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Ein Lied entsteht in harten Zeiten

Eine Botschaft von Frieden und Hoffnung

„Stille Nacht! Heilige Nacht!“ entstand in schweren Zeiten. Auch die beiden Liedschöpfer Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber wuchsen unter Gegebenheiten auf, die für Kinder und Jugendliche kaum schlimmer hätten sein können: Französische Truppen, Besatzer und Gewaltverbrechen gehörten zum Alltag. Die Eltern bangten täglich darum, ihre Kinder außer Haus zu schicken oder sie ernähren zu können: Sie waren – wie alle anderen – den politischen Umständen hilflos ausgeliefert. Einzig ein starker Glaube und das Wunder der Weihnacht versprachen Zuversicht und Geborgenheit. „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ erklang in dunkler Nacht und hielt die Hoffnung auf Frieden aufrecht.

25.11.1787, Hochburg:

Franz Xaver Gruber wird im Haus Unterweizberg 9 in dem kleinen Dorf Hochburg in Oberösterreich als fünftes von sechs Kindern in eine bäuerliche Weberfamilie geboren.

11.12.1792, Stadt Salzburg:

Joseph Mohr wird als uneheliches Kind der Strickerin Anna Schoiber und eines Musketiers der fürsterzbischöflichen Garde in der Bischofsstadt Salzburg geboren und wuchs in der Steingasse 31 auf.

1792–1815, Europa:

Die Napoleonischen Kriege (Koalitionskriege) bringen in Salzburg, Österreich und Bayern zwei Jahrzehnte lang Gewalt, Hunger und Entbehrungen mit sich.

08.10.1813, Ried im Innkreis:

Mit dem „Vertrag von Ried“ wechselt das Königreich Bayern ins Lager der anti-napoleonischen Alliierten.

18.09.1814–09.06.1815, Wien:

Der Wiener Kongress führt nach der Niederlage Napoleons 1814 zu einer Neuordnung Europas. Auch Salzburg, Tirol und Oberösterreich sind davon betroffen.

April 1815, Indonesien:

Auf der Insel Sumbawa bricht der Vulkan

Tambora aus: Eine Naturkatastrophe mit verheerenden Folgen für Europa. Ab dem Frühjahr 1816 kommt es zu extremer Kälte, Unwettern, Ernteausfällen und Hungersnöten. Europa ist von einer ersten großen Auswanderungswelle betroffen.

18.06.1815, Waterloo (Belgien):

Napoleon kehrt aus seinem Exil auf Elba für hundert Tage an die Macht zurück: Die Schlacht von Waterloo führt zu seiner endgültigen Niederlage.

14.04.1816, München:

Der „Vertrag von München“ bringt das Ende der Spannungen zwischen dem Königreich Bayern und dem Kaisertum Österreich. Allerdings bedeutet er auch erhebliche Gebietsverluste für beide Seiten. Salzburg trifft es besonders hart: So muss man sich unter anderem von der wohlhabenden Schifferstadt Laufen trennen, deren Vorort Oberndorf kommt zu Österreich.

1816, Mariapfarr:

Der junge Salzburger Hilfspriester Joseph Mohr verfasst in Mariapfarr ein Gedicht mit sechs Strophen. Es trägt den Titel „Stille Nacht! Heilige Nacht!“.

24.12.1818, Arnsdorf:

Joseph Mohr – mittlerweile Hilfspfarrer in Oberndorf – überreicht das Gedicht seinem Freund, dem Lehrer Franz Xaver Gruber, und bittet ihn, dieses zu vertonen.

24.12.1818, Oberndorf:

Am Heiligabend erklingt in Oberndorf erstmals das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ – begleitet mit einer Gitarre und gesungen von Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber.

1818/19 und 1823/24, Oberndorf/Fügen:

Der Orgelbauer Carl Mauracher aus Fügen im Zillertal lernt auf seinen Reparaturreisen nach Oberndorf das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ kennen und nimmt es mit in seine Heimat nach Tirol.

1819, Waidring:

Das Lied findet sich mit sieben (!) Strophen im heute verschollenen Liederbuch des Lehrers Blasius Wimmer.

Dezember 1822, Fügen:

Im Zillertaler Schloss Fügen des Grafen Dönhoff sind Kaiser Franz I. von Österreich und Zar Alexander I. von Russland zu Gast. Die Geschwister Rainer unterhalten die Gäste mit Volksliedern, der Zar spricht eine Einladung nach St. Petersburg aus.

Herbst 1824, Fügen:

Die Geschwister Rainer unternehmen ihre erste Auslandsreise nach Deutschland. Sie begründen damit die Ära der „Tiroler Nationalsänger“. Sie touren bis 1838 immer wieder durch Europa.

1827–1837, Steyr:

In Steyr wird in diesem Zeitraum (genaues Datum nicht bekannt) eine Flugschrift mit dem Titel „Vier schöne neue Weihnachtslieder“ veröffentlicht, die auch „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ enthält. Dies dürfte der erste Textdruck des Liedes sein. Lehrerpult mit dem Schulzirkular in Arnsdorf.

Ludwig Rainer gründete 1838 das RainerQuartett und legte damit den Grundstein für die zweite Generation der Rainer-Sänger.

Es war im Herbst 1815, als der 23-jährige Joseph Mohr nach der vorzeitigen Priesterweihe in Salzburg seine erste Stelle antrat: Er wurde Hilfspriester in Mariapfarr im Salzburger Lungau.

Dezember 1831, Hippach/Leipzig:

Die Geschwister Strasser aus Laimach bei Hippach im Zillertal singen „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt.

1832–1834, Leipzig:

Die Geschwister Strasser werden zu weiteren Auftritten nach Leipzig eingeladen. Daraufhin veröffentlicht der Verleger A. R. Friese aus Dresden zwischen 1832 und 1834 eine Sammlung von Weihnachtsliedern mit dem Titel „Vier ächte Tyroler Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte und der Gitarre gesungen von den Geschwistern Strasser aus dem Zillerthale“. Es entsteht eine „Zillertaler Fassung“ des Liedes.

1834/1835, Berlin:

Konzerttournee der Geschwister Strasser durch Deutschland mit Aufenthalt in Berlin. Das Weihnachtslied beeindruckt auch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV.

1836, Hallein:

Franz Xaver Gruber komponiert am 12. Dezember die so genannte „Halleiner Fassung“ von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“, die er von da an immer am 24. Dezember in der Halleiner Stadtpfarrkirche spielt.

1838, Leipzig:

Das Lied wird in das Melodienbuch des „Katholischen Gesang- und Gebetbuchs für den öffentlichen und häuslichen Gottesdienst zunächst zum Gebrauche der katholischen Gemeinde im Königreiche Sachsen“ aufgenommen.

1839, New York:

Die zweite Generation der Rainer-Sänger – unter der Ägide von Ludwig Rainer, Sohn von Maria Rainer – aus dem Zillertal bricht zu einer Konzerttour nach Amerika auf: Es wird angenommen, dass sie das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ mit im Repertoire hatten. Es folgt eine mehrjährige „Tournee“ als viel beachtete „Rainer Family“, welche die vier Sänger und Sängerinnen nach New Orleans, St. Louis, Pittsburg und Philadelphia führt.

Mai 1843, Zillertal:

Die „Rainer Family“ kehrt nach der US-Tournee in die Heimat zurück.

1844, Hamburg:

Der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern vom „Rauhen Haus“ gibt für den Unterricht ein Singbuch heraus, das den Titel „Unsere Lieder“ trägt: Es beinhaltet unter anderem das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Johann Hinrich Wichern unterhielt ein sehr gutes Verhältnis zum Preußischen Königshaus, wo das Lied bereits seit Mitte der 1830er Jahren bekannt war. Alle Erzieher, die ihre Ausbildung im „Rauhen Haus“ absolvierten, erhielten eine Ausgabe des Buches. Viele von ihnen waren im Ausland tätig: So könnte das Lied sich auch auf seine Reise über den Atlantik gemacht haben.

1848, Wagrain:

Am 4. Dezember 1848 verstirbt Joseph Mohr im Alter von nur 55 Jahren aufgrund einer Erkältung nach einem winterlichen Versehgang. In Wagrain geht er als „sozialer Vikar“ in die Ortschronik ein.

Der Weihnachtsfrieden von 1914 ist in der Geschichte einmalig. Die verfeindeten Soldaten feiern gemeinsam Weihnachten.

1851, New York:

„Silent night! Hallow'd night!“ erscheint in der Textfassung von J. F. Warner in einem Liederbuch.

1851, Zillertal:

Ludwig Rainer gründet die „Rainer Gesellschaft“ mit bis zu 15 Sängern: Ihre Reisen führen sie nach England, Schottland und Irland, nach Italien, Frankreich, Dänemark, Schweden und Norwegen.

1854, Hallein:

Im Jahr 1854 wendet sich die Königlich Preußische Hofkapelle in Berlin an das Stift St. Peter in Salzburg, um Auskunft über die Urheberschaft des Liedes zu erhalten. Franz Xaver Grubers Sohn Felix ist Sängerknabe in St. Peter, sodass die Urheberschaft geklärt werden kann. Franz Xaver Gruber verfasst daraufhin die „Authentische Veran lassung zur Composition des Weihnachtsliedes“.

1855, Hallein:

Die jüngste von Franz Xaver Gruber verfasste Version von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ entsteht. Die als „Autograph VII“ bezeichnete Version wird im Todesjahr des Komponisten von dessen Sohn Franz dem Salzburg Museum als Geschenk überreicht, drei weitere Autographen von Franz Xaver Gruber befinden sich im Stille Nacht Museum Hallein. Von Joseph Mohr gibt es eine autographe (handschriftliche) Überlieferung des Liedes im Salzburg Museum.

1858, St. Petersburg:

Die Rainer-Sänger kommen nach Russland und bleiben hier für zehn Jahre. Heimataufenthalte werden lediglich genutzt, um neue Mitglieder zu werben.

1859, New York:

Das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ erscheint in englischer Übertragung in der Broschüre „Carols for Christmas Tide“ von Bischof John Freeman Young.

1863, Hallein:

Franz Xaver Gruber stirbt am 7. Juni mit 75 Jahren an Altersschwäche. Bei seinem Tod gilt der Chorregent, Organist der Stadtpfarrkirche und Stiftungsverwalter der Stadtpfarre Hallein als hochangesehenes Mitglied der Gesellschaft. 28 Jahre hat er in der Salinenstadt gewirkt und gearbeitet. Franz Xaver Gruber findet seine letzte Ruhestätte auf dem alten Friedhof der Stadtpfarrkirche Hallein, dort erinnert ein Gedenkgrab an sein Wirken.

1866, Salzburg:

Aufnahme des Liedes in ein „offizielles Kirchenbuch“.

1868, Achenkirch am Achensee:

Der berühmte Tiroler Nationalsänger Ludwig Rainer von den Rainer-Sängern kehrt nach fast dreißig Jahren im Ausland als wohlhabender Mann nach Tirol zurück. 1870 wird sein Hotel am Achensee errichtet.

Die Geschwister Rainer gingen von Tirol aus singend auf Reisen.

Grab von Joseph Mohr in Wagrain

1873, Wien:

Auf der Wiener Weltausstellung taucht „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ in einem dort gezeigten nordamerikanischen Schulhaus als „Choral of Salzburg“ auf. Zur Jahrhundertwende wurde „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ bereits auf allen Kontinenten gesungen - verbreitet durch katholische und protestantische Missionare.

24.12.1914, Flandern / Westfront: Rund fünf Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ereignet sich an der Westfront, an der schon mehr als eine Million Soldaten gefallen oder verwundet worden waren, ein einmaliges Wunder der Verbrüderung. Als am 24. Dezember, dem Heiligen Abend, an der Front Ruhe einkehrt, stellen Soldaten kleine, beleuchtete Weihnachtsbäumchen an den oberen Rand der Schützengräben – wie ein Zeichen des Friedens. Auf beiden Seiten der rund 50 Kilometer langen Frontlinie in Flandern legen die Kämpfer ihre Waffen und Helme nieder und singen Weihnachtslieder. Auch „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ erklingt in verschiedenen Sprachen. Die friedliche, solidarische Kriegsweihnacht war mit einem Ausnahmezustand zu vergleichen: In der Folge wird die Verbrüderung bei Todesstrafe verboten.

1937, Oberndorf:

An jener Stelle, wo einst die ehemalige St.-Nikolaus-Kirche (St. Nikola) stand, in der am 24. Dezember 1818 das Weihnachtslied zum ersten Mal aufgeführt wurde, wird die StilleNacht-Kapelle errichtet.

1941, Washington:

Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill singen gemeinsam „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ auf der Terrasse des Weißen Hauses.

1995, Salzburg:

Ein Stille-Nacht-Autograph aus dem Jahre 1816 wird entdeck. Dieser kann eindeutig der Handschrift Joseph Mohrs zugeordnet und somit exakt datiert werden. Das Autograph wird im Salzburg Museum ausgestellt.

2011, Oberndorf:

Das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ wird in die nationale Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen.

2018, Mariapfarr:

Die Wallfahrtskirche Mariapfarr wird zur Wallfahrts- und Stille-Nacht-Basilika „minor" geweiht.

Stille Nacht Autograph.

Altarbild in der Wallfahrts- und Stille-Nacht-Basilika: „Anbetung der Heiligen Drei Könige mit dem holden Knaben“.

Die Höhepunkte des Jubiläumsjahres 2018

– das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ feiert sein 200-Jahr-Jubiläum mit einer dezentralen Landesausstellung, zahlreichen Veranstaltungen und einem attaktiven

Besucherprogramm in den Stille-Nacht-Orten im SalzburgerLand, Oberösterreich und

Tirol.

–Das Salzburger Landestheater gibt anlässlich des Jubiläums ein Musical Play in Auftrag. „Meine Stille Nacht“ feiert im November 2018 seine Premiere in der Salzburger

Felsenreitschule. Rund 15.500 Zuschauer sehen das Musical Play während seiner ersten Spielzeit. Die Musik schreib der Filmkomponist John Debney (Die Passion Christi, Iron Man 2, Ice Age), das Drehbuch stammt von Hannah Friedman und die Liedtexte von Siedah Garrett.

–Erstausstrahlung des neuen Silent Night

Movies „Stille Nacht – Ein Lied für die Welt“ von Hannes M. Schalle auf Servus TV, im

BR/NDR und auf ARTE TV. Er wird von rund 1,4 Millionen Zuschauern gesehen.

–Neun Stille-Nacht-Orte und ihre Museen schließen sich von September 2018 bis

Februar 2019 zur dezentralen Landesausstellung zusammen. Sie trägt den Titel „200

Jahre Stille Nacht! Heilige Nacht! – Österreichs Friedensbotschaft an die Welt“ und begeistert rund 72.000 Menschen. –„Stille Nacht! Heilige Nacht!“ begeistert

Menschen auf der ganzen Welt: Hunderte von Journalisten reisen in die Stille-Nacht-

Orte, Medien-Events finden unter anderem in Moskau, St. Petersburg, New York, Hamburg und Prag statt. 40 internationale und nationale Medien berichten auf ihren Titelseiten über das Jubiläum.

2021, Mariapfarr:

Eine Originalkopie der alten Steingussmadonna (1395) „Die schöne Madonna“ kehrt in die Wallfahrts- und Stille-Nacht-Basilika zurück.

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