infosantésuisse Nr.11/2005 deutsch

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infosantésuisse Magazin der Schweizer Krankenversicherer Nr. 11, November 2005

Flexibilität bei seltenen Krankheiten gewährleistet Seite 18

santésuisse lanciert EU-Versichertenkarte Seite 20

IM VISIER:

Gesundheitssysteme aus aller Welt


INHALT

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SCHWERPUNKT 4 6 9 10 12 14 16

USA: 43 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung Brasilien: Von Warteschlangen zur Luxusmedizin Niederlande: Integrierte Versorgung – neue Wege in der Pflege Im Gespräch: Andreas Renner, Sozialminister von Baden-Württemberg Namibia: Im Kampf gegen AIDS und ungerechte Versorgung Ex-UdSSR: Gesundheit als vernachlässigte Staatsaufgabe AIM-Generalversammlung in Prag: Die Krankenversicherer müssen ihr Rollenverständnis ändern

KRANKENVERSICHERUNG 8 1 20 22

USA: 43 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung Seite 4

Behandlung von seltenen Krankheiten: Flexibilität ist gewährleistet Die Schweizer Krankenversicherer lancieren per 2006 die europäische Versichertenkarte Gemeinsame Einrichtung KVG: Koordination mit Europa als Hauptaufgabe

GESUNDHEITSWESEN 23 Drei Fragen an: Thomas Cueni, Geschäftsführer der Interpharma

SERVICE 4 2 24 24 25 25

Deutschland: Höhere Tabaksteuer – weniger Raucher Studie beweist: Managed Care spart Kosten Akupunktur muss Teil eines Behandlungskonzepts sein Veranstaltungskalender

Brasilien: Von Warteschlangen bis zur Luxusmedizin Seite 6

Ex-UdSSR: Gesundheitspolitik hat geringe Priorität bei Regierungen Seite 14

Nr. 11, November 2005 Erscheint zehnmal jährlich

Layout: Henriette Lux

Abonnementspreis: Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.−

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Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck ISSN 1660-7228


EDITORIAL

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Konkurrenz – auch ausländische – fördert den Wettbewerb

S Manfred Manser Vizepräsident santésuisse

chweizer Krankenversicherer sind in den letzten Jahren vermehrt dazu übergegangen, Leistungen auch im Ausland einzukaufen. Dazu haben sich bisher vor allem Rehabilitationskliniken im grenznahen Süddeutschland angeboten. Aber auch Akutspitäler sind mittlerweile Vertragspartner von Krankenversicherern geworden, und die Zahl der Kooperationen wird zweifellos weiter steigen. Der Leistungseinkauf war für die Krankenversicherer bisher auf den Heimmarkt Schweiz beschränkt. Die Versorgung hier ist qualitativ hochwertig, keine Frage, doch sie ist sehr teuer. Die Versicherer sind jedoch gesetzlich verpflichtet, auf die Wirtschaftlichkeit von Angeboten zu achten. Sie müssen dazu beitragen, das ständige Kostenwachstum in Grenzen zu halten. Die ausländischen Kliniken sind wesentlich günstiger als die schweizerischen und garantieren eine ebenso gute medizinische und pflegerische Versorgung. Die Hotellerie bietet Komfort und Qualität, die zum Teil über dem schweizerischen Standard liegt. Und die Wartezeiten sind kürzer, sofern überhaupt vorhanden. Die Institute erfüllen die Bedürfnisse der Versicherten bestens. Die Patienten sind zufrieden, wie die vielen positiven Reaktionen zeigen. Und ihnen bleibt die Freiheit zu wählen, ob sie sich in der Schweiz oder im Ausland behandeln lassen wollen.

Konkurrenz – auch ausländische – ist nötig, denn nur durch einen funktionierenden Wettbewerb kommen die hohen Preise ins Rutschen. Dies gilt nicht nur für den Spital- und Rehabilitationsbereich, sondern auch bei den Medikamenten und der MiGel. Auch in diesem Bereich müssen die Krankenversicherer überrissene, zum Teil vom BAG definierte Preise bezahlen. Diese Preisfestsetzungen fixieren ein zu hohes Kostenniveau und verunmöglichen einen Wettbewerb. Die Internationalisierung macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt. Das zeigt nur schon ein Blick auf die europäische Versichertenkarte, die wir in der Schweiz auf Anfang 2006 auch einführen müssen. Unabhängig davon sind die Krankenversicherer längst der Ansicht, dass die Gesundheitspolitik keine Landesgrenzen kennen sollte und schon gar keine Kantonsgrenzen. Durch unsere Lage im Herzen Europas und die bilateralen Abkommen wird die schweizerische Gesundheitspolitik inskünftig stärker von der europäischen beeinflusst werden.


SCHWERPUNKT

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Das US-Gesundheitssystem im Umbruch

«Das Fahrgestell ist zerbrochen, die Räder sind am abfallen» Dass es im amerikanischen Gesundheitssystem Probleme gibt, war nie umstritten. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Kritik an den Mängeln deutlich verstärkt. Das renommierte Institute of Medicine, eine Institution der National Academy of Sciences mit beratender Funktion für die US-Regierung, attestierte in einem Bericht der Gesundheitsversorgung in den Vereinigten Staaten einen sehr kritischen Zustand.

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ie Autoren kamen unter anderem zum Schluss, dass jedes Jahr etwa 100 000 Patienten in Folge von medizinischen Behandlungsfehlern sterben. Ursache: Das kranke, ineffiziente System, in dem Ärzte und Pflegepersonal arbeiten. «Die medizinische Versorgung zerbröckelt» meint David Lawrence, ehemaliger Direktor von Kaiser-Permanente, dem grössten Nonprofit-Gesundheitsplan in den Vereinigten Staaten. Einige Probleme, wie die Zahl der Unversicherten, sind – verdeckt vom ökonomischen Boom der späten 90er-Jahre – lediglich weiter angewachsen. Hinzu gekommen sind neue Herausforderungen, wie etwa der beschleunigte wissenschaftlich-technologische Fortschritt, Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur und der intensivierte globale Wettbewerb. Es ist inzwischen allen Beteiligten klar, dass die aktuelle Krise nicht durch kleine Korrekturen zu beheben ist. Ralph Snyderman, Dekan der Medizinischen Fakultät der Elite-Universität Duke, vergleicht den Zustand der US-Gesundheitsversorgung mit einem fahrenden Schrottauto, das jede Sekunde zusammenbrechen kann: «Das Fahrgestell ist zerbrochen, die Räder sind am abfallen». Flickreparaturen werden da nicht mehr helfen. Etwa 1,7 Billionen Dollar fliessen jährlich in den US-Gesundheitssektor. Dieser Betrag macht 15 Prozent des Bruttosozialproduktes aus. Im Schnitt werden pro Jahr für jeden Bürger 5635 US-Dollar für die Krankenversorgung ausgegeben. Damit liegen die Vereinigten Staaten weltweit an der Spitze. An Platz zwei und drei liegen, nach Berechnungen der OECD, die Schweiz und Norwegen mit etwa 3800 US-Dollar pro Kopf. Doch viel hilft nicht gleich viel. Trotz so hoher und weiter steigender Ausgaben

sind die Gesundheitsdaten im Vergleich mit anderen industrialisierten Nationen bestenfalls mittelmässig. Die Kindersterblichkeitsrate lag 2002 in den USA bei sieben Todesfällen pro Tausend Lebendgeburten. In Japan und den nordischen Ländern lag die Rate unter 3,5, in der Schweiz bei 4,3. Nicht viel besser steht es mit der mittleren Lebenserwartung. Die Vereinigten Staaten rangieren mit 77,2 Jahren Lebenserwartung unter dem OECD-Durchschnitt. Am längsten leben Japaner, Isländer, Spanier und Schweizer. Eine ganze Anzahl von Studien konnte zeigen, dass die Krankenversorgung für die ethnischen Gruppen ungerecht verteilt ist. Beispielsweise erhalten hispano-stämmige Kinder mit Asthma nicht den gleichen Standard an Medikamenten wie ihre weissen Altersgenossen. Afro-Amerikaner werden im Schnitt schlechter kardiologisch versorgt als ihre weissen Mitbürger, und das bei gleicher Krankheitsschwere und gleichem Sozial- und Versicherungsstatus.

43 Millionen Bürger ohne Krankenversicherung Während mehr als zwei Drittel der Bevölkerung privat versichert sind, qualifizieren sich nur rund 14 Prozent der US-Amerikaner für die staatlich getragenen Krankenversicherungen Medicare und Medicaid. Medicare versorgt hauptsächlich Rentner und Frührentner, Medicaid vor allem die Ärmsten der Armen und Behinderte. Steigend ist die Zahl der Bürger, die sich keine private Krankenversicherung leisten können und gleichzeitig nicht die Kriterien der staatlichen Krankenversicherung erfüllen. Von 1993 stieg die Zahl der US-Bürger ohne Krankenversicherung von 37 Millionen auf mehr als 43 Millionen im Jahr

2004, was einem Anteil von 16 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Unter versicher ten und rasch steigende Kosten für Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen. Unter diesen Bedingungen verwundert es niemanden, dass es zu einer Unterversorgung in der Bevölkerung kommt. Das Institute of Medicine schätzt die Anzahl derer, die jährlich aufgrund medizinischer Unterversorgung sterben, auf 18 000. Die Harvard-Professorin Marcia Angell kritisiert, dass bis zu 50 Prozent der privaten Krankenversicherungsbeiträge gar nicht bei den Krankenhäusern und Ärzten ankommen. Von jedem eingezahlten Dollar, so rechnet die ehemalige Chefeditorin des angesehenen New England Journal of Medicine vor, würden 10 bis 25 Cents von den privaten Krankenversicherungen für Verwaltung, Marketing und Profite abgeschöpft. Weitere 15 Cents gingen unter anderem an Versicherungsbroker, Disease Management-Unternehmen, Beratungsfirmen, Anwälte und Informationsmanagementfirmen. Meist hätten die Unternehmen nur eine Funktion: die eigentliche Dienstleistung am Patienten in die eine oder andere Richtung einzuschränken.

Zukünftige Herausforderungen Wie alle industriellen Nationen sehen sich die Vereinigten Staaten bei steigender Lebenserwartung mit einer zukünftigen Na-


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Foto: Rahel Kraft

43 Millionen Menschen sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ohne Krankenversicherungsschutz (Bild: Skyline von Chicago).

tion der Alten konfrontiert. Im Jahr 2050 wird jeder fünfte US-Bürger 65 Jahre oder älter sein. Bedrohliche Ausmasse hat die zunehmende Fettleibigkeit in der Bevölkerung angenommen. Inzwischen ist jeder dritte Erwachsene in den Vereinigten Staaten übergewichtig. Der konservative Politiker Newt Gingrich bringt es vereinfacht auf den Punkt: «Fettleibigkeit und Diabetes sind die ersten Epidemien des Informationszeitalters.» Doch es wird inzwischen nicht mehr nur über die schlechten Zustände geklagt, sondern auch gehandelt. Das Institute for Healthcare Improvement (IHI) gehört sicherlich zu den einflussreichsten Organisationen in der Gesundheitspolitik. Anfang 2005 startete diese unabhängige Institution eine nationale Kampagne mit einem sehr hoch gesteckten Ziel: Innerhalb von 18 Monaten sollen 100 000 Sterbefälle infolge fehlerhafter Behandlung vermieden werden. Zu den sechs Massnahmen, mit denen die Sterblichkeit reduziert werden soll, gehören die Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen, die Senkung der chirurgischen Wundinfektionsrate und die optimale Herzin-

farktversorgung. Auch sollen so genannte schnelle Eingreifteams zum Einsatz kommen. Diese Spezialistenteams können zum Patienten gerufen werden, sobald eine verdächtige Verschlechterung auftritt – und nicht erst, wenn der plötzliche Herzstillstand eingetreten ist. Die bisherige Zwischenbilanz kann sich sehen lassen: Bis Oktober 2005 hatten sich 2800 US-Krankenhäuser zur Teilnahme bereit erklärt und senden ihre Patientensterbedaten monatlich an IHI. Ob die Maßnahmen den gewünschten Effekt zeigen werden, ist noch offen. Der Leiter des IHI, Don Berwick, hat sich jedenfalls schon auf einen Veröffentlichungstermin festgelegt: Am 14. Juni 2006 werden die Ergebnisse publiziert. Doch alleine mit Qualitätsverbesserungen in der Krankenversorgung werden sich die Probleme nicht lösen lassen.

Unterschiedliche Lösungsvorschläge der Parteien Bei den möglichen Lösungsstrategien sind sich die Politiker der demokratischen und republikanischen Partei nicht immer einig. Konsens besteht jedoch darin, dass etwas passieren muss. Newt Gingrich,

ehemaliger Sprecher des Weissen Hauses, setzt auf den Patienten als Konsumenten. Zu den Ideen der Consumer Driven Healthcare gehören mehr Wahlfreiheit bei den Krankenversicherungen und mehr Selbstbeteiligung des Patienten bei den Ausgaben. Schon 1996 lancierte Gingrich ein Pilot-Projekt für steuerfreie Gesundheitssparkonten, sogenannte Medical Saving Accounts. Als Ausgleich für Steuervergünstigungen müssen Patienten bei anfallenden Behandlungskosten die ersten 1000 Dollar aus eigener Tasche zahlen. Kritiker befürchten, dass vor allem junge, gesunde Patienten von den Vorteilen profitieren und Kranke bestraft werden. Die elektronische Patientenakte sieht der republikanische Politiker als ein Muss an: «Papier tötet. Es ist unmoralisch von uns, an der Papierakte festzuhalten.» Und auf Gingrich hört auch der Präsident. Nicht zufällig unterstrich George W. Bush in seiner Rede an die Nation im Jahr 2004 die Notwendigkeit der elektronischen Akte für alle und ernannte einen Nationalen Koordinator für Gesundheitsinformationstechnologie. Noch ist nicht klar, wie das nationale Informationssystem finanziert werden soll: Schätzungen für Aufbau und Instandhaltungskosten liegen bei weit über 150 Milliarden US-Dollar. Auch auf Seiten der demokratischen Partei ist man sich einig, dass die elektronische Akte ein wichtiges Standbein eines neuen, besser funktionierenden Gesundheitssystems sein wird. Der Ex-First Lady Hillary Rodham Clinton liegt das Thema Gesundheitswesen besonders am Herzen. Im Jahr 1994 scheiterte die von ihr mitinitiierte Einführung einer universellen, staatlichen Krankenversicherung – auch aufgrund des Widerstandes von Gingrich. Von Aufgeben seitens der Powerlady kann allerdings nicht die Rede sein. Die Senatorin im US-Staat New York wird bereits als nächste demokratische Vize- oder gar Präsidentschaftskandidatin gehandelt. Hillary Clinton hält nicht viel von der Idee des Patienten als Konsumenten. Sie sieht die Einführung einer umfassenden, staatlichen Krankenversicherung als absolut notwendig an. Das Ziel ist jedenfalls bereits vom Institute of Medicine gesteckt: Im Jahr 2010 soll jeder Bürger in den USA eine Krankenversicherung haben. Dr. Jan-Peter Glossmann, MPH, Arzt und Gesundheitsökonom am Klinikum der Universität Köln


SCHWERPUNKT

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Das brasilianische Gesundheitswesen

Gesundheit in Brasilien – von Warteschlangen bis zur Luxusmedizin Brasiliens Gesundheitswesen ist von enormen Gegensätzen geprägt: So hat rund ein Viertel der Bevölkerung dank privater Versicherungen Zugang zu qualitativ hoch stehender Medizin, während die grosse Masse auf den öffentlichen Gesundheitsdienst angewiesen ist.

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as öffentliche Gesundheitswesen, Sistema Único de Saúde (SUS), steht allen in Brasilien wohnenden Personen offen. Der Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen erfolgt über Postos de Saúde (Gesundheitsposten), die in aller Regel in der Nähe des Wohnorts der Leute liegen. Diese Gesundheitsposten verfügen allerdings nur über eine rudimentäre Infrastruktur. Beim Personal handelt es sich häufig um Hilfskrankenschwestern oder Hilfspfleger. Qualifizierte Fachkräfte oder gar Ärzte sind die Ausnahme. Bei schweren Notfällen existieren vor allem in den Städten ProntoSocorros (Erste-Hilfe-Stützpunkte), die für die Behandlung von Notfällen eingerichtet sind. Ein direkter Zugang zu Ärzten besteht im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens nicht. Dieser erfolgt immer über Ambulatorien oder Spitäler. Patientinnen und Patienten, die eine SUS-Einrichtung aufsuchen, werden je nach Situation an die notwendigen Stellen (Arzt, Zahnarzt, Spital, Labor usw.) weitergeleitet. Dies kann indessen seine Zeit beanspruchen. Brasilianische Zeitungen berichten mitunter über Fälle, bei denen Monate und Jahre vergehen, bis jemand die notwendige Behandlung erhält. In lebensbedrohenden Situationen funktioniert das System zumindest in den Städten aber schnell. So gibt es den zynischen Spruch, dass man besser von einer Kugel getroffen wird, anstatt Herzprobleme zu haben. Im ersten Fall ist eine qualitativ hoch stehende Behandlung sicher, die Spitäler in den urbanen Zentren haben diesbezüglich etliche Erfahrung. Eine nicht notfallmässige Behandlung eines Herzproblems hingegen benötigt in den SUS-Einrichtungen viel Geduld. Wer es sich irgendwie leisten kann, sucht in ei-

ner solchen Situation nach privaten Lösungen.

Private Versorgung auf erstklassigem Niveau Rund ein Viertel der brasilianischen Bevölkerung oder 40 Millionen Personen verfü-

gen über eine Art privater Gesundheitsvorsorge. Dabei handelt es sich um die besserverdienende Mittelschicht und die Oberschicht, die sich im Südosten (São Paulo, Rio de Janeiro) und Süden (Porto Alegre, Curitiba) des Landes konzentriert, und einen Teil der städtischen Arbeiter-

Bild links: André Barreto Pereira, Leitender Arzt am Santa Casa. Bild rechts: Die Santa Casa von Belo Horizonte beherbergt mit über 400 Patientinnen und Patienten das grösste Dialysezentrum Brasiliens.


SCHWERPUNKT

schaft, die über ihre Unternehmungen versichert ist. Eine wichtige Form eines gewinnorientierten privaten Angebots sind die Unimeds. Dabei handelt es sich um Kooperativen von Privatärzten, die sich zusammengeschlossen haben und gleichzeitig als Krankenversicherung funktionieren. Wichtig sind in den städtischen Zentren des Südostens und des Südens ausserdem die grossen Unternehmungen, die für ihre Arbeitnehmer und Angehörigen Kollektivverträge mit privaten Ärzten und Spitälern abgeschlossen haben und damit einen weit breiteren und schnelleren Zugang zu Gesundheitsangeboten sicherstellen als im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens. Schliesslich sind die individuellen Angebote privater Krankenversicherer wie z.B. Golden Cross, Sul América und Porto Seguro zu erwähnen. Ausserdem bieten

etliche Banken eigene Krankenversicherungslösungen an. Diese Lösungen unterscheiden sich stark im Umfang des Versicherungsschutzes und reichen von der Möglichkeit, eine beschränkte Zahl von Vertragsärzten aufzusuchen, bis zu einem umfassenden Zugang zu den meisten privaten Angeboten. Sehr selten ist allerdings der Versicherungsschutz für Medikamente. So sind denn auch 70 Prozent der Medikamente in Brasilien direkt durch die Patientinnen und Patienten finanziert.

Fotos: Peter Marbet

Ungleicher Zugang zu Gesundheitsleistungen Konsequenz dieser dualen Struktur des brasilianischen Gesundheitswesens ist, dass der Zugang zu Gesundheitsleistungen extrem ungleich und damit auch ungerecht ist. Wer in Brasilien dank entsprechender finanzieller Möglichkeiten Zugang zum privaten Gesundheitswesen hat, darf auf eine qualitativ hoch stehende Medizin vertrauen, die mit schweizerischen Verhältnissen absolut vergleichbar ist. Wer hingegen auf das steuerfinanzierte öffentliche Gesundheitswesen angewiesen ist, wird Warteschlangen, überfüllte Spitäler mit Betten auf den Gängen, prekäre Betreuungsverhältnisse und lange Wartezeiten auf sich nehmen müssen. Bei nicht lebensbedrohenden Situationen können sich die Wartezeiten auf Monate und gar Jahre ausdehnen. So gibt es in Belo Horizonte, der drittgrössten Stadt Brasiliens mit 2,3 Millionen Einwohnern, lediglich 330 Zahnärzte, die für das öffentliche Gesundheitswesen zuständig sind. Konsequenz des beschränkten Angebots sind Wartezeiten von bis zu zwei Jahren für eine Behandlung des Zahnkanals bei einem Spezialisten. Bei einfacheren Behandlungen dauert es bis zur Behandlung rund sechs Monate.

Rollenteilung zwischen öffentlicher Hand und privatem Sektor Private Anbieter haben im brasilianischen Gesundheitswesen immer eine wichtige Rolle gespielt, da sich der Staat darauf beschränkte, eine gewisse Grundversorgung anzubieten und darüber hinaus eine koordinierende und organisierende Rolle einzunehmen. Gesundheitsleistungen wurden neben den öffentlichen Angeboten entweder bei karitativen Organisationen wie den Santa Casas de Misericórdia (Spi-

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Gleicher Zugang bei Dialysen André Barreto Pereira (30) ist einer der verantwortlichen Ärzte für Hämodialysen in Belo Horizonte, der drittgrössten Stadt Brasiliens. Er arbeitet drei Tage am Hospital das Clínicas und zwei Tage am Spital Santa Casa, beides Spitäler, die über das öffentliche Gesundheitssystem SUS aufgesucht werden dürfen. Allein in der Santa Casa werden über 400 Patientinnen und Patienten mit Nierendialysen betreut. Damit ist die Santa Casa von Belo Horizonte das grösste Dialysezentrum Brasiliens. Da es sich bei Dialysen um eine sehr teure und kontinuierliche Behandlung handelt, existieren eher selten private Versicherungsdeckungen. Die Behandlungen erfolgen häufig im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems SUS. Die Vision der brasilianischen Verfassung, der gleiche Zugang aller, wird somit ausgerechnet in einem Bereich der hoch spezialisierten Medizin erreicht. Wer in Belo Horizonte eine Dialyse benötigt, erhält in der Regel eine rasche Behandlung. Eine Zentrale der Gemeinde (central de marcação municipal) bewirtschaftet die zur Verfügung stehenden Dialyseplätze und ist für die Zuteilungen verantwortlich. Das Spital erhält vom SUS für eine vierstündige Dialyse 113 Reais (56 CHF). Für André Barreto Pereira ist denn auch eines der grössten Probleme des brasilianischen Gesundheitswesens die schlechte Bezahlung: «Für eine Arztvisite bezahlt der SUS 7 Reais (umgerechnet 3.50 CHF), während eine private Krankenversicherung 20 bis 30 Reais (10 bis 15 CHF) bezahlt und eine direkt durch den Patienten finanzierte Arztvisite rund 70 bis 100 Reais (35 bis 50 CHF) kostet. Kein Wunder, dass die meisten Ärzte so rasch wie möglich versuchen, eine Privatpraxis zu eröffnen und von den öffentlichen Institutionen unabhängig zu sein.

täler) oder privaten Anbietern (vor allem Arztpraxen, Spitäler und Labors) eingekauft. Die politische Grundhaltung, die hinter dieser Rollenteilung steht, geht davon aus, dass der Staat eine subsidiäre


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Rolle spielen soll und privaten Anbietern einen wesentlichen Teil des Markts überlässt. Interessant ist, dass in der Spitzenmedizin öffentliche Angebote dominieren. So werden Dialysen und Transplantationen in aller Regel von öffentlichen, spezialisierten Spitälern ausgeführt. Extrem teure medizinische Eingriffe sprengen selbst die Möglichkeiten der meisten Privatversicherten, so dass hier der Staat subsidiär einspringt und Angebote bereithält (siehe dazu Kasten «Gleicher Zugang bei Dialysen»).

silien nicht allein. Daten der Weltbank für 1990 zeigen, dass weltweit durchschnittlich acht Prozent des BIP für Gesundheit ausgegeben wird. Die Länder der Ersten Welt beherbergen zwar nur 15 Prozent der Weltbevölkerung, haben aber einen Anteil von 87 Prozent an den Weltausgaben für Gesundheit. Umgekehrt beherbergen die Schwellenländer 78 Prozent der Weltbevölkerung. Ihr Anteil an den Weltausgaben für Gesundheit beträgt zehn Prozent.

20-mal mal weniger für Gesundheit

Während in der Schweiz die Gesundheitspolitik zu den politischen Dauerbrennern gehört, dominiert in Brasilien die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung die Politik. Es herrscht die Überzeugung vor, dass mit der wirtschaftlichen Entwicklung etliche andere Probleme wie die hohe Kriminalität, aber auch der unbefriedigende Gesundheitszustand der ärmeren Bevölkerung und der mangelhafte Zugang zu Gesundheitsangeboten automatisch eine Verbesserung erfahren. Eine Gesundheitspolitik, die sich allein auf das Ge-

Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO wendete Brasilien im Jahr 2002 rund 7,9 Prozent seines Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Erhaltung der Gesundheit auf. Dies entspricht 206 US$ pro Kopf der Bevölkerung (siehe dazu auch Tabelle). In der Schweiz liegt dieser Wert gemäss der gleichen WHO-Quelle bei 4219 US$. Damit wird in der Schweiz für die Gesundheit rund 20-mal mehr ausgegeben als in Brasilien. Mit diesem tiefen Wert steht Bra-

Gesundheit im Schatten der wirtschaftlichen Entwicklung

sundheitswesen beschränkt, kann nur bedingt Erfolg haben, weil der Gesundheitszustand der Bevölkerung von etlichen Faktoren abhängt, die über die unmittelbare Gesundheit hinausgehen, wie etwa Armut, Ernährung, Ausbildung und Erziehung. Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva ist es mit seiner Regierung gelungen, Brasilien auf den wirtschaftlichen Wachstumspfad zurückzuführen, die Auslandsschuld zu reduzieren und damit Mittel für die interne Entwicklung freizubekommen. Dennoch sind Verbesserungen nur langsam spürbar. Die neue Bundesverfassung von 1988 verankerte Gesundheit als ein soziales Recht und eine Aufgabe des Staates. Das Sistema Único de Saúde (SUS) sollte demnach den gleichen Zugang aller zum Gesundheitswesen und eine gerechte Verteilung der Ressourcen sicherstellen. Die brasilianische Realität ist heute allerdings noch eine andere.  Peter Marbet Der Autor verbrachte mit seiner Familie im Rahmen eines Sabbaticals einen halbjährigen Aufenthalt in Belo Horizonte, Brasilien.

Gesundheit in Brasilien und der Schweiz KENNZAHLEN

BRASILIEN

SCHWEIZ

Bevölkerung

184 Mio.

7,3 Mio.

Fläche in km2

8 547 403 km2

41 285 km2

0,747 (74. Platz)

0,915 (13. Platz)

6480 US$

25 240 US$

206 US$

4219 US$

7,9 %

11,5 %

35

5

69 Jahre

81 Jahre

Ärztedichte

1,5 Ärzte auf 1000 Einwohner

3,7 Ärzte auf 1000 Einwohner

Spitaldichte

3,5 Betten pro 1000 Einwohner

5,8 Betten pro 1000 Einwohner

Indikator der menschlichen Entwicklung Einkommen pro Kopf Pro-Kopf-Ausgaben für das Gesundheitswesen Gesundheitsausgaben gemessen am BIP Kindersterblichkeit (unter fünf Jahren, auf 1000 Geburten) Lebenserwartung bei Geburt

Quellen: Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE), www.ibge.gov.br (die Seiten existieren auch auf Englisch). WHO World health report 2005, www.who.int/whr/en/. Paulo Eduardo Elias, Estrutura e organização da atenção à saúde no Brasil, in: Saúde no Brasil: Políticas e organização de serviços, São Paulo 2003. Bundesamt für Statistik, www.bfs.admin.ch.


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Tiefere Kosten, höhere Patientenzufriedenheit: Wie ist das möglich?

Niederlande setzen auf integrierte Versorgung und bedürfnisgerechte Pflege Das Gesundheitssystem der Niederlande nimmt in mancherlei Hinsicht eine Vorreiterrolle ein: Es hat sich ganz dem Hausarztsystem verschrieben, die Behandlung erfolgt nach evidenzbasierten klinischen Pfaden, die Ärzte tragen Budgetverantwortung. Kinder und ältere Personen kommen in den Genuss staatlicher Vorsorgeuntersuchungen. Und für die Pflege haben die Niederlande ein Verfahren entwickelt, das die Leistungen optimal auf den Bedarf der Patienten und Patientinnen abstimmt.

Foto: Prisma

auch keinen Vertragszwang gibt. Schliesslich ist der Leistungskatalog in Form einer Positivliste gehalten: Bezahlt wird nur, was ausdrücklich aufgeführt ist. Für Leistungen, die darüber hinausgehen, gibt es Zusatzversicherungen.

Neue Wege in der Pflege

Versicherern betrieben und hat – natürlich selektive – Verträge mit Leistungserbringern abgeschlossen. Der Patient hat nun die Wahl: Entweder kann er das Versorgungsbüro nach den Angaben des Indikationsorgans ein Leistungspaket zusammenstellen lassen – oder er lässt sich ein monatliches Budget auszahlen, mit dem er seine Leistungen nach Gutdünken selber einkaufen kann.

Die dritte Stufe im niederländischen Gesundheitssystem sind die langfristigen Risiken – also in ers- Tiefere Kosten ter Linie die Pflege-Fälle. Denkt ein – zufriedenere Patienten Die Niederlande: Windmühlen, flache Patient oder sein Arzt, dass eine Die WHO-Statistiken zeigen: Die NiederLandschaften, Fahrräder – und ein effizientes Pflegebedürftigkeit besteht, muss lande haben deutlich tiefere GesundheitsGesundheitssystem. ein Antrag an eines der 16 regiona- kosten als die Schweiz – sowohl pro Kopf len Indikationsorgane gestellt wer- als auch gemessen am BIP (siehe Kasten). den. Diese Institution beurteilt, ob Die Patientenzufriedenheit ist laut einer as niederländische Gesundheits- und in welchem Grad die Pflegebedürf- Studie des Europäischen Konsumentensystem lässt sich in drei Stufen tigkeit gegeben ist. Sie teilt dem Patienten index EHCI so hoch wie sonst nirgends einteilen. Die so genannte «erste – individuell und seinen Bedürfnissen an- in Europa. Auch in punkto ErgebnisqualiLinie» ist die Prävention: Der Staat schickt gespasst – eine oder mehrere von sieben tät ist das niederländische System gemäss Kinder und Jugendliche bis zum Alter von «Funktionen» zu. Die Palette reicht dabei EHCI Spitzenreiter auf dem Kontinent. 19 Jahren regelmässig zur Gesundheits- von unterstützender Begleitung über Be- Dies ist ein klarer Beleg dafür, dass intekontrolle. Frauen über 50 erhalten alle handlungspflege und Wohnen im Heim grierte Versorgung, die sich an der Effizizwei Jahre eine amtliche Aufforderung bis hin zur Rehabilitation. Zu jeder Funk- enz der Behandlung orientiert, keineswegs zur Mammografie. Und Senioren werden tion wird ein Zeitbedarf pro Woche be- Leistungsabbau und Rationierung bedeunach ihrem 65. Geburtstag jedes Jahr ge- stimmt. Der Entscheid des Indikationsor- tet, sondern das Gesundheitssystem aus gen Grippe geimpft. Die zweite Stufe ist gans geht anschliessend ans Versorgungs- subjektiver und objektiver Sicht verbessert die medizinische Versorgung bei Krank- büro. Es wird von einem oder mehreren – bei tieferen Kosten notabene. Peter Kraft heit. Sie wird grösstenteils von den Krankenversicherungen abgedeckt. Allerdings Zahlen zum niederländischen Gesundheitssystem gilt ein striktes Hausarztsystem: Jeder Nie(in Klammern die Werte der Schweiz) derländer ist bei einem Hausarzt eingeAnteil der Gesundheitsausgaben am BIP 8,8% (11,5%) schrieben, den er aufsuchen muss und der den weiteren Behandlungsverlauf koordiGesundheitsausgaben pro Kopf 2298 US-Dollar (4219 US-Dollar) niert. Der Hausarzt wird nicht nach EinKindersterblichkeit unter 5 Jahren (pro 1000 Geburten) 6 (5) zelleistungen bezahlt, sondern er erhält Lebenserwartung bei Geburt 79 Jahre (81 Jahre) einen Pauschalbetrag für jeden VersicherÄrzte pro 10 000 Einwohner 3,2 (3,7) ten – unabhängig davon, wie oft dieser in Spitalbetten pro 1000 Einwohner 4,7 Betten (5,8 Betten) der Praxis erscheint. Es erübrigt sich fast Quelle: WHO Health Report 2005 zu sagen, dass es in den Niederlanden

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Im Gespräch: Andreas Renner, Minister für Arbeit und Soziales in Baden-Württemberg

«Krankenversicherungsbeiträge von den Arbeitskosten abkoppeln!» In Deutschland geraten die einkommensabhängigen Krankenversicherungsbeiträge zunehmend unter Druck. Politiker der Union fordern eine sozial abgefederte Einheitsprämie – auch wegen der Arbeitsplätze: Steigende Gesundheitsausgaben hätten steigende Lohnnebenkosten zur Folge, was wiederum die Verlagerung von Stellen ins Ausland fördere. Andreas Renner, Minister für Arbeit und Soziales in Baden-Württemberg, schliesst sich dieser Auffassung an. Im Gespräch mit infosantésuisse äussert er sich auch zur steigenden Bedeutung von Managed Care in Deutschland und zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen.

infosantésuisse: Die Bevölkerung von Deutschland ist zum Grossteil der gesetzlichen Krankenversicherung angeschlossen, die über einkommensabhängige Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert wird. Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile dieses Systems? Andreas Renner: Durch die einkommensabhängigen Beiträge im System der gesetzlichen Krankenversicherung sind ihre Einnahmen stark konjunkturabhängig. Die enge Anbindung der Krankenkassenbeiträge an das Arbeitsentgelt führt dann zu einem Teufelskreis, wenn die Lohnentwicklung wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage mit den Gesundheitsausgaben nicht mehr Schritt halten kann. Steigende Beiträge erhöhen die Lohnnebenkosten und vernichten weitere Arbeitsplätze. Dies wiederum beschert den Krankenkassen enorme Einnahmeverluste und erhöht damit den Druck auf die Beitragssätze. Ich befürworte daher die Abkoppelung der Krankenversicherungsbeiträge von den Lohnnebenkosten.

«Anfang 2004 wurde eine Reihe von Anreizen für wirtschaftliches Verhalten eingeführt, deren Wirkungen sich bereits abzeichnen.» Die finanzielle Abgeltung der Ärzte ist in Deutschland durch ein fallgruppenspezifisches Praxisbudget nach oben beschränkt. Ist dies mit ein Grund für die im Vergleich zur Schweiz moderate Kostenentwicklung?

Die Vergütung der meisten ärztlichen Leistungen erfolgt aus einem gedeckelten Budget, das nach einem komplizierten Schlüssel an die Vertragsärzte verteilt wird. Dies dient der Kostenkontrolle und hat sicher mit dazu geführt, dass der Anstieg bei den ambulanten ärztlichen Leistungen im Vergleich mit dem stationären Bereich oder den Arzneimitteln relativ moderat war. Andererseits darf aber nicht übersehen werden, dass durch die Budgetierung die Höhe der Vergütung der einzelnen ärztlichen Leistung schwankt und erst Monate später festgelegt werden kann. Durch die bereits beschlossene Einführung arztgruppenbezogener Regelleistungsvolumina ab dem Jahr 2007 erhofft man sich mehr Leistungsgerechtigkeit und Transparenz bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen. Welche weiteren Reformen braucht das deutsche Gesundheitssystem? Befürworten Sie den Gesundheitskompromiss der Union, der eine einheitliche Prämie von 109 Euro plus einen weiterhin variablen Arbeitgeber-Beitrag vorsieht? Nachdem die Gesundheitsausgaben steigen und die Einnahmen der Krankenkassen aus Löhnen und Gehältern rückläufig sind, kommt es zu einer Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung. Durch die hohe Arbeitslosigkeit fehlen den deutschen sozialen Sicherungssystemen Mittel. Daher ist eine Entkopplung von den Arbeitskosten dringend angezeigt. Das solidarische Gesundheitsprämienmodell ist eine solche Möglichkeit. Das Modell sieht eine einheitliche Prämie für jeden Versicherten, einen festgeschriebenen pro-

zentualen Anteil der Arbeitgeber und einen sozialen Ausgleich aus Steuermitteln vor. Damit wäre eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland geschaffen. Steigende Gesundheitskosten würden dann nicht mehr automatisch zu höheren Arbeitskosten führen.

«Baden-Württemberg unterstützt die Krankenkassen, damit sie im Rahmen ihrer Selbstverwaltung noch mehr Verträge zur Integrierten Versorgung abschliessen.» Welche Rezepte werden in Deutschland diskutiert, um die Anreize für wirtschaftliches Verhalten für Leistungserbringer und Patienten zu verbessern? Ende des Jahres 2003 gelang es durch einen parteiübergreifenden Konsens zwischen Bundesregierung, Union und den Bundesländern, im Gesundheitsmodernisierungsgesetz das Verhältnis von Eigenverantwortung und Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung neu zu gewichten. Durch dieses Gesetz wurde eine Reihe von Anreizen für wirtschaftliches Verhalten eingeführt, deren Wirkungen sich bereits abzeichnen, aber noch nicht abschliessend beurteilt werden können. Auf Seiten der Leistungserbringer ist dies vor allem eine Verbesserung des Instruments zur Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auf Seiten der Patienten sind in erster Linie die Einführung einer Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal und die Optimierung der Zuzahlungen bei Arznei-, Heilund Hilfsmitteln zu nennen, wobei so-


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ziale Gesichtspunkte durch Einführung einer Belastungsgrenze angemessen berücksichtigt wurden.

schaften der Leistungserbringer, also etwa für die Ärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Länder sind auch verantwortlich für die Aufsicht über die Krankenkassen, soweit ihre Tätigkeit sich nicht über mehrere Länder erstreckt, und für die Krankenhäuser, insbesondere die Krankenhausplanung,

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werden in den baden-württembergischen Krankenhäusern in den nächsten zehn Jahren circa 8000 Plätze entbehrlich.

Foto: ZVG

Welche Strategie verfolgt Deutschland in In einem Pilotprojekt testen der Landkreis Bezug auf die Förderung von Managed Lörrach und die Region Basel grenzüberCare? schreitende Behandlungspfade. Wie beurMit dem Gesundheitsmodernisierungsteilen Sie diese beginnende internationale gesetz haben Ärzte und Krankenkassen Vernetzung der Gesundheitssysteme? ab dem Jahr 2004 neue Managed Care- Wie sieht die Versorgungsstruktur in Ba- Die Bevölkerung des Dreiländerecks am Instrumente erhalten, mit denen die Struk- den-Württemberg aus? Hat es in letzter Oberrhein nimmt Kantons- und Landesturen im deutschen Gesundheitswesen Zeit Anpassungen gegeben? grenzen kaum noch wahr. Dies gilt nicht modernisiert werden. Von Hausarztmo- Im ambulanten Bereich gibt es in Baden- nur für rund 50 000 Grenzgänger, sondern dellen über die Verbesserung der Inte- Württemberg nahezu flächendeckend eine auch für jene Bürger, die in ihrer Freigrierten Versorgung, der Gründung von Vollversorgung mit Haus- und Fachärzten. zeit jenseits des Rheins das WarenangeMedizinischen Versorbot nutzen oder das vielgungszentren bis hin zur fältige kulturelle Angebot stärkeren Öffnung der für sich erschliessen. Die Krankenhäuser für die Region wächst auf diese ambulante Versorgung Weise immer mehr zu eihat die Politik den Akner wirtschaftlichen, soziteuren im Gesundheitsalen und kulturellen Einwesen neue Handlungsheit zusammen. spielräume gegeben. Auch im GesundheitsDamit wird die sektowesen gibt es einen gut rale Trennung im deutfunktionierenden «kleinen schen GesundheitsweGrenzverkehr». So haben sen aufgebrochen. Intebereits über acht Prozent grierte Versorgung hat der im Basler Universitätsdas Ziel, für den Patikinderspital stationär aufenten eine optimale, genommenen kleinen Pazwischen den medizitienten ihren Wohnort in nischen Akteuren abDeutschland. Erwähnen gestimmte Behandlung möchte ich auch die Inzu organisieren. Bategration der Strahlendiden-Württemberg unagnostik des Basler Uniterstützt mit Nachdruck versitätsspitals in den Ondie Krankenkassen, dakologischen Schwerpunkt mit sie im Rahmen ihrer der Krankenhäuser im Selbstverwaltung noch Landkreis Lörrach. mehr Verträge zur InteJetzt kommt es darauf an, grierten Versorgung abmit einem räumlich und Baden-Württembergs Sozialminister Andreas Renner: «Die schliessen. Mit jedem zeitlich beschränkten PiBevölkerung des Dreiländerecks am Oberrhein nimmt Kantons- und Projekt der Integrierten lotprojekt den kleinen Landesgrenzen kaum noch wahr.» Versorgung wird deutGrenzverkehr in beide lich, dass sich der WettRichtungen auszubauen bewerb im Gesundheitsund damit zu zeigen, dass wesen gegen überholte Verwaltungs- und Lediglich in einzelnen ländlichen Regi- auch das Gesundheitswesen mit der EntVertragsstrukturen durchsetzt. onen kommt es gelegentlich zu zeitlich wicklung in anderen Bereichen Schritt halbefristeten Versorgungsproblemen, insbe- ten kann. Das Ministerium für Arbeit und Welche Aufgaben haben die Bundesländer sondere im hausärztlichen Bereich. Soziales unterstützt diese Bestrebungen in im Gesundheitssystem Deutschlands? Wie Im stationären Bereich ist die Verweil- der Lenkungsgruppe für das Projekt. Ich gross ist ihre Autonomie? dauer der Patienten in den letzten Jah- freue mich, dass die Konzepte für eine VerFür die Gesetzgebung im Gesundheitswe- ren kontinuierlich zurückgegangen. Diese tiefung der Kooperation, die jüngst vom Misen ist überwiegend der Bund zuständig. Tendenz hat durch die Einführung diag- nisterium gemeinsam mit der OberrheinDie Länder sind jedoch über den Bun- noseorientierter Fallpauschalen weiter zu- konferenz an einem Kongress in Basel vordesrat daran beteiligt. Sie sind alleine zu- genommen. Dadurch geht auch der Bet- gestellt wurden, so grosse Beachtung geständig für die Aufsicht über die Körper- tenbedarf deutlich zurück. Wahrscheinlich funden haben.  Interview: Peter Kraft


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Namibia, Land der Kontraste – auch im Gesundheitswesen

Namibia: Grundversorgung für fast alle – umfassende Medizin für fast niemanden Die Gesundheitsversorgung in Namibia ist nicht für alle gleich gut: Zwar hat die gesamte Bevölkerung Zugang zu den staatlichen Gesundheitseinrichtungen. Diese konzentrieren sich aber vor allem auf die elementare Grundversorgung und sind in entlegenen Gebieten dünn gesät. Zur Behandlung schwerer Krankheiten müssen oft lange Wartezeiten in Kauf genommen werden – vorausgesetzt, man ist nicht Mitglied einer privaten Krankenversicherung. Doch das können sich nur die wenigsten Namibier leisten.

N

amibia ist ein Land voller Kontraste und Gegensätze: Im 19. Jahrhundert landeten zuerst englische, dann deutsche Missionare im Land. 1884 wurde Namibia unter dem Namen DeutschSüdwest-Afrika zur deutschen Kolonie. Die heimische Bevölkerung wurde während der Kolonialzeit von Händlern und Bodenspekulanten massiv ausgebeutet: Durch falsche Massangaben und Schutzversprechen «kauften» die Deutschen den Ureinwohnern ihr Land ab. Wichtigste Zahlungsmittel waren Alkohol und Waffen. Ab 1904 revoltierten die Betrogenen gegen den Landraub: Es kam zu heftigen bewaffneten Kämpfen. Als nach dem Ersten Weltkrieg Südafrika die Verwaltung Namibias übernahm, änderte sich wenig: Weiter wurden die Namibier ausgebeutet, weiter kämpften sie gewaltsam dagegen an. 1990 schliesslich konnte die namibische Befreiungsorganisation SWAPO mit Unterstützung der UNO die Unabhängigkeit erzwingen.

Grosse soziale Unterschiede ... Inzwischen hat Namibia eine der modernsten Verfassungen in Afrika. Zwar hat der Staatspräsident eine grosse Machtfülle, doch steht ihm ein Kabinett und ein Parlament gegenüber, die ihre (Kontroll-)Funktionen durchaus wahrnehmen. Auch ist ein umfassender Katalog an Grundrechten festgeschrieben. Trotzdem gibt es Korruption in der Verwaltung, und die Gegensätze zwischen den Volksgruppen sind nicht ganz verschwunden. Vor allem aber ist die Kluft zwischen Arm und Reich weiterhin enorm: Laut UN-Statistiken gibt es in keinem Land der Welt grössere Einkommensunterschiede als in Namibia. 27 Prozent alle namibischen Haushalte, so die Schätzung der UNO, leben in absoluter Ar-

mut: Sie müssen 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden, ihre Kinder sind unterernährt, und die Wahrscheinlichkeit, vor dem 40. Geburtstag zu sterben, ist sehr hoch.

... und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit Die sozialen und kulturellen Unterschiede schlagen sich stark auf die Gesundheit der Menschen nieder. Namibia hat eine der höchsten HIV-Infiziertenraten der Welt: Schätzungen gehen davon aus, dass 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung das Virus in sich tragen. Besonders betroffen sind Arme und die schwarze Bevölkerung. Hilfswerke und Wissenschaftler kritisieren dabei die AIDS-Politik etwa der Kirche und der BushAdministration: Sie ist auf Treue und Abstinenz ausgerichtet. Weil aber bei vielen Volksgruppen Namibias die traditionellen Familienstrukturen nicht auf der Monogamie beruhen, prallen die teuren Kampagnen wirkungslos ab. Der französische Soziologe Philippe Talavera stellt klar, dass das tödliche Virus nur über eine umfassende und wertfreie sexuelle Aufklärung gestoppt werden kann. Damit würde auch der Einfluss von obskuren Theorien gemindert, die Teile der afrikanische Eliten wiederholt verbreiten. So behauptete die populäre kenianische Umweltschützerin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai in der kenianischen Zeitung Standard, das HIVVirus werde nicht in erster Linie durch Geschlechtsverkehr übertragen: «AIDS ist ein Kontrollinstrument gegen Afrikaner, entwickelt von einem bösartigen Wissenschaftler. Und dagegen helfen nun mal auch keine Kondome». Der südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki meinte laut einem Bericht der Namibischen Allgemeinen Zeitung

(AZ), die Lehrmeinung zur Verbreitung von AIDS diene «jenen, deren Geist vom Rassismus korrumpiert wird» dazu, Schwarzafrikaner als «Amok laufende Sexbestien» zu diskreditieren. Vor diesen Hintergründen hat die AIDS-Politik der namibischen Regierung, die auch auf Aufklärung und der Förderung der Kondombenutzung basiert, einen schwierigen Stand. Ein weiteres Problem ist der Alkohol. Gemäss Schätzungen des Gesundheitsministeriums leiden ein Viertel der Namibier unter alkoholbedingten gesundheitlichen Schäden. Ursachen seien Armut, Arbeitslosigkeit, ungenügende Gesundheitsaufklärung und traumatische Erlebnisse aus der Zeit des Unabhängigkeitskampfes. Das Gesundheitsministerium sieht auch einen Zusammenhang mit AIDS: Durch den Alkoholkonsum entstehe ein riskanteres Ansteckungsverhalten. Der Kampf gegen den Alkoholmissbrauch gestaltet sich schwierig: Zwei Drittel aller KMU-Betriebe sind im Alkoholgewerbe tätig – entsprechend mächtig ist die Alkohol-Lobby.

Gute Grundversorgung, aber ... Die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen Namibias sind steuerfinanziert und allen Bürgern gegen eine selbst für namibische Verhältnisse geringe Gebühr frei zugänglich. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf die «Primary Care» gelegt – Prävention, Behandlung einfacher Krankheiten oder Ernährungs-, Sexual- und Mütterberatung. Hier ist die Versorgung einigermassen ausreichend. Hingegen stellt das staatliche System zwar gute, aber nur wenige Einrichtungen auf der Sekundär- und Tertiärstufe zur Behandlung schwerer Krankheiten zur Verfügung. Überlastung und lange Wartezeiten sind die Folge.


SCHWERPUNKT

Ein weiteres Problem ist die ungleiche Verteilung der Infrastrukturen: Zwar leben 80 Prozent der Bevölkerung nicht weiter als zehn Kilometer von der nächsten Gesundheitseinrichtung entfernt. Im bevölkerungsreichen, aber armen Norden gibt es eine dichte Versorgung mit Primary CareEinrichtungen. Doch räumt auch das Gesundheitsministerium Namibias in einem von ihm herausgegebenen Buch ein, dass die Dichte der Sekundär- und Tertiärstufe in weniger entwickelten Gebieten mangelhaft ist: Die entsprechenden Kliniken konzentrieren sich vor allem auf die grossen Städte. Gleiches gilt für die Apotheken: Leonie Swaenopol, Präsidentin des namibischen Apothekerverbandes, berichtete der deutschen pharmazeutischen Zeitung 2001, dass in den nördlichen Distrikten Namibias bestenfalls fünf private Apotheken auf 180 000 Einwohner kommen.

Beschränkte finanzielle Mittel Die Konzentration auf das Primary CareSystem hat insgesamt zu einer Verbesserung der elementaren Grundversorgung geführt: Gab es 1981 noch 98 öffentliche Gesundheitseinrichtungen, so waren es 2001 317. Gleichzeitig verlangte dieses Vorgehen eine Reduktion der Sekundärund Tertiärstufe: Die Zahl der öffentlichen Spitäler schrumpfte zwischen 1990 und 2001 von 57 auf 36. Der Grund dafür liegt wohl bei den beschränkten Mitteln, die der namibischen Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen: Dr. Norbert Forster, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, klagte unlängst in der Allgemeinen Zeitung, dass seine Behörde nicht den Anteil am Etat zur Verfügung gestellt bekommt, den eine Deklaration der afrikanischen Regierungschefs vorgeben würde. So muss das öffentliche Gesundheitswesen Namibias mit 260 Millionen Franken jährlich für 1,5 Millionen Bürger auskommen. Forster befürchtet, dass zum bereits erfolgten Stellenabbau weitere Aderlasse hinzukommen werden: «Gewisse Leistungen wird das Ministerium dann nicht mehr anbieten können.» Interessant ist schliesslich auch, dass die traditionellen «Witch Doctors» – Medizinmänner also – weiterhin eine gewisse Rolle in Namibias Gesundheitssystem spielen. Norbert Forster spricht von einem «relativ gut besuchten traditionellen Sektor, der beispielsweise Heiler oder Hebammen einschliesst».

Krankenversicherer spielen marginale Rolle Ein kleiner Teil der Bevölkerung – etwa zwanzig Prozent – ist privaten Krankenversicherern angeschlossen, die meisten über ihren Arbeitgeber. Eine individuelle Versicherung haben laut Allgemeiner Zeitung nur etwa 60 000 Personen. Sie bezogen 2004 Leistungen in der Höhe von 107 Millionen Franken, die fast ausschliesslich von privaten Leistungserbringern erbracht wurden. Das bedeutet: Für Privatversicherte sind die Leistungen pro Kopf fast 11-mal höher als für Bürger, die vom staatlichen Gesundheitswesen abhängig sind. Diese Situation ist weder für den Staat noch für die Versicherer befriedigend. Deshalb einigten sich die beiden Parteien 2004, gemeinsame Wege zu suchen, wie die staatlichen Gesundheitseinrichtungen auch für Privatversicherte attraktiv gemacht werden könnte. Damit würden die Kosten der Krankenversicherung sinken, und sie wäre gleichzeitig für eine breitere Bevölkerungsschicht erschwinglich. Die Krankenversicherer prüfen zu diesem Zweck auch ein Modell mit den Allgemeinpraktikern als «Gatekeeper».

Lösungen – Zukunftsaussichten Neben den Vorschlägen der Krankenversicherer gibt es weitere bereits realisierte oder geplante Strategien, den dringendsten Problemen in Namibias Gesundheitswesen Herr zu werden. Indem Leistungserbringer Funktionen ausüben, die im Prinzip anderen zugedacht wären, kann die zu geringe Zahl an medizinischen Einrichtungen etwas kompensiert werden. So ist es in Namibia selbstverständlich, dass Ärzte und auch Krankenschwestern Medikamente abgeben, wenn keine Apotheken in der Nähe sind. Umgekehrt dürfen Apotheker auch diagnostizieren: Nach entsprechenden Zusatzausbildungen in Ana-

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tomie, Pathologie, Pharmakologie und Primary Care erhalten sie die entsprechende Erlaubnis. Der zu geringen Dichte an Apotheken wird zudem mit mobilen Zweigstellen begegnet: Kleine LKWs versorgen abgelegene Gebiete mit Arzneimitteln. Diese «Filialen» sind nicht selbstständig, sondern stehen unter Aufsicht einer regulären Apotheke. Schliesslich gibt es noch die «Flying Doctors», die mit Flugzeugen in weit entfernte Regionen des Landes gelangen können, um medizinische Notfallleistungen zu erbringen. Die entsprechende Infrastruktur – sprich Landepisten – wird immer mehr ausgebaut. Das Gesundheitsministerium selbst will in erster Priorität die Effizienz der Versorgung verbessern. Die WHO stellt Namibia diesbezüglich ein miserables Zeugnis aus: Von allen Ländern der Welt setzt es seine vorhandenen Mittel am drittschlechtesten ein. Laut eigenem Bekunden sehen die namibischen Behörden den Schlüssel zu mehr Effizienz in erhöhter Professionalität. Deshalb sollen sowohl die Strukturen als auch die Ausbildung der Gesundheitsfachleute überarbeitet werden. Besser sieht es bezüglich der Qualität aus: Laut Norbert Forster gehört Namibia hier zu den fünf besten unter den afrikanischen Staaten. Trotzdem will Forster die Qualitätskontrollen weiter verstärken. Angesichts der Infiziertenrate ist es nicht erstaunlich, dass Namibia dabei vor allen AIDS im Visier hat: Die Anstrengungen in Prävention und Behandlung sollen in Zukunft deutlich verstärkt werden. Bereits sind, so Norbert Forster gegenüber infosantésuisse, umfangreiche Programme im öffentlichen Gesundheitssektor am Laufen. Sie werden von den USA, Deutschland, Frankreich sowie anderen Geberländern und Organisationen unterstützt und sollen die Behandlung mit Antiretroviral-Therapie für alle AIDS-Patienten ermöglichen.  Peter Kraft

Zahlen zum namibischen Gesundheitssystem (in Klammern die Werte der Schweiz) Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP Gesundheitsausgaben pro Kopf Kindersterblichkeit unter 5 Jahren (pro 1000 Geburten) Lebenserwartung bei Geburt Ärzte pro 10 000 Einwohner Spitalbetten pro 1000 Einwohner

6,7% (11,5%) 99 US-Dollar (4219 US-Dollar) 65 (5) 51 Jahre (81 Jahre) 0,3 (3,7) unbekannt (5,8 Betten) Quelle: WHO Health Report 2005


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Die Gesundheitsversorgung in der ehemaligen Sowjetunion

Wenn Gesundheit für den Staat geringe Priorität hat Die Situation im Titel ist für Westeuropäer schlicht unvorstellbar – in vielen Republiken der ehemaligen Sowjetunion prägt sie den Alltag. Das ist deshalb tragisch, weil das Gesundheitswesen trotz grossem Desinteresse meist vollständig in den Händen des Staates liegt. Doch gibt es Ausnahmen von dieser tristen Regel.

D

er Gesundheitspolitik wurde während der Systemtransformation zu wenig Bedeutung zugemessen. Man könnte sogar sagen, sie wurde vollständig vernachlässigt. Das trifft auf alle Ex-UdSSR-Republiken zu, die das sowjetische System noch fortführen», so Nicolas Hayoz, Professor für politische Soziologie und Osteuropa-Spezialist an der Universität Fribourg. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für funktionierende Gesundheitssysteme. Laut Hayoz betrachten die meisten Regierungen in der ehemaligen Sowjetunion die Gesundheitsversorgung als staatliche Aufgabe, waren aber gleichzeitig bisher nicht bereit, in diesem Bereich grössere Investitionen zu tätigen. In gewisser Weise ist das nachvollziehbar, weil die meisten Länder dieser Region mit viel fundamentaleren Aufgaben ausgelastet waren oder sind: Die Staaten der ehemaligen Sowjetunion begannen 1991 eine totale Systemtransformation. Die Institutionen, die politischen Abläufe, die Verfassungen, die Eliten – alles musste nach dem Zusammenbruch des Riesenreichs neu definiert, eingeführt und konsolidiert werden. Manche ehemaligen Sowjetrepubliken sind inzwischen gefestigte Demokratien, andere haben den Transformationsprozess noch nicht abgeschlossen, und nicht wenige – darunter leider auch Russland – entwickeln sich nach anfänglichen Erfolgen wieder zurück zu autoritäreren Regimen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich auch die Gesundheitssysteme in der ehemaligen Sowjetunion ganz unterschiedlich präsentieren.

Musterknabe Baltikum? Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen lösten sich als erste von der zerfallenden Sowjetunion. In einer «Schocktherapie» krempelten sie das politische und wirtschaftliche System nach westlichem Vorbild

um. Daran waren auch ehemalige kommunistische Lokal-Führungskräfte beteiligt: Sie hatten sich innerlich schon länger von der Moskauer Zentralgewalt gelöst, die Reformen Gorbatschows waren ihnen zu zögerlich. Die Schocktherapie war für die Bevölkerung zu Beginn hart, fielen doch viele Sicherheiten des alten Systems in der kühlen Marktwirtschaft weg. Heute allerdings sind die baltischen Staaten gefestigte Demokratien, der Lebensstandard ist deutlich höher als zu Sowjetzeiten. Alle drei Länder sind inzwischen Mitglieder der EU. Auch die Gesundheitssysteme profitierten von dieser schnellen Systemtransformation: Das ineffiziente sowjetische System wurde hinweggefegt und durch Lösungen nach europäischem Vorbild ersetzt. Estland orientiert sich an der in Deutschland diskutierten Bürgerversicherung mit Lohnbeiträgen von 13 Prozent und staatlichen Subventionen. In Litauen ist der Beitragssatz zwar deutlich niedriger, dafür werden von den Patienten deutlich höhere Kostenbeteiligungen verlangt. Lettland schliesslich ist ein Sonderfall: Es verlangt von seinen Bürgern ein hohes Mass an Eigenverantwortung. Zusätzlich zu den in Litauen üblichen Kostenbeteiligungen fallen – ausser in Notfällen – Praxisgebühren in der Höhe des halben durchschnittlichen Monatslohns an. Die Schattenseite davon ist klar: Reiche Letten leisten sich eine Zusatzversicherung, während die ärmeren oft kaum in der Lage sind, die hohen Selbstbehalte zu zahlen. Die Gesundheitsversorgung ist in allen drei Ländern von hoher Qualität und Dichte. Zwar bestehen Unterschiede zwischen Stadt und Land, doch sind sie bei weitem nicht so gravierend wie etwa in Russland. Zudem sind die Distanzen relativ klein, der Weg in die nächste Stadt entsprechend kurz. Die Spitzenmedizin ist weit entwickelt, die Pa-

tientenzufriedenheit in Estland ist laut dem Europäischen Konsumentenindex im EURaum die zweithöchste nach Holland. Interessant ist auch, dass alle drei baltischen Staaten auf ein Hausarztmodell setzen. Doch auch im Baltikum gibt es gesundheitspolitische Probleme: Peter Weis, OsteuropaSpezialist bei der WHO, sieht in der hohen AIDS-Infiziertenrate von über einem Prozent auch eine Folge der doch beschränkten Ressourcen des staatlichen Gesundheitswesens. AIDS-Tests und andere Präventionsangebote könnten nicht in genügendem Masse bereitgestellt werden, so Weis gegenüber dem deutschen Rundfunk.

Ukraine: Spätfolgen verschleppter Reformen In der Ukraine ist das AIDS-Problem zu einer eigentlichen Katastrophe ausgewachsen. Der Verein Connect plus, der AIDSProjekte in Osteuropa von Deutschland aus unterstützt, schätzt die Anzahl der Infizierten auf 450 000 bis 700 000. In der Millionenstadt Odessa am Schwarzen Meer sind wohl über zehn Prozent aller Menschen HIV-positiv. Der Dokumentarfilmer Karsten Hein hat dort erschreckende Bilder gedreht: Am Stadtrand befinden sich versteckte AIDS-Asyle. Die Infizierten werden wie Aussätzige ausgegrenzt, was wiederum dazu führt, dass die Krankheit so lange wie möglich verheimlicht wird: Beste Voraussetzungen also für eine noch weitere Verbreitung des Virus. In den Asylen fehlt es an allem: Technische Geräte und Medikamente sind Mangelware, die Krankenbetten haben keine Transportrollen. Wer nicht laufen kann, wird nicht behandelt. Hier zeigt sich der desolate Zustand des ukrainischen Gesundheitswesens besonders drastisch. Zwar fehlt es nicht an Infrastrukturen, doch sind sie oft veraltet und kaum brauchbar. Auch Personal gibt es zur Ge-


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aus der eigenen Tasche entrichten. Diese Form der Korruption führt dazu, dass sich die Ukrainer die elementare Grundversorgung zwar leisten, für komplexe Behandlungen die «Schmiergelder» aber nicht aufbringen können. Nach der «orangen Revolution» besteht Hoffnung auf eine Modernisierung des Gesundheitswesens: Der neue Präsident Viktor Juschtschenko erklärt in seinem Wahlprogramm die Schaffung «eines effizienten und allgemein zugänglichen Gesundheitssystems in jeder Stadt und in jedem Dorf» Foto: David Gruber

nüge, doch ist die Ausbildung miserabel: Igor Oliniek, Arzt bei der WHO in Kiew, schätzt, dass landesweit gerade einmal fünf Ärzte in der Lage sind, eine AIDS-Therapie fachgerecht durchzuführen. Unter den Republiken der Sowjetunion hatte die Ukraine mit die beste medizinische Versorgung. Wie konnte es also so weit kommen? Die deutsche Gesellschaft für Versicherungswissenschaft GVG sieht den Grund in fehlenden Reformen. Die ukrainische Regierung übernahm das sowjetische System vollständig. Das heisst: Die

Spuren der Transformation: Alt trifft Neu in der estnischen Hauptstadt Tallinn.

Gesundheitsversorgung, die theoretisch jedem Bürger frei zugänglich sein sollte, wird ausschliesslich aus dem Staatshaushalt finanziert. Die klare Aufgabenverteilung zwischen Regionen und Zentralgewalt fehlte aber in der neuen Ukraine. Das alte System, das zwar umfassend, aber schwerfällig war, wurde dadurch noch ineffizienter und war bald schon nicht mehr finanzierbar. Hinzu kam die schwere Wirtschaftskrise der 90er-Jahre. Die medizinischen Einrichtungen konnten nicht mehr modernisiert werden, die ohnehin tiefen Löhne des Gesundheitspersonals sanken noch weiter. Die Folge: Oftmals werden Patienten nur behandelt, wenn sie Zuzahlungen

zu einem wichtigen Ziel seiner Politik. Er wird dabei sogar konkret: Die Ukraine soll künftig über das Hausarztprinzip medizinisch versorgt werden.

Russland: Düstere Aussichten Das Beispiel der Ukraine zeigt: Erfolge bei der Demokratisierung stossen auch Reformen im Gesundheitswesen an. «Der Druck, in diesem Bereich effizienter zu werden, nimmt mit dem Fortschritt der Demokratisierung zu», bestätigt auch Nicolas Hayoz gegenüber infosantésuisse. In Russland, wo die Demokratisierung eher Rückschritte macht, bestehen momentan keine Aussichten auf eine Reform des Gesund-

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heitswesens. Auch hier wurde das sowjetische System integral übernommen. Die Folgen sind gar noch schlimmer als in der Ukraine: Das russische Gesundheitsministerium schätzt, dass private Zuzahlungen 50 Prozent aller Aufwendungen im russischen Gesundheitswesen ausmachen. Die Parlamentskommission für Gesundheit und Sport schreibt in einem Bericht, dass sich nur zehn Prozent der Bevölkerung Medikamente leisten könnten. Die Tageszeitung Iswestija berichtete im März 2003, dass Patienten oft als Invalide vom Krankenhaus zurückkämen – weshalb man Kranke oft mit Gewalt zu einem Spitalaufenthalt zwingen muss. AIDS ist in Russland genauso ein Problem wie in der Ukraine, die Infiziertenrate liegt nur wenig tiefer. Wie im Nachbarland konzentriert sich das Virus nicht hauptsächlich auf Drogenabhängige oder Homosexuelle: 50 Prozent aller HIV-Positiven in Russland haben sich auf heterosexuellem Weg angesteckt. «Unwissenheit, Unvorsicht und Ignoranz haben das Virus gesellschaftsfähig gemacht», schreibt die «Zeit». Dies gilt auch auf höchster Ebene: Präsident Wladimir Putin hat sich noch nie öffentlich zum Thema geäussert. Auch sonst scheint seine Regierung keine Rezepte für die Sanierung des desolaten Gesundheitssystems zu haben. Im Zuge der hoch umstrittenen Sozialversicherungsreform wurde lediglich beschlossen, die jährlichen Leistungen des staatlichen Gesundheitswesens auf umgerechnet 100 Euro pro Kopf zu beschränken. Strukturelle Reformen sind keine geplant. Der Gesundheitszustand der russischen Bevölkerung wird immer schlechter: Die Lebenserwartung ist laut dem Eurasischen Magazin seit dem Zerfall der Sowjetunion um sieben Jahre gesunken. Für die männliche Bevölkerung beträgt sie noch 57 Jahre. Dagegen steigt die Kindersterblichkeit seit 1991 kontinuierlich. In der Ukraine haben sich die Indikatoren weniger stark verschlechtert, sie sind nun wieder auf dem Weg der Besserung und werden, falls der Trend anhält, bald positiver sein als zu Sowjet-Zeiten. In den baltischen Staaten nähern sich die Gesundheitsdaten – mit Ausnahme der besorgniserregenden AIDS-Infiziertenrate – langsam, aber sicher dem EU-Durchschnitt. Die Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben ganz verschiedene Wege gewählt, was ihr politisches System im Allgemeinen und ihr Gesundheitswesen im Speziellen angeht. Die Auswirkungen sind offensichtlich.  Peter Kraft


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AIM-Generalversammlung in Prag vom 22. und 23. September 2005

Die Krankenversicherer: Vom «Payer» zum «Player» Der Gesundheitskongress im Rahmen der AIM-Generalversammlung hat gezeigt: Die steigenden Gesundheitskosten und die damit verbundenen Finanzierungsprobleme stellen alle europäischen Länder vor grosse Herausforderungen. Die Problemanalyse ist überall die gleiche. Patentrezepte zur Kostenstabilisierung existieren nicht. Doch klar ist: Wenn sich etwas bewegen soll, so werden die Krankenversicherer eine wichtigere Rolle spielen müssen.

E

s ist ein Irrtum zu glauben, dass wir als Politiker in der Lage sind, das Gesundheitswesen zu reformieren. Am Schluss entscheidet der Patient, der Versicherte. Oder anders herum: Gegen den Widerstand der Bürger läuft nichts; keine Reform, keine Revision! – Lassen Sie sich dies gesagt sein, meine Damen und Herren!» Milan Cabrnoch, tschechischer Arzt und Mitglied des Europäischen Parlaments, redete sich bei der Eröffnung des AIM-Kongresses in Prag beinahe etwas in Rage. Und mit seinem Statement relativierte er auch gerade ein bisschen die Ansprüche bzw. die Rolle, welche die AIM den Krankenversicherern in Zukunft geben will und welche auch den Konferenz-Titel darstellte: «From Payer to Player» – von der reinen Zahlstelle von Leistungen zum Mitgestalter im System.

Änderung des Selbstverständnisses zentral Dennoch war allen 150 Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmern im Saal klar,

dass es so nicht weitergehen kann; dass ohne stärkeren Auftritt der Krankenversicherer gegenüber den Leistungserbringern sich an der Kostenfront nichts bewegen wird. Die Veränderung des Selbstverständnisses der Krankenversicherer vom «Payer» Richtung «Player» stellt also eine entscheidende Voraussetzung dar, soll das Ziel der Kostenstabilisierung im Gesundheitswesen erreicht werden. Auch kam zum Ausdruck, dass sich die Problem-Analyse weitgehend deckt; von Tschechien bis Portugal, von Grossbritannien bis Griechenland: • Es ist der Anbieter, der bestimmt, welche Leistungen in welchem Mass vom Patienten genutzt werden. • Die demografische Entwicklung führt zu steigenden Kosten, da mit zunehmendem Alter mehr medizinische Leistungen beansprucht werden. • Der technologische Fortschritt bewirkt, dass immer neue Methoden entwickelt werden, um Krankheiten zu heilen, die bis anhin als unheilbar galten.

AIM – die Organisation kurz erklärt Die «Association Internationale de la Mutualité» (AIM; Internationale Vereinigung der sozialen Krankenversicherer auf Gegenseitigkeit) ist ein Zusammenschluss eigenständiger Organisationen der Krankenversicherung und des Sozialschutzes, die nach den Grundsätzen der Solidarität und unter Verzicht auf jedes Gewinnstreben arbeiten. Derzeit gehören der AIM 45 nationale Verbände aus 32 Ländern an. Diese bieten mehr als 155 Millionen Menschen eine soziale Absicherung gegen das Risiko der Krankheit und andere soziale Risiken, entweder indem sie direkt an der Durchführung des obligatorischen Gesundheitsschutzes mitwirken, oder indem sie einen zusätzlichen, alternativen oder ersatzweisen Schutz gewährleisten. santésuisse ist Gründungsmitglied der AIM. Die AIM bietet eine Plattform des Austauschs und der Debatte über den Sozial- und Gesundheitsschutz. Über das von ihr geschaffene Netz möchte sie aktiv zum Erhalt und zur Verbesserung des Zugangs zu den Leistungen für jeden Einzelnen beitragen.

Dies kam auch im Referat von alt-AIM-Präsident Ron Hendriks zur Geltung: Er geht davon aus, dass allein aus der Alterung der Bevölkerung ein Wachstum der Gesundheitskosten von jährlich rund einem Prozent resultiert. Hinzu kommen neue medizinische Technologien wie Stammzellen- oder Nanotechnologie, welche pro Jahr zu einem Kostenschub von rund zwei Prozent führen dürften.

Zusätzliche Ausgaben – zusätzlicher Nutzen? Solche Prognosen machen schwindlig: drei Prozent Kostensteigerung sind also einzig und allein schon systembedingt und offenbar unabwendbar. Kein Wunder war man sich im Saal einig, dass zusätzlichen Kostensteigerungen mit aller Vehemenz entgegenzutreten ist. Doch so rasch man sich einig war, dass etwas getan werden


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Foto: Willy Palm

V.l.n.r.: Dieter Boesch, Verwaltungsrat santésuisse, Direktor Aquilana; Marc-André Giger, Direktor santésuisse; Kurt Wilhelm, Verwaltungsrat santésuisse, Präsident Sanitas.

müsse, so unterschiedlich wurden die Akzente gesetzt, was denn nun effektiv getan werden sollte. Interessant war in diesem Kontext der Ansatz von Barbara Starfield, Professorin an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore (USA). In ihrem Referat zur Bedeutung der Prävention und der Grundversorgung für die Gesundheit kam sie zum Schluss, dass die Menschen in der Schweiz und den USA – notabene die Länder, in denen der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP weltweit am höchsten ist – im Durchschnitt eine deutlich geringere Lebenserwartung aufweisen als etwa Deutschland oder Frankreich. Mit anderen Worten: Der Grenznutzen zusätz-

licher Ausgaben scheint in der Schweiz und den USA rückläufig. Oder profan formuliert: Wir werden in der Schweiz nicht gesünder, wenn wir noch mehr Geld ins System einschiessen – im Gegenteil, ist man versucht zu interpretieren. Der Grund für diesen ineffizienten Einsatz der finanziellen Ressourcen ortet Barbara Starfield gemäss ihren Analysen in der vergleichsweisen Überversorgung mit Spezialisten in den USA und in der Schweiz. Denn klar ist: je mehr Spezialisten, desto mehr spezifische Tests werden durchgeführt, und desto grösser ist auch die Gefahr von Fehldiagnosen und falscher, kostspieliger Versorgung. Auf der anderen Seite zeigten ihre Studien in den USA auch: Je besser das Netz der Grundversorger, desto besser das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Solche Fakten und Analysen stimmen Starfield nachdenklich. Kein Wunder plädiert sie für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Spezialisten und den Grundversorgern. Dabei ist für sie klar: «Der Heilungsprozess muss vom Grundversorger gesteuert werden; er ist der Gate-keeper, er ist der Leader im System». Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der deutschen Angestellten-Krankenkassen, beklagte in ihren Ausführungen schliesslich, dass im Bereich neuer Technologien die Innovationen nicht dazu führten, dass weniger leistungsfähige Therapien günstiger würden. Auch sei oft nicht sicher, ob der Neuigkeitswert der Leistung auch tatsächlich einen höheren Preis rechtfertige. «Hier helfen uns nur Studien der evidenzbasierten Medizin», so Pfeiffer, «und wenn wir tatsächlich vom Payer zum Player werden wollen, so müssen wir hier ansetzen, in der Förderung evidenzbasierter Studien!» Wobei, dies musste auch Pfeiffer eingestehen, wird auch dies noch kein Patentrezept darstellen. Oder anders formuliert: Ob Patientensteuerung durch den Grundversorger, ob Überprüfung neuer Techniken auf ihr Kosten-/Nutzenverhältnis oder auch Patient-Empowerment (ein weiteres am Rande der Tagung viel zitiertes Stichwort) – einen abschliessenden und grossen Wurf gibt es nicht, um die Gesundheitskosten einer Stabilisierung zuzuführen. Und der Weg zum Ziel ist weit. Doch wie besagt ein chinesisches Sprichwort: Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.  Marc-André Giger

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Interview mit Ueli Müller, Mitglied des AIM-Vorstands seit 1978 Seit wann ist die Schweiz AIM-Mitglied und weshalb? Die Schweiz gehört mit Frankreich und den Benelux-Staaten zu den Gründern der AIM im Jahr 1950. Das seinerzeitige Konkordat wollte nach dem 2. Weltkrieg einen Beitrag zum Wiederaufbau der Krankenversicherungssysteme in Eu­ ropa leisten. Weiter können wir heute den Ländern, die an unserem System interessiert sind, wertvolle Ratschläge anbieten. Welchen Nutzen ziehen wir aktuell aus der Mitgliedschaft? Das AIM-Generalsekretariat in Brüssel gilt heute als Drehscheibe für den Informationsaustausch in Europa. Damit können positive und negative Entwicklungen rechtzeitig erkannt werden. Zudem organisiert die AIM den ständigen Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedländern, an dem auch wir teilnehmen können. Durch die permanente Mitarbeit in den Fachgremien ist die Schweiz eng am Geschehen in Europa angebunden und kann Einfluss auf die Weiterentwicklung der Systeme nehmen. Da die AIM Mitglied in verschiedenen europäischen Fachorganisationen ist, profitieren wir direkt. Welche Kosten sind mit einer solchen Mitgliedschaft verbunden? Unser Mitgliederbeitrag entspricht der Grösse unseres Landes. Dazu kommen die Reise- und Delegationskosten unserer Vertreter in den Gremien und den Fachgruppen. Die gesamte finanzielle Belastung fällt für santésuisse gemessen an den Vorteilen kaum ins Gewicht. Foto: Peter Kraft


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KRANKENVERSICHERUNG

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Orphan Diseases, Orphan Drugs & Co.: Eine Begriffsklärung

Behandlung von seltenen Krankheiten: Flexibilität gewährleistet Längst nicht alle Erkrankungen können mit den in der Spezialitätenliste (SL) aufgeführten Arzneimitteln behandelt werden. Es werden über 8000 seltene Krankheiten vermutet, und die wenigsten sind der Medizin bekannt. Wegen ihrer Seltenheit und damit der geringen Nachfrage werden die Anbieter von Leistungen und deren Lieferanten – Pharma- oder Medizinaltechnologie-Betriebe – wenig oder gar keine Anreize haben, dafür Arzneimittel oder medizinische Hilfsmittel anzubieten. Wie kann eine angemessene medizinische Versorgung in diesen und anderen Spezialfällen trotzdem gewährleistet werden?

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Arzneimittelbehörde (Swissmedic) zur Registierung anmelden wird. Ohne Registrierung ist aber eine Aufnahme in die SL nicht möglich. Das Mittel darf dann eigentlich nicht aus der Grundversicherung bezahlt werden. (Urteil W vom 1. September 2003 K 63/02 Erw. 3.1. und 3.2). Damit entsteht eine Ungleichbehandlung in der Kostenübernahme, welche wiederum mit anderen Absichten des KVG kollidiert: Wenn die Voraussetzungen nach Art. 32 KVG (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlich-

Foto: Prisma

on seltenen Erkrankungen (Orphan, «verwaiste», Diseases) sprechen wir, wenn weniger als fünf Erkrankungen pro 10 000 Einwohner auftreten. Die Entwicklungskosten für entsprechende Medikamente könnten kaum je gedeckt werden. Es gibt aber bedeutende Ausnahmen, etwa wenn während der Anwendung eine vorher unbekannte Wirkung eines Arzneimittels entdeckt wird. Auch in diesem Fall ist aber kaum zu erwarten, dass der Hersteller dies der

Seltene Medikamente: Die Krankenversicherung vergütet unter strengen Bedingungen auch ausserhalb der Spezialitätenliste.

keit) erfüllt sind, so muss die Leistung entschädigt werden. Die Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis müssen aber der Situation angepasst werden. Therapien von seltenen Krankheiten können nicht mit randomisierten Doppelblindstudien1 untersucht werden. Manchmal muss man sich mit Einzelfallbeobachtungen zufrieden geben. Damit kann die Flexibilität der Anwendung gewahrt werden.

Wichtige Funktion der Vertrauensärzte Der Gesetzgeber ermöglicht diese Flexibilität indirekt durch die Funktion der Vertrauensärzte. Sie haben die Aufgabe, im Sinne der Gleichbehandlung mit Therapien von häufigen Krankheiten die Entschädigungsanträge bei Orphan Diseases zu prüfen. In diesen speziellen Situationen handeln die Vertrauensärzte im Einzelfall anstelle der eidgenössischen Arzneimittelkommission. Das Anrecht auf eine optimale Behandlung des Kranken, welcher an einer Orphan Disease leidet, wird damit gewahrt. Eine Ablehnung muss ausdrücklich medizinisch begründet sein (Urteil K 156/01; 30.10.2003). Um die Versorgung zu verbessern, haben die USA 1983 ein Gesetz erlassen, welches die Entwicklung von Orphan Drugs fördern soll (www.fda.gov/orphan). Der grosse Erfolg hat andere Staaten, namentlich die EU, motiviert, auch solche Gesetze zu erlassen (www.europarl.eu.int). Diese und weitere Regelungen in anderen Staaten (etwa Kanada und Australien) sind Massnahmen zur Verbesserung der Behandlung von Orphan Diseases und nicht primär für die Regelung der Entschädigung durch die


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Definitionen aus dem Handbuch des BAG über die Spezialitätenliste orphan drug

compassionate use

Betroffen sind ausschliesslich Arzneimittel, welche in der Schweiz (noch) nicht zugelassen sind. Analog zur EU-Verordnung Nr. 141/2000 vom 16. Dezember 1999 handelt es sich bei orphan medicinal products (orphan drugs) um Arzneimittel gegen seltene Krankheiten, welche zur Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt sind, das lebensbedrohlich ist oder bei Nichtbehandlung eine chronische Invalidität oder ein schweres chronisches Leiden hervorruft und nicht mehr als 5 von 10 000 Personen betrifft.

Befristet und individuell bewilligter Einsatz von einem (noch) nicht in der Schweiz zugelassenen Arzneimittel durch einen bestimmten Arzt in einem Einzelfall bei einem bestimmten Patienten (ohne orphan-Status). Rahmenbedingungen für das Vorliegen eines compassionate use sind: • schwere, potenziell lebensbedrohende oder invalidisierende Krankheit; • Fehlen einer alternativen Therapiemöglichkeit; • Notfallintervention oder letzte Therapiemöglichkeit; • Arzneimittel in einem Drittland bereits zugelassen oder im Zulassungsverfahren oder Vorliegen von soliden wissenschaftlichen Resultaten aus klinischen Versuchen.

orphan indication Es handelt sich um SL- oder Nicht-SL-Präparate, welche für die Schweiz zugelassen sind und ausserhalb der von Swissmedic bewilligten Indikation(en) angewendet werden; dieser Indikationsbereich wird durch die orphan-Kriterien qualifiziert. Wie bei den orphan drugs wird insbesondere vorausgesetzt, dass es sich bei der betroffenen Indikation um eine Krankheit handelt, die lebensbedrohlich ist oder bei Nichtbehandlung eine chronische Invalidität oder ein schweres chronisches Leiden hervorruft und nicht mehr als 5 von 10 000 Personen betrifft.

Sozialversicherer gedacht. Das führt leider immer wieder zu Verwechslungen. Die Begriffe orphan drug, orphan indication, compassionate use und off-label use werden im Handbuch des BAG über die SL geklärt (siehe Kasten). Für die praktische Klärung der Leistungspflicht sind diese Definitionen aber kaum geeignet. Wir empfehlen deshalb im konkreten Fall die Zusammenarbeit mit dem Vertrauensarzt. Dieser wird klären, ob die Behandlung eines seltenen Leidens vorliegt. Das ist einmal die Grundvoraussetzung.

Vorgehen im Einzelfall Ist das geplante Mittel in der SL mit einer Limitatio (Indikationsbeschränkung) belegt, welche die beabsichtigte Anwendung nicht enthält, so kann die Kostenübernahme (zu einem auszuhandelnden Preis) nur aus der OKP übernommen werden, wenn eine seltene, «verwaiste» Erkrankung vorliegt. Diese Ausnahmen werden vom Vertrauensarzt sehr streng überprüft, weil eigentlich die Absichten des Gesetzgebers verletzt werden: Danach gibt die Limitatio in der SL den Ärzten die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit einem neuen Mittel ausserhalb von Studien machen zu können. Ist das Mittel in der SL unlimitiert, was als Normalfall gilt, wird auf die registrierten Indikationen der Swissmedic abgestellt. Werden die Indikationen der Swissmedic

off-label use Als off-label use wird der Einsatz von SL-Präparaten ausserhalb der von Swissmedic verfügten Zulassung bezeichnet (Indikation, Dosierung, Applikationsart usw.). Internet: www.sozialversicherungen.admin.ch/storage/ documents/1150/1150_3_de.doc)

geändert, wird die Kostenübernahme automatisch erweitert.2 Erfolgt eine Anwendung aber ausserhalb dieser zugelassenen Indikationen (off-label use), so ist erneut der Vertrauensarzt am Zug: Er wird den Status der seltenen Erkrankung und die weiteren Voraussetzungen – Lebensbedrohung und/oder schweres chronisches Leiden – prüfen und im positiven Fall die Kostenübernahme empfehlen. In dieser Situation sind die Preise in der SL nicht gültig: Der Preis muss mit dem Anbieter ausgehandelt werden, wobei darauf zu achten ist, dass die Vergütung nicht höher wird, als dies gemäss SL der Fall wäre. Möglich ist auch eine Aufteilung: Vorerst übernimmt der Anbieter die Kosten, bei Eintreten der erwünschten Wirkung erfolgt die Vergütung zu einem ausgehandelten Preis durch die Krankenversicherung. Bei Swissmedic registrierte Nicht-SL-Präparate können im Prinzip gleich behandelt werden, genauso wie Nicht-SL-Präparate, welche in der Schweiz nicht zugelassen sind (compassionate use). Der Verordner (Swissmedic und/oder Kantone) hat vor der Anwendung dafür zu sorgen, dass die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Versicherer andererseits muss die Möglichkeit nutzen, den Medikamentenpreis mit dem Anbieter auszuhandeln. Es gibt in diesen Fällen ja keine staatlich definierten Preise.

Die Vertrauensärzte überprüfen zur Erfüllung dieser Aufgaben regelmässig die Liste der Orphan Diseases und der damit verknüpften Präparate in der EU und in anderen Ländern. Einige grosse Versicherer verfügen bereits über zahlreiche eigene Daten. Der Aufbau einer Datenbank beim SVK (Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer), der bei santésuisse integriert ist, ist im Gang. Durch die sorgfältige Prüfung zusammen mit dem Vertrauensarzt wird der Versicherer seiner Aufgabe gerecht, allen Patienten auch bei seltenen Krankheiten, eine optimale Versorgung und Therapie zu garantieren und deren Kosten im Rahmen der übrigen Bestimmungen in der OKP zu übernehmen.  Reto Guetg, Vertrauensarzt santésuisse

Die Teilnehmer werden in zwei Gruppen eingeteilt, die möglichst gut miteinander vergleichbar sind. Eine Gruppe erhält das Testpräparat, die andere nicht – wobei weder Proband noch der verabreichende Arzt wissen, in welcher Gruppe sie sind (doppelt blind). 2 Das ist eine Lücke im schweizerischen Zulassungsverfahren: Die Indikationserweiterung wird nicht von der Arzneimittelkommission und vom BAG überprüft. Deshalb kann auch keine Preisänderung stattfinden. Im Prinzip wäre aber bei einer Indikationserweiterung eine Preissenkung angezeigt, weil auch die abgesetzte Menge steigt! 1


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KRANKENVERSICHERUNG

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Die Schweizer Krankenversicherer lancieren per 2006 die europäische Versichertenkarte

Pro Sekunde eine Karte Die Schweiz ist auch punkto Gesundheitswesen keine Insel mehr in Europa: Ab Anfang 2006 wird auch sie eine europäische Versichertenkarte einführen müssen, damit ihre Bürgerinnen und Bürger bei Reisen in den EU-Raum im Notfall medizinische Leistungen gegen Vorzeigen dieser Karte erhalten, ohne dass sie sich vorher bei der Krankenversicherung ein entsprechendes Formular (E-111) beschaffen müssen. Das bedeutet: Innerhalb kürzester Zeit muss die Herstellung von acht Millionen Versichertenkarten konzipiert, koordiniert und durchgeführt werden. santésuisse hat das grösste Kartenprojekt der Schweiz an die Hand genommen.

D

as Personenfreizügigkeits-Abkom­men mit der EU verpflichtet die Schweiz, bis Anfang 2006 eine Versichertenkarte einzuführen. Diese hat das Format einer Kreditkarte und wird minimale Angaben wie Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Versicherer und Versicherten-Nummer enthalten. Die Gestaltung ist europaweit einheitlich. Die EU wird aller Voraussicht nach von der Schweiz ab 2008 eine elektronische Abfrage der Versicherungsdeckung von einer zentralen Stelle in der Schweiz verlangen. Am 12. Januar 2005 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Krankenversicherern mitgeteilt, wie die EU-Versichertenkarte im Detail aussehen muss: Die Vorderseite umfasst die bisherige Kundenkarte, auf der Rückseite wird die EU-Versichertenkarte abgebildet. Ausserdem kann weiterhin ein Magnetstreifen benutzt werden, mit welchem beim Medikamentenbezug in der Apotheke die Versicherungsdeckung abgeklärt werden kann.

Tiefere Kosten, zentrale Informatik-Lösung Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Krankenversicherer verpflichtet, Anfang 2006 die Versichertenkarte einzuführen. Eine gemeinsame Bestellung und Verwaltung dieser Karte ist effizienter und kostengünstiger. Dank dem gemeinsamen Einkauf können in den ersten drei Jahren rund drei Millionen Franken gespart werden. Dies war das Hauptargument für eine Branchenlösung. Ebenso wichtig war aber das Er-

stellen einer zentralen Informatik-Lösung für die Kartenverwaltung sowie für Deckungsabfragen von schweizerischen und in Zukunft auch von ausländischen Leistungserbringern. Die EU wird diese Funktion aller Voraussicht nach 2008 einfordern. Es ist deshalb effektiver, sie jetzt zu erstellen, statt dass die Versicherer einzeln eine Lösung aufbauen, die sie zwei Jahre später zugunsten einer zentralen Variante aufgeben müssten. Kurz gesagt: Eine gemeinsame Bestellung und Verwaltung der Versichertenkarte ermöglicht einen viel effizienteren Ablauf, als wenn jeder Versicherer einzeln die Karten ordern und eine Informatik-Lösung erstellen würde.

VeKa-Center: Gemeinsames Unternehmen der Versicherer Aus diesen Gründen hat santésuisse anfangs 2005 beschlossen, mit dem Versichertenkarten(VeKa)-Center eine entsprechende Dienstleistung anzubieten und alle Versicherer einzuladen, sich hier anzuschliessen. Fast alle Krankenversicherer (61 Versicherer mit insgesamt sechs Millionen OKP-Versicherten) folgten diesem Aufruf. Noch nie wurde in der Schweiz ein derart grosses Kartenprojekt durchgeführt: Um die Auslieferung der Karten bis spätestens 31. März 2006 einhalten zu können, müssen jeden Tag 130 000 Karten hergestellt werden. Das heisst: Pro Karte bleibt eine Produktionszeit von gut einer Sekunde – vorausgesetzt, der Herstellungsprozess läuft nonstop 24 Stunden am Tag. Um das zu ermöglichen, mussten die Ka-

pazitäten der grössten Kartenhersteller der Schweiz kombiniert werden.

Vielstufiger Produktionsprozess Der Produktion vorgelagert sind umfangreiche Vorarbeiten. So mussten mit den einzelnen Krankenversicherern die Rahmenverträge ausgehandelt und abgeschlossen werden. Die Versicherer lieferten wichtige Eckdaten wie die erwartete Anzahl benötigter Karten. Im September wurden die Layouts der Kartenvorderseite – sie kann im Gegensatz zur europaweit einheitlichen Rückseite von jedem Versicherer individuell gestaltet werden – bestimmt, die Rohlinge hergestellt und der Betrieb des VeKa-Centers mit Testdaten der Versicherer geprobt. Für sechs Millionen Versicherte sind acht Millionen Rohlinge produziert. Damit soll sichergestellt werden, dass bei Mutationen den Versicher-


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Foto: Caesar Perrig

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zember 2005, die letzte Gruppe wird termingerecht Ende März 2006 liefern können. Die Lieferung selbst erfolgt durch die Kartenhersteller: Sie müssen dabei die unterschiedlichen Wünsche der Versicherer betreffend Begleitbrief oder Beilagen berücksichtigen.

Das weitere Vorgehen

Die Versichertenkarte berechtigt neu statt des Formulars E-111 zum Leistungsbezug im EU-Raum.

Mit der Auslieferung der Versichertenkarte ist die Arbeit für das VeKa-Center längst noch nicht abgeschlossen. Bereits parallel zur Erstauslieferung wird es Mutationen durch Krankenkassenwechsel, Verlust der Karte, Geburt oder Todesfälle geben. Diese Änderungen werden das VeKa-Center permanent beschäftigen: Es geht von jährlichen Mutationen im Bereich von zehn Prozent der Erstauslieferung aus. Neben den Mutationen wird das VeKaCenter auch die Informatik-Lösung für Deckungsabfragen betreiben. Vorerst hat nur die Gemeinsame Einrichtung KVG darauf Zugriff: Sie wickelt für die Versicherer die Leistungsaushilfe im Ausland ab. Die Deckungsabfrage durch schweizerische oder europäische Leistungserbringer sind vorderhand noch Zukunftsoptionen. Die CoverCard-Lösung der Ofac für die Apotheken wird gemäss einer speziellen Vereinbarung konsequent auf die santésuisse-Versichertenkarte angepasst.

Von der Versichertenkarte zur Gesundheitskarte? ten die neuen Karten umgehend zugestellt werden können. Wenn die einzelnen Versicherer das Gut zum Druck für die Rohlinge erteilt haben, können die Testläufe mit den definitiven, gelayouteten Karten starten: Dabei wird eine kleine Serie hergestellt und den Versicherern zum «Gut zur Kartenproduktion» vorgelegt. Wenn dieses erteilt wird, beginnen die eigentliche Produktion und die Gesamtauslieferung. Der momentane Stand der Dinge ist je nach Versicherer unterschiedlich: Jene, für die die Auslieferung früh vorgesehen ist, befinden sich bereits im Testlauf, für die anderen wird dieser in Kürze folgen.

Komplexer Zeitplan für Auslieferung Die Auslieferung der Versichertenkarte erfolgt über den Kartenhersteller. Er erhält vom Versicherer die administrativen Da-

ten, die auf die EU-Rückseite gedruckt werden, und auch jene Angaben, die auf der individuell gestalteten Vorderseite erscheinen sollen. Mit Hilfe einer speziellen Software werden die Felder auf den beiden Kartenseiten beschriftet und richtig formatiert. Für den Versand übergeben die Versicherer dem Kartenhersteller genügend Couverts, einen Kundenbrief und eventuell weitere Unterlagen. Damit ist sichergestellt, dass der Versand zwar zentral organisiert ist, trotzdem aber bei jedem Versicherer individuell daherkommt. Die Auslieferung der Versichertenkarte ist nicht einfach zu koordinieren: Schliesslich wollen verschiedenste Versicherer bis zum 31. März 2006 ihre Kunden mit dem neuen Ausweis beliefern. Ein komplexer Zeitplan teilt die Versicherer deshalb in drei Gruppen ein: Für die erste Gruppe beginnt die Produktion bereits Mitte De-

Im Herbst 2004 hat das Parlament dem Bund die Kompetenz zur Einführung einer schweizerischen Versichertenkarte erteilt. Gemäss Artikel 42 lit. a KVG werden die Versicherer diese Karte in Zukunft herausgeben müssen. Der Bundesrat hat am 22. Juni 2005 entschieden, dass er das Projekt mit dem Modell einer Chip-Karte, die administrative Daten sowie medizinische Notfallinformationen enthält, weiter verfolgen wird. Die geplante Versichertenkarte mit der EU-Rückseite kann bereits ab 2006 die administrativen Daten zur Vereinfachung der Leistungs-Abrechnung abdecken. Allfällige Zusatzanforderungen aus dem BAG-Projekt können bei der nächsten Gesamtauslieferung im Jahre 2008 auf Basis der jetzigen Lösung berücksichtigt werden, wenn dies der Bundesrat so wünscht. Roman Gerber, Leiter VeKa-Center


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Geschäftsbericht der Gemeinsamen Einrichtung KVG 2004

Koordination mit Europa als Hauptaufgabe Die «Gemeinsame Einrichtung KVG» übernimmt für die einzelnen Krankenversicherer die Koordination der internationalen Leistungsaushilfe, die Leistungsabwicklung für zahlungsunfähige Versicherer sowie den Risikoausgleich. Besonders aktuell ist die Vorbereitung der Umsetzung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der erweiterten EU. Der Geschäftsbericht gibt Einblick in die vielfältigen Aktivitäten der Stiftung und enthält wertvolle Informationen über die Krankenversicherung. Foto: Keystone

A

m 31. Dezember 2004 waren bei der Gemeinsamen Einrichtung KVG 30 424 Personen aus den EG-/EFTA-Staaten als anspruchsberechtigt auf Sachleistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Nichberufsunfall registriert, 16 484 davon mit vorübergehendem Aufenthalt in der Schweiz. Im Berichtsjahr erbrachte die Gemeinsame Einrichtung KVG in 73 809 Fällen Leistungsaushilfe im Gesamtbetrag vom 96 008 088 Franken. Davon entfielen 33 Prozent der Fälle und rund 54 Prozent der Kosten auf Personen mit vorübergehendem Aufenthalt.

Leistungsaushilfe für Versicherte aus dem EURaum: Über 96 Millionen Franken im Jahr 2004.

Osterweiterung der EU

Minimale Höhe des Insolvenzfonds unterschritten

Die Verhandlungen über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Mitglieder Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern wurden am 19. Mai 2004 in Brüssel erfolgreich abgeschlossen. Bereits am 17. Dezember 2004 haben National- und Ständerat der Botschaft des Bundesrates zur Genehmigung und Umsetzung des Protokolls zur Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens zugestimmt. Am vergangenen 25. September hat auch das Schweizer Volk die erweiterte Personenfreizügigkeit gutgeheissen. Wie der Geschäftsbericht festhält, hat die Gemeinsame Einrichtung KVG mit den Vorbereitungen für die Umsetzung des ausgedehnten Abkommens begonnen und einen Massnahmenkatalog erstellt. Damit ist sichergestellt, dass die Geschäftsstelle bei In-Kraft-Treten des Protokolls Ende 2005 die zusätzlichen Aufgaben bewältigen kann.

Um die Leistungen anstelle von zahlungsunfähigen Krankenversicherern übernehmen zu können, beschloss der Stiftungsrat der Gemeinsamen Einrichtung KVG am 2. Juli 1997, einen Insolvenzfonds zu bilden. Angestrebt wurde anfänglich eine Höhe von 50 bis 60 Millionen Franken in zwei bis drei Jahren. Da sich herausstellte, dass dieser Betrag in Anbetracht der finanziellen Situation einiger Versicherer nicht ausreichen würde, stimmte der Stiftungsrat einer Fondshöhe von mindestens 100 Millionen Franken zu. Nachdem es im Lauf des Jahres 2004 zu weiteren Insolvenzfällen kam, die erhebliche Zahlungen aus dem Fonds erforderten, wurde der Mindeststand von 100 Millionen Franken am 31. Dezember 2004 stark unterschritten. Der Stiftungsrat beschloss deshalb am 19. April 2005, den Beitrag für das Jahr 2005 auf drei Franken pro versicherte Person festzusetzen. Im Jahr 2002 erbrachte der Insolvenzfonds Zahlungen in der Höhe von rund 7,8 Mil-

lionen Franken. Im Jahr 2003 waren es bereits 11,8 Millionen. 2004 stieg die Summe auf 33,3 Millionen Franken an. Der Bericht weist darauf hin, dass die Mittel der Gemeinsamen Einrichtung nicht ausreichen würden, wenn ein grosser Versicherer oder gar mehrere Versicherer zahlungsunfähig würden: «In diesem Fall müsste aller Voraussicht nach der Staat einspringen.»

Wachsende Umverteilung aus dem Risikoausgleich Der Umverteilungsbeitrag des Risikoausgleichs ist seit Inkrafttreten des KVG ständig angestiegen, und zwar von 530 Mio. Franken im Jahre 1996 auf 1,1 Mrd. Franken im Jahre 2004. Die Statistik des Risikoausgleichs liefert wertvolle Erkenntnisse für Krankenversicherer und Gesundheitspolitiker. Die wichtigsten Daten aus der Statistik 2004: • 93 Versicherer führten die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) aus. Die 16 grössten Kassen versichern zusammen 81 Prozent der Bevölkerung. • Die Gesamtkosten der OKP betrugen 2004 rund 19,2 Mrd. Franken. • 14,9 Prozent der Kosten oder 2,86 Mrd. Franken finanzierten die Versicherten als Kostenbeteiligung direkt. (2003: 14,5 Prozent oder 2,6 Mrd. Franken) • Die Kosten pro versicherte Person beliefen sich auf 2593 Franken. • Die Kostenbeteiligung pro versicherte Person betrug 386 Franken oder 34 Franken mehr als im Vorjahr. • Der Kostenanstieg pro versicherte Person betrug 2004 gegenüber dem Vorjahr 6,8 Prozent.  Joseph Ziegler


GESUNDHEITSWESEN

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Drei Fragen an: Thomas Cueni, Geschäftsführer der Interpharma

«Weitere Preissenkungsrunden halte ich zurzeit nicht für möglich» Das Bundesamt für Gesundheit und die Pharma-Verbände haben sich unlängst auf Preissenkungen bei den Medikamenten geeinigt, die Einsparungen von 250 Millionen Franken jährlich bringen sollen. Die Krankenversicherer und der Preisüberwacher bezeichnen dies als Schritt in die richtige Richtung, betonen aber gleichzeitig, dass das Sparpotenzial längst noch nicht ausgeschöpft ist. Wie sieht das Thomas Cueni, der Geschäftsführer der Interpharma? infosantésuisse: Herr Cueni, warum hat die Interpharma ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt Hand für Preissenkungen bei den Medikamenten geboten? Welche Rolle spielte dabei der politische Druck? Thomas Cueni: Der Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen aufgenommen wurden, liegt bereits einige Zeit zurück. Die Gespräche liefen nicht nur zwischen uns und dem Bundesamt für Gesundheit. Wir mussten auch intern einige Überzeugungsarbeit leisten, denn vielen Firmen fallen die zu erwartenden Einsparungen alles andere als leicht. Der politische Druck spielte sicher eine gewisse Rolle. Die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ist ein stets präsentes Thema. Zudem haben wir tatsächlich ein Preisproblem im Medikamentenbereich. Die Pharma-Industrie hat sich deshalb dazu entschlossen, ihren Beitrag zu leisten und in die Verhandlungen mit dem BAG einzutreten. Die Ausland-Preisvergleiche des Preisüberwachers und von santésuisse gehen von einem noch höheren Sparpotenzial aus. Halten Sie in Zukunft weitere Preissenkungen bei den Medikamenten für möglich? Der Preisüberwacher hat nach Bekanntgabe der Preissenkungen gesagt, er sei nur halb zufrieden. Wenn Herr Strahm sich so äussert, kann man durchaus annehmen, dass er eigentlich ganz zufrieden ist (lacht).

Die Einsparungen sind für einige PharmaUnternehmen sehr schmerzhaft und werden auch zu Konsequenzen führen. Nein, eine weitere Preissenkungsrunde halte ich zurzeit nicht für möglich. Das Sparpaket wird aber nachhaltig wirken, weil es dynamisch auf die Preiserosion nach Patentablauf im Ausland reagiert.

viel teurer sind als ihre Vorgänger. In der Kritik stehen in diesem Zusammenhang die so genannten Innovationszuschläge. Welche Kriterien muss ein Medikament aus Ihrer Sicht erfüllen, damit es als innovativ bezeichnet werden kann? Das Massnahmenpaket betrifft die neuen Produkte nicht, weil deren Preise insgesamt durchaus vergleichbar sind mit jeDie beschlossenen Massnahmen betreffen nen in anderen Ländern. Damit ein hödie neuen Medikamente nicht, die ja oft sehr herer Preis gewährt wird, muss eine signifikante Verbesserung bezüglich der WZW-Kriterien nachweisbar sein. In der Regel muss es sich dabei um eine neue Substanz-Gruppe handeln – andernfalls muss die Begründung schon sehr, sehr gut sein, damit ein Innovationszuschlag von fünf oder zehn Prozent gewährt wird. Hier hat bei der Arzneimittelkommission und beim Bundesamt für Gesundheit ein Umdenken stattgefunden: Die Eingaben werden viel kritischer überprüft. Deshalb ist auch die Diskussion um künstliche Patentverlängerungen, etwa durch neue galenische Formen, historisch vielleicht richtig, aber nicht mehr aktuell. Für den Forschungsplatz Schweiz bleibt es jedoch wichtig, den Patentschutz zu respektieren: Das Bedürfnis nach neuen und besseren Medikamenten ist vorhanden. Die Pharma-Industrie braucht deshalb Anreize, weiterhin eigenThomas Cueni: «Der politische Druck spielte sicher eine ständig Forschung zu betreigewisse Rolle.» ben.  Interview: Peter Kraft


service Managed Care senkt Krankheitskosten Höhere bis zu 30 Prozent Preise halten Deutsche vom Rauchen ab

Foto: Keystone

Deutschland hat die Tabaksteuer seit dem März 2004 in drei Stufen um jeweils 1,2 Cent pro Zigarette angehoben. Pro Schachtel macht dies total 72 Cent – also über einen Franken – aus. Die jährlichen Zusatzeinnahmen in Milliardenhöhe sollten versicherungsfremde Leistungen der Krankenkassen finanzieren. Doch die Steuer- und damit die Preiserhöhung hat einen weiteren, mindestens genauso willkommenen Effekt: Bereits nach der zweiten Erhöhung, die im Dezember 2004 in Kraft trat, sagten sich 7,5 Prozent aller deutschen Raucherinnen und Raucher vom blauen Dunst los. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Bundesgesundheitsministeriums. Auch langfristig kann Deutschland dank seiner Tabaksteuerpolitik Erfolge verbuchen: Die Raucherquote unter den 12- bis 17-Jährigen ist seit 2001 von 28 auf aktuell 20 Prozent zurückgegangen. Jedoch sind laut der Zeitschrift der Betrieblichen Krankenkassen die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens (Arbeitsausfall, gesundheitliche Folgekosten) noch immer deutlich höher als die Einnahmen aus der Tabaksteuer.

Versicherte in alternativen Versicherungsmodellen verursachen auf Dauer bis zu 30 Prozent weniger Krankheitskosten. Das fand das Sozialökonomische Institut der Universität Zürich unter der Leitung von Professor Peter Zweifel heraus. Den oft gehörten Vorwurf, Managed Care-Modelle hätten nur deshalb tiefere Kos-

ten, weil sich hauptsächlich jüngere Versicherte ihnen anschliessen würden, eliminierte das Institut, in dem es Personen mit der gleichen Risikostruktur untereinander verglich. Versicherte in einem HMO-Modell verursachen gemäss der Studie 30 Prozent weniger Kosten, in einem Hausarztmodell liegt

Foto: Heiner Grieder

Studie des Sozialökonomischen Instituts der Universität Zürich

die Ersparnis zwischen 17 und 22 Prozent. Gemäss Peter Zweifel sind die grossen Ersparnisse vor allem darauf zurückzuführen, dass Ärzte im HMO-Modell kaum Anreize haben, unnötige Leistungen zu veranlassen. Die Studie basiert auf den anonymisierten Daten von rund 540 000 SWICA-Versicherten.

Patienten reagieren unterschiedlich

Akupunktur nur als Teil eines Gesamtkonzepts Studien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Deutschland haben Interessantes zum Thema Akupunktur zu Tage gefördert: Es lässt sich nicht sagen, ob die Akupunktur oder die konventionelle Schmerztherapie wirtschaftlicher und wirksamer ist, weil die Patienten völlig unterschiedlich auf die beiden Behandlungsarten reagieren. Es müsse daher im Einzelfall die ideale Lösung gesucht, die Akupunktur als ein möglicher Baustein in ein schmerztherapeutisches Gesamtkonzept integriert werden. Für die Vergütung durch die Krankenver-

sicherung gibt der Bundesausschuss folgende Empfehlungen ab: Erstens müssen konventionelle Therapie und Akupunktur gleichwertig vergütet werden, damit für die Leistungserbringer kein Anreiz besteht, die eine oder andere Form aus Verdienstgründen zu bevorzugen. Zweitens soll die Akupunktur nur von Leistungserbringern verordnet werden können, die auch das schulmedizinische Vorgehen beherrschen. Damit wäre sichergestellt, dass der Arzt aus mehreren Möglichkeiten jene wählt, die für den Patienten die beste Lösung ist.

Foto: Keystone

Tabaksteuer erzielt gewünschte Wirkung


SANTÉSUISSE – SERVICE infosantésuisse

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Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

15. November Kantonsspital Baden

www.healthhospitals.ch

16. November Hotel Bellevue Palace, Bern

www.vips.ch

23. November Hotel Kreuz, Bern

www.santesuisse.ch

23. November Kongresshaus Zürich

www.irp.unisg.ch

Gesundheitsförderung mit Qualität Netzwerk gesundheitsfördernder Spitäler HPH-Label-Übergabe an das Kantonsspital Baden und die Klinik Barmelweid Ist der Föderalismus im Gesundheitswesen ein Auslaufmodell? vips

Diskussionsrunde u.a. mit dem GDK-Präsidenten Markus Dürr und mit dem Präventivmediziner und Nationalrat Felix Gutzwiller

Qualität in der Arztpraxis – Workshop santésuisse santésuisse

Gibt einen Überblick zum Thema Qualität in der Arztpraxis und über den Stand der Qualitätsdiskussion in der Schweiz

Das Gesundheitswesen – Motor von Wohlbefinden und Wohlstand Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis, Universität St. Gallen

Präsentiert unkonventionelle Denkanstösse für das schweizerische Gesundheitswesen

Primes d’assurance-maladie plus élévées en Romandie: pourquoi? U.a. mit Fabienne Clément, Leiterin Region West, santésuisse

www.gesundheitspolitik.ch 24. November Foyer de Beausobre, Morges

Zeichnung: Marc Roulin

Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik


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Nationale Tagung fĂźr betriebliche GesundheitsfĂśrderung 2006

Leistungsfähigkeit erhalten – ÂŤBurnoutÂť muss nicht sein

Hospital Management Forum

Donnerstag, 9. März 2006, Universität Freiburg Ziele der Tagung: ÂŤBurnoutÂť ist ein ernst zu nehmender Risikofaktor fĂźr Unternehmen. Leistungsfähigkeit, soziale Kontakte und Motivation leiden bereits lange bevor die Notlage da ist. Durch gezielte Massnahmen zur FĂśrderung von persĂśnlichen und arbeitsbezogenen Ressourcen kĂśnnen Leistungsfähigkeit und Engagement erhalten und Betroffene unterstĂźtzt werden. Die Tagung gibt Antworten auf die Fragen: - Was ist und was fĂśrdert ÂŤBurnoutÂť? - Was kĂśnnen Betriebe tun, um Leistungsfähigkeit und Motivation zu erhalten? - Wie kĂśnnen sich von ÂŤBurnoutÂť betroffene Mitarbeitende regenerieren? Zielpublikum: • FĂźhrungskräfte, Personalfachleute und Gesundheitsbeauftragte in Unternehmen • Akteure der betrieblichen GesundheitsfĂśrderung, der Prävention und der Rehabilitation • Spezialistinnen und Spezialisten der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz (ASA) • Vertreterinnen und Vertreter von Ăśffentlichen Institutionen • Politikerinnen und Politiker TagungsgebĂźhr: CHF 250.– / EUR 170.– inkl. Mittagessen, Pausenverpflegung und Tagungsmappe. VergĂźnstigung fĂźr Mitglieder des Schweizerischen Verbandes fĂźr betriebliche GesundheitsfĂśrderung (SVBGF) www.svbgf.ch Schirmherrschaft: Universität Freiburg Trägerschaft: Staatssekretariat fĂźr Wirtschaft (seco) • GesundheitsfĂśrderung Schweiz • Schweizerische Gesellschaft fĂźr Arbeits- und Organisationspsychologie (SGAOP) • Dachverband der Fachgesellschaften fĂźr Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (suissepro) • Schweizerischer Verband fĂźr betriebliche GesundheitsfĂśrderung (SVBGF) • Institut fĂźr Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg • Professur Personal- und Organisationspsychologie der Universität Freiburg • Bundesamt fĂźr Gesundheit (BAG) • CSS Versicherung • Helsana Versicherungen AG • santĂŠsuisse • Suva • SWICA Gesundheitsorganisation • Swiss Re Bezugsquellen fĂźr Programm und Anmeldetalon: www.bgf-tagung.ch (online-Anmeldung ist mĂśglich) Kontakt: Moser Luthiger & Partner Consulting Tel. +41 (0)43 888 07 81 Tagungs- und Konferenzorganisation Fax +41 (0)43 888 07 82 Im Leemann 6 Natel +41 (0)79 439 70 58 CH-8805 Richterswil ZH E-Mail mlcons@bluewin.ch

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