den Workshops wurde einvernehmlich festgelegt, dass in den Städten Shenzhen (13,1 Mio. Einwohner) und Heyuan (3,5 Mio. Einwohner) sowie im Stadtbezirk Jiulongpo (1,7 Mio. Einwohner) der RegieIn den sehr konstruktiven Workshops und Arbeitsgruppen wurde von chinesischer Seite zielsicher und schnell das Beherrschen des methodischen Ansatzes der Risikoanalyse geübt und erfolgreich demonstriert. rungsunmittelbaren (Fotos: BBK) Stadt Chongqing (28 Mio. Einwohner) im Laufe des ersten Halbjahres 2011 Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit und Optikonkrete Risikoanalysen in Anlehnung an die deut- mierungspotenziale unterziehen müssen. Die Fachleute in China haben in diesem Kontext bereits schen Pilotmodelle durchgeführt und im Sommer 2011 mit dem Expertenteam des BBK und der GIZ ge- nach kürzester Zeit erkannt, dass Risiko- und Katasmeinsam ausgewertet werden. Sofern die Pilotstand­ trophen-/ Krisenmanagement eng miteinander verzahnt werden müssen und die Risikoanalyse ein orte entsprechende Ergebnisse erzielen, ist beabwichtiges Instrument für eine wirkungsvolle Notsichtigt, dass sich der Staatsrat der Volksrepublik fallplanung ist. China mit dem Thema befassen und eine Entscheidung bezüglich der Einführung dieses Planungsinstrumentes für das Katastrophenmanagement treffen soll. Dr. Wolfram Geier ist Leiter der Abteilung „Notfallvorsorge, KriNächstes Ziel dieses Teilprojektes ist es, auf tische Infrastrukturen, Internationale Angelegenheiten“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. der Grundlage der Erkenntnisse der Risikoanalysen Christof Johnen ist Leiter des „Sino-German Disaster Risk Maund der Risikobewertung die Notfallplanung in nagement-Projektes“ im GIZ-Büro Beijing. ganz China zu verbessern. In diesem Kontext ist da-

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risikomanagement

Die Projektgruppe BauProtect Neue Wege jenseits klassischer (Bau-)Normen Michael Turley Die zunehmende Zahl und Intensität von Extremwetterereignissen und anderen neuen Gefährdungen führt zu immer höheren Belastungen für die Bausubstanz. Ob für Wohngebäude, Verwaltungsgebäude, Einkaufszentren, Industrieanlagen oder bauliche Anlagen für Kritische Infrastrukturen – eine wesentliche Rolle beim Schutz von Menschen, Sach- und Vermögenswerten spielt dabei der physische, mechanische und funk-

Nichts ist morgen noch so, wie es heute zu sein scheint Ereignisse und Entwicklungen der letzten Jahre haben auch neue Gefährdungspunkte für die Bauwerkssicherheit von Gebäuden, technischen Anlagen und Einrichtungen Kritischer Infrastrukturen sichtbar gemacht. Die Zunahme extremer Wetterereignisse, das plötzliche und unerwartete Auftreten gefährlicher Überflutungen an Orten, an denen damit nicht gerechnet wurde, oder über Wohngebiete hinwegziehende Tornados zeigen, dass die Einwirkungen auf die unmittelbare Umwelt, auf Gebäude und auf technische Anlagen stark zunimmt und vorhandene Bauwerkssicherheiten immer häufiger an ihre Grenzen stoßen. Es mag eine Frage der Zeit sein, wann die auf uns zukommenden Belastungen die Grenzen der bisherigen Normen überschreiten und zu ersten Konsequenzen in der Planung und der Bemessung baulicher Anlagen zwingen werden. Es gibt reale Gründe darüber nachzudenken, ob die Gebäude tatsächlich dem zukünftigen statischen und planerischen Bedarf entsprechen. Materialermüdungen, (technisch) unkontrollierte An- und Umbauten oder unzureichende Kontrollverpflichtungen bei großen Hallenkonstruktionen bedingen eine erkennbare Erhöhung des Risikos der Stabilität. Modernisierungsmaßnahmen, wie der Einbau energiesparender Fenster oder die energetischen Sanierungen von Wänden und Dachgeschossen

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tionelle Schutzschirm der Bausubstanz, der zwischen dem Ereignis und dem zu Schützenden aufgespannt ist. Wie resistent oder labil dieser Schutz ist, ob die traditionellen Planungen diesen Schutzanforderungen (noch) genügen und wie die Zukunftsperspektive des baulichen Bevölkerungsschutzes und des baulichen Schutzes Kritischer Infrastrukturen sein kann – das ist der Auftrag Projektgruppe „PG BauProtect“.

dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass dabei in den seltensten Fällen eine konstruktive Anpassung an den Stand der Technik vorgenommen wurde. Der Einsturz von Hallen und Dächern unter hohen Schneebelastungen ist nur ein Symptom für eine potenzielle Risikoverdichtung. Außer den aktuell diskutierten klima- oder wetterbedingten Extremereignissen rücken andere Belastungen, wie sie durch Industrieunfälle, andere Großschadenslagen oder durch vorsätzlich herbeigeführte Explosionen (Anschlagsrisiko) entstehen, immer mehr in das Blickfeld sicherheitstechnischer Überlegungen. Der Bedarf an städtebaulichen, baulichen, technischen und planerischen Schutzkonzepten wächst kontinuierlich und erfordert neue, effiziente und dauerhaft wirksame Lösungen. Die dramatischen Geschehnisse um das gewaltige Erdbeben in Japan zeigen, dass nicht nur einzelne Gefährdungen schon dramatisch genug sind, sondern dass die Überlagerungen direkter und indirekter Folgen verheerender Naturkatastrophen uns vor bisher kaum berücksichtigte Herausforderungen stellen.

Ausgangspunkt und Risikoanalysen Ausgangspunkt des Projekts ist einerseits der Status quo der vorhandenen Bausubstanz, andererseits sind es Überlegungen, wie zukünftige Wohnund Gebäudestrukturen und neue Architekturpla-


nungen diesen Herausforderungen entsprechend konzipiert werden können. Der Untertitel der Projektgruppe „Bauwerkssicherheit im Bevölkerungsschutz und für Kritische Infrastrukturen“ macht deutlich, dass die Projektgruppe mit einem breiten Handlungsniveau aufgestellt ist. Die zu Gunde gelegten Gefährdungen und Szenarien sind im Wesentlichen: • Extremniederschläge mit außergewöhnlichen Belastungen für die Bausubstanz, • orkanartige Stürme und Tornados, die eine plötzliche Gefahr für sämtliche bauliche Anlagen darstellen, • längere Ausfälle der Energieversorgung und/ oder der Wasserversorgung, • Ausfälle der Informations- und Kommunikationstechnik, • lang anhaltende Extremtemperaturen (Hitze/ Kälte) mit Auswirkungen auf das Leben in Gebäuden und baulichen (KRITIS-)Anlagen, • Freisetzung gefährlicher biologischer oder chemischer, hochtoxischer Agenzien und deren Einwirkungen auf Gebäude, Mensch und kritische Funktionen, • katastrophale Überflutungs- und Hochwasserlagen in besiedelten Gebieten, • potenzielle Erdbebenereignisse in den hierfür relevanten Erdbebengebieten und deren mögliche Kollateralschäden, • mögliche radioaktive Freisetzungen, • gebäudenahe Detonationen, ob vorsätzlich oder unfallbedingt, und dergleichen. Das eigentlich Dramatische einer Lage ist in der Regel nicht der isolierte Einzelaspekt, sondern das Zusammenfallen mehrerer schädigender Ereignisse, die das Schadensmaß exponentiell erhöhen. Das Erdbeben in Japan hat gezeigt, wie das kaskadenartige Zusammenbrechen mechanischer, technischer und infrastruktureller Einzelfaktoren zu einer kaum mehr beherrschbaren Gefahrenlage aufwachsen kann.

Gebäudestrukturen in ihrer Vielschichtigkeit Die Projektgruppe wird dabei die Bandbreite tatsächlicher und planbarer baulicher und städte-

baulicher Gegebenheiten berücksichtigen. Die spezifischen Besonderheiten der verschiedenen Gebäudetypen und Nutzungsvarianten von Gebäuden wird sich auch in den besonderen Lösungsansätzen widerspiegeln, die zur Erhöhung der Sicherheit erarbeitet werden sollen. Untersuchungssegmente

Gefahrenlagen

• Wohngegäude • Versammlungsstätten • Verwaltungsgebäude • Freizeitareale • Einkaufszentren • Industrieanlagen • Produktionsstätten • Kulturbauten • KRITIS-Einrichtungen

• Extremwetterlagen • Längerfristiger Energieausfall • Unterbrechung der Versorgungsstrukturen • Freisetzung schädigender Agenzien • Hochwasserlagen • Erdbeben • gebäudenahe Detonationen

Expertennetzwerk

Ziele

Themenbezogene Behörden

Leitlinien, Info-Flyer

Sachverständige, Gutachter Handwerksinnungen Bauindustrie, Bauprodukte Forschungs­institutionen Hochschulen, Forschung Arch. / Ing. kammern

Projektgruppe BauProtect

Technische Empfehlungen

Forschung und Entwicklung Verifikation Detailerprobung

Planungs­empfehlungen

Erprobungsbauten

Maßnahmenkataloge

Publikationen

Vorschläge im Normenwesen

Aufbau und Pflege Expertennetzwerk Bau Internetpräsenz

Checklisten Bürger / Fachleute

www.risikomanagement-bau.de

Administrative Empfehlungen

Abb. 1: Die Beziehungen zwischen bautypischen Untersuchungssegmenten und potenziellen Gefahrenlagen werden untersucht, umEmpfehlungen für den Bauliche Bevölkerungsschutz zu entwickeln. Das Expertennetzwerk Bau soll ein kompetentes Fachforum unter Leitung der PG BauProtect eingerichtet werden.

Neben Wohngebäuden (Einzelgebäude, Reihenhausbebauung, Blockbebauung) werden insbesondere Gebäude und Funktionen mit regelmäßig hohem Personenaufkommen hinsichtlich der Verletzlichkeit gegenüber potenziellen Gefährdungen untersucht. Versammlungsstätten sind hiervon ebenso betroffen wie Freizeitareale, Sportstätten (Stadien) und innerstädtische Einkaufszentren mit stark frequentierten kommunikativen Treffpunkten (Cafés u.ä.). Hier wird es darum gehen, die Sicherheit von Menschen zu untersuchen und Maßnahmen zu deren Schutz zu entwickeln. Als Beispiel einer aus dem Projekt geborenen Idee sind neuartige, En­ ergie absorbierende Straßenbegleitbarrieren in ein Entwicklungsprogramm aufgenommen worden, die es ermöglichen, einen relativ unauffälligen, teilweise sogar transparenten Schutzmechanismus zwischen dem laufenden Straßenverkehr und dem Fuß-

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risikomanagement

gängerbereich vorzuhalten. Auch Industrieanlagen oder großflächige technische Einrichtungen stehen auf der Untersuchungsliste der Projektgruppe. Ein Hauptthema werden Anlagen Kritischer Infrastrukturen sein, die sowohl hinsichtlich der Bausubstanz als auch hinsichtlich städtebaulicher und planerisch-funktioneller Aspekte untersucht werden sollen. Auch hier ist das Ziel, in Verbindung mit den Erfahrungen Verantwortlicher allgemein anwendbare Maßnahmenvorschläge zu erarbeiten.

Risikobewertung bei Bauaufnahme

Gefährdung: Sturm/Orkan Untersuchungsdetail: Gebäude Einzelsegmente: • Dachdeckung • Kamine, Durchbrüche • Dachfenster • Dachstuhl, Statik • Dachaufbauten usw.

Dachdeckung

Kamine, Durchbrüche

Dachfenster Dachstuhl, Statik Dachaufbauten

noch tolerabel (z.B. Schutzgrad 10)

0

5

10

zu ändern! RISIKO

15

Dachdeckung

Risikobewertung nach exakt abgestimmten Baumaßnahmen

Kamine, Durchbrüche

Dachfenster Dachstuhl, Statik

Der Ansatz soll von Anfang an praxisorientiert sein, indem eine für „jedermann“ anwendbare Checkliste eingesetzt werden soll. Anhand einer solchen Liste wird es jedem Nutzer möglich sein, eine ganze Liegenschaft vor dem Hintergrund potenzieller Gefahren sozusagen „zu scannen“. Sowohl die Gebäude, als auch die Liegenschaften selbst und deren städtebauliche Situation werden mit dieser Checkliste auf Schwachstellen untersucht werden können. Darüber hinaus sollen auch die Funktionszusammenhänge und die Raumzuordnungen einer Überprüfung unterzogen werden, um ganzheitlich ein komplettes Bild der Verwundbarkeit (oder der Resistenz) einer Liegenschaft zu erhalten. Durch logische und aufeinander aufbauende Bewertungsprozesse können die potenziellen Schwachstellen auch quantitativ erfasst werden. Eine übersichtliche Darstellung lässt im Ergebnis sofort erkennen, wo Handlungsbedarf besteht. Dieses ist die Basis für anzugehende Sicherungsmaßnahmen. In einer sich anschließenden Umsetzungsphase kann nun der Nutzer (ob Privatpersonen oder Verantwortliche für Kritische Infrastrukturen) in Zusammenarbeit mit Planungs- oder Ingenieurbüros die identifizierten Schwachstellen nach Priorität (und Budget!) auf das gewünschte Sicherheitsniveau umrüsten: ziel-, punkt- und (bei guter Planung) auch eurogenau. Der Weg dazu wird einfach und übersichtlich gestaltet:

Dachaufbauten

Abb. 2: Durch Ermittlung der Risikowerte und Festlegung der Risiko-Scanlinie können die Schwachstellen jenseits der Schutztoleranz identifiziert werden. Durch auf das Ergebnis abgestimmte Baumaßnahmen können die Risiken deutlich gesenkt werden. Die Auflistung der Risikowerte ist stufenlos und untereinander gleichberechtigt fortzusetzen.

Abgerundet wird der Auftrag mit der Aufnahme bedeutender kultureller Monumente, für die selbst und das dort zu erwartende hohe Personenaufkommen Schutzempfehlungen entwickelt werden sollen. Eines ist für den Ereignisfall klar: versäumte Präventivmaßnahmen sind im entscheidenden Moment nicht mehr nachholbar.

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Bauliches Risikomanagement, Checklisten

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• Die zu untersuchenden Gebäude, die Liegenschaft selbst, ihre städtebauliche Einbindung und die organisatorischen Funktionszusammenhänge werden mit den einzelnen Gefahren in Korrelation gesetzt. Dabei werden nur diejenigen Gefahren berücksichtigt, die vor Ort relevant sein könnten. • Die jeweilige Eintrittswahrscheinlichkeit wird aufgrund von örtlichen Erfahrungen und fachkundigen Einschätzungen festgelegt. Grundlage der Eintrittswahrscheinlichkeit kann einerseits die zeitliche Achse sein (Wie oft tritt das Ereignis in „x“ Jahren ein?), anderseits die physischräumliche (Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ereignis gerade an dieser zu untersuchenden Liegenschaft eintritt?).


• Es ist das mögliche Schadensausmaß einzuschätzen. • Individuell können noch Intensitätsfaktoren berücksichtigt werden, welche die besonderen Umstände einer Einzelbetrachtung erkennbar beeinflussen. • Das Produkt der vorgenannten Faktoren ergibt den Risikowert, der zwischen 1 und 25 liegen kann. Je höher der Wert, umso größer ist der Handlungsbedarf. Das Verbinden aller auf diese Weise ermittelten Risikowerte ergibt die Risiko-Scanlinie, die Grundlage der individuellen Handlungsstrategien zur Erhöhung der (Bauwerks-)Sicherheit ist. Um ausgewogene und zielgenaue Maßnahmen einzuleiten, können bestimmte Schutzgrade angenommen werden. Erst wenn der Risikowert den Schwellenwert des Schutzgrades übersteigt, werden Maßnahmen erforderlich. Anhand von Machbarkeitsstudien und Wirtschaftlichkeitsberechnungen kann sich durchaus auch ergeben, dass es unter Umständen die bessere Lösung ist, eine Liegenschaft an dieser Stelle aufzugeben und eine Verlagerung/Neubau vorzunehmen, wobei in der Regel dort eine wesentliche Verbesserung der Sicherheitsaspekte gegeben sein dürfte. Die Checkliste ist in zwei verschiedenen Versionen geplant (für jedermann / für Fachleute).

Entwicklung – Erprobung – Leitfäden Weitere Schwerpunkte des Auftrages der PG sind die Entwicklung von baulichen Verstärkungsmaßnahmen für alle relevanten Gewerke, Perimeterschutz und Perimetersicherheit werden ebenso in die Gesamtkonzeption eingehen wie sicherungsrelevante, städtebauliche und architektonische Aspekte bei Planung, Konstruktion und Ausführung. Begleitet werden die neuen Entwicklungen durch Erprobungen, die im Detail- und Realmaßstab durchgeführt werden. Die PG hat neben externen Partnern, die gutachtliche Stellungnahmen zu Einzelthemen erarbeiten, auch eine „Taskforce-Bau“ vertraglich gebunden, die bei definierten Ereignissen ohne besonderes, zeitaufwändiges Ausschreibungsverfahren sofort vor Ort Erhebungen anstellen kann. Damit ist sichergestellt, dass authentische Informationen zu

dem schädigenden (Natur-)Ereignis und den direkten Einwirkungen auf Gebäude erfasst werden können. Die Ergebnisse der Projektgruppe sollen in fortschreibbare Leitfäden, Maßnahmenkataloge und Empfehlungen einmünden. In unregelmäßigen Abständen werden von der PG themenbezogen Informationsflyer veröffentlicht, die beim BBK abrufbar sind. Die geplante Mitwirkung in nationalen und internationalen Normungsgremien ermöglicht es, das Entwickelte und in der Praxis Erprobte zur Einarbeitung in das Normenwerk vorzuschlagen. Die Ereignisse in Japan haben gezeigt, wie schmal der Grad zwischen vermeintlich planbarer Sicherheit und nicht planbaren Naturgewalten bis hin zu streckenweise unbeherrschbaren Gefahrenlagen de facto ist. Die PG BauProtect im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe setzt den Grundstein für eine umfassende bauliche Sicherheitsstrategie für die Bevölkerung und Anlagen Kritischer Infrastrukturen – auch jenseits bisheriger Normen.

Expertennetzwerk: „Risikomanagement-Bau“ Zur Begleitung des Projekts ist geplant, ein Expertennetzwerk „Risikomanagement Bau“ einzurichten, in dem alle relevanten Fachrichtungen, Behörden, Baugewerke, Industriesparten, Ingenieur- und Planungsbüros, Sachverständige und Städteplaner eingebunden werden sollen. Dieses Expertennetzwerk wird über ein breit gefächertes Forum verfügen und über moderne Kommunikationsstrukturen eine weite fachliche Vernetzung erreichen. Eine eigene Internetpräsenz der Projektgruppe ist derzeit in Vorbereitung (www.risikomanagement-bau.de) und wird voraussichtlich im Herbst 2011 in vollem Unfang im Netz sein.

Baudirektor Michael Turley ist Leiter der „PG BauProtect“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Als Architekt ist er auch Mitglied der Bundesarchitektenkammer.

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krisenmanagement

Havarie an der Loreley Ein Beispiel für ebenen- und bereichsübergreifendes Krisenmanagement Ulrich Zwinge und Giulio Gullotta In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Fülle von Regelungen und Einrichtungen, die das reibungslose Funktionieren des Gemeinwesens sicherstellen. Klare Zuständigkeiten und eingespielte Verfahren decken nahezu alle Belange ab. Das Zusammenleben ist arbeitsteilig organisiert. Immer dann, wenn Ereignisse eintreten, von den Schaden droht oder bei denen ein Schaden bereits eingetreten ist und die mit der normalen Ablauforganisation des Staates nicht (oder nicht angemessen) zu bewältigen sind, wird von Krise gesprochen. Gesetzt den Fall, eine der europäischen

Wenige Fakten sollen reichen, um die Komplexität der Situation im Januar und Februar 2011 bei Rheinkilometer 555,3 zu verdeutlichen. Der Havarist, das TMS Waldhof, befindet sich auf einer Wasserstraße

Nicht nur ein Verkehrshindernis – die gekenterte Waldhof.

des Bundes, für die die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zuständig ist. Da die Waldhof Schwefelsäure geladen hat, sind Auswirkungen für die Bevölkerung und Umwelt – auch an Land – nicht auszu-

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Hauptverkehrsadern ist für knapp vier Wochen nur sehr eingeschränkt zu nutzen, so sind die genannten Merkmale gewiss erfüllt. Nachfolgend soll am Beispiel der Havarie des Tankmotorschiffs WALDHOF skizziert werden, welche Herausforderungen das ebenen- und bereichsübergreifende Krisenmanagement bereit hält und welche Lösungsansätze sich bewährt haben. Die Betrachtung erstreckt sich über Verfahren und Strukturen des Krisenmanagements bis zu den Einsatzmitteln eines Stabes.

schließen. Linksrheinisch ist der Rhein-HunsrückKreis, rechtsrheinisch der Rhein-Lahn-Kreis für die nicht-polizeiliche Gefahrenabwehr zuständig. Kräfte der Feuerwehr rücken aus, um nach zwei vermissten Besatzungsmitgliedern zu suchen und für alle Eventualitäten zur Unterstützung bereit zu stehen. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium sorgt sich um die Auswirkungen für den Rhein – und deshalb für regelmäßige Analysen des Rheinwassers. Tragischerweise sind bei dem Unglück die zwei zunächst vermissten Besatzungsmitglieder zu Tode gekommen. Die Staatsanwaltschaft Koblenz – unterstützt durch Ermittlungspersonen der Polizei an Land und zu Wasser – hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der Gefährdung des Schiffsverkehrs aufgenommen. Die Europäische Kommission und die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt möchten darüber informiert werden, wann die Gefahrenstelle wieder ohne Auflagen und in beide Richtungen frei befahrbar ist – erster Ansprechpartner in Deutschland: das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Schließlich machen die Rheinschiffer mit jeder Stunde Verluste und die Bedeutung des Rheins als Verkehrsweg in Europa ist herausragend. Rund 600 Schiffe waren von der Ha-


varie betroffen, die Transportabläufe entsprechend abgeschnitten. Die Reederei des Schiffes – und mehr noch dessen Versicherung – möchten wissen, was zum Unglück geführt hat und wie es nun weitergeht. Der Ladungseigner fragt, ob die Ladung verloren ist. Dann gibt es noch die Öffentlichkeit, die ein erhebliches Interesse an der Havarie hat. Neben der Ladung, Schwefelsäure, ist auch die Lage der Unfallstelle ausschlaggebend: gleich unterhalb der Loreley. Die skizzierte Auswahl an Akteuren und unterschiedlichen Interessenlagen ließe sich noch komplexer gestalten. Um Lehren für das ebenen- und bereichsübergreifende Krisenmanagement zu ziehen, reicht sie aus.

Schnittstellendefinition Unmittelbar nach der Havarie bemühen sich die genannten behördlichen Akteure um ein Lagebild aus ihrer jeweiligen Perspektive. Die Schifffahrt ist durch die Revierzentrale Oberwesel, die zum Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Bingen gehört, seit der Unfallmeldung gesperrt. Während die Feuerwehr mit einem ersten Trupp anrückt und bald mit aufblasbaren Zelten und Abrollcontainern ihre Führungsfähigkeit herstellt, sichert das WSA Bingen über die „Schiffsampeln“ die Gefahrenstelle ab und den Havaristen mit eigenen Kräften gegen Abtreiben. Die Wasserschutzpolizei ist vor Ort, der Landrat macht sich ein Bild. Noch agieren die Einsatzkräfte nebeneinander, spulen ihre jeweiligen Havarie-/Einsatzroutinen ab. Die Handgriffe sitzen, die eigenen Kommunikationswege werden etabliert und eingelaufen. Dann besinnt man sich: Nur durch die gemeinsame Bewertung der Lage wird es gelingen, der komplexen Situation gerecht zu werden. Gewiss keine neue Erkenntnis, aber eine, die immer wieder unterstrichen werden muss. Der Tatort der Polizei ist zugleich die Einsatzstelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes und der Feuerwehr. Die Strukturen der jeweils anderen Beteiligten sind in unterschiedlichem Umfang bekannt. Was macht eigentlich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung? Was wollen die vielen Feuerwehrleute am Ufer? Wieso ist der Landrat vor Ort? Wieso ruft die Staatskanzlei an?

Rollenverständnis, Gemeinsames, Rollenbasiertes (Einsatz-)Lagebild Durch den gemeinsamen Austausch werden schnell die unterschiedlichen Rollen der Beteiligten und auch ihre Interessen deutlich. Es gilt, die Verfahren des Zusammenwirkens abzustimmen und die Zuständigkeiten festzulegen. Die Einsatzstelle Wasser wird durch das WSA Bingen, die Einsatzstelle Land durch den Landkreis Rhein-Lahn verantwortet. Wer immer auf dem Rhein tätig wird, hat sein Tun mit dem WSA abzustimmen. Was immer an Land passiert, ist mit dem Einsatzstab des Landrates zu koordinieren. Dazu tauschen alle Beteiligten regelmäßig und anlassbezogen ihre Erkenntnisse aus und bewerten sie gemeinsam. Sie stimmen das weitere Vorgehen ab und kommunizieren die Ergebnisse mit einer inhaltlichen Stimme – auch an die Medien und sonstige Öffentlichkeit. Nur durch die eiserne Disziplin aller Beteiligten ist es möglich, die so noch nie da gewesene Situation mit der nötigen Gelassenheit zu bewältigen. Stress kommt durch die immer neuen Herausforderungen von alleine: der Hochwasserscheitel rollt an, die stabile Lage des Schiffes ist gefährdet, der Rumpf ist von Eis überzogen, in den Ladetanks hat sich Wasserstoff gebildet, die Säure kann nicht abgepumpt werden usw. Das Verständigen über die jeweilige Verantwortung klingt einfach, schließlich ist doch alles gesetzlich geregelt. Die eigenen Aufgaben sind den Beteiligten natürlich präsent. Die Rolle, Aufgaben, Recht, Pflichten und nicht zuletzt Befindlichkeiten der anderen Kräfte und Verantwortlichen nicht unbedingt. Dass an einer Einsatzstelle in Deutschland mindestens zehn Personen mit einer irgendwie gearteten Kennzeichnung „Leiter“ auftauchen, ist eine viel erzählte Anekdote mit wahrem Kern. Für das bereichs- und ebenenübergreifende Krisenmanagement folgt daraus die Empfehlung, eine Kurzdarstellung der eigenen Aufgaben, Pflichten und auch der Erwartungen an die übrigen Beteiligten vorzubereiten. Diese Darstellung ist die Grundlage für die erforderliche verbindliche Abstimmung der Verfahren und Strukturen in der konkreten Lage. In der Realität stellt sich der Prozess als viel unkomplizierter dar, als in gemeinsamen Planbesprechungen und Übungen; durch Handlungs- oder Zeitdruck ist die Einigungsbereitschaft an pragmatischen und weniger an grundsätzlichen Aspekten orientiert.

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krisenmanagement

Medien- und Öffentlichkeitsarbeit Dass verschiedene Beteiligte in einer Lage zusammenwirken, wird oft in den Medien offenbar. Während die Expertin der einen Behörde die Lage so einschätzt, sieht das der Sprecher der Einsatzkräfte völlig anders. Das Sprechen mit einer Stimme ist damit ein Indikator für die Güte der Zusammenarbeit der Beteiligten. Das große Medieninteresse an der Havarie der Waldhof bietet eine gute Grundlage für Untersuchungen zu Krisenkommunikation. Da-

Dabei ist ein Aspekt hervorzuheben, der leider für viele Stäbe immer noch nicht selbstverständlich ist: Kommunikation ist eine Interaktion! Neben der Verbreitung eigener Erkenntnisse und Ansichten gilt es einen so genannten Rückkanal zu eröffnen. Der Informationsbedarf von Bürgerinnen und Bürgern, Binnenschiffern, Rheinunter- und -oberliegern, Häfen, Politikern wird vielfach in den Fragen der Medienvertreter gebündelt. Die Lösung im Falle Havarie Waldhof hieß „gemeinsames Pressezentrum Loreley“. Hier haben die WSV, der Landkreis und die Reederei gemeinsam eine Anlaufstelle für die Öffentlichkeit geschaffen. Was als nahe liegende Lösung sehr trivial wirkt, ist eines tieferen Blickes würdig: Keine beteiligte Stelle hat darauf bestanden, ihre eigene Identität im Namen wiederzufinden. Ein weiterer Indikator für die gute Zusammenarbeit.

Sonderfall „Neue Medien“

Die Bergung der Waldhof stellte sich schon früh als sehr schwierig und gefährlich heraus. (Fotos: WSA Bingen)

bei ist die umfangreiche Medienberichterstattung der klassischen Medien (Zeitung, Funk, Fernsehen) auch Wochen später noch gut im Internet zugänglich. Entscheidungen wurden im Falle der Waldhof nicht nur gemeinsam gefällt, sondern auch gemeinsam nach außen vertreten. Offen und ehrlich wurde über den Sachstand, insbesondere aber auch über Perspektiven der Bergung berichtet. Dabei wurden auch die Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten, die Unsicherheiten und möglichen Rückschläge, klar kommuniziert. Die Binsenweisheit der Krisenkommunikation, „ehrlich währt am längsten“, wurde bestätigt. Das zeigt das Lob des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck deutlich: „Der öffentliche Umgang mit den Informationen und den einzelnen Schritten der Bergung hat die Bevölkerung beruhigt und entsprechend eingebunden.“ (Pressemitteilung der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, 28.02.2011).

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Seit geraumer Zeit wird im Kontext Krisenmanagement über die Chancen und Risiken neuer Medien diskutiert. Einerseits geht es um die Bedeutung zur Lagebildgewinnung, andererseits um die Möglichkeit zur Verbreitung von Informationen und damit die mittelbare Einflussnahme auf bestimmte (Ziel-)Gruppen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung hat während der Havarie Waldhof Erfahrungen gesammelt, die sicherlich zu einem gewissen Teil auf andere Bereiche übertragbar sind. Durch die Beobachtung und Auswertung von Foren der Binnenschifffahrt konnte deren Informationsbedarf ermittelt und die Stimmungslage eingeschätzt werden. Häufig gestellte Fragen oder heftig diskutierte Aspekte konnten umgehend aufgegriffen und im Rahmen von Presseerklärungen oder gezielten Newslettern (bspw. „Information an die Schifffahrt“) beantwortet werden. Natürlich gab es auch zahllose individuelle Anfragen unmittelbar an die Einsatzkräfte. Behördliche E-Mail-Adressen folgen üblicherweise einer gewissen Logik, so dass eine Bekanntmachung von personalisierten Adressen überflüssig ist. E-Mails von Dritten zu beantworten ist allerdings eine Tätigkeit, von der das Personal an der Einsatzstelle verschont bleiben sollte. Der ohnehin umfangreiche Informationsfluss kann in der Regel nur durch Funktionsadressen sinnvoll kanalisiert werden.


Nachbereitung als Bestandteil des Krisenmanagements Das Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen, das auf dem Motorschiff Mainz seine schwimmende Einsatzzentrale eingerichtet hatte, unterzieht zurzeit die eigenen Verfahren und Strukturen für die Krisenbewältigung einer kritischen Revision. Das schließt auch die vorhandene Ausstattung ein. Dabei wird das Zusammenwirken innerhalb der eigenen Hierarchien (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bis zum BMVBS) am Beispiel der Havarie Waldhof untersucht, um für alle Bereiche der Wasserund Schifffahrtsverwaltung in Deutschland Erkenntnisse zu gewinnen. Die hierauf verwendete Zeit ist eine gute Investition. Die systematische Auswertung und Aufbereitung der Erkenntnisse sowie die Diskussion der Folgerungen wird dazu führen, bei künftigen Lagen gut vorbereitet agieren zu können. Neben der Binnenbetrachtung innerhalb der WSV gilt es gemeinsam mit den übrigen Beteiligten die Havariebewältigung nachzubereiten. Die Untersuchung der Schnittstellen der unterschiedlichen Behörden kann dazu führen, die eigene (Stabs-)Organisation zu überdenken und Funk­tionen neu zu definieren. Beispielsweise gibt es derzeit im WSA Bingen keinen vorbestimmten Personenkreis für die Aufgabe „Lageerfassung/-darstellung“ und damit auch keine einheitliche Ausbildung. Art, Umfang und Qualität der Aufgabenwahrnehmung im Krisenfall sind aktuell innerhalb der WSV nicht standardisiert und so letztlich von vielen zufälligen Faktoren abhängig. Die Aufrüstung des Bereisungsschiffes Mainz zu einer schwimmenden Einsatzzentrale erfolgte während der Havarie. Erste konzeptionelle Überlegungen der WSV und des BBK dazu erfolgten bereits Anfang des Jahres 2010. Mit Improvisationstalent und dem guten Willen aller Beteiligten wurde die Mainz zügig so ausgerüstet, dass eine grundlegende Arbeitsfähigkeit für den Stab des WSA Bingen gegeben war. Die Möglichkeit, auf dem Schiff auch Besprechungen mit vielen Teilnehmern durchführen sowie die Unfallstelle und den Havaristen aus der Nähe in Augenschein nehmen zu können, machten die Mainz schnell zu einem integralen Bestandteil der Krisenbewältigung. Jetzt gilt es die Erfahrungen zu konservieren und den nachgewiesenen zusätzlichen Nutzen des Schiffes zu verstetigen.

WSV und BBK arbeiten bei der Nachbereitung zusammen, um die Erkenntnisse und Erfahrungen zu konservieren und zu verbreiten, die auch für andere Behörden und Organisationen von Interesse sind.

Fazit Die Bewältigung der Havarie der Waldhof verlief, das zeigen die bisherigen Nachbetrachtungen, überwiegend gut. Ursächlich hierfür war, dass die Beteiligten ihre jeweiligen Kompetenzen zur VermeiDie rund um die Uhr besetzten Revierzentralen sind die operative Schnittstelle zwischen Schiffern und Verwaltung. Sie senden regelmäßig Lageberichte aus, nehmen Unfallmeldungen entgegen und leiten bei Havarien Hilfsmaßnahmen ein. Über den nautischen Informationsfunk werden von der Revierzentrale Oberwesel Meldungen der Schifffahrt (z.B. Havarien, Grundberührungen, Tonnenverluste usw.) auf der Rheinstrecke von Iffezheim (Rheinkm 334,0) bis Rolandseck (Rhein-km

642,2), auf dem Main zwischen Hanau und der Mündung in den Rhein sowie auf dem Neckar zwischen Heilbronn und Feudenheim, entgegengenommen und an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Aktuelle Anordnungen, Hinweise und Warnungen an die Schifffahrt sowie aktuelle Wasserstände werden über Funk ausgestrahlt. Die Revierzentrale Oberwesel steuert die Lichtwahrschau zwischen Oberwesel (km 550,57) und St. Goar (km 555,43).

dung und Beseitigung von Schäden einbrachten. “Wir haben hier kein Kompetenzgerangel, sondern eine großartige Gemeinschaftsleistung und gegenseitige Unterstützung erlebt.“ fasste Kurt Beck die Gründe für den Erfolg zusammen. Aus den zahlreichen Gesprächen während und nach der Havarie wurde allerdings auch deutlich, dass bei anderen personellen Konstellationen ein ungünstigerer Verlauf denkbar gewesen wäre. Daher müssen die Faktoren, die zum Erfolg beigetragen haben, als gute Praxis kommuniziert werden. Dort wo kritische Momente für das ebenen- und bereichsübergreifende Krisenmanagement identifiziert werden, gilt es, Verfahren und Strukturen zu entwickeln, die positive Entwicklungen befördern.

Ulrich Zwinge leitet das Aufgabenfeld Organisation mit den Aufgaben Stellenbewirtschaftung, IT-Technik, Arbeitssicherheit, Innerer Dienst und Öffentlichkeitsarbeit; gleichzeitig ist er Pressesprecher der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd-West. Giulio Gullotta leitet das Referat „Grundlagen, Krisenmanagement“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das auf Grundlage von Real- und Übungserfahrungen Erkenntnisse für den Bevölkerungsschutz ableitet.

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FORUM

Führen mit System Das Einsatz- und Organisationssystem (EOS) des ASB Anlässlich der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006 begann innerhalb des ASB eine Diskussion darüber, wie eine Hilfsorganisation auf die gestiegenen Anforderungen im Bereich des Einsatzmanagements reagieren kann. Was 2006 als Diskussion begann, mündete in einen strategischen Prozess zur Weiterentwicklung der Hilfsorganisation ASB. Aus diesem Prozess entstand die Forderung nach einem modernen Werkzeug zum Einsatzmanagement sowie zur Organisation und Koordination innerhalb des Arbeiter-Samariter-Bundes für die vielfältigen Aufgabenbereiche im Bevölkerungsschutz. Durch Entwicklung und Einführung des webbasierten Einsatzmanagement- und Organisationssystems, kurz ASB-EOS, verfügt der ASB über ein effektives Werkzeug sowohl zur Koordination als auch zur gesamtverbandlichen Zusammenarbeit für den Bevölkerungsschutz. ASB-EOS: eine gesamtverbandliche Lösung Zu Beginn der Entwicklung von ASB-EOS galt es, die föderalen Strukturen und die unterschiedlichen Aufgabenbereiche innerhalb der ASB-Gliederungen auf lokaler Ebene abzubilden. Eine EDV-basierte Anwendung sollte vor allem auf Ebene der ASB-Gliederungen zum Einsatz kommen und darüber hinaus die gesamtverbandliche Koordination, Kommunikation und Zusammenarbeit fördern. Um diese Ziele miteinander zu vereinbaren, wurden zu Beginn der umfangreichen Neu- und Weiterentwicklung die ehrenamtlichen und hauptamtlichen

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Experten des Verbandes zu einem zentralen Workshop eingeladen, an dessen Ende der Wunsch nach modernen Systemen zur Einsatzbearbeitung und zur Organisation innerhalb der ASB-Gliederungen sowie der nach einer engen Zusammenarbeit innerhalb des Verbandes bei komplexeren Einsatzsituationen standen. Daraus ist ein System entstanden, das aus zwei wesentlichen Komponenten besteht: zum einen dem Einsatzmanagementsystem zur Bewältigung komplexer Einsatzlagen sowie zur Unterstützung der Einsatz- und Führungskräfte bei der Kommunikation und Koordination. Und zum anderen dem Organisationssystem zur Bewältigung der „Alltagsaufgaben“ in einer Hilfsorganisation. Das Einsatzmanagementsystem von ASB-EOS Auf Grundlage der bestehenden Systemanwendung der Firma Ruatti-Systemtechnik wurde das Einsatzmanagementsystem von ASB-EOS auf die Bedürfnisse des ASB angepasst. Dabei spielten vor allem die einfache Handhabung der Funktionen sowie die Adaption der Systemumgebungen auf die unterschiedlichen Anforderungen innerhalb der ASBStrukturen eine wesentliche Rolle. Das Kommunikationsmodul innerhalb von ASB-EOS ist der Kernbereich der webbasierten Anwendung. Zur Steuerung von Informationen, zur Überwachung von Einsatzabläufen und zur Koordination der anfallenden Aufgaben bei unterschiedlichen Einsatzlagen wird das Kommunikationsmodul in Einsatzleitungen und Aufbauorganisationen eingesetzt. Dabei ist eine permanente Dokumentation aller Aktionen durch ein interaktives Einsatztagebuch gewährleistet. So werden auch alle Veränderungen der Lagedarstellung im Einsatztagebuch dokumentiert. Diese stammen aus der interaktiven Lagekarte, die nicht nur an einem zentralen Ort geführt werden kann, sondern durch entsprechende Schnittstellen auch eine Lagebearbeitung und Lageübersicht an dezentralen Orten ermöglicht. Neben den bekannten taktischen Zeichen aus der Dienstvorschrift 102 werden in der Lagekarte auch die eingegebenen Ressourcen eingetragen und mit Geodaten verknüpft, sodass taktische Entscheidungen auf Grundlage von Echtdaten erfolgen können. Als Hilfsorganisation ist der ASB in hohem Maße mit der sanitätsdienstlichen Versorgung von Erkrankten und Verletzen betraut. Darum bietet


ASB-EOS ein umfassendes Modul für die Patientendokumentation. Neben der Führungsunterstützung bei größeren Einsätzen soll ASB-EOS auch bei kleineren sanitätsdienstlichen Aufgaben eingesetzt werden, sodass eine flexible Anpassung der Systemstrukturen ermöglicht wurde. Das Organisationssystem von ASB-EOS Die Basis zur Neuentwicklung bildete die Sammlung von über 1000 Informationen und Datensätzen, die ASB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in einem zentralen Workshop entwickelt haben. Daraus entstand die Idee, das ASB-EOS als Plattform aufzubauen, die auf Ebene der ASB-Gliederungen eingerichtet wird. Allen aktiven Helferinnen und Helfern und allen Führungskräften steht der Zugang offen. Die Anmeldung erfolgt auf Ebene der lokalen ASB-Verbände, sodass die Eigenständigkeit innerhalb des Gesamtverbandes und die Datensicherheit gewährleistet bleiben. Mit dem Organisationssystem lassen sich Personalressourcen, Fahrzeuge und Einheiten organisieren. Insbesondere die Helferverwaltung, bei der die Einsatzkräfte einen großen Teil ihrer Daten in Eigenregie pflegen können, umfasst zahlreiche Informationen zur Speicherung und zur Organisation in den Gliederungen des ASB. Zur Kommunikation mit den Einsatzkräften stehen eine SMS-Schnittstelle und ein E-Mail-System zur Verfügung. Mit einem Modul zur Planung von Einsätzen bereitet sich der ASB auch auf die gestiegenen Anforderungen von Kunden vor. Gemeinsam mit dem Entwicklerteam der Firma Ruatti-Systemtechnik ist es gelungen, das Organisationssystem innerhalb von ASB-EOS so zu konzipieren, dass alle Informationen auswertbar sind und die Möglichkeit besteht, die Daten miteinander zu verknüpfen. So kann der ASB mit diesem webbasierten System auf die Anforderungen im Bevölkerungsschutz, insbesondere auf die unterschiedlichen Anfragen, reagieren.

mit ASB-EOS organisiert. Die Großveranstaltung Köln-Marathon konnte damit ebenso geleitet werden wie die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2010 in Berlin. Um sicher auf Einsätze vorbereitet zu sein und als Unterstützung bei der lokalen Einführung bietet der ASB-Bundesverband seinen Gliederungen Schulungen an. So wurden bereits über 200 Einsatzkräfte zwischen 2010 und März 2011 geschult. Das Organisationssystem von ASB-EOS befindet sich

Der neue ASB-Einsatz- und Organisationssoftware (EOS) war bereits beim Köln-Marathon 2009 erfolgreich. (Foto: ASB/Gabriele Altmann)

aktuell in der Phase der Einführung und Weiterentwicklung. Über 50 ASB-Gliederungen beteiligen sich an den laufenden Tests zur Verbesserung der Systeme, sodass schon bald ASB-EOS zu einem zentralen Werkzeug des ASB im Bevölkerungsschutz werden wird. Daniel Gelbke

Einsätze und Einführung Im Rahmen erster Tests wurden zunächst, unterstützt durch die Firma Ruatti, die ersten geplanten Einsätze mit ASB-EOS koordiniert. So wurden die Kieler Woche 2009 und 2010 durch den ASB unter Beteiligung anderer Organisationen und Behörden

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FORUM

im Bereich der Aus- und Weiterbildung mit den Mitgliedsländern. THW-Einheiten im Europäischen Bevölkerungsschutz

Der Beitrag des THW im EU-Gemeinschaftsverfahren Im Oktober 2001 wurde mit dem Europäischen Gemeinschaftsverfahren der Grundstein für eine EUweite Zusammenarbeit im Zivil- und Katastrophenschutz gelegt. Es stellt Mechanismen zur verbesserten Kooperation und Koordination von Kräften des Zivil- und Katastrophenschutzes der beteiligten Staaten bei größeren inner- und außereuropäischen Schadenslagen bereit. Neben den 27 Mitgliedsstaa-

Beim schweren Hochwasser in Polen 2010 konnten die HCP-Module ihr Leistungsvermögen unter Beweis stellen. (Quelle: THW/Dietrich Riedel)

ten sind Island, Lichtenstein, Norwegen und Kroatien am Verfahren beteiligt. Mittlerweile wird das Verfahren mehr als zehn mal pro Jahr aktiviert. Das THW leistet als Einsatzorganisation des Bundes im Bevölkerungsschutz auch einen Beitrag auf EU-Ebene. Es stellt Expertinnen und Experten sowie Einsatzteams im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens bereit, richtet internationale Großübungen aus oder beteiligt sich an ihnen und kooperiert

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Ein zentraler Bestandteil des EU-Gemeinschaftsverfahrens ist die Aufstellung von Modulen. Ein Modul ist eine standardisierte Einsatzeinheit, deren Aufgaben, Anforderungen, Größe oder Zusammensetzung von den Mitgliedsländern definiert wurden. Die EU-weiten Standards erleichtern die Planungen und Koordinierungen der internationalen Einsätze. Für internationale Einsätze stellen die Mitgliedsstaaten Module bereit; das THW hat insgesamt 13 Modul-Einheiten gemeldet. Die Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA) ist sowohl als Medium als auch als Heavy Urban Search and Rescue Modul (MUSAR/ HUSAR) registriert. Die SEEBA ortet und rettet verschüttete Personen und war zuletzt nach dem schweren Erdbeben in Japan im Einsatz. Die Schnell-Einsatz-Einheit Wasser Ausland (SEEWA) ist mit drei Water Purification Modulen (WP) für das Gemeinschaftsverfahren gemeldet. Das Modul wird für die Wiederaufbereitung von Wasser eingesetzt und versorgte zuletzt die haitianische Bevölkerung nach dem schweren Erdbeben im Januar 2010 mit Trinkwasser. Zusätzlich stellt jeder der acht Landesverbände ein High Capacity Pumping Modul, das bei schweren Überflutungen zum Abpumpen von Wasser zum Einsatz kommt und zuletzt 2010 in Polen half. In Kooperation mit dem schwedischen Katastrophenschutz MSB stellt das THW seit September 2010 ein Emergency Temporary Shelter Modul (ETS) bereit, das innerhalb von kurzer Zeit die Unterbringung von bis zu 1000 Personen in einem Zelt-Camp samt Infrastruktur, wie Trinkwasser- und Stromversorgung, gewährleisten kann. Das THW unterstützt die EU mit Expertinnen und Experten Vor einem Einsatz mit Modul-Einheiten entsendet die EU meist Expertenteams auf Erkundungsmissionen, um das Ausmaß einer Katastrophe und die benötigte Hilfe einschätzen zu können. Zu diesen Expertinnen und Experten gehören immer wieder Angehörige des THW. Im Einsatzgebiet koordi-


nieren sie die Maßnahmen der verschiedenen Organisationen und leisten technische Beratung. Die Erkundungs- und Koordinierungsexpertinnen und -experten werden von den Organisationen der Mitgliedsstaaten ernannt und im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens für internationale Einsätze ausgebildet; unter anderem auch an der THW-Bundesschule in Neuhausen. Für die Zeit des Einsatzes unterschreiben sie einen Vertrag mit der Europäischen Kommission und werden von ihr entsandt. Zusätzlich hat das THW ein technisches Unterstützungsteam (TAST) aufgestellt. Ziel des TAST ist es, die Erkundungs- und Koordinierungskräfte durch administrative, technische und logistische Tätigkeiten zu unterstützen. Die flexibel aufgestellten TAST können, je nach Schadenslage, in unterschiedlichen Mannschaftsstärken oder auch in Kombination mit einem Modul eingesetzt werden, um ein autarkes Arbeiten zu ermöglichen. Die Unterstützung reicht von Büro- und Verwaltungsaufgaben sowie Transportunterstützung bis zum Aufbau der autarken Energieversorgung und Telekommunikation. Der Austausch von Experten verknüpft Wissen und verbindet Seit 2006 ist das THW Programmkoordinator für das EU-Austauschprogramm Exchange of Experts. Über das EU-finanzierte Projekt werden Besuche von Expertinnen und Experten untereinander koordiniert und gefördert, um EU-weit die Kompetenzen der Bevölkerungsschutzorganisationen zu verknüpfen und zu verbessern. Bei den internationalen Fort- und Weiterbildungen sollen sich die Organisationen besser kennenlernen, Kontakte knüpfen und Netzwerke für zukünftige Kooperationen bilden. So war im April eine Delegation der Tschechischen Feuerwehr in der THW-Bundesschule zu Gast und informierte sich über de Gebäudeabstützsysteme des THW. In enger Absprache mit dem Bundesministerium des Innern beteiligt sich das THW ebenfalls an der Weiterentwicklung des EU-Gemeinschaftsverfahrens. Ein Anliegen ist die Vertiefung des ModulSystems, um die Schnelligkeit und Effizienz der Module zu erhöhen. Hierfür sollen standardisierte Anleitungen und Einsatzabläufe entwickelt werden. Des Weiteren tritt das THW für einen Ausbau der Zusammenarbeit mit dem Amt für die Koordinierung

humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN-OCHA) ein. Auch 2011 ist das THW in mehrere Projekte des EU-Gemeinschaftsverfahrens integriert. Zusammen mit dem schwedischen Katastrophenschutz MSB plant das THW den Aufbau von Camp Support Units, die zum Aufbau und zur Verbesserung von Herzstück des EU-Gemeinschaftsverfahrens ist das Informations- und Beobachtungszentrum (MIC) in Brüssel. Es sammelt zentral Informationen über Gefahrenlagen und Katastrophen und leitet sie an die teilnehmenden Länder weiter. Im Kata-

strophenfall wenden sich die betroffen Staaten mit ihren Hilfegesuchen direkt an das Zentrum. Dort ermittelt man einsatzbereite Teams und Experten und vermittelt hilfesuchende und hifestellende Länder.

Infrastruktur in improvisierten Notunterkünften eingesetzt werden. Mit anderen Organisationen aus Deutschland, Italien und den Niederlanden werden Handlungsanweisungen für die psychosoziale Notfallversorgung von Einsatzkräften nach ABC-Einsätzen entwickelt. In einem weiteren EU-Projekt treten MSB und THW als Projektpartner der kroatischen und slowenischen Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen auf. Durch gemeinsame Übungen sollen die Organisationen in der Region vernetzt und an das EU-Gemeinschaftsverfahren herangeführt werden. So leistet das THW gemeinsam mit seinen Partnern auch in diesem Jahr seinen Beitrag zur Verbesserung der Kooperation und Koordination von Kräften des Zivil- und Katastrophenschutzes in Europa. Christoph Seidensticker

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Hochwasser am Main DLRG Würzburg trotzt den Fluten Die Fertigstellung eines umfassenden mobilen Hochwasserschutzes für Würzburg vor einigen Jahren hindert den Main seither vor dem Eindringen in

Mit der „Schlauchboot-Fähre“ zum trockenen Ufer. (Foto: Bernd F. Fertig)

die Innenstadt. Doch die im Stadtteil Heidingsfeld unmittelbar am Fluss gelegene Wache des DLRG Ortsverbandes Würzburg profitierte von diesen Schutzmaßnahmen nicht. Mit der Ankündigung eines Hochwassers für die zweite Januarwoche in Nordbayern machte sich die DLRG Würzburg auf, die Garagen auszuräumen sowie Tauchhalle und Druckkammer durch Holzwände und Sandsäcke zu schützen. Gerade noch

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rechtzeitig, denn am 10. Januar erreichte das trübe Wasser nachmittags die erste Ecke des Gebäudes bei einem Pegelstand von 5,10 m. Nach letzten Arbeiten im Freien, etwa der Installation einer „Schlauchboot-Fähre“ zu einem gegenüber liegenden Grundstück per Leine, beschloss eine kleine Wachmannschaft, die Nacht auf der Wachstation zu verbringen, um die Funktion der Pumpen und Schutzwände sicherzustellen. Es sollte nicht die letzte Nacht bleiben, denn am folgenden Tag stieg der Pegel auf 6,29 m. Das Treppenhaus und alle Seiten der Station waren hüfttief überflutet. Kein Problem, hatten die Würzburger Einsatzkräfte doch aus den nicht geschützten Bereichen der Wache alle Gegenstände in Sicherheit gebracht. So gab es für die Wasserrettungskräfte lediglich einen Einsatz: Ein Geländewagen hatte in unmittelbarer Nähe der Wachstation versucht, eine überflutete Straße zu durchqueren. Leider unterschätzte der Fahrer die Höhe des Wassers. Die Einsatzkräfte mussten das geländegängige Fahrzeug aus dem Wasser ziehen und auf einen höher gelegenen Parkplatz schleppen. Donnerstag war das Wasser aus dem Gebäude abgelaufen, die Reinigungsarbeiten abgeschlossen, als abends starker Regen im Einzugsgebiet des Mains einsetzte. Die Vorhersage prognostizierte noch mehr Hochwasser in den kommenden Tagen. Alles Klagen nutzte nichts, Schutzwände wurden erneut aufgebaut und am Sonntag (16.Januar) vormittags wieder Quartier im ersten Stock bezogen. Der Hochwassernachrichtendienst sagte eine weitere Hochwasserwelle vorher. In der Nacht zum Montag erreichte der Pegel seinen Höchststand bei 6,42 m, nur knapp unter der Marke des Jahres 2003. Auch diesmal bewährten sich die Schutzmaßnahmen, denn in die sensiblen Bereiche der Station drangen nur geringe Wassermengen ein, sodass diese leicht aus dem Haus gepumpt werden konnten. Lediglich Treppenhaus und Garage standen wieder unter Wasser. Die braunen Fluten kamen erst deutlich über dem Türschloss zum Stillstand. Ohne größere Probleme hat die Wachstation der DLRG in Würzburg einmal mehr ein spektakuläres Hochwasser überstanden. Dank unzähliger Arbeitsstunden der Mitglieder wurden Schäden am Gebäude und Material auch ohne städtischen Hochwasserschutz verhindert. Bernd F. Fertig


ranten zum Beispiel in der Jugendfeuerwehr oder im THW ist sehr, sehr gering. Das entspricht nicht so sehr der Tradition. Ich glaube, alle Ehrenamtlichen sollten auch offen für diejenigen sein, die vielleicht noch nicht auf die Idee gekommen sind, so etwas zu machen.“ Für die Feuerwehren waren folgende Ehrenamtliche dabei:

Merkel: Lob für Ehrenamtsarbeit in Feuerwehren Lob für die ehrenamtliche Arbeit, die mehr als 23 Millionen Menschen in Deutschland leisten, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Empfang in Berlin aus. Stellvertretend für die mehr als eine Million Feuerwehrangehörigen, die bundesweit aktiv sind, waren je zwei junge Feuerwehrfrauen und -männer ins Bundeskanzleramt eingeladen worden. In ihrer Rede vor den rund 200 Gästen führte die Bundeskanzlerin die Feuerwehr mehrfach als gutes Beispiel für erfolgreiche ehrenamtliche Arbeit auf. „Wir freuen uns über die Wertschätzung, die das ,Netz der Helfenden Hände‘ dadurch erfährt“, erklärt Hans-Peter Kröger, Präsident des Deutschen Feuerwehrbandes (DFV). Angela Merkel lobte die Zusammenarbeit von Freiwilligen und Berufsfeuerwehren: „Bürgerschaftliches Engagement soll also mit Professionalität Hand in Hand gehen. Wir kennen das zum Beispiel von der Freiwilligen Feuerwehr und der Berufsfeuerwehr. Da gibt es staatliche Leistungen, wie Ausrüstung und Gerätschaften, und gleichzeitig die Bereitschaft der Arbeitgeber, Freistellungen vorzunehmen“, erläuterte sie. Unter dem Motto „Gemeinsam geht’s – Menschen helfen Menschen“ waren Vertreterinnen und Vertreter aller Ehrenamtsrichtungen nach Berlin eingeladen worden. Neben der Vielfalt des möglichen Engagements wies die Bundeskanzlerin auch auf die Vielfalt der Engagierten hin – und das Potenzial, das es hier noch weiter auszuschöpfen gilt: „Es gibt natürlich das Thema, dass viele Migranten in den klassischen Bereichen des Ehrenamts noch längst nicht so engagiert sind, wie wir es in Deutschland kennen und wie es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht. Der Anteil von Migrantinnen und Mig-

• Eike-Sören Kleeblatt (17), aktiv in der Freiwilligen Feuerwehr Dibbersen (Niedersachsen), rettete seinen Vater Weihnachten 2010 aus der eiskalten Ostsee, wurde dafür mit dem Deutschen Feuerwehr-Ehrenkreuz in Silber des DFV ausgezeichnet • Max Julius Roehrich (17), aktiv in der Jugendfeuerwehr Flensburg (Schleswig-Holstein), seit 2009 Bundesjugendsprecher der Deutschen Jugendfeuerwehr • Fatima Kelfah (20), seit kurzer Zeit aktiv in der Freiwilligen Feuerwehr Wootz (Brandenburg), im Einsatz unter anderem im Hochwasser 2011 • Andrea Steffen (26), Industriekauffrau, aktiv im Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Hordorf/Bode (Sachsen-Anhalt)

Umfrage: Feuerwehren erneut Vertrauenssieger

95 Prozent der Deutschen haben ein hohes Vertrauen in die Feuerwehr – damit sind die Brandschützer zum neunten Mal in Folge Sieger in der repräsentativen Umfrage des Magazins „Reader’s Digest“. Hans-Peter Kröger, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), freut sich über den Spitzenplatz: „Dies zeigt, dass das

haupt- und ehrenamtliche Engagement vor Ort ankommt.“ Auch europaweit sind Feuerwehrangehörige ganz vorne: 93 Prozent der Befragten sprachen ihnen sehr hohes bzw. ziemlich hohes Vertrauen aus. Hier wie auch in der nationalen Wertung gab es einen Zuwachs von je einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

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Das Deutsche Komitee Katastrophenvorsorge (DKKV e.V.) stellt sich vor Die aktuellen Ereignisse belegen einmal mehr die zwingende Notwendigkeit, Katastrophenvorsorge in Entwicklungsentscheidungen unserer Gesellschaft zu integrieren. Katastrophenvorsorge ist eine fachübergreifende Aufgabe, um ein wirkungsvolles Risiko- und Krisenmanagement zu ermöglichen. Das Deutsche Komitee Katastrophenvorsorge e.V. (DKKV) versteht sich als ein Dialogforum, um unsere Gesellschaft zu informieren, um die verschiedenen Akteure und Disziplinen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Bevölkerungsschutz zusammenzuführen und um eine Vernetzung der verschiedenen Aktivitäten zu erreichen. Das DKKV ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Es besteht aus ehrenamtlichen Mitgliedern; geführt wird es von einem Vorstand. Vorsitzender ist Gerold Reichenbach. Neben der Mitgliederversammlung verfügt es über einen Wissenschaftlichen und einen Operativen Beirat, die als Fach- und Beratungsgremien dienen. Im DKKV engagieren sich ca. 110 Organisationen, Institutionen und Experten. Ziel ist es, Risikobewusstsein und Katastrophenvorsorge in das Denken und Handeln von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu integrieren. In enger Kooperation mit Partnern in Europa und weltweit arbeitet das DKKV unter dem Schirm der Internationalen Strategie zur Katastrophenvorsorge der Vereinten Nationen (ISDR). Im Rahmen der ISDR wurde das DKKV durch die Bundesregierung als Nationale Plattform zur Katastrophenvorsorge benannt. Der weltweite Dachverband der Wissenschaften (ICSU) hat das DKKV als Nationales Komitee im Rahmen seines Programmes zur integrierten Forschung für Katastrophenvorsorge anerkannt. Aktionsfelder des DKKV sind Politikberatung, Vernetzung, Wissensmanagement, die konzeptio-

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nelle Weiterentwicklung des Katastrophenmanagements und Beratung der Wissenschaft aus der Praxis. Ein aktuelles Thema ist die verbesserte Nutzung von Fernerkundungsdaten sowohl zur Risikoerfassung als auch zur Unterstützung des Katastrophenmanagements. Das DKKV nimmt im Rahmen eines Projektes der Europäischen Kommission die wichtige Verbindungsstelle zwischen den Möglichkeiten des europäischen „Global Monitoring for Environment and Security“ Systems und den Bevölkerungsstrukturen in acht europäischen Ländern wahr. Das DKKV möchte in Zukunft regelmäßig über aktuelle Themen der Katastrophenvorsorge in Bevölkerungsschutz berichten.

Das Japanische Rote Kreuz verstärkt seine Hilfsmaßnahmen Einen Monat nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan versorgt das Japanische Rote Kreuz weiter die Opfer im Katastrophengebiet. Nachbeben und der Nuklearunfall in Fukushima erschweren die Arbeit der Helfer vor Ort. „Japan ist eines der größten Geberländer in der Entwicklungshilfe und dem Katastrophenschutz weltweit, aber heute sind wir für die Freundlichkeit und das Mitgefühl dankbar“, sagt Tadateru Konoé, Präsident des Japanischen Roten Kreuzes und Chef der Föderation der Rotkreuz- und Rothalb­ mondgesellschaften. „Ich bin überwältigt von der Solidarität, dem Mitgefühl und der Großzügigkeit, die Menschen aus allen Ländern der Welt uns entgegenbringen“. In Deutschland wurden bisher vier-


zehn Millionen Euro an Spenden für das Rote Kreuz gesammelt. Noch immer sind im Katastrophengebiet rund 188.000 Menschen obdachlos und in 2.200 Notunterkünften untergebracht. Nachbeben und der Nuklearunfall in Fukushima erschweren den Hilfseinsatz zusätzlich. Das Japanische Rote Kreuz betreut diese Menschen medizinisch und steht ihnen

Ein Säugling wird mit dem Fläschchen versorgt. (Foto: DRK)

auch mit psycho-sozialer Beratung zur Seite. 579 medizinische Teams versorgen die Menschen in Krankenhäusern und Notlagern. Sie kümmern sich aber auch um ältere und gebrechliche Japaner, die in abgelegenen Regionen betreut werden müssen. Bisher wurden 125.000 Decken und fast 200.000 Kleidungsstücke durch die Helfer verteilt. Daneben geben die Helfer Hausrat im Wert von 110 Millionen Euro an die Bewohner von 70.000 Behelfshäusern, denen nichts geblieben ist. Das Japanische Rote Kreuz wird ein spezielles Komitee einrichten,um regelmäßig über die Verwendung der Spenden aus aller Welt zu berichten. Der japanische Rotkreuz-Präsident Konoé versprach, die Spenden transparent einzusetzen, sodass den Menschen in den betroffenen Gebieten schnell und gerecht geholfen werden kann Grundsätzlich fließen die Mittel in die Soforthilfe, den Wiederaufbau und in die Katastrophenvorsorge.

Im Auftrag der Europäischen Union Die Johanniter sind seit 2006 im EU-Katastrophenschutz tätig und entwickeln ihr Engagement stetig weiter. So werden seit 2009 Ehrenamtliche in verschiedenen Teams aus- und fortgebildet, um Einsätze der Europäischen Kommission maßgeblich zu unterstützen. Dreimal pro Jahr findet der länderübergreifende „Assessment Mission Course (AMC)“ im Auftrag der Europäischen Kommission auf Zypern statt. Die Johanniter richten diesen KatastrophenschutzKurs schon seit vier Jahren gemeinsam mit dem THW und anderen internationalen Partnern und Trainern aus. Die Teilnehmer proben anhand eines fiktiven Szenarios den Ernstfall in Theorie und Praxis. Schwerpunkt sind verschiedene Lage-Erkundungen. In den vergangenen zwei Jahren konnten darüber hinaus drei Projekte mit der Europäischen Kommission gestartet werden: EUTAC, EURAMET und EURETS. Die Namen stehen für drei multinationale Teams, zu denen auch Johanniter-Helfer gehören. Die gut ausgebildeten Kräfte können auf unterschiedliche Weise einen Einsatz der Europäischen Kommission unterstützen. Das Team EUTAC (European Technical Assistance Cooperation) besteht aus zyprischen und deutschen Ehrenamtlichen. Sie sind darauf vorbereitet, internationale Experten in Katastrophenfällen bei Erkundung und Koordinierung zu unterstützen. „Die Johanniter stellen ein qualifiziertes Technical Assistance und Support Team, kurz TAST. Dieses Unterstützungs-Team, das sich auf Administration, (Tele-)Kommunikation, Transport sowie Unterbringung und Verpflegung konzentriert, kann auf Anforderung der Europäischen Kommission innerhalb weniger Stunden ausreisen“, erklärt Sabine Lurz, Koordinatorin für Projekte im EUKatastrophenschutz der Johanniter-Auslandshilfe. Das EURAMET (European Aerial Medical Evacuation Team) ist dafür zuständig, europäische Bürger aus Krisen- und Katastrophengebieten an

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einen zentralen Punkt in Europa zurückzubringen und medizinisch sowie psychosozial zu begleiten. Das Team setzt sich aus Ehrenamtlichen des Arbeiter-Samariter-Bundes Österreich, der Slowakischen Republik und dem Kriseninterventionsteam der

sind die Johanniter im Projektmanagement beteiligt und stellen Rettungsassistenten, die die medizinische Betreuung des Personals sichern. Auch hier sind der slowakische Arbeiter-Samariter- Bund und die Landesregierung der Steiermark beteiligt. Verena Götze / Sandra Lorenz

Spielerisch zur Selbsthilfe Kostenloses Onlinespiel für Jugendliche – Probephase läuft

Schwerpunkte des „Assessment Mission Course (AMC)“ sind verschiedene Lage-Erkundungen. (Foto: Andrea Gerriets)

Steiermärkischen Landesregierung zusammen. Seit dem ersten Trainingskurs in Tirol im September 2010 ist es bei der Europäischen Kommission als einsatzbereit gemeldet. Weitere Trainings sind für 2011 geplant und bereits durchgeführt. So trafen sich die deutschen, österreichischen und slowakischen Teammitglieder im Januar und Februar 2011 beim Lufthansa Training Centre am Flughafen Frankfurt, um den Umgang mit Notfällen an Bord zu trainieren. Die Deutsche Lufthansa AG unterstützt das EURAMET-Projekt und stellt vor allem das medizinische und logistische Know-how ihrer Experten zur Verfügung. Das EURETS-Team (European Emergency Temporary Shelter) wird durch den Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs geführt. Es bietet als Modul des europäischen Katastrophenschutzes hauptsächlich in der Anfangsphase einer Katastrophe Notund Behelfsunterkünfte mit allen notwendigen Leistungen an. EURETS konzentriert sich auf die Entwicklung eines Management Systems für Camps gemäß internationalen Standards. Als Juniorpartner

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Hilfsbereitschaft, Engagement und das Wissen, was in einem Notfall zu tun ist: Fähigkeiten, die wichtig sind für eine funktionierende Gesellschaft. Um diese Eigenschaften bei jungen Leuten zu fördern und Spaß am Helfen zu vermitteln, hat die Johanniter-Unfall-Hilfe in Zusammenarbeit mit der Johanniter-Jugend und acht europäischen Partnern ein Online-Spiel entwickelt, das auf unterhaltsame Weise Wissen in Erster Hilfe und Selbsthilfe vermittelt. „Ein verletztes Mädchen liegt blass neben ihrem Fahrrad auf der Straße. Sie hat Schmerzen im Bein. Wie kannst du helfen?“ – Fragen (Quests) wie diese müssen die Teilnehmer des Internet-Spiels „QuestCity“ beantworten, um Erfahrungspunkte und Geld zu sammeln. Doch man muss kein Profi sein, um hier Erfolg zu haben: Die richtigen Hilfsmaß-

Ruhe bewahren, den Verletzten trösten, Notruf absetzen – viele Erste-HilfeSchritte erfordern kein spezifisches Wissen, sondern nur ein wenig Überlegung. „QuestCity“ vermittelt über Spiel und Spannung einen Zugang zur Selbsthilfe.

nahmen sind nämlich bereits vorgegeben – müssen aber in die richtige Reihenfolge gebracht werden. „Der Lerneffekt ist bei dieser Art der Aufgabenstellung groß“, sagt Leander Strate, Fachbereichslei-


ter Einsatzdienste in der Bundesgeschäftsstelle. Er gehört zur Projektgruppe „Online-Selbsthilfe“, die das modern gestaltete Spiel mit einer Agentur entwickeln hat. „Wir haben unser ‚Serious Social Game’ bewusst niedrigschwellig angelegt, denn unsere wichtigste Botschaft lautet: Helfen, egal wie, ist immer besser, als gar nichts zu tun“, betont Strate. Er war als Fachmann für die richtigen Inhalte und die Einbindung des Themas Katastrophenschutz in das Spielkonzept zuständig. Vor allem Zwölf- bis 16-Jährige sollen mit „QuestCity“ erreicht und motiviert werden. Sie können sich über mehrere Stufen von der Hilfe im eigenen Umfeld – dem Level mit einfachen Hilfeleistungen bei Szenarien wie Wespenstich oder Brandblase – bis hin zur weltweiten Katastrophenhilfe hocharbeiten. „Wer genug Erfahrungspunkte, also Kompetenzen, gesammelt hat, ist berechtigt, virtuell ins Erdbebengebiet zu reisen oder Hilfsmaßnahmen nach einer Flutkatastrophe zu starten“, erklärt Strate. Dass man natürlich immer besser werden und seine Spielpartner übertrumpfen möchte, mache gerade den Reiz des Abenteuerspiels aus, meint Projektleiter Harm Bastian Harms. Harms koordiniert die Beteiligung der europäischen Partner. Bisher sind acht Länder und Organisationen bei dem EUgeförderten Projekt dabei. Das heißt, dass Jugendliche in Lettland ebenso teilnehmen können wie ihre Altersgenossen in Norwegen, Slowenien, in Österreich, der Türkei und Zypern. Sie können natürlich auch gegeneinander, besser: miteinander spielen. Länder, die auf eine Übersetzung in die eigene Sprache verzichten, bieten über ihre LandesDomain das Spiel auf Englisch an. Seit März ist die so genannte Beta-Version des Spiels unter www.questcity.eu online. „Eine jugendliche Testgruppe prüft das Spiel gerade auf Herz und Nieren, damit eventuelle Mängel ausgemerzt werden können, bevor das Spiel spätestens ab 2012 als kostenloses Onlinespiel freigeschaltet wird“, verspricht Strate. Tonja Knaak

Einer der Letzten seiner Art Zivildienstleistender rettet Hausnotruf-Kundin das Leben Er war der Held des Tages: Maurice Matuszak, Zivildienstleistender beim Malteser Hausnotruf, hat in der Nacht zum 24. Februar 2011 in Essen einer Frau das Leben gerettet. Die Hausnotruf-Kundin hatte Alarm ausgelöst. Als der 18-jährige Zivi zu ihr fuhr, fand er die Wohnung dicht verqualmt. Auf

Maurice Matuszak rettete eine ältere Frau aus einem brennenden Haus.

Knien näherte er sich der hilferufenden pflegebedürftigen Frau – ihre Matratze hatte aus ungeklärter Ursache Feuer gefangen, und sie hatte sich gerade noch ins Wohnzimmer retten können. Geistesgegenwärtig zog Maurice sie ins Freie, legte ihr eine Wärmedecke um, klingelte die Nachbarn heraus und alarmierte die Feuerwehr. Die kam drei Minuten später und lobte: „Der junge Mann hat alles richtig gemacht.“ Als Zivildienstleistender gehört er zu den Letzten seiner Art – doch er will im Metier bleiben. Sein Traumberuf: Feuerwehrmann.

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„Stets in den besten Händen“ Schwäbisch Gmünd, Weiden und Görlitz – diese drei Malteser Standorte hatten besonderen Grund zur Freude: Bei der Kundenbefragung 2010 der Malteser Fahrdienste erhielten sie von ihren Fahrgästen die

„… weil Nähe zählt“: Die Fahrgäste fühlen sich gut aufgehoben bei den Malteser Fahrdiensten. (Fotos: Malteser Hilfsdienst)

besten Bewertungen. Die Verleihung des Prädikats „Freundlich, zuverlässig, Malteser!“ war der Lohn dafür. „Doch Grund, stolz zu sein, hat unser Fahrdienst insgesamt“, bekräftigt Dirk Hucko, Leiter der Malteser Fahrdienste. Denn die Frage, ob das bei der ersten bundesweiten Kundenbefragung 2007 erzielte gute Ergebnis noch einmal verbessert werden könne, ließ sich nach Auswertung aller Fragebögen mit einem klaren „Ja!“ beantworten. Nahezu 4.100 Fahrgäste hatten im letzten Jahr an der Befragung teilgenommen, dazu etwa 80 Einrichtungen wie Schulen und Tagesstätten als Auftraggeber für die Personenbeförderung. Und die meisten von ihnen sind hochzufrieden mit dem Malteser Mobilitäts-Angebot: Bei Themen wie der Zufriedenheit mit dem Fahrer, dem Fahrzeug und dem Fahrdienstbüro, aber auch bei Sicherheit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit lag der Mittelwert der Die Malteser Fahrdienste in Zahlen: Etwa 15.000 Fahrgäste werden an gen befördert, die dabei mehr als 60 rund 100 Malteser Standorten bunMillionen Kilometer im Jahr zurückdesweit von 4.500 Fahrerinnen und legen. Fahrern in insgesamt 2.300 Fahrzeu-

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Antworten jeweils bei einer Note mit einer Eins vor dem Komma. „Wir freuen uns über das prima Ergebnis, aber wir werden selbstverständlich weiter an der Qualität unseres Angebots arbeiten, damit unsere Fahrgäste stets gerne mit uns unterwegs sind“, meint Dirk Hucko. So sieht er etwa beim Beschwerdemanagement oder bei der Information bei Verspätungen weiteren Verbesserungsbedarf. Besonders aussagekräftig waren die Kommentare auf manchen Antwortbögen. „Man weiß, dass man sicher hin und auch wieder heim gebracht wird“, hieß es da beispielsweise, oder: „Sie sind verantwortungsbewusst, hilfsbereit und sehr gut zu meinem Kind. Ich kann meine Tochter jeden Tag mit gutem Gefühl in Ihre Hände geben.“ Entsprechend hoch ist die Bereitschaft der Fahrgäste, die Malteser Fahrdienste weiterzuempfehlen – für 92 Prozent der befragten Kunden ist das „sehr wahrscheinlich“ oder „wahrscheinlich“. Sogar bei 100 Prozent liegt die Wahrscheinlichkeit der Weiterempfehlung bei den teilnehmenden Einrichtungen. Einer der Teilnehmer an der Befragung brachte es auf den Punkt, was die Kunden an den Maltesern besonders schätzen: „Mit dem Fahrdienst fühlt man sich stets in den besten Händen: qualifiziert – zuverlässig – super!“

Bundeskanzlerin Angela Merkel ehrt Regiehelfer/innen „Gemeinsam geht´s – Menschen helfen Menschen“ unter diesem Motto empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr des Ehrenamtes am 5. April 2011 zweihundert verdiente Ehrenamtliche. Eingeladen waren auch Christian Kaufhold, Leiter der Regie-


einheiten des Katastrophenschutzes der Stadt Neumünster, und Karin Stützner von der Regieeinheit für Notfallseelsorge und Krisenintervention des Landkreises Barnim. In ihrer Rede ging die Bundeskanzlerin auch auf die Nachwuchssorgen im Zivil- und Katastrophenschutz ein. Wiederholt betonte sie die dringende Notwendigkeit, die Gefahrenabwehr durch Katastrophenschutz, Technisches Hilfswerk und Freiwillige Feuerwehren sicherzustellen, eine Aufgabe, „bei der es ohne ehrenamtliches Engagement nicht gehe und wo der Vernetzung der einzelnen Organisationen künftig eine entscheidende Rolle zukäme“. Kathrin Stützner war beim Aufbau der Notfallseelsorge in ihrem Landkreis die treibende Kraft. Es gelang ihr Schritt für Schritt, immer mehr Menschen zur ehrenamtlichen Mitwirkung in der Notfallseelsorge zu motivieren, nachdem sie über mehrere Jahre als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr diese Aufgabe neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einer Oberschule allein übernommen hatte. Mit ihrem Team bewältigte sie viele Krisensituationen und hat vielen Menschen in ihrem Landkreis teilweise auch unter hoher eigener gesundheitlicher Belastung helfen können. Die 2004 gegründete Regieeinheit wurde seither zu einer Vielzahl von Einsätzen gerufen und erfreut sich im Landkreis hoher Wertschätzung, was ganz wesentlich auf das außerordentliche Engagement von Frau Stützner zurückzuführen ist. In der Regieeinheit ist sie insbesondere zuständig für die Integration und Koordination im Katastrophenschutz. Besonders an Sonn- und Feiertagen übernimmt sie nach wie vor die Bereitschaften, da viele Mitglieder der Einheit Pfarrerinnen und Pfarrer sind und aufgrund ihres Amtes an diesen Tagen nicht zur Verfügung stehen. Es sind häufig schwer zu ertragende Schicksale, die im Rahmen der Krisenintervention zu begleiten sind. Frau Stützner hat stets mit großer Sicherheit und Freundlichkeit den von schwersten Lebenssituationen betroffenen Menschen beigestanden und sich weit über das gebotene Maß Verdienste erworben . Christian Kaufhold wirkt seit 35 Jahren in verschiedenen Funktionen ehrenamtlich im Katastrophenschutz der Stadt Neumünster mit. Beruflich ist er in der Fachleitung für Anästhesiepflege in einem Krankenhaus tätig. Herr Kaufhold verpflichtete sich als Katastrophenschutzhelfer zunächst beim Malteser Hilfsdienst. 1983 wechselte er zu den Regieein-

heiten der Stadt Neumünster und war dort zunächst als Zugführer im Sanitätsdienst eingesetzt. Er durchlief dann verschiedene Führungsfunktionen und war unter anderem als Fachberater im Stab HVB , als Leiter der Übungsvorbereitungsgruppe, in der organisationsübergreifenden Ausbildung für Katastrophenschutz und Feuerwehrdienst und als Peer in einem Psychosozialen Unterstützungs- und Nachsorgeteam (PSU) für Einsatzkräfte der Feuerwehren

Ehrenamtliche Aktivitäten umfassen ein beeindruckend breites Spektrum. (Foto: BPA)

und des Katastrophenschutzes aktiv, bevor er 2009 die Leitung aller Regieeinheiten der Stadt Neumünster mit einer IuK-Gruppe, einer Logistikgruppe und einer Betreuungs- und Sanitätsgruppe übernahm. 2010 wurde er vom Amt für Katastrophenschutz des Landes Schleswig-Holstein als Führungskraft bei der Deichsicherung an der Ostsee eingesetzt. Für sein außerordentliches Engagement wurde er vom Oberbürgermeister der Stadt Neumünster für 25und 30-jährige Verpflichtung im Katastrophenschutz geehrt. Leider konnten vom Bundeskanzleramt nicht alle von den Katastrophenschutzorganisationen benannten Helferinnen und Helfer eingeladen werden. Im Verhältnis zu dem naturgemäß breiten Spektrum von im Ehrenamt in Deutschland wahrgenommenen Aufgaben ließen sich dann in den Gesprächen mit der Bundeskanzlerin auch nur wenige „Uniformträger“ aus dem Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes während der ansonsten von allen Beteiligten als sehr angenehm empfundenen Veranstaltung ausmachen. Klaus-Dieter Kühn

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nachrichten

Bevölkerungsschutz 2.0 – Interaktion von Mensch und Technik Die „Dreifach-Katastrophe“ vom 11. März 2011 im Nordosten der japanischen Hauptinsel Honshu hat auch in Deutschland die Diskussion um den Bevölkerungsschutz neu entfacht. Wie sind wir für den Umgang mit Risiken vorbereitet? Ist unsere Prävention mit dem Ziel der Verhinderung solcher Katastrophen ausreichend? Ist unsere Vorbereitung auf eine effektive Schadensbewältigung mit dem Blick auf kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen bei einer Katastrophe optimal?

Der 7. Europäische Bevölkerungs- und Katastrophenschutzkongress am 28. und 29. September 2011 hat die aktuellen Entwicklungen in Deutschland und Europa zum Thema. Schirmherrin der diesjährigen Veranstaltung ist Kristalina Georgieva, EUKommissarin für Internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenreaktion. Sie wird die Chancen der europäischen Zusammenarbeit im internationalen Einsatz vorstellen.

In dem zweitägigen Haupt- und Fachforenprogramm werden Expertinnen und Experten aus Behörden, Institutionen, Hilfsorganisationen und Feuerwehren vortragen und diskutieren: Wie wirkt sich der demografische Wandel auf den ehrenamtlich getragenen Bevölkerungsschutz aus und wie begegnen wir diesen Herausforderungen? Wie ist die Nationale Strategie gegen Bedrohungen aus dem World Wide Web? Welche Möglichkeiten bietet die Sicherheitsforschung? Mit welchen neuen Technologien und Strategien begegnen wir den Herausforderungen des Klimawandels? Neu in diesem Jahr ist, dass ein Partnerland aus der Europäischen Union umfassend in die Präsentation und Diskussion einbezogen wird: Aus Polen, das in der zweiten Jahreshälfte den EU-Ratsvorsitz innehat, werden Expertinnen und Experten zu Gast sein. Der Europäische Bevölkerungs- und Katastrophenschutzkongress ist eine Initiative des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, des Technischen Hilfswerks und der Zeitung Behörden Spiegel.

IMPRESSUM Herausgegeben im Auftrag des Bun­des­ministeriums des Innern vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Provinzialstraße 93, 53127 Bonn Postfach 1867, 53008 Bonn redaktion@bbk.bund.de http://www.bbk.bund.de Erscheint im Februar, Mai, August und November Redak­tionsschluss ist jeweils der 1. Werktag des Vormonats. Redaktion: Ursula Fuchs (Chefredakteurin), Tel.: 022899-550-3600 Nikolaus Stein, Tel.: 022899-550-3609 Margit Lehmann, Tel.: 022899-550-3611 Petra Liemersdorf-Strunk, Tel.: 022899-550-3613 Julia Wiechers, Tel.: 022899-550-3615 Layout: Nikolaus Stein Abo-Verwaltung: Margit Lehmann, margit.lehmann@bbk.bund.de

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kulturgutschutz in deutschland

Heute: Klosterinsel Reichenau Baden-Württemberg

Im Mittelalter war die Klosterinsel ein bedeutendes religiöses, politisches, wissenschaftliches und künstlerisches Zentrum des christlichen Abendlandes. Reichenauer Äbte waren hohe Beamte am Kaiserhof, Prinzenerzieher, Diplomaten und Gesandte und so wurden auch bedeutende Bischofssitze wie Pavia und St. Denis von Reichenauer Mönchen besetzt. Um 830 entstand der St. Galler Klosterplan eines benediktinischen Klosters. Im 11. Jahrhundert produzierte die Reichenauer Schule der Buchmalerei zahlreiche mit Bildern ge­ schmückte Handschriften. Trotz hoher Verluste existieren heute noch ca. vierzig der berühmten Reichenauer Codices auf der ganzen Welt. Seit 2000 ist die größte bewohnte Insel im Bodensee Weltkulturerbe der UNESCO. ml

©Matthias Lohse/pixelio

Die Insel Reichenau ist die größte bewohnte Insel im Bodensee. Sie ist aus Moränenschutt und verschwemmten Schottern aufgebaut, die am Ende der letzten Eiszeit (Würm) abgelagert wurden. Mit 4,5 Kilometern Länge und 1,5 Kilometer Breite besitzt sie eine Gesamtfläche von 4,3 Quadratkilometern. Die Insel ist Teil der Gemeinde Reichenau und liegt zwischen Konstanz und Radolfzell. Die Gemeinde umfasst auch Festlandgebiete, die über einen 1838 aufgeschütteten Damm mit der Insel verbunden sind. Die Dörfer Ober-, Mittel- und Niederzell sind so ge­ nannte Streusiedlungen ohne ausgeprägten Ortskern. Neben diesen Dörfern gibt es noch 18 Weiler (Wohnsiedlungen aus wenigen Gebäuden), Häuser und Häusergruppen.

BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 2|2011

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Bevölkerungsschutz Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Postfach 1867, 53008 Bonn PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, G 2766

Das Risikomanagement stellt mit Blick auf potenzielle kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen von Katastrophen die Prävention mit dem Ziel der Verhinderung solcher Ereignisse sowie die Vorsorge mit dem Ziel der optimalen Vorbereitung auf eine effektive Schadensbewältigung und -begrenzung im Ereignisfall in den Vordergrund. Der Schutz Kritischer Infrastrukturen wie, beispielsweise, der Stromversorgung vor Naturkatastrophen und vor von Menschen verursachten Problemen ist schon lange ein Schwerpunkt des Bevölkerungsschutzes (S. 13 ff., 24 ff., 36 ff.). Risikoanalyse, Horizon Scanning und vergleichbare Methoden sowie die feste Verbindung mit dem Krisenmanagement (S. 2 ff., 20 ff.) sind unverzichtbare Mittel des Risikomanagements. Beispielhaft für die Fragestellung ist das Titelbild: die Erdbebenwahrscheinlichkeit (rot hoch, grün minimal) kombiniert mit den Standorten von Kernkraftwerken (blaue Markierungen: Lagezentren der Innenminister). (Foto oben: Tobias Kunze/pixelio; Titelbild: deNIS II plus)


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