infosantésuisse Nr. 02/2012 deutsch

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info santĂŠsuisse

Reformen auf der Zielgeraden

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Wie gestaltet sich die Rechnungskontrolle unter SwissDRG? Visana-Spezialist Marc Stettler im Interview.

Warum ist Managed Care für den Patienten die beste Lösung? Urs Zanoni, Forum Managed Care, nennt zehn Gründe.

Woran krankt unser Gesundheitswesen? Der neue Gesundheitsminister Alain Berset diagnostiziert.

Inhalt Gesundheitswesen 4 Der Vertrauensarzt ist kein Rechnungskontrolleur 7 Wieviel falsches Codieren kostet 8 Welche Informationen befinden sich auf einem Minimal Clinical Dataset? 10 Punktlandung bei der Rechnungskontrolle 11 Zehn Gründe für Managed Care 14 Warum chronisch Kranke von Managed Care profitieren 18 Warum Gesundheitsminister Alain Berset Managed Care unterstützt Rubriken 14 Grafik des Monats: Chronisch Kranke leiden unter der mangelnden Versorgungskoordination 16 10 Fragen – 10 Antworten: Was Sie schon immer über Managed Care wissen wollten 20 Buchtipp: Das Standardwerk für chronisch Kranke gibt es neu auch auf Deutsch 21 Generika: Keine Absprachen unter Pharmafirmen 21 Generalversammlung santésuisse mit Veranstaltung zur Gesundheitspolitik 22 Bild des Monats: Eine Hand wäscht die andere

Nr. 2, mai 2012. Erscheint sechsmal jährlich Abonnementspreis Fr. 54.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Silvia Schütz, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 41 53, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout und grafiken: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Henriette Lux ISSN 1660-7228


Unverzichtbare Puzzleteilchen

Zwei Reformen des Gesundheitswesens stehen zur Zeit aus Sicht der Krankenversicherer im Fokus und befinden sich auf der Zielgeraden: einerseits die Managed Care-Vorlage (integrierte Versorgung ab S. 11). Andererseits SwissDRG bzw. die Lieferung derjenigen Daten durch die Spitäler, die für die Rechnungskontrolle zugunsten der Prämienzahler nötig sind (ab S. 4). Ohne das ­Minimal Clinical Dataset – also Hauptdiagnose, Neben­diagnosen und Angaben zur Behandlung – ist die Rechnungskontrolle nicht möglich. Mit der Rechnungskontrolle verfolgen die Krankenversicherer keine Eigeninteressen, sondern nehmen ihre gesetzlich vorgeschriebene Rolle als unverzichtbares Puzzleteil im Gesundheitssystem wahr: Die Leistungserbringer verrechnen, die Krankenversicherer stellen als Vertreter der Prämienzahler sicher, dass die Rechnung korrekt ist und bezahlen. Die Krankenversicherer sparen durch die Rechnungskontrolle pro Jahr eine Milliarde Franken zugunsten der Versicherten ein, also fünf Prämienprozent. Doch genauso wichtig ist die Funktion, die sie damit als wichtiges Puzzleteil des ganzen Gesundheitssystems erfüllen: Fällt die Rechnungskontrolle weg, steigen die Prämien. Denn alles, was ein Arzt im Spital (und in der Praxis) verschreibt oder behandelt, muss im Prinzip durch die Krankenversicherung und damit die Allgemeinheit bezahlt werden. Es gilt die geschriebene Rechnung. Der Fehlanreiz liegt auf der Hand: Je mehr ein Leistungserbringer verrechnet, desto mehr verdient er. Ohne unlautere Motive unterstellen zu wollen, muss doch die Frage erlaubt sein: Wenn ohne Kontrolle bezahlt wird – wohin führt das? «Kontrolle ist besser als Vertrauen», lautet eine Binsenwahrheit. Deshalb braucht es Reformen und Verordnungen, die jedem Puzzleteilchen den richtigen Platz gewähren, damit es zum Gelingen des Gesamtwerkes beitragen kann.

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Silvia Schütz Chefredaktorin infosantésuisse


Der Vertrauensarzt

ist kein Rechnungskontrolleur Die Fallpauschalen sind da – die ersten SwissDRG-Rechnungen sind bei den Krankenversicherern eingetroffen. Was noch fehlt, sind die für die Rechnungskontrolle relevanten Diagnose- und Prozeduren-Daten, damit die Rechnungskontrolle ihre positiven Effekte im Sinne des Prämienzahlers entfalten kann: Dank der Rechnungskontrolle werden pro Jahr rund eine Milliarde Franken eingespart. Marc Stettler, Spezialist der automatischen Rechnungsprüfung bei der Visana Services AG, gewährt Einblick in seine bisherigen Erfahrungen.

während des Aufenthaltes. Es fehlen aber Diagnose- oder Prozedurendaten sowie Beatmungsstunden. Wie gestalten Sie die Triage in Bezug auf Rechnungen, welche vertieft geprüft werden sollen?

Da die Diagnose- und Prozedurendaten bei der Triage nicht zur Verfügung stehen, müssen wir uns auf die vorhandenen Daten beschränken, im Wesentlichen auf die DRG, also Fallgruppe. Die DRGs wurden durch uns im Vorfeld der Einführung auf ihr Prüfpotenzial untersucht. Diese Untersuchung führte zu einer Kriterienliste, welche die vertieft zu prüfenden DRGs enthält.

Seit Januar wird mit SwissDRG abgerechnet. Was sind Ihre Erfahrungen damit?

Welche Daten müssten Sie für eine ideale Rechnungskontrolle erhalten?

Es ist ein eher zögerlicher Start. Wir erhalten vereinzelt elektronische Rechnungen zum Testen der Anbindung und zum Überprüfen der Datenqualität. Der Grossteil der SwissDRGRechnungen trifft auf Papier bei Visana ein. Noch scheinen nicht alle Spitäler den Sprung ins neue System gemacht zu haben.

Um die gesetzlich vorgeschriebene Rechnungskontrolle wahrnehmen zu können, müssen wir über alle Diagnosen- und Prozedurendaten, sowie die weiteren gruppierrelevanten Daten (Beatmungsstunden, Geburtsgewicht, ...) verfügen können. Nur so ist es uns möglich, die Rechnungen effizient mit einem elektronisch hinterlegten Regelwerk automatisch zu prüfen und gezielte Rückfragen an die Leistungserbringer zu stellen, wo dies nötig erscheint.

Wieviele Spitäler liefern auf Papier?

Aktuell rund 98 Prozent. Werden Ihnen Diagnose- und Prozedurendaten systematisch zur Verfügung gestellt?

Wie gehen Sie damit um, dass Sie nicht alle relevanten Daten erhalten?

Nein, wir erhalten noch keine systematisch gelieferten Diagnose- oder Prozedurendaten. Die Leistungserbringer warten auf die Verordnung mit den näheren Bestimmungen zur Datenübermittlung. Bis diese Verordnung erlassen wird, fordern wir bei zu prüfenden Fällen die medizinischen Unterlagen an.

Gezielte Rückfragen sind so nicht möglich und es wäre wesentlich einfacher, wenn wir von Beginn weg alle Daten erhalten würden.

Welche Daten werden von den Spitälern angeliefert?

Haben Sie den vertrauensärztlichen Dienst seit Einführung der Fallpauschalen aufgestockt?

Zum heutigen Zeitpunkt erhalten wir die DRG (Fallgruppe), Behandlungsbeginn und -ende sowie allfällige Urlaubstage

Wir haben Mitarbeitende zu Codierspezialisten weitergebildet und das Team durch ärztliche Codierer ergänzt. Durch

Rechnungen, die genauer kontrolliert werden sollten • Inlier-Fälle, die merklich kürzer hospitalisiert sind als die durchschnittliche Verweildauer der entsprechenden DRG-Fallgruppe (Möglicher Fehler: falsche Diagnose auf der Rechnung). • Fälle, die nach einem stationären Austritt vom Spital gleichentags oder am darauffolgenden Tag in einer anderen stationären Institution zur Behandlung aufgenommen worden sind (Möglicher Hintergrund: zu frühe Entlassung). • Fälle, die innerhalb von 18 Tagen seit Austritt rehospitalisiert oder die innerhalb von 18 Tagen nach Verlegung rückverlegt werden, und mit anderer DRG (Fallpauschale)/anderer MDC (Hauptdiagnosegruppe) abgerechnet werden, sofern der Fallpauschalenkatalog nach SwissDRG nicht eine «Ausnahme von Wiederaufnahme» vorsieht (Möglicher Fehler: Bei Wiederauf-

nahme innerhalb von 18 Tagen darf kein neuer Fall eröffnet werden). • Prüfung von A- und B- allenfalls C-Schweregraden (letzte Ziffer beim DRG), sofern DRG bestehen, die noch nach weiteren Schweregraden unterscheiden (Möglicher Fehler: Es wurde ein zu hoher Schweregrad verwendet). • DRG-Fallgruppen, welche der MDC 23 «Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und andere Inanspruchnahme des Gesundheitswesens» sowie der Kategorie «Fehler-DRGs und sonstige DRGs» zuzuordnen sind (Blindflugangabe, die kontrolliert werden muss)*. *Rundschreiben tarifsuisse ag vom 2/2012

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Foto: Walter Imhof

Marc Stettler, Spezialist f체r die automatische Rechnungspr체fung bei Visana, erkl채rt die komplexe automatische Rechnungskontrolle.

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Stichwort: Fallpauschale (DRG)

diese Massnahmen sind wir, so glaube ich, gut für die Zukunft gerüstet. Wann fällt unter den jetzigen Bedingungen – einzig aufgrund der DRG-Nummer – eine Rechnung auf?

Wenn sie einem Kriterium auf unserer manuellen Prüfliste entspricht oder wenn sie einem unserer erfahrenen Sachbearbeiter prüfenswert erscheint, etwa bei einem aufgrund der (codierten) Diagnose unverhältnismässig langen Aufenthalt im Spital.

Das wichtigste Kriterium für die Zuordnung eines Patienten zu einer Fallgruppe ist die Hauptdiagnose bei Spitalaustritt. Weitere Klassifikationsmerkmale sind Nebendiagnosen, Prozeduren, Alter, Geschlecht, Art des Spitalaustritts, Schweregrad, bei Neugeborenen das Geburtsgewicht und weitere Faktoren. Diese Angaben werden in die Gruppierungssoftware (Grouper) eingespeist und einer Fallgruppe zugewiesen (DRG). Jede Fallgruppe (z.B. Blinddarm-OP) hat schweizweit dasselbe Kostengewicht (0,624). Dieses wird mit dem Basispreis (ausgehandelt zwischen Versicherern und Spitälern oder festgesetzt durch den Kanton) des jeweiligen Spitals multipliziert und ergibt die Höhe der entsprechenden SwissDRG-Fallpauschale (Beispiel Zürich: Provisorisch festgesetzter Basispreis 9500 Franken: 0,624 X 9500 = 5928 Franken*). * infosantésuisse 2/11, S. 10/11, Glossar zu SwissDRG. Abonnenten können die Ausgabe online abrufen auf www.santesuisse.ch.

Welche Rechnungen kontrollieren Sie prinzipiell genauer?

Es gibt bestimmte Fallkonstellationen, die wir prinzipiell immer unter die Lupe nehmen. Ein Beispiel dafür ist die Rückverlegung ins ursprünglich behandelnde Spital innerhalb von 18 Tagen. Weiter kontrollieren wir die Fehler-DRGs, da wir bei diesen letztlich überhaupt nicht wissen, was wir eigentlich da genau bezahlen sollen. Ein Beispiel für eine FehlerDRG ist die 901A, welche auftritt, wenn zu einer Hauptdiagnose nur Prozeduren kodiert werden, welche nicht im Zusammenhang mit dieser stehen können. Oder die 961Z, die erscheint, wenn eine unzulässige Hauptdiagnose in den Grouper eingegeben wurde. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Spitälern?

Wir hatten mit APDRG ja bereits einen Testlauf und konnten dort zusammen Erfahrungen sammeln. Darauf aufbauend hat sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt und ich denke, wir verstehen die jeweiligen Anliegen des Gegenübers sehr gut. Klar gibt es ab und zu Meinungsdifferenzen, aber es ist immer ein Geben und ein Nehmen. Was muss die neue Verordnung zur Datenübermittlung für Sie zwingend enthalten?

Die neue Verordnung muss zwingend regeln, welche Daten zu übermitteln sind. Diese werden beim Eintreffen durch unser Regelwerk geprüft und an die richtige Stelle weitergeleitet. Es ist also keine Option, alle Rechnungen an den Vertrauensarzt zu schicken.

Bei wie vielen Spitalrechnungen holen Sie ergänzende Angaben bei den Leistungserbringern ein?

Wir werden bei rund 10 bis 20 Prozent der Rechnungen zusätzliche Angaben zu den systematisch übertragenen Daten beim Leistungserbringer einfordern müssen. Dies ist in Analogie zu Erfahrungen aus Deutschland. Was bringen die von Ihnen zusätzlich eingeforderten Daten?

Diese Daten werden von uns dazu verwendet, den Fall zu plausibilisieren. Es kann vorkommen, dass jemand bei der Codierung unabsichtlich einen falschen Code genommen hat oder sich vertippt hat. Wir sagen, wenn die Geschichte, welche uns durch die eingeforderten Daten erzählt wird, mit der Codierung übereinstimmt, dann ist die Rechnung in Ordnung. Wieviele Rechnungen weisen Sie zurzeit zurück? Aus welchen Gründen?

Aus tariflichen und medizinischen Unstimmigkeiten werden wir mit dem neuen Fallpauschalensystem vermutlich rund sechs Prozent der Rechnungen beanstanden. Dies wird zu einer Reduktion von rund drei Prozent der gesamten Leistungskosten führen. Auch diese Zahlen basieren auf Erfahrungen aus Deutschland. Wie viele haben Sie vor SwissDRG, also bis anhin, zurückgewiesen?

Im Rahmen des Vergütungsmodells nach DRG haben medizinische Angaben grundsätzlich Vergütungsrelevanz und sind im Rahmen der Rechnungskontrolle unverzichtbar. Inwiefern?

Bereits heute weisen wir rund sieben Prozent der Rechnungen zurück.

Die medizinischen Daten wirken sich unmittelbar auf die Bestimmung der Fallgruppe aus. Beispielsweise ist es bei den Neugeborenen wichtig, wie schwer diese sind. Je nach Gewicht gibt es eine andere DRG und letztlich eine andere Entschädigung. Auch die Diagnosen haben einen entscheidenden Einfluss. Eine Begleiterkrankung kann in einem Fall relativ harmlos sein und in einem anderen Fall relativ schwer wiegen. Dies schlägt sich dann auch in der DRG nieder. Aus diesem Grund ist es immer wichtig nachvollziehen zu können, warum in einem Fall eine bestimmte Fallgruppe erreicht wurde und nicht eine andere.

Wie für die Akutbehandlungen hat sich auch für Reha und Psychiatrie die Finanzierung insofern geändert, dass alle Kliniken mit Leistungsauftrag vom Kanton mitfinanziert werden. Der Tarif nach SwissDRG hingegen gilt für diese Kliniken nicht, somit auch nicht die vorgesehene elektronische Rechnungsstellung. Die elektronische Rechnungsstellung wird von uns aber auch im Reha- und Psychiatriebereich angestrebt.

Gibt es Probleme mit Reha- und Psychiatrierechnungen?

interview: silvia schütz

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Wieviel falsches Codieren kostet Die Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass rund drei Prozent aller Spitalkosten auf (grossenteils unabsichtliche) Fehler in der Codierung der Rechnung des Spitals zurückgehen. Überträgt man diese Prozentzahl auf die Schweiz, ergibt dies ein Einsparpotenzial von 176 Mio. Franken1 allein aufgrund der Codierung.

legt und es müssen zwei Zehen und ein Vorderfuss amputiert werden. Damit die Wunde verheilen kann, wählen die Ärzte eine kontinuierliche Sogbehandlung bei Vakuumversiegelung. Als Hauptdiagnose führen die Ärzte eine Arterienverkalkung am Bein auf. Dies führt zur DRG F28A mit einem Kostengewicht von 5,665.

Warum die Rechnungskontrolle verunmöglicht wird, wenn Diagnosen und Behandlungen (Prozeduren) dem Kontrolleur nicht bekannt sind, illustrieren die nachfolgenden Beispiele. Eine 72-jährige Patientin wird zwei Nächte stationär zur Koloskopie aufgenommen. Der Grund für diese Darmspiegelung sind Durchfälle, zweimal Blut im Stuhl (Haemoccult) und die «unklare Reduktion des Allgemeinzustandes». Die Patientin wurde bereits vor sechs Wochen wegen kardialer Dekompensation (Herzschwäche, Beschwerden wie Luftnot oder Wasseransammlung) und beginnender Demenz hospitalisiert. Festgestellt wurde eine nichtinfektiöse Gastroenteritis. Die Behandlung zusammen mit den Diagnosen (Gastroenteritis = Hauptdiagnose; kardiale Dekompensation und beginnende Demenz = Nebendiagnosen) führt heute zur DRG G67D und einem Kostengewicht von 0,49.2

Rechnung 17 990 Franken zu hoch

Rechnung 2370 Franken zu hoch

Dass die Patientin überhaupt stationär behandelt wird, ist aufgrund der Herzschwäche nachvollziehbar. Dass sie aber zwei Nächte stationär im Spital verbringt und nicht nur eine Nacht, wirft Fragen auf und hat auch finanzielle Folgen. Würde sie eine Nacht im Spital verbringen, ergäbe dies ein Kostengewicht von 0,253 statt 0,49. Bei einer angenommenen Baserate von 10 000 Franken zahlen die Prämienzahler für diese zu lange Verweildauer (zwei Nächte statt eine Nacht) 2370 Franken.

Die Hauptdiagnose muss der Diabetes mit seinen verschiedenen Komplikationen sein. Die korrekte Hauptdiagnose ergibt die DRG K01B mit einem Kostengewicht von 3,866. Durch die Vertauschung der Hauptdiagnose mit einer Nebendiagnose fällt die Spitalrechnung bei einer angenommenen Baserate von 10 000 Franken 17 990 Franken zu hoch aus. Die Verweildauer als Kostentreiber

Die Verweildauer ist die Zeit, in der ein Patient stationär in einer Klinik behandelt wird. In der Regel wird der Tag der Entlassung nicht eingerechnet. Bei einer stationären Behandlung von Montag bis Freitag ergäbe sich eine Verweildauer von vier Nächten. Für eine DRG ist eine minimale und eine maximale Verweildauer im Fallpauschalenkatalog festgelegt. Wird die minimale Verweildauer unterschritten, wird ein geringeres Kostengewicht zur Berechnung des Fallerlöses herangezogen und es ergibt sich für das Spital weniger Erlös. Wird die maximale Verweildauer überschritten, wird ein grösseres Kostengewicht zur Berechnung der Fallpauschale verwendet. Tritt ein Patient mit minimaler Verweildauer aus dem Spital aus, unterzieht der Rechnungskontrolleur der Versicherung diese Rechnung einer genaueren Prüfung, denn allenfalls wurde der Patient zu früh einbestellt – und hat dadurch erst die teurere Stufe «Verweildauer» erreicht. Silvia schütz

Die vertauschte Hauptdiagnose

Eine 78-jährige Patientin wird mit entgleistem Diabetes eingeliefert und 12 Nächte stationär aufgenommen. Sie ist eine langjährige Diabetikerin mit Gefässproblemen und schmerzlosen Ulzera (geschwürähnlichen Hautveränderungen) am Fuss. Während des Aufenthalts wird der Diabetes neu eingestellt, es wird ein Bypass unterhalb des Kniegelenks ge-

Diese Zahl beruht auf der santésuisse-Versichertenstatistik 2010. Demnach betragen die Bruttoleistungen absolut im Spital stationär rund 5,9 Mrd. Franken. Drei Prozent davon ergeben 176 Mio. Franken (Quelle: Handbuch der Schweizer Krankenversicherung 2012, S. 17). Die Statistik widerspiegelt die Kostensituation der Spitäler vor Einführung der neuen Spitalfinanzierung 2012. Zahlen zur Situation seit Einführung der Fallpauschalen liegen noch keine vor. 2 Quelle: Webgrouper der SwissDRG AG; webgrouper.swissdrg.org 1

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OBERE GVWD

MITTLERE VWD

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MINIMALE VWD

KOSTENGEWICHT

DIAGRAMM ZUR VERWEILDAUER

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VERWEILDAUER (TAGE)

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In Deutschland ist die zu frühe Aufnahme in das Spital vor einer Operation (präoperative Tage) der grösste Kostentreiber. Wird die minimale Verweildauer unterschritten, wird ein geringeres Kostengewicht zur Berechnung herangezogen und es ergibt sich ein tieferer Erlös aus der Fallpauschale. Wird der Patient zu früh ins Spital einbestellt, erreicht sein Fall eine höhere Fallpauschale.


Wozu die Daten nötig sind Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe steht die Verordnung zur Datenübermittlung noch aus. Sie wird regeln, mit welchen konkreten Daten die Krankenversicherer rechnen dürfen, um die Rechnungskontrolle auch künftig gewährleisten zu können.

Das Gesetz schreibt die systematische Lieferung der für die Rechnungskontrolle nötigen Daten vor (Art 42 KVG)1. Was damit im Detail gemeint ist, muss der Bund möglichst schnell in einer Verordnung festlegen. Es geht um Einsparungen im Sinne des Prämienzahlers von geschätzten 176 Millionen Franken allein durch die Überprüfung der Codierung. Die eigentliche Rechnungskontrolle der Krankenversicherer entlastet die Prämienzahler nochmals um fünf Prämienprozent (eine Milliarde Franken). Zankapfel rund um die Lieferung der relevanten Daten ist das so genannte MCD-Set (Minimal Clinical Dataset). Es erlaubt den Krankenversicherern, die durch die Spitäler erstellte Diagnose nachzuvollziehen und dadurch die Rechnung überhaupt erst prüfen zu können. Bis anhin werden von den Spitälern lediglich die jeweils codierte Diagnose geliefert und der daraus resultierende Frankenbetrag. Zum Beispiel: Eingriff an der Retina (SwissDRG-Code: C15Z), Betrag 9183 Franken (s. Rechnung rechts). Dass dies für die Rechnungskontrolle nicht genügen kann, liegt auf der Hand. Denn wer würde einen Kassenzettel akzeptieren, auf dem steht: Einkauf beim Detailhändler Meier, Betrag 250 Franken? Die Spitäler berufen sich auf den Datenschutz im Sinne des Patienten. Damit rennen sie bei den Krankenversicherern offene Türen ein. Ein Patient kann jederzeit wünschen, dass seine Daten nur an den Vertrauensarzt geliefert werden. Stigmatisierende Diagnosen wie Aids und psychische Erkran-

kungen gelangen ohnehin nur an den Vertrauensarzt. Doch macht es keinen Sinn und verursacht unnötigen, administrativen Aufwand auf Seiten der Spitäler und Krankenversicherer, wenn die für die Rechnungskontrolle nötigen Daten ausschliesslich an den Vertrauensarzt geliefert werden, wie dies der Spitalverband H+ fordert. Konkrete Beispiele aus der Praxis

Zurzeit (Ende April 2012) werden die für die Rechnungskontrolle nötigen MCD-Daten von den Spitäler nicht an die Krankenversicherer geliefert. Das ist nach Ansicht von santésuisse und den Krankenversicherern kein tragbarer Zustand. Auch die diskutierte Lieferung von anonymisierten MCD nur an den Vertrauensarzt ist keine Lösung. Wenn die Vertrauensärzte der Schweiz 80 Millionen Rechnungen zusammenführen müssen (entcodieren bzw. entanonymisieren) und danach die Rechnungstriage vornehmen müssen (welche Rechnung muss vertieft kontrolliert werden, welche kann zur Bezahlung direkt freigegeben werden?), wird der vertrauensärztliche Dienst zur Triagestelle. Worum es bei den zu liefernden Daten geht und wozu sie dienen, soll an dieser Stelle aufgezeigt werden.2 Art. 42, Abs. 3bis KVG: Die Leistungserbringer haben auf der Rechnung nach Absatz 3 die Diagnosen und Prozeduren nach den Klassifikationen in den jeweiligen vom zuständigen Departement herausgegebenen schweizerischen Fassungen codiert aufzuführen. Der Bundesrat erlässt ausführende Bestimmungen zur Erhebung, Bearbeitung und Weitergabe der Daten unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips. Art. 42, Abs. 4 KVG: Der Versicherer kann zusätzliche Auskünfte medizinischer Natur verlangen. 2 Diagnosis Related Groups (diagnosebezogene Fallgruppen). MDC: Major Diagnosis Category (Hauptdiagnosengruppe) 1

Beispiel eines MCD (Minimal Clinical Dataset):

3M

BUR-Nummer:

Standort:

2 - Weiblich 28.02.2012 11:00 0

18.02.1965 Geburtsdatum 05.03.2012 09:00 Austrittsdatum Adm. Urlaubstage 0

Alter (KJahre) Verweildauer Beatmungsstunden

1 - Zuhause

Aufnahmeart

1 - Zuhause

Entscheid für Austritt

Fallnummer:

Demographische Daten Geschlecht Eintrittsdatum Adm. Urlaubsstunden Aufenthalt vor Eintritt Aufenthalt nach Austritt

Diagnosen Nr. HD (Hauptdiagnose) 1. ND (Nebendiagnose) 2. ND

Prozeduren Nr. HPR 1. PR

Ver. 1.7.0

3M Kombi-Grouper - Ergebnisse für

Eintrittsart 01 - keine Verlegung Entlassart 1 - auf Initiative des Behandelnden

47 6 0

Aufnahmegewicht Geburtsgewicht 0 Stunden auf Intensivstation

2 - angemeldet, geplant 00 - normal

Code H35.3 H52.1 Z88.0

Lok. R R

Code-Text n Poles Degeneration der Makula und des hintere

Code 14.74 14.59.11

Lok. R R

Beginn 28.02.2012 13:00 28.02.2012

Myople amnese Allergie gegenüber Penizillin in der Eigenan Code-Text Sonstige mechanische Vitrektomie ponade (Gas) Behebung einer Amotio retinae durch Endotam

Grouperergebnisse Swiss-DRG: 1.0A DRG: MDC: Grouper-Status: PCCL: Berechnete Vwd / Mittlere Vwd: Eff. Gew.:

Andere Eingriffe an der Retina Krankheiten und Störungen des Auges normale Gruppierung uer Überschreitung der oberen Grenzverweilda Aufenthaltstyp Zuschl: Tag 1. / Abschl Tag 1. 6 / 2.8 te) = SFr. 9183.80 09.77 (0.865 + 0.112) x SFr. 9400.00 (Basera

C15Z 02 0 0

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Beispiel der Rechnung ohne MCD:

Die eigentliche Rechnung (ohne MCD) enthält im Unterschied zum MCD Angaben zum Patienten, dem Versicherer, dem behandelnden Spital und wie die MCD auch das Eintrittsund Austrittsdatum. Als Diagnose wird schlicht der Code angegeben, also z.B. C15Z (mit oder ohne Text). Danach folgt das entsprechende Kostengewicht und der Schlussbetrag. Erhält der Sachbearbeiter nur die untenstehende Rechnung, kann er keine Kontrolle vornehmen, da ihm die Informationen zu deren Entstehung fehlen. In diesem Fall hätte dies

keine Folgen, da die Codierung korrekt und nachvollziehbar ist. Doch ist die automatische, elektronische Kontrolle durch das System so nicht möglich. Die Triage der Rechnungen in solche, die durch den Sachbearbeiter eingehender kontrolliert werden und in solche, die direkt ausbezahlt werden, wird verunmöglicht. Wie eine solche funktioniert, erklärt Marc Stettler von Visana auf Seite 10. Silvia schütz

TP Rechnung

Dokument

Rechnungssteller Leistungserbringer Dokument

Identifikation EAN-Nr. ZSR-Nr. EAN-Nr. ZSR-Ident Nr./N ifikat IF-Nr ion .

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SPITAL XY Tel.: SPITAL XY Tel.:

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Beha Beha ndlun ndlu ng/Tg/Tag 28.02.2012 agee 28.02 .2012- 05.03 .2012 - 05.03 /7 /7 .2012 Behandlungsart Beha Stationär ndlungsart Stati onär Hospitalisierung 28.02.2012 11.00 Hospitalisierung 28.02.2012 11.00 Eintrittsart angemeldet/geplant Eintrittsart angemeldet/geplant Aufnahmeart Aufn ahm eartsart Entla ssung Entla Betrie ssunbs-Nr gsart ./Name /Ortr./Na BetriRolle ebs-N me

Zuweiser

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Zuweiser

RechnungsDatum Rech /-Nr. nung 23.04 s-Da .12-Nr. / 00000 tum/ 0 .12 / 0000 23.04 00 Mahn-Datum/-Nr.

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Behandlungsgrund Behandlu Krankheit Austrittsabteilung ngsgrund

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Diagnose M511 EAN-Liste Bemerkung 0/000 0000

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Bemerkung Datum

Tarif

05.03.2012

Datum05.03.2012 Tarif 05.03.2012 05.03.2012

Tarifziffer

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Punktlandung bei der Rechnungskontrolle Visana ist für die Abrechnung mit SwissDRG bestens gerüstet. Die ärztliche Codierstelle wurde aufgestockt, ein Dutzend intern ausgebildete und zusätzlich neu eingestellte medizinische Codierer stehen bereit. Ebenso wichtig: Der Krankenversicherer hat das hauseigene Leistungsverarbeitungssystem weiter entwickelt und kann Rechnungen punktgenau kontrollieren. Ein Blick hinter die Kulissen.

Trifft bei Visana eine Rechnung ein, auf der eine SwissDRG aus «MDC 23»1 steht, scheidet sie das System automatisch zur eingehenden Prüfung durch einen Sachbearbeiter aus. «Der Code MDC 23 kann alles bedeuten, deshalb ist klar, dass eine genaue Kontrolle nötig ist», sagt Marc Stettler, Spezialist Regelwerk bei der Visana. Auch andere Besonderheiten fischt das System automatisch aus dem Rechnungsstrom und leitet es an einen Sachbearbeiter weiter (vgl. S. 4). Dieser fragt dann beim Spital zurück. Braucht er spezifische Informationen, schaltet er einen der Vertrauensärzte ein. Nur diese dürfen medizinische Auskünfte einholen. Das Patientendossier bleibt stets im Spital. Ein ausgetüfteltes Regelwerk im System macht das punktgenaue Herausfischen möglich. Es prüft eingehende Rechnungen automatisch auf Unstimmigkeiten, seien es administrative Daten, die sich widersprechen (Versichertennummer und Patientenname stimmen nicht überein), oder unstimmige oder überprüfenswerte Diagnosen, Nebendiagnosen und Behandlungen, die ausgeschieden werden (siehe Beispiele, S. 8). Auch Codierfehler werden so erkannt. Das in der Software hinterlegte Regelwerk ermöglicht es zusätzlich, auch pro Leistungserbringer eine individuell abgestimmte Kontrolle einzurichten. «Wenn wir wissen, dass ein Spital in der Regel korrekt Rechnung stellt, werden be-

Was bedeutet anonymisiert? Wird das Minimal Clinical Dataset (MCD: Diagnosen, Nebendiagnosen und Prozeduren) anonymisiert, wird es separat von der Rechnung ohne Namen des Patienten angeliefert. In dieser Form ist es unbrauchbar, weil man es keiner Rechnung zuordnen kann. Auch die Variante, dass nur der Vertrauensarzt anonymisiert übermittelte MCD via Fallnummer der entsprechenden Rechnung (und damit dem Patienten) zuordnen kann, ist keine Lösung. Das hiesse, dass der Vertrauensarzt die gesamte Rechnungstriage leisten muss. Eine Arbeit, die das System ohne die geringste Datenschutzverletzung verrichtet. Gespannt warten die Krankenversicherer deshalb auf die ausstehende Verordnung, die diese Fragen regelt. Für Stettler ist klar: «Wir brauchen das MCD nicht anonymisiert». Bis die Verordnung erlassen ist, akzeptiert Visana Rechnungen von Spitälern ohne MCD.

stimmte Verletzungen des Regelwerkes nur protokolliert», sagt Stettler. «Wissen wir, dass bei einem Leistungserbringer die Codierabteiltung sehr betriebsökonomisch geführt wird, scheidet das System die gleichen Rechnungen aus». Reaktionszeit zwei Tage

Die Spezialisten von Visana haben für die Rechnungskontrolle unter SwissDRG zwar von den langjährigen Erfahrungen in Deutschland profitiert, konnten jedoch das deutsche System nicht übernehmen. Denn dieses verfügt über weitaus mehr DRG-Positionen und Behandlungscodes als das schweizerische. Verzögerungen bei den aufwändigen Anpassungen wären unvermeidlich. «Die Eigenentwicklung des technischen und fachlichen Bereiches ermöglicht es uns, schnell auf neue Anforderungen zu reagieren», erklärt Marc Stettler. Konkret heisst das: Innerhalb von nur zwei Tagen kann das Regelwerk an neue Situationen angepasst werden. Auch im personellen Bereich hat Visana aufgestockt. «Wir haben unsere Mitarbeiter im Codieren ausgebildet und zusätzlich ärztliche Codierer angestellt. Damit befinden wir uns auf Augenhöhe mit den Spitälern», sagt Stettler. Ausbildungen werden in Deutschland und durch den Spitalverband H+ in der Schweiz angeboten. Warten auf die Verordnung

Die oben beschriebene, automatische und punktgenaue Kontrolle ist zurzeit noch Zukunftsmusik (Stand: Ende April 2012), da die Spitäler ihr Minimal Clinical Dataset (MCD: Diagnosen, Nebendiagnosen und Prozeduren) nicht an die Versicherer liefern. Vorgesehen ist, dass diese für die Sachbearbeiter unsichtbar (kein Zugriffsrecht) mit der eigentlichen Rechnung einlaufen und durch das System entlang dem Regelwerk kontrolliert werden. Ausgeschieden werden fehlerhafte Rechnungen, etwa 20 Prozent des Gesamtvolumens. Diese würden zu Mitarbeitern des vertrauensärztlichen Dienstes gelangen, die dann die Rechnung und das zugehörige MCD einsehen könnten und bei den Spitälern rückfragen würden. Fehlen diese Angaben, kann das System diese automatische Kontrolle nicht abwickeln, die Rechnungskontrolle wird faktisch verunmöglicht. Die grosse Mehrheit der eintreffenden Rechnungen durchlaufen das System und werden ohne Beanstandung zur Bezahlungen freigegeben. Alles automatisch, schnell und ohne administrativen Aufwand oder mühsame Einzelkontrolle. Insgesamt kontrollieren die Krankenversicherer 70 bis 80 Millionen Rechnungen pro Jahr. Und sparen dadurch den Prämienzahlern eine Milliarde Franken. silvia schütz

Text dieser Hauptdiagnosengruppe:«Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und andere Inanspruchnahme des Gesundheitswesens»

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Foto: Prisma

Zehn Gründe

für Managed Care

Wie immer die Abstimmung vom 17. Juni über die Managed Care-Vorlage ausgeht: Die integrierte Versorgung wird sich weiter entwickeln. Schon heute sind mehr als die Hälfte der Versicherten und der Grundversorger von diesem Betreuungskonzept überzeugt. Für die Patienten ist es der beste Weg – zehn Gründe, die dafür sprechen.

oder Komplikationen ergeben sich. Patienten werden zum Beispiel nicht unnötig Röntgenstrahlen ausgesetzt oder zum Wechseln eines Medikaments gedrängt. Zur besseren Medizin kommt ein Mehr an Menschlichkeit hinzu: Der Patient wird ganzheitlich gesehen und betreut, oft auch unter Einbezug der Angehörigen oder anderer Vertrauenspersonen.

Die Situation ist wohl bekannt: Sie werden für eine Rechnung gemahnt, die Sie längst bezahlt haben. Sie reklamieren. Trotzdem erhalten Sie eine zweite Mahnung. Sie reklamieren wieder. Und müssen feststellen: Drei Personen haben sich mit Ihrem Fall beschäftigt. Nur stimmten sie sich nicht miteinander ab. Ähnliches geschieht tagtäglich in der Medizin: Der Herzspezialist weiss zu wenig davon, was der Hausarzt schon gemacht hat. Das Spital kennt nicht alle Erkenntnisse des Herzspezialisten. Der Spitex fehlen wichtige Informationen des Spitals. Das Problem liegt aber nicht allein beim Hausarzt, Kardiologen oder beim Spital. Vielmehr ist die moderne Medizin derart komplex, dass die Gefahr von Lücken immer grösser wird – auch wenn jede Fachperson für sich gute Arbeit leistet. Sind die einzelnen Behandlungsschritte aber schlecht aufeinander abgestimmt, können die Folgen gesundheitsschädigend bis lebensbedrohlich sein: unnötige Untersuchungen, falsche Medikamente, unangebrachte Therapien. Hier setzt die integrierte Versorgung an. Deren Nutzen für die Patienten ist offenkundig:

Es liegt auf der Hand, dass höhere Betreuungsqualität und Patientensicherheit zu besseren Behandlungsergebnissen führen, namentlich bei chronisch kranken Menschen. Es gibt inzwischen eine Fülle von wissenschaftlichen Studien, welche den (Mehr-)Nutzen der integrierten Versorgung belegen. Offenbar sind diese Erkenntnisse auch bei den Versicherten und Patienten angekommen: Sechs von zehn haben inzwischen für die Grundversicherung ein Modell gewählt, bei dem sie sich verpflichten, im Krankheitsfall immer den gleichen Hausarzt oder die gleiche Ansprechstelle zu konsultieren.

1  Mehr Behandlungsqualität und Patientensicherheit

Je besser die einzelnen Behandlungsschritte aufeinander abgestimmt sind, desto weniger Lücken, Doppelspurigkeiten

2  Bessere Ergebnisse

3  Mehr Orientierung im Gesundheitssystem

Die freie Arztwahl ist vielen Patienten wichtig. Wer aber tatsächlich wählen muss, ist rasch überfordert: Welcher Herzspezialist ist für meine Beschwerden am besten geeignet? Welches Spital hat am meisten Erfahrungen und die besten Ergebnisse bei der geplanten Operation? Soll ich mich überhaupt operieren lassen oder eher zuwarten? Das heisst: Bei voller Wahlfreiheit ist man rasch ratlos. Zumal die Datenlage zur Beurteilung von ambulanten und stationären Leistungserbringern äusserst dürftig ist. Deshalb sind Patienten gut beraten, die Wahlfreiheit freiwillig einzuschränken – zugunsten einer besseren Wahl. Mit dem Hausarzt zusammen

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Foto: Walter Imhof

«Sind die einzelnen Behandlungsschritte schlecht aufeinander abgestimmt, können die Folgen gesundheitsschädigend bis lebensbedrohlich sein: unnötige Untersuchungen, falsche Medikamente, unangebrachte Therapien», weiss Urs Zanoni.

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lassen sich die genannten Fragen dann vertrauensvoll und zuverlässig beantworten.

ben. integrierte Versorgung bezweckt im Kern genau das – die nahtlose Betreuung vom Erstkontakt bis zur Nachsorge.

4  Garantierter Zugang zu einem Arzt

8  Kostenträgermanagement

Die hausärztlichen Ressourcen werden knapper und knapper. Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium geht davon aus, dass sich die Lücke zwischen nachgefragten und angebotenen Konsultationen beim Hausarzt von 2010 bis 2030 um eine halbe Million pro Jahr vergrössert. Zudem bestehen bei vielen Spezialisten lange Wartezeiten. Wer auf die freie Arztwahl setzt, wird deshalb regelmässig an Grenzen stossen. Wer dagegen einen Arzt in einem Netzwerk als Erstanlaufstelle bei gesundheitlichen Beschwerden wählt, hat in jedem Fall einen garantierten und raschen Zugang zur medizinischen Versorgung. Denn wer von einem Hausarzt an einen Spezialisten überwiesen wird, erhält in aller Regel viel schneller einen Termin als wer sich direkt meldet. Der garantierte Zugang über ein integriertes Netz könnte noch wichtiger werden, falls dereinst der Kontrahierungszwang aufgehoben wird.

5  Weniger Prämien

Tiefere Prämien für die Krankenversicherten sind kein vorrangiges Ziel der integrierten Versorgung – sie sind die Folge davon. Wenn die einzelnen Behandlungsschritte besser aufeinander abgestimmt sind und sich weniger Doppelspurigkeiten, Komplikationen, Zwischenfälle und Nachbehandlungen ergeben, sinken die Kosten. Und wenn die Kosten tiefer sind, lassen sich die Prämien reduzieren. Auch die Kosteneffektivität der integrierten Versorgung ist inzwischen praktisch unbestritten – umstritten ist die Höhe dieses Effekts. Soweit das Heute. Die integrierte Versorgung ist aber auch für die Zukunft gerüstet.

6  Alles wird komplexer

Das «Gärtchendenken» ist auch bei den Sozialversicherungen verbreitet (OKP, IV, ALV, Taggeldversicherung, 2. Säule, Ergänzungsleistungen). Mit der Folge, dass Patienten mehrfach abgeklärt werden und die Kostenträger am Schluss darüber streiten, wer jetzt zahlungspflichtig ist. Eine zukunftsfähige integrierte Versorgung geht deshalb über das Medizinische hinaus. Sie kümmert sich ebenso darum, wie Menschen wieder einer (bezahlten oder unbezahlten) Beschäftigung nachgehen können und wer die Massnahmen finanziert, die dafür nötig sind.

9  Mittelverteilung

Die Gesundheit macht sowohl in öffentlichen wie privaten Haushalten einen beträchtlichen Budgetanteil aus und steht in Konkurrenz zu anderen Ausgaben. Bei Bund und Kantonen sind dies zum Beispiel Bildung, Infrastruktur oder Sicherheit; bei Privatpersonen Wohnen, Essen, Ferien oder Mobilität. Aus der Versorgungsforschung wissen wir, dass Gesundheitssysteme wie das holländische, die stark auf die Grundversorgung und die Integration ausgerichtet sind, deutlich kosteneffektiver sind – bei vergleichbarer oder sogar besserer Qualität. Folglich sind alle Bemühungen, die in diese Richtung zielen, zu intensivieren. Dazu gehört auch, den Arzt in die ökonomische Verantwortung einzubeziehen: Bei den Kosten mitzudenken, ist in höchstem Masse ethisch und im Interesse der Patienten. Denn es geht darum, die vorhandenen Mittel so einzusetzen, dass sie den grössten Nutzen bringen. Die tieferen Kosten bei der integrierten Versorgung kommen auch deshalb zustande, weil hier massvolle Patienten auf massvolle Ärzte treffen.

10  Systemischer Ansatz

Die Krankheitsbilder werden immer differenzierter und chronischer, die Diagnosen pro Patient nehmen zu. Multimorbidität wird zur Regel. In gleichem Masse steigt die Komplexität der Therapien, namentlich der Medikationen. In solchen Situationen ist die Betreuung durch integrierte Teams ein Muss. Dabei kann der Lead im Laufe der Behandlung vom Hausarzt zum Spezialisten zum Spital und wieder zurück zum Hausarzt wechseln. Gefragt sind zusätzliche Kompetenzen wie Kommunikation, Delegation, Vertrauen, die weit übers Medizinische hinaus gehen. Der Hausarzt ist hier in einer Vorzugsposition: Er ist der Spezialist für die «Vogelperspektive», sieht den ganzen Menschen mitsamt seinem Umfeld und nicht nur ein einzelnes Organ.

Ein zentrales Element der integrierten Versorgung ist der Einbezug der Patienten. Sie sollen – unterstützt durch Angehörige oder andere Vertrauenspersonen – befähigt werden, den Krankheitsverlauf selber zu beeinflussen, sei es durch die korrekte Anwendung der Therapien, sei es durch Anpassungen des Lebensstils (Bewegung, Ernährung, soziale Einbindung, strukturierter Alltag usw.). Das heisst: Der Patient wird Teil des Betreuungsteams und gewinnt dadurch Gesundheits- und Patientenkompetenz. Dank diesem systemischen Ansatz ist die integrierte Versorgung in hohem Masse zukunftsfähig.

7  Neue Spitalfinanzierung

Urs Zanoni MPH, Projektleiter Futuro Chronic Care Management und Vorstandsmitglied Forum Managed Care

Mit Einführung der Fallpauschalen haben Spitäler ein hohes Interesse, zu lange Spitalaufenthalte und Rehospitalisationen zu verhindern. Entsprechend viel Gewicht werden sie dem Austrittsmanagement und der nahtlosen Weiterbetreuung ge-

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Service Grafik des Monats

Bald schon werden 60 Prozent aller Krankheiten chronisch sein. Unser Gesundheitssystem muss sich anpassen, um die wachsende Zahl dieser Patienten effizient betreuen zu können. Mehrere Studien zeigen, dass eine Verbesserung der Koordination und der Compliance – der verlässlichen und richtig dosierten Einnahme der verschriebenen Medikamente – nicht nur Qualität und Sicherheit der Versorgung erhöhen würde, sondern auch beträchtliche Einsparungen zur Folge hätte.

Chronische Krankheiten (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Krebs, chronische Atemwegerkrankungen, Diabetes usw.) sind langwierige, nicht ansteckende Krankheiten, die in der Regel langsam voranschreiten. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind sie für 63 Prozent der Todesfälle verantwortlich und damit die weltweit häufigste Todesursache. Führen chronische Krankheiten nicht zum Tod, haben sie grosse Auswirkungen auf den Alltag der betroffenen Menschen und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen.1 Chronische Krankheiten nach Behandlungshäufigkeit

2007 zählte die Schweiz bereits über zwei Millionen chronisch Kranke. Aus dem Blickwinkel der Anzahl der ärztlichen Behandlungen lassen sich die chronischen Krankheiten in drei grosse Gruppen einteilen: An erster Stelle stehen Bluthochdruck, Heuschnupfen und Arthrose, an denen zwischen 15 und 11 Prozent der über 15 Jahre alten Bevölkerung leidet, an zweiter Stelle folgen Depression, Asthma und Migräne (zwischen acht und sechs Prozent), an dritter Stelle schliesslich liegen Krebserkrankungen/Tumore, Magengeschwüre, Herzinfarkte und -attacken (zwischen vier und einem Prozent).2 Koordinationsprobleme

In den Ländern mit hohem Einkommen beanspruchen laut einer Studie des Commonwealth Fund3 die Patienten, welche komplexe medizinische Leis-

Chronisch Kranke leiden unter der mangelnden Versorgungskoordination tungen benötigen, einen unverhältnismässig grossen Anteil der nationalen Gesundheitsausgaben. Der Grund dafür liegt in einer mangelnden Koordination. Typischerweise konsultieren solche Patienten zahlreiche, an verschiedenen Orten tätige Spezialisten, was eine Koordinierung der Versorgung unumgänglich macht. Die Studie erfasst in elf Ländern, darunter die Schweiz, Patienten mit grossem Versorgungsbedarf. Insbesondere beschäftigt sie sich mit den in den letzten beiden Jahren aufgetretenen Koordinationsproblemen. So erlebten 11 Prozent der Patienten schon einmal, dass bei einem Arzttermin ihre Untersuchungsergebnisse nicht eingetroffen waren oder dass sie einen bereits durchgeführten Test ein zweites Mal machen mussten. In 10 Prozent der Fälle vergassen die Leistungserbringer, einem anderen Leistungserbringer eine wichtige Information weiterzugeben, und in neun Prozent der Fälle war dem Spezialisten die Krankengeschichte des Patienten nicht bekannt und/oder der Hausarzt war nicht über die vom Spezialisten erbrachten ärztlichen Leistungen informiert (siehe dazu die entsprechende Grafik unten).

Obschon die Analyse grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern feststellt, stehen alle vor den gleichen Herausforderungen: schwer kranken Erwachsenen eine effiziente ärztliche Versorgung zu bieten und dabei gegen eine schlechte Koordination und unbefriedigende Kommunikation zwischen den Leistungserbringern anzukämpfen. Ebenfalls müssen sich die Leistungserbringer darum bemühen, die Patienten dazu anzuhalten, sich selber um ihre Versorgung zu kümmern. Zu den wichtigsten vorgeschlagenen Massnahmen gehören die Neugestaltung der Grundversorgung, die Schaffung von Versorgungsteams, die für verschiedene Standorte zuständig sind, sowie ein geregeltes Management der Übergangssituationen und der medikamentösen Behandlungen – handelt es sich hierbei nicht genau um die Definition der integrierten Gesundheitsversorgung? Compliance-Probleme

In der Schweiz belaufen sich die Gesundheitskosten auf insgesamt mehr als 60 Milliarden Franken. Die Behandlungskosten für chronisch Kranke be-

ERFAHRENE KOORDINATIONSLÜCKEN (LETZTE ZWEI JAHRE) 100

MIT ÄRZTENETZ

PROZENT*

OHNE ÄRZTENETZ

80

60

40 30 20

20

0 AU

CA

FR

DE

NL

NZ

NO

SE

CH

UK

US

* TESTRESULTATE/UNTERLAGEN FEHLTEN BEI ARZTTERMIN, ÄRZTE VERORDNETEN BEREITS GEMACHTE TESTS, AKTEURE IN DER GESAMTEN BEHANDLUNGSKETTE TEILTEN INFORMATIONEN NICHT, SPEZIALISTEN HATTEN KEINE INFORMATIONEN ZUR KRANKENGESCHICHTE, UND/ODER DER HAUSARZT WAR NICHT INFORMIERT ÜBER DIE ANORDNUNGEN DER SPEZIALISTEN. QUELLE: THE COMMONWEALTH FUND

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Service Grafik des Monats

tragen 80 Prozent aller Kosten, nämlich 48 Milliarden Franken. Ein von santésuisse entwickeltes Modell zeigt aber auch, dass dank einer besseren Betreuung der Patienten massive Einsparungen möglich wären.4 Danach bestünde die Lösung darin, dafür zu sorgen, dass die Patienten während einer Behandlung die ihnen verschriebenen Medikamente einnehmen und die verordnete Dosierung einhalten (Compliance). Eine mangelnde Compliance verursacht zusätzliche Untersuchungen (z.B. Arzttermine), Therapieänderungen (Erhöhung der Dosis, zusätzliche Medikamente usw.), oder es kommt gar zu Notfällen, die zu vermeidbaren Spitalaufenthalten führen. Daher sind die Kosten für einen Patienten, der sich nicht genau an seinen Therapieplan hält, im Durchschnitt viermal höher als bei einem Patienten, der seinen Therapieplan gewissenhaft einhält. Dem vorgeschlagenen Modell zufolge würde die Einführung eines Systems, das chronisch Kranke, die sich nicht an ihren Therapieplan halten, dreimal täglich an die Medikamenteneinnahme erinnert, 318 Millionen Franken im Jahr kosten. Dank dieser Mass-

nahme würde man jedoch drei Milliarden Franken der Gesamtkosten einsparen (siehe Tabelle). Gesundheitsnetzwerke als Lösung

Die Koordination der Versorgung, die Betreuung chronisch kranker Patienten und ihre direkte Beteiligung an der Therapie sind nun aber genau die Trümpfe der integrierten Versorgung. So hat die weiter oben erwähnte Studie des Commonwealth Fund gezeigt, dass die «medical homes» nicht nur die Koordination, sondern auch die Qualität der ärztlichen Leistungen und die Zufriedenheit der Patienten verbessern. Ein «medical home» erbringt eine kontinuierliche, koordinierte, umfassende, allen zugängliche und auf den Patienten ausgerichtete Versorgung, deren Organisation in den Händen eines ärztlichen Grundversorgers liegt, der dabei vom nicht-ärztlichen Personal aktiv unterstützt wird. Das «medical home» ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Gruppenpraxis oder ein Ärztenetzwerk. Die in einem «medical home» betreuten Patienten sind weniger häufig mit Problemen bei der Koordination ihrer Versorgung konfrontiert. In der Schweiz

sinkt der Anteil von 30 auf 20 Prozent. Auch die Probleme, die mit einer fehlenden Übergangsphase nach einem Spitalaufenthalt oder einem chirurgischen Eingriff zusammenhängen, erfahren einen drastischen Rückgang von 67 auf 41 Prozent. Die Qualität hingegen steigt. 72 Prozent der in einem Gesundheitsnetzwerk betreuten Patienten beurteilen die Qualität der Versorgung als «hervorragend» oder «sehr gut», wohingegen in einem traditionellen Gesundheitssystem nur gerade 57 Prozent der Patienten dieser Meinung sind. maud hilaire schenker

www.who.int/topics/chronic_diseases/en/ BFS, Gesundheit und Gesundheitsverhalten in der Schweiz 2007, Schweizerische Gesundheitsbefragung, Neuenburg, 2010 3 Schoen, Cathy, Osborn, Robin, The Commonwealth Fund 2011, International health Policy Survey of Sicker Adults in eleven Countries, November 2011 4 Schiesser, Andreas, santésuisse, «Einsparungen im Gesundheitswesen dank besserer Compliance», 2012 1 2

BERECHNUNG DER EINSPARUNGEN AN GESUNDHEITSKOSTEN DANK FÖRDERUNG DER COMPLIANCE

PARAMETER

KOSTEN DURCH CHRONISCH KRANKE KOSTEN DURCH AKUT KRANKE ANZAHL CHRONISCH KRANKE DURCHSCHNITTSKOSTEN PRO CHRONISCH KRANKEN COMPLIANCE-ANTEIL* non-compliance-ANTEIL KOSTEN PRO COMPLIANT-PATIENT KOSTEN PRO NON-COMPLIANT-PATIENT**

80% 20% 2 074 800 23 135 60% 40%   Faktor 4

VERBESSERUNG «COMPLIANCEFÖRDERNDER MASSNAHMEN» COMPLIANCE-ANTEIL NACH FÖRDERUNG RESTLICHER NON-COMPLIANCE-ANTEIL INTERVENTIONSKOSTEN FÜR EINE REMINDER-DIENSTLEISTUNG BEI PATIENTEN MIT MANGELNDER COMPLIANCE GESUNDHEITSKOSTEN FÜR CHRONISCH KRANKE MIT FÖRDERUNG DER COMPLIANCE EINSPARUNG

BETRAG IN SfR. 48 MRD. 12MRD.     1 244 880 829 920 10 516 42 063

5%

65% 35%

1 348 620 726 180 318 066 840 44,7 MRD.

3 MRD.

* Dieser Compliance-Anteil ist vermutlich sowohl gemäss den Publikationen, die es über die grossen chronischen Krankheitsgebiete gibt, als auch gemäss den Publikationen der WHO zu hoch. ** Die Kosten für einen Diabetes-Patienten, der nicht compliant ist, liegen in den USA bei $ 5000. Im Falle von Non-Compliance sind sie neunmal höher und liegen bei $ 45 000. Mit der Verbesserung der Compliance sinken die Kosten – ein konsequent eingehaltener Therapieplan ist günstiger und erhält die Lebensqualität des Patienten besser. Interventionskosten: Patienten mit geringer Compliance werden dreimal täglich an ihre Medikamenteneinnahme erinnert (Fr. 1.05 pro Tag). Quelle: santésuisse

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Was Sie schon immer über Managed Care wissen wollten

Nach jahrelanger intensiver Arbeit hat das Parlament am 30. September 2011 mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Managed Care-Vorlage zugestimmt. Diese Reform verbessert zum einen Qualität und Effizienz des Gesundheitswesens und der medizinischen Leistungen. Zum anderen dämpft sie den Kostenanstieg. Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen. Am 17. Juni 2012 stimmen Schweizerinnen und Schweizer darüber ab.

darauf angewiesen, angemessene Vergütungen für die Koordination der Patientenbetreuung und die Qualitätssicherung zu erhalten. Das heisst, die Machtverhältnisse sind in einem stabilen Gleichgewicht – keiner der Verhandlungspartner ist am längeren Hebel. Krankenversicherer dürfen zudem weder Einrichtungen zur medizinischen Behandlung von Versicherten führen, noch sich finanziell an solchen Einrichtungen beteiligen. Netzwerke sind somit unabhängig.

1. Besser und günstiger: Geht das?

3. Wird die freie Arztwahl abgeschafft?

Wir sind es gewohnt, dass bessere Qualität mehr kostet: Biogemüse vom Bauernhof ist teurer als herkömmlich produziertes Gemüse; eine Keramikfüllung beim Zahnarzt teurer als eine Kunststofffüllung; ein rahmengenähter Schuh teurer als ein geklebter. Deshalb ist es nicht auf Anhieb einsichtig, dass integrierte Versorgung bessere Qualität bietet und erst noch günstiger ist. Der Grund liegt in der Koordination aus einer Hand, in der Regel durch den Hausarzt: Weil er den Überblick hat, kann er klare Aufträge an andere Leistungserbringer erteilen, Doppeluntersuchungen und fragwürdige Therapien verhindern, schädlichen (und teuren) Medikamentenkonsum unterbinden. Dies alles erhöht die Qualität der Betreuung und verhindert unnötige Kosten. 2. Gibt diese Vorlage den Krankenversicherern zuviel Macht?

Nein. Jede Verhandlung ist ein Geben und Nehmen. Genauso ist es beim Aushandeln der Verträge zwischen Krankenversicherern und Ärztenetzen. Krankenversicherer sind darauf angewiesen, dass sie genügend Netze unter Vertrag haben, um die stetig steigende Nachfrage nach alternativen Versicherungsmodellen überhaupt befriedigen zu können. Umgekehrt sind die Netze

Grundsätzlich kann sich jeder ohne weiteres genau wie heute versichern lassen. Die integrierte Versorgung basiert auf einer freiwillig eingeschränkten freien Arztwahl. Bei voller Wahlfreiheit ist man rasch überfordert und orientierungslos. Die moderne Medizin ist derart komplex, dass immer mehr Fachpersonen an der Behandlung eines Patienten beteiligt sind. Diese sind froh um eine koordinierende Vertrauensperson, in den meisten Fällen der Hausarzt. 4. Ich möchte meinen Arzt frei wählen. Werde ich finanziell bestraft?

Nach Erreichen der Franchise bezahlt heute die versicherte Person 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten, höchstens jedoch jährlich 700 Franken. Mit der Managed Care-Vorlage vom 17. Juni ändert sich diese Situation. Innerhalb eines Versorgungsnetzes: Nach Erreichen der Franchise bezahlt die versicherte Person 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten, höchstens jedoch jährlich 500 Franken (minus 200 Franken). Ausserhalb eines Versorgungsnetzes: Nach Erreichen der Franchise bezahlt die versicherte Person 15 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten, höchstens jedoch jährlich 1000 Franken (plus 300 Franken). Dieser Betrag wird erst erreicht, wenn sich die jährlichen Gesundheitsausgaben auf rund 6700 Franken (zusätzlich zur Franchise) belaufen. Dank integrierter Versorgung werden chronisch Kranke von einem tieferen

maximalen Selbstbehalt von 200 Franken pro Jahr profitieren. Schliesslich kann der Versicherer die Prämien für integrierte Versorgungsnetze noch zusätzlich vermindern oder Rückvergütungen vorsehen. 5. Was passiert in einem Notfall, wenn ich nicht zuerst die Hausärztin bzw. den Hausarzt aufsuchen kann?

Innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Rahmens verfügen die Partner über einen grossen Spielraum. In nachweislichen Notfällen und sofern die Patienten keinen Zugang zu einem der Leistungserbringer des Versorgungsnetzes haben, besteht die Möglichkeit, andere als die vertraglich vorgesehenen Leistungserbringer aufzusuchen. Es können verschiedene Auflagen festgelegt werden. 6. Was geschieht, wenn ich mich nicht an meine Hausärztin wenden kann, weil diese abwesend ist?

In einem integrierten Versorgungsnetz befinden sich mehrere Leistungserbringer und insbesondere mehrere Hausärzte. Die netzinterne Koordination der Versorgung gewährleistet, dass die Patientinnen und Patienten Zugang zu einem anderen Hausarzt haben, welcher die Krankengeschichte der Patientin oder des Patienten kennt und daher rasch eine angemessene Behandlung sicherstellen kann. 7. Kann ich weiterhin jedes Jahr die Versicherung wechseln?

Hat sich jemand für eine Versicherungsform mit integriertem Versorgungsnetz entschieden, so kann er – sofern für diese eine Prämienreduktion gewährt wird – zwischen Verträgen von unterschiedlicher Dauer wählen. Neben der üblichen einjährigen Dauer kann der Versicherer eine Dauer von bis zu drei Kalenderjahren anbieten. Entscheidet sich eine versicherte Person für eine längere Vertragsdauer, sind zwei Fälle denkbar: Erstens: Sie kann den Versicherer, nicht aber die Versicherungsform wech­seln, wenn die Versicherungsbedingungen wesentlich ändern (wenn der Vertrag z.B. die freie Psychotherapeutenwahl vorsah und diese aufgehoben wird);

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10 Fragen 10 Antworten

Auch bei einer Prämien­erhöhung, die über der durchschnittlichen Prämien­ erhöhung im Kanton liegt, kann sie den Versicherer wechseln. Zweitens: Gegen Bezahlung der mit dem Versicherer vertraglich vereinbarten Austrittsprämie kann die versicherte Person sowohl den Versicherer, als auch die Versicherungsform vor Ablauf der Dauer wechseln. Die Versicherten verfügen also über ein breites Wahlspektrum. Insbesondere haben sie die Möglichkeit, sich für ein Modell der integrierten Versorgung mit einjähriger Vertragsdauer zu entscheiden. 8. Was geschieht, wenn ich meinen Krankenversicherer wechseln möchte, meine Hausärztin bzw. mein Hausarzt aber keinen Vertrag mit dem neuen Versicherer hat?

Aufgrund des in der Schweiz geltenden Vertragszwang werden die Leistungen aller KVG-anerkannten Leistungserbringer von den Versicherern vergütet. Im Rahmen der integrierten Versorgung stehen gewisse Leistungserbringer unter Vertrag mit Versorgungsnetzen. Wenn eine versicherte Person das Netzwerk wechseln möchte, ihre Hausärztin bzw. ihr Hausarzt aber keinen Vertrag mit dem neuen Netzwerk hat, kann die versicherte Person beide Parteien auf eine mögliche Zusammenarbeit ansprechen. Integrierte Versorgungsnetze werden voraussichtlich mit mehreren Krankenversicherern Verträge abschliessen. Möchte eine versicherte Person den Versicherer wechseln, beschränkt sich ihre Auswahl auf die Anbieter, die mit dem gewünschten Versorgungsnetz einen Vertrag abgeschlossen haben. 9. Was geschieht, wenn mein Versicherer kein Modell mit integrierter Versorgung anbietet?

Die Versicherer werden mit der Revision nicht verpflichtet, ihren Versicherten solche Modelle anzubieten. Über die Wirkungen der Revision wird eine Evaluation durchgeführt. Hat die Änderung nicht zu einem flächendeckenden Angebot von integrierten Versorgungsnetzen geführt, schlägt der Bundesrat

dem Parlament weitere Massnahmen vor. Bis zum Inkrafttreten neuer Bestimmungen (längstens aber bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten des revidierten Gesetzes) kann der Bundesrat die Versicherer dazu verpflichten, integrierte Versorgungsnetze anzubieten. Während der dreijährigen Einführungsphase nach Inkrafttreten des revidierten Gesetzes können zwei Situationen auftreten: Erstens: Das Angebot an integrierten Versorgungsnetzen in einem Kanton ist ungenügend, die differenzierte Kostenbeteiligung kommt daher nicht zur Anwendung. Das ist der Fall, wenn der von der versicherten Person gewählte Versicherer kein Modell der integrierten Versorgung anbietet; die versicherte Person wird dann nicht «bestraft», da die neue Regelung der Kostenbeteiligung noch nicht zur Anwendung kommt. Besteht jedoch der Wunsch, bereits einem integrierten Versorgungsnetz beizutreten, kann die versicherte Person den Versicherer wechseln. Es kann auch sein, dass der von der versicherten Person gewählte Versicherer ein Modell mit integrierter Versorgung anbietet; entscheidet sich die versicherte Person für dieses Modell, so bleibt ihre Kostenbeteiligung unverändert tief, sie kommt jedoch zusätzlich in den Genuss einer Prämienermässigung und der Versicherer hat die Möglichkeit, den Selbstbehalt von sich aus zu senken oder aufzuheben. Zweitens: Es besteht ein flächendeckendes Angebot an integrierten Versorgungsnetzen in einem Kanton, der Bundesrat bringt somit die differenzierte Kostenbeteiligung zur Anwendung (d.h. für die Versicherten mit integrierter Versorgung gilt ein Selbstbehalt von 10 Prozent mit einem jährlichen Höchstbetrag von 500 Franken, für die anderen Versicherten hingegen ein Selbstbehalt von 15 Prozent, mit einem Höchstbetrag von 1000 Franken): Fall 1: Der von der versicherten Person gewählte Versicherer bietet ein Modell mit integrierter Versorgung an; die versicherte Person hat die Wahl zwischen den verschiedenen Versicherungsformen und dem entsprechenden Selbstbehalt.

Fall 2: Der von der versicherten Person gewählte Versicherer bietet kein Modell mit integrierter Versorgung an; die versicherte Person hat die Wahl, bei diesem Versicherer und dem entsprechenden Selbstbehalt zu bleiben (15 Prozent/1000 Franken) oder einen Versicherer zu wählen, der ein solches Modell anbietet. 10. Was passiert, wenn der Arzt bzw. die Ärztin das ganze Budget aufgebraucht hat, das für meine Behandlung vorgesehen war?

Die in Netzwerken zusammengeschlossenen Leistungserbringer tragen eine Budgetmitverantwortung. Das Budget wird zwischen dem Netzwerk und dem Versicherer vertraglich vereinbart. Es richtet sich nach dem Risikoprofil der im Versorgungsnetz versicherten Personen. Das Netzwerk und der Versicherer entscheiden zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung über Massnahmen, die zu treffen sind, wenn das Budget überschritten oder nicht ausgeschöpft wird. Sie definieren insbesondere unterschiedliche Massnahmen, je nachdem, ob das Budget wegen einer Fehlallokation der Leistungen (doppelt erbrachte Leistungen, unnötig widerholte Untersuchungen) oder wegen erheblicher Änderungen des Risikoprofils gewisser Patienten überschritten wurde. Eine Budgetüberschreitung hat keine Rationierung der Behandlung zur Folge. Die Ärzteschaft muss alle zur Behandlung des Patienten nötigen Leistungen garantieren. Das gestützt auf die Risikoprofile erstellte Budget dient als Anreiz, die Behandlungen möglichst effektiv, aber auch kostensparend auszugestalten. Luc Bastien

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Bersets Rezepte für das krankende Gesundheitswesen Im Rahmen der 8. Trendtage Gesundheit Luzern zum Thema «Die Patientengeneration der Zukunft» präsentierte der neue Gesundheitsminister Alain Berset seine Rezepte für eine Verbesserung des Gesundheitswesens. Nachfolgend ein Auszug aus seiner Rede.

«Patientinnen und Patienten recherchieren selber – und glauben dann schon vor dem Arztbesuch zu wissen, was ihnen fehlt und welche Therapie angezeigt ist. Ähnlich funktioniert es in der Gesundheitspolitik: Auch hier wissen alle (oder fast alle), mit welcher Therapie man dieses oder jenes Problem lösen sollte. Nur: Was tun, wenn sich die verschiedenen Therapien widersprechen? Und wir alle wissen: Das tun sie sehr oft! Dem Gesundheitswesen geht es wie vielen Patientinnen und Patienten: Es leidet an verschiedenen Krankheiten, die gleichzeitig behandelt werden müssen, mit Medikamenten und Therapien, die sich weder gegenseitig neutralisieren noch weiteren Schaden anrichten dürfen. Aus diesem Grund darf die Gesundheitspolitik nicht nach dem Prinzip Tempo vorgehen. Wir müssen zuerst die Ursachen eines Problems seriös abklären, und wir müssen die nötige und angemessene Therapie mit den Beteiligten abstimmen. Auf einige dieser Therapiemassnahmen möchte ich näher eingehen. Managed Care für chronisch Kranke

Chronische Krankheiten verursachen drei Viertel der Kosten im Gesundheitswesen. 80 Prozent der Spitaltage und 70 Prozent der daheim erbrachten Pflegeleistungen entfallen darauf. Chronisch kranke Patientinnen und Patienten haben häufig mehrere unterschiedliche Beschwerden. Umso wichtiger ist es, dass hier der Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten funktioniert. Der Bundesrat und das Parlament schlagen mit der integrierten Versorgung ein System vor, das diese Forderung erfüllt. Bei komplexen Krankheitsbildern ist auch die Behandlung komplex, und eine integrierte Versorgung ist unabdingbar. Vielerorts ist das be-

reits heute Tatsache und ein Erfolgsmodell. Wir wollen damit die medizinische Grundversorgung und die Stellung der Hausärzte stärken. Die integrierte Versorgung führt zu einer kohärenten Behandlung aus einer Hand – das fördert die Qualität und die Patientensicherheit und hilft auch die Kosten zu dämpfen. Eigentlich sind sich alle einig, dass integrierte Versorgungsnetze ein gutes Modell sind. Umstritten ist aber der Weg dahin. Deshalb stimmen wir am 17. Juni über die sogenannte Managed Care-Vorlage ab. Kostendämpfung bei Medikamenten

Wie gesagt: Bei den politischen Therapien ist es wie bei den medizinischen: Fast alle kennen eine bessere Lösung. Nichts tun ist aber die schlechteste aller Lösungen – vor allem, wenn man so lange um einen Kompromiss gerungen hat. Erinnern Sie sich zurück an die Diskussion über die Medikamentenpreise: Lange hat es gedauert, bis Preisvergleiche mit dem Ausland angestellt werden durften. Seither konnten die Preise deutlich gesenkt werden. Und heute haben wir gerade wegen dieser Preisvergleiche eine weitere

«Integrierte Versorgung fördert Qualität und Patientensicherheit» substanzielle Senkung der Medikamentenpreise ankündigen können. Daher sinken ab November die Kosten zulasten der Krankenversicherung in den nächsten drei Jahren jährlich um weitere 240 Millionen Franken verglichen mit 2009. Diese Anpassungen, die der Bundesrat vorgenommen hat, sind ausgewogen. Sie ermöglichen es einerseits, zu grosse Wechselkursschwankungen abzufedern, die sich auf die Pharmaindustrie nachteilig auswirken könnten. Und andererseits sparen wir damit effektiv Kosten, was den Versicherten direkt zugute kommt. Herausforderung in der Pflege

Die Pflege ist ein Thema, das uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird. Zum Beispiel die Palliative Care, die in der letzten Lebensphase

zur Anwendung kommt: Eine eigenständige Pflegeform, die sich durchgesetzt hat. Die palliative Pflege erleichtert das Leiden, aber zwingt nichts auf. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf, begleitet die Menschen würde- und respektvoll in den Tod und würdigt damit auch das gelebte Leben. Wir wissen, dass das letzte Jahr vor dem Tod, das pflegeintensivste ist. Darauf müssen wir vorbereitet sein – im Wissen darum, wie schwierig diese Zeit für die Betroffenen und Angehörigen ist. Jährlich sterben in der Schweiz rund 60 000 Menschen. Das Bundesamt für Statistik rechnet damit, dass sich diese Zahl bis 2050 auf 90 000 erhöht. Der Bundesrat hat mein Departement damit beauftragt, die Weiterführung der nationalen Strategie für die Palliative Care zu prüfen. Pflege muss attraktiver werden

Es ist absolut unabdingbar, dass wir die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen und mehr junge Menschen motivieren, in die Pflege einzusteigen. Wichtig ist aber auch, die Verweildauer im Beruf zu erhöhen und den Wiedereinstieg zu erleichtern. Ohne massgebliche Anstrengungen in diesem Bereich, ist ein noch grösserer Mangel an Gesundheitspersonal als heute absehbar. Ich gehe dabei einig mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Schweizer Pflegepersonal, dass wir unser Personalproblem nicht auf Kosten der ärmsten Länder lösen dürfen. Um mehr Interessierte zu finden, müssen wir das Berufsbild verbessern, attraktiver machen. Wir tun das mit dem Gesetz über die Gesundheitsberufe. Ein interessanter Ansatz sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel die «advanced nurse practicioners», APNs. Diese Spezialistinnen und Spezialisten sind Schnittstelle zwischen Pflege und Therapie. Sie sind in der Lage, einfache Untersuchungen selber durchzuführen und Therapien zu überwachen. Das Berufsbild der APNs kann den Pflegenden eine zusätzliche berufliche Perspektive bieten. Dies ist ein Beispiel für den viel zitierten Skill- und Grademix. Wie auch immer die Zusammenarbeit ausgestaltet wird, wichtig ist, dass sie unter den besten Bedingungen erfolgt. Die Health Professionals sollen daher

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Foto: Keystone

Im Rahmen der 8. Trendtage Gesundheit Luzern vom 21. und 22. März 2012 äusserte sich Alain Berset unterstützend für die Managed CareVorlage.

in ihrer Aus- und Weiterbildung – besonders aber auch im beruflichen Alltag – ein Verständnis für die vor- und nachgelagerten Bereiche erlangen. Gerade die Schnittstellen sind Quellen für Qualitäts- und Effektivitätsverluste, die es wenn immer möglich zu vermeiden gilt. Die breit abgestützte «Plattform Zukunft ärztliche Bildung» entwickelt ihrerseits längerfristige Strategien zum Berufsbild der Medizinerinnen und Mediziner. Ein wesentlicher Themenschwerpunkt ist die Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung. Der Dialog Nationale Gesundheitspolitik hat im August 2011 dafür das Modell PEP (pragmatisch, einfach, pauschal) empfohlen. Demnach erteilen die Kantone den Spitälern auf der Spitalliste Leistungsaufträge für die ärztliche Weiterbildung gemäss ihrem Ausbildungs-

potenzial. Damit wird sichergestellt, dass die Spitäler trotz des steigenden Spardrucks ihre Ausbildungsfunktion weiterhin wahrnehmen und dafür auch entschädigt werden. eHealth sorgt für bessere Qualität

Das gilt auch für das grosse Projekt eHealth. In der Vernehmlassung ist die eHealth-Strategie vorwiegend positiv aufgenommen worden. Mein Departement wird die Botschaft zum elektronischen Patientendossiergesetz bis November in den Bundesrat bringen. Das Gesetz regelt die technischen und organisatorischen Standards. Es ist Voraussetzung dafür, dass sinnvolle und sinnvoll nutzbare Investitionen getätigt werden können. eHealth ist ein kognitiver Quantensprung: Die elektronische Erfassung und Verfügbarkeit der Da-

ten sorgt für bessere Qualität dank besserem Wissensmanagement. Sie bringt mehr Patientensicherheit, weil wichtige Informationen immer am richtigen Ort sein werden. Und sie vereinfacht die Abläufe. Auch hier bleibt der Patient im Mittelpunkt unserer Überlegungen, die den Zugang zu den Informationen definieren können. Trotzdem werden Sie als Mensch immer noch das wichtigste Glied in der Kette sein. Das direkte Gespräch ist wichtiger denn je und wird es bleiben.» Quelle: www.trendtage-gesundheit.ch

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Service: Buchtipp

Im Careum Verlag Zürich ist das höchst aktuelle Buch «Gesund und aktiv mit chronischer Krankheit leben» erschienen. Es handelt sich um die deutsche Übersetzung von Kate Lorigs «Living a healthy life with chronic conditions», einem Standardwerk, das inzwischen in der dritten Auflage erschienen und auch auf Französisch übersetzt worden ist.

Die vorliegende, mit Anpassungen an die Bedingungen des deutschsprachigen Raums versehene deutsche Ausgabe ist ein wertvoller Ratgeber für den gesundheitsbewussten Umgang mit chronischer Krankheit. Sie vermittelt wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Kompetenzen zur Bewältigung der Herausforderungen chronischer Krankheiten. Wie die Herausgeber einleitend betonen, lassen sich in diesem Buch keine Patentrezepte finden, wohl aber viele Tipps und Ideen, wie Patienten ihr Leben erleichtern können. Es bietet Informationen von Spezialisten aus verschiedenen Gesundheitsbereichen. Vor allem aber enthält es praktische Hinweise von chronisch kranken Menschen, die gelernt haben, positiv mit ihrer Krankheit umzugehen. Die Betonung liegt auf «positiv damit umgehen». Dass es nicht immer möglich ist, einer chronischen Krankheit aus dem Weg zu gehen, ist offensichtlich. Wenn Patienten die Krankheit einfach ertragen, ist das auch ein Weg. Ein anderer Weg ist, Medikamente einzunehmen. Wenn sich aber Patienten für einen positiven Umgang mit ihrer Krankheit entscheiden, also dafür, aktive Selbstmanager zu werden und ausserdem die Therapiemöglichkeiten des Gesundheitswesens zu nutzen sowie jeden Tag aktiv zu gestalten, dann leben sie gesundheitsbewusst. Gezielte Bewegungstherapie

Besondere Beachtung gilt den Vorschlägen für mehr Bewegung, die auch auf Menschen mit einer chronischen Krankheit zutreffen. Diese Beachtung

Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen gilt insbesondere den Empfehlungen und Hinweisen bei einigen ausgewählten Krankheiten. So wird bei Gelenkerkrankungen (Arthrose) ein das Knorpelgewebe schonendes Bewegungsprogramm empfohlen. Werden nämlich Gelenke kaum oder unregelmässig bewegt, nimmt das Knorpelgewebe ab. Tägliche Übungen hingegen, welche die Knie stärken, schützen die Gelenke und wirken Schmerzen entgegen. Ein regelmässiges Bewegungstraining unterstützt auch die Gesundheit aller an Diabetes erkrankten Menschen. Denn es reduziert den Insulinbedarf und unterstützt die Regulierung des Blutzuckerspiegels. Regelmässige Bewegung trägt zudem erheblich dazu bei, das Gewicht zu reduzieren und die Risiken für Herz- und Kreislaufstörungen zu senken. Regelmässige Bewegungsübungen von nicht mehr als 40 Minuten am Morgen oder frühen Nachmittag sind bei Diabetes erfahrungsgemäss wirksam. Patienten sollten Arzt oder Ärztin über ihr Training informieren, damit allenfalls eine Umstellung des Medikaments oder der Ernährung veranlasst werden kann.

bahnstrasse ist, sondern eine mit Gegenverkehr. Es mag manchmal peinlich sein, Gefühle zu zeigen oder andere um Hilfe zu bitten. Wie schnell kommt es zu Ärger und Frustration, weil man annimmt, dass andere «doch wissen sollten, dass»... Zu beherzigen sind folgende Ratschläge: Seien Sie respekt- und rücksichtsvoll gegenüber anderen... Drücken Sie sich klar und deutlich aus... Sprechen Sie offen und ehrlich über ihre Gefühle... Seien Sie taktvoll und höflich. Die Übersichtlichkeit des Buches und die zahlreichen Darstellungen machen es einem leicht, die einschlägigen Angaben zu finden. Wertvoll ist auch der Serviceteil, den die Fachredaktion zusätzlich erstellt hat. Darin sind nützliche Adressen und Literaturtipps aufgeführt. Download unter www.careum-verlag.ch/service. josef ziegler

Miteinander reden!

Weil Kranke, besonders auch chronisch Kranke, oft Kontakt- und Kommunikationsschwierigkeiten haben, gibt das Buch auch einige Tipps und zeigt anhand konkreter Beispiele auf, wie solche Schwierigkeiten überwunden werden können. Dabei geht es darum, wie Gefühle ausgedrückt und Konflikte vermieden werden können: Wie bitte ich um Hilfe, wie lehne ich ab, wie höre ich zu, wie deute ich die Körpersprache anderer Personen, und wie kann ich mehr Informationen von meinem Gegenüber bekommen ? Eine klare und gute Kommunikation seitens chronisch Kranker ist unabdingbar, wenn Ärzte, Pflegende oder Therapeuten den Kranken verstehen sollen. Zu beachten ist, dass das «Miteinander reden» keine Ein-

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Kate Lorig «Gesund und aktiv mit chronischer Krankheit leben», Herausgegeben von Jörg Haslbeck und Jlona Kickbusch, Careum Verlag, Moussonstrassse 4, 8044 Zürich. 259 S., Fr. 58.–


Keine Absprachen unter Pharmafirmen Die Pharmaunternehmen AstraZeneca und Nycomed standen unter dem Verdacht, gegen die EU-Kartellrichtlinien verstossen zu haben, welche gegenseitige Absprachen und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbieten. Deshalb hatte die Europäische Kommission gegen die Pharmaunternehmen ermittelt. Die Ermittlungen wurden am 1. März 2012 eingestellt. Sie hätten insbesondere ans Licht bringen sollen, ob die Unternehmen einzeln oder gemeinsam Massnahmen ergriffen hatten, um die Markteinführung von Generika zu verzögern. Am 30. November 2010 hatte die Kommission in mehreren Mitgliedstaaten unangekündigte Kontrollen in den Geschäftsräumen von AstraZeneca und Nycomed durchgeführt. Die Vorgeschichte: 2008 und 2009 führte die Kommission eine umfassende Untersuchung über den Wettbewerb im Pharmasektor durch. Sie konzentrierte sich dabei besonders auf Absprachen zur Verzögerung der Markteinführung von Generika, was den Konsumenten einen erheblichen Schaden zufügen kann. Die Untersuchung zeigte auf der Basis einer Stichprobe von Medikamenten, deren exklusives Vermarktungsrecht zwischen 2000 und 2007 in 17 Mitgliedstaaten auslief, dass die Bevölkerung nach Ablauf des Patentschutzes über sieben Monate auf die billigeren Generika warten musste, was ihre Gesundheitsausgaben um 20 Prozent erhöhte.

Aus aller Welt

Die Verzögerung der Markteinführung von Generika ist problematisch, denn diese sind zwei Jahre nach ihrem Markteintritt im Durchschnitt 40 Prozent billiger als die entsprechenden Originalpräparate. Der Generika-Wettbewerb hat also eine deutliche Preissenkung für die Konsumenten zur Folge. Die Untersuchung zeigt, dass die Hersteller von Originalpräparaten verschiedene Instrumente verwenden, um die kommerzielle Lebensdauer ihrer Produkte zu verlängern, damit der Markteintritt von Generika möglichst lange hinausgezögert wird. Die Kommission setzt ihre regelmäßige Überwachung von tendenziell problematischen Vergleichsvereinbarungen in Sachen Patente fort. Neue Reglementierung nötig

Die Untersuchung zeigt, dass es dringend nötig ist, ein Gemeinschaftspatent und ein einheitliches und fachspezifisches europäisches System zur Beilegung von Patentstreitigkeiten zu schaffen, um den Verwaltungsaufwand und die Unsicherheit für Unternehmen zu verringern. Mindestens 30 Prozent aller Gerichtsverfahren in Patentangelegenheiten laufen in mehreren Mitgliedstaaten parallel, und in 11 Prozent der Fälle erlassen die einzelstaatlichen Gerichte widersprüchliche Urteile. Quelle : AIM-FLASH Februar 2012

Generalversammlung santésuisse vom 22. Juni 2012 Das öffentliche Rahmenprogramm der diesjährigen Generalversammlung von santésuisse widmet sich dem Thema «Stärkung wettbewerblicher Elemente im Schweizer Gesundheitssystem – mögliche neue bzw. erweiterte Rollen für die Krankenversicherer». Experten beleuchten das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Eine kritische Würdigung dürfen die Anwesenden von Roman Seiler, Redaktor Wirtschaft BLICK Gruppe, erwarten. Den OECD-/WHO-Bericht nimmt

Dr. Stefan Spycher, Vizedirektor und Leiter Direktionsbereich Gesundheitspolitik des Bundesamt für Gesundheit, zum Ausgangspunkt einer Neudefinition der Rolle der Krankenversicherer. Urs Schwaller, Ständerat (CVP/FR) und Mitglied der SGK spricht über Denkanstösse aus der Politik. Öffentliche Veranstaltung, Freitag, 22. Juni 2012, 11.30 bis 14.00 Uhr, Hotel Schweizerhof, Bern. Davor findet die ordentliche GV santésuisse von 9.15 bis 11 Uhr statt (geschlossene Veranstaltung).

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EU: Medikamente und Transparenzrichtlinie Medikamente sollen rascher auf den Markt gelangen. Daher hat die Europäische Kommission am 1. März 2012 vorgeschlagen, die Entscheidungsverfahren für die Preisfestsetzung und Kostenrückerstattung von Medikamenten in den Mitgliedstaaten zu rationalisieren und zu verkürzen. Künftig sollen diese Entscheidungen bei innovativen Arzneimitteln innerhalb von 120 Tagen und im Falle von Generika innerhalb von nur 30, anstatt von heute 180 Tagen, getroffen werden.

Medizinprodukte: Verschärfung der Kontrollen Im Februar 2012 publizierte der Wissenschaftliche Ausschuss «Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken» eine Stellungnahme über die Sicherheit von Silikonprodukten, die von dem Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) hergestellt wurden. Die Europäische Kommission forderte eine ergänzende Studie über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen mangelhafter Brustimplantate. Sie will die Überwachung von Medizinprodukten ab sofort verschärfen.

Sicherheit von Bisphenol A in Medizinprodukten Der Wissenschaftliche Ausschuss «Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken» wurde beauftragt, die Sicherheit von Bisphenol A in Medizinprodukten zu evaluieren. Interessierte Kreise wurden eingeladen, relevante Informationen zur Unterstützung des wissenschaftlichen Ausschusses bis spätestens 20. April 2012 einzureichen.

Quelle : AIM-FLASH Februar 2012


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Bild des Monats

Eine Hand wäscht die andere Nicht mit Wasser wie im Bild, sondern mit korrektem Gebrauch von Desinfektionsmitteln an den Händen lässt sich die Infektionsrate in Spitälern reduzieren. Doch mit der nachhaltig hohen Compliance hapert es. Was tun? In Rahmen einer Studie (Haessler et al.) beobachteten Wissenschaftler inkognito 718 «Desinfektionsanlässe» vor einem Patientenkontakt und 744 nach einem solchen. Die Gesamtcompliance betrug 52 Prozent vor und 70 Prozent nach dem Patientenkontakt. Interessant: Die Compliance der Teammitglieder war deutlich höher, wenn die erste Person, die das Patientenzimmer betrat, die Hände desinfiziert hatte (64 vs. 45 Prozent). Wenn der leitende Arzt die Hände desinfizierte, lag die durchschnittliche Compliance im Gesamtteam bei 66 Prozent, im Vergleich zu 42 Prozent, wenn er dies nicht tat. Ähnliche Ergebnisse wurden auch für das Verhalten beim Verlassen des Patientenzimmers beobachtet. Die erstverlassenden Teammitglieder kehrten gar zur Händedesinfektion zurück, wenn sie sahen, dass der ihnen folgende leitende Arzt die Hände desinfizierte. Dieser doppelte «Follower»-Effekt zeigt, wie wichtig das korrekte Händedesinfizieren vor allem von Vorgesetzten ist. Patientensicherheit beginnt auch im Alltag beim Chef.

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Das Krankenversicherungsgesetz (KVG)

3. St. Galler Pflegerechtstagung

Diktat oder Wettbewerb

Erwachsenenschutzrecht und weitere aktuelle Probleme

Mittwoch, 22. August 2012, Grand Casino Luzern

Mittwoch, 30. August 2012, Grand Casino Luzern

Themen/Referierende

Themen/Referierende

• Aktuelle gesundheitspolitische Situation aus der Sicht des Bundes lic. iur. Pascal Strupler, Direktor Bundesamt für Gesundheit, Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Bern • Die neuen Regelungen der Spitalfinanzierung: Erfahrungen aus Sicht der GDK Regierungsrat Dr. iur. Carlo Conti, Vorsteher des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), Basel • Wie reformbedürftig ist die santésuisse? a/Ständerat mag. oec. HSG Christoffel Brändli, Präsident santésuisse, Solothurn • Konsequenzen aus der neuen Spitalfinanzierung Dr. med. Fabio Mario Conti, Spezialarzt FMH für Neurologie, Chefarzt Clinica Hildebrand Centro di riabilitazione Brissago, Präsident SW!SS REHA, Brissago Nationalrätin Margrit Kessler, Präsidentin Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz, Zürich • Strukturwirkungen des DRG-Systems – eine Prognose Ulrich Kestermann, Geschäftsführender Gesellschafter MCK GmbH, BVK-Beratungsgruppe, Bremen • Einfluss der Infrastruktur auf die Baserate Dr. med. Andreas Gattiker, MBA INSEAD, Vorsitzender der Geschäftsleitung, GZO AG, Wetzikon Jens Schneider, Diplom-Kaufmann, MPC, Principal, Siemens AG Deutschland, Erlangen • Qualität, Wirtschaftlichkeit, Kostengünstigkeit – eine Auslegeordnung zu den Preisen im Gesundheitswesen Dr. iur. Stefan Meierhans, Preisüberwacher, Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (EVD), Bern • Neue Spitalfinanzierung: Erfahrungen und Konsequenzen aus verschiedenen Sichten – Podiumsdiskussion Jean-François Andrey, CEO Lindenhof-Sonnenhofgruppe, Bern Dr. oec. HSG Arnold Bachmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung Kantonsspital Graubünden, Spitalrat Universitätsspital Zürich und Verwaltungsratspräsident Kantonsspital Glarus, Chur lic. rer. pol. et lic. iur. Peter Graf, Leiter Leistungseinkauf Helsana Versicherungen AG, Mitglied STA HSK, Zürich mag. oec. HSG Verena Nold, Direktorin tarifsuisse AG, Solothurn Tobias Wolf, Stv. Leiter Geschäftsfeld Gesundheitsversorgung, Leiter Abteilung Tarife & Support, Zürich

• Erwachsenenschutzrecht – Ein Überblick Prof. FH Peter Mösch Payot, lic. iur. LL.M., Institut für Sozialarbeit und Recht, Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Luzern • Pflegerelevante Bestimmungen des neuen Erwachsenenschutzrechts Dr. iur. Patrick Fassbind, Advokat, MPA, Leiter Vormundschaftliche Abteilung des Kantons Glarus, Glarus • Sturzproblematik aus pflegewissenschaftlicher Sicht Dr. René Schwendimann, Leiter Bereich Lehre und Studienleiter Swiss Nursing Homes Human Resources Project (SHURP), Institut für Pflegewissenschaft, Universität Basel, Basel • Sturzproblematik aus juristischer Sicht Prof. Dr. iur. LL.M. Hardy Landolt, Lehrbeauftragter an den Universitäten St. Gallen und Zürich für Haftpflicht, Privat- und Sozialversicherungs- sowie Gesundheitsrecht, wissenschaftlicher Konsulent am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis an der Universität St. Gallen, Rechtsanwalt und Notar, Glarus • «work & care» – Berufstätigkeit und Angehörigenpflege vereinbaren: Entwicklungen und Ausblick für die Schweiz Prof. Dr. Iren Bischofberger, MScN, Fachbereichsleitung Forschung, Careum F+E, Forschungsinstitut Kalaidos Fachhochschule Departement Gesundheit, Zürich • Der Assistenzbeitrag: Eine neue Leistung der Invalidenversicherung lic. rer. pol. Peter Eberhard, Leiter Bereich Medizin und Geldleistungen, Geschäftsfeld Invalidenversicherung, Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, Bern • Die krankenversicherungsrechtliche Zulassung von Pflegeheimen PD Dr. iur. Ueli Kieser, Rechtsanwalt, Vizedirektor am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis an der Universität St. Gallen, Privatdozent für Sozialversicherungs- und Gesundheitsrecht an der Universität St. Gallen, Partner bei Kieser Senn Rechtsanwälte, Zürich

Programme/Anmeldung Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis (IRP-HSG), Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen Tel. +41 (0)71 224 24 24, Fax +41 (0)71 224 28 83 irp@unisg.ch / www.irp.unisg.ch

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