infosantésuisse Nr.6/2011 deutsch

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Die Krankenversicherer

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Christoffel Brändli ist neuer Präsident von santésuisse. Eines seiner Hauptanliegen ist es, die Branche wieder zu einen, sagt er im Gespräch.

Wie kommt es, dass sich die vermeintlich «hohen Verwaltungskosten» der Krankenversicherer hartnäckig in den Köpfen festgesetzt haben?

Peter Hänni ist Arzt, Vertrauensarzt und Krimiautor. Entflieht er schreibend dem Alltag oder inspiriert ihn seine Arbeit zum Schreiben?

Inhalt Im Fokus

4 Branchenumfrage: Wie muss sich das Gesundheitswesen entwickeln? 5 Top of Switzerland 7 Der neue santésuisse-Präsident Christoffel Brändli im Gespräch 8 Top of santésuisse 10 Das Image der Krankenversicherer ist verzerrt – eine Analyse 14 Das grosse Glossar zu den Krankenversicherern 16 Grafik des Monats zu den Verwaltungskosten Gesundheitswesen

17 HIA misst, wie sich Projekte auf die Gesundheit auswirken Rubriken

1 8 Buchtipp: «Freitod, der 13.» von Peter Hänni 19 Top of suspense 20 Erstes DRG-Forum Schweiz-Deutschland 20 Krankenversicherer erfüllen Kundenerwartungen 20 Aus aller Welt 21 Drei Fragen, drei Antworten: Managed Care

Nr. 6, dezember 2011. Erscheint sechsmal jährlich Abonnementspreis Fr. 54.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Silvia Schütz, Abteilung Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 41 53, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout und grafiken: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Walter Imhof, Bern; Henriette Lux ISSN 1660-7228


Die bunte Welt der Krankenversicherer

Die Krankenkasse Ingenbohl bei Brunnen gehört mit 882 Versicherten (meist Schwestern) in der Schweiz zu den kleinsten Krankenversicherungen. Ihr Orden der «Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz» indes ist auf vier Kontinenten präsent. Und im lauschigen Zürcher Turbenthal ist die gleichnamige Krankenkasse mit 386 Versicherten beheimatet. Sie arbeitet strikt ohne EDV und Computer. Klein ist auch die Krankenkasse Simplon (841 Versicherte), die einst für folgende Schlagzeile sorgte: «Krankenkasse Simplon-Dorf übernimmt Krankenkasse GondoZwischbergen». Die Krankenkasse Simplon vertritt in diesem Heft bei der Branchenumfrage zur Zukunft des Gesundheitswesens die kleinen Kassen. Sympany mit 140 661 Versicherten fiel in der Presse letzthin auf, weil sie Kunden unterstützt, die ihre Medikamentenpreise durch ihr Kaufverhalten tief halten wollen. Ausserdem sorgt die in der Region Basel verankerte Krankenversicherung regelmässig für Lacher, wenn die leicht sadistisch wirkende Coffeeshop-Angestellte in der Werbung fragt: «...mit oder ohne Kohlensäure?» Als regelmässige TV-Zuschauer wissen Sie, wovon ich rede. Übrigens: die Werbung wird nicht aus der Grundversicherung bezahlt! Sympany repräsentiert in unserer Umfrage die mittelgrossen Krankenversicherer. Der grösste Krankenversicherer mit Hauptsitz in Luzern mit 862 462 Versicherten trat medial unter anderem auch rund um gefälschte Rechnungen in Erscheinung, die Versicherte aus den Ferien mitbringen. Insgesamt 14 Millionen Rechnungen kontrol­ liert die CSS jährlich. 40 Fälscher, die ihr Feriengeld ­aufpolieren wollten, deckt sie jährlich auf. Das ist bereits ein Achtel des Gesamt­bestandes der Krankenkasse Turbenthal… Bei aller Vielfalt in der Grösse, Buntheit im Auftritt und Ausrichtung der Philosophie – es bestehen auch Gemeinsamkeiten unter den Krankenversicherungen. Das zeigen die Aussagen der drei erwähnten Krankenversicherer in der Branchenumfrage und die Resultate von Umfragen in der Bevölkerung, in denen die Kundenfreundlichkeit regelmässig branchenweit geschätzt wird. Welche Gaben die Kunden von ihrer Krankenversicherung erhalten und schätzen, sehen Sie vorne auf dem Titelbild. Ich wünsche Ihnen frohe Feiertage und ein vielfältiges, erfolgreiches 2012!

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Silvia Schütz Chefredaktorin infosantésuisse


Umfrage unter Krankenversicherern zur Zukunft des Gesundheitswesens

Die Zeit der Einzelkämpfer ist abgelaufen Gewisse Themen beschäftigen kleine und grosse Krankenversicherer gleichermassen, zeigt die Umfrage bei der CSS, Sympany und der Krankenkasse Simplon. Obwohl das Schweizer Gesundheitssystem grundsätzlich gut ist, gibt es Verbesserungspotenzial, ist man sich einig. Nutzen stiftende Behandlungspfade und integrierte Modelle sollten weiter gefördert werden. Die Versorgung sollte mit Blick auf Regionen geplant werden, der «Kantönligeist» muss zum Auslaufmodell werden. Und: Die Rechnungs- und Kostenkontrolle zugunsten der Prämienzahler und des Systems ist auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe der Krankenversicherer.

Georg Portmann,Vorsitzender der Konzernleitung der CSS Versicherung, Luzern

Dr. Ruedi Bodenmann, CEO, Sympany, Basel

Judith Arnold-Zenklusen, Geschäftsführerin, Krankenkasse Simplon

Wie muss sich das Gesundheitswesen aus Sicht der Krankenversicherer in Zukunft entwickeln?

Nicht nur aus Sicht der Krankenversicherer, sondern auch im Sinne der Versicherten muss sich das Gesundheitswesen mehr in Richtung eines volkswirtschaftlich sinnvollen Wettbewerbs entwickeln. Das heisst für die Krankenversicherer: Weg von einem Wettbewerb um gute Risiken, hin zu einem Wettbewerb um gutes Kostenmanagement, Nutzen stiftende Behandlungspfade und integrierte Modelle. Für die Leistungserbringer heisst das: Vernetzung, bereichsübergreifendes Denken, Budgetverantwortung und Transparenz in Bezug auf Preise und Leistungen. Und für die Kantone bedeutet ein volkswirtschaftlich sinnvoller Wettbewerb, sich wegzubewegen vom Kantönligeist, hin zu einer überregionalen, untereinander abgestimmten Versorgungsstruktur. Nur so kann sich Qualität durchsetzen und auszahlen. Und nur so werden Transparenz und Vergleichbarkeit zum Nutzen der Kundinnen und Kunden Einzug halten.

Die medizinische Grundversorgung ist bei uns sehr gut und besticht mit einem umfassenden Leistungskatalog. Die Kosten für unser Gesundheitssystem sind allerdings ebenfalls sehr hoch. Hier sehe ich die Entwicklung, dass der Wettbewerb mehr spielen muss, dass mehr Instrumente zur Transparenz eingesetzt werden. Die Einführung von SwissDRG ist dazu ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Aufgabe der Krankenversicherer muss künftig noch mehr in der Vermittlung und Steuerung von Dienstleistungen zwischen Leistungserbringern und Kunden liegen. Die Hebel dazu sind Rechnungskontrollen und ein starkes Engagement bei den Tarifverhandlungen. Ebenso ist es wichtig, die Möglichkeiten der verschiedenen Managed Care-Modelle zu nutzen. Ein weiteres Entwicklungspotenzial besteht darin, dass die zuständigen Behörden die möglichen Kostendämpfungsmassnahmen ausschöpfen (Tarife, Zulassung Leistungserbringer, Spitalplanung etc.).

Das wichtigste Ziel muss sein, die Kostenentwicklung, die leider nur in eine Richtung zeigt, in den Griff zu bekommen. Die jährlich steigenden Kosten, die durch die Prämien bezahlt werden müssen, sind eine enorme Belastung. Deshalb müssen die bis anhin zu hohen Preise, die durch die Prämienzahler berappt werden, in der Schweiz an diejenigen im Ausland angepasst werden. Ich denke da an den Bereich der Medikamente: deren Preise ab Fabrik sind nach wie vor zu hoch und auch die Margen für Apotheker und Ärzte sind im Vergleich mit dem Ausland zu hoch. Viele Kosten verursachen auch die Spitäler. Hier müsste man genauer hinschauen. Generell ist es meiner Meinung nach nötig, dass die Mitglieder der Krankenversicherer mehr Eigenverantwortung übernehmen.

Welches sind dabei die drei grössten Hindernisse?

In unserem Gesundheitswesen dominiert leider immer noch das Einzelkämpfertum, angefangen bei der Leistungserbringung bis hin zu der Versorgungsplanung. Der Föderalismus führt dazu, dass medizinische Kompetenzen und Kapazitäten nicht über verschiedene Versorgungsstufen und Leistungsangebote hinweg entwickelt werden. Bei den Leistungserbringern steigt zwar die Bereitschaft zur Vernetzung, es ist aber immer noch schwierig, genügend Ärzte zu finden, die sich in Gemeinschaftspra-

Ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Als die drei grössten Hindernisse erscheinen mir die wirtschaftlichen Interessen der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen, die Erwartungshaltung der Versicherten, die wenig Anreize zu einem kostenbewussten Verhalten haben, und der «Kantönligeist», der die jeweilige Infrastruktur schützt, ohne eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung einzunehmen. Einige Akteure im Gesundheitswesen sind vor allem und immer noch auf Ausbau ausge-

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Um Eigenverantwortung zu entwickeln, braucht man Freiheiten. Und diese werden durch Vorschriften, Reglemente und Verordnungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und letztlich der Politik zu sehr eingeschränkt. Das behindert eine natürliche Entwicklung wie sie in anderen Branchen herrscht. Ein weiterer hemmender Faktor: Wir müssen viel Zeit und Geld in Computerund Informatikprogramme investieren. Auch der Risikoausgleich ist nicht überschaubar.


Foto: Walter Imhof

Georg Portmann ist CEO der CSS. Mit schweizweit am meisten Versicherten ist der Krankenversicherer mit Hauptsitz in Luzern «top of Switzerland». Grund genug, ihn vor der Bergregion zu fotografieren, die mit dem Slogan «top of Europe» für sich wirbt.

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Georg Portmann,Vorsitzender der Konzernleitung der CSS Versicherung, Luzern

Dr. Ruedi Bodenmann, CEO, Sympany, Basel

Judith Arnold-Zenklusen, Geschäftsführerin, Krankenkasse Simplon

xen engagieren. Zum zweiten fehlt der wirtschaftliche Wettbewerb um Qualität und Preis unter den Leistungsanbietern. Und drittens: Es gibt kaum Transparenz bei den medizinischen Leistungen. Das führt dazu, dass die Versicherten den Arzt oder das Spital nach dem «Telefonbuchprinzip» auswählen und keine Kenntnis davon haben, wie hoch zum Beispiel die Infektionsrate oder die Mortalität in einem bestimmten Spital ist.

richtet, was unweigerlich zu einer Ausweitung des Angebotes und damit einer Zunahme der Nutzung durch die Versicherten führt. Wir müssen wohl künftig auch an Optimierungen denken, ohne dass die Qualität leidet. Bei der Erwartungshaltung der Versicherten ist meiner Meinung nach mehr Bescheidenheit nötig.

Ein weiteres Hindernis, das mit den anderen zusammenhängt: Die Anforderung an die Geschäftsleitungen wachsen durch die Flut an Regulierungen und Vorschriften stetig. Anstatt uns um Innovationen kümmern zu können, richten wir uns nach amtlichen Vorgaben aus und arbeiten Vorschriften ab.

Ich gehe davon aus, dass die Einheitskasse abgelehnt wird, wenn sie zur Abstimmung kommt. Ein Schritt in Richtung Verstaatlichung einer Sozialversicherung wäre ein fatales Zeichen für weitere Sozialversicherungen wie BVG. Verstaatlichte Systeme würden zu einer Verschuldung führen, da die Politik die nötigen Kosten nicht weitergibt. Einen Trend sehe ich in der Modernisierung des Gesundheitswesens: Die Möglichkeiten der Technologisierung werden sich positiv auswirken, auch auf die Abläufe im Gesundheitswesen. Schön wäre es, wenn es in den nächsten 10 Jahren gelänge, eine schweizweit abgestimmte und überregionale Angebotsplanung zu erreichen mit verstärktem Wettbewerb und Spezialisierung. Zudem dürfte bis in 10 Jahren eine gewisse Konsolidierung bei den Versicherern weitergegangen sein.

Es wird wahrscheinlich keine kleinen Krankenkassen mehr geben, denn die Überlebenschancen für kleine Kassen sind gering. 1965 gab es noch 1000 Krankenversicherer, momentan existieren noch gut 60. Dieser Prozess wird weitergehen, denn die Anforderungen an Informatik und Statistik werden in Zukunft noch steigen. Mit der Einführung des TARMED wurden die Vertragspartner bereits auf eine einheitliche Datenstruktur und zur elektronischen Abrechnung verpflichtet. Und mit den Fallpauschalen steigen die Anforderungen noch einmal. Für kleine Versicherer ist das nicht mehr zahl- und erfüllbar. Unabhängig davon werden die Kosten und damit die Prämien weiter steigen, weil es zunehmend ältere Menschen geben wird und sich die Medizin weiter entwickelt – das kostet.

Wie sieht die Branche in zehn Jahren aus?

Ich zähle darauf, dass es uns Versicherern in Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern gelingt, die Kunden mit attraktiven Dienstleistungen, einem effizienten Kosten- und Leistungsmanagement, mit Innovationen im Bereich Integrierter Versorgung und mit überregionalen Modellen zu überzeugen. Die Basis dazu ist ein optimierter Risikoausgleich, Transparenz bezüglich Preisen, Leistungen und Qualität sowie Managed Care-Modelle, die sich an den Bedürfnissen der Kunden orientieren.

umfrage: silvia schütz

Branchenspiegel

Fotos: Walter Imhof, ZVG

Für diese Branchenumfrage wurden der Versicherer mit den meisten Versicherten (CSS, 862 462 Versicherte im Jahr 2010), ein mittelgrosser (vivao Sympany, 140 661) und einer der kleinsten (Simplon, 841) berücksichtigt. Unter www.santesuisse.ch/de/branchenspiegel befindet sich die Liste aller Krankenversicherer, die im Jahr 2011 Mitglieder von santésuisse waren. Abrufbar sind die Gruppen und die einzelnen Krankenversicherer. Sortierbar nach Anzahl Versicherte, alphabetisch, nach Prämieneinnahmen, Anzahl Beschäftigte oder nach bezahltem/erhaltenem Risikoausgleich.

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Im Gespräch: Christoffel Brändli

«Ich hoffe, dass dieses Hick-Hack bald ein Ende hat» Lieber Taten zeigen, statt unnötige Worte verlieren. Das erhofft sich der neue santésuisse-Präsident Christoffel Brändli von den Akteuren im Gesundheitswesen. Und: santésuisse muss wieder einer der wichtigsten Gesprächspartner für Reformen im Gesundheitswesen werden. Warum haben Sie erneut die Präsidentschaft von santésuisse übernommen? Als Trouble Shooter oder ist Ihnen das reine Pensionärsleben zu langweilig?

Pensionäre sind in der Regel voll ausgelastet, von Langeweile keine Spur! Aber ich freue mich, einen Teil meiner Zeit für eine spannende Aufgabe, die mir sehr am Herzen liegt, einzusetzen. Liest man die Gesundheitswesen-Schlagzeilen während Ihrer letzten Amtszeit und heute, kommt man zum Schluss: Sie können nahtlos weitermachen, selbst die Einheitskasse kommt in einer angepassten Version wieder aufs Tapet. Stimmt dieser Eindruck?

Mit Ausnahme der Einführung der Fallpauschalen konnten in den letzten Jahren leider keine wesentlichen Reformen des Gesundheitswesens durchgesetzt werden. Die Unzufriedenheit in Bezug auf die Kosten- und Prämienentwicklung steigt. Es ist bedauerlich, dass sich die Politik nicht aufrafft, endlich die anstehenden Reformen anzugehen und sich stattdessen einmal mehr auf eine wenig produktive Diskussion über «Einheitskasse ja oder nein» beschränkt. Ich hoffe, dass dieses «Hick-Hack» bald ein Ende hat und endlich von allen Beteiligten Verantwortung für die Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens übernommen wird. Bei santésuisse hingegen hat sich einiges geändert. Was muss geschehen, damit «der Laden wieder in Schwung kommt», wie die Presse Sie zitiert hat?

In der Tat hat der Verband durch die strukturellen Änderungen, aber auch durch die stärker zu Tage getretenen, unterschiedlichen Interessen der Mitglieder in den letzten Jahren nicht an Einfluss gewonnen. Dabei spielen die Krankenversicherer als Vertreter der Versicherten bei der zukünftigen Ausgestaltung unseres Gesundheitswesens eine entscheidende Rolle. Sie alleine sind es, die ein Gegengewicht zu den Interessen der Leistungserbringer formulieren und durchsetzen können. Es braucht dazu ein einheitliches Auftreten der Versicherer, aber auch eine gute Kooperation mit den Leistungserbringern und den staatlichen Institutionen. Welches sind Ihre wichtigsten Prioritäten, die Sie in Ihrer Präsidentschaft erreichen möchten?

Eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, die Branche wieder zu einigen und ein gemeinsames Auftreten in den entscheidenden Fragen sicherzustellen. santésuisse muss wieder einer der wichtigsten Gesprächspartner für Reformen im Gesundheitswesen werden.

Welche Reformen sollte santésuisse anstossen?

santésuisse muss in vier Richtungen wirken. Erstens: Der Ausbau der wettbewerblichen Elemente führt zu mehr Effizienz und Kosteneinsparungen. Die Versicherten haben zunehmend mehr Wahlfreiheiten zwischen verschiedenen Versicherungsmodellen und Angeboten der Krankenversicherer – dabei wird auch die Selbstverantwortung der Versicherten gestärkt. Zweitens: Die hohe Qualität unseres Gesundheitswesens ist sicher zu stellen. Dafür sind Transparenz und Vergleichbarkeit der Qualität verschiedener Leistungen und Behandlungen nötig. Drittens fungiert santésuisse als Impulsgeber für die soziale Ausgestaltung der Grundversicherung. Viertens scheint mir ausserdem eine gute Kooperation mit allen Beteiligten wichtig. Nur damit können wir die heute festgefahrene Situation überwinden. Und das schaffen Sie in rund zwei Arbeitstagen pro Woche, wie ebenfalls zu lesen war?

Ich werde nicht Direktor von santésuisse! Meine Aufgabe wird es sein, den Verwaltungsrat zu leiten und strategische Inputs zu geben. Die Umsetzung muss über die operative Ebene erfolgen. Welches ist die wichtigste Eigenschaft eines Verbandspräsidenten generell und des Präsidenten von santésuisse im Konkreten?

Man hat mich in letzter Zeit immer wieder gefragt, warum ich dieses Amt nochmals übernehme. Die Antwort ist einfach: Die Herausforderung, santésuisse wieder dahin zu bringen, wo santésuisse hingehört, motiviert mich ausserordentlich. Ich bin überzeugt, dass meine Erfahrung und meine Beziehungen dazu beitragen werden, dass sich mein Optimismus diesbezüglich bestätigen wird.

«Die Grundversicherung muss ihrem Attribut soziale Grundversicherung gerecht werden.» Ist ein neuer Direktor in Sicht und wie lange werden Sie als Präsident wirken?

In Bezug auf den Direktor erfolgt gegenwärtig eine umfassende und sorgfältige Evaluation. Persönlich werde ich mein Amt am 1. Januar 2012 antreten. Wie lange ich diese Aufgabe wahrnehmen werde, ist heute offen. Diese Frage stellt sich erst, wenn die Aufgabe erfüllt und die Kontinuität im Verband sichergestellt ist. Deshalb befasse ich mich vorerst mit dem, was 2012 zu tun ist, nicht mit dem, was in drei, vier oder fünf Jahren passieren wird. Wie schätzen Sie die zunehmende Heterogenität der Verbandswelt ein? Diese betrifft nicht nur santésuisse, sondern auch H+ und die FMH.

Es ist in der Tat so, dass heute wichtige Verbände des Gesundheitswesens in der politischen Wahrnehmung an Ge-

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Foto: Walter Imhof

Christoffel Brändli ist der neue Präsident von santésuisse. Er will während seiner Präsidentschaft dafür sorgen, dass die Branche vereint wieder grosse Torten backt. Als Vorgeschmack hält er einen entsprechenden Gruss aus seiner Heimat Graubünden in der Hand. Zugegebenermassen gibt es gewisse Abweichungen vom Original.

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wicht und Ansehen verloren haben. Das liegt zum Teil auch daran, dass sehr oft Sonderinteressen dominieren. Ich meine, mit einer guten Kooperation können die Verbände an Profil gewinnen und auch entscheidend dazu beitragen, unser Gesundheitswesen zu verbessern und zu stärken. Dies auch im Interesse der kranken Mitmenschen in unserem Land, die eigentlich im Mittelpunkt stehen müssten. Was ist Ihr Wunsch an die Mitglieder von santésuisse?

Selbstverständlich wünsche ich mir eine gute und konstruktive Zusammenarbeit im Verband. Wichtiger für unseren Erfolg ist es aber, dass unsere Mitglieder – die Krankenversicherer – an der Front eine gute und kundenfreundliche Arbeit leisten. Im Endeffekt werden die Krankenversicherer daran gemessen.

«Ein gutes Image lässt sich nur durch gute Leistungen aufbauen.» Wie sieht die schweizerische Gesundheitspolitik-Landschaft in zwei, drei Jahren aus?

Ich wünsche mir, dass bis zu diesem Zeitpunkt allfällige Startschwierigkeiten bei Einführung von SwissDRG überwunden sind und auch TARMED den neuen Bedürfnissen entspricht. In Bezug auf die Kostenentwicklung sorgen mehr wettbewerbliche Elemente für eine Stabilisierung. Schön wäre es auch, wenn die Finanzierung unseres Gesundheitswesens aus einer Hand sichtbare Fortschritte gemacht hätte. Für eine positive Entwicklung ist dabei entscheidend, dass man die Lösung nicht über zusätzliche Regulierungen sucht, sondern für alle Beteiligten mehr Freiräume schafft. Diese sind Voraussetzung für Innovationen in unserem System, das heute darunter leidet, in einem gar zu engen Gesetzeskorsett zu stecken. Thema ist auch immer wieder das schlechte Image der Branche. Wie schätzen Sie es ein?

Die Versicherer sind in der ungemütlichen Lage, die Rechnungen der «lieben» Leistungserbringer in Form von Prämienrechnungen beim Patienten einkassieren zu müssen. Obwohl sie dies mit geringen Kosten tun, kann man damit kaum Lorbeeren holen. Ungünstig wirkt sich auch die Tatsache aus, dass unterschiedliche Standpunkte in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Eine Imageverbesserung kann nur durch gute Leistungen erwirkt werden. Es lohnt sich, entsprechende Gedanken daran zu verlieren, wie dies in Zukunft geschehen soll. Als Negativpunkt ins Feld geführt wird von linken Kreisen auch die starke Lobby der Krankenversicherer im Bundeshaus. Sie galten gar als «Mister Krankenversicherer». Wie schätzen Sie Lobbying generell und dasjenige der Krankenversicherer im Speziellen ein?

Es gibt in der Tat in allen Bereichen im Bundeshaus unzählige Lobbyisten. Viele schaden mehr als sie nützen. Dies, weil unsere Parlamentarier sich wohl informieren lassen, aber durchaus in der Lage sind, eigene Wertungen vorzunehmen. Lobbying muss sich deshalb darauf konzentrieren, Informationen zu vermitteln, die für die Entscheidungsfindung wichtig sind. Ein Lobbyist, der sich in diesem Sinne als Dienstleister versteht, wird erfolgreich sein, ein Lobbyist, der einem Parlamentarier seine Meinung aufzwingen will, ist zum Scheitern verurteilt. In der Wahrnehmung der Krankenversicherer gibt es einen «Röstigraben». Warum?

Es gibt zwischen der Romandie und der Deutschschweiz wesentliche Mentalitätsunterschiede, die sich auch im Gesundheitswesen niederschlagen. Auffallend ist das unterschiedliche Konsumverhalten, welches in der Westschweiz generell zu höheren Kosten und damit auch zu höheren Prämien führt. Die Politik ist dabei – wahrscheinlich aus Popularitätsgründen – nicht bereit, entscheidend einzugreifen. Mit zunehmendem Prämiendruck steigt der Ruf nach staatlichen Lösungen und Regulierungen. Interessant ist, dass die Medien diese Forderungen fast blind mittragen, statt sich mit den Ursachen der Situation auseinanderzusetzen. Aus dieser Sicht ist es wichtig, auch in der Westschweiz Anreizsysteme zu entwickeln, die kostendämpfend wirken und Selbstverantwortung honorieren. Wie sieht ihr «ideales» Gesundheitswesen aus?

Es sollte etwas freiheitlicher sein als das heutige, die Wahlfreiheiten für alle Beteiligten sollten verbessert sein. Die Qualität sollte mindestens auf dem heutigen Niveau gehalten werden. In Bezug auf die Finanzierung muss sichergestellt sein, dass die Grundversicherung ihrem Attribut «soziale Grundversicherung» gerecht wird. Probleme sollten unter den Beteiligten im konstruktiven Gespräch angegangen und gelöst werden. interview: silvia schütz

Christoffel Brändli Christoffel Brändli hat santésuisse bereits von 2000 bis 2008 präsidiert. In diesem Jahr ist Brändli (SVP) als Bündner Ständerat zurückgetreten. Ab 1. Januar 2012 übernimmt er das Präsidium von santésuisse zum zweiten Mal. Dies beschlossen die Mitglieder von santésuisse an der ausserordentlichen Generalversammlung vom 14. Dezember 2011 in Bern. Während seiner ersten Amtszeit hat er die verbandsinterne Entwicklung vom losen Konkordat zum schlagkräftigen Zentralverbund bewirkt und santésuisse zu einer Marke gemacht. Gleichzeitig hat er die Schweizer Gesundheitspolitik als Bündner-Ständerat wesentlich mitgeprägt.

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Graben zwischen Wahrnehmung und Realität: Das Image der Krankenversicherer in der Bevölkerung ist unscharf und verzerrt

Fehlendes Wissen trübt das Image Die Kunden sind mit ihrer Krankenversicherung sehr zufrieden und stufen sie als eher modern, sympathisch und glaubwürdig ein. Trotzdem werden sie auch als bürokratisch und undurchsichtig beurteilt. Warum? Die Tätigkeit der Krankenversicherer wird zu wenig verstanden. Fehlt das Wissen, kommt das gefühlsbetonte Image stärker zum Zug. Und das ist beeinflussbar.

Das Image bezeichnet den rationalen und affektiven Gesamteindruck, den ein einzelner oder eine Gruppe von Menschen von einer Unternehmung oder einem Produkt hat. Einen wesentlichen Anteil hat dabei die Gefühlsebene, geprägt durch positive und negative Assoziationen. Jean-Jacques Lambin1 unterscheidet ein durch die Öffentlichkeit «wahrgenommenes Image», ein «wahres Image» – das auf den vom Unternehmen selbst erkannten Stärken und Schwächen beruht – und ein «gewolltes Image». Letzteres drückt aus, wie man bei der Zielgruppe wahrgenommen werden will. Dementsprechend positioniert sich die Unternehmung. Wie werden die Versicherer wahrgenommen?

Abgesehen von Veränderungen im einstelligen Prozentbereich entsteht im Rahmen der repräsentativen Umfrage sondage santé seit 2003 (siehe Kästchen) jährlich das gleiche Bild: Die Krankenversicherer werden als eher modern, glaubwürdig sympathisch und kundenfreundlich wahrgenommen. Sie werden aber auch als undurchsichtig statt transparent sowie als eher bürokratisch statt flexibel beurteilt. Ergänzende Einblicke gewähren die Gespräche mit Fokusgruppen in Zürich und Lausanne, die 2003 mit Blick auf die Ausarbeitung des Fragebogens der sondage santé durchgeführt wurden: Die Gesprächsteilnehmer lobten zwar die von der Krankenversicherung vermittelte Sicherheit und den breiten Leistungskatalog in der Grundversicherung. Doch kritisierten sie die ständig steigenden Prämien und die fehlende Transparenz der Krankenkassen. Die Einstellungen der Befragten sind in verschiedenen Fragen nicht frei von Widersprüchen. So schätzen sie zum Beispiel die Möglichkeit der freien Wahl zwischen verschiedenen Krankenkassen, kritisieren aber gleichzeitig, wenn diese mit Werbung auf sich aufmerksam machen. Im Fokusgespräch zeigte sich auch, dass die Krankenversicherung bei den Gesprächsteilnehmern in der Deutschschweiz kein vorrangiges Thema war und keine grossen Emotionen weckte. Die Einstellungen in der Westschweiz jedoch waren deutlicher und auch kritischer als in der Deutschschweiz. Macht der Gefühle

Eine zentrale Erkenntnis der sondage santé: Der direkte Kontakt mit der eigenen Krankenkasse prägte das Image entscheidend. Die eigene Gesundheit ist allen wichtig und die eigene Krankenkasse wird dann wichtig, wenn Leistungen erwartet werden. In solchen Fällen ist der Kundendienst

wichtiger als die Prämie. Erfreulich: Die Kundenzufriedenheit wird mit hoch beurteilt, der Krankenversicherte hat also nach dem Kontakt mit seiner Kasse ein eher positives Gefühl. Als gut beurteilen die Versicherten auch die Rechnungskontrolle und die schnelle Bezahlung der Rechnung. Diese Leistungen werden zwar gerne zur Kenntnis genommen, doch lösen sie kaum nachhaltige Emotionen aus, da sie ohne persönlichen Kontakt erbracht werden. Erst Emotionen indes bewirken, dass eine Begegnung, eine Information oder ein Erlebnis in Erinnerung bleibt.2 Die Beziehung zum Krankenversicherer ist nicht emotional, sondern gleicht eher einer Vernunftehe. Das belegen auch die beiden Hauptgründe für die Wahl der Krankenkasse: 1. eine historisch gewachsene Beziehung (Eltern, Arbeitgeber, Hochschule etc.), 2. die Wahl nach einer Evaluation auf Grund folgender Faktoren: Vertrauen, Stabilität und Kontinuität sowie Kulanz, Kompetenz, Effizienz und Unkompliziertheit. Negative Emotionen sind stärker als positive. Am besten in Erinnerung bleiben deshalb schlechte Erfahrungen.3 Die Befragten bestätigen diese Erkenntnis aus der Forschung: Persönliche negative Erlebnisse mit der eigenen Krankenkasse wirken nachhaltig, denn sie werden auf alle Krankenversicherer ausgedehnt und beeinflussen den Gesamteindruck der Branche ungünstig. Auch äussere Faktoren wie konjunkturell bedingte Krisen beeinflussen die Wahrnehmung. Sie wecken das Verlangen nach Stabilität, Sicherheit, Einfachheit und Rat. Eine Krankenkasse kann hier beruhigend wirken, indem sie Serviceleistungen vorschlägt und qualitativ gute Beratung bietet. Die Krankenversicherer scheinen das, was in ihrem Einflussbereich liegt, in der Regel ziemlich gut zu machen. Das zeigt auch der Vergleich mit ähnlich komplexen Branchen. Für den Test wurde der für alle Branchen wichtige Imagefaktor der Vertrauenswürdigkeit gewählt (s. Grafik S. 13). Die Krankenversicherer liegen auf dem dritten Platz. Fehlendes Vertrauen ist also nicht das Hauptproblem. Unverstanden wird zu undurchsichtig

Störend aus der Sicht der Krankenversicherer ist also, dass sie von einer Mehrheit der Befragten als bürokratisch und undurchsichtig empfunden werden. Zwei Eigenschaften, die auf negativen Emotionen beruhen. Wie kommen sie zustande? Die komplexen Zusammenhänge im Gesundheitswesen ganz allgemein und die nicht einfach verständlichen Aufgaben der Krankenversicherung im Besonderen beeinflussen diese Imagefaktoren. Wo ein Informationsdefizit herrscht, übernehmen die Gefühle, und wie wir gesehen haben, wirken vor allem die negativen nachhaltig. Genährt werden sie einerseits durch mit dem Gesundheitswesen verbundene politische Grabenkämpfe, die entsprechende mediale Nebengeräusche produzieren. Andererseits durch Medienberichte, deren einziges Ziel es ist, mit emotionsgeladenen Geschichten die Volksseele aufzurütteln, um die Auflage zu steigern. «Wir sind seit Jahren daran, von einer intellektuellen Gesellschaft in eine Gesellschaft der Emotionen, Affekte und des Spektakels abzugleiten».4 Lachen, überraschen, schockieren,

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Foto: Walter Imhof

Franz Neff fühlt den Versicherten seit neun Jahren mit der Umfrage sondage santé den Puls. Fakten sind das eine, die Wahrnehmung das andere. Keiner weiss das besser als er. Deshalb hat der Experte an eine der grössten Diskrepanzen in der Wahrnehmung (Verwaltungskosten) selbst Hand angelegt und sie als Bild festgehalten.

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befürchten: 23 Prozent der Befragten nennen die Kosten für die Administration und das Rechnungswesen, 16 Prozent der Befragten erwähnen die Ausgaben für die Werbung.

Umfrage sondage santé Weil bei der Beurteilung politischer Fragen neben inhaltlichen Überlegungen auch das Image der jeweiligen Akteure eine Rolle spielt, wollen die Krankenversicherer die Einstellungen der Bevölkerung zur Branche kennen. Deshalb führen sie seit 2003 jedes Jahr im Juni die sondage santé durch, eine repräsentative Telefonbefragung von rund 1200 Personen in der ganzen Schweiz. Die Fragen und Auswertungen für santésuisse erarbeitet jeweils Franz Neff, Wissensmanagement Bern.

empören, begeistern, verführen – das ist ein Schlüssel zum medialen Erfolg. Vereinfachen bis zum Maximum ein zweiter. Was eignet sich da besser als die alljährlich steigenden Prämien? Und wer hats erfunden? Natürlich die Krankenversicherer. Ausgeblendet wird, dass es die Rechnungen der Leistungserbringer sind, die der Versicherte durch die Prämien bezahlt. Solch emotionsgeladene, negative Botschaften fallen dort auf fruchtbaren Boden, wo ein Informationsdefizit besteht. Ein Beispiel für eine verzerrte Wahrnehmung ist die Tatsache, dass die Verwaltungskosten in der Grundversicherung so massiv überschätzt werden. Selbst gut informierte Personen nennen mehrheitlich Werte von über 20 Prozent, viermal mehr, als der Anteil der Verwaltungskosten tatsächlich beträgt. Die Hälfte der Befragten nennt sogar Werte über 30 Prozent. Hier dürfte einer der Schlüssel zum Verständnis der Einstellungen der Bevölkerung zu den Krankenversicherern zu finden sein. Doch weshalb die Befragten die Verwaltungskosten der Krankenversicherer so massiv überschätzen, kann mit der sondage santé nicht ausgesagt werden. Es muss also noch etwas tiefer gebohrt werden. Wagen wir also einige Hypothesen: • Die Versicherten haben keine oder falsche Vorstellungen, woraus der Verwaltungsaufwand der Krankenversicherer in der Grundversicherung besteht, oder einfacher gesagt, sie wissen gar nicht, was die Krankenkasse konkret tut. • Die Ratio ist ausgeschaltet. Die Befragten denken nicht logisch. Sie würden sonst erkennen, dass die Krankenkasse auf eine Spitalrechnung von 6000 Franken doch nicht 1800 Franken (30 Prozent) für Verwaltungskosten draufschlagen kann. Negative Assoziationen trüben die Wahrnehmung. • Die Versicherten können sich die grossen Geldbeträge nicht vorstellen, weder die von der Gesamtheit der Versicherten via Krankenversicherer zu den Leistungserbringern transferierte Summe von 30 Milliarden noch den Verwaltungsaufwand von knapp 1,5 Milliarden. Der Reflex «kompliziert = teuer» dominiert vermutlich die Vorstellungskraft. • Einige der von aussen sichtbaren Tätigkeiten der Krankenversicherer werden als zu teuer und überflüssig bewertet. Das zeigen die Antworten auf die Frage, wo die Krankenkassen sparen könnten, ohne als Versicherter Nachteile zu

Kurze Anleitung zur Imagekorrektur

Welche Möglichkeiten bieten sich Krankenversicherern, damit sie realistischer eingeschätzt werden und sich das gewollte Image mit dem wahrgenommenen deckt? Ein Ansatz ist sicher, die guten Beziehungen mit den Kunden aufrecht zu erhalten und möglichst persönlich zu gestalten (z. B. immer gleiche Ansprechpartner). Die Zufriedenheit mit der Krankenkasse ist mit Abstand der wichtigste Grund (65 Prozent), auf einen Wechsel der Versicherung zu verzichten. Nur 20 Prozent der Befragten wechseln die Krankenkasse auf Grund von Preisunterschieden. Verstärkt werden sollte die Beziehungspflege mit jenen Versicherten, die «nur» ihre Prämienrechnung bezahlen und sonst keine weiteren Berührungspunkte haben. 87 Prozent der Befragten erwarten von der Krankenversicherung, dass sie die Arzt- und Spitalrechnungen genau unter die Lupe nimmt. Immerhin 50 Prozent der Befragten würden bei der Auswahl von Leistungserbringern Empfehlungen der Krankenversicherer folgen. Das ist ein beachtlicher Vertrauensbeweis. Im Hinblick auf die Verwaltungskosten sollte den Versicherten bei jeder sich bietenden Gelegenheit (Prämienrechnung, Abrechnungen von Dienstleistungen etc.) mitgeteilt werden, welcher Anteil des betreffenden Betrags für die Entschädigung der Leistungserbringer erbracht wird und wieviel die Krankenversicherung für die Verwaltungskosten berechnet. Ebenfalls klar deklariert werden sollte, was aus der Zusatzversicherung und was aus der Grundversicherung bezahlt wird. Das gilt auch für die bei den Versicherern entstehenden Kosten. Andererseits lautet die Empfehlung, dass die Krankenversicherer ihre Tätigkeiten und deren Nutzen für die Versicherten über die individuellen Kundenbeziehungen transparenter machen, damit sich die gegenseitige Zufriedenheit vertieft und die Versicherten erkennen: Die Vernunftehe mit meiner ausgewählten Krankenversicherung ist doch um einiges angenehmer als die Zwangsheirat mit einer fremden Einheitskasse. alain vioget

Jean-Jacques Lambin, Marketing stratégique et opérationnel, Du marketing à l’orientation de marché, Dunod, 2008. 2 Die moderne Hirnforschung zeigt: Ist Information emotionsgeladen, wird sie gut in Erinnerung behalten. Jochen Kaiser, Lernen und Reorganisation: Befunde aus Psychologie und Neurobiologie, Institut für Medizinische Psychologie, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Frankfurt, 13. September 2007 3 Bernhard Haas, Bettina von Troschke: Beschwerdenmanagement. Aus Beschwerden Verkaufserfolge machen, 2007, Gabal Verlag, Offenburg, S. 104. 4 Aussage von Jacques Séguéla während der Radio-Präsentation seinen Buches «Génération» Q.E. im Jahr 2009. 1

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Image der Krankenversicherer 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Das Image der Krankenversicherer ist relativ stabil.

EHER MODERN

EHER FLEXIBEL

2003

2004

EHER EHER EHER EHER KUNDENGLAUBWÜRDIG TRANSPARENT SYMPATHISCH FREUNDLICH 2005

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2008

2009

2010

2011

Vertrauenswürdigkeit verschiedener Branchen UNFALLVERSICHERUNGEN

21%

ÜBRIGE VERSICHERUNGEN (Z.B. FÜR AUTO, HAUSRAT)

15%

KRANKENKASSEN

14%

PENSIONSKASSEN

14%

59% 49%

PHARMAINDUSTRIE

7%

MEDIEN

4%

41% 32%

3% / 3% / 1%

22%

4% / 1% / 0% 4% / 5% / 0%

39%

9%

3% / 1%

34%

13%

1% / 1%

42%

30%

2% / 6% / 0%

17%

27%

41%

10%

BANKEN

12%

62%

8%

TELEKOMMUNIKATION

Krankenversicherer geniessen mehr Vertrauen als die Pharmaindustrie, Banken und Medien.

59%

16%

47%

17%

3% / 0% 1% / 0%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% SEHR VERTRAUENSWÜRDIG

EHER VERTRAUENSWÜRDIG

EHER NICHT VERTRAUENSWÜRDIG

GAR NICHT VERTRAUENSWÜRDIG

ICH WEISS ES NICHT

KEINE ANTWORT

Wissen über die obligatorische Krankenversicherung 90%

KEIN GEWINN IN GRUNDVERSICHERUNG

80% 70%

VERTRAGSZWANG

60% ALLE KK GLEICHE LEISTUNGEN

50% 40%

JEDES JAHR KK WECHSELN

30% 20%

ÄRZTLICHE BEHANDLUNG GANZE CH (FALSCH)

10% 0%

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

13 | Im Fokus 6/11

2011

Quelle: sondage santé 2011

Das Wissen über das Gesundheitswesen und die Krankenversicherer bleibt über die Jahre hinweg auf dem gleichen (unbefriedigenden) Niveau.


Glossar Alternative Versicherungsmodelle

Grundversicherung

Durch alternative Versicherungsmodelle – zum Beispiel HMOModell, Hausarzt-Modell, Telmed-Modell – kommt der Versicherte in den Genuss einer Prämienreduktion zwischen fünf und 25% im Vergleich zur Standard-Grundversicherung. Die gängigsten Modelle beruhen auf einer eingeschränkten Auswahl des Leistungsanbieters und auf dem Prinzip des Gatekeepers. Dabei verpflichtet sich der Versicherte, bei Krankheit in erster Linie immer einen ganz bestimmten Arzt (HMO, Hausarzt, Telemedizin-Zentrum) aufzusuchen, der ihn betreut und die ärztlichen Behandlungen koordiniert. Der Versicherte hat Anrecht auf alle obligatorischen Leistungen.

Seit 1996 ist die Grundversicherung für alle in der Schweiz wohnhaften Personen obligatorisch. Die Leistungen der Grundversicherung sind im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) genau festgelegt. Sie sind bei allen Krankenkassen gleich. Die Krankenkassen sind verpflichtet, jeden Antragsteller, der dies wünscht, in ihre Grundversicherung aufzunehmen. Die Grundversicherung deckt die Risiken «Krankheit», «Mutterschaft» und «Unfall» ab. Die Unfälle sind nur abgedeckt, wenn sie nicht von einer anderen obligatorischen oder privaten Unfallversicherung übernommen werden.

Franchise

Krankenkassen

Wenn Leistungen für Arzt, Spital oder Medikamente erbracht werden, müssen sich die Versicherten an diesen Kosten beteiligen. Die Beteiligung besteht aus einem im Voraus festgelegten Betrag, der sogenannten Franchise, sowie einem zusätzlichen Selbstbehalt von 10%. Erst wenn die Kosten diesen Betrag übersteigen, kommt die Krankenkasse zum Zug. Die Franchise muss pro Kalenderjahr nur einmal entrichtet werden. Bei Mutterschaft wird keine Franchise fällig (sofern keine Komplikationen auftreten). Das Gleiche gilt bei Unfällen (Nichtberufsunfälle eingeschlossen), sofern der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber vollumfänglich gegen Unfall versichert ist (UVG-versichert). Für Erwachsene beträgt die ordentliche bzw. gesetzliche Franchise mindestens 300 Franken. Der Versicherte kann seine Jahresfranchise freiwillig erhöhen (bis auf 2500 Franken), um in den Genuss eines Prämienrabatts zu kommen.

Krankenkassen sind juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts, die keinen Erwerbszweck verfolgen, hauptsächlich die soziale Krankenversicherung betreiben und vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) anerkannt sind. Die Krankenkassen sind berechtigt, neben der sozialen Krankenversicherung auch Zusatzversicherungen zu betreiben. Sie dürfen auch zu Bedingungen, die der Bundesrat festlegt (Art. 12 KVG), andere Versicherungszweige anbieten.

Gesundheitskosten

Unter die Gesundheitskosten fallen ambulante oder stationäre Spitalkosten, die Pflege zu Hause, Pflegeheime, Ärzte, Medikamente, Physiotherapeuten, Mittel und Gegenstände für Untersuchungen oder Behandlungen, Laboratorien und die administrativen Kosten der Versicherer (s. Seite 16). 2009 betrugen die Gesundheitskosten 60 984 Millionen Franken. Die Sozialversicherungen bezahlten 24 891 Millionen Franken (40,8%), die Privathaushalte 18 307 Millionen Franken (30%) und der Staat 11 813 Millionen Franken (19,4%). Die Spitäler stellen den Löwenanteil der Kosten (35,6%). Die administrativen Kosten der Versicherer repräsentieren nur 5%.

Prämie

Die Prämie ist die Gegenleistung des Versicherungsnehmers für die Gewährung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer. Aufgrund von Kostenunterschieden können kantonale und regionale Prämienabstufungen gemacht werden. Für Versicherte bis zum vollendeten 18. Altersjahr muss der Versicherer eine tiefere Prämie festsetzen. Dasselbe können Versicherer für ihre Versicherten tun, die das 25. Altersjahr noch nicht vollendet haben. Die Prämien werden für jede Versicherungsart separat und in der Regel monatlich erhoben. Prämienverbilligung

Versicherte, deren steuerpflichtiges Jahreseinkommen eine bestimmte Höhe nicht überschreitet (abhängig von Wohnkanton und Familiensituation) kommen in den Genuss einer Verbilligung ihrer Krankenkassenprämie, die ab 1. Januar 2012 immer direkt der Krankenkasse überwiesen wird.

14 | Im Fokus 6/11


Foto: Prisma

Reserven

Zur Sicherstellung der längerfristigen Zahlungsfähigkeit bilden die Versicherer gemäss Art. 60 KVG ausreichende Reserven. Art. 78 KVV definiert die Minimalsätze dieser gesetzlichen Reserven: Die Versicherer haben jeweils für eine Finanzierungsperiode von zwei Jahren das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben sicherzustellen. Sie müssen zudem ständig über eine Sicherheitsreserve verfügen (Abs. 1). Reserven sind vor allem dann wichtig, wenn in der Branche unvorhergesehene Risiken eintreten. Es gibt eine Vielfalt an möglichen Risiken, etwa Unternehmerrisiken (Bestandesänderungen, falsche Budgetbeurteilung, Einbruch der Börsenwerte usw.) sowie branchenspezifische Risiken (Epidemie, Pandemie, aussergewöhnliche Anzahl schwere Fälle, Verschlechterung der Qualität des Versichertenbestandes usw.). Lösen solche Risiken grosse Ergebnisschwankungen aus, glätten ausreichende Reserven die nachfolgenden Prämienschwankungen. Ab 1. Januar 2012 werden die Reserven auf der Grundlage der Risiken und nicht der Versichertenanzahl berechnet. Risikoausgleich

Die verschiedenen Krankenkassen weisen in Bezug auf die Struktur ihrer Versichertenbestände grosse Unterschiede auf, die zu unterschiedlichen Krankenpflegekosten und Prämien führen. Diese Unterschiede sollen durch den Risikoausgleich geglättet werden. Gemäss Art. 105 Abs. 1 KVG müssen Versicherer, welche unter ihren Versicherten weniger Frauen und ältere Personen haben als der Durchschnitt aller Versicherer, zugunsten von Versicherern mit überdurchschnittlich vielen Frauen und älteren Personen, Abgaben an die gemeinsame KVG-Einrichtung entrichten. Mit diesen Abgaben werden die durchschnittlichen Kostenunterschiede zwischen den massgeblichen Risikogruppen in vollem Umfange ausgeglichen. Der geltende Risikoausgleich berücksichtigt lediglich das Alter und das Geschlecht als Ausgleichsfaktoren. Als weiteres Kriterium gilt ab Januar 2012 ein über dreitägiger Aufenthalt im Vorjahr in einem Spital oder Pflegeheim. Damit wird das Krankheitsrisiko zu einem weiteren Ausgleichsfaktor. Der Risikoausgleich soll künftig zusätzlich um das Kriterium Morbidität (aufgrund des Medikamentenbedarfs) verfeinert werden. Damit wird das Krankheitsrisiko zu einem

weiteren Ausgleichsfaktor. Die Verfeinerung des Risikoausgleichs ist Teil der «Managed Care»-Vorlage. Rückstellungen

Rückstellungen sind Reserven für bereits eingetretene Krankheiten, das heisst für bereits bestehende Verpflichtungen, die zum Zeitpunkt der Rechnungsablage noch nicht erfüllt sind. Rückstellungen decken in der Regel Leistungen für drei Monate ab und belaufen sich laut BAG-Statistik aufgrund des versicherungstechnischen Risikos auf 25% des Prämienvolumens. Selbstbehalt

Der Selbstbehalt ist der Betrag, den Versicherte bei Rechnungen vom Arzt, Spital und für Medikamente selber tragen müssen. Sobald die Gesundheitskosten den Betrag der Franchise erreicht haben, übernimmt der Versicherte einen Selbstbehalt von zehn Prozent bis zu einem Betrag von maximal 700 Franken pro Jahr. Bei Medikamenten gilt ein differenzierter Selbstbehalt (siehe infosantésuisse Nr. 4/2011, S. 26). Für Kinder beträgt der maximale Selbstbehalt 350 Franken. Sind mehr als zwei Kinder der gleichen Familien bei der gleichen Krankenkasse versichert, ist der Selbstbehalt für alle Kinder zusammen auf 700 Franken beschränkt. Bei Mutterschaft werden im Rahmen eines «normalen Verlaufs» keine Franchise und kein Selbstbehalt erhoben. Die Unfall-Versicherung nach UVG unterliegt weder einer Franchise noch einem Selbstbehalt. Tiers garant

Die versicherte Person schuldet dem Leistungserbringer das Honorar und bezahlt ihn. Der Versicherer (Tiers, Dritter) vergütet der versicherten Person die Kosten unter Berücksichtigung einer allfälligen Kostenbeteiligung. Tiers payant

Der Versicherer (Tiers, Dritter) schuldet dem Leistungserbringer das Honorar und bezahlt ihn direkt. Der Versicherte erhält eine Rechnungskopie und zahlt dem Versicherer den allfälligen Kostenanteil.

15 | Im Fokus 6/11


Grafik des Monats

Die Mär von den hohen Verwaltungskosten Die vermeintlich hohen Verwaltungskosten der Krankenversicherer sorgen immer wieder für schlechte Presse. Sie werden stets überschätzt, im Schnitt auf 30,6 Prozent. In der Realität betragen sie gut fünf Prozent. Die Mär der hohen Verwaltungskosten ist eine «urban legend» (städtische Sage), die durch ein Informationsdefizit der Bevölkerung und durch falsche Angaben in Medienberichten am Leben bleibt.

der Suva- und Unfallversicherten mit 342 Franken pro Jahr, dasjenige der Krankenversicherten indes nur mit 158 Franken. Schlechter schneidet die Suva auch bei der prozentualen Auswertung ab: Die Administrationskosten der Suva stiegen zwischen 1999 und 2009 um 29 Prozent, diejenigen der Krankenversicherer zwischen 1996 und 2010 um 19 Prozent. Das beweist, dass Monopolversicherer bzw. Einheitskassen wie die Suva nicht wirtschaftlicher arbeiten als die Vielfalt der Krankenversicherungen.

Die Bevölkerung hat wenig Wissen über das Gesundheitssystem und noch weniger über die Aufgaben der Krankenversicherer, wie die sondage santé seit Jahren belegt. Das erstaunt nicht, denn die Medien verbreiten falsche Behauptungen, die von politischen Gruppierungen genährt werden. Die Idee dahinter: der Idee der Einheitskasse Auftrieb zu verleihen. Woraus setzten sich denn eigentlich die administrativen Kosten zusammen? Diejenigen Administrativkosten, die durch Prämiengelder finanziert werden, decken den Aufwand für die Tarifverhandlungen mit den Spitälern und Ärzten, für die Rechnungs- und Kostenkontrolle, für Werbung, Sponsoring und für die Ausgaben, die durch den Wechsel der Krankenkasse verursacht werden. Mit gut fünf Prozent der Gesamtausgaben bewegt sich der Anteil dieser Ausgaben auf einem vergleichbar tiefen Niveau. Der Prozentsatz ist im Vergleich mit 1996 sogar gesunken. Damals betrug er gut acht Prozent.

Und wie steht es mit der Einheitskasse?

Im Vergleich mit dem jetzigen System mit mehreren Krankenversicherungen, bringt eine Einheitskasse also keine Einsparung in der Administration. Auch mit einer Einheitskasse werden Tarifverhandlungen und die Rechnungskontrolle weiter bestehen – wenigstens ist das sehr zu hoffen. Allein die Rechnungskontrolle spart Ausgaben in der Höhe von einer Milliarde Franken pro Jahr. Zudem sind die Kassenwechsel bereits in den Administrativkosten enthalten und machen ohnehin nur einen kleinen Teil aus. Im Jahr 2007 haben laut comparis zwei bis drei Prozent die Krankenversicherung gewechselt. Im Jahr 2009 waren es 15 Prozent. Die Administrativkosten sind derweil auf konstantem Niveau geblieben. Zusätzlich stellt die WHO und OECD-Studie vom Oktober 2011 zum Schweizer Gesundheitssystem fest, dass ein Systemwechsel teuer wäre, ohne den Versicherten irgendeinen Vorteil zu bringen.

Die Administrativkosten sind tiefer als bei der Suva

Im Jahr 2009 verschlang die Administration der Unfallversicherer (Suva und Private) 11 Prozent der Gesamtausgaben.1 Die Administrativkosten belasteten 2009 das Portemonnaie

maud hilaire schenker BFS, Taschenstatistik der Kranken- und Unfallversicherung, Ausgabe 2010

1

35%

32%

33%

32% 33%

30%

28%

26%

26%

31%

26%

25% 20% 15% 10% 5,8%

5,7%

5,5%

5,8%

2003

2004

2005

2006

5,6%

5,8%

5,7%

5%

Der Graben zwischen Mythos und Realität ist gross.

0%

MITTELWERT

2007

2008

2009

REALITÄT

16 | Im Fokus 6/11

2010

2011

Quelle: sondage santé 2011

ENTWICKLUNG DER ADMINISTRATIVKOSTEN UND EINSCHÄTZUNG DURCH DIE BEFRAGTEN


GFA – Gesundheitsfolgenabschätzung – heisst die Messgrösse für die gesundheitlichen Auswirkungen von Projekten

Beachten Sie bitte die Packungsbeilage Health Impact Assessments (HIA) bezeichnet die Beurteilung möglicher Auswirkungen, die eine spezifische Massnahme auf die Gesundheit der Bevölkerung haben kann.1 Sie sind quasi deren Packungsbeilage. Während die HIA in Europa bereits gang und gäbe sind, stecken sie in der Schweiz noch in den Kinderschuhen. Kürzlich widmete sich am Berner Inselspital der 8. Schweizerische Kongress für Gesundheitsökonomie und Gesundheitswissenschaften dem Thema.

Die Health Impact Assessments (HIA), in der deutschen Schweiz Gesundheitsfolgenabschätzungen (GFA) genannt, bestehen aus einer Kombination von Verfahren, Methoden und Instrumenten, die sowohl die Auswirkungen einer bestimmten Politik, eines Programms oder eines Projekts auf die Volksgesundheit ermitteln, als auch die Verteilung dieser Auswirkungen innerhalb der Bevölkerung.2 GFA kommen z. B. bei der Entwicklung eines Anti-TabakGesetzes, beim Bau eines Einkaufszentrums oder bei der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs zum Zuge. Ihr Zweck besteht darin, mögliche negative Auswirkungen zu minimieren und dabei gleichzeitig vorhandene Ressourcen zu optimieren. GFA schaffen Grundlagen für politische Entscheidungen. Welche Grundsätze leiten die GFA?

Die GFA ist keine Wissenschaft im eigentlichen Sinne, obschon sie bestrebt ist, sich so weit wie möglich auf aussagekräftige Daten zu stützen. Sie wendet verschiedene Instrumente an, die aus der Medizin (Epidemiologie) sowie den Sozial-, Wirtschafts- und Umweltwissenschaften stammen. Als multidisziplinäre, sektorübergreifende und auf Gleichbehandlung und soziale Gerechtigkeit bedachte Massnahme steht die GFA bei einer Entscheidung für einen ganzheitlichen, nachhaltigen und präventiven Ansatz. Die GFA geht davon aus, dass der Gesundheitszustand jedes Einzelnen nicht nur durch seine individuellen Verhaltensweisen und das Gesundheitssystem be-

stimmt wird, sondern auch durch komplexe Wechselwirkungen zwischen sozialen Faktoren (wie Erziehung, soziales Umfeld), wirtschaftlichen Faktoren (wie Beschäftigung, Einkommen) und Umwelteinflüssen (Luft- und Wasserqualität, Lärm). Die Beurteilungen beruhen sowohl auf quantitativen als auch auf qualitativen Aspekten. So müssten sie im Idealfall sowohl die gesundheitlichen Auswirkungen ermitteln als auch ihre Ursachen herausfinden, ihre Bedeutung für die Bevölkerung abschätzen und sie schliesslich auch finanziell einstufen.3 Gibt es in der Schweiz GFA?

In der Schweiz finden GFA vor allem in der lateinischen Schweiz statt. In den Kantonen Genf, Jura und Tessin wurden sie namentlich durchgeführt, um die Auswirkungen des Passivrauchens in öffentlichen Einrichtungen zu evaluieren (siehe Kasten). 2005 wurde eine Plattform für GFA gegründet, aus der im Juni 2011 ein gemeinnütziger Verein geworden ist, der sich um die Verbreitung des Knowhows kümmert.4 GFA leisten auch einen Beitrag zu den Health Technology Assessments (HTA), den so genannten Medizintechnik-Folgenabschätzungen, sowie den Health Needs Assessments (HNA), die den Gesundheitsbedarf analysieren und ermitteln, und den Health System Performance Assessments (HSPA), welche die Effizienz der Gesundheitssysteme untersuchen. Maud Hilaire Schenker

Scott-Samuel, 1998. Health Impact Assessment – theory into practice. J. Epidermiol Community Health, 52, 704-705 2 OMS, Health Impact Assessment, Main concepts and suggested approach, Gothenburg Consensus Paper, Dezember 1999, Brüssel 3 8. Schweizerischer Kongress für Gesundheitsökonomie und Gesundheitswissenschaften, 21. Oktober 2011, Bern 4 www.impactsante.ch 1

2005 wurde in Genf eine GFA über das Passivrauchen in öffentlichen Einrichtungen durchgeführt. Das Ziel bestand darin, die Auswirkungen eines allfälligen Rauchverbots in öffentlichen Einrichtungen einzuschätzen. Die Resultate sehen wie folgt aus: Generelle Auswirkungen der politischen Massnahmen: • Verbote erweisen sich als wirkungsvoller als Einschränkungen des Rauchens. • Das Einrichten separater Raucherräume hat keine grosse Wirkung und ist teuer. • Die Wirksamkeit hängt von der Fähigkeit ab, ein Gesetz klar zu formulieren. Physiologische Auswirkungen: • Es ist klar erwiesen, dass das Rauchen einen Risikofaktor für die Entwicklung von Lungenkrebs, Erkrankungen der Herzkranzgefässe und für Herzinfarkt darstellt. Auch das Risiko einer Atemwegerkrankung kann sich erhöhen. Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Einrichtungen: • Mehr als zwei Drittel der insgesamt 97 analysierten Studien kommen zum Schluss, dass die Einführung von Rauchverbotsmassnahmen positive oder gar keine Auswirkungen auf die Einkünfte der öffentlichen Einrichtungen haben. Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesundheit: • In Genf wird die Höhe der direkten und indirekten Gesundheitskosten, die durch Passivrauchen am Arbeitsplatz verursacht werden, auf über 5,7 Millionen Franken/Jahr geschätzt. Soziale Auswirkungen: • Die Kundschaft ist mehrheitlich für die Einführung einschränkender Massnahmen. • Die Besitzer öffentlicher Einrichtungen sind mehrheitlich dagegen. • Die grosse Mehrheit des Personals ist dafür. • In Genf wurde die Frage des Lärms aufgeworfen, der durch die Ansammlung von Rauchern ausserhalb der Einrichtungen entstehen könnte.

17 | Gesundheitswesen 6/11


Buchtipp: Peter Hännis Kriminalroman «Freitod, der 13.»

Ein Buch, das auf jeden Gabentisch gehört Wer meint, dass bei einem Krimi schreibenden Arzt nur die Toten, Verletzen oder Kranken authentisch wirken, wird von Peter Hänni eines Besseren belehrt. In «Freitod, der 13.», seinem dritten Kriminalroman, unterhält der Arzt anschaulich, taktvoll – und spannend.

Marco Zuber wird als Notfallarzt in eine Wohnung in Bern gerufen. Dort kann er nur noch den Tod des Bewohners feststellen. Von dessen Nachbarin erfährt er, dass der Verstorbene an Krebs im Endstadium gelitten hat. Es liegt für den Arzt auf der Hand, dass der Mann an den Folgen seiner Krankheit gestorben ist. Als sich plötzlich die Lebensversicherung nach anderen möglichen Todesursachen erkundigt, muss er sich eingestehen, dass er den Totenschein vielleicht zu leichtfertig ausgestellt hat. In Deutschland, so googelt Zuber nämlich, werden jährlich 1200 strafrechtliche Tatbestände nicht erkannt und fälschlicherweise als «natürliche Todesursache» eingestuft. Trotz Widerständen plus Dauerregen lässt er den Toten exhumieren und untersuchen – und findet sich plötzlich im

Dickicht von Versicherungsbetrug und Freitodbegleitung wieder. Mit Takt und Geschick gelingt es Peter Hänni, Freitod, Sterbehilfe und das Geschäft der Lebensversicherer hautnah darzustellen. Nah beim Objekt bleibt er auch in den zahlreichen heiteren Passagen. Er beschreibt die Löcher in den Socken der Protagonisten genauso stimmig wie die Haarprobleme der Hauptfigur. Die Wechsel zwischen ernsten und amüsanten Schauplätzen gelingen fliessend und wirken unaufgesetzt. Ein Hochgenuss, der den Wunsch nach einem Tag in eingeschneiter Hütte aufkommen lässt. Hännis (1958) erster Krimi «Rosas Blut» erschien erst vor drei Jahren. Die Ausbildung zum Arzt, die nachfolgenden Lehr- und Wanderjahren mit vielen Diensten, der Aufbau der eigenen Praxis und die Gründung seiner eigenen Familie beanspruchten bis dahin seine ganze Zeit. Erst in den letzten Jahren sei der nötige Freiraum entstanden, in dem sich der Wunsch zu schreiben umsetzen liess, so der Arzt in einem Interview. Peter Hänni, 1958 geboren in Bern, war Kellner, Metzgergehilfe, Bauarbeiter und Taxifahrer, bevor er an der Uni Bern einige Semester Jus und dann Medizin studierte. Sie sind Vertrauensarzt beim Schweizerischen Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer (SVK). Was hat Sie bei dieser Arbeit bis anhin «kriminalistisch» herausgefordert?

Die «kriminalistische» Herausforderung beim SVK würde ich nicht als überaus gross bezeichnen. Hingegen ist – wie bei anderen Vertrauensarztmandaten – doch manchmal ein gewisses detektivisches Denken erforderlich, beispielsweise bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeiten, oder wenn es darum geht, medizinische Informationen, Abklärungen oder Behandlungen auf deren Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorgaben zu überprüfen.

Dr. med. Peter Hänni ist Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten sowie für Hals- und Gesichtschirurgie. Er hat eine Praxis in Solothurn und ist nebenberuflich Vertrauensarzt beim Schweizerischen Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer (SVK). Sein neuster Krimi «Freitod, der 13.» ist 2011 beim Cosmosverlag erschienen. Es ist sein dritter Kriminalroman.

Der SVK beschäftigt sich mit Themen wie der Protonentherapie, Transplantationen von Organen wie Leber, Herz, Pankreas und mit der Stammzellentherapie. Das assoziiert die geneigte Krimileserin sofort mit «illegalem Handel» und mafiösen Strukturen.

Tatsächlich ist ja gerade die Organtransplantation bzw. der Organhandel ein Thema, welches immer wieder in Kriminalgeschichten aufgegriffen wird. Meistens geht es in diesen Geschichten um die (illegale) Herkunft der Organe. Der SVK befasst sich jedoch mehr damit, unter welchen (medizinischen) Voraussetzungen jemandem ein solides Organ oder Stammzellen zugeteilt werden dürfen – oder eben nicht, was unter Umständen auch eine gewisse Brisanz in sich birgt. Es geht um Leben oder Tod, es geht um viel Geld – die Grundzutaten für einen Krimi wären also gegeben.
 Wenn Sie einen Krimi schreiben würden, der im «Krankenkassenmilieu» spielt – wie würde der Buchklappentext lauten?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Den Buchklappentext kann man erst verfassen, wenn die Geschichte endgültig geschrieben ist. Und meistens schreibt nicht der Autor diesen Klappentext, sondern der Verlag, so dass ich mich von der Beantwortung dieser Frage drücken kann... silvia schütz

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Foto: Walter Imhof

Peter Hänni ist Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und nebenberuflich Vertrauensarzt beim Schweizerischen Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenkassen (SVK). Für Suspense im hitchcock’schen Sinne sorgt er nicht der Praxis, sondern mehrheitlich am Schreibtisch.

19 | Gesundheitswesen 6/11


DRG-Top-Shots teilen ihr Wissen SwissDRG ist nun Realität. Einen Monat nach dem Start treffen sich DRG-Experten, Anwender und Interessierte zum Erfahrungsaustausch am ersten DRG Forum Schweiz-Deutschland. Zusammen mit namhaften Persönlichkeiten aus dem deutschen Gesundheitswesen, das DRG vor fast zehn Jahren eingeführt hat, werden praktische Fragen geklärt und mögliche Wege diskutiert. Die Referentinnen und Re-

ferenten stammen aus den Bereichen Krankenhäuser, Ärzteschaft und Versicherer. Einstiegsreferate legen den Ball vor, 15 praxisbezogene Symposien und ein Podium mit DRGTop-Shots aus der Schweiz und Deutschland führen in die Tiefe. Das Forum findet statt im Hotel Ambassador, Bern.

Aus aller Welt

Erstes DRG Forum Schweiz-Deutschland 2./3. Februar 2012

Online-Anmeldung unter www.medicongress.ch.

Finanzkrise trübt Gesundheit der Griechen Aus einem Bericht in «The Lancet» geht hervor, dass sich die Ergebnisse von Gesundheitsmassnahmen in Griechenland im Zuge der Krise verschlechtert haben. Insbesondere bei sozial schwachen Bevölkerungsgruppen. Die Zahl der Aufnahmen in öffentliche Krankenhäuser sind 2010 gegenüber 2009 um 24 Prozent gestiegen, und in der ersten Jahreshälfte 2011 um acht Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2010.

Sozial schwache Griechen wenden sich an NGOs

Umfragen-Spiegel

Krankenversicherer erfüllen Erwartungen gut Was erwarten die Versicherten von den Krankenkassen und wie beurteilen sie deren Leistungen? Die Frage stellte comparis.ch in einer repräsentativen Studie den in der Schweiz lebenden Prämienzahlerinnen und Prämienzahler. Bei 85 bis 90 Prozent der Befragten erfüllen die Krankenversicherer die in sie gesetzten Erwartungen bei der schnellen Leistungsvergütung, der funktionierenden Rechnungskontrolle und beim guten Kundenservice. Nachholbedarf besteht laut der Umfrage vom vergangenen Herbst beim Einsatz für tiefe Medikamentenpreise: 87 Prozent der Befragten wünschen sich, dass sich die Krankenkassen für tiefere Medikamentenpreise einsetzen. Nur 69 Prozent sind hingegen der Meinung, dass die Kassen diese Aufgabe auch tatsächlich wahrnehmen. Allerdings hat seither die me-

dial breit wahrgenommene und transportierte Forderung von santésuisse nach tieferen Margen auf Medikamenten (Medienkonferenz vom November) wohl Gegensteuer geben können. Die Befragung zeigt auch, aus welchen Gründen die Krankenversicherer ihre Aufgaben aus dem Blickwinkel der Befragten nicht wahrnehmen. Der wichtigste Grund ist das Streben nach Gewinn (Nennung durch 36 Prozent), gefolgt von der Jagd auf gute Risiken (29 Prozent) sowie die fehlerhaften Rahmenbedingungen mit falschen Anreizen. Eine andere Umfrage von comparis zeigt, dass rund 8,4 Prozent der Versicherten auf das nächste Jahr hin die Krankenkasse wechseln. 2011 waren es noch 12,4 Prozent ge­ wesen. Comparis führt den Rückgang auf die geringeren Prämienaufschläge per 2012 zurück.

20 | Service 6/11

Die drakonischen Kürzungen im Gesundheitswesen infolge der Schuldenkrise zeigen Folgen. Die sozial schwächsten Griechen wenden sich an humanitäre NGOs, um ärztlich versorgt zu werden. In einem Interview mit «EUobserver», sagt der griechische Leiter der internationalen Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), dass sich eine steigende Zahl von Menschen an die seit 1995 im Land eröffneten Ambulanzen wende. Diese waren ursprünglich für Migranten und Flüchtlinge aus Auffanglagern gedacht, die keinen Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung haben. «Zuschüsse für bestimmte Behandlungen, für Sozialhilfe oder die Behandlung von bestimmten Krankheiten wurden bis zu 80 Prozent gekürzt», führt er aus. Mangel herrscht an medizinischem Gerät, Medikamenten und Blut. (AIM-Flash)


Der Begriff Managed Care ist in aller Munde. Was genau ist damit gemeint?

Managed Care will die Behandlungsqualität verbessern und damit gleichzeitig die Kosten für medizinische Leistungen senken. Dies wird erreicht, indem die Koordination unter den Leistungserbringern (etwa Spitäler, Ärzte) optimiert wird und die Patienten bedürfnisgerecht begleitet und beraten werden. Die Betreuung gewinnt so an Effizienz, unnötige und doppelte Behandlungen entfallen. Managed Care deckt eine ganze Palette von Leistungen ab, angefangen bei der Prävention bis hin zu Betreuungsprogrammen für chronisch Kranke (etwa Programme für Diabetiker). Derartige Programme werden bereits von vielen wichtigen Krankenversicherern sowie auch von Leistungserbringern (Ärzte, Spitäler und andere) angeboten. Managed Care umfasst auch alternative, allen zugängliche Versicherungsmodelle, die auf der Netzwerkbildung der behandelnden Ärzte beruhen. Der Begriff Netzwerk bezeichnet die vertraglich geregelte und strukturierte Zusammenarbeit der Leistungserbringer untereinander, etwa Ärzte, Spitäler, Spitex-Organisa­ tionen für Hilfe und Pflege zu Hause, medizinischsoziale Einrichtungen und/oder mit der Krankenversicherung. Diese Netzwerke treten in verschiedenen Formen auf: • Gruppenpraxis: Die Ärzte (z. B. Hausärzte, Fachärzte, Therapeuten) arbeiten «unter einem Dach» zusammen (z. B. HMO); • Ärztenetze: Die Ärzte arbeiten an verschiedenen Standorten in ihren eigenen Praxen zusammen; • Ärztenetze und Gruppenpraxen mit oder ohne gemeinsame Budgetverantwortung: Die Ärzte tragen die finanzielle Verantwortung, die sich aus der Betreuung ihrer Patienten ergibt, entweder gemeinsam oder jeder für sich. Der Versicherte eines Managed Care-Modells verpflichtet sich, sich im Krankheitsfall stets zuerst an den gleichen Leistungserbringer («Gatekeeper») zu wenden. Bei diesem Ansprechpartner kann es sich um einen Hausarzt, ein Ärztenetz, eine Gruppenpraxis oder um eine Telefonzentrale für medizinische Beratung handeln.1 Meine Familie ist HMO-versichert. Kann ich mit meiner dreijährigen Tochter einen Kinderarzt aufsuchen (in der HMO-Praxis gibt es keinen Kinderarzt)? Und kann meine Frau für ihre Routineuntersuchungen weiterhin zur ihrer Gynäkologin gehen?

Grundsätzlich kann der Versicherte im Rahmen der Grundversicherung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen (Art. 41 Abs. 1 KVG). Er kann seine Wahl jedoch im Einverständnis mit seinem Ver-

sicherer auf diejenigen Leistungserbringer beschränken, die der Versicherer aufgrund deren vorteilhafterer Leistungen bestimmt. In diesem Fall übernimmt der Versicherer nur die Kosten für Leistungen, die von denselben erbracht oder verordnet werden (Art. 41 Abs. 4 KVG). Als Gegenleistung kann der Versicherer die Krankenkassenprämien senken (Art. 62 KVG). Dem Versicherten stehen dabei alle obligatorischen Leistungen zu. In einem HMO-Modell konsultiert der Versicherte immer zuerst seinen HMO-Arzt, der für alle medizinischen Behandlungen (ausser bei einem Notfall) sein Ansprechpartner ist. Innerhalb einer HMOPraxis arbeiten mehrere, für verschiedene Fachgebiete qualifizierte Ärzte und Therapeuten. Fehlt der benötigte Spezialist, werden Sie an einen Spezialisten ausserhalb der HMO-Praxis überwiesen. Der Krankenversicherer legt die einzuhaltenden Bedingungen im Versicherungs­vertrag frei fest. So kann die Versicherungspolice festhalten, dass Ihre Frau den Gynäkologen und Ihre Tochter den Kinderarzt direkt aufsuchen kann. Das Gleiche gilt auch für den Augenarzt. Andere Verträge hingegen empfehlen, den Weg über die HMO-Praxis zu gehen. Wieder andere verlangen, den Besuch bei einem der drei genannten Spezialisten im Nachhinein zu melden. Wie Sie vorzugehen haben, ist in Ihrer Versicherungspolice beschrieben.2 Kann man diese besonderen Versicherungsformen auch abschliessen, wenn man in einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft wohnhaft ist?

Laut Art. 101a KVV können Versicherte, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft, in Island oder in Norwegen ihren Wohnsitz haben, keine besonderen Versicherungsformen in Anspruch nehmen, ganz gleich, ob es sich um Wahlfranchisen, Bonus-Systeme oder die Versicherungs­formen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer handelt. Hingegen können die Versicherer die Versicherungsform mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer denjenigen Personen – einschliesslich Familienangehörigen – anbieten, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft, in Island oder in Norwegen wohnhaft sind, aber in der Schweiz arbeiten. Bei der Festlegung der Prämienermässigungen muss der Versicherer dem Umstand Rechnung tragen, dass sich der Versicherte auch in seinem Aufenthaltsland behandeln lassen kann.

CSS, FaktenBlatt Gesundheitspolitik, Fragen und Antworten zu Managed Care, 2009 2 www.fam-santi.ch 1

21 | Service 6/11

Fragen  Antworten

Managed Care: Definition und konkrete Beispiele


infosantésuisse online

Erfolgsfaktoren bei der Einführung von DRGs: Einige Herausforderungen für Spitäler, Ärzteschaft, Spitex und Versicherer

Haben Sie sich schon für infosantésuisse online registriert?

Dienstag, 24. Januar 2012, Swissôtel Zürich Themen/Referierende •

Strategische Erfolgsfaktoren im modernen Krakenhaus-Management Dr. med. Djordje Nikolic, MBA, Geschäftsführer des HELIOS Klinikums Emil von Behring, Berlin Erfolgsfaktor Spitalapotheke im Verbund unter DRG – Das Beispiel der Horst Schmidt Kliniken GmbH Wiesbaden Prof. Dr. Wolfgang Kämmerer, Direktor Apotheke und Einkauf, HSK, Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbH, Klinikum der Landeshauptstadt Wiesbaden Erfolgsfaktor Kooperation mit dem Zuweiser und Grundversorger Dr. med. Johannes Brühwiler, Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin, Vorstandsmitglied Hausärzte Schweiz, Zürich Erfolgsfaktor Neue Zusatzversicherungsprodukte – Anforderungen aus Sicht der Visana Peter Fischer, CEO Visana-Gruppe, Bern Erfolgsfaktor Kooperation mit der Spitex lic. oec. HSG Christina Brunnschweiler, CEO, Spitex Zürich Limmat, Zürich Erfolgsfaktor Interessenvertretung in spitalträgerübergreifenden Organisationen – Das Beispiel des Krankenhauszweckverbands Rheinland e.V. Frank Groß, Betriebswirt (VWA), Stellvertretender Geschäftsführer, Krankenhauszweckverband Rheinland e.V., Köln Erfolgsfaktor Controlling – Das Beispiel des Unversitätsklinikums Hamburg-Eppendorf Matthias Waldmann, Leiter Controlling, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg

Adessatenkreis Alle Akteure im schweizerischen Gesundheitswesen, insbesondere alle Leistungserbringer, Behörden und Versicherer.

Programme/Anmeldung Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis (IRP-HSG) Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen Tel. 071 224 24 24, Fax 071 224 28 83 irp@unisg.ch / www.irp.unisg.ch

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Gesunde Enkelkinder: Was ist uns ihre Zukunft wert? 13. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz 2012, Donnerstag, 26. und Freitag, 27. Januar 2012, Congress Center Basel, Schweiz

Gesundheitsförderung in der Schweiz: Wie sieht ihre Zukunft aus? Wie können wir sicherstellen, dass unsere Enkelkinder gesund sind und sich diese Gesundheit erhalten können? Lässt sich die Zukunft voraussagen? Um die kommenden Herausforderungen zu meistern, müssen wir als Akteure der Gesundheitsförderung unseren Ansatz ständig anpassen. Dazu müssen wir uns auf das stützen, was wir über Gesundheitsförderung und ihre Wirkungen gelernt haben, aber auch die Prognosen für die Zukunft berücksichtigen. Um die Gesundheit sicherzustellen, muss die Förderung der Gesundheit ein erklärtes Ziel der Politik aller Bereiche sein. Um wirksam zu agieren, müssen alle Akteure zusammenarbeiten, insbesondere jene aus den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung, Umwelt, Raumentwicklung sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Konsumenten und Produzenten. An dieser 13. Konferenz in Basel, welche in einem ungewohnten, innovativen und partizipativen Format stattfindet, wollen wir unsere Kräfte bündeln, zuammenarbeiten und gemeinsam die Zukunft der Gesundheitsförderung in der Schweiz andeuten, für unser eigenes Wohl und für das Wohl unserer Enkelkinder.

News zur Konferenz Aktuelle Informationen und das laufend aktualisierte detaillierte Konferenzprogramm sind unter www.gesundheitsfoerderung.ch/ konferenz abrufbar. Die Konferenz bietet Ihnen verschiedene Foren für Erfahrungsaustausch und Weiterbildung. Online-Anmeldung Die Teilnehmerzahl ist beschränkt. Die Anmeldungen werden gemäss Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt. Anmeldungen online unter www.gesundheitsfoerderung.ch/konferenz Anmeldeschluss: 17. Januar 2012 Konferenzort Congress Center, Basel, www.congress.ch Konferenzkosten Da diese Konferenz in einem neuen organisatorischen Rahmen stattfinden wird, ist es nur möglich, sich für beide Tage anzumelden. Anmeldungen bis zum 24.12.2011: CHF 350.–/EUR 300.– Anmeldungen nach dem 24.12.2011: CHF 400.–/EUR 335.– Diese Gebühren verstehen sich inklusive Konferenzunterlagen. Die Hotelübernachtung geht zulasten der Teilnehmer/-innen.

Die 13. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz wird vom Kanton Basel-Stadt unterstützt.

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