Human Resource Manager

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MAGAZIN FÜR HUMAN RESOURCES MANAGEMENT • DEZEMBER 2011 / JANUAR 2012 • WWW.HUMANRESOURCESMANAGER.DE • ISSN 1869-5116 • EUR 11,40

THEMA ZEIT



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EDITORIAL

TEMPO, BITTE! W

ir alle – oder doch viele von uns – sind in ein festes Terminkorsett geschnürt. Ich selbst spüre das Tag für Tag. Veröffentlichungstermine, Gespräche und Interviews, Meetings – die meisten Termine haben mit der Arbeit zu tun. Und dann ist da noch die Familie. Auch nicht ganz unwichtig. Der Kleine muss in den Kindergarten gebracht werden, oder ist mal krank, weshalb ich früher nach Hause muss. Hobbys? Theoretisch hätte ich einige, aber man kommt ja zu nichts. Es ist das Lebensgefühl unserer Zeit, keine Zeit zu haben. Und das ist erstaunlich, denn eigentlich arbeiten wir weniger als in vergangenen Jahrzehnten und wir haben mehr Zeit für Freizeitaktivitäten als noch Anfang der 90er Jahre. Nicht zu vergessen sind die vielen technischen Erneuerungen, die einem das Leben erleichtern. Angefangen von der Spülmaschine über die Mikrowelle bis zu den modernen Kommunikationsmedien. Und auch im Arbeitsalltag haben moderne Technologien die Prozesse vereinfacht. Ich selbst kann mir Recherchen ohne das Internet nicht mehr vorstellen. Und ich kann häufig von jedem beliebigen Ort aus arbeiten, wo immer ich bin – dem Netbook und dem Smartphone sei Dank. Doch trotz dieser wunderbaren Erfindungen hat die Taktzahl des Lebens sich erhöht, auch weil die Möglichkeiten mannigfaltig geworden sind. Und die Zeit schreitet unaufhörlich voran. Deshalb muss so viel wie möglich hineingepackt werden in dieses endliche Leben – in die Woche, in den Tag, in die Stunde.

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Dann sind da noch die neuen Informationen, die permanent und ununterbrochen einlaufen – per E-Mail zum Beispiel oder SMS. Auf Nachrichtenportalen wie Spiegel Online können wir jede halbe Stunde neue Artikel entdecken. Und auf Social-Media-Plattformen wie Twitter bekomme ich tatsächlich im Minutentakt Neues geboten – wenn ich denn will. Schnelligkeit spielt nicht nur in der Freizeit und im Arbeitsleben eine große Rolle, es ist ein elementares Prinzip unseres gesamten Wirtschaftssystems, das sich mit dem bekannten Ausspruch „Zeit ist Geld“, der auf Benjamin Franklin zurückgeht, trefflich auf den Punkt bringen lässt. Unternehmen produzieren „justin-time“, Produktionszyklen werden immer kürzer, Kunden wollen am besten sofort in den Genuss der Dienstleistung kommen. Tempo, bitte! Die Konkurrenz schläft nicht. Unsere Ökonomie muss beschleunigen, wenn sie wachsen will. Beschleunigung ist eine höchst produktive Kraft. Was wir jedoch nicht brauchen, „ist überflüssige Beschleunigung, die wir Hetze nennen“, betont der Zeitforscher Karlheinz Geißler. Schnelligkeit ist also nicht per se schlecht. Doch gleichzeitig müssen wir uns auch mal bewusst Zeit nehmen für etwas, das uns wichtig ist. Oder wir tun einfach mal nichts. Ja, nichts! Und kein Gedanke an den nächsten Termin stört uns. So entstehen meistens die besten Ideen. Jan C. Weilbacher Chefredakteur jan.weilbacher@humanresourcesmanager.de

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I N H A LT

06 11 A U S G A B E

AKTUELL 7

Die Diskussion zu einem gesetzlichen Mindestlohn ist in Deutschland mit der Debatte in der CDU wieder aufgeflammt – ein Pro und Contra Seite 10

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Mindestlohn Pro und Contra: Joachim Möller, IAB-Direktor, und Norbert Berthold von der Universität Würzburg

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Bildungsetikett

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Überblick

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Wandelbar (Prolog) Arbeitszeitgestaltung ist ein vielseitiges personalpolitisches Instrument

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Mal Teilzeit Warum Väter es wagen sollten

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Alles gleichzeitig Ende der Uhrzeitherrschaft: Interview mit Zeitforscher Karlheinz Geißler

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Die Senioren kommen Arbeiten als Rentner: Die Lebensarbeitszeit verlängert sich

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Timing (Epilog)

Frage der Kultur

Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an

Gespräch mit TUI-Personalchef Peter Engelen über Zeitdruck und Teilzeit-Modelle

IM FOKUS

Ganz ruhig

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Viele Menschen sehnen sich aufgrund der Beschleunigung nach Stille 43

Produktiv sein Zeitmanagement-Ratgeber boomen – gleichzeitig spiegeln sie nicht mehr den Zeitgeist wider

Paradoxe Politik Interview mit dem Arbeitszeitexperten Gerhard Bosch

Der geplante Qualifizierungsrahmen soll die Vergleichbarkeit von Abschlüssen erleichtern

T I T E LT H E M A : Z E I T

Im Vertrauen Wann sich die freie Zeiteinteilung für Mitarbeiter und Arbeitgeber lohnt

Unsichere Zeiten Umfrage: Was sind die beherrschenden Themen 2012?

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Neue Zeiten Viele Unternehmen bieten eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten

Bereit zu wechseln Auf dem Arbeitsmarkt der Personaler ist viel Bewegung

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KOMPLIZIERT

Image ist alles Zeitarbeitsfirmen kämpfen momentan an verschiedenen Fronten

Bunte Bilder Im Rahmen des Employer Branding und der Personalauswahl spielen Videos eine immer größere Rolle

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Traditionelle Muster Christoph Beck über modernes Recruiting und alte Gewohnheiten

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ABSURD

BEWEGT

Gerhard Bosch über die Entwicklung bei den Arbeitszeiten und eine widersprüchliche Familienpolitik Seite 32

Videos haben im Rahmen einer Employer-Branding-Strategie für viele Unternehmen an Bedeutung gewonnen Seite 58

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Im Dialog Mitarbeitergespräche führen immer noch ein Schattendasein in vielen Unternehmen – zu Unrecht

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Mobbing Was Personaler tun können, wenn Mitarbeiter systematisch ausgegrenzt werden

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Fotos: www.marco-urban.de; Privat; www.youtube.de/Bundeswehr

Medienforum

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Nachgefragt

Termine

A N A LY S E

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Aktuelle Urteile

Wertbeitrag

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Nebenpflichten Die rechtlichen Herausforderungen beim Gesundheitsmanagement

Langfristig binden

Backgroundcheck

Hire & Fire Die wichtigsten Wechsel im Bereich HR Management

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Quoten Mit dem Dynamic Gender Index unterstützt der BPM Personaler dabei, Frauen gezielt zu fördern

Andreas Scholz-Fleischmann, Berliner Stadtreinigungsbetriebe

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Was halten Sie von Vertrauensarbeitszeit – liegt darin die Zukunft? 106

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Fachgruppen

Coaching Days Die nächsten Workshops

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Neumitglieder

FRAGEBOGEN 110

Sport am Abend Dietmar Knöß, Director Human Resources, Puma SE

VERBAND 100

LAUFBAHN

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Regionalgruppen

RECHT

Über die Herausforderung eines Talent Managements in Indien

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Lesenswertes rund ums Personalmanagement

Warum Personaler mehr wie Vertriebler agieren sollten 78

PRAXIS

RUBRIKEN 3 6 13 86

Editorial Kolumne: Home Office Kolumne: Change Impressum

Treffen der Gruppen Change Management und Strategisches Personalmanagement

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KOLUMNE

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a, es war nicht wirklich Business-Kleidung zu traschön anzusehen, was gen. Wenn man sich die Benimmregeln zu Firmenfeiern die Spieler der deutschen Nationalmannschaft bei der durchliest, bekommt man das Fußball-Weltmeisterschaft 1986 Gefühl, auf solchen Festen wimmelt es von Karrierein Mexiko ablieferten. Dieser pragTretminen. Und man hat eigentlich keine Lust mehr matische Kick beleidigte das Auge hinzugehen. Dabei ist ohnehin klar, dass diese Art von jedes Fußball-Ästheten. Schon allein die Namen der DeutKnigge Unsinn ist. Wenn sich alle Mitarbeiter daran halten, droht das Betriebsfest zum Festival der Langeschen ließ auf die Art des Spiels schließen: Hans-Peter weile zu werden. Leider lesen sehr viele diese EmpfehBriegel, Ditmar Jakobs, Karl-Heinz Rummenigge – das lungen, weshalb die meisten Feiern auch an das Spiel klang bestenfalls nach ehrlicher Wertarbeit, aber eben der deutschen WM-Mannschaft von 1986 erinnern: auch nach der Abwesenheit von Spaß, nach Langeweinull Risiko, null Charme, null Fantasie – Torsicherung le und Beamtenfußball. statt Ballzauber. Es gab allerdings auch andere Namen bei dieser Das muss nicht sein. Gerade eine UnternehmensWM: Zico zum Beispiel, Socrates, Careca, oder Alemao. feier bietet jedem die Gelegenheit, endlich zu zeigen, Das waren Spieler des brasilianischen Teams. Diese Nawelcher Ideenreichtum und welche Gestaltungsmen klangen nach Kunst, nach Samba, nach herzerfrikraft in einem stecken. Es ist die Chance, den Chefs schender Offensive. Neben den deutschen Rumpelfußklarzumachen, dass man auch Samballern wirkten die Brasilianer wie ba und brasilianische Pässe kann, HOME OFFICE eine Offenbarung. Ihrem Spiel zunicht nur routinierte Verwaltungszusehen, war wie der Schokoladenarbeit und Tore verhindern. Persopudding nach dem trockenen Brot. nalmanager dürfen sich an dieser Gerade für Menschen, die hart Stelle angesprochen fühlen. arbeiten, die viel Druck im Büro haDabei kann man durchaus wirkben, gerade für die kann der Fußball lich gute Tipps für Betriebsfeste geja ein wunderbarer Ausgleich sein. ben. Lesen Sie zum Beispiel keinen Der Fußball hilft, sich abzulenken. Standard-Knigge, und seien Sie Manche sprechen sogar ein wenig mutig! Jeder weiß doch, dass Karriketzerisch vom Opium fürs Volk. eren mit Hilfe von Seilschaften geDer Soziologe Rolf von Lüde sagte macht werden, und die werden bei im Stern zur WM 2006 einmal, dass Betriebsfesten geschmiedet. Deses dem Fußball als zelebrierten halb: Seien Sie eine Witzgranate! Geben Sie Schenkelklopfer Event gelingen würde, „Bindungsemotionen und ein Zusamzum Besten. Humorvolle Menschen sind immer sympathisch. mengehörigkeitsgefühl herzustellen“, und das wirke über Zudem: Seien Sie gegenüber Kollegen und Chefs abgrundalle Schichten der Bevölkerung hinweg identitätsstiftend. tief ehrlich. Erzählen Sie zum Beispiel von Ihrer Ehekrise. HeIdentifikation und Zusammengehörigkeitsgefühl – das sind ben Sie sich ab, indem Sie sich menschlich geben. Das zeigt: wichtige Werte, die auch ein Arbeitgeber in der Belegschaft Sie sind besonders. fördern sollte, zum Beispiel mit der Veranstaltung eines BeUnd wählen Sie eine Kleidung, die die Botschaft hat: Hier triebsfestes. Schon lange bevor es Public Viewing gab, kakommt ein begabter Mitarbeiter. Schwarz und konservativ wie men Menschen auf Unternehmensfeiern zusammen, um sich die anderen? Nicht mit Ihnen! Sie sind kreativ und das magegenseitig besser kennen zu lernen. Identitätsstiftende Anchen Sie deutlich! Also, die Donald-Duck-Hose rausgeholt! sammlungen von alkoholisierten Menschenmengen auf enMachen Sie zusätzlich klar, dass das Unternehmen auf Ihre gem Raum kannten also die meisten Firmen schon lange vor Ideen angewiesen ist. Zeigen Sie Ihren Einfallsreichtum beider Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. spielsweise, indem Sie mehrere Trinkschläuche an die BierIm Vergleich zu den Fußball-Festen ist aber der Busizapfanlage anschließen und Ihren Chefs in die Hand drücken. ness-Knigge für Betriebsfeste wesentlich umfangreicher Die werden aus dem Staunen nicht rauskommen! Viel Glück! – und strenger. Geht es nach den Karriereberatern, müssen Nach diesem Betriebsfest könnte es gut sein, dass Sie von auch bei der Weihnachtsfeier des Unternehmens bestimmte den Kollegen Spitznamen wie „Der Magier“ oder „Der SambaRegeln eingehalten werden: kein übermäßiger AlkoholkonTänzer“ bekommen. Für Ihre Karriere ist dann nur noch der sum, Distanz wahren, aber trotzdem ja Spaß haben, auf die Himmel die Grenze. Komischerweise war für die Samba-BraWahl der Gesprächsthemen achten, nicht zu früh und nicht silianer 1986 bereits im Viertelfinale Schluss. Die humorlosen zu spät nach Hause gehen und bloß nicht die Donald-DuckDeutschen kamen ins Finale. Jan C. Weilbacher Partyhose anziehen – am sichersten ist es, die übliche triste 6

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Illustration: Marcel Franke

KNIGGE FÜR KREATIVE


AKTUELL

WECHSELWILLIGE HR MANAGER

Fotos: www.flickr.com; Stefan Wildhirt; Privat

Viel Bewegung Die Wechselwilligkeit von Fachauch stärker im Fokus.“ Es wird und Führungskräften ist gesunken. schneller gewechselt als früher. Die Heute stehen 37 Prozent von ihnen Kompetenzen der HR Manager sind einer neuen Herausforderung offen tendenziell gestiegen und damit das gegenüber. Im Jahr 2008 zog noch Selbstbewusstsein. Die guten Leute jede zweite Fach- und Führungskönnen unter vielen guten Angebokraft einen Wechsel in Betracht. ten wählen. Doch gleichzeitig haDas ist das Ergebnis einer Umfrage ben sich die Anforderungen erhöht. von Forsa im Auftrag Business-Know-how, des Online-Stelleninternationale Erfahmarktes Jobware. rungen und strategiNach Einschätzung sches Denken sind gevon Headhuntern für fragt. So mancher wird das HR Management diesen Anforderungen ist hingegen in diesem nicht mehr gerecht Bereich die Wechselund muss gehen. willigkeit der FachEinen Fachkräfteund Führungskräfte im mangel im PersonalVergleich zu früheren management sehen die Jahren gestiegen. „Es Experten noch nicht Elke Strathmann ist viel Bewegung drin – mit einer Einschränauf dem Markt“, sagt kung: Im Bereich ComDoris Walger, Leiter pensation & Benefits Recruitment Services sowie Payroll sind die der Beratung HRblue Fachkräfte knapp. Hier AG. Unter den HR sei die Besetzung mit Managern, die kürzguten Leuten schwielich ihren Wechsel berig, sagt Doris Walger. kanntgegeben haben, Das liegt nicht zuletzt sind einige bekannte daran, dass „PersonaNamen wie Michaler in der Regel lieber el Prochaska, der ab mit Menschen zu tun Januar bei Stihl Perhaben“. Das stellt auch Michael Prochaska sonalvorstand ist und Barbara Hartmann fest. von Haniel kommt, „Viele drücken sich vor sowie Elke Strathmann, die von diesem Bereich.“ Überhaupt sei es Nestlé zu dem Automobilzulieferer problematisch, HR Manager zu finContinental wechselt. den, die ein breites ThemenspektEin Grund für die allgemein rum abdecken. Sie rät Personalern, größere Wechselwilligkeit der Persich Kenntnisse auch zu vermeintsonaler ist das Wachstum vieler lich sperrigen Themen anzueignen deutscher Unternehmen in der Zeit – Arbeitszeitmodelle zum Beispiel, nach der Krise, ein anderer ist das Betriebsratsmanagement oder größere Angebot an offenen Posieben Compensation. tionen. Zum Teil sind völlig neue Insgesamt sind sich die ExperRollen im Personalmanagement in ten einig, dass der Stellenwert des den vergangenen Jahren dazugePersonalmanagements höher gekommen: der Business Partner, der worden ist. Auch das ist ein Grund Global Head of HR oder der Talent für die große Nachfrage nach quaManager sind die wichtigsten. lifizierten Fach- und Führungs„Früher war der Personalbereich kräften in diesem Bereich. Das ein ruhiger Hafen“, sagt BarbaThema Frauenförderung hat hinra Hartmann, Partner bei Heads gegen wenig Einfluss. „Im Bereich Executive Consultancy. Das habe HR sind mehr Frauen als Männer sich geändert. „Jetzt sind die Pertätig“, sagt Doris Walger. „Da geht sonaler mitverantwortlich für den es eher um Diversity in die andere Geschäftserfolg und stehen damit Richtung.“ Jan C. Weilbacher D E Z E M B E R

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PERSONALMANAGEMENT DER BANKEN

Größere Bedeutung, weniger Mitarbeiter Die Qualität des Personalmanagements bestimmt zunehmend den Wirtschaftserfolg mittelständischer Banken und Sparkassen. Das geht aus einer aktuellen Studie der Beratung ZEB hervor. Danach zeigen Berechnungen, dass die Qualität der Personalarbeit zu rund 65 Prozent den Wirtschaftserfolg einer Bank bestimmt. 2009 lag der Wert noch bei 35 Prozent. „Steigende Kundenansprüche und ein verschärfter Wettbewerb erhöhen den Druck auf die Mitarbeiter. Gleichzeitig haben viele Institute mit den Folgen der Krise und der stärkeren Regulierung zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Personalmanagement eine völlig neue Bedeutung“, sagt Joachim Hasebrook, Senior Manager bei ZEB. „Wir haben festgestellt, dass wirtschaftlich erfolgreiche Institute gerade hier professionelle Strukturen vorweisen und dadurch einen wichtigen Vorteil im harten Wettbewerb gewinnen.“ Die Bedeutung der Personalarbeit ist in allen Instituten deutlich gestiegen. So kletterten die jährlichen Personalaufwendungen pro Mitarbeiter von 815 Euro im Jahr 2009 auf 990 Euro im Jahr 2011. Noch deutlicher war der Anstieg in der Führungskräfteentwicklung von 1.500 Euro auf 1.770 Euro. Allerdings geht mit der steigenden Bedeutung des HR Managements keine Erhöhung der Ressourcen in den Personalabteilungen einher – im Gegenteil. So sank die Anzahl der im Personalbereich tätigen Personen im Vergleich zur Mitarbeiterzahl von 1:60 im Jahr 2009 auf 1:70 in 2011. Dennoch gaben fast alle Banken und Sparkassen die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität als eine der wichtigsten Aufgaben an. Gleichzeitig haben aber nur 11 Prozent entsprechende Maßnahmen konkret umgesetzt. 7


AKTUELL

Alexander Birken

Silke Jensen

Vorstand Personal und Steuerung sowie Arbeitsdirektor, Otto Group

Head of HR Germany, Austria and Switzerland, Fidelity Worldwide Investment

Gabriele Fluck Direktorin Human Resources, McDonald‘s Deutschland Inc.

„Eine unsichere Wirtschaftslage stellt für unsere Mitarbeiter keine Bedrohung dar. Im Gegenteil, als krisensicheres Unternehmen sind wir in der Lage, unseren kontinuierlichen Stellenausbau auch in 2012 fortzuführen. Eine zunehmende Herausforderung wird daher auch im nächsten Jahr die Personalakquise und -bindung sein. Um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, werden wir uns besonders auf die Bereiche Employer Branding, Recruiting und Retention fokussieren.“

UND 2012? KRISE? Die andauernde Euro-Krise führt zu einem Anstieg der Unsicherheiten in den Unternehmen. Was bedeutet das 2012 für die Personalarbeit in den Unternehmen? Stehen Kosteneinsparungen wieder im Fokus? Welche Themen werden im HR-Bereich dominieren? Eine Umfrage

Roland Hehn

Rainer Strack

Chief Human Resources Officer, Otto Bock Health Care

Senior Partner & Managing Director, Boston Consulting Group

„Grundsätzlich führt die Euro-Krise auch zu einer Verunsicherung der Mitarbeiter, und dies eben auch, wenn die aktuelle Situation des eigenen Unternehmens keinen Anlass dazu bietet. Entsprechend sind die Themen interne Kommunikation,Vertrauensbildung und vor allem die Entwicklung der Zukunftsperspektive auch für den einzelnen Mitarbeiter von ganz großer Bedeutung für 2012. Ebenso lässt sich die Erfahrung machen, dass in unsicheren Zeiten Mitarbeiter weniger gewillt sind zu wechseln, was viele Firmen gerade bei der Suche nach qualifizierten Fach- und Führungskräften treffen wird. HR sollte hier Antworten bieten.“ 8

„Unsere Prioritäten 2012 sind klar gesetzt. Sowohl eine kontinuierliche Führungskräfteentwicklung mit dem Ziel in Zeiten der Unsicherheit stets Orientierung für unsere Mitarbeiter zu schaffen als auch die aktive Zukunftsvorsorge unserer Mitarbeiter in Form eines neuen Pensionsplanes stehen im Zentrum unserer Aktivitäten. Wir haben unseren bisherigen Plan überarbeitet und ein attraktives Modell entwickelt. Es erlaubt den idealen Abgleich zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, eine maximale Flexibilität sowie die automatische Entgeltumwandlung, die allerdings freiwillig erfolgt.“

„Personalführung in Zeiten der Unsicherheit heißt 2012 vor allem eines: die kurz-, mittel- und langfristige Perspektive zu verbinden, also vorausschauend zu agieren, statt nach der Rasenmähermethode zu reagieren. Es wird darauf ankommen, die Balance zu finden zwischen der Optimierung von Kostenstrukturen und einer mittelfristig angelegten, strategischen Personalplanung, die verschiedene Szenarien durchspielen muss, und die auf einer Analyse von Jobfamilien-Strukturen, einer Bedarfsplanung mit Kopplung an die Strategie sowie einer Bestandsplanung beruht. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Themen, etwa Engagement-Programme, Schulung von Führungskräften und vor allem Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.“

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Fotos: Jens Boldt; Marco Schwarz; McDonald´s Deutschland inc.; Privat; Boston Consulting Group

„Eine Kostensensibilität unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird 2012 durchaus ein Thema sein. Unterstützung bietet dabei unter anderem der Einsatz modernster Arbeitsinstrumente. Schon jetzt haben wir eine Plattform geschaffen, die es den OTTO-Mitarbeitern ermöglicht, virtuell in Teamräumen – auch mit Kollegen aus der international agierenden Otto Group – zusammenzuarbeiten. Damit senken wir beispielsweise Reisekosten und schöpfen gleichzeitig aus dem großen internen Know-how des Konzerns.“


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AKTUELL

Jörg Schwitalla Personalvorstand, MAN SE

„Wir stellen uns für das Jahr 2012 auf ein weitgehend stabiles Wachstumsniveau ein. Aus diesem Grund sehen wir unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auch keine großen Risiken für unser Unternehmen heraufziehen, gegen die wir uns personalpolitisch wappnen müssten. Selbstverständlich denken wir aber ohnehin in verschiedenen ökonomischen Szenarien, um bei plötzlich eintretenden Entwicklungen schnell die jeweils passenden Antworten parat zu haben. Unsere Arbeitszeit- und Schichtmodelle in Verbindung mit flexiblen Zeitkonten sind hier nur ein Beispiel von vielen.“

Siegfried Baumeister Director Human Resources and Organisation, Voss Group

„Vor allem in Zeiten kritischer Herausforderungen muss sich die Qualität der Unternehmensführung beweisen. Schönwetterkapitäne sind nicht mehr gefragt, bestimmen doch immer mehr Unsicherheiten und Widersprüche das Bild. Das gilt auch und gerade für den „Leistungsfaktor Mensch“ und damit für uns im Personalmanagement. Im Wechselbad zwischen Krise und Boom Orientierung und Motivation zu vermitteln, Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität mit verschärftem Druck auf die Personalkosten auszubalancieren – das sind nur Beispiele für das, was uns im Personalgeschäft als Normalfall blüht. Packen wir es an!“

Service für die betriebliche Altersvorsorge Der neue Versorgungsausgleich www.VA-Rechner.de Schnelle und kostengünstige Berechnung des korrespondierenden Kapitalswertes und des Ehezeitanteils; Kurzgutachten für den im Versorgungsausgleichsverfahren zu berücksichtigenden Wert einer betrieblichen Altersversorgung in der Form einer Direktzusage oder einer Unterstützungskassenleistung

Unterlagen für die Anforderung der Zugangsdaten können kostenlos und unverbindlich abgerufen werden unter: www.VA-Rechner.de

Michael H. Kramarsch Managing Partner, Hostettler, Kramarsch & Partner

Fotos: Privat; Voss Group; Alexandra Lechner

KONZIPIEREN „Pauschalrezepte – das hat die letzte Krise gezeigt – gibt es nicht mehr. Zudem sind die „klassischen“ Reaktionsmuster wie Frühverrentung oder Personalabbau vor dem Hintergrund veränderter Demografien nicht mehr einfach anwendbar. Flexibilität in Form, Inhalt und zeitlicher Taktung der Reaktionen sind gefragt. 2012 dominieren daher weiter wachstumsorientierte und flexibilitätserhöhende Themen wie zum Beispiel die Schaffung atmender Personalkörper, quantitative und qualitative HR-Controlling-Systeme, die mit dem Geschäftsmodell verknüpft sind, Performance Management in der Verknüpfung von Talent- und Vergütungsmanagement sowie eine effiziente Administration. Dazu kommen immer regulatorisch getriebene Themen wie die Vorstandsvergütung oder das Risiko-Management.“ D E Z E M B E R

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AKTUELL

PRO

MINDESTLOHN

Joachim Möller Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

»Ein Mindestlohn erhöht die Anreize zur Aufnahme von Arbeit.«

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i Seit 2007 ist Joachim Möller Direktor des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Der 58-Jährige ist zudem seit 1991 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg. Zu seinen Forschungsthemen gehört unter anderem die Entwicklung der Lohnstruktur. 2008 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Leuphana Universität Lüneburg verliehen.

einer solchen Situation wäre ein Mindestlohn ein Mittel, die einseitige Verteilung der Marktmacht zu korrigieren. Eine Untergrenze für den Lohn kann dann sogar mehr Beschäftigung nach sich ziehen. Der Grund dafür ist einfach: Die bessere Bezahlung steigert die Attraktivität des Jobs, sodass offene Stellen schneller besetzt werden können. Und solange man bei der Höhe des Mindestlohns nicht überzieht, wird der Arbeitgeber immer noch seinen Schnitt machen. Ohne Mindestlohn besteht in sensiblen Bereichen die Gefahr einer Negativspirale. Wettbewerb zwischen Unternehmen findet nicht mehr über Innovation und Produktivität statt, sondern über Lohnkürzungen und ungünstige Arbeitsbedingungen. Schlechte Arbeitgeber verdrängen die guten. Als Folge bröckelt der soziale Kitt. Mindestlöhne sind kein sozialpolitisches Allheilmittel. Sie können aber Auswüchse von Unterbezahlung verhindern. Wenn ein gesetzlicher Mindestlohn mit Augenmaß festgelegt wird, gefährdet er keine Jobs. Im Gegenteil, er erhöht die Anreize zur Aufnahme von Arbeit, verbessert die Einkommenssituation am unteren Rand der Lohnhierarchie und beugt gesellschaftlichen Spannungen vor.

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Foto:IAB

Die Debatte um einen allgemeinen Mindestlohn ist wieder voll entbrannt, nachdem nun neben der Opposition auch weite Teile der CDU ein Mindestlohn-Gesetz auf den Weg bringen wollen. Nur wenige Themen werden derart leidenschaftlich diskutiert. Befürworter eines Mindestlohnes sagen, dass er nötig sei, weil Menschen von ihrer Arbeit leben können müssen. Gegner befürchten den Wegfall von Arbeitsplätzen. Es stellt sich also die Frage: Brauchen wir wirklich einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland?

I

n Anfängervorlesungen in Ökonomie lernt man, dass Mindestpreise auf einem ansonsten funktionierenden Konkurrenzmarkt zu Überangebot führen. Der künstlich erhöhte Preis bläht das Angebot auf und lässt einen Teil der potenziellen Nachfrage verkümmern. Liegt es nicht nahe, das Argument auf den Arbeitsmarkt zu übertragen? Mindestlöhne verringern demzufolge die Beschäftigungschancen von Personen, deren Produktivität niedrig ist. Aber der Arbeitsmarkt ist nicht wie andere Märkte. Es herrschen andere Bedingungen als in der Lehrbuchwelt. Der Arbeitsmarkt ist wenig transparent. Unternehmen wissen nicht, wer eine offene Stelle am besten besetzen kann, und Arbeitsuchende wissen nicht, welche offene Stelle für sie am besten geeignet ist. Diese Intransparenz führt dazu, dass die Marktmechanismen nur eingeschränkt wirken. Zudem ist auf dem Arbeitsmarkt immer auch Marktmacht im Spiel. Diese kann auf beiden Seiten vorhanden sein, etwa wenn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Tarifverträge aushandeln. Sie kann aber auch einseitig verteilt sein, und dies nicht nur, wenn ein dominanter Arbeitgeber einen lokalen Arbeitsmarkt beherrscht. Die neuere Arbeitsmarktforschung zeigt auf, dass viele Faktoren auf der individuellen Ebene Marktmacht der Unternehmen begründen können. Tatsache ist etwa, dass Arbeitsuchende meist auf die eine oder andere Weise räumlich gebunden sind. Sie können oft nicht ohne Weiteres jede angebotene Stelle an einem x-beliebigen Ort annehmen. So wird zum Beispiel eine Alleinerziehende auch darauf schauen müssen, ob die Lage von Betrieb und Schule gut zueinander passt. Ähnliches gilt auch für die Übereinstimmung von Arbeitszeiten und Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen. Ein Betrieb, bei dem die Lage „stimmt“ oder der entsprechende Flexibilität bei den Arbeitszeiten bietet, hat dann eine günstige Verhandlungsposition, er verfügt über „Marktmacht“ gegenüber den Beschäftigten. Folglich kann der Lohn unter den Wert gedrückt werden, der sich auf einem idealen Markt bilden würde. Die Arbeitskraft wird somit nicht fair bezahlt. In


AKTUELL

Arbeit durch billigeres Kapital. Ein Teil von ihnen wird die Produktion ins kostengünstigere Ausland verlagern. Leidtragende sind geringqualifizierte Arbeitnehmer, unter ihnen viele Jugendliche, denen Langzeitarbeitslosigkeit droht. Die Hoffnung, mit gesetzlichen Mindestlöhnen die Sozialkassen spürbar zu entlasten, wird sich nicht erfüllen. Mindestlöhne machen es Arbeitslosen schwerer, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Investitionen in marktverwertbares Humankapital werden behindert, der Aufstieg in besser bezahlte Tätigkeiten wird erschwert. Eine wachsende Arbeitslosigkeit erhöht die Ausgaben von Arbeitslosenhilfe und -versicherung. Es gibt aber noch mehr Risiken und Nebenwirkungen. Die Versuche, sie zu umgehen, nehmen zu. Der Mindestlohn wird durch Schwarzarbeit unterlaufen und Unternehmen entlassen Arbeitnehmer, um sie als Selbstständige wieder zu beschäftigen. Gesetzliche Mindestlöhne hemmen den strukturellen Wandel. Sie wirken wie Zölle, behindern den Zugang zu den Wachstumsmärkten personennaher und sozialer Dienstleistungen und bremsen die Dynamik der Arbeitsmärkte. Gesetzliche Mindestlöhne sind ungeeignet, Armut wirksam zu bekämpfen. Sie sind nicht treffsicher und wenig transparent. Nicht alle, die einen Mindestlohn erhalten, sind arm. Andere Einkünfte, Einkommen von Haushaltsmitgliedern und Vermögen bleiben unberücksichtigt. Die Mitnahmeeffekte sind erheblich, knappe Mittel werden verschwendet, die Verteilungswirkungen liegen im Dunkeln. Wer sie finanziert, wer profitiert, ist unklar. Mindestlöhne sind wie Akupunktur mit der Gabel. Wirklich problematisch ist, dass ein gesetzlicher Mindestlohn das Problem der Armut nachhaltig verstärkt. Armut lässt sich nur wirksam bekämpfen, wenn es gelingt, Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Ein Arbeitsplatz ist die Basis erwerbsmäßigen Einkommens. Nur produktivere Arbeitnehmer verdienen mehr. Produktiver werden sie vor allem am Arbeitsplatz. Mindestlöhne vernichten aber Arbeitsplätze und bremsen Investitionen in Humankapital. Oft wird beschwichtigt, die Risiken für die Beschäftigung würden mit gesetzlichen Mindestlöhnen nicht weiter ansteigen. Schließlich existiere mit dem ALG II schon ein sozialer Mindestlohn, der für viele Arbeitnehmer mit Kindern über dem geplanten gesetzlichen liege. Tatsächlich gibt es aber Arbeitnehmer, die trotz ALG II bereit sind, zu einem niedrigeren Lohnsatz zu arbeiten. Viele wollen dem Staat nicht zur Last fallen. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde die Beschäftigungsmöglichkeiten dieser Arbeitnehmer verringern. Das ist weder effizient noch gerecht.

»Gesetzliche Mindestlöhne hemmen den strukturellen Wandel.«

Für einen allgemeinen Mindestlohn: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, der Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, und Kanzlerin Angela Merkel (alle CDU)

CONTRA Norbert Berthold Professor für Volkswirtschaft an der Universität Würzburg

Fotos: www.marco-urban.de; Privat

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ie Zeiten sind turbulent, die Meinungen volatil, die Politiker opportunistisch. Was gestern richtig war, scheint vielen heute falsch und umgekehrt. Es gibt aber auch Dinge, die ändern sich nie. Dazu zählt in Marktwirtschaften, dass sich der Einsatz von Arbeit für private Unternehmen rechnen muss. Die Kosten der Beschäftigung dürfen deren Erträge nicht übersteigen. Mindestlöhne schädigen die Beschäftigung, wenn sie höher sind als die Produktivität der eingesetzten Arbeitnehmer. Der Plan der Koalition, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen, hat viele Fallstricke. Über die können Arbeitnehmer mit niedrigerer Produktivität stolpern. Wird der Mindestlohn zu hoch angesetzt, substituieren Unternehmen teurere D E Z E M B E R

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i Seit 1990 hat Norbert Berthold den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik, an der Universität Würzburg inne. Seit 1995 ist er außerdem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Norbert Berthold ist Initiator des ordnungspolitischen Blogs „Wirtschaftliche Freiheit“.

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BILDUNGSETIKETT Vom geplanten Deutschen Qualifikationsrahmen erhoffen sich viele eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse.

E

s ist nicht leicht, sich im Wirrwarr europäischer Abschlüsse zurechtzufinden. Was beispielsweise die französische „formation professionnelle“ im Vergleich zur klassischen Berufsausbildung in Deutschland wert ist, weiß kaum jemand zu sagen. Ab 2012 soll das anders werden. Wenn es nach den Empfehlungen des Europäischen Parlamentes und des Rates vom April 2008 geht, wird jeder EU-Abschluss, egal ob allgemeinbildend, beruflich oder akademisch, einen Hinweis auf ein bestimmtes Bildungsniveau erhalten. Die jeweiligen Niveaus werden durch den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) abgebildet und sollen über den Wissensstand und die Handlungskompetenzen eines Bewerbers informieren. „Das schafft vor allem eines: Vergleichbarkeit bei der Bewertung europäischer Abschlüsse“, meint Susanne Müller, Referentin für berufliche Bildung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Dadurch solle insbesondere die Mobilität der Europäer gefördert werden. Die Vorzüge, so Müller, sind für das Personalmanagement hoch einzuschätzen: „Mit einem einheitlichen Vergleichssystem sinken die Berührungsängste bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern – gerade im Hinblick auf die Rekrutierung ausländischer

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»Mit einem einheitlichen System sinken die Berührungsängste bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern.« Susanne Müller, BDA

Bewerber“. Da die Bildungssysteme der EULänder voneinander abweichen, ist jeder Staat angehalten, einen individuellen Qualifikationsrahmen an den EQR anzulehnen. Hierzulande wurde der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) erarbeitet. Er enthält – wie der EQR – acht Fortbildungsstufen. Auf der zweituntersten Stufe werden unter anderem Hauptschulabschlüsse einsortiert. Wer hingegen promoviert, erhält den höchsten Qualifikationsgrad, Niveau acht. Auf nationaler Ebene verbinden insbesondere Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften mit dem Bildungsetikett DQR eine Hoffnung: einer mittlerweile etablierten Wahrnehmung entgegenzuwirken. Denn laut Volker Born, Abteilungsleiter Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), wird das berufliche Bildungssystem immer noch unterschätzt. „Insbesondere die Kultusministerien der Länder verkennen den Wert beruflicher Ausbildungswege. Nach wie vor werden Abitur und Hochschulstudium höher gestellt“, sagt er. Mit dem DQR ließe sich dieser Wahrnehmung beikommen. Hermann Nehls, Referatsleiter für Grundsatzfragen der beruflichen Ausund Weiterbildung beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), ist überzeugt: „Die Einordnung verschiedenartiger Qualifikationen in denselben Referenzrahmen kann eine Brücke zwischen der akademischen und beruflichen Welt schlagen.“ Mehr noch, könnte der beruflichen Bildung „endlich der ihr gebührende Wert zukommen, vor allem, wenn sie der allgemeinbildenden und akademischen Bildung in der Zuordnung gleichgestellt wird“. Der Kritik, dass es zwischen den verschiedenen Abschlüssen Unterschiede insbesondere bei den Lernanforderungen gibt, hält Nehls – genauso wie Susanne Müller – entgegen: „Es geht um Gleichwertigkeit, nicht um Gleichartigkeit.“ Ein Bachelorstudent mag zwar anders ausgebildet werden als ein Meisterlehrling. Nur sagt das ihrer Meinung nach nichts darüber aus, welchen Wert man beiden Abschlüssen beimessen kann. „Es geht eben nicht um den Bildungshintergrund eines Bewerbers, sondern um seine erlangten Handlungskompetenzen. Diese lassen sich sehr wohl vergleichen“, betont Susanne Müller. Bis zur Vergleichbarkeit ist es aber noch ein weiter Weg. Nach wie vor erweist sich die Verortung bestimmter Abschlüsse als schwierig. Auch ist nicht klar, wie die Wirtschaft auf den DQR reagieren wird. „Momentan rümpfen Unternehmer ihre Nasen, wenn sie vom DQR hören“, meint Nehls. Er hat Sorge, dass am Ende gar nichts passiert. Oder schlimmer: „Allgemeine, akademische und berufliche Bildungssysteme driften noch weiter auseinander. Insbesondere, wenn das Abitur höher eingestuft wird als die duale Berufsausbildung.“ Darüber sind sich die Kultusministerien mit den Gewerkschaften und Verbänden aber noch längst nicht einig. Alexander Tietz

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AKTUELL


KOLUMNE

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WIE KRAFT IN DIE FÜHRUNG KOMMT P

ersonalführung macht keinen Spaß mehr. Es gibt der Zukunft aussehen? Die Entthronung der klassischen zu wenig qualifizierte Mitarbeiter auf dem Markt. Führungskraft hat viele gute Seiten. Führungskräfte könDie wenigen Qualifizierten können sich ihre Arnen heute in einer globalen, komplexen und schnelllebeitsbedingungen immer mehr selbst aussuchen. bigen Welt nicht mehr alleine sinnvoll entscheiden. Das Zusätzlich zum Druck von oben muss die Führungskraft Anzapfen der kollektiven Intelligenz der Mitarbeiter nun auch noch den Firmen-Animateur spielen, um die schafft jedoch ungeahnte Ressourcen zur ProblembeHigh-Potentials (bei Laune) zu halten. Da war es wältigung. Hierarchische Entscheidungswege als Führungskraft früher doch schöner. ErTop-Down kosten viel Zeit. Selbstorganisainnern wir uns: Lange Zeit war die Fühtorische Team- und Projektstrukturen rungskraft die Person, die mehr wussmit dezentraler Struktur sind vielfach te als ihre Mitarbeiter, weil sie besser schneller und, ja: Sie fördern die Moausgebildet war und Informationen tivation, Kreativität und somit die noch nicht ausnahmslos mit den UnLeistung der Mitarbeiter. Allerdings tergebenen teilen musste. Entscheisetzt dies die Bereitschaft der FühWie die Arbeitswelt dungen durften einsam und autoritär rungskräfte voraus, den Mitarbeitern getroffen werden, es wurde geradezu zu vertrauen. sich ändert: erwartet. Heute ist der Spaß vorbei. Vertrauen ist ebenfalls notwendig, Personalführung Inzwischen sprechen viele von wenn es um den Umgang mit ArbeitsLean Management: Die Führungszeit geht. Teilzeit und Telearbeit scheikraft sitzt meist im Großraumbüro neben tern häufig an der Akzeptanz der direkten ihren Mitarbeitern, Entscheidungen sollen Führungskraft. Dabei haben insbesondere partizipativ getroffen werden. Mit anderen Worqualifizierte Frauen immer wieder bewiesen, ten: Jeder murkst mit. Mit gezwungenem Lächeln bindet wie effizient und erfolgreich man auch in Teilzeit führen die Führungskraft die Mitarbeiter ein und fröstelt schon kann. Wenn wir Führungsfunktionen nicht mehr als Nimvor der nächsten Vorgesetztenbeurteilung. Und während bus einer Person, sondern als Herausforderungen in der ihr die Entscheidungsgewalt mehr und mehr abhanden Sache begreifen, so wird vieles denkbar: Führung auf Zeit, kommt, bleibt die Last der Verantwortung bei ihnen alFührung durch denjenigen, der für die momentane Herlein. Nimmt man nun noch die zeitliche Belastung in ausforderung die relevanten Kompetenzen mitbringt. Wir Führungspositionen, erscheint es überraschend, dass brauchen plurale Laufbahnmodelle, die nicht nur inhaltimmer noch rund zwei Drittel der Generation Y eine lich ausgerichtet, sondern außerdem zeitlich und struktuFührungsrolle anstreben. Berufsanfänger eben. rell flexibel sind. Auch flexible Vergütung ist denkbar, bei Frauen wussten dagegen schon immer, dass mit den in der ein Aufschlag nur während der Funktionsausübung Deutschland herrschenden rigiden Arbeitsbedingungen gewährt wird. Dies würde zudem die ungünstige LebensFührungsrolle und Familie nur schwer unter einen Hut laufplanung vieler junger Mitarbeiter entspannen, die oft zu bringen sind. Unter diesen Aspekten mutet eine Frauwährend der Familienbildung Führungsaufgaben überenquote für die Führungsetage geradezu sonderbar an. nehmen müssen, weil spätere Karrieren sonst verbaut Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer. Personalsind. Zukunftsorientierte Führung setzt also nicht nur ein führung, wie wir sie klassischerweise kennen, wird es geändertes Mindset bei den Führungskräften voraus, sonschon bald nicht mehr geben. Erkenntnisse aus Stress-, dern auch entsprechende Unternehmensstrukturen. Da Motivations- oder Komplexitätsforschung zeigen, dass könnte Personalführung glatt wieder Spaß machen. wir Mitarbeiterführung anders verstehen müssen. Und das nicht nur, um der selbstbewussten Generation von Cyrus Achouri Mitarbeitern gerecht zu werden. Auch aus der FührungsProfessor für Human Resources Management forschung wissen wir, dass Führungserfolg am ehesten an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt eintritt, wenn die Führung mit den Erwartungen der in Nürtingen „Geführten“ korreliert. Wie aber muss die Führungskraft

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TITEL Wie nu die Me tzen n in Deu schen tschlan d ihre Z Was die eit? Statist ik sagt:

Wir in Deutschland verschlafen durchschnittlich 24 JAHRE + 4 MONAT E unseres Lebens. Es gibt nichts, dem wir mehr Zeit widmen. eit In unserer Freiz gucken wir am liebsten Fernsehen: te- –n 2- -2–9–M– inu -– verbringt der Mensch am Tag durchschnittlich vor dem T V-Gerät.

Daneben fallen noch

80 Minuten

pro Tag für das Internet an. Für Tageszeitungen wenden wir 23 Minuten auf.

Hi eine Erhnoluunnd wieder gönnen wir über ein Jahgspause. Dabei le uns gen wir Lebens die Breinunesheres och und tun schlicht nichts .


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Zeit Wann tun wir was wie? Das ist die zentrale Frage, wenn es um den Umgang mit der wertvollsten Ressource geht. In einer beschleunigten Welt müssen wir immer wieder neue Antworten darauf finden.

Illustration: Burkhard Piller

INHALT Mit der Gestaltung der Arbeitszeiten können verschiedene Ziele verfolgt werden. Ein Prolog

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Flexible Arbeitszeitmodelle sind auf dem Vormarsch. Viele Beschäftigte sind trotzdem nicht zufrieden

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Vertrauensarbeitszeit ist in Mode, aber nicht für jeden Beschäftigten geeignet

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Väter nehmt euch Zeit! Ein Appell

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Es gibt unterschiedliche Realitäten in Sachen Zeitwohlstand – Gespräch mit Gerhard Bosch

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Abschied von der Präsenzkultur: TUI-Personalvorstand Peter Engelen im Interview

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Die Sehnsucht nach Entschleunigung hat einen riesigen Coaching- und Wellness-Markt entstehen lassen

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Imagepflege: Die Zeitarbeitsunternehmen kämpfen an verschiedenen Fronten gleichzeitig

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Zeitmanagement-Ratschläge sind immer häufiger auch Hilfestellungen zur Lebensgestaltung. Es scheint nötig

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Die Vergleichzeitigung des Lebens – ein Gespräch mit dem Zeitforscher Karlheinz Geißler

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Die Lebensarbeitszeit verlängert sich. Nur gut, dass die Unternehmen die Senioren so langsam zu schätzen wissen

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Auf das Timing kommt es an. Ein Epilog

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Kosten sparen, Entlassungen vermeiden, Fachkräftemangel bekämpfen – die Gestaltung der Arbeitszeiten gilt als Instrument der vielfachen Möglichkeiten.

Mal so, mal so I Ein Prolog

n der Schweiz ist sie derzeit ein großes Thema: die Arbeitszeitverlängerung. Der Grund ist die Stärke des Franken gegenüber dem Euro, die die Schweizer Exportwirtschaft stark belastet. Ein gewisser Spielraum müsse den Arbeitgebern die Verlängerung der Arbeitszeiten oder Lohnsenkungen ermöglichen, hieß es im November von Seiten des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Auch bei einzelnen deutschen Unternehmen sind einst tarifvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeiten unter Druck geraten. So sagte beispielsweise Lufthansa-Chef Christoph Franz der Wirtschaftswoche Ende November, dass 38,5 Stunden pro Woche einfach zu wenig seien. Die Lohnzusatz- und Altersversorgungskosten seien zu hoch, um im europäischen Mittelstreckengeschäft wettbewerbsfähig zu werden. „Das letzte, was Mitarbeiter wollen, ist, dass wir ihnen quasi die Salamischeibe vom Lohnzettel nehmen. Aber ohne Lohnkürzungen müssen wir an andere Dinge heran.“ So sinnvoll die Arbeitszeit als Flexibilitätsinstrument vielen Arbeitgebern

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ten. In einem Boom und bei fehlenden Fachkräften wünschen wir uns mehr Flexibilität nach oben. Darüber wollen wir mit der IG Metall reden“, sagte der Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall, Peer-Michael Dick, der Financial Times Deutschland vor kurzem. Von einigen Experten wird erwartet, dass eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit im Zuge des demografischen Wandels notwendig wird. Die Bundesagentur für Arbeit sieht eine Erhöhung der Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigten als ein mögliches Handlungsfeld, auf dem der Fachkräftemangel bekämpft werden kann. In Deutschland lag die Wochenarbeitszeit von Vollzeitkräften 2009 laut Eurostat im Durchschnitt bei 41,8 Stunden und damit leicht über dem EU-15Durchschnitt (41,6 Stunden). Würde sich die durchschnittlich geleistete Wochenarbeitszeit der vollzeitbeschäftigten Fachkräfte in Deutschland um weniger als eine Stunde auf 42,5 Stunden verlängern, so ergäbe sich laut der Bundesagentur für das Jahr 2025 ein zusätzliches Fachkräftepotenzial von 0,4 Millionen Vollzeitäquivalenten. Eine Verlängerung auf 44 Stunden, entspräche 1,1 Millionen. Andere Experten sind jedoch skeptisch, da sie der Meinung sind, eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit sei bei vielen Berufen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. In der Krise 2008/2009 wurde das Gegenteil einer Arbeitszeitverlängerung bei vielen Unternehmen populär: die Kurzarbeit. Sie war eine Möglichkeit für Arbeitgeber, schnell auf vorübergehende negative Veränderungen am Markt zu reagieren, ohne Teile der

Beschäftigten entlassen zu müssen. Die Einkommenseinbußen der Beschäftigten wurden teilweise von der Bundesagentur für Arbeit durch das Kurzarbeitergeld ausgeglichen. Es beträgt 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns. Die Regelungen sind wieder für einzelne Unternehmen interessant geworden. So hat der Maschinenbauer Heideldruck im November angekündigt, die Hälfte der deutschen Belegschaft in Kurzarbeit schicken zu wollen. Das Unternehmen macht aber auch eine strukturelle Krise durch. Die politische Opposition hat dasThema Kurzarbeit ebenfalls wieder für sich entdeckt. Von SPD-Seite gibt es die Forderung, die auslaufende Sonderregelung zum Kurzarbeitergeld zu verlängern, um nicht im drohenden Wirtschaftsabschwung Tausende Jobs zu gefährden. Die Sonderregelung läuft Ende März aus. Nicht wenige sind der Meinung, dass die Kurzarbeit zur Bekämpfung der konjunkturellen Krise ein dauerhaftes Instrument sein sollte. Die Regierung zeigt da noch relative Gelassenheit. Eines jedoch ist spätestens mit der Finanzkrise vor drei Jahren klar geworden: Die Arbeitszeit ist ein kraftvolles personalpolitisches Instrument, das den Unternehmen vor allem eine Menge Flexibilität bieten kann. Jan C. Weilbacher

Foto: IGM

erscheint, so gibt es doch einige rechtliche Hürden bei Änderungen. Denn die Rahmenbedingungen der maximal erlaubten Arbeitszeit legen in Deutschland das Arbeitszeitgesetz und darauf basierend Tarifverträge oder Einzelvereinbarungen fest.Die Wochenarbeitszeit war in früheren Jahren immer wieder Gegenstand harter Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Man denke nur an den Großkonflikt um die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Metall- und Druckindustrie Mitte der 80er Jahre. Was die in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen geregelten Wochenarbeitszeiten für Vollzeitstellen angeht, kehrt sich der Trend allerdings seit einigen Jahren wieder um. Es wird tendenziell mehr gearbeitet. Wobei eine wirkliche Flexibilität der Arbeitszeit statt der schlichten Quantität zunehmend in den Fokus der Tarifpartner rückt. Arbeitszeitkorridore, Wochenendarbeit, Langzeitkonten – einige Tarifpartner – vor allem in der chemischen Industrie – haben erhebliche Arbeitszeitspielräume geschaffen. In der Metallbranche gilt zwar noch die tarifvertraglich vereinbarte 35-StundenWoche, doch mittlerweile existieren auch Ausnahmen, wonach in Betrieben längere und kürzere Arbeitszeiten möglich sind. Zudem gibt es beispielsweise Arbeitszeitkonten. Die Metall-Arbeitgeber wollen solche Möglichkeiten der Flexibilisierung gerne erhöhen. „In der Krise gab es eine Flexibilität nach un-

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Männer verbringen jeden Tag durchschnittlich etwa 30 Minuten im BAD. Sie brauchen 17 Minuten für die Körperpflege, zusätzlich sind 13 Minuten für das Gesicht nötig. * Frauen kommen hingegen nur auf 26 Minuten. * Duschen und Rasieren sind noch nicht eingerechnet.

EIN HALBES JAHR unseres Lebens verbringen wir auf der Toilette und verbrauchen etwa 3651 --–-–– Rollen Klopapier. Mit dem verbrauchten Papier könnten wir nahezu 2 Fußßssballfelder abdecken.

16 Monate putzen wir im Leben die eigene Wohnung.


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Das ganze Arbeitsleben lang jeden Tag von 9 bis 17 Uhr am Büro-Schreibtisch festzukleben, war gestern. Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern flexiblere Arbeitszeiten an. Dennoch fühlen sich viele Beschäftigte unter dauerhaftem Zeitdruck.

Abschied von alten Zeiten D

Illustration: Burkhard Piller/ Foto: www.marco-urban.de

er Journalist und Autor Markus Albers ist wahrlich kein Fan des traditionellen Arbeitstages mit Anwesenheitspflicht im Büro. „Wir arbeiten – mitten in der Wissensgesellschaft – mit Strukturen, Abläufen und Vorurteilen aus der Zeit der Industriegesellschaft. Trotz angeblich virtueller Arbeitsplätze, digitalem Nomadismus und fragmentierten Jobbiografien wollen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter immer noch den ganzen Tag sehen, gelten abgesessene Kernarbeitszeit als Leistungsnachweis und exzessive Überstunden als

Trophäe der Engagierten.“ Dies schreibt Albers in seinem Buch „Morgen komm ich später rein“, das 2008 erschien. Das Werk, ein Plädoyer für mehr Freiheit in der Festanstellung, erhielt damals viel Aufmerksamkeit, womöglich auch, weil sich viele Menschen darin wiederfinden konnten. Noch heute klagen Mitarbeiter über Zeitdruck und einen Bürotrott, der stresst und völlig unflexibel ist. Einiges hat sich aber schon getan in der Arbeitswelt. Das sieht auch Markus Albers so. „Was ich 2008 in meinem Buch ‚Morgen komm ich später rein’ teils noch als Ausblick, Hoffnung oder gar Vision formuliert habe, nämlich das zunehmend von Ort und Zeit befreite Arbeiten, die Befreiung von „nine to five“ und Schreibtischzwang, das ist inzwischen in sehr vielen Unternehmen gängige Praxis“, sagt Albers heute. Seiner Meinung nach hat das Thema einen großen Schub durch die Initiative des Familienministeriums erfahren, von Unternehmen mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort zu verlangen, um die Vereinbarkeit von Job und Familie zu verbessern. Wenn man sich die Angebote der Unternehmen an flexiblen Arbeitszeitmodellen anschaut, fragt man sich eigentlich: Wo ist das Problem? Denn laut einer Erhebung des Instituts der deut-

Setzt sich stark für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein: die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder

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schen Wirtschaft Köln für die Studie „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit“ bieten beispielsweise knapp 80 Prozent der Firmen Teilzeit an, 73 Prozent individuell vereinbarte Arbeitszeiten, 70 Prozent flexible Tagesund Wochenarbeitszeit und zumindest noch 46 Prozent Vertrauensarbeitszeit. Das klingt nicht schlecht. Ein Unternehmen wie Bosch hat zum Beispiel über 100 Teilzeitvarianten und Telearbeit im Angebot.

Breites Angebot Lebensarbeitszeitmodelle, Jahresarbeitszeitkonten, Teilzeit, Job Sharing, Sabbaticals, Home Office – getrieben vom demografischen Wandel, gibt es bereits zahlreiche verschiedene Modelle in Deutschland, die darauf ausgerichtet sind, die individuellen Lebensphasen des Mitarbeiters zu unterstützen. Doch man muss ehrlich sein. Es sind zumeist die Konzerne und großen mittelständischen Unternehmen, die solche Angebote machen – und auch unter ihnen, gibt es Firmen, die herausragen. Eine davon ist Procter & Gamble Deutschland (P&G). Hier gilt hinsichtlich der Arbeitszeit der Grundsatz der Vertrauensarbeitszeit. Jeder Mitarbeiter kann seine Arbeitszeit frei einteilen. Anwesenheit ist kein Leistungskriterium. Etwa 30 Prozent der Beschäftigten am Hauptsitz in Schwalbach arbeiten in Teilzeit, mehr als die Hälfte der Mitarbeiter nutzt regelmäßig die Möglichkeit zu Hause zu arbeiten. „Wir sind davon überzeugt, mit diesen Modellen zukunftsfähig zu sein, ganz besonders im Hinblick auf nachfolgende Generationen“, sagt Bettina Buschhoff, Associate Director Human Resources. Für Aufsehen sorgte im Mai dieses Jahres der Maschinenbauer und Laserspezialist Trumpf mit der Ankündigung, dass die eigenen Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen sollen, selbst ihre Arbeitszeiten nach Maß zu schneidern. Nach dem neuen Modell können die Mitarbeiter alle zwei Jahre entscheiden, ob sie ihre Wochenarbeitszeit erhöhen oder absenken wollen, und zwar in einem Rahmen von 15 bis 40 Stunden. Daneben gibt es unter anderem eine zweite variable Komponente: Bis zu 1.000 Stunden können die Beschäftigten auf ein individuelles Konto „einzahlen“ und sie später für längere Freizeitblöcke wieder abrufen – oder damit zeitweise eine Arbeitszeitreduzierung 20

Auswahl an Arbeitszeitmodellen Teilzeit Bei der traditionellen Teilzeit fällt die Arbeitszeit kürzer aus. Sie kann flexibel vereinbart werden, ob in Form von fixen Arbeitszeiten oder – je nach Arbeitsanfall – auch in Form von flexiblen Arbeitszeiten. Bei diesem Modell wird zum Beispiel eine wöchentliche Mindeststundenzahl abgesprochen. Genauso ist es möglich, die Anzahl der Arbeitstage zu reduzieren, an den Anwesenheitstagen aber Vollzeit zu arbeiten. Man unterscheidet zwischen vollzeitferner und vollzeitnaher Teilarbeitszeit. Gleitzeit Einfache Gleitzeit, die Urform aller flexiblen Arbeitszeitmodelle, ermöglicht es, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit frei zu wählen. Bei qualifizierter Gleitzeit kann der Mitarbeiter auch über die Dauer der täglichen Arbeitszeit entscheiden. Meistens wird die Gleitzeit um eine Kernarbeitszeit gelegt. Telearbeit / Home Office Der Mitarbeiter kann durch die modernen Informationstechnologien teilweise oder ganz zu Hause arbeiten. Arbeitszeitkonten Arbeitszeitkonten sind die Grundlage zur Anrechnung und Verwaltung der von den Mitarbeitern geleisteten Arbeitsstunden. Wie und wie viele Stunden gesammelt und abgebaut werden können, wird von dem begleitenden Arbeitszeitmodell festgelegt. Es gibt Jahresarbeitszeitkonten, Langzeitarbeitskonten und Lebensarbeitszeitkonten. Bei auf kurze Dauer angelegten Arbeitszeitkonten können Stunden für Sabbaticals oder Kinderpausen nicht angesammelt werden. Arbeitszeitkonten können also je nach Absprache mit dem Vorgesetzten mehr oder weniger flexibel gehandhabt werden. Die Möglichkeit des Auf- und Abbaus von Arbeitszeit ist immer eng an den jeweiligen Arbeitsaufwand gekoppelt. Langzeitarbeitskonto Das Modell ist die langfristigste Spielart der Arbeitszeitkonten. Das Unternehmen bestimmt eine Gesamtlebensarbeitszeit, die der Arbeitnehmer flexibel ableistet. Ein Teil der vertraglich zu leistenden Arbeitsstunden wird nicht ausbezahlt, sondern als Freizeitguthaben angelegt. Arbeitszeiten können an die langfristige Lebensplanung angepasst werden. Quelle: Bundesagentur für Arbeit

finanzieren. „Unsere Mitarbeiter haben mit diesem Modell die Wahl: Wie viel möchte ich wann in meinem Leben arbeiten?“, sagte die Vorstandsvorsitzende Nicola Leibinger-Kammüller bei der Pressekonferenz im Mai. „Heute nun sehen wir den großen Trend, dass sich die Wünsche und Forderungen von Arbeitnehmern immer mehr individualisieren.“ Viele qualifizierte Mitarbeiter fordern heutzutage mehr Flexibilität ein. Und immer mehr Unternehmen haben großes Interesse daran, aufgrund der drohenden Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften, den Wünschen zu entsprechen. Denn wenn Mitarbeiter unter Zeitdruck stehen, sind sie in der Regel gestresster und unmotivierter. Die Gestaltung der Arbeitszeiten berührt somit Fragen des Gesundheitsmanagements, aber auch des Employer Branding. Es geht vor allem darum, den verschiedenen Lebensumständen eines Menschen gerecht zu werden – Familie, Pflege, persönliche Krisen, Weiterbildungszeiten. Und es geht in der Wissensgesellschaft ebenfalls darum, einen Kulturwandel, der sich in der Gesellschaft vollzieht, in die Unternehmen reinzulassen. Gerade junge sogenannte Wissensarbeiter haben vor dem Hintergrund der technologischen Möglichkeiten immer weniger Lust, stur und stumpf den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen. „Junge Talente stellen die tradierten Arbeitszeitmuster und Sitzfleisch-Kulturen infrage, hat Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger dazu mal gesagt. „Sie wollen selbstbestimmter sein, sowohl, wenn es darum geht, Leistung zu erbringen, als auch, wenn es darum geht, Zeitanteile für Beruf, Familie und Freunde auszutarieren.“ Wirkliche Flexibilität – und zwar für Arbeitnehmer und Arbeitgeber – kann da zum Beispiel die Einführung einer Jahresarbeitszeit bieten. Die Abrechnung der Arbeitszeit erfolgt dabei auf ein ganzes Jahr und soll an die Auftragsspitzen und -tiefen sowie an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst werden. Eine Erweiterung des Jahresarbeitszeitkontos ist das Lebensarbeitszeitkonto, das die Möglichkeit bietet längerfristig ein Zeitkontingent anzusparen. Tarifbeschäftigte der Fraport AG, Betreiberin des Flughafens Frankfurt, können bereits seit 1997 solche Zeitguthaben auf einem Lebensarbeitszeitkon-

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to ansparen. Mehr als 3.100 Beschäftigte – gut ein Viertel der Belegschaft – nutzen ein solches Konto, das sowohl dem Unternehmen als auch den Beschäftigten ermöglicht, „betriebliche Anforderungen und persönliche Lebensplanung besser aufeinander abzustimmen“, wie Silke Neuhaus, Leiterin Personalserviceleistungen, sagt. Zudem erweitere es den individuellen Gestaltungsspielraum des einzelnen Arbeitnehmers. Insgesamt können pro Arbeitnehmer maximal 3.000 Stunden angesammelt werden – bis zu 200 Stunden pro Jahr. Übertragen werden können Stundenkontingente zum Beispiel aus einem Resturlaub oder aus Überstunden. Zeitintensive Fortbildungsmaßnahmen und eine Verlängerung der Elternzeit sind zwei von mehreren Gründen, wofür Fraport-Mitarbeiter die gesparte Zeit nutzen. In den meisten Fällen wird das Zeitguthaben allerdings verwendet, um eine bezahlte Freistellungsphase vor dem Renteneintritt in Anspruch zu nehmen. Vor allem mit Blick auf die älter werdenden Belegschaften und den Wegfall der staatlich geförderten Altersteilzeit, sind die Unternehmen gezwungen solche attraktive Regelungen anzubieten. Auch Bosch hat am 1. Oktober für seine Tarifmitarbeiter an verschiedenen Standorten solche Konten eingeführt.

Eltern sind unzufrieden Keine Frage: Es ist viel in Bewegung in Sachen Arbeitszeiten gekommen. Doch Fakt ist: Die Mehrheit der Arbeitnehmer hat völlig starre Arbeitszeiten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes

arbeiteten 2010 fast 60 Prozent der abhängig Beschäftigten nach einem unflexiblen Arbeitszeitmodell. Das heißt: Die tägliche Arbeitsdauer sowie Anfangsund Endzeiten sind fest vorgegeben. Etwa 24 Prozent konnten ihre Arbeitszeit weitgehend flexibel mittels eines Arbeitszeitkontos einrichten. Weitere zehn Prozent konnten über eine Gleitzeitregelung bei täglich vorgegebener Arbeitsdauer Beginn bzw. Ende ihrer Arbeitszeit flexibel bestimmen. Völlig flexibel bei ihrer Arbeitszeitgestaltung waren 2010 lediglich zwei Prozent. Ihre Leistung wird ausschließlich über Arbeitsergebnisse beurteilt. Studien zeigen, dass es aus Sicht der Beschäftigten Verbesserungsbedarf gibt. Nach einer Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach für die Studie „Monitor Familienleben 2010“ des Familienministeriums sind zum Beispiel nur etwa ein Drittel aller Eltern mit ihren Arbeitszeiten zufrieden. 60 Prozent der Väter würden ihre Arbeitszeit gerne reduzieren. 83 Prozent der Väter sagen aber gleichzeitig, dass Teilzeit im Betrieb nicht oder nur schwer möglich ist. Dass es mit den flexiblen, auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitszeiten flächendeckend in Deutschland noch nicht so richtig funktioniert, hat vor allem vier Gründe. Es sind zum einen die unterschiedlichen Flexibilitätswünsche von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die in manchen Unternehmen nicht zusammengehen. Hinzu kommen gesetzliche Regelungen, die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinderlich sind. Zudem mangelt es vor allem kleinen Unternehmen schlicht an Know-how, ein gut funk-

tionierendes Arbeitszeitmanagement auf die Beine zu stellen, und viertens fehlt oft eine Unternehmenskultur, die für die Inanspruchnahme von vorhandenen flexiblen Modellen nötig wäre. Teilzeit wird, wenn von Alternativen zum Normalarbeitsverhältnis die Rede ist, in der Regel als erstes genannt. Doch nur wenn die Stundenzahl variabel vereinbart werden kann, ob in Form von fixen Arbeitszeiten oder je nach Arbeitsanfall, kann man von einem flexiblen Arbeitszeitmodell sprechen. Die Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung ist in Deutschland stark gewachsen. Wirtschaftsinstitute wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprechen von einem grundlegenden Strukturwandel, denn „die Teilzeitarbeit hat unbeeinflusst von konjunkturellen Entwicklungen zugenommen“. Gleichzeitig haben sich die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden, also das Arbeitsvolumen, nicht erhöht, obwohl mehr Personen am Arbeitsmarkt sind. Das heißt: Immer mehr Leute arbeiten im Schnitt immer kürzer. Etwa ein Viertel der Erwerbstätigen arbeiten in Teilzeit, dazu gehören aber auch zum Beispiel Minijobber. Es ist also eine sehr heterogene Beschäftigungsform. Und sie ist immer noch eine Domäne der Frauen. In Berufen wie Erzieher, Krankenschwester, Verkäufer und Sekretär gibt es das größte Angebot an Teilzeitjobs. Die zunehmende Bedeutung dieser Beschäftigungsform hat unter anderem damit zu tun, dass sie von vielen Betrieben selbst als vorteilhaft gesehen wird, „da sie insbesondere die betriebliche Flexibilität und Produktivität fördert“, wie sich in einem kürzlich

Arbeitszeitwünsche von Frauen und Männern nach Erwerbsform Durchschnittliche Wochenarbeitszeit (WAZ) in Stunden; Quelle: SOEP 2009, IAB-Kurzbericht 09/2011

tatsächliche Wochenarbeitszeit vereinbarte Wochenarbeitszeit gewünschte Wochenarbeitszeit

Verkürzungswünsche- und Verlängerungswünsche der Beschäftigten (in Prozent, Mehrfachantworten möglich): um 1,6 oder mehr Stunden verkürzen so lassen (+/- 1,5 Stunden) um 1,6 oder mehr Stunden verlängern

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Vollzeit Männer Frauen 44,6 42,1

Teilzeit regulär Männer Frauen 26,1 25,4

Teilzeit geringfügig Männer Frauen 15,5 12,5

Insgesamt Männer Frauen 42,6 32,2

40,4

38,8

24,2

23,1

14,9

11,8

38,7

29,6

39,8

36,2

32,7

26,1

23,9

20,5

38,8

30,5

Vollzeit Männer Frauen 30 45 48 44 21 11

Teilzeit regulär Männer Frauen 8 14 28 41 64 45

Teilzeit geringfügig Männer Frauen 7 6 35 31 58 64

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Insgesamt Männer Frauen 28 28 47 41 25 30

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TITEL Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes Anteil der Unternehmen, die die jeweilige Maßnahme anbieten (Angaben in Prozent) Quelle: Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2010, IW Köln im Auftrag des Bundesfamilienministeriums

Teilzeit

79,2

Individuell vereinbarte Arbeitszeiten

72,8

Flexible Tages- und Wochenarbeitszeit

70,2

Vertrauensarbeitszeit

46,2

Flexible Jahres- oder Lebensarbeitszeit

28,3

Telearbeit

21,9

Jobsharing

20,4

Sabbaticals

16,1

Mögliche Hemmnisse bei Arbeitszeitveränderungen Angaben von kleinen und mittelständischen Unternehmen des produzierenden und des Gastgewerbes zu Herausforderungen (in Prozent, Mehrfachantworten möglich) Quelle: Befragung im Rahmen des Projekts ArbeitsZeitGewinn, RKW Hessen, n=76

Vorbehalte der Beschäftigten

34,2

Personalaufwand

32,9

Fehlende Kenntnisse

25,0

Gesetzliche und/oder tarifvertragliche Regelungen

18,4

Andere Prioritäten im Unternehmen

17,1

Vorbehalte von Führungskräften

13,2

Finanzierung

13,2

Vorbehalte der Unternehmensleitung

7,9

Vorbehalte der Arbeitnehmervertretung

5,3

Keine besonderen Herausforderungen

32,9

erschienenen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lesen lässt. Diese Flexibilität ist allerdings oftmals eine andere als die, nach der sich die Beschäftigten sehnen. Anhand der Teilzeitarbeit wird exemplarisch die Diskrepanz zwischen den Wünschen der Mitarbeiter und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit deutlich – und es zeigt sich, dass es neben den Angeboten großer Unternehmen, die bestmöglich individuellen Bedürfnissen entsprechen, noch eine andere Wirklichkeit gibt, eine Wirklichkeit der Menschen, die häufig nicht zu den Hochqualifizierten gehören. Denn laut dem IAB-Bericht würde die Hälfte der teilzeitbeschäftigten Frauen die vereinbarte Arbeitszeit gerne ausweiten – die regulär Beschäftigten im Schnitt um vier Stunden pro Woche, die geringfügig beschäftigten Frauen um neun Stunden. „Könnten die Verlängerungspräferenzen realisiert werden, läge die gewünschte Arbeitszeit aller regulär teilzeitbeschäftigten Frauen bei 27 Stunden, die der MiniD E Z E M B E R

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Jobberinnen mit 21 Wochenstunden im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung“, heißt es im IAB-Bericht. Und damit würden Sozialabgaben fällig. Auch Männer in Teilzeit wollen im Schnitt gerne mehr arbeiten. Und diejenigen, die Vollzeitjobs haben, möchten weniger arbeiten, auch das lässt sich dem Bericht entnehmen. Die Expertenkommission, die vor kurzem den Familienbericht 2011 erstellte, betont ebenfalls, dass es unter den Arbeitnehmern einen großen Wunsch nach mehr Teilzeitbeschäftigung mit Arbeitszeiten zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche gibt.

Know-how fehlt Doch eine andere Wahrheit ist ebenfalls, dass gerade viele Menschen, die einer anspruchsvollen sogenannten Wissensarbeit nachgehen, freiwillig über 40 Stunden arbeiten. Markus Albers gibt dazu in seinem Buch die Ökonomin Sabine Wolf wieder, die sagt, dass es nicht das „böse Kapital“ sei, die Wissensarbeiter

zu Überstunden zwingen würde, sondern häufig die Begeisterung der Beschäftigten für ihre Arbeit. Nichtsdestotrotz kann man viel und trotzdem flexibel arbeiten. Vor allem die kleineren Firmen hinken jedoch bei den flexiblen Arbeitszeiten hinterher. „Da ist noch Luft nach oben, aber die Unternehmen arbeiten daran“, sagt Gabriele Gusia vom RKW Kompetenzzentrum. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes ArbeitsZeitGewinn, das kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit bis zu 250 Mitarbeitern dabei unterstützt, flexible und innovative Arbeitszeitgestaltungen zu etablieren. Das Projekt wird geleitet vom RKW Hessen (Rationalisierungs- und Kompetenzzentrum der Wirtschaft) und gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. KMU fehle es häufig an Know-how für die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle sowie an Zeit sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sagt Gabriele Gusia. „Oft gibt es keinen Personaler, der sich damit beschäftigt.“ Ihrer Meinung nach wird es aber wichtiger im Zuge des drohenden Fachkräftemangels die Bedürfnisse der Beschäftigten zu ermitteln. Für die Mitarbeiter habe mehr Handlungsspielraum in der Regel positive Auswirkungen auf die Gesundheit und es bedeute mehr Zufriedenheit. Das Hauptmotiv der Betriebe für eine neue Arbeitszeitgestaltung liegt allerdings in einer Steigerung der Produktivität. Das ergibt sich zumindest aus einer Befragung im Rahmen des Projektes von 76 mittelständischen Unternehmen des produzierenden und des Gastgewerbes in Hessen. Das zweithäufigste genannte Ziel ist der langfristige Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. Danach folgen die Gesunderhaltung der Beschäftigten und die verbesserten Anpassungsmöglichkeiten an betriebliche Erfordernisse. Erst an fünfter Stelle wird die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation genannt. Interessanterweise sehen gut ein Drittel der befragten Unternehmensvertreter als größte Herausforderung für die Etablierung neuer Arbeitszeitregelungen die Vorbehalte der Beschäftigten. Danach folgt der hohe Personalaufwand als mögliches Hemmnis. Vor allem in Berufen, in denen körperliche Tätigkeiten dominieren und denen beispielsweise Maschinen den Takt vor geben, ist die Balancierung von betrieblichen Notwendigkeiten und indi23


viduellen Bedürfnissen eine besondere Herausforderung. Mehr Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeitszeiten gibt es dort, wo Mitarbeiter in der Regel nur einen Computer, ein Tablet oder ein Smartphone für ihren Job brauchen. Mobilität ist das Zauberwort – arbeiten zu jeder Zeit und an jedem Ort.

Planung und Kontrolle In der Regel ist mit der Einführung neuer Modelle ein aktives Arbeitszeitmanagement nötig. Modelle aufzusetzen ist vielleicht noch vergleichweise einfach. Mit der Umsetzung tun sich hingegen viele Unternehmen schwer. Stärker als bei herkömmlichen Arbeitszeitsystemen bedürfen flexible Arbeitszeitmodelle mit Arbeitszeitkonten der aktiven Planung, Steuerung und Kontrolle. Das sagt Angela Fauth-Herkner, die seit mehr als 20 Jahren Unternehmen zum Thema Arbeitszeitmanagement berät. Zum Beispiel tritt nach Aussage der Beraterin häufig die Schwierigkeit auf, dass die Arbeitszeiten nicht mit dem Arbeitsanfall verknüpft sind. „Das ist wenig effizient und ein Grundproblem.“ Es fehlt also an einer adäquaten Steuerung. Wichtig sei es deshalb, den Arbeitsanfall im jeweiligen Team zu prognostizieren und mit den Teamkapazitäten abzugleichen, damit ein arbeitsanfall- und mitarbeitergerechter Personaleinsatz erfolgt, sagt Angela Fauth-Herkner. Sie empfiehlt auf zentraler Ebene lediglich ein Rahmenmodell mit Eckdaten aufzusetzen, das unter anderem festlegt, in welcher Bandbreite die Plus- und Minusstunden des Arbeitszeitkontos geführt werden können und bis wann es ausgeglichen sein muss. Mit Leben gefüllt, also praktisch ausgestaltet, wird es vor Ort, im Team. Dabei ist die entscheidende Person die jeweilige Führungskraft. Sie muss die Arbeitszeiten managen und steuern sowie die verschiedenen Interessen unter einen Hut bringen. Doch das kann der Manager oder die Managerin nicht alleine. „Führungskräfte müssen unterstützt werden bei der Lösung vielfältiger Situationen“, betont die Expertin. Das gelte zum Beispiel für die Frage, die die Zusammenarbeit von Voll- und Teilzeit betrifft, aber auch die Suche nach einer gerechten Urlaubs- und Personaleinsatzplanung. Und da kommen die Personaler ins Spiel, die zum Beispiel die notwendigen Planungsinstrumente bereitstellen können. Auch ein Projektteam, das eventuell 24

Weiterführende Internetseiten www.erfolgsfaktor-familie.de Mit dem Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ setzt sich das Bundesfamilienministerium zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und dem DGB für Familienfreundlichkeit in Unternehmen ein. Auf der Seite findet man zudem Informationen sowie Unternehmensbeispiele zu familienbewussten Arbeitszeiten. Eine spezielle Initiative des Ministeriums und des DIHK will Arbeitgeber motivieren, mehr Arbeitszeitmodelle anzubieten, die flexibel und familienfreundlich sind. www.flexible-arbeitzeiten.de Die Seite des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln informiert über Arbeitszeitflexibilisierung. www.arbeitszeitgewinn.de Das Projekt „ArbeitsZeitGewinn in kleinen und mittleren Unternehmen“, das noch bis 2013 läuft, soll helfen, gesundheits- und produktivitätsförderliche Arbeitszeitgestaltungen in Unternehmen zu etablieren. An dem Projekt sind das RKW Hessen, die FOM Hochschule für Oekonomie & Management und das RKW Kompetenzzentrum beteiligt. Es wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert. www.arbeitswelt.de Die Seite der Beratung Fauth-Herkner & Partner gibt eine gute Übersicht über das Thema Arbeitszeitmanagement.

mit der Einführung der Modelle betraut war, kann im Nachhinein mit Rat und Tat zur Seite stehen. Beratung kann außerdem dann nötig sein, wenn sich Arbeitszeiten zwar auf ein Jahreskonto beziehen, die Mitarbeiter aber nur Plusstunden sammeln und ein Abbau bei Auslastungstälern nicht gleichermaßen stattfindet. Dies ist ebenfalls ein Problem der fehlenden aktiven Steuerung. Dass sich Mitarbeiter nicht trauen, bei den Arbeitsstunden auch mal ins Minus zu fallen, ist ein Problem der Unternehmenskultur. Überhaupt besteht auf der Ebene der Firmenkultur die größte von allen Hürden. Nicht selten gibt es in Unternehmen eine Menge flexible Arbeitszeitmodelle, von denen viele eine reduzierte Stundenzahl erlauben, doch die Mitarbeiter nehmen sie nicht an, obwohl

sie gerne würden. Es fehlt in solchen Fällen insbesondere an Vorbildern, an sogenannten role models, die für eine veränderte Unternehmenszeitkultur unabdingbar sind. „Auch Führungskräften muss mal Teilzeit ermöglicht werden“, sagt Angela Fauth-Herkner. Ihrer Ansicht nach ist es entscheidend, dass Führungskräfte an den neuen personalpolitischen Maßnahmen zur Arbeitszeit teilnehmen können. „Erst dann ist der Kreis geschlossen, und es wirkt sich positiv auf die Unternehmenskultur aus. Aus diesem Grund rücken bei der Entwicklung einer Arbeitszeitkultur Personalentwicklungsmaßnahmen ebenfalls für die Führungskräfte in den Vordergrund.“ Und natürlich ist die Unterstützung der Unternehmensleitung notwendig. In der Regel ist aber flexibles Arbeiten eher noch ein Karrierehindernis. Es gilt im deutschen Arbeitsleben das Prinzip: Karriere wird nach Feierabend gemacht. Doch wenn Markus Albers recht behält, wird das in Zukunft in einer Vielzahl der Unternehmen nicht mehr der Fall sein. „Wir erleben die fundamentale Neudefinition eines der mächtigsten Ordnungsmuster unseres Lebens – des Arbeitstages im Büro“, schreibt er in „Morgen komm ich später rein“. „Wir stehen vor einer grundlegenden Umwälzung der Art, wie Arbeit und Produktivität organisiert werden. Die gute Nachricht: Sie bringt Festangestellten ein Maß an Freiheit und Selbstbestimmung, wie es bisher nur Freiberufler kannten. Die schlechte Nachricht: Niemand bekommt die Freiheit geschenkt. Sie müssen sie sich nehmen.“ So fordernd müssen viele gar nicht mehr auftreten. Den Trend zu einer ergebnisorientierten Arbeitskultur – zumindest was die Wissens- und Kreativberufe angeht – sehen auch immer mehr Personaler. „Es ist in vielen Fällen nicht mehr entscheidend, wo und wann Aufgaben erledigt werden – die permanente Anwesenheit am Arbeitsplatz verliert aufgrund neuer technischer Möglichkeiten zusehend an Bedeutung“, sagt Silke Niehaus von Fraport. Doch egal, ob geschenkt oder nicht, mit einer größeren zeitlichen und örtlichen Freiheit muss man lernen umzugehen. Jan C. Weilbacher

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Illustrationen: Burkhard Piller

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Wir sind viel unterwegs. n, Um von A nach B zu gelange benรถtigen wir in unserem Leben insgesamt etwa 4 Jahre + 7 Monate.

2 JAHRE und 6 MONAT E sitzen wir in unserem Auto. Davon verbringen wir die letzten sechs Monate allerdings im Stau.

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Freiheit wagen G

elegentlich ist es wieder da, dieses mulmige Gefühl: Wenn Bernd Geißler um vier Uhr nachmittags seinen Schreibtisch räumt und nach Hause fährt, fragt er sich: Sollte er nicht doch länger bleiben? Bis sechs Uhr vielleicht? Was, wenn jemand vorbeikommt, den verwaisten Schreibtisch sieht – wäre das nicht ein schlechtes Vorbild für die Mitarbeiter? Dann atmet der Personalleiter der Vorwerk-Teppichwerke einmal tief durch. Und erinnert sich selbst an das, was er seinen Mitarbeitern immer wieder predigt: Nicht die abgesessene Arbeitszeit zählt. Sondern die erbrachte Leistung. Geißler ist seit sechs Jahren Personalleiter bei den Teppichwerken in Hameln, einer eigenständigen Tochterfirma innerhalb des Vorwerk-Konzerns, der vor allem für seine grünen Staubsauger namens Kobold und für robuste Küchenmaschinen der Marke Thermomix bekannt ist. Bei den Teppichwerken gilt in Sachen Arbeitszeit das Prinzip Vertrauen: 1996 schaffte das Management

die Stempeluhren für seine Angestellten ab. Ersatzlos. Wann die Mitarbeiter kommen und gehen, wann sie Urlaub nehmen – das weiß in der Personalabteilung niemand. Zunächst war es ein Experiment: Was passiert eigentlich, wenn Angestellte ihre Arbeitszeit selbst verwalten? Wenn niemand mehr die Einhaltung fester Arbeits- und Urlaubszeiten vorschreibt und kontrolliert?

Höhere Attraktivität Die Teppichhersteller sind nicht die einzigen, die dieses Experiment wagen. Vertrauensarbeitszeit gilt als moderne, flexible Form der Arbeitsorganisation. Internet-Startups wie die US-Firma Netflix werben ebenso mit dem Verzicht auf die Stempeluhr wie die internationalen Großkonzerne Microsoft und IBM oder etwa die Dekabank, Metro und der Automobilzulieferer Webasto. Die Idee: Statt die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter strikt zu kontrollieren und zu entlohnen, lassen die Unternehmen ihren Angestellten bei der Arbeitszeitgestaltung freie Hand – und vereinbaren stattdessen Leistungsziele. Personalmanager versprechen sich durch dieses Führungskonzept handfeste Vorteile: Motiviertere Mitarbeiter, weniger Arbeit für die Personalabteilung, weniger Überstunden, eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber. Rund ein Viertel der deutschen Unternehmen bietet ihren Mitarbeitern Vertrauensarbeitszeit-Modelle an – das hat eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergeben. In Großunternehmen scheint der Verzicht auf die Zeiterfassung am beliebtesten

An der Stechuhr: VW-Beschäftigte im Jahre 1973 stempeln sich am Werksausgang aus.

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Fotos: www.wikimedia.org/ Bundesarchiv Schaack Lothar;

Arbeiten im Café, beim Kunden, im Zug – Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung gilt immer mehr als das Arbeitszeitmodell der Zukunft. Doch nicht für jeden Mitarbeiter ist eine autonome Gestaltung optimal und ganz ohne Dokumentation geht es auch nicht.


zu sein: Der Umfrage zufolge setzen fast 50 Prozent der Konzerne auf ein Vertrauenssystem. Doch die Umfrageergebnisse könnten in die Irre führen, meint Ingo Hamm, Rechtsanwalt und Berater der Arbeitszeit- und Wirtschaftsberatung Chronos. Denn es seien oft nur bestimmte Gruppen im Unternehmen, die ohne Stechuhr arbeiten und ihre Arbeitszeit selbst organisieren dürften. „Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung als neues, modernes Arbeitszeitmodell ist ein Mythos, ein Versprechen, das die meisten Unternehmen nicht einlösen können“, sagt Hamm. In den großen Unternehmen seien es vor allem Führungskräfte, Mitarbeiter im außertariflichen Bereich oder im Außendienst, die ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen. Das sei nichts Neues. Für bestimmte Jobs funktioniert das flexible Arbeitszeitmodell hingegen per se nicht: Industriearbeitsplätze, die nach dem Rhythmus der Produktion eingerichtet seien, kämen nun einmal nicht ohne feste Arbeitszeiten aus. „Genauso ist es etwa mit einer Rezeption im Krankenhaus oder einem Callcenter, das zu bestimmten Zeiten besetzt sein muss“, sagt Hamm. Oder mit einem Einzelhändler, bei dem um eine bestimmte Uhrzeit der Laden aufgeschlossen werden muss. Nur wenige Unternehmen könnten daher tatsächlich vollständig auf fest vorgegebene Arbeitszeiten für alle Mitarbeiter verzichten. „Hinzu kommt, dass viele Mitarbeiter die Abschaffung fester Arbeitszeiten als

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eine Erhöhung des Leistungsdrucks empfinden. Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit trifft daher häufig auf Widerstand.“

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Bedenken der Chefs Auch bei den Vorwerk-Teppichwerken gilt die Vertrauensarbeitszeit nur für die Mitarbeiter der Verwaltung – die Angestellten in der Produktion arbeiten nach wie vor im Schichtsystem. Mit Stechuhr. In den Büros der Zentrale allerdings ist die Zeiterfassung bis heute abgeschafft. „Das Experiment Vertrauensarbeitszeit ist hier mittlerweile gelebte Praxis“, sagt Personalchef Geißler. Doch von seinem Vorgänger weiß er, dass die Einführung des flexiblen Arbeitszeitmodells nicht immer leicht war: „In den Anfangsjahren haben viele Mitarbeiter noch ihre Arbeitszeiten auf eigene Faust erfasst, zum Beispiel in Excel-Tabellen. Und die Führungskräfte hatten Bedenken, dass sie die Kontrolle über ihre Mitarbeiter verlieren.“ Nach und nach sei aber das Vertrauen auf beiden Seiten gewachsen. Als Geißler als Personalchef einstieg, war er gespannt, wie das System in der Praxis funktioniert. Sein Fazit: Im Arbeitsalltag verändere sich nicht viel. Die einzelnen Abteilungen regeln intern, wann Büros besetzt sein müssen und welche Leistungsziele die Mitarbeiter erfüllen sollen. Von einem chaotischen Kommen und Gehen in den Büros sei man weit entfernt. „Menschen sind Gewohnheitstiere. Ob es eine Stechuhr gibt oder nicht: Die meisten stehen jeden Morgen zur selben Zeit auf, machen gerne immer um dieselbe Zeit Mittagspause, gehen zu einer bestimmten Uhrzeit nach Hause.“ Durch die Vertrauensarbeitszeit seien sie allerdings freier, diese Arbeitszeiten ihren persönlichen Bedürfnissen und ihrem individuellen Rhythmus anzupassen. Diesen Vorteil weiß auch Petra Carl zu schätzen: Die Personalleiterin des Bekleidungsunternehmens S.Oliver arbeitet in Teilzeit mit Vertrauensarbeitszeit – dank Home Office bringt sie Arbeit und Familie unter einen Hut. „In einem strikten Arbeitszeit-Regime hätte ich Probleme, private und berufliche Termine zu vereinbaren“, sagt Carl.

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Vertrauensarbeitszeit

Dokumentation ist nötig Auch bei S.Oliver kontrolliert die Personalabteilung nicht, wann die Mitarbeiter kommen und gehen oder wann sie Pause machen. Ohne Erfassung der Arbeitszeiten kommt das Unternehmen dann aber doch nicht aus: Hier übernehmen die Mitarbeiter selbst die Dokumentation ihrer geleisteten Arbeitsstunden. Und es gibt eine feste Wochenarbeitszeit, die Mitarbeiter einhalten sollten. „Die Angestellten tragen in einem speziellen SAP-Tool ein, wie viel sie arbeiten. Ein Ampelsystem zeigt ein rotes Warnsignal an, wenn sie mehr als zehn Stunden über der vereinbarten Arbeitszeit liegen“, erklärt Personalchefin Carl. Überstunden können die Mitarbeiter an sogenannten Flexitagen abfeiern. „Der große Unterschied zur normalen Gleitzeit ist, dass die Mitarbeiter selbst die Verantwortung dafür übernehmen, wann sie wie viel arbeiten. Niemand schreibt es ihnen vor, niemand kontrolliert sie“, sagt Carl. Ganz ohne Erfassung der Zeit könne man allerdings schon rein rechtlich nicht arbeiten: „Wir müssen laut Arbeitszeitgesetz dokumentieren, wie viele Stunden die Mitarbeiter arbeiten“, sagt sie. „Zudem müssen wir im Falle eines Wege-Unfalls ja der Berufsgenossenschaft nachweisen können, dass der Mitarbeiter tatsächlich auf dem Weg von der Arbeit nach Hause war.“ Arbeitszeit-Experte Hamm hält auch wegen dieser gesetzlichen Regelungen Arbeitszeitmodelle ohne jede Dokumentation für wenig sinnvoll. „Letztlich wird sonst nur die Dokumentationspflicht auf die Mitarbeiter abgewälzt“, sagt er. „Vertrauensarbeitszeit ist eine gute Sache. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, den Mitarbeitern und ihrem Leistungswillen zu vertrauen.“ 28

PRO

CONTRA

• Vermeiden von • Das Arbeitsrecht unproduktivem schreibt die „Stundensammeln“ Erfassung und Dokumentation der • Klare LeistungsArbeitszeiten vor bzw. Ergebnisorientierung • Höherer Führungsaufwand: Es müssen • Stärkung des LeistungsvereinbaVertrauensverrungen getroffen und hältnisses und der überprüft werden Motivation der Mitarbeiter • Gefahr der Überforderung für • Weniger adminisMitarbeiter, wenn trativer Aufwand Leistungsziele in der Personalabzu hoch gesteckt teilung werden • Nicht geeignet für getaktete Arbeit wie etwa in der Schichtproduktion

Zeiterfassung PRO

CONTRA

• Transparente Erfas- • Langsames Arbeiten sung von Plus- und wird stärker belohnt Minusstunden als produktives Arbeiten • Einfachere Planung des Personalbedar- • Anreiz zum „Stunfes und der densammeln“, Vertretungsregebesonders wenn lungen es attraktive Ausgleichsre• Eindeutige Dokugelungen gibt mentation, dass ge(Freizeit, finanzielle setzliche Vorgaben Vergünstigung, eingehalten werden Langzeitkonten) • Einfachere Berech- • Administrativer nung der Nacht- und Aufwand für die WochenendzuPersonalabteilung: schläge Fehlerfassungen, Fehlzeiten, Nacherfassung von Dienstreisen, Home Office etc.

Eine Dokumentation der geleisteten Stunden könnte aber Menschen helfen, die dazu neigen, sich selbst zu überfordern. „Die Dokumentation kann ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Verdienst deutlich machen.“ Und damit eine Rechtfertigung vor sich selber und Vorgesetzten bieten, mal kürzer zu treten. „Der Leistungsdruck ist hoch, viele Angestellte verlieren ohne feste Arbeitszeiten das Gefühl dafür, wie viel sie schaffen können und müssen.“ Beim Kosmetikhersteller Weleda hat man sich auch deshalb dafür entschieden, Vertrauensarbeitszeit nur auf freiwilliger Basis anzubieten. „Seit sechs Jahren kann bei uns jeder einzelne Mitarbeiter, dessen Arbeit es zulässt, frei wählen, ob er mit oder ohne Zeiterfassung arbeiten möchte“, erklärt Personalleiter Roland Sturm. Vertrauensarbeitszeit als Pflicht für alle Angestellten einzuführen, hält er für problematisch. „Die Mitarbeiter übernehmen eine große Verantwortung, wenn sie sich für eine autonome Arbeitszeitregelung entscheiden. Nicht jeder Mitarbeiter möchte das und kann damit umgehen.“ 170 von 1.000 Mitarbeitern arbeiten bei Weleda mittlerweile in einem Vertrauenszeitmodell – ein Wechsel zurück in die Zeiterfassung ist für sie jederzeit möglich. „Die meisten Mitarbeiter in Vertrauensarbeitszeit kommen aus den Verwaltungsbereichen, einige aus dem Labor. In Jahresgesprächen werden für sie mit den Abteilungsleitern Jahresziele vereinbart“, erklärt Sturm. Große Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung berge immer auch die Gefahr, auszubrennen – eine Herausforderung für Führungskräfte und für die Personaler. „Für die HR-Abteilung fällt zwar weniger administrative Arbeit an, was Zeit-Korrekturen und so weiter angeht. Dafür steigt die Verantwortung, mit regelmäßigen Teamchecks und in Gesprächen mit den Führungskräften alle Beteiligten dafür zu sensibilisieren, dass Überforderungen rechtzeitig erkannt werden.“ Sarah Sommer

• Starre Kernarbeitszeit erschwert Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Illustrationen: Burkhard Piller

Die Personalentwicklung bei S.Oliver hat das Konzept entwickelt und im März 2009 die Vertrauensarbeitszeit für alle Mitarbeiter in der Firmenzentrale eingeführt. „Wir sehen die Vertrauensarbeitszeit als wichtigen Bestandteil unserer Personalentwicklungsstrategie, in der die Work-Life-Balance und die Familienfreundlichkeit eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Carl. Zur Stechuhr und zu festen Kernarbeitszeiten wolle längst niemand mehr zurück. „Eine Anwesenheitspflicht im Büro ist aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß.“

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SIEBEN JAHRE arbeiten wir im Durchschnitt effektiv für unseren Lebensunterhalt. Pausen machen wir dabei im Umfang von 60 T AGEN.

2010 haben die Mitarbeiter in Deutschland 15 Prozent mehr bezahlte Überstunden abgeleistet als im Krisenjahr 2009 (etwa 1,25 Mrd.). Im Durchschnitt ist jeder Beschäftigte zu 43,6 Überstunden herangezogen worden.

Führungskräfte im Mittleren Management arbeiten viel. ––----–--– 94 % arbeiten mindestens 40 Stunden in der Woche, wobei jeweils rund ein Viertel ein Arbeitspensum zwischen 40 und 45 Stunden bzw. 46 und 50 Stunden leistet. Weitere 38 % arbeiten zwischen 50 und 60 Stunden in der Woche. ––----–--–


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Männer in Teilzeit – ein offener Brief unserer Autorin Petra Schäfer

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Zeit nehmen für die Familie: Kinder danken es Vätern, wenn mal die Prioritäten neu sortiert werden.

machen. Basta. Haben Sie nicht letztens von diesem Kollegen gehört, einem aufstrebenden Abteilungsleiter mit Ambitionen zu Höherem, der nach der Geburt seiner Tochter die ihm gesetzlich mögliche Elternzeit in Anspruch genommen hat? Zwei Monate lang wollte er zunächst Teilzeit arbeiten, später dann sechs Monate zu Hause sein Kind betreuen. Und als er der Firma einen Besuch abstattete, legte ihm der Vorgesetzte einen Aufhebungsvertrag nahe. Und ihre Kollegin, eine Top-Frau, kam frustriert aus dem Entwicklungsgespräch mit dem Chef: Den ihr lange zugedachten Posten als Leiterin der Abteilung bekommt sie nun doch nicht – weil sie im Moment ihrem Kind zuliebe „nur“ Teilzeit arbeitet. Von wegen Work-Life-Balance, hier geht es um die Zukunft. Sie haben Recht, das macht

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Fotos: Arne9001 | Dreamstime.com; Alexshalamov | Dreamstime.com

iebe männliche Führungskräfte, haben Sie heute schon Ihre Kinder gesehen? Immerhin zehn Minuten zwischen dem Krawatte binden und dem Lesen Ihrer E-Mails der letzten sieben Stunden auf Ihrem Blackberry? Prima, dann haben Sie ja noch 22 Minuten gut, die Sie am Abend – die Gedanken noch ganz beim letzten Meeting – mit dem Bilderbuch in der Hand neben dem Bett Ihrer Kleinen verbringen können. Nur eine knappe Dreiviertelstunde betreuen Vollzeit arbeitende deutsche Väter nämlich laut einer OECD-Studie täglich ihre Sprösslinge. Nicht gerade viel zum gegenseitigen Kennenlernen. Sie überlassen die Kinderbetreuung lieber Ihrer Frau? Wirtschaftlich hätten Sie ohnehin kaum etwas davon, wenn ihre Frau mehr arbeiten würde. Sie profitieren als Familie vom steuerlichen Ehegattensplitting ohnehin ja nur dann, wenn Ihre Partnerin gar nicht oder nur wenig arbeitet. So will es schließlich der Gesetzgeber. Sicher sagen Sie oft genug im Gespräch mit Ihren Freunden, dass Sie gerne mit ihrer Partnerin tauschen würden, Ihren Vollzeit-Dauerstress gegen die nette Teilzeitstelle, um nachmittags Zeit für die Kleinen zu haben. Oder Sie träumen davon, einfach ganz auszusteigen, um sich monatelang mal nur um die Familie und das eigene Leben kümmern zu können. Aber was soll denn Ihr Vorstand dazu sagen? Wer nicht in der Firma sein Gesicht zeigt, nicht bei Dauermeetings an seiner Karriere feilt und bis mindestens 19 Uhr seinen Büroplatz hütet, muss sich auf den begehrten Bereichsleiterposten keine Hoffnungen


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Angst, aber das darf Sie nicht lähmen. Eine neue, repräsentative Umfrage der Universität Münster im Auftrag des nordrhein-westfälischenFamilienministeriums ergab unlängst: Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland NRW können in weniger als 40 Prozent

der Unternehmen Mitarbeiter auch nur teilweise zu Hause arbeiten. Führungskräfte in Teilzeit sind so gut wie nicht auffindbar. Kein Wunder, konstatierte die Familienministerin in NordrheinWestfalen, Ute Schäfer, dass Teilzeit als Karrierekiller gelte. Dazu passen die farbigen, glänzenden Anzeigen und teuren Fernsehwerbespots mancher Dax-Konzerne, die uns Top-Jobs mit Familienvereinbarkeit suggerieren wollen, kaum: Frauen in Spitzenjobs zu befördern, sei gang und gäbe und auch für Mütter und Väter mit Verpflichtungen zwischen Kindergartenschluss und Gute-Nacht-Kuss kein Problem. Noch ist das eine Traumwelt. Wir Frauen arbeiten an der Realität. Und dafür brauchen wir Sie, meine Herren. Wie sollen sich weibliche Führungskräfte, die schon aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen nicht zwölf Stunden im Büro anwesend sein können, in der Chefetage behaupten, wenn noch nicht einmal die allgemeine Arbeitsweise modernen Strukturen entspricht? Führen und Freiheit sind vereinbar.

Dafür stehen Sie als Männer mit in der Pflicht. Wir setzen in der Arbeitswelt immer noch Leistung mit Anwesenheit gleich. Das ist längst überholt und wird von leistungsstarken, kreativen Weltkonzernen wie den Softwareriesen IBM und Microsoft bewiesen. Selbst ein so traditionelles deutsches Unternehmen wie der Maschinenbauer Trumpf führt Arbeitszeitkonten für Führungskräfte ein, weil die Chefin Nicola LeibingerKammüller Teilzeit auch für Väter bewerben möchte. Wir brauchen Ihren Mut, liebe Direktoren und Abteilungsleiter, für Flexibilität zu kämpfen. Wenn mehr Männer in Teilzeit erwerbstätig wären, hätten auch berufstätige Mütter mit weniger Widerständen in der Arbeitswelt zu kämpfen. Dessen ist sich zum Beispiel die Soziologin Jutta Allmendinger sicher. Sie, liebe Männer, müssten dann mehr delegieren, kräftige Teams aufbauen – und hätten den Kopf wieder frei für echte Führungsqualitäten und kreative Innovationen. Denn die braucht der Standort Deutschland am dringendsten.

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„Wir haben eine völlig absurde Familienpolitik“

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Herr Professor Bosch, viel wird momentan über den demografischen Wandel und die daraus entstehenden Konsequenzen gesprochen. Was bedeutet die Entwicklung für die Wochenarbeitszeit in Deutschland? Werden wir in Zukunft mehr arbeiten müssen? In der Tat gibt es einige Strategiepapiere – zum Beispiel von der Bundesagentur für Arbeit, die besagen, dass sich die Wochenarbeitszeit aufgrund des Fachkräftemangels erhöhen muss. Das halte ich für falsch. Wenn wir mehr belastet werden, können wir nicht bis zur Rente arbeiten. Außerdem wird es schwerer, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Die Lebensarbeitszeit wird sich aber verlängern. Unser Rentenalter ist heraufgesetzt worden, gleichzeitig sind die staatlichen Anreize für den Vorruhestand im Grunde alle weggefallen. Wir werden länger arbeiten müssen, ob das allerdings alle können, ist eine andere Frage. Dafür sind die Weichen noch nicht gestellt. Die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 wird nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein, oder? Das sind Spekulationen. Den Menschen über 67 sollte aber zumindest die Möglichkeit eröffnet werden, weiterzuarbeiten. Das ist jedoch etwas völlig anderes als eine obligatorische Heraufsetzung der Altersgrenze. Die führt dazu, dass bestimmte Leute – ich schätze 30 bis 40 Prozent unserer Bevölkerung –, die sehr belastende Tätigkeiten ausüben wie in der Pflege, es bis zu dieser Grenze nicht

schaffen. Damit programmiert man nur Altersarbeitslosigkeit. Um aber auf ihre Ausgangsfrage zurück zu kommen: Wer in Zukunft noch mehr Stunden in der Woche arbeiten wird, sind die Frauen. Wie groß ist dieses Potenzial Ihrer Meinung nach? Ich habe mal ausgerechnet, wenn die deutschen Frauen heute so arbeiten würden wie die schwedischen Frauen, dann hätten wir 3,5 Millionen mehr Personen auf dem Arbeitsmarkt – in Vollzeitäquivalenten.Wir haben in Deutschland ein System, das sehr gut ausgebildete Frauen hervorbringt. Gleichzeitig gibt es massive Anreize für geringfügige Erwerbstätigkeiten. Dies hat dazu geführt, dass trotz des demografischen Wandels die Frauen im Schnitt kürzer arbeiten als noch vor einigen Jahren. Das ist sicherlich auf Dauer nicht haltbar. Bei den Männern hingegen gibt es ein starkes Bedürfnis von den Überstunden herunter zu kommen. Ich glaube auch nicht, dass im Gegensatz zu den Frauen die Männer pro Woche ebenfalls länger arbeiten werden. Was wir bräuchten, wäre die Arbeitszeit im Konjunkturzyklus variabel zu halten, um Beschäftigung zu sichern. Das heißt: Über Arbeitszeitkonten Stunden ansparen und dann in der Krise in Verbindung mit Kurzarbeit Entlassungen vermeiden. Die Flexibilität der Arbeitszeit ist beim Fachkräftemangel die entscheidende Antwort. Und diese Flexibilisierung der Arbeitszeiten wird weiter zunehmen? Kommen die starren Arbeitszeitformen in

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Foto: Privat

Der Zeitwohlstand ist in Deutschland keineswegs gleichmäßig verteilt. Der Arbeitszeitexperte Gerhard Bosch über unterschiedliche Realitäten, falsche Anreize und eine Antwort auf den Fachkräftemangel.


den Unternehmen immer mehr an ihr Ende? Das ist eine Mär, dass wir überhaupt noch starre Arbeitszeiten haben. Ich kenne die gar nicht mehr. In den Betrieben hat eine stille Revolution stattgefunden, die viel weitergeht als das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es gibt in hohem Maße flexible Arbeitszeiten. Und ab und an wird das sogar bis zum Exzess getrieben, mancher arbeitet ohne Ende und der Termindruck wird auf die Beschäftigten abgewälzt. Ist es in den meisten Fällen also eine einseitige Flexibilität? Wir haben unterschiedliche Realitäten in Deutschland, was den Zeitwohlstand angeht: Wir haben sozusagen Villenviertel und Elendsviertel. Auf der einen Seite haben Sie Mitarbeiter – häufig in großen Betrieben –, die von flexiblen Arbeitszeitmodellen, verbunden mit einem guten Gehalt, profitieren. Diese Beschäftigten können sich die Flexibilität erlauben, weil sie auch mit kürzeren Arbeitszeiten über die Runden kommen. Das ist beispielsweise häufig so bei Banken, Versicherungen und im öffentlichen Dienst. Da hat sich viel getan. Man versucht Mitarbeiter unter anderem über flexible Arbeitszeiten zu binden und zu locken. Auf der anderen Seite haben wir Bereiche, in denen der Kostendruck und die Kurzfristigkeit enorm sind und die Beschäftigten im Grunde keine geregelten, sondern schlicht sehr lange Arbeitszeiten haben. Umso länger man allerdings arbeitet, desto unflexibler wird das Zeitkorsett. D E Z E M B E R

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»Das ist eine Mär, dass wir überhaupt noch starre Arbeitszeiten haben.« Ich denke, die völlige Auflösung von Zeitgrenzen wird es deshalb nicht geben. Aber mit Sicherheit werden Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit bei den höher Qualifizierten zunehmen. Auf der anderen Seite haben wir natürlich die Bereiche der gering Qualifizierten, in denen alle auf die Uhr schauen. Woher kommt der Veränderungsdruck, der auf die Arbeitszeiten wirkt? Sind es eher die Märkte oder die Mitarbeiter, die mehr Flexibilität verlangen? Beides. Und genau das macht das Thema Arbeitszeit so interessant. Auf Seiten der Industrieunternehmen haben wir beispielsweise den Übergang zur Justin-time-Produktion. Es gibt praktisch keine Lagerhaltung mehr. Es wird fast nur noch auf Bestellung produziert. Das bedeutet, dass der Flexibilitätspuffer die Arbeitszeit ist. Und wenn dann gleich-

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Sehen Sie den Trend, dass die Zeit als Leistungseinheit an Bedeutung verliert, sodass es keinen Sinn mehr macht, eine Stundenzahl in den Vertrag zu schreiben, weil allein die Ergebnisse entscheidend sind? Ja, eindeutig. Mehr und mehr Unternehmen wollen in dieser Beziehung verstärkt das Ergebnis in den Vordergrund schieben. Das geht meist auf Kosten der Beschäftigten, deren Stunden nicht mehr alle bezahlt werden. Für den Mitarbeiter bedeutet es in der Regel mehr Selbstbestimmung. Es kann eine Win-Win-Situation sein. Ja, das kann es sein. Jemand, der einmal die freie Disposition über seine Zeit gehabt hat, möchte sie nicht mehr aufgeben. Das ist ein hohes Gut. Ich kenne aber auch die Bereiche, in denen die Leistungsvorgaben so hoch sind, dass man sich wieder nach den alten starren Arbeitszeiten sehnt. Für die Unternehmen ist es schwierig hier die Balance und das richtige Maß zu finden. Arbeitszeitgesetze und auch Regelungen in den Unternehmen sind zum Schutz des Beschäftigten deshalb weiterhin notwendig. Wenn man eine völlige Flexibilisierung einführt und es gar keine Regeln mehr gibt, dann kann es zu Exzessen kommen.

Wir überprüfen das Können und Wollen...

Rund um die gegenwärtige Debatte zu einem gesetzlichen Mindestlohn, ist Gerhard Bosch einer der gefragtesten Interviewpartner in Deutschland. Ein anderes Schwerpunktthema des Arbeitsmarktforschers ist neben der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der Personalpolitik unter anderem die Arbeitszeit. Seit 2007 ist Gerhard Bosch Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen. Professor für Soziologie ist er an der Universität seit 1993. Der Sozialforscher ist Mitglied in mehreren Kommissionen gewesen, so zum Beispiel in der erstmals vom Bundesfamilienministerium berufenen Sachverständigenkommission für den Bericht der Bundesregierung zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Der Bericht erschien im Juni 2011.

Wie definiert Ihr Berater Werte?

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zeitig die Lieferzeiten verkürzt werden, ist klar, dass die Arbeitszeiten direkt mit dem Auftragsvolumen schwanken. Bei anderen Tätigkeiten ist der Termindruck stärker geworden – unter anderem aufgrund der zunehmenden internationalen Vernetzung und der längeren Öffnungszeiten bei Dienstleistungen. Ein weiterer Megatrend ist der vollwertige Eintritt der Frauen ins Erwerbsleben. Damit gewinnt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter an Bedeutung. Und damit geht es auch um die Frage: Wie wird die Hausarbeit in den Familien verteilt, und wie die Betreuungszeit für Kinder oder Pflege? Im Rahmen der Vorstellung des Familienberichts im Auftrag des Bundesfamilienministeriums wurde kürzlich eine neue Zeitpolitik gefordert, weil Familien enorm unter Zeitdruck stehen. Ich war Mitglied der Gleichstellungskommission und wir sind zu identischen Schlussfolgerungen gekommen wie der Familienbericht. Die abnehmende Geburtenrate ist ja ein deutlicher Indikator dafür, wie schwer die Vereinbarkeit gerade in Deutschland ist. Was sind für Sie die wichtigsten Wege, die gegangen werden müssen, um diese Vereinbarkeit zu verbessern? Wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Das eine sind Ganztagsschulen und Ganztagskindergärten. Bei den Kindergärten wären flexiblere Öffnungszeiten wichtig – wegen der Schichtarbeit zum Beispiel. Die Probleme sind zwar erkannt, aber gegenüber den skandinavischen Ländern haben wir auf diesem Gebiet einen Rückstand von etwa 45 Jahren. In Deutschland ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch ein sehr konfliktträchtiges Thema. Es geht auch stark um Rollenbilder… Natürlich. In unserem Gleichstellungsbericht haben wir gesagt, es gibt im Grunde kein dominantes Rollenbild mehr und die Politik agiert diesbezüglich sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite fördert sie mit enormen Geldern die Erwerbstätigkeit von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichzeitig werden aber auch – mit Betreuungsgeld und Ehegattensplitting – Anreize gesetzt, die darauf abzielen, dass die Frauen zu Hause bleiben. Ist das Ehegattensplitting in Ihren Augen ein Relikt aus alten Zeiten? Das kann man so sagen. Es ist ein Relikt, aber keine Partei traut sich da ran. Vor allem traut sich die Politik nicht an das Geflecht aus Minijobs und Ehegatten34

splitting. Denn das führt zu diesen kleinen Tätigkeiten. Frauen werden so letztendlich nicht ökonomisch selbstständig, wenn sie in Minijobs hängen bleiben. Es lohnt sich für viele dann nicht, mehr als 400 Euro zu verdienen? Es ist ein negativer Anreiz. Wenn Sie von 400 Euro auf 401 Euro gehen, dann haben Sie auf einmal durch die Sozialversicherung 20 Prozent weniger. Sie müssen also auf 500 oder 600 Euro kommen, um ungefähr das Gleiche wie zuvor zu haben. Denn zusätzlich verliert das Paar noch den Ehegattensplitting-Vorteil. Wir haben eine völlig absurde Familienpolitik, die keinesfalls zukunftsfest ist. Es muss sich einiges tun. Und die Arbeitswelt muss ebenfalls flexibler werden. Was wir eigentlich brauchen, ist ein Gesetz über Wahlarbeitszeiten. Was meinen Sie damit? Wir haben heute schon die gesetzliche Möglichkeit von Vollzeit auf Teilzeit zu gehen. Wir haben aber nicht die Möglichkeit von Teilzeit wieder auf Vollzeit zurückzugehen. Die Gleichstellungskommission hat vorgeschlagen, alles, was die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten betrifft, in einem Gesetz zu regeln. Das würde beispielsweise Freistellungen für Pflege oder für Kinderbetreuung betreffen, die man dann natürlich unterschiedlich regeln muss.

»Was wir eigentlich brauchen, ist ein Gesetz über Wahlarbeitszeiten.« Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, der über die bestehenden Rechtsansprüche hinausgeht und der ebenso die betrieblichen Anforderungen berücksichtigt. Es gibt ja Kompromissformulierungen, wie: Hat ein Recht darauf, insofern dem nicht betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen. Das gibt es ebenfalls beim Teilzeitanspruch. Da hat die Wirtschaft damals empört aufgeschrien. Es zeigt sich heute jedoch, dass das in der Praxis weitgehend harmonisch läuft. Bedeutet die Entwicklung in Richtung mehr Flexibilität, dass Vertrauen automatisch eine größere und das Prinzip Kontrolle eine kleinere Rolle spielen? Nein. Wir haben eine interessante Entwicklung. Auf der einen Seite gibt es Ar-

beitsplätze in hoch- und mittelqualifizierten Bereichen, in denen zunehmend Hierarchie und direkte Weisungen abgebaut werden. Gleichzeitig wird Verantwortung dezentralisiert. Da nimmt Vertrauen zu, und das muss es auch, wenn sie hier Arbeitszeiten flexibilisieren. Das können sich aber nur gut organisierte Firmen leisten, die ständig den Output im Blick haben. Auf der anderen Seite haben wir große Bereiche, in denen das Misstrauen zugenommen hat. Wir haben einen riesigen Niedriglohnsektor, wo die Leute gedrückt werden. Nehmen Sie den Pflegebereich oder die Callcenter-Branche – hier hat die Kontrolle in vielen Unternehmen zugenommen und die Arbeit ist hierarchischer geworden. Wenn wir annehmen, dass Arbeit – zumindest in einigen Bereichen – wesentlich flexibler wird, und die Beschäftigten zu unterschiedlichen Zeiten kommen und gehen, was bedeutet das dann für die Mitarbeiterführung? Wie muss in solchen Arbeitswelten geführt werden? Zunächst einmal müssen Abläufe sehr genau organisiert sein. Und dann ist natürlich der Personaleinsatz einer der zentralen Themen von Führung. Wenn es Sabbaticals gibt, Mitarbeiter in Elternzeit sind und andere wiederum eine Zeitlang Teilzeit arbeiten, dann kommen und gehen die Leute. Teams müssen deshalb in ganz anderer Weise als früher zusammengesetzt werden. Führungskräfte sollten dafür sorgen, dass die Flexibilität da ist, das heißt zum Beispiel, dass durch Weiterbildungsmaßnahmen Ersatz geschaffen wird, wenn jemand geht. Und sie müssen mehr als früher die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter kennen, um Lücken bestmöglich zu füllen. Die Kenntnisse von individuellen Fähigkeiten und deren Förderung, ist eine Aufgabe, die deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Das hat aber auch mit den steigenden Produktivitätsanforderungen zu tun. Sind die neuen flexiblen Arbeitszeitmodelle mittlerweile auch Thema bei Tarifverhandlungen? Ja, es ist ein ganz großes Thema in Tarifverhandlungen geworden und ebenfalls für die Betriebsräte. Bestimmte Modelle – wie beispielsweise die sogenannte fünfte Schicht im Kontibetrieb – sind in der Regel auch nur durchzubekommen, wenn Unternehmensleitung und Betriebsrat gemeinsam die Belegschaft von den Vorteilen überzeugen. Das Interview führte Jan C. Weilbacher

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Illustrationen: Burkhard Piller

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Ein Studienabsolvent in Deutschland dreie lässt sich insgesamt--- -inh–--alb---Ja--hre seines Lebens von Professoren, Dozenten sowie Lehrern in Universität und Schule berieseln.

Würden wir die Zeit addieren, die wir im Durchschnitt effektiv mit der Arbeitssuche zubringen, kämen wir auf etwa 20 Tage.

Frauen sind zu zwei Dritteln ihres Arbeitslebens unentgeltlich tätig, da sie insbesondere für die Familie sorgen. Männer werden hingegen für mehr als die Hälfte ihrer Arbeitsleistung bezahlt. Sie arbeiten insgesamt eine Stunde weniger in der Woche als Frauen.


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Ein hoher Frauenanteil in Führungspositionen, aber im Vorstand nur Männer: TUI-Personalvorstand Peter Engelen über volle Terminkalender, Führen in Teilzeit und Job Sharing.

Eine Frage der Kultur

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Herr Engelen, kennen Sie Zeitdruck? Selbstverständlich kenne auch ich Zeitdruck. Mein Terminkalender ist relativ gut gefüllt. Woher kommt dieser Zeitdruck? Im Vorstand sind wir durch unseren Terminkalender zu einem guten Teil fremdbestimmt. Zunächst ist da der Financial-Kalender, also alle Termine rund um die Börsennotierung. Dazu gehören beispielsweise Sitzungen des Aufsichtsrates und des Prüfungsausschusses. Zudem ist das Thema Personal ziemlich zeitintensiv. Daneben habe ich noch einige andere Aufgaben, für die ich verantwortlich bin, wie Recht, Compliance und den Nachhaltigkeitsbereich. Da kommt einiges zusammen. Würden Sie sagen, dass alle Mitarbeiter von TUI dieses Gefühl kennen, keine Zeit zu haben? Arbeitsverdichtung ist auf allen Ebenen spürbar, und das ist sicher nichts TUISpezifisches. Unsere Arbeitswelt und die Anforderungen werden immer komplexer. Es ist aber auch wichtig, sich bewusst zu machen – und das ist natürlich ebenfalls eine Führungsaufgabe –, dass man sich Zeit nehmen muss. Das ist eine Frage der richtigen Priorisierung. Dann ist auch Zeit da, um bestimmte Aufgaben zu erledigen oder mit den Mitarbeitern zu sprechen, aber ebenfalls, um der Freizeit ausreichend Raum zu geben. Individuelle Arbeitszeiten können Mitarbeitern mehr Freiraum geben. Bei TUI gibt es die Möglichkeit, die zu vereinbaren. Für jeden Mitarbeiter? Nicht für jeden, aber für eine große Mehrheit. Eine vernünftige Work-LifeBalance der Mitarbeiter ist vor allem im Hinblick auf den demografischen Wandel von großer Bedeutung. Es geht nicht nur um die Zeit für die Kinderbetreuung. Das Thema Pflege wird ebenfalls wichtiger. Immer mehr Mitarbeiter müssen sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Wenn wir solche Anforderungen in einen vernünftigen Ausgleich mit den Betriebsanforderungen bringen, wird nicht nur der Mitarbeiter das wertschätzen, sondern wir als Arbeitgeber profitieren ebenfalls davon – im Sinne

von mehr Motivation und besseren Arbeitsergebnissen. Wir haben im Übrigen auch gute Erfahrungen gemacht mit Ausbildung in Teilzeit. Es gibt in Hannover eine Organisation mit Namen Sina, die sich um junge Frauen kümmert, die schon sehr früh Mutter geworden sind. Viele von ihnen sind alleinerziehend. Im Verbund mit anderen Unternehmen bilden wir die jungen Mütter in Teilzeit aus, und ich muss sagen, dass sie zu unseren besten Auszubildenden zählen. Haben Ihre Führungskräfte die Arbeitszeit-Flexibilität der Mitarbeiter akzeptiert? Mit Führungskräften haben wir dann keine Schwierigkeiten, wenn wir als Personaler unseren Job richtig gemacht haben. Wenn Arbeitszeitmodelle entwickelt werden – und an mancher Stelle muss der HR-Bereich hier eine Vorreiterrolle spielen –, dann müssen sie auch beworben und es muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Deshalb ist es so wichtig, die Führungskräfte möglichst früh bei solchen Veränderungen mitzunehmen. Das tun wir.

»Ich glaube, in vielen Unternehmen wird sich ohne Quote nichts bewegen.« Die Führungskräfte haben also keine Probleme, wenn Ihre Mitarbeiter weniger arbeiten? Weniger wird meistens nicht gearbeitet, sondern effizienter. Aber es gibt die Möglichkeit an verschiedenen Orten zu arbeiten oder die Arbeitszeit wird über den Tag gestreckt, wenn mittags mal was Privates zu tun ist. Natürlich gibt es auch bei uns Bereiche, in denen ein bestimmter Arbeitszeitrahmen abgedeckt werden muss. Dazu gehören insbesondere die, die im direkten Kundenkontakt stehen. Innerhalb dieses Rahmens beginnt dann die Organisationsaufgabe des Vorgesetzten. Er muss die betrieblichen Interessen sowie die Interessen der Arbeitnehmer abgleichen und für beide Seiten das Beste rausholen. Das klingt nach einer Herkules-Aufgabe. Das ist weniger Herkules-, als eine fortwährende Aufgabe. Aber das macht auch den Reiz aus.

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Peter Engelen

Foto: Privat

Vom Referenten für Arbeitsrecht zum Personalvorstand: Als Peter Engelen 1984 seine berufliche Karriere bei dem heutigen Touristikunternehmen begann, hieß die TUI AG noch Preussag und agierte als Mischkonzern. Von 1995 bis 2001 war der promovierte Jurist Leiter der Hauptabteilung Konzern-Belegschaftswesen der Preussag AG. Danach wurde er in den Vorstand berufen. Peter Engelen ist nicht nur für Personal, sondern auch für das Ressort Recht verantwortlich. Außerdem sind ihm das Umweltmanagement, das Immobilienmanagement sowie die TUI Insurance Services zugeordnet. Des Weiteren ist der 55-Jährige Chief Compliance Officer. Die Preussag AG hat sich 2002 in TUI AG umbenannt. Sie ist heute in Europa nach eigenen Angaben der führende Touristikkonzern und hat weltweit mehr als 70.000 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2009/10 erzielte die TUI einen Umsatz von 16,35 Milliarden Euro.

Im Rahmen der flexiblen Arbeitszeiten gibt es ein besonders spannendes Thema, nämlich Führungskräfte in Teilzeit. Wird bei der TUI in Teilzeit geführt? Das gibt es aus meiner Sicht bisher noch nicht in ausreichendem Maße. Also nur vereinzelt? Vereinzelt, ja. Es ist jedoch kein typisches TUI-Problem. Es liegt eher an der in Deutschland dominierenden Präsenz-Kultur. Unser Bestreben sollte es sein, mehr auf eine leistungsorientierte Kultur zu setzen.Was zählt, ist das Ergebnis und nicht die Anwesenheit im Büro. Wenn dieser Kulturwandel geschafft ist, dann werden auch vermehrt Führungskräfte in Teilzeit akzeptiert werden – von Vorgesetzten, im Kollegenkreise und von den eigenen Mitarbeitern. Das ist unter anderem eine Kommunikationsaufgabe, die auch von uns Personalern übernommen werden muss. Wird Karriere also Ihrer Meinung nach nicht nach Feierabend gemacht? Das ist genau das, was wir durchbrechen müssen. Da sind gerade wir Männer aufgerufen.Wir sind nämlich immer noch die Hüter der gläsernen Decke, die den Aufstieg der Frauen in Führungspositionen erschwert. Und man darf auch nicht vergessen, dass die Diskussionen zu Frauen in Führungspositionen und Arbeitszeiten von Männern dominiert werden. D E Z E M B E R

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Sind Sie Befürworter einer Frauenquote? Ich glaube, dass sich in vielen Unternehmen ohne Quote nichts bewegen wird. Bei TUI Deutschland haben wir momentan 39 Prozent Frauen in ManagementPositionen. Man muss aber sagen, dass wir einen Vorteil haben, denn 70 Prozent unserer Mitarbeiter sind Frauen. Wir haben also ein viel größeres Potenzial als andere Unternehmen aus dem wir schöpfen können. Auf der zweiten Management-Ebene sind die Frauen schon relativ gut bei uns vertreten. Im Vorstand allerdings sind wir nur Männer. Das gilt mit einer Ausnahme ebenfalls für unsere deutschen Beteiligungsgesellschaften. Daran müssen wir arbeiten. Eine Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten ist das Job Sharing. Was halten Sie davon? Job Sharing gibt es vereinzelt in Dienstleistungs- oder Assistenzfunktionen. In Führungspositionen allerdings noch nicht. Ich halte Job Sharing für eine spannende Geschichte, die funktionieren kann. Das Schwierige dabei ist jedoch die persönliche Ebene. Job Sharing erfordert ein hohes persönliches Commitment der Beteiligten. Wenn jemand aus dem Job Sharing ausschert, weil er oder sie zum Beispiel eine Familienphase hat, ist das schwierig, das wieder hinzukriegen.

Bei TUI findet zurzeit ein Konzernumbau statt. Man will sich stärker auf das Online-Geschäft konzentrieren. Es soll auch einen Jobabbau geben. Welche Möglichkeiten bieten hier die Arbeitszeiten als Flexibilitätsinstrument? Ein solches Instrument kann helfen, Abbauprozesse zu gestalten. In einem direkten Zusammenhang möchte ich das jedoch nicht sehen. Beim Thema Umbau ist für mich mehr die Zukunftsfähigkeit das entscheidende Schlagwort. Bei uns ist beispielsweise, wie Sie sagen, der Ausbau von E-Commerce ein großes Thema. Wir brauchen zukünftig ganz andere Arbeitszeitmodelle, moderne Arbeitsformen und mehr Möglichkeiten an verschiedenen Orten zu arbeiten. Es findet in unserer Gesellschaft ein Wertewandel statt. Gerade wenn wir junge Menschen für uns gewinnen wollen, dann müssen wir uns auf Arbeitszeitformen einlassen, die eine verstärkte Individualisierung zulassen. Dafür ist ein großes Vertrauen notwendig. Als Personalverantwortlichem war es mir nie wichtig, an welchem Ort unsere Mitarbeiter gearbeitet haben. Ergebnis und Qualität der Arbeit sind doch entscheidend. Ich bin überzeugt, wenn wir den Mitarbeitern hohe Eigenverantwortung geben, hat das einen hohen motivierenden Charakter. Wird bei TUI gar keine Arbeitszeit mehr erfasst? Welche Gefahren bringt das mit sich? Es gilt für unsere Mitarbeiter die Vertrauensarbeitszeit – wo es möglich ist. Ich will nicht verschweigen, dass der Betriebsrat die Gefahr der Selbstausbeutung sieht, weil Mitarbeiter über Gebühr mit Arbeiten beansprucht werden, die in einer normalen Zeit nicht zu schaffen sind. Deswegen betrachtet er eine zu weite Ausdehnung der Vertrauensarbeitszeit in die Belegschaft hinein kritisch. Natürlich sind wir als Unternehmen aufgerufen, genau hinzugucken, was unsere Mitarbeiter leisten, was sie in der Lage sind zu leisten und, ob wir sie nicht eventuell überfordern – dann muss man gegensteuern. Das Interview führte Jan C. Weilbacher

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Insgesamt verbringen wir 15 MONAT E unseres Lebens in Einkaufsmärkten und Modeläden.

s Lebens ere uns re Jah halb iein Knapp zwe --–it–-–bes–––chä–-ftigt, sind wir dam Mahlzeiten zuzubereiten.

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Viele Menschen sehnen sich aufgrund des wachsenden Zeitdrucks nach Entschleunigung. Dabei bekommt die Stille einen neuen Reiz und schafft neue Märkte. Bislang oft verschmähte Reiseziele locken immer mehr Stressgeplagte an, und auch Coaches stellen sich auf geänderte Bedürfnisse ein.

ern abfedern können. Inzwischen, so Ermert, würden Häuser vor allem von Unternehmen bevorzugt an Zielen gebucht, die sonst nicht so einfach zu vermitteln seien. Abgelegene oder von den Touristenscharen eher links liegen gelassene Regionen bekommen plötzlich einen ganz neuen Charme, eben weil sie so wenige laute und bunte Attraktionen zu bieten haben.

Offline-Garantie

Es muss S ja nicht gleich Grönland sein

Illustration: Burkhard Piller

inn-Woche im Piemont, Farmurlaub in Grönland, Digital Detox in den USA, Coaching im Kloster oder Medical Wellness in Rheinland-Pfalz – wer eine Auszeit vom hektischen Alltag sucht, findet inzwischen viele neue Angebote, die Entschleunigung versprechen. Simplicity-Ratgeber, Yoga und Slow-Food haben Konjunktur, das Geschäft mit der Ruhe boomt. „Viele Großunternehmen suchen inzwischen bewusst reduzierte Tagungsorte, an denen Nachhaltigkeit und Wertigkeit eine große Rolle spielen“, weiß etwa Horst Ermert, Geschäftsführer der VCH (Verband Christlicher Hoteliers e.V.) Hotels Deutschland GmbH. Reduziert, das heißt für die angeschlossenen Partnerhotels, deren Träger in vielen Fällen die Evangelische Kirche ist, beispielsweise kein Telefon oder Fernsehgerät auf dem Zimmer. Auf Wunsch könne die Ausstattung erweitert werden. Doch eigentlich sollen die Gäste am Abend „zu sich selbst finden“, so Ermert. „Die Verlangsamung ist hier ganz bewusst geplant.“ Alle Häuser hätten zudem einen Raum der Stille, der nicht religionsgebunden sei. Die Prämisse der Gründerväter „herberget gern“ solle überall zu spüren sein – von der Speisekarte bis hin zur nachhaltigen Energietechnik oder dem freundlichen Azubi. „Wir spüren, dass die Nachfrage steigt“, berichtet Ermert. Das freut nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch die Gemeinden, die so den Rückgang der Kirchensteu-

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Das hat auch die Marketingkooperation Städte in Schleswig-Holstein (MakS) erkannt, die für ihre Kampagnen in der Vergangenheit bereits mehrfach den Deutschen Tourismuspreis bekam. Ihre jüngste Idee heißt „Unerreichbar in Schleswig-Holstein“. Die humorvolle Kampagne spricht nicht nur Privatleute, sondern auch Geschäftsreisende an. „Viele nehmen sich für alles Zeit, nur für das eigene Wohlgefühl nicht“, erklärt Andrea Gastager, Geschäftsführerin und Vorsitzende der MakS. Entschleunigungsurlaub ohne Freizeitstress und elektronikfreie Aktivitäten stehen im Mittelpunkt der eigens entwickelten Angebote. Ob Ausflug mit Waldziege Olga, Picknick mit Handysitter oder Segeltörn mit OfflineGarantie – die Besucher sollen motiviert werden, einfach mal gar nichts zu tun. Als Einstieg eignet sich dabei das Buch „Müßiggang in Schleswig-Holstein“ mit leicht umsetzbaren Tipps zur Entschleunigung. „Die unberührte Natur ist die schönste Wellnessabteilung“ ist auch das Credo der Marke „IchZeit“, die im Jahr 2009 auf Initiative der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH ins Leben gerufen wurde. Mit speziellen Angeboten rund um Wellness, Medical Wellness und Entschleunigung sollen die Erholungssuchenden lernen, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. „Das Souvenir der Reise zum Ich ist Ausgeglichenheit, Entspannung und der Vorsatz, es künftig ein bisschen ruhiger anzugehen“, sagt Projektleiterin Jeanette Dornbusch. Mit interaktiven Aktionen, wie dem IchZeit-Blog oder der Suche im Netz nach dem „Wohlfühlscout“ wollen die beteiligten Häuser in ruhiger Lage darüber hinaus Aufmerksamkeit über das Internet gewinnen. „Die Produkte im Bereich Entschleunigung und Wellness sprechen eine größere Zielgruppe an und werden gerne angenommen“, so 39


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Marketing-Masche Auch Wellnessprogramme mit fachärztlicher Begleitung haben laut Hertel dabei ihre Berechtigung, sollten zuvor jedoch genau unter die Lupe genommen werden. „Medical Wellness ist keine ärztliche Behandlung, sondern Verhaltensmedizin“, stellt Hertel klar. In vielen Fällen handele es sich bei den Angeboten um eine „reine Marketing-Masche“. Deshalb hat der Deutsche WellnessVerband Qualitätssiegel entwickelt, mit denen geprüfte Anbieter zertifiziert werden. Fernab von Massagen und WellnessAnwendungen suchen immer mehr Gehetzte auch Zuflucht in der Askese. Klosterurlaube haben sich inzwischen zu einem großen Markt entwickelt, ebenso wie die Produkte, die in Klöstern hergestellt werden – von der Medizin aus der Abtei bis hin zu Sandalen, die in einer Pariser Ordensgemeinschaft gefertigt und bei Manufactum zu bestellen sind. Gesucht wird das Gute, das Ursprüngliche. Brigitte Jülich, Psychotherapeutin und sogenannter 40

Handy aus und raus aus der Tretmühle: In Schleswig-Holstein setzt man auf den Müßiggang-Tourismus – und dementsprechende Motive.

Erfolgs-Coach aus Dortmund, hat vor einigen Jahren in einer eigenen Fortbildung das Kloster als ideale Umgebung für Seminare entdeckt. Seit 2005 bietet sie Klosterreisen für kleine Gruppen an. „Die meisten meiner Klienten und Klientinnen würden nicht einfach so ein Wochenende im Kloster verbringen, da ist ein Rahmenprogramm sehr hilfreich“, sagt sie. Brigitte Jülich hat auf den Reisen beobachtet, dass „die Menschen ihren Urlaub besser als ihr Leben planen“. Ihrer Ansicht nach suchen „die Teilnehmerinnen Ruhe, aber kein Wellnesshotel,

Fernab von Massagen suchen immer mehr Gehetzte Zuflucht in der Askese. sie wollen nette Gesellschaft, aber auch Zeit für sich, sie wollen zur Besinnung kommen, Anregungen für ihr Leben und neue Impulse finden. Von den Reaktionen ihrer größtenteils weiblichen Teilnehmer ist sie dabei immer wieder überrascht. „Viele von

ihnen merken erst im Kloster, wie beschleunigt sie eigentlich leben“, so Jülich. „Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Dame aus der Internetwirtschaft, die nach dem Frühstück auf dem Flur stand und verzweifelt fragte: Was mache ich denn jetzt?“ Jülich setzt in ihrem Programm deshalb auf EntspannungsÜbungen, Abend-Meditationen oder Spaziergänge, in denen gezielt die fünf Sinne angesprochen werden. „Alle sollen zu sich selbst finden und gestärkt nach Hause fahren.“ Neue Impulse für Privat- und Arbeitsleben, im besten Falle Glück, Erfolg und Schutz vor Burnout versprechen immer mehr Coaches. Allerdings ist der Begriff Burnout nicht klar definiert und der Begriff Coaching nicht geschützt, warnt der Deutsche Coaching-Verband. Klienten sollten deshalb auch ein gesundes Maß an Vorsicht mitbringen. Vor allem schnellen und einfachen Lösungen sollte man kritisch gegenüber stehen, raten Experten. Doch auch langjährig erfahrene Coaches müssen sich vor dem Hintergrund der aktuellen Burnout-Diskussion und der Sehnsucht nach Entschleunigung neu auf die Bedürfnisse der Interessierten einstellen. So hat Ursula Hinkel aus München bemerkt, dass viele Klienten bei einem Ausdruck wie „Work-Life-

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die IchZeit-Zwischenbilanz von Jeanette Dornbusch. Auf der anderen Seite ist die Hemmschwelle in Sachen Medical Wellness noch hoch. „Hier muss der Kunde erst das Haus kennen, damit er auch wirklich teure medizinische Urlaube bucht und den Mehrwert für seine eigene Gesundheit sieht.“ Lutz Hertel, Diplom-Psychologe und Vorsitzender des Deutschen Wellnessverbands, sieht vor allem die wachsende Zahl von Wellness- und Medical-Wellness-Angeboten mit gemischten Gefühlen. Da der Begriff Wellness nicht geschützt sei, bringe man damit häufig nur Sauna und Whirlpool, Sinnesrausch und Luxus-Ambiente in Verbindung. Der Kerngedanke der in den USA entstandenen Gesundheitsbewegung sei jedoch, Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen. Hertel, Experte für Gesundheitsmanagement, sieht beispielsweise den Schlüssel für die Entschleunigung in der eigenen Lebensphilosophie: „Sie können sich dafür entscheiden, den Wahnsinn weiter mitzumachen, oder Sie können aussteigen – das heißt aber auch, dass Sie die Kontrolle und die Verantwortung für Ihr Leben übernehmen müssen“, so Hertel. „Dazu gehört vor allem, nicht nur den Körper regelmäßig zu trainieren, sondern auch die Seele.“


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Balance“ gleich dicht machen und innerlich gar nicht mehr offen für Veränderungen seien. Zudem sei es für viele schwierig, etwas zu verändern, weil sie dann raus müssten aus ihrer „Komfortzone“. Brigitte Jülich hat beobachtet, dass ihre Klienten müder geworden sind, als noch vor ein paar Jahren. Als Reaktion daraus hat sie ihre Seminarinhalte reduziert und dosiert diese nun gezielter. Jörn Ehrlich, Management-Coach aus Hamburg sieht, dass viele Klienten unter der zunehmenden Rollenvielfalt leiden. „Ein Manager soll heute knallhart Entscheidungen treffen, aber einen liberalen Führungsstil pflegen. Man soll sportlich fit sein und gut aussehen, gleichzeitig aber im Haushalt helfen und ein liebevoller Vater und Partner sein. Damit kommen viele nicht mehr klar.“ Der Schlüssel, so Hinkel, sei somit bei jedem Coachee die eigene Einstellung. „Wenn mein Selbstwert gesund ist, dann weiß ich, wann ich nein sagen kann und muss und lasse mich nicht

über mein Maß hinaus antreiben.“ Die Gesellschaft gebe den Beschleunigungsmodus vor und beeinflusse somit heute die Lebensgestaltung und Wertvorstellung des Einzelnen, sagt Ehrlich. „Die gesellschaftlich vereinbarten Ruheräume werden immer kleiner – man kann am Samstag bis 22 Uhr einkaufen, und durch das Smartphone gibt es keinen wirklichen Feierabend und kein klar geregeltes Wochenende mehr.“ Seinen eigenen Bedürfnissen nachzuspüren oder Probleme in der Tiefe zu durchdenken – diesen Raum nehmen sich viele Menschen deshalb nicht mehr. Doch genau hier liege der Ansatz für ein gedrosseltes und gesundes Lebenstempo. Wo und wie auch immer, „Entschleunigung ist lernbar“, ist Wellness-Experte Lutz Hertel überzeugt. „Entschleunigung heißt vor allem, im Jetzt zu sein – und das kann man üben.“ Simone Fasse

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Zeitarbeitsfirmen kämpfen momentan an vielen Fronten. Politiker drängen sie dazu, Mitarbeitern die gleichen Gehälter zu zahlen, die für Stammbelegschaften der Kunden gelten. Zudem gefährdet der zum Teil schlechte Ruf der Branche weiteres Wachstum.

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Foto: www.dreamstime.com; Illustration: Burkhard Piller

ut möglich, dass der CDU-Parteitag Mitte November in Leipzig für die Zeitarbeitsbranche so etwas wie eine Zeitenwende eingeläutet hat. Die Delegierten segneten eine Forderung ab, die bisher nur einzelne Politiker der Regierungspartei formuliert hatten. „Die CDU Deutschlands spricht sich dafür aus, den Grundsatz ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort‘ für Zeitarbeitnehmer nach einer angemessenen Einarbeitungszeit konsequent umzusetzen“, heißt es im Parteitagsbeschluss. „Die Tarifpartner sind aufgefordert, die angemessene Einarbeitungszeit auszuhandeln.“ Entsprechende Gespräche zwischen den Arbeitgebern der Zeitarbeitsbranche und den Gewerkschaften laufen zwar bereits. Doch mit dem aktuellen Beschluss dürfte die CDU den Druck auf die Verhandlungspartner kräftig erhöht haben. Denn der Text, den der Parteitag beschloss, enthält eine kaum verhohlene Drohung: Falls sich die Tarifpartner bis zum Frühjahr kommenden Jahres nicht einigen, soll die Bundesregierung eine Kommission einsetzen, die festlegt, wie lange der Lohn eines Zeitarbeitnehmers in einem Unternehmen von dem der dort angestellten Mitarbeiter abweichen darf. Vermutlich geht die CDU bei dem Thema auch deshalb so forsch vor, weil sie die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiß. 82 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass Stammbelegschaft und Leiharbeiter in einem Unternehmen für die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden sollen, ergab eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Die Diskussion um gleiche Löhne, in der Branche „Equal Pay“ genannt, ist nicht die einzige Baustelle der Zeitar-

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beitsbranche im Zusammenhang mit der Bezahlung der Mitarbeiter. Ende 2010 hatten Zeitarbeitsunternehmen und Gewerkschaften einmütig von der Politik verlangt, den tariflich ausgehandelten Mindestlohn für die Branche gesetzlich zu beschließen. Hintergrund war die Sorge, dass im Zuge der neuen Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus osteuropäischen EU-Ländern eine Welle von Billig-Arbeitskräften den deutschen Markt überschwemmen könnte. Im Februar stimmte der Bundestag dem Ansinnen zu und beschloss eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Doch obgleich bislang die Lohnuntergrenze nicht für alle Zeitarbeitsunternehmen gilt, da sie vom Bundesarbeitsministerium noch nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde, ist der Ansturm aus Osteuropa ausgeblieben. Werner Stolz, Geschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), hält einen Mindestlohn dennoch für sinnvoll. „Wir können nur mutmaßen, was geschehen wäre, wenn nicht klar gewesen wäre, dass eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze kommt.“ Anfang 2012 dürfte sie endlich Realität sein, hofft Stolz.

Skeptische Deutsche Für die Branche sind die Themen Mindestlohn und Equal Pay auch deshalb wichtig, weil sie hofft, dass sie damit ihr

Mindestlohn, „Equal Pay“, Fachkräftemangel: In der Zeitarbeitsbranche ist derzeit viel in Bewegung.

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Aufschwung lässt die Branche wachsen Umsatz und Mitarbeiterzahl der größten Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland; Quelle: Lünendonk, Stand: Mai 2011

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Randstad Adecco Manpower Persona Service AutoVision I.K. Hofmann ZAG Zeitarbeits-Gesellschaft USG People

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Umsatz in Mio Euro 2010 2009 1.729 1.320 1.197 990 596 451 538 328 443 287 310 163 285 201 273,2 215,6 237 187 226 174

Image aufpolieren kann. Denn der Ruf der Zeitarbeit ist in Deutschland besonders schlecht, zeigte jüngst eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) im Auftrag des internationalen Personaldienstleister-Verbands CIETT. Danach halten in Deutschland nur 42 Prozent der Bürger einen Arbeitsplatz bei einem Zeitarbeitsunternehmen für erstrebenswert. In den Nachbarländern sieht das ganz anders aus: In Frankreich, Polen, Belgien und Großbritannien finden mehr als zwei Drittel der Bürger einen Zeitarbeits-Job attraktiv. Ähnlich sieht es bei der Frage aus, ob Zeitarbeit einen Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt unterstützt. An diese These glauben in Deutschland deutlich weniger Menschen als im benachbarten Ausland.

Start der Werbekampagne Ein Grund für das schlechte Image der Zeitarbeitsbranche ist wohl die Affäre um die Drogeriekette Schlecker. Das Unternehmen hatte ehemalige Mitarbeiter als Zeitarbeiter wieder eingestellt – zu deutlich schlechteren Konditionen als zuvor. Zwar verbietet ein neues Gesetz diese Praxis nun in den ersten sechs Monaten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. „Der Imageschaden für unsere Branche ist dennoch immens“, klagt iGZ-Geschäftsführer Stolz. Die Zeitarbeitsbranche will sich deshalb in Zukunft verstärkt der Imagepflege widmen und sich erfolgreicher als in der Vergangenheit als guter und verantwortungsvoller Arbeitgeber darstellen. Das ist ein Grund, warum sich zwei der großen Branchenverbände im 44

Interne Mitarbeiter 2010 2009 2.600 2.500 2.258 2.400 1.150 1.200 1.565 1.534 387 333 356 347 500 520 591 664 470 431 330 290

Sommer zusammengeschlossen haben. Anfang Juli fusionierten der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) zum neuen Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP). „Wir sind sicher, dass wir mit dem neuen Verband schlagkräftiger werden und in der Öffentlichkeit noch mehr Gehör finden“, sagt der BAP-Vorsitzende Volker Enkerts, Geschäftsführer des Hamburger Zeitarbeitsunternehmens FlexTime. Um die Vorzüge der Zeitarbeit öffentlich herauszustellen, hat der neue Verband eine Werbekampagne gestartet, die drei Jahre lang laufen soll. Die Idee: Der Verband präsentiert Menschen, die mit einem Zeitarbeits-Job ihr berufliches Glück gefunden haben. So konnten die Leser des Hamburger Abendblatts jüngst die Geschichte eines Hamburger Familienvaters lesen, der von einem Zeitarbeitsunternehmen in der Techniksparte der Lufthansa eingesetzt wurde – und dann dort in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wurde. „Wenn wir die Schicksale echter Menschen zeigen, wirkt unsere Botschaft besonders überzeugend“, hofft Verbandschef Enkerts. Das Ansehen der Branche werde sich weiter verbessern, wenn der Mindestlohn Realität und beim Thema Equal Pay eine Lösung gefunden sei, meint der BAP-Chef. „Dann werden die Gewerkschaften hoffentlich aufhören, Stimmung gegen unsere Branche zu machen.“ In den vergangenen Monaten hatten die Arbeitnehmerorganisationen zu äußerst plakativen Formen des Protests gegriffen. So hatte die Dienstleis-

Zeitarbeitnehmer 2010 2009 60.700 43.500 34.382 29.343 24.600 20.500 17.100 11.300 11.170 6.506 12.253 7.333 11.200 8.950 10.000 8.000 8.200 6.450 6.050 4.500

Wenn Zeitarbeiter dasselbe verdienen wie die Stammbelegschaft, so die Hoffnung, werde sich das Image der Branche verbessern.

tungsgewerkschaft Verdi in der Bochumer Innenstadt einen „Sklavenmarkt“ inszeniert und Menschen Ketten um den Hals gelegt, um unterschiedliche Löhne von Zeitarbeitern und Mitgliedern der Stammbelegschaft in Unternehmen anzuprangern. Solchen konfrontativen Aktionen konnte die Zeitarbeitsbranche bisher kaum etwas entgegensetzen. Dabei haben die Unternehmen durchaus gute Argumente. So hat die BCG-Studie mit dem gängigen Vorurteil aufgeräumt, die Zeitarbeit verhindere das Entstehen neuer regulärer Arbeitsplätze. Drei Viertel der befragten Unternehmen würden nämlich selbst dann keine neuen Mitarbeiter einstellen, wenn sie keine Zeitarbeiter beschäftigen könnten.

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Stattdessen würden sie Überstunden anordnen oder Aufträge ablehnen, gaben sie zu Protokoll. Vor diesem Hintergrund ist das jüngste Wachstum der Zeitarbeitsbranche auch für die Allgemeinheit eine gute Nachricht. Im vergangenen Jahr haben die Unternehmen stark vom Wirtschaftsaufschwung profitiert, zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Zwischen Januar und Dezember 2010 kletterte die Zahl der Zeitarbeitnehmer in Deutschland um fast 40 Prozent auf 877.000 Menschen.

Mangel an Fachkräften Die Anbieter sind zuversichtlich, dass der Markt auch in den kommenden Jahren kräftig wachsen wird. Immerhin sind erst zwei Prozent aller Beschäftigten in Deutschland in der Zeitarbeit tätig. Und viele Arbeitgeber schätzen die Möglichkeit, Personal flexibel einsetzen zu können. Doch obwohl die Wachstumsaussichten auf den ersten Blick vielversprechend sind, könnte sich das Imageproblem der Branche als Wachstumsbremse erweisen. Vor allem die großen Anbieter arbeiten deshalb daran, sich eine Arbeitgebermarke zu erschaffen oder sie aufzupolieren. „Wir sind keine Arbeitgeber zweiter Klasse, sondern bieten unseren Mitarbeitern unbefristete, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und eröffnen ihnen vielerlei Perspektiven“, wirbt etwa Peter Blersch, Vorstand des Zeitarbeitsan-

bieters DIS. Das Unternehmen hat sich auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften spezialisiert. Gerade bei dieser Zielgruppe sei ein tadelloser Ruf des Arbeitgebers von großer Bedeutung, argumentiert Blersch. Darauf will er auch mit einer entsprechenden Unternehmenskultur hinarbeiten. „Zu unseren Kernwerten gehören die gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung.“ Doch mit weichen Faktoren allein kann das Unternehmen beim Rekrutieren von Mitarbeitern nicht punkten, immerhin steht es bei der Suche nach Personal oft im Wettbewerb mit den eigenen Kunden. „Wir müssen unseren Mitarbeitern noch stärker als in der Vergangenheit Perspektiven aufzeigen, um sie für die Zeitarbeit zu begeistern“, sagt Blersch. Das könne auf zwei Arten funktionieren. Erstens müssten Zeitarbeitsunternehmen es ihren Mitarbeiter ermöglichen, laufend neue Qualifikationen zu erwerben. Und zweitens müssten sie die Angestellten dabei unterstützen, bei passender Gelegenheit einen festen Arbeitsplatz bei einem Kunden anzutreten. Auf diesem Weg will auch Ingrid Hofmann die Grundlage dafür legen, dass ihr gleichnamiges Zeitarbeitsunternehmen weiter so stark wachsen kann wie in der Vergangenheit. Hofmann gehört zu den Top Ten der Branche. Und der Wechsel von Mitarbeitern zu Kunden ist bei ihr längst Alltag. „Allein zwischen Januar und September dieses Jahres haben wir fast 30 Prozent unserer

Mitarbeiter an Kunden verloren“, sagt sie. Sorgen bereitet dieser Aderlass der Unternehmerin nicht. Denn Hofmanns Recruiter profitieren vom guten Ruf des Arbeitgebers. So haben sich zuletzt 19 Prozent der Mitarbeiter, die Hofmann eingestellt hat, initiativ bei dem Zeitarbeitsunternehmen beworben. Diese Zahl ist genauso hoch wie die Anzahl der Mitarbeiter, die die Arbeitsagentur an das Unternehmen vermittelt hat. Außerdem empfehlen Hofmanns Mitarbeiter oft Freunde und Bekannte: Aus diesem Kanal kommen 14 Prozent der Mitarbeiter. Den Ruf eines guten Arbeitgebers müsse man als Zeitarbeitsunternehmen besonders gut pflegen, meint Hofmann. „Wir müssen den Vorwürfen der Gewerkschaften in Zukunft noch stärker entgegentreten und zeigen, dass wir attraktive Arbeitsbedingungen und spannende Aufgaben bieten.“ Das gilt umso mehr, als das Geschäft mit der Vermittlung von gering qualifizierten Mitarbeitern immer unattraktiver wird. Hier sind die Margen zuletzt gesunken. Gleichzeitig spüren die Kunden der Zeitarbeitsunternehmen einen Mangel bei Fachkräften. Hofmann hat deshalb neben Akademikern längst weitere neue Mitarbeiter im Visier. „Frauen, die nach der Kinderpause wieder in den Beruf einsteigen wollen, werden in Zukunft eine wichtige Zielgruppe sein“, sagt sie. „Hier bieten sich uns große Chancen.“ Christoph Hus

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ZeitmanagementRatgeber boomen. Sie geben Tipps, wie man produktiver arbeitet und sich auf das Wesentliche konzentriert. Doch in unserer hektischen Welt reichen diese Tipps nicht.

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heiten, um das Aufstellen von Plänen und deren Umsetzung, um Selbstorganisation und vor allem Selbstdisziplin. Doch egal, ob nun Tipps zum Leben oder zum schnöden, praktischen Alltag – die Menschen brauchen Hilfe. Dies zumindest lassen die zahlreichen Bücher, Seminare und Internetseiten zum Zeitmanagement vermuten. Und von allen Coaches, die sich auf dem Markt tummeln, ist Lothar Seiwert nicht nur der bekannteste, sondern auch der emsigste und wohl erfolgreichste. Seine Bücher tragen Titel wie: „Das 1x1 des Zeitmanagement“, „Mehr Zeit für das Wesentliche“, „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“ oder „Die Bären-Strategie: In der Ruhe liegt die Kraft“. Das erfolgreichste Buch hat er zusammen mit Werner Tiki Küstenmacher verfasst, „Simplify your life“. Es soll sich mehr als zwei Millionen Mal verkauft haben. Das klassische Zeitmanagement, das darauf abzielt, bei gleichem Zeiteinsatz mehr zu erreichen, es spielt natürlich gerade in Bezug auf den Arbeitsalltag eine große Rolle. Meetings, Terminfristen, mehrere Projekte gleichzeitig – Zeitdruck gehört zu den meisten Jobs dazu. Gerade weil sich in Zeiten der Wissensgesellschaft die Taktzahl erhöht hat, stellt sich das Gefühl: „Keine Zeit zu haben“, bei immer mehr Be-

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Foto: Speakers Excellence

Der Guru W hat sich losgesagt

enn man mal Lothar Seiwert – wohl der bekannteste Zeitmanagement-Experte Deutschlands – bei einem seiner Vorträge gesehen hat, kann man gut verstehen, warum er auch „Zeitmanagement-Guru“ genannt wird. Denn bei ihm geht es nicht einfach nur um Tipps und Tricks, wie man seine Arbeit und seinen Alltag am besten plant und organisiert – bei Seiwert geht es ums große Ganze. Er will bei den Zuhörern ein Bewusstsein schaffen, für die Zeit und ihre Vergänglichkeit natürlich, aber vor allem für die individuellen Wertepräferenzen. Was hält der Einzelne für besonders wichtig? Und wenn sich Seiwert daran macht, den Blick der Seminarteilnehmer zu schärfen, dann säuselt er auch schon mal – vor dem Hintergrund einer pathetischen YogaMelodie – Dinge wie: „Angenommen, Sie hätten noch einen Tag zu leben und wüssten, das ist mein letzter Tag. Wie würden Sie ihren letzten Tag verbringen wollen?“ Experten wie Seiwert sind eigentlich Lebenshilfe-Coaches. Die Grenzen sind ohnehin fließend, schließlich gibt es Zeitmanagement strenggenommen gar nicht. Dass die Zeit verstreicht, daran kann man nichts ändern, weshalb sie sich eher schwer managen lässt. Zeitmanagement ist Selbstmanagement. Es geht um das Ändern von Gewohn-

Wo er Lebensweisheiten verbreitet, hören die meisten gebannt zu: Lothar Seiwert


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schäftigten immer öfter ein. Die moderne Kommunikationstechnik, oder vielmehr der ungeübte Umgang mit ihr, trägt zusätzlich zum Gefühl des gehetzt seins bei. Die schnelllebige Arbeitsgesellschaft ist also ein idealer Nährboden für Beratungsangebote und Tipps, die helfen, die Arbeitsleistung zu steigern, Möglichkeiten der Zeiteineinsparung aufzuzeigen, und das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen.

Analyse der Zeitfresser Es macht ja durchaus Sinn, die eigene Arbeitsweise und das Organisieren der anstehenden Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen und zu reflektieren. Eine Analyse der Zeitfresser und das Bewusstmachen des eigenen Zeitverhaltens ist deshalb stets der Anfang für ein produktiveres Arbeiten. Eine allgemeine Patentlösung – das wird schnell klar, wenn man sich mit dem Thema Zeitmanagement beschäftigt – gibt es allerdings nicht. Die beruflichen Anforderungen sind eben unterschiedlich und die Menschen haben ihre persönlichen Vorlieben. Jeder muss sein individuelles Zeitmanagement-System finden. Ein paar allgemeingültige Hinweise lassen sich dennoch in den vielen Ratgebern finden. Zum Beispiel, dass Produktivität und Kreativität verloren gehen, wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigt werden müssen. In einem Interview mit Handelsblatt Online sagte dazu Seiwert einmal: „Multitasking war lange schick. Doch aktuelle Ergebnisse aus der Hirnforschung belegen, dass wir das nicht können. Wir sind langsamer und machen mehr Fehler.“ Wenn man sich also auf eine Aktivität konzentrieren kann, ist Zeitdruck nicht unbedingt ein Problem. Bei so ziemlich allen Zeitmanagement-Methoden lässt sich zudem finden, dass eine Kategorisierung von Aufgaben wichtig ist. Es müssen Prioritäten gesetzt werden, anhand dieser die jeweilige To-do-Liste des Tages abgearbeitet wird – Zeitprobleme sind vor allem Prioritätenprobleme. Das Wichtige und Dringende wird zuerst erledigt. Das Unwichtige und nicht so Eilige kommt nach hinten. Für jede Aufgabe wird außerdem abgeschätzt, wie viel Zeit sie ungefähr in Anspruch nehmen wird. Was man ebenfalls oft findet, ist der Appell wirklich konzentriert und unterbrechungsarm zu arbeiten, wenn D E Z E M B E R

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ZeitmanagementMethoden ABC-Analyse Die ABC-Analyse ist ein Instrument, um sich einen Überblick über die Ist-Situation zu verschaffen und wesentliche Aufgaben von unwesentlichen zu trennen. Sie werden mit Prioritäten versehen. A-Aufgaben sind dann beispielsweise sehr wichtig und hochwertig, B-Aufgaben sind zwar wichtig, könnten aber eventuell delegiert werden und C-Aufgaben gelten als Routine und Kleinkram. Ziel der Analyse ist eine ausgewogene Relation, Rangordnung und Reihenfolge der Tagesarbeiten zu bekommen. Die Analyse kann auch für ein persönliches Zeitprotokoll herangezogen werden. Durch ein persönliches Zeitprofil kann man erkennen, wie viel Zeit man für welche Aufgabenkategorie verwendet. ALPEN-Methode Die Methode geht auf Lothar Seiwert zurück und soll helfen, den Tagesablauf zu planen. Die fünf Elemente sind: • Aufgaben, Termine und geplante Aktivitäten notieren • Länge schätzen • Pufferzeiten einplanen • Entscheidungen treffen • Nachkontrolle Eisenhower-Prinzip Dieses Prinzip soll auf den früheren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower zurückgehen und teilt die Aufgaben in Kategorien ein. Alle Aufgaben werden anhand der Kriterien wichtig/unwichtig und dringend/nicht dringend in vier Quadranten verteilt. Die Aufgaben im Quadrant unwichtig/nicht dringend werden nicht erledigt. Sofort erledigt werden die Aufgaben, die sowohl wichtig als auch dringend sind. Die wichtigen, aber nicht dringenden Aufgaben werden terminiert und persönlich erledigt. Die dringenden, jedoch unwichtigen Aufgaben werden an Mitarbeiter delegiert.

das nötig ist. Deshalb muss auch nicht auf jede E-Mail, die reinkommt, sofort reagiert werden. Experten empfehlen, nur jede Stunde oder noch seltener in das Mail-Konto zu schauen und die Nachrichten dann, wenn möglich, in einem Rutsch abzuarbeiten. Eine simple, aber dennoch wohl notwendige Erkenntnis ist schließlich, die Ruhe nicht zu verlieren, denn wer in Hektik verfällt, arbeitet oft uneffektiv. Man sollte sich ebenfalls überlegen, ob

jede Aufgabe perfekt erledigt werden muss, und man sollte sich klarmachen, dass man es nicht jedem recht machen kann. Zeitmanagement hat viele Schnittmengen zum Projektmanagement, geht es doch um Planung und Organisation. Und obgleich sich für den Einzelnen sicherlich viele gute Anregungen in Zeitmanagement-Büchern finden lassen, sowie Werkzeuge, um den eigenen Arbeitsablauf zu managen, zeigt der Vergleich zum Projektmanagement doch, dass – zumindest was die Arbeit in Unternehmen angeht – Zeitmanagement schnell an Grenzen stößt. Denn immer mehr wird in Projekten zusammengearbeitet und dabei spielt zwar auch Zeitmanagement eine Rolle, doch mindestens genauso geht es beispielsweise um strukturelle Faktoren. Nach Angaben der Projektmanagement-Spezialisten PM Firefighters scheitern Projekte oft nicht an unzureichender Planung oder Steuerung, sondern am mangelnden Zusammenwirken aller Beteiligten, und an deren Haltung zu den Projektzielen. „Aus diesem Grund halten verstärkt systemische Betrachtungsweisen in der Projektmanagement-Methodik Einzug“, sagt Mathias W. Vaagt von PM Firefighters.

Führung ist entscheidend In einem Unternehmenssystem kann also das beste persönliche Zeitmanagement nichts wert sein, wenn die Zusammenarbeit einfach nicht klappt, weil „die Chemie“ nicht stimmt oder die Prozesse uneffektiv gestaltet sind. Und dann sind da noch die Vorgesetzten. Im Rahmen des stark diskutierten Themas Burnout ist wohl den meisten klar geworden, dass Führung eine entscheidende Rolle spielt, wenn es um Überforderung und Überlastung geht, wenn also Führungskräfte ein Zeitverhalten an den Tag legen, das für das Wohlbefinden der Mitarbeiter alles andere als gut ist. Es ist eben schwer, sich Zeitansprüchen und -vorgaben in einem Unternehmen zu entziehen. Ein gutes Zeitmanagement kann helfen, das eigene Arbeiten effektiver zu managen – keine Frage. Doch der Zeitgeist ist mittlerweile ein anderer geworden. Die Zeitmanagement-Experten beschäftigen sich mittlerweile mehr mit einer neuen Zeitkultur. Es steht nicht mehr so sehr im Mittelpunkt: Wie arbeite ich produktiver? Sondern es 47


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DREI FRAGEN

Den Tag im Kopf Fragen an Burkhard Heidenberger, Autor und Trainer für Ziel- und Zeitmanagement Wie organisieren Sie persönlich Ihren Arbeitsalltag? Wenn ich mehrere Projekte parallel laufen habe, führe ich jeweils am Vorabend eine Tagesplanung für den kommenden Tag durch. Aus folgenden Gründen hat sich für mich die Tagesplanung am Vorabend bewährt: 1. Ich kann dadurch nach der Arbeit besser abschalten, der Kopf ist frei. Mir schwirren zu Hause nicht ständig Gedanken durch den Kopf, was ich morgen noch alles erledigen muss. 2. Schwierigkeiten, die am Vortag oft schwer lösbar erscheinen, sehe ich am nächsten Tag häufig aus einer anderen Perspektive. Das liegt daran, dass das Unterbewusstsein auch in der Freizeit und im Schlaf an Lösungen arbeitet. Durch die Tagesplanung am Vorabend wird das Unterbewusstsein intensiver aktiviert. 3. Ich beginne die Arbeit am nächsten Tag wesentlich motivierter, weil ich den Tag schon strukturiert im Kopf habe. 4. Am Morgen ist meine Konzentrationsfähigkeit am größten und ich bin noch voller Elan. Diese wertvolle Zeit will ich nicht mit der Tagesplanung verplempern, sondern nutze sie für Aufgaben, die meine volle Konzentration erfordern.

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schienenes Buch „Ausgetickt – lieber selbstbestimmt als fremdgesteuert“ hat als Untertitel die Zeile: „Abschied vom Zeitmanagement“. In dem persönlich geschriebenen Werk lässt sich Seiwerts neue Überzeugung lesen, nämlich dass Zeitmanagement keine Antwort auf die Fragen der

Meine Tagesplanung selbst ist simpel: Grundsätzlich sammle ich alle Aufgaben in einer Liste. Für die Tagesplanung nehme ich dann meine Aufgabenliste zur Hand und werfe einen Blick auf die Prioritäten. In Abhängigkeit der Prioritäten wähle ich jene Aufgaben aus, die ich am nächsten Tag erledigen will bzw. muss. Das sind in der Regel fünf, sechs Aufgaben. Für anspruchsvolle Aufgaben, die meine volle Konzentration erfordern, schotte ich mich ab. Kein Telefon und alle weiteren möglichen Unterbrecher werden so weit möglich in dieser Phase unterbunden. Weniger anspruchsvolle Tätigkeiten wie Büroroutine erledige ich in der Regel nach der Mittagspause. Welches ist Ihr wichtigstes Zeitmanagement-Tool? Ich nutze MS Outlook, weil sich diese Software für mich bewährt hat. Das soll allerdings nicht als Empfehlung gesehen werden. Denn jeder hat unterschiedliche Präferenzen und Anforderungen im Job. Die eine Person ist sehr technikaffin, liebt elektronische Tools, die andere kann damit überhaupt nichts anfangen und bevorzugt beispielsweise das klassische Zeitplanbuch. Können Sie einen ZeitmanagementTipp geben? Zeitmanagement ist eigentlich Selbstmanagement. Es geht also darum, sich selbst so zu organisieren, um in der zur Verfügung stehenden Zeit das Gewünschte bzw. Erforderliche zu erledigen. Und effektives Selbstmanagement ist ein Lernprozess. Deshalb: Immer wieder mal neue Techniken, Methoden oder Tools ausprobieren. Wenn sich etwas bewährt hat, beibehalten und forcieren. Wenn nicht, bleiben lassen, nicht länger damit auseinandersetzen und etwas Neues versuchen. So wird sich schließlich das optimale persönliche System herauskristallisieren.

Gestressten ist. Er schreibt: „Fast dreißig Jahre lang toure ich durch die Lande und erzähle hunderttausenden von Menschen, wie sie mit Stress, Komplexität und den steigenden Anforderungen besser zurechtkommen, Millionen Menschen lesen meine Bücher und sehen mich im Fernsehen, und ich versuche, Stresskompetenz zu vermitteln, wo es nur geht. Und das Ergebnis? Immer mehr Stresskranke!“ Für Seiwert ist klar, dass das, was Menschen ausbrennen lässt, nichts mit der Arbeitsbelastung zu tun hat, sondern mit dem Grad der Fremdbestimmtheit im Leben. Er plädiert deshalb für ein selbstbestimmtes Leben. Da dürften wenige widersprechen. Doch mit der Umsetzung ist es so eine Sache. Wie beim traditionellen Zeitmanagement liegt hier die größte Schwierigkeit. Jan C. Weilbacher

Zeitmanagement – Blogs zum Thema Imgriff.com (www.imgriff.com) Imgriff.com ist ein Produktivitätsblog, das sich nach eigenen Angaben mit all den großen Konzepten und kleinen Tricks befasst, mit denen man produktiver wird, also schneller und effizienter seine Arbeit erledigt. Zeitblüten (www.zeitblueten.com) Burkhard Heidenberger, Trainer für Zeit-, Stress- und Zielmanagement gibt auf dieser Seite sein Wissen weiter. Er gibt beispielsweise Tipps, wie man die E-Mail-Flut in den Griff bekommt oder wie sich der Arbeitsalltag im Büro vereinfachen lässt. Blatternet (www.blatternet.de/blog/) Bei dem Blog von Ivan Blatter dreht sich alles um Zeitmanagement, Arbeitsorganisation und Arbeitstechniken. Blatter ist Trainer, Berater und Referent. Der Lifehacker (www.der-lifehacker.de) Der Journalist Stephan Lamprecht hat sich auf Themen rund um Selbstmanagement und IT spezialisiert.

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Foto: Privat / Illustration: Brukhard Piller

geht um Loslassen und Downshifting. Es geht um Selbstbestimmung – für die meisten Beschäftigten allerdings eher Wunsch statt Realität. Von manchen wird das klassische Zeitmanagement schon totgesagt. Dazu gehört sogar der Guru selbst: Lothar Seiwert. Sein im Oktober er-


T ÄGLICH nehmen wir 20 MINUT EN an Unterhaltung und Kultur teil; dabei verbringen wir mehr Zeit auf Ausflügen in Tier- und Vergnügungsparks als beim Ausgehen in Cafés, Diskotheken und Kneipen.

Pro Tag widmen wir uns durchschnittlich EIN E ST UNDE unseren sozialen Kontakten.

Genauso lange gehen wir Hobbys und sportlichen Aktivitäten nach.

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* 2---Jahre und 10 Monate verplaudern, vertratschen und verscherzen -–––––--–––-– wir in unserem Leben.


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Wir leben in einer Welt der Vergleichzeitigung. Der Zeitforscher Karlheinz Geißler über Stress, Beschleunigung und Zeitkompetenz.

Das Ende der Uhrzeitgesellschaft Herr Geißler, Sie haben im Vorfeld des Interviews erwähnt, dass Sie nicht zu den chronobiologischen Lerchen gehören. Es gibt also so was wie Zeittypen? Jeder Mensch wird mit einem eigenen natürlichen Rhythmus geboren, der selbstverständlich kein Uhrzeittakt ist. Die Stunde hat 60 Minuten, der Mensch erlebt sie jedoch im Rahmen seiner ihm angeborenen Rhythmizität. Es gibt daher so etwas wie Morgen- und Abendmenschen. Woran liegt es, dass Menschen Zeit unterschiedlich wahrnehmen? Für den einen vergeht sie langsam in manchen Situationen, für den anderen schneller. Menschen haben keinen Zeitsinn. Wir müssen deshalb Zeit über unsere Sinne indirekt wahrnehmen, über das Hören zum Beispiel, oder über das Sehen. Wir hören Glocken, wir hören jedoch nicht die Zeit pur. Es gibt auch die Unterscheidung zwischen monochronen und polychronen Menschen. So ist es. Mit der Erfindung der Uhr, die vor etwa 600 Jahren in Mitteleuropa zum zentralen Zeitordnungsinstrument wurde, begann das monochrone Leben. Das heißt, die Vielfalt der Gefühle, die wir im Hinblick auf Zeit haben, wurde zentriert auf den Blick zur Uhr. Allein die Uhr gibt die gültige Zeit an. Polychrone Gesellschaften hingegen orientieren sich an vielen Zeitgebern, am Stand der Sonne, den eigenen Gefühlen, der sozialen Umwelt, der Natur und der Uhr. Manch einer verzichtet in solchen Gesellschaften auf pünktliches Erscheinen, weil ihm das zufällige Treffen eines Freundes wichtiger ist. Und der polychrone Mensch hat es in unserer Gesellschaft schwerer? Im Gegenteil. Der hat es neuerdings immer leichter. Denn die Uhrzeitherrschaft geht bei uns ihrem Ende entge50

gen. Karriere machen heute nicht mehr die Pünktlichen, Karriere machen heute die Flexiblen. Wir müssen nicht mehr pünktlich, sondern immer am Punkt sein, stets am richtigen Platz zur richtigen Zeit. Und das kommt eher dem polychronen Menschen zupass, der spontan sagen kann: Das ist jetzt wichtiger als das andere, das lass ich liegen oder sausen. Unsere technischen Geräte sind heute darauf ausgerichtet. Sie sind alle multifunktional. Ihre Bedienung verlangt den polychronen Menschen. In Ihrem neuen Buch sprechen Sie von den Fetischisten der Gleichzeitigkeit. Hat die Gleichzeitigkeit das schnelle Leben abgelöst? Genau. Die für Wirtschaftswachstum notwendige Beschleunigung über Schnelligkeit ist bei Lichtgeschwindigkeit angekommen und somit am Ende. Unser angestrebtes Wirtschaftswachstum braucht also ein neues Beschleunigungsmodell. Das ist gefunden. Mit dem Computer haben wir das Beschleunigungsprinzip gewechselt – von Schnelligkeit zu Zeitverdichtung bzw. Vergleichzeitigung. Wir machen die Dinge nun nicht mehr schneller, sondern wir machen mehr in der gleichen Zeit.

»Wer behauptet, er hätte keine Zeit, lügt oder ist tot.« Die junge Generation scheint damit gut zurechtzukommen. Sie macht ihre Hausaufgaben und chattet gleichzeitig in sozialen Netzwerken mit Freunden. Ja, richtig. Die wurden bereits in die vergleichzeitigte Welt hineingeboren. Sie haben es deshalb leichter als diejenigen, die das Multitasking erst neu lernen müssen. Macht Ihnen die Entwicklung Sorgen? Die Zeiten werden weder besser noch schlechter, sie werden immerzu anders. Es werden von der Zeitverdichtung andere Personenkreise profitieren als von der Uhrzeitgesellschaft, Vor- und Nachteile werden neu verteilt. Junge Menschen machen zum Beispiel oftmals schneller Karriere als das früher der Fall war. Dass unser Wirtschaftssystem so sehr auf Schnelligkeit ausgerichtet ist, dürften Sie wohl kritisch sehen… Die Konkurrenzökonomie muss beschleunigen, wenn sie wachsen will.

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Der Zeitforscher

Foto: Privat

Karlheinz Geißler war bis zu seiner Emeritierung Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München. Bekannt geworden ist er in Deutschland als Zeitforscher. Unter anderem ist er Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik. Er leitet das Institut für Zeitberatung – timesandmore. Geißler hat zahlreiche Bücher zum Thema Zeit geschrieben. Zuletzt erschien von ihm im Oktober „Alles hat seine Zeit, nur ich hab keine“.

Beschleunigung ist eine höchst produktive Kraft. Sie ist aber weder gut noch schlecht, wie die Langsamkeit ja auch. Was wir nicht brauchen, ist überflüssige Beschleunigung, die wir Hetze nennen. Zuweilen sind wir zu schnell und verdichten zu viel. So zum Beispiel in der Finanzwirtschaft. Dort ist Enthetzen angesagt. Welches Bewusstsein muss ich zu der Zeit haben, damit mein Verhältnis zu ihr ein gesundes bleibt? Wichtig ist, dass ich die bunte Vielfalt von Zeitformen und -qualitäten wahrnehmen und leben kann. In Autos der gehobenen Klassen können Sie zum Beispiel neuerdings auch stehender Weise, also im Stau, sehr schnell sein: Mit Hilfe eines Internetzugangs. Das ist eine höchst produktive Form des Umgangs mit verschiedenen Zeitqualitäten. Genau das ist heute gefragt. Die meisten Menschen beschweren sich heutzutage, dass sie keine Zeit haben. Viele fühlen sich gestresst, obwohl wir doch eigentlich weniger arbeiten als früher. Zudem gibt es viele technologische Errungenschaften, die uns Zeit sparen. Was ist los mit uns? Wer behauptet, er hätte keine Zeit, lügt oder ist tot. Die Zeit hat man nämlich nicht, sondern man ist die Zeit. Der Mensch wird in die Zeit hineingeboren und diese begleitet ihn bis zum Ende seines Lebens. Die zutreffende FormuD E Z E M B E R

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lierung wäre: Für Dich oder für das habe ich keine Zeit. Sagt jemand, er hätte keine Zeit, dann heißt das doch in der Regel, er hat anderes zu tun. Wir haben nicht zu wenig Zeit, wir haben zuviel zu tun – sowohl in der Arbeit als auch in der Freizeit. Man muss heute mehr und öfters über Zeit entscheiden. Und dieser Zwang zu permanenten Entscheidungen, der macht den Stress aus. Ist die Zeitverdichtung bei der Arbeit und in der Freizeit nicht frei gewählt? Vielleicht eine Art Statussymbol in unserer Gesellschaft? Das können Sie auf die Sterblichkeit des Menschen zurückführen, die nur ein begrenztes Maß an Erfahrungen in diesem Leben zulässt, daher die Angst, etwas zu verpassen. Je mehr Möglichkeiten Sie im Leben haben, umso größer ist diese Angst – und so versucht man, so viel wie möglich in eine Zeiteinheit hinein zu packen. Wie soll man mit der Zeitverdichtung bei der Arbeit umgehen? Was können Menschen tun, die sich da ein bisschen rausnehmen wollen? Rausnehmen heißt, nicht alle Zeit in Geld verrechnen. Das Zeit-ist-GeldPrinzip macht die Hetze. Geld kennt kein Genug, ist also maßlos. Der Mensch aber kennt ein Genug, den Tod. Das heißt der Mensch – und das schreibt ihm die Natur vor – muss maßvoll leben, muss Maße für das Genug entwickeln.

Zeitwohlstand und immer mehr Güterwohlstand vertragen sich nicht. Mein Gefühl ist, dass es immer mehr Menschen gibt, die sich der Zeitverdichtung entziehen wollen? Sie können letztlich mit der Zeit nur dann versöhnt leben, wenn sie bereit sind, auf einen Teil des Güter- und Erlebniswohlstandes zu verzichten. Sie sind Zeitberater. Was kann man sich darunter vorstellen? Unser Institut bietet Zeitberatung und kein Zeitmanagement an. Zeitmanagement ist an der Uhrzeitlogik orientiert. Wir beraten Individuen und Organisationen dabei,wie sie mit unterschiedlichen Zeitansprüchen und verschiedenen Zeitenqualitäten zufriedenstellender umgehen können. Unternehmensorganisationen sind beispielsweise nach der Uhrzeit und nach Kalenderterminen organisiert. Die Mitarbeiter sind an ihre jeweils eigenen Zeitrhythmen gebunden. Die Familie wiederum hat eigene soziale Zeitansprüche. Darüber hinaus müssen auch noch die Zeiten der jeweiligen Arbeitsaufgabe beachtet werden. Wir arbeiten also mit vier Zeitaspekten: Der Naturzeit, der Organisationszeit, der sozialen Zeit und der Aufgabenzeit. Diese vier unterschiedlichen Zeiten und Zeitansprüche, sowie die verschiedenen Zeitqualitäten von Rhythmus und Takt – die Uhr ist vertaktet und der Mensch ist rhythmisiert – müssen balancierend optimiert werden. Diese Fähigkeit zum Ausbalancieren unterschiedlicher Zeiten nennen wir Zeitkompetenz. Herr Geißler, Sie sind 67. Fühlen sich ältere Menschen eigentlich mehr unter Zeitdruck? Nicht unter Zeitdruck, aber sie erleben die Zeit schneller vergehend. Weil der Tod näher kommt? Der näher kommende Tod ist das eine. Zum anderen erleben ältere Menschen vieles wieder, was ihnen bereits bekannt ist. Unser Gedächtnis erinnert sich aber an Neues mehr als an Wiederkehrendes. Letzteres hinterlässt weniger Spuren im Gedächtnis als neue Erfahrungen. Hinterlässt die erlebte Zeit aber keine Spuren im Gedächtnis, schrumpft diese Zeit – sie vergeht also im Rückblick schneller. Das Interview führte Jan C. Weilbacher

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T äglich arbeiten Mütter halt, Haus im ten Minu 77 ---– --–– –––– –––– – während Väter nur die Hälfte der Zeit aufbringen. Die Angst vor dem feuchten Textil, Vätern ob Windel oder Wäsche, ist bei jungen ungebrochen.

Insgesamt 2 WOCHEN KÜSSEN wir in unserem Leben. Die gleiche Zeit BET EN wir im Durchschnitt zu Gott.

16 ST UNDEN Leben erleben wir in unsHöhereepum nkt . den sexuellen


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Längere Lebensarbeitszeit: In Unternehmen werden Senior Experts immer mehr zum wichtigen Wissensund Wirtschaftsfaktor – auch dank des demografischen Wandels.

Die neuen Alten W

Illustration: Burkhard Piller

as willst Du alter Sack denn hier?” Den Hohn konnte Manfred Brock seinem Gesprächspartner buchstäblich von den Augen ablesen. Obwohl der 67-Jährige sich noch lange nicht als Rentner versteht, sah sein Gegenüber, ein Mittdreißiger, zuerst nichts anderes in dem ehemaligen Vertriebsleiter großer IT-Konzerne wie IBM und der früheren Siemens Nixdorf. Dort war er 2000 nämlich als Vorruheständler ausgeschieden. Dabei kam Brock acht Jahre später als Berater in offizieller Mission zu dem jungen Mann: Er sollte für ein mittelständisches Unternehmen den Vertrieb neu organisieren, eine Truppe junger Verkäufer zusammenschweißen und auf Trab bringen. Das gelang dem Ruheständler so gut, dass ihn die jungen Leute „sehr schnell völlig akzeptiert haben“, berichtet Brock, „die Jungs waren alle im Alter meines Sohnes, wir konnten also ganz anders miteinander reden.“ Seinen schärfsten Kritiker baute Brock zum flinken Verkaufsleiter auf. „Der ruft mich heute noch an, wenn er Fragen hat“, freut sich der Senior. Brock ist Geschäftsführer derAgentur „Erfahrung Deutschland“, einem der verschiedenen Vermittlungsbüros für sogenannte Senior Experts in Deutschland. Das sind in der Regel ausgediente Führungskräfte, die nicht einsehen, dass sie ab Mitte 60 schon zum alten Eisen gehören sollen. 3.000 Einsatzwillige, meist ältere Herren, bieten sich über die Kartei von „Erfahrung Deutschland“ Unternehmen als Nothelfer an, wenn beispielsweise plötzlich Vakanzen in der Produktionsleitung entstehen oder die Expansionspläne eines Mittelständlers nach China daran scheitern, dass noch niemand zuvor in der Firma einen solchen Schritt begleitet hat. „Wir werden für das Umsetzen von Analysen geholt“, erklärt Brock, „das grenzt D E Z E M B E R

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uns von den klassischen, strategischen Unternehmensberatern ab.“ Nachdem Brock mit seiner Erfahrung aus den zwei Weltkonzernen und aus einer Personalberatung sich zunächst selber von der Agentur an Kunden vermitteln ließ, ist er inzwischen ihr Chef. Besonders Maschinenbauunternehmen und Automobilzulieferer greifen gerne auf das Wissen der älteren Generationen zurück. Aber natürlich sei es nicht immer einfach, „in die Köpfe der Personalleiter“ zu gelangen, damit sie für bestimmte Projekte bei den Senioren-Vermittlern anrufen. „Jüngere Personalmanager haben mitunter Vorbehalte, wenn sie vorher noch nicht mit Senior Experts gearbeitet haben“, räumt Brock ein.

Ende des Jugendkults Dabei sind die Alten stetig auf dem Vormarsch in der Arbeitswelt. Das belegen Statistiken, schon bevor das Renteneintrittsalter ab 2012 ohnehin stufenweise auf 67 Jahre angehoben werden soll. „Wir beobachten in Deutschland ein eigenartiges Phänomen“, sagt Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, „bei Älteren hat sich die Erwerbsbeteiligung von 2000 bis 2010 drastisch erhöht.“ Statt also einen Gang zurückzuschalten, sind ältere Menschen immer häufiger noch voll dabei im Arbeitsleben. Laut einer Untersuchung des DIW hat im letzten Jahrzehnt die Zahl der arbeitenden 60- bis 64-Jährigen um eine Million zugelegt. Ab dem Alter von 65 arbeiteten 2010 immerhin 200.000 Menschen mehr als zehn Jahre zuvor. Die jetzigen Älteren seien besser ausgebildet als ihre Vorgänger, erklärt Brenke. Je höher die Qualifikation, desto länger neige man dazu zu arbeiten und identifiziere sich mit dem Beruf. Außerdem spiele die veränderte Arbeitswelt eine entscheidende Rolle: Die Entwicklung weg von harten, körperlichen Tätigkeiten hin zum Dienstleistungssektor mache es alten Menschen immer länger möglich, noch tätig zu sein. In vielen Unternehmen finde ein „Umdenken“ statt, so Brenke. „Es herrscht nicht mehr so ein ausgeprägter Jugendkult bei den Arbeitgebern.“ Ob allerdings auch eine zu kleine Rente und drohende Altersarmut Triebfedern für den Zuwachs an tätigen Senioren sein könnten, untersuchten die Wirtschaftswissenschaftler nicht. 53


TITEL Was ist heute Ihre Motivation, um noch in Projekten aktiv zu sein? Befragung von circa 3.500 Senior Experts – Auswertung von 601 Antworten (Angaben in Prozent, Mehrfachantworten möglich) Quelle: Agentur „Erfahrung Deutschland“

Gute Kundennetzwerke Wer seine Dienste über die Agentur „Erfahrung Deutschland“ feilbietet, hat „überwiegend aber keine finanziellen Gründe zu arbeiten“, so Brock. „Die meisten machen es, um dabei zu bleiben und die Sprache der jungen Generation zu sprechen.“ Brocks Neuzugänge werden dabei zunehmend jünger, inzwischen seien durchaus schon Mittfünfziger unter den Senior Experts, die nicht mehr in Unternehmen tätig seien. Das spiegelt den Zwiespalt in vielen Unternehmen wieder: Einerseits werden aufgrund der demografischen Entwicklung und sinkender Geburtenraten Senioren für die Arbeitswelt immer wichtiger, andererseits sind Personalverantwortliche nicht selten der Meinung, dass ältere Mitarbeiter besonders verantwortungsvollen Aufgaben nicht mehr gewachsen seien. Diese Auffassung teilte auch die Lufthansa, die ihre Piloten bislang – vertraglich geregelt – mit 60 Jahren aus dem Cockpit schickte. Für Aufsehen sorgte dazu erst vor wenigen Wochen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Die Altersgrenze sei diskriminierend

Ich möchte Erfahrung weitergeben

82,2

Ich mag das Gefühl, gebraucht zu werden

46,5

Ich muss mir mein finanzielles Polster aufbessern

26,3

Ruhestand ist mir zu langweilig

56,0

Warum entscheiden Sie sich für ein Projekt?

Befragung von circa 3.500 Senior Experts – Auswertung von 601 Antworten (Angaben in Prozent, Mehrfachantworten möglich) Quelle: Agentur „Erfahrung Deutschland“

Weil es eine neue Herausforderung für mich bietet

83,8

Weil ich dabei auf ein altbekanntes Problem treffe, das ich leicht lösen kann

43,0

Weil es zeitlich begrenzt ist

55,1

Weil es vergütet wird

19,9

und mit den Gesetzen nicht vereinbar. Eine Warnung für alle Branchen, die mit altersbegrenzten Verträgen unter dem gesetzlichen Rentenalter arbeiten. Bei der Gothaer Versicherungsgruppe hat Thomas Barann, Leiter Personal, die Frage längst flexibel gelöst. „Mit Ende 50 wird manchen das Führen von bis zu 100 Mitarbeitern zu viel, die Berufswelt wird schnelllebiger, bei neuen Themen wie zum Beispiel Social Media wollen manche nicht mehr mitgehen“, erklärt Barann. „Gleichzeitig wollen wir die Wissensmonopole unserer Führungskräfte und Top-Spezialisten aber im Unternehmen halten.“ Schließlich verfügen viele von ihnen über exzellente Kundennetzwerke und großes Know-how.

Die Lösung ist höchst individuell: Statt dem Vorruhestand können die Führungskräfte eine Beratungsfunktion oder Themenverantwortlichkeit, in der sie direkt an den Vorstand berichten, erhalten. Mit jedem Interessenten erarbeitet die Personalabteilung einen persönlichen Plan, wann der Umstieg am günstigsten ist. „Dazu gehört auch, dass man die Karten offen auf den Tisch legt, wann die eigene Hypothek ausläuft oder wann das Studium der Kinder abgeschlossen ist.“ Erst wenn die größten finanziellen Belastungen weggefallen sind, ist ein guter Zeitpunkt für die neue Position. Sie ist mit einem bis zu 25 Prozent geringeren Einkommen und teilweise einer Vier-Tage-Woche verbunden. Von 160 Führungskräften im Konzern haben in den letzten fünf Jahren zehn Mitarbeiter das Angebot wahrgenommen. Pionier im klugen Nutzen eingespielter Senior-Experten und ihres Wissens ist der Automobilzulieferer Bosch. Seit über zehn Jahren arbeitet das Unternehmen mit pensionierten Beratern und Interimsmanagern aus den eigenen Reihen zusammen. Sie werden von der Tochtergesellschaft Bosch Manage-

Auf ihr Wissen will Bosch nicht verzichten: Alfred Odendahl (links) und Thomas Heinz sind die Geschäftsführer von Bosch Management Support. Das Unternehmen vermittelt für bestimmte Projekte pensionierte Bosch-Mitarbeiter.

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Foto: Bosch Management Support

Die Zahl derjenigen Menschen, die Sozialleistungen im Rentenalter beziehen, die sogenannte Grundsicherung im Alter, steigt unterdessen jedes Jahr weiter an. Auch Hilfsvereine wie die Tafeln, die bundesweit Lebensmittel und Mahlzeiten an Bedürftige ausgeben, berichten aktuell von immer mehr Rentnern, die auf die Unterstützung angewiesen sind.


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Timing ist (fast) alles Ein Epilog

ment Support für Einsätze vermittelt. 1.200 Ex-Mitarbeiter stehen zur Verfügung. „Jeder verfügt über 30 bis 40 Jahre Bosch-Erfahrung. Dies ist ein unschätzbarer Wert, den wir unbedingt so lange wie möglich an Bord halten wollen“, sagt Alfred Odendahl, einer von zwei Geschäftsführern der Bosch-Tochter und selber Pensionär. Entscheidend für den Erfolg sei aber auch die Unternehmenskultur, so Odendahl. „Alter ist in unserem Unternehmen mit Erfahrung und damit positiv besetzt. Wo dies nicht der Fall ist, kann ein solcher Ansatz auch nicht funktionieren.“

Chance und Herausforderung zugleich Das hat der Chemiekonzern Bayer mit einem der jüngsten Beispiele für Senior Experts-Modelle erkannt. „Die Zusammenarbeit verschiedener Generationen ist Chance und Herausforderung zugleich“, sagt Ulrike Stroh. Sie leitet das Bayer Senior Experts Network, das derzeit noch als Modellprojekt für den Weltkonzern getestet wird. „Wir müssen im Unternehmen neue Paradigmen entwickeln, die diese Kooperationsmodelle fördern und stützen“, so Stroh. Der zeitlich befristete Einsatz von pensionierten Mitarbeitern als Senior-Experten soll Bayer flexibler machen und die Unternehmenskultur bereichern. „Durch den demografischen Wandel gehen in den nächsten Jahren viele Mitarbeiter in den Ruhestand, die in ihrer aktiven Zeit bei Bayer wertvolle Kenntnisse und Erfahrungen gewonnen haben, die wir auch nach ihrer Pensionierung für den Konzern erhalten wollen“, resümiert Stroh. Damit tastet die Managerin an ein Thema, das besonders auf viele deutsche Mittelständler wie eine unaufhaltsame Welle zurollt: Noch in diesem Jahrzehnt kommen mehr Menschen ins Pensionsalter als jüngere in den Unternehmen nachrücken können. Nach einer neuen Studie der Dekra Arbeit Gruppe haben über die Hälfte der mittelständischen Unternehmen noch keine Vorbereitungen für die Umwälzungen im Arbeitsmarkt getroffen. Goldene Zeiten für die Nothelfer mit den silbernen Haaren. Petra Schäfer

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Die Daten zur Verwendung des Zeitbudgets wurden den folgenden Quellen entnommen (teilweise auch selbst berechnet): AGF/GfK (Juni 2010); ARD-Dokumentation „So viel lebst du“ (2008); ARD/ZDF-Onlinestudie (2011); ComTeam-Studie - Führung im Mittelmanagement (2011); Elektrolux-Studie (2010); Gamestat Studie der Universität Hohenheim (2011); Geo Wissen (36/2005); Massenkommunikation (2010); Statistisches Bundesamt, Wo bleibt die Zeit? (2003); Statistisches Bundesamt - Zeitbudgeterhebung (2001/2002); Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Januar 2011); Studie vom VKE-Kosmetikverband (2008).

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Grafik: www.wikipedia.org

Illustrator: Burkhard Piller

er richtige Zeitpunkt, er spielt insbesondere an den Finanzmärkten eine wichtige Rolle. Wann sollte man Aktien kaufen, um möglichst viel Geld zu machen? Es gibt eine Menge Börsen-Experten, die mit ihrem angeblichen Gespür für das richtige Timing viel Geld verdienen. Börsen-Weisheiten sollen ebenfalls dabei unterstützen, den richtigen Zeitpunkt zum Kaufen und Verkaufen zu finden. „Greife nie in ein fallendes Messer“, ist so ein Spruch, der davor warnt, niemals Aktien zu erwerben, die sich im freien Fall befinden. Klingt einleuchtend, ist aber ziemlich schwierig umzusetzen. Mit der Hilfe von unzähligen Analysen kann man dem eigenen Timing ebenfalls auf die Sprünge helfen, zum Beispiel indem man Rückschlüsse aus den Kursverläufen in der Vergangenheit auf die Zukunft schließt, oder bestimmte Kennzahlen wie das KursGewinn-Verhältnis untersucht. Ob das alles wirklich hilft, ist aber gar nicht bewiesen. Nicht wenige sagen, es sei Glückssache, den Markt vorherzusagen. Letztendlich speist sich ein gutes Timing aus einer sonderbaren Verbindung von Know-how und Intuition – und natürlich braucht es den Mut zur Umsetzung. Die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, ist gerade im Wirtschafts- und Arbeitsleben von immenser Bedeutung. Vor allem erfolgreiche Innovationen basieren nicht nur auf einer neuartigen Idee und einer kompetenten Umsetzung, sondern sind auch abhängig vom richtigen Timing. Wer zu früh mit

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einem Produkt auf den Markt geht, riskiert vielleicht, dass dieser noch nicht ausreichend vorbereitet ist auf das Neue, und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben, oder ein Konkurrent, der einen uneinholbaren Vorsprung hat. Steve Jobs wurde dieses untrügliche Gespür für den richtigen Zeitpunkt nachgesagt. So soll das Konzept für das iPad bereits mehrere Jahre vor der Einführung des iPhones in Jobs Schublade gelegen haben, doch ihm schien die Zeit bzw. der Markt noch nicht reif dafür zu sein. Die Menschen sollten das Prinzip des Touch Screens zuerst in einem kleineren Format kennenlernen. Auch im Arbeitsleben wird jeder Mitarbeiter schon mal mit der Frage nach dem richtigen Timing konfrontiert gewesen sein. Zum Beispiel: Ist das Jahresgespräch die passende Gelegenheit, um

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eine Gehaltserhöhung zu fordern? Dann wollen ja alle mehr Geld und für den Einzelnen fällt deshalb bestimmt weniger ab. Den richtigen Zeitpunkt für einen Jobwechsel zu erwischen, ist besonders schwierig. Verschiedenes muss abgewogen werden: Gibt es Chancen auf Besserung der momentanen Situation? Besteht ohnehin die Gefahr gefeuert zu werden? Was nach dem ganzen Hin- und Herüberlegen übrig bleibt, ist ein Gefühl, das einem sagt, ob der Zeitpunkt des Abschieds gekommen ist oder nicht. Menschen, die ein gutes Timing haben, besitzen vor allem ein Gespür für Stimmungen und Trends – am Markt, in der Bevölkerung, in der Belegschaft oder in der Geschäftsleitung. Das ist nicht nur dann ganz wichtig, wenn es darum geht, neue Produkte einzuführen, sondern auch, wenn Themen gesetzt werden sollen. Dass eine bestimmte Diskussion Fahrt aufnimmt und eine Idee plötzlich in aller Munde ist, liegt häufig nicht nur daran, dass es die richtige ist. Es ist die richtige Idee zur richtigen Zeit. Es trifft die momentane Stimmung, es trifft vielleicht sogar – etwas überhöht – das, was man „Zeitgeist“ nennt. Ein Paradebeispiel für ein politisches Thema aus Deutschland, dessen Zeit wohl endlich gekommen ist, ist das Thema Frauen in Führungspositionen. Es wurde in der Vergangenheit zwar immer wieder diskutiert, doch erst jetzt scheint die Gesellschaft so weit, dass aus einem Lüftchen ein Sturm werden konnte. Richtig in Gang gekommen ist die Diskussion, als die Telekom ihre Frauenquote einführte. Die Bekanntgabe am 15. März 2010 traf auf einen gewaltigen Widerhall – gutes Timing. Der allgemeine Mindestlohn ist ein anderes Beispiel, stets umstritten, in der CDU verpönt. Doch seit Neustem hat der Mindestlohn auf einmal sogar einige Freunde in der konservativen Volkspartei. Und sogar Angela Merkel wie auch Ursula von der Leyen denken, dass der Zeitpunkt nun richtig ist. „Die Zeit ist reif für den Mindestlohn“, sagte die Bundesarbeitsministerin im November der Bild am Sonntag. Ob sie es wirklich ist, diese Frage ist noch nicht abschließend beantwortet.

Die Frage nach dem richtigen Timing stellt sich für den Einzelnen in allen Lebensbereichen immer wieder – und im Unternehmen sowieso. Und nicht selten wird versucht, von außen Einfluss auf das Timing einer Person oder einer Institution zu nehmen. Gerade im Bereich Human Resources gibt es zahlreiche Beratungen, die Personalmanager zu überzeugen versuchen, dass der Zeitpunkt nie günstiger war, um jetzt auf ein bestimmtes Thema zu setzen, bestimmte Strukturen und Prozesse zu verändern oder eine Software einzuführen. Ist die Zeit nun reif, dass das Unternehmen den Einstieg in das Online Recruiting wagt? Ist der Zeitpunkt günstig, um für Talent-Management-Prozesse zu werben oder variable Vergütungsbestandteile einzuführen? Und wie ist es eigentlich mit der Forderung nach einer Budgeterhöhung? Die Frage nach dem Timing beschäftigt Personalmanager immer wieder. Und neben dem Verständnis für das Business, das von ihnen zunehmend verlangt wird, geht es für sie ebenfalls darum, Stimmungen im Unternehmen wahrzunehmen und zu deuten – beispielsweise wenn sie Erneuerungen initiieren wollen, die die Linienmanager betreffen. Der Zeitpunkt sollte der richtige sein. Ist er es nicht und stößt das Vorhaben auf Ablehnung, ist es erstmal gestorben. Diese Regel kann man sich übrigens sehr gut bei der Politik abgucken. Jan C. Weilbacher

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RUHE BITTE, AUFNAHME LÄUFT Im Rahmen der Mitarbeitergewinnung setzen immer mehr Unternehmen auf den Einsatz von Videos. Sie wollen für sich als Arbeitgeber werben und sie wollen für konkrete Stellen begeistern. Auch für die Personalauswahl selbst wird das Medium Video interessanter.

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Walter Bernegger ist einer der Vorgesetzten, die auf der Karrierewebsite der Verkehrsbetriebe Zürich in einem Recruiting-Video um Mitarbeiter werben. Gesucht werden hier Tramfahrerinnen und Tramfahrer.

vor und sich selbst als kreativer und außergewöhnlicher Arbeitgeber. Slogans wie „In-YourFace! Journalistic Rioting“ oder „Cross Channel Hammer Innovations“ verraten einiges über das Selbstbild von Axel Springer. In den Augen vieler Experten ist es ratsam, Videos als einen von mehreren Kanälen für Employer-Branding-Maßnahmen zu nutzen. Kommunikation verläuft mehr und mehr über das Internet und dort gehören Videoeinspielungen, auch aufgrund der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung, mittlerweile zur Normalität. „Das Bewegtbild ist in der generellen Kommunikation der Generation Y, die heute in einen Beruf einsteigt, ein Standardmedium. Das ist sie gewohnt, das kennt sie und das erwartet sie auch“, meint Judith Charles, die bei der medienfabrik Gütersloh den Bereich Employer Branding leitet. Mit bewegten Bildern lie-

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Foto: www.youtube.de/ VBZ

alter Bernegger steht in einer Werkshalle der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) vor einer Straßenbahn. Er trägt ein Mikrofon am Jackettaufschlag und spricht in eine Kamera. Bernegger ist Leiter Betrieb Tram und einer der Chefs, die sich auf der Homepage der VBZ via Recruiting-Videos als Vorgesetzte bei ihren zukünftigen Mitarbeitern bewerben. Mit ruhiger Stimme stellt er die Aufgaben vor, die in der ausgeschriebenen Stelle als Tramführer auf die Bewerber zukommen, und er verschweigt nicht, dass Schichtarbeit in diesem Beruf auch Wochenendarbeit bedeutet. Im Frühjahr 2010 gestartet, wird bei den VBZ inzwischen jede freie Stelle über ein solches Video ausgeschrieben. Klassische Printanzeigen schaltet das Schweizer Unternehmen mit rund 2.500 Mitarbeitern nicht mehr. Auf Plakaten, in Zeitungen und Online-Schaltungen wird nur auf die Karrierewebsite verwiesen. Im Kanton Zürich herrscht mit rund 2,9 Prozent Arbeitslosigkeit annähernd Vollbeschäftigung. Selbst außerhalb des Hochschulbereiches ist es unter diesen Umständen schwer, qualifizierte Leute anzulocken. „Wir haben gemerkt, dass wir immer mehr Inserate rauschicken müssen, um die 200 Stellen zu besetzen, die jedes Jahr frei werden. Und wir haben uns selber an unserem Vorgehen gestört, immer nur unglaublich langweilige und sehr teure Stellenanzeigen in Print zu setzen“, erinnert sich Jörg Buckmann, Leiter des Personalmanagements bei den VBZ. Aus diesem Grund habe das Unternehmen entschieden, sich selbst mit Recruiting-Videos beim Nachwuchs als Arbeitgeber zu bewerben.

Inzwischen haben viele Unternehmen diesen Kanal für sich entdeckt. Entlang des Recruiting-Prozesses, vom Employer-Branding-Video, über Stellenvideos bis hin zum Einsatz von Videotechnik in der Personalauswahl, ist das Bewegtbild präsent. Neu ist das Thema Video nicht. Schon 2008 haben Unternehmen damit begonnen, verstärkt auf den Einsatz von Videos im Recruiting und vor allem im Embloyer-Branding-Bereich zu setzen. Wirklich ins Rollen gekommen ist das Thema jedoch erst nach der Wirtschaftskrise. „Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 und besonders im letzten Jahr sind so viele Videos entstanden wie noch nie zuvor“, berichtet Rainer Zugehör, Geschäftsführer von MovingIMAGE24 und dem Job- und Karriereportal JobTV24.de, das sich seit 2006 mit Employer-Branding- und Recruiting-Videos beschäftigt. Das Thema bleibt dabei nicht auf typischerweise medienaffine Unternehmen beschränkt, sondern reicht von Großkonzernen über Mittelständler bis hin zu kleinen Unternehmen und Organisationen. Dass beispielsweise Axel Springer diesen Weg geht, überrascht nicht. Der Medienkonzern stellt derzeit einige seiner Mitarbeiter in Videos


IM FOKUS

Michael Paustian ist stellvertretender BILD-Chefredakteur mit „BlingBling! Expertise für In-Your-Face! Journalistic Rioting“. Das Video ist Teil der Kampagne „Menschen bei Axel Springer“.

ßen sich wesentlich leichter Emotionen transportieren und Informationen vermitteln, als dies mit einer Broschüre, einem Zeitungsinserat oder einer Plakatkampagne möglich wäre, sagt die Expertin. Zudem sei es deutlich einfacher, mit Videos die Bewerber zielgruppengerechter anzusprechen.

Screenshot: www.youtube.de/ Axel Springer; www.youtube.de/ Bayer

Keine klare Abgrenzung Grundsätzlich ist ein Employer-Branding-Video dadurch gekennzeichnet, dass die Unternehmen die Möglichkeiten dieser Technik nutzen, um sich als Arbeitgeber, aber auch als Marke, in das von ihnen gewünschte Licht zu rücken und sich für Bewerber interessant zu machen. Ein Recruiting-Video hingegen stellt eine konkrete Stelle vor. Doch klar unterscheiden lassen sich beide Formen in der Regel nur noch selten. Ebenso wie in Employer-Branding-Videos Mitarbeiter zu Wort kommen können, die von ihren Erfahrungen berichten, können Recruiting-Videos, in denen Mitarbeiter-Statements ein Grundelement sind, Employer-Branding-Charakter haben. Die Axel Springer-Kampagne ist da ein gutes Beispiel. Und auch die VBZ fahren gewissermaßen dreigleisig. Neben den einzelnen Jobvideos hat das Unternehmen einen aufwendig produzierten Employer-Branding-Film und eine dritte Form geschaltet, die die einzelnen Arbeitsbereiche vorstellt, ohne aber konkrete Stellen zu bewerben. Eine Trennung beider Bereiche sei allerdings auch nicht nötig und für ein erfolgreiches Recruiting nicht unbedingt sinnvoll, erläutert Judith Charles. „Employer Branding ist ein sehr wichtiger vorgeschalteter Schritt beim Recruiting, um auch über andere Medien Bewerber anzusprechen. Alle Maßnahmen sind erfolgreicher, wenn sie Teil einer Kampagne sind. Sie stützen sich gegenseitig und erhöhen die Reichweite.“ Dabei gehen die Unternehmen den Weg über das Recruiting-Video durchaus aus unterschiedlichen Gründen. Für viele kleinere oder mittelständische Firmen, die nicht über einen großen Namen verfügen, sind Videos ein guter Weg, um überhaupt als interessanter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Die großen D E Z E M B E R

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Autokonzerne beispielsweise dürften keine Probleme haben, genug Bewerber zu finden. Hier kommt es darauf an, dass die Kandidaten, die sich letztendlich bewerben, eine genauere Vorstellung davon bekommen, was sie tatsächlich erwartet. So solle den Bewerbern zu einem sehr frühen Zeitpunkt vermittelt werden, „prüfe, ob Du zu uns passt und wir zu Dir passen. Wenn Du auch nach dem Video dieses Gefühl hast, freuen wir uns auf Deine Bewerbung“, erläutert Rainer Zugehör. Auch für die VBZ war das Kandidaten-Matching das vordingliche Problem. Immerhin 50 Berufe, vom Tramfahrer über Tischler, Bauzeichner und Ingenieur bis hin zum Juristen, können bei den Verkehrsbetrieben Zürich ausgeübt werden. Im Trambereich blieben zuletzt 20 der rund 70 ausgeschriebenen Stellen unbesetzt, trotz knapp 2.000 Bewerbungen. Gerade Schichtarbeit sei in einem Arbeitsmarkt wie dem in Zürich nur schwer vermittelbar, berichtet Personalleiter Jörg Buckmann. Zu einer Flut von neuen Bewerbungen haben die Videoinserate nicht geführt. Was aber deutlich zugenommen hat, ist, dass die Bewerber häufig in ihren Anschreiben und in den Interviews Bezug nehmen auf die neue Art der Personalwerbung. „Die Interessenten sind so gut informiert und vorbereitet wie nie“, so Buckmann. Das ist der Punkt, der Recruiting-Videos und auch Employer-Branding-Videos für die Adressaten interessant macht. Der Bewerber hat bei gut gemachten Videos die Chance, einen frühzeitigen Eindruck davon zu bekommen, was ihn bei dem Unternehmen erwartet, wie sein zukünftiger Arbeitsplatz tatsächlich aussieht. Ein Eindruck, den er sonst frühestens beim Bewerbungsgespräch oder gar erst beim Einstieg in den Job, keinesfalls aber auf Basis einer klassischen, rein sachlichen Stellenanzeige erhalten kann. „Auch lernt man die Menschen kennen, die dort arbeiten. Das ist oft ein sehr wichtiges Entscheidungskriterium und kann zudem Hemmschwellen abbauen“, erläutert Judith Charles von der medienfabrik. Und selbst wenn das Video auch nur einen geringen Informationsgehalt erreicht, so zeigt es in der Regel zumindest, wie sich der Arbeitgeber sel-

In diesem Kurzfilm der Bayer AG schreiben Mitarbeiter auf Kreidetafeln, was das Arbeiten bei Bayer für sie persönlich bedeutet. Mit einem ähnlichen Video spricht das Unternehmen auch direkt Praktikanten an.

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Die Bundeswehr hat auf ihrer Homepage und ihrem YoutubeKanal zahlreiche Jobvideos geschaltet. Mit diesem Spot, der derzeit auch im Fernsehen läuft, stellt sich die Bundeswehr als Arbeitgeber vor.

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i Interessante Beispiele für Karrierewebsites mit eingebundenen Videos: Verkehrsbetriebe Zürich www.stadt-zuerich.ch/content/vbz/ de/index/die_vbz/arbeiten_bei_ den_vbz.html Bertelsmann AG www.createyourowncareer.com Bayer AG www.mybayerjob.de/de REWE Group www.rewelution.de

Das SoftwareUnternehmen viasto hat ein Tool entwickelt, mit dem es möglich ist, zeitversetzte Videointerviews mit Bewerbern zu führen und so die Vorauswahl im Recruitingprozess zu erleichtern.

Screenshot: www.youtube.de/ Bundeswehr; Viasto

ber sieht oder wahrgenommen werden möchte. Wie letztendlich ein Jobvideo gestaltet wird und welche Reichweite es entwickeln sollte, hängt von dessen Zielsetzung ab. Ein Employer-Branding-Video lebt von seiner breiten Einbindung in die verschiedenen Medien und dem viralen Charakter seiner Verbreitung. Für ein reines Recruiting-Video ist vor allem wichtig, die Zielgruppe genau zu treffen, und nicht unbedingt, dass es tausende Male bei Youtube aufgerufen oder weitergeleitet wird. Für beide ist jedoch entscheidend, wie glaubwürdig der Spot ist. Dies beginnt schon bei der künstlerischen Gestaltung des Films. Für ein Startup beispielsweise könnte es genau der richtige Weg sein, den Chef oder die Mitarbeiter selbst zur Handkamera greifen und ihr Unternehmen völlig ungezwungen vorstellen zu lassen. Bei Großkonzernen ist dies nur in Ausnahmefällen möglich. Hier würde der Bewerber ein Video erwarten, dass in der Qualität dem Bild entspricht, das er schon von dem Unternehmen hat. Die Frage der Glaubwürdigkeit betrifft aber vor allem die Mitarbeiter, die in den RecruitingVideos und als Markenbotschafter mitunter auch in den Employer-Branding-Spots auftreten. Sie sind es, die ein Video authentisch und ehrlich wirken lassen. Models und Schauspielern an dieser Stelle einzusetzen oder in einem Studio anstelle des realen Arbeitsplatzes zu drehen, ist sinnlos. Wichtig dabei sei es, so sehr das Unternehmen auch darauf bedacht ist, ein gutes Bild abzugeben, den Mitarbeitern so wenig wie möglich vorzugeben und sie am besten spontan erzählen zu lassen, ist Rainer Zugehör von MovingIMAGE24 überzeugt. „Texte aus der PR hört man sofort raus, und sie wirken auf zukünftige Bewerber unglaubwürdig.“ Wie schmal der Grat zwischen einer guten und einer schlechten Video-Kampagne ist, hat kürzlich die Bundeswehr in ihrem YoutubeKanal unter Beweis gestellt. Dort war kurzzeitig ein Film zu sehen, der in schneller Schnittfolge, ohne Kommentar und unterlegt mit Rock-Musik sowie der deutschen Nationalhymne Szenen aus dem „Alltag“ der Bundeswehr darstellte. Der Film, der eher an das Intro eines einschlägigen

Computerspiels erinnerte, war nach dem Vorwurf der Gewaltverherrlichung recht schnell wieder von den offiziellen Kanälen verschwunden. Seine Veröffentlichung sei eine Panne gewesen, hieß es. Auf Youtube jedoch ist er derzeit immer noch abrufbar. Die User-Kommentare sprechen für sich. Ist der Einsatz von Videotechnik bei der Ansprache potenzieller Bewerber fast schon Normalität, so ist deren Verwendung während des Personalauswahlprozesses noch relativ neu. Unternehmen wie Haniel oder die HypoVereinsbank setzten beispielsweise ein Tool des Softwareentwicklers viasto ein, das es ermöglicht, zeitversetzte Videointerviews mit Bewerbern zu führen, ohne dass ein gemeinsamer Termin für das Interview gefunden werden muss. Die Software solle dabei nicht das persönliche Bewerbungsgespräch ersetzen, sondern der Vorauswahl von Kandidaten – anders als beim Telefoninterview – eine weitere Komponente hinzuzufügen: das bewegte Bild zum Ton, wie Martin Becker, Gründer und Geschäftsführer der viasto GmbH, erläutert. Der Nutzen dieser Technik liegt sicherlich in der Zeitersparnis gegenüber der Koordination beispielsweise von Telefoninterviews sowie in der Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der jeweiligen Gesprächssituation. Auch bietet der Einsatz von Videos dem Personalverantwortlichen einen Zugewinn an Informationen und kann so auch die Qualität der Vorauswahl erhöhen. „Das bewegte Bild übermittelt wichtige non-verbale Hinweise, die in einem Telefoninterview fehlen. Die Einheit von Hören und Sehen ist bei der Einschätzung einer Person und deren Kompetenzen sehr wichtig“, so Becker. Eine direkte Interaktion der Gesprächspartner ist allerdings nicht mehr möglich, da die Fragen im Vorfeld festgelegt werden. Ähnliches gilt auch für Employer-Branding- und Recruiting-Videos. Auch hier befindet sich der Betrachter derzeit noch in einer reinen Konsumentenposition. Sven Pauleweit

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„VIERECKIG – DAS WAR‘S“

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Immer nach gleichem Muster – OnlineStellenanzeigen wirken oft wie in Bits und Bytes gepresste Anzeigen aus der Tageszeitung. Der PersonalmarketingExperte Christoph Beck im Gespräch über hartnäckige Traditionen und zeitgemäßes Recruiting.

Herr Professor Beck, Sie waren mit Ihrem Team an der Entwicklung einer interaktiven Stellenanzeige, der Job Ad 2.0, beteiligt. Der Studie recruiting trends 2011 zufolge werden nur noch 20,2 Prozent der Stellen in Magazinen und Zeitungen ausgeschrieben. Sagen Sie, stirbt die klassische Printanzeige aus? Das diskutieren wir jetzt seit zehn Jahren. Ich denke, die Printanzeige wird nicht aussterben. Sie wird sich sicherlich verändern. Die Print-Stellenmärkte werden etwas schmaler ausfallen, um das mal vorsichtig auszudrücken. Es ist aber auch an den Verlagen, mal über neue Formate nachzudenken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass jeder Trend auch einen Gegentrend hat. Und für mich stellt die Printanzeige einen solchen dar. Je mehr ins Internet geht, desto mehr wirkt auch mal wieder eine Printanzeige. Allerdings wird die Frage sein, ob die klassische Printanzeige, so, wie sie heute ist, oder wie die Stellenmärkte aufgebaut sind, tatsächlich auf Dauer zukunftsfähig sein kann. Seit 2003 sind die Jobausschreibungen in Printtiteln um 17 Prozent zurückgegangen. Da könnte bald Schluss sein. Das glaube ich nicht. Wir haben die Zeit gehabt, in der Stellensuchende sich ganz bewusst die Samstagsausgabe genommen, die Stellenmärkte durchsucht und sich dann beworben haben. Das hat sich verändert. Heute ist der Stellenmarkt ein verlängerter Teil der Wirtschaftsseiten. Er wird auch durchgeschaut und zwar von einer recht relevanten Zielgruppe, nämlich den latent Suchenden, also denjenigen, die durchaus für sich sagen: Ich bin ja eigentlich zufrieden, aber ich schau mal, was es auf dem Markt so gibt. Man muss dazu sagen, dass unterschiedliche Studien seit fast zehn Jahren immer wieder die Printanzeige für tot erklären. Und da sage ich bewusst: nein. Der Umfang der Print-Stellenmärkte wird gegebenenfalls schrumpfen, aber die Stellenanzeige wird im Recruiting weiterhin einen festen Platz einnehmen. D E Z E M B E R

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Was müsste getan werden, damit Stellenanzeigen in Printmedien wieder mehr Beachtung finden? In Deutschland ist das schwierig. Sie haben das Problem, dass sie keine Anzeigen im Bereich der Redaktionsteile haben. Wir kennen das ja teilweise aus anderen Ländern, die da durchaus ein bisschen offener sind. Hintergrund ist die unabhängige Berichterstattung. Gott sei Dank ist das so. Aber man wird auch mal darüber nachdenken müssen, ob in bestimmtem Maße und in bestimmten Formaten in Redaktionsteilen die eine oder andere Anzeige zulässig ist. Auch könnte die Stellenanzeige selber etwas attraktiver werden. Wir treffen auf eine Leserschaft, die klassisch konditioniert ist, für die eine Stellenanzeige so auszusehen hat: Wir sind, wir suchen, wir bieten – viereckig und das war es. Neue Formate sollten crossmedialer sein. Auch hat eine Printanzeige mehr Anreiz- und Imagefunktion als früher. Sie muss dann aber ebenfalls das Potenzial haben, auf das entsprechende Medium zu verweisen, im Regelfall ist das heute das Internet, die eigene Karrierewebsite, wo man sich dann tatsächlich positioniert. Wird immer noch im Gros das Printprinzip auf das Onlineformat umgemünzt? Ja, das muss ich sagen, das war ursprünglich auch die Motivation für mich mit Kienbaum und Jobware gemeinsam mal darüber nachzudenken, ob 50 Jahre Stellenanzeige immer 63


gleich aussehen müssen. Jeder schreibt vom anderen ab. Der Leser hat sich irgendwann daran gewöhnt, dass Stellenanzeigen so aussehen, wie sie aussehen. Doch trifft das überhaupt das Informationsbedürfnis des Rezipienten? Lesen Sie tausend Zeichen Unternehmensbeschreibung in einer Stellenanzeige? Nein, sicher nicht. Wenn Sie sich einige Stellenanzeigen anschauen, da sind dann auch noch firmeninterne Abkürzungen drin, völlig zielfokussiert nur auf die eine Stelle. In enger werdenden Märkten muss man das Zielgruppenkonzept ein bisschen überdenken und wesentlich breiter streuen. Und da ist wirklich die Frage, ob man tatsächlich, das, was man bis jetzt nur als Sau durchs Dorf getrieben hat, das Thema Employer Branding, in Stellenanzeigen nicht irgendwann auch mal umsetzt. Das ist heute noch nicht der Fall. Man spielt ein bisschen mit dem Begriff, spricht von Arbeitgeberattraktivität und fällt dann direkt wieder in das alte Muster. Wir sind da immer noch sehr fachlich getickert. Wir suchen denjenigen oder diejenige mit genau dieser Qualifikation. Zukünftig wird man über alternative Zielgruppen für Stellenausschreibun-

Der Recruiting-Fachmann Christoph Beck ist seit 2000 Professor an der Fachhochschule Koblenz. Am Fachbereich Betriebswirtschaft lehrt er Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Human Resources Management. Zudem ist Beck Fachbuchautor und Direktor des Instituts für Personalmanagement und Arbeitsrecht in Neuwied bei Koblenz. Zusammen mit Kienbaum Communications und dem Karriere-Portal Jobware hat Christoph Beck in den letzten zwei Jahren eine neue Art der Stellenanzeige entwickelt, die Job Ad 2.0. Ziel war es, eine Online-Stellenanzeige zu entwickeln, die einerseits die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzt und eine emotionale Ansprache des Bewerbers zulässt, andererseits aber auch dessen Informationsbedürfnis gerecht wird. Nach dem Ende der Testphase nutzt derzeit EnBW die Job Ad 2.0. Weitere Projekte befinden sich nach Angaben von Kienbaum in der Realisierungsphase.

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gen nachdenken müssen, seien dass Alleinerziehende, Ehepaare oder wer auch immer. Damit in Verbindung steht die Frage: Was biete ich denn eigentlich als Unternehmen meinen Arbeitnehmern? In Printanzeigen ist es wirklich selten, dass auch mal Mitarbeiter oder Vorgesetzte zu Wort kommen und sagen, warum man eigentlich dort arbeiten sollte. Es gibt viele kleinere Stellschrauben, wo sich Print und auch Online sicherlich noch bewegen müssen. Was macht denn die Onlineanzeige 2.0, die Job Ad, anders als die üblichen Stellenanzeigen? Sie lässt die Informationsautonomie beim Rezipienten. Sie ist interaktiv. Bisher war die Online-Stellenanzeige nichts anderes als die digitalisierte Printanzeige. Die poppt hoch und Sie gehen wieder klassisch durch: Wir sind, wir bieten, wir suchen. Und das macht die Job Ad 2.0 anders. Sie setzt quasi auf ein Cafeteria-System. Ich kann das anklicken, was meinem Informationsbedarf tatsächlich entspricht, ohne gleich einen Content-Overload zu haben. Ich kann einerseits mehr Informationen unterbringen als in einer klassischen Stellenanzeige, aber die Informationsautonomie bleibt beim Rezipienten. Er ist nicht nur in dieser Konsumentenhaltung, sondern kann sich mit der Stellenanzeige beschäftigen. Je länger sich ein Leser mit einer Anzeige auseinandersetzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auch bewirbt. Wird die Job Ad tatsächlich von Unternehmen genutzt, oder sind die noch verhalten? Nein, es werden zunehmend mehr neben den Pilotunternehmen, die ja von Anfang an dabei waren. Es sind jetzt schon eine ganze Reihe Unternehmen, die einen Mehrwert darin sehen und die Zahl wird zunehmen. Viele sind begeistert, stolpern aber vielleicht noch ein wenig darüber, dass es die Job Ad momentan nur in der Kombination Kienbaum und Jobware gibt. Soll sich daran in naher Zukunft etwas ändern? Der Markt wird darüber entscheiden, ob die Onlineanzeige 2.0 zukünftig eine weitere Verbreitung findet. Das heißt, die Nachfrage nach neuen Formaten wird auch das Leistungsprogramm der unterschiedlichen Anbieter bestimmen. Mein Eindruck war, dass die Pilotunternehmen zwar Ansätze der Job Ad übernommen haben, sich aber noch nicht trauen, den Weg zu Ende zu gehen. Das ist so wie mit jeder Innovation. Daran müssen sie erstmal die Leute gewöhnen – nicht nur die Leser sind klassisch konditioniert. Zudem haben die Personalmarketing-Abteilungen das Problem, auch intern Überzeugungsarbeit leisten zu müssen. Was sind derzeit die innovativsten Kanäle, was probieren Unternehmen gerade aus? Das ist abhängig vom Grad der Verzweiflung. Fakt ist: Wir haben 50 First Mover in Deutschland, die werden der Sache auch gerecht. Die probieren einfach aus, sind mutiger, haben aber auch die Ressourcen, solche Sachen umzusetzen. Dann haben wir aber neben den First Movern noch 98 Prozent normale Unternehmen und die nutzen noch überwiegend die klassischen Instrumente: Onlineanzeigen, Karrierewebsites, Printmedien. Dann ist da jetzt das Thema Social Media. Da sind wir in einer Gewöhnungsphase. Und auch hier sind es wieder die First Mover, die viel machen, von Xing und LinkedIn über Youtube-Channels und Facebook. Der Rest ist nach dem medialen Hype der letzten zwei Jahre dabei, das Thema Social Media für sich erst einmal umzusetzen.

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Welche Veränderungen im Recruiting nehmen Sie gerade wahr? Ich glaube, dass in den nächsten zehn Jahren das Thema Zielgruppenbezug eine recht hohe Relevanz einnehmen wird. Ein Beispiel sind soziale Netzwerke, über die Sie ehemalige Praktikanten tatsächlich auch halten. Das Zweite ist, dass man auch andere Webseiten zielgruppenspezifisch aufbaut. Beispielsweise hat Rewe eine eigene Seite für die Auszubildenden. Man geht quasi in eine Subwebsite, die für Jugendliche und Schüler völlig anders aufgemacht ist als die eigentliche Karrierewebsite. Genauso muss das sein. Das ist vielleicht kein Giga-Sprung, aber das sind sehr schöne zielgruppenbezogene Aktivitäten der Unternehmen, die auch nachhaltig sein werden. Welcher Kanal verspricht den meisten Erfolg? Ich glaube nicht daran, dass ein einziger Kanal vielversprechend ist. Das ist das, was sich geändert hat. Vor zehn Jahren konnten sie vielleicht noch sagen, ich schalte in einer regionalen oder überregionalen Tageszeitung und dann ist dies erfolgversprechend. Wichtig ist einfach, dass Sie heutzutage zielgruppenbezogen die gleichen Informationen oder erweiterte Informationen auf unterschiedlichen Medien schalten und dort präsent sein müssen. Es wird kein Medium diese

Macht haben, sodass ich in einem Unternehmen sagen kann: Wenn du das tust, bist du erfolgreich. Die ganze Social-Media-Kiste ist nett für den Bereich Personalmarketing. Aber Sie wissen nachher nicht, wo kommt der Bewerber wirklich her, hat er das bei Facebook gesehen, hat er eine Empfehlung bekommen, hat er die Anzeige gelesen oder war er auf Ihrer Website. Und genau das wird es sein, was irgendwann erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen unterscheidet: Sind sie in der Lage, die Zielgruppenmedien auch tatsächlich mit starkem Content zu bedienen? Das wird nicht auf ein Medium konzentriert bleiben. Es wird der intelligente zielgruppenspezifische Mix sein, der mittelfristig über den Erfolg entscheidet. Wie wird sich das Recruiting zukünftig entwickeln? In zehn Jahren wird uns die Demografie so richtig treffen. Ich glaube, dass das Recruiting sich zukünftig in eine Eins-zu-Eins-Beziehung entwickeln wird. Das heißt, dass ich über unterschiedliche Medien Beziehungen zu Einzelpersonen aufbaue und diese pflegen muss und ich wirklich die Leute einzeln einfange. Es wird über Beziehungen gehen und damit meine ich sehr langfristige Beziehungen – also eine Betreuung vom Jugendalter an in Richtung einer Lifecircle-Beziehung.

»Es wird der intelligente zielgruppenspezifische Mix sein, der mittelfristig über den Erfolg entscheidet.«

Das Interview führte Sven Pauleweit

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LASS UNS REDEN Mitarbeitergespräche sind in vielen Unternehmen Standard. Allerdings fristen sie häufig ein Schattendasein als ungeliebte Pflichtübung. Dabei können sie bei der Personalentwicklung wertvolle Dienste leisten.

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»Die Art und Weise, wie solche Gespräche ablaufen, ist häufig ausbaufähig.« Niclas Schaper, Universität Paderborn

Land. „Die Führungskraft kann darüber hinaus seine Wertschätzung für den Mitarbeiter ausdrücken und dessen Motivation stark steigern.“ Aufgabe des Personalmanagers ist es, den Führungskräften diese Bedeutung klar zu machen – denn oft genug sind Mitarbeitergespräche aus deren Sicht nicht mehr als ein notwendiges Übel.

Einmal nicht Chef sein Dabei können die Gespräche viel mehr. Denn sie finden ein Stückweit außerhalb der gewohnten Rollenverständnisse statt. Der Chef lässt den Mitarbeiter reden, hört zu. Heißt konkret: Einwände zur Kenntnis nehmen, aber nicht um die richtige Sichtweise streiten. „Viele Führungskräfte müssen erst einmal lernen, für eine Stunde nicht Chef zu sein“, sagt Schaper. Und kommen dem Mitarbeiter in dem Moment vermutlich deutlich näher als im gesamten Jahr davor und danach. „Wenn so ein Gespräch gut

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as Jahr neigt sich dem Ende zu, die Auftragsbücher sind voll, jeder Kunde will seinen Auftrag noch erledigt haben, bevor er in den Weihnachtsurlaub verschwindet. Und dann kommt auch noch der Chef und will kurzfristig ein Mitarbeitergespräch führen. Hat er schließlich noch auf seiner To-Do-Liste stehen. Also in den nächsten Tagen Termin beim Vorgesetzten einplanen. Wenigstens macht seine Sekretärin einen guten Kaffee, den kann man ganz in Ruhe trinken, während der Chef nebenher dringende Anrufe annimmt und wichtige Mails auf seinem Blackberry beantwortet. „Prima, schön, dass wir uns mal unterhalten konnten“, lautet nach einer halben Stunde das Stichwort, die heiligen Hallen wieder zu verlassen. Solche und ähnliche Mitarbeitergespräche sind heute Standard. Vor allem in großen Unternehmen zählen die Gespräche zum bekannten Repertoire der Personalführung. Wenn Firmen Personalentwicklung ernst nehmen, kommen sie allerdings nicht darum herum, aus den Gesprächen mehr zu machen als ein bloßes Kaffeekränzchen. „Die Art und Weise, wie solche Gespräche ablaufen, ist häufig ausbaufähig“, sagt Niclas Schaper, Professor am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Paderborn. Oft gibt es einen konkreten Anlass: Versetzung, Beförderung, Neueinstellung, Kündigung. Das Gespräch zur Personalentwicklung hingegen ist das einzige, das sich um den Mitarbeiter und seine alltägliche Arbeit dreht. „Wenn man so ein Gespräch richtig führt, kann man damit nicht nur die Entwicklung des Mitarbeiters voranbringen“, sagt Jörg Kopp, Personalberater und Coach aus Wiehl im Bergischen


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klappt, kann es sein, dass ein Mitarbeiter denkt: Mensch, der Chef ist gar nicht so nervig, wie er immer rüberkommt“, sagt Jens Hohensee von der Personalberatung Kienbaum. „Für Führungskräfte ist es obendrein ein gutes Instrument, um ins Unternehmen hineinzuhören.“ Umgekehrt können Führungskräfte ihren Mitarbeitern ihre Geringschätzung wohl kaum stärker kommunizieren als in einem Gespräch, in dem sie ausschließlich über sich selbst reden. Damit Mitarbeitergespräche im Unternehmen ernst genommen werden, sollten HR-Manager darauf bestehen, dass sie in allen Hierarchieebenen eingeführt werden. „Wenn der Chef sagt, er selbst will solche Gespräche nicht mit seinen Standortleitern führen, alle anderen Führungskräfte sollen das aber machen, ist das unglaubwürdig“, warnt Kopp. Dann wird kaum jemand die Gespräche ernst nehmen. „Die Führungskultur muss passen“, ergänzt D E Z E M B E R

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Personalforscher Schaper. „Mitarbeitergespräche sind demokratisierende Führungsinstrumente, weil Chef und Mitarbeiter sich für einen Moment aus ihren Rollen herausbewegen“, sagt Schaper: „Bei einem rein autoritären Führungsverständnis bringt ein Mitarbeitergespräch nichts.“ HR-Manager sind für die Frage, wie die Mitarbeitergespräche im Unternehmen konkret zu führen sind, zentrale Figuren. Nicht als Beisitzer und Kontrolleur bei jedem Termin: Die Gespräche sind allein Sache zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Der HR-Manager kann aber sehr wohl Manager mit leitenden Funktionen vorab briefen. „Gerade für junge Führungskräfte kann das hilfreich sein, weil solche Gespräche für sie häufig noch ungewohnt sind“, sagt Berater Kopp. Darüber hinaus kann der HR-Chef für sämtliche leitenden Mitarbeiter einen formalisierten Fragebogen entwerfen, um die Gespräche unternehmensweit zu strukturieren. Inhaltlich sollte der Führungskraft vor dem Gespräch klar sein, worum es gehen soll – mit oder ohne Fragebogen. Bilanz ziehen, neue Ziele definieren. Welche Aufgaben soll der Mitarbeiter künftig übernehmen? „Im Optimalfall gibt es dann einen unterjährigen Abgleich, ob Ziele auch erreicht wurden“, sagt Kienbaum-Personalberater Hohensee. Aus Sicht von HR-Managern ist außerdem wichtig, dass die Gesprächsaufzeichnungen nicht geschönt sind. „Der Personaler sollte nicht immer alles glauben, was in den Protokollen und Fragebögen steht“, sagt Kopp. In manchen Situationen sind Chefs eventuell bemüht, im Gespräch und den Aufzeichnungen darüber keinen Ärger aufkommen zu lassen. „Wenn man weiß, dass es in einer Abteilung nicht rund läuft und dann nur Gesprächsprotokolle mit besten Ergebnissen entstehen, sollte einen das in jedem Fall stutzig machen“, sagt Kopp.

Viel Routinearbeit Spezielle Software hilft HR-Managern, bei der Fülle an gesammelten Daten und Gesprächsmitschriften den Überblick zu wahren. „Routinearbeiten rund um Mitarbeitergespräche kosten Personalmanager viel Zeit“, sagt Claus Nielsen, Vertriebsleiter beim Softwareentwickler Talentsoft. Spezielle HR-Programme helfen ihnen bei solchen Arbeiten. HR-Manager können zum Beispiel aus vorgegebenen Standardformularen Fragebögen entwickeln, die sie für Führungskräfte bereitstellen. Die Fragen können Chef und Mitarbeiter direkt am Rechner ein67


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geben, sodass alle Beteiligten auf die Daten Zugriff haben. Damit bekommen HR-Manager zum Beispiel einen Überblick, welcher Abteilungsleiter seine Mitarbeiter generell schlecht oder generell gut beurteilt. Und können später in den Gesprächsaufzeichnungen und weiteren hinterlegten Daten zu jedem Mitarbeiter per Schlagwort nach bestimmten Qualifikationen suchen, wenn etwa intern eine Stelle zu besetzen ist. „Schließlich soll die Personalentwicklung im Endeffekt dem Unternehmen zugute kommen“, sagt Nielsen.

Ziele und Vereinbarungen Ob auf Papier oder im Computer: Führungskräfte sollten sich in jedem Fall Notizen machen, um im nächsten Termin an das vorherige Gespräch anknüpfen zu können. Ziele und Vereinbarungen für die Zukunft gehören deshalb in jedes Entwicklungsgespräch: Welche Aufgaben soll der Mitarbeiter künftig übernehmen, welche Bonusvereinbarung kann der Chef zusagen. „Spätestens in dem Moment wird klar, dass es für den Vorgesetzten wichtig ist, sich auf das Gespräch vorzubereiten“, sagt Kopp. „Denn er sollte im Gespräch direkte Zusagen machen können. Wenn er erst einmal Rücksprache bei seinem Chef halten muss, demonstriert er seinem Mitarbeiter vor allem seine eigene beschränkte Kompetenz.“

»Der Vorgesetzte sollte im Gespräch direkte Zusagen machen können.« Jörg Kopp, Coach

Die Notizen gehören in die Personalakte, damit die Informationen über einen Mitarbeiter nicht verloren gehen, wenn er im Unternehmen die Abteilung wechselt und einen neuen Vorgesetzten bekommt. „Letztlich ist es ja das Unternehmen, das die Personalentwicklung im eigenen Interesse macht. Deshalb sollten auch sämtliche Führungskräfte auf Unterlagen über die Gespräche zugreifen können, die mit einem Beschäftigten zusammenarbeiten“, sagt Personalberater Jörg Kopp. Personalforscher Schaper rät außerdem dazu, Gespräche über die Entwicklung des Mitarbeiters und Beurteilungsgespräche, bei denen es etwa um einen Bonus geht, zu trennen. „Das sind zwei unterschiedliche Aspekte, die nicht gut zusammenpassen, schließlich geht es bei letzterem häufig darum zu verhandeln und nicht so sehr, auf den Mitarbeiter zuzugehen“, sagt Schaper. „Praktisch wird das aber oft in einem gemacht.“ Außerdem sollten HR-Manager Führungskräften auf den Weg geben, dass sie sich Zeit nehmen sollen. Mitarbeitergespräche sind langfristige Projekte, so etwas sollten Führungskräfte dauerhaft über viele Jahre beibehalten. Deshalb spricht auch nichts dagegen, die Termine lange im Voraus anzuberaumen, meint Berater Kopp: „Dann können sich beide Seiten in Ruhe darauf vorbereiten.“ André Schmidt-Carré

5 Tipps für ein gutes Mitarbeitergespräch

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Voll konzentrieren

Passende Umgebung wählen

Zeit nehmen

Zuhören

Ziele aufgreifen

Während des Gesprächs sollte der Chef voll für seinen Mitarbeiter da sein. Heißt: Telefon umleiten, keine dringenden E-Mails auf dem Smartphone lesen, Sekretärin Bescheid sagen, dass niemand stören soll.

Am besten an einem neutralen Ort treffen, etwa im Besprechungsraum oder in der Cafeteria, wenn dort wenig los ist. Und wenn es schon im Chefzimmer sein muss, dann am Besprechungstisch und nicht am Arbeitsplatz, wo die Führungskraft auf ihrem Lederstuhl thront.

Eine Stunde sollte sich der Chef schon frei schaufeln. Und nicht erst auf den letzten Drücker am Jahresende, wenn alle im Stress sind. Besser im Januar nach den Ferien. Und Termine rechtzeitig ankündigen, eine Woche im Voraus reicht nicht.

Die goldene Regel lautet: 70 Prozent der Zeit redet der Mitarbeiter, 30 Prozent der Chef. Der hört die meiste Zeit zu, und nimmt Einwände zur Kenntnis, ohne sie wegzudiskutieren.

Die Beteiligten sollten mit klaren Zielformulierungen aus dem Gespräch gehen. Und im nächsten Termin daran anknüpfen.

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In Zeiten wachsenden Arbeitsdrucks, Web 2.0 und Whistleblowing wird der Umgang mit Mobbing noch komplizierter. Doch Wegducken bringt nichts. Das Thema muss professionell angegangen werden.

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AUSGEGRENZT

erührungsängste hat Andreas Grieger nicht. Zumindest nicht, wenn in seinem Betrieb die Fetzen fliegen und Teamarbeit zur Hölle wird. „In der Familie schaut man ja auch nicht weg, wenn Familienmitglieder untereinander Konflikte austragen“, sagt der Head of Human Resources des Sensorherstellers Sick in Waldkirch bei Freiburg. „Da müssen und wollen wir klare Zeichen setzen.“ Solche klaren Zeichen sind noch immer die Seltenheit. Mobbing gilt in vielen HR-Abteilungen weiterhin als heißes Eisen – nicht zuletzt wegen der zehn Jahre währenden öffentlichen Debatte. „Die allermeisten Firmen entwickeln zunehmend eine Allergie gegen den Modebegriff


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Mobbing“, sagt Lothar Drat, Koordinator des Vereins gegen psychosozialen Stress & Mobbing e.V. (VPSM) in Wiesbaden. Kein Wunder. Wie häufig hören Personaler die Klage von unzufriedenen Mitarbeitern, „gemobbt zu werden“. Der Begriff wird heutzutage inflationär gebraucht. Dabei fällt unter Mobbing tatsächlich allein die systematische Schikane, die über einen längeren Zeitraum anhält und das Ziel hat, das Opfer auszugrenzen. Nicht jeder Teamkonflikt ist also gleich Mobbing. Und nicht jeder Mitarbeiter, der sich ungerecht behandelt fühlt, ist ein Mobbing-Opfer. Grund zum Aufatmen ist das dennoch nicht. Mobbing ist längst keine Randerscheinung. Immerhin 5,5 Prozent aller Deutschen werden an ihrem Arbeitsplatz jährlich zu Opfern. Dies geht aus dem einzigen repräsentativen nationalen Mobbing-Report hervor, der 2002 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund erhoben wurde. Mehr als jeder zehnte Berufstätige (11,3 Prozent) wurde demnach in seinem Leben bereits im Job gemobbt – Frauen (12,9 Prozent) etwas häufiger als Männer (9,6 Prozent). Entwarnung ist auch heute nicht in Sicht. Im Gegenteil. „Durch den zunehmenden Arbeitsdruck in den Betrieben steigt auch die Häufigkeit von Konflikten, die in Mobbing münden“, sagt Experte Drat. Zudem beobachtet der Sozialpädagoge, „dass die psychische Gewalt enthemmter wird“.

mehr als 2.000 Mitarbeitern gibt es im Jahr rund vier, fünf Mobbingfälle – von Psychoterror über Rufmord bis zu sexueller Belästigung. Grieger und seine Kollegen haben dabei von Anfang an auf eine enge Allianz mit dem Betriebsrat gesetzt. Eine klassische Rollenverteilung gibt es zwischen den beiden Parteien nicht. Wer was übernimmt, ergibt sich immer individuell – „je nachdem, zu wem die Betroffenen ein größeres Vertrauensverhältnis haben“, so Grieger.

Handlungsfähigkeit zeigen

»In der Familie schaut man ja auch nicht weg, wenn Familienmitglieder untereinander Konflikte austragen.« Andreas Grieger, Sick

Das Betriebsklima leidet Sich als HRler einfach wegzuducken, wäre fatal. „Unternehmen, die die Augen davor verschließen, schneiden sich ins eigene Fleisch“, sagt Mediatorin Monika Heilmann aus Leinfelden. Bei eskalierenden Konflikten litten nicht nur Betriebsklima und Arbeitsergebnisse. „In Zeiten des Web 2.0“, so Heilmann, „riskieren Firmen außerdem hohe Imageschäden, die weit über die Kosten des Konfliktmanagements hinausgehen.“ Dazu kommt die zunehmende Verbreitung von Whistleblowing in Unternehmen. Wo Beschäftigte ermutigt werden, Missstände aufzudecken, müssen Firmen für ihren besonderen Schutz sorgen. Gründe genug also, aktiv zu werden gegen Mobbing. Unternehmen wie Sick haben diese Verantwortung erkannt. Personalchef Grieger etwa sieht es als wichtige Aufgabe seiner Abteilung an, bei dem Thema „Scheu und Barrieren abzubauen“. Unter der Belegschaft sei das Thema Mobbing oft eine No-go-Area. „Selbst wenn die Kollegen es mitbekommen, reagieren sie oft lange gar nicht oder tun es als Spaß ab.“ Hier sei Eingreifen gefragt. Erkennen, vorbeugen, eindämmen: Das Aufgabenspektrum für Human Resources ist breit gefächert. Am deutschen Sick-Standort mit D E Z E M B E R

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»Unternehmen, die die Augen vor Mobbing verschließen, schneiden sich ins eigene Fleisch.« Monika Heilmann, Mediatorin

Die firmeninterne Broschüre mit der Überschrift „Mobbing – wo andere leiden, hört der Spaß auf“ ist von Geschäftsleitung und Betriebsrat gemeinsam herausgegeben worden. Darin stehen leicht verständliche Beispiele, ein Leitfaden zur Problemerkennung und Hinweise zu Vertraulichkeitsschutz und Zivilcourage. In konkreten Konfliktfällen wird zunächst in Vier- oder Sechsaugengesprächen mit den Betroffenen und dem Betriebsrat geklärt, ob es sich tatsächlich um Mobbing handelt. Anschließend folgen Gespräche mit allen Kontrahenten und eventuell mit deren Führungskraft. In jedem Einzelfall wird versucht, eine Lösung zu finden. Die kann je nach Fall stark variieren – von schriftlichen Vereinbarungen und Versetzungen über Ermahnungen und Abmahnungen bis hin zu Kündigungen. Wichtig ist vor allem, dass überhaupt etwas passiert. „Indem wir Handlungsfähigkeit zeigen, schützen wir alle Mitarbeiter“, sagt Grieger. Kommen Firmen allein nicht mehr weiter, können sie externe Unterstützung suchen. Hilfsvereine wie der VPSM, Klima e.V. in Hamburg oder Anti-Mobbing e.V. in Münster bieten mit Teams aus Psychologen, Pädagogen und Anwälten diverse Hilfestellungen wie Diagnose, Coaching, Beratung, Rechtsrat und Mediation. Gemeinsam können so etwa Betriebsvereinbarungen aufgesetzt, Personalreferenten und Betriebsräte geschult sowie konkrete Konfliktfälle geschlichtet werden. Beim VPSM kostet eine Dreiviertelstunde Erstberatung 77 Euro. Solche Ausgaben zahlen sich aus. Denn wer nichts tut, riskiert weitaus höhere Folgekosten – durch Krankheitsausfälle, innere Kündigungen und hohe Fehlerquoten. Das weiß auch Andreas Löchte, Leiter des Bereichs Personalwesen der HUK-Coburg Versicherungsgruppe im bayerischen Coburg. Maßnahmen gegen Mobbing sind bei ihm Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements. „Indem wir Mobbing zum Thema machen, holen wir es aus der Schmuddelecke“, sagt Löchte. Das Signal an die Mitarbeiter laute: Mobbing wird hier nicht geduldet. Bei mehr als 8.500 Beschäftigten in Deutschland treten bis zu zehn Fälle im Jahr auf. „Die sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs“, so Löchte. „Es wäre naiv zu glauben, 71


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Mängel im Führungsverhalten und in der Konfliktkultur Nach Angaben des Vereins gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM) besteht für den Einzelnen bei einer durchschnittlichen Dauer des Arbeitslebens von 35 Jahren ein Risiko von 1:4 mindestens einmal und wenigstens sechs Monate lang gemobbt zu werden. Auf rund 25 Milliarden Euro schätzen Experten den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden, der in Deutschland durch Mobbing verursacht wird. Der VPSM versteht Mobbing als konfliktbelastete Kommunikation in Form von direkten, insbesondere aber indirekten Angriffen auf eine Person. Sie kann unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen stattfinden. Mobbing findet systematisch und längere Zeit statt. Ziel ist der Ausstoß des Gemobbten aus dem Arbeitsverhältnis bzw. der Gemeinschaft. Mobbing wird oftmals durch organisatorische Aspekte begünstigt. Dazu gehören Arbeitsbelastungen, instransparente Betriebsabläufe, starke Hierarchien und Mängel im Informationssystem. Eine wichtige Rolle spielen oft auch eine mangelnde Führung und eine unzureichende Konfliktkultur.

Personaler als Partner Was viele Firmen nicht wissen: Maßnahmen gegen Mobbing sind nicht nur „nice to have“. Sie gehören auch zur rechtlichen Pflicht eines Unternehmens. „Im vorprozessualen Bereich ist der Personaler sozusagen der Partner des Mobbing-Opfers, der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen hat, dass das Mobbing beendet wird“, erklärt Helmut P. Krause, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Puchheim bei München. „Gelingt ihm dies nicht, drohen dem Arbeitgeber empfindliche Schmerzensgeld- und Entschädigungszahlungen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Mobbing-Opfers.“ Die Beweislastverteilung vor Gericht scheint zunächst einmal in die Hände der Arbeitgeber zu spielen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung des Arbeitgebers beweisen. „Personalabteilungen können sich jedoch keineswegs darauf verlassen, in einem Rechtsstreit am längeren Hebel zu sitzen“, warnt Krause, der schon zahlreiche Mobbing-Fälle vor Gericht ausgetragen hat. „Die Rechtsprechung wird von der Tendenz her eher arbeitnehmerfreundlicher.“ Aufgabe von Personalchefs sei es daher, Mobbing-Fälle so früh wie möglich zu erkennen und zu lösen. Zudem hätten sie die Aufgabe, Strukturen zu verhindern, die Mobbing begünstigen. Krause kennt die Klassiker darunter: „Schlechte Arbeitsorganisation, unklare Zuständigkeiten, ungerechte Arbeitsverteilung, widersprüchliche Arbeitsanweisungen und mangelhafte Informationsstrukturen gelten als wichtige Ursachen für das Entstehen von Mobbing-Situationen“, so der Arbeitsrechtler. Seine rechtlichen Pflichten kennt auch Roland Wietschel, Leiter Personal und Revi72

»Indem wir Mobbing zum Thema machen, holen wir es aus der Schmuddelecke.« Andreas Löchte, HUK-Coburg

sion der Drogeriemarktkette Rossmann in Burgwedel bei Hannover. Alle zwölf Personalreferenten des Einzelhändlers sind als systemische Berater und Coaches für das Thema Mobbing sensibilisiert und haben Erfahrungen mit Konfliktgesprächen. Sie sind bundesweit als Ansprechpartner für Führungskräfte und Mitarbeiter in eigenen Büros vor Ort vertreten und arbeiten beim Thema Mobbing eng mit den Betriebsräten zusammen. Die wiederum haben einen extra ausgebildeten Anti-Mobbing-Experten in ihren Reihen. Trotz dieser vorbildlichen Aufstellung brodelt Mobbing auch bei Rossmann manchmal lange unter der Oberfläche. Etwa in dem Fall, der erst ans Licht kam, als eine Bezirksleiterin Störfälle im Betriebsablauf feststellte und bei dem zuständigen Personalreferenten nachfragte. In Gesprächen mit den Mitarbeitern der Filiale kam heraus, dass sich eine Mitarbeiterin von der Gruppe gemobbt fühlte – und umgekehrt die Gruppe von ihr. Rossmann drehte das ganz große Rad, um eine Lösung zu finden, unter anderem mit zwei Aussprachen, an denen alle Teammitarbeiter sowie ein Personalreferent, ein Betriebsratsmitglied und die Bezirksleiterin teilnahmen. Heraus kam jedoch nichts. „Weil sich niemand aus der Deckung gewagt hat“, so Wietschel. Einzelgespräche mit der Mitarbeiterin führten letztlich auch nur dazu, dass sie die Situation nicht mehr ausgehalten und offiziell gekündigt hat. „Mobbing-Bekämpfung läuft eben nicht immer wie im Lehrbuch ab“, räumt Wietschel ein. Deshalb aber aufzustecken, käme dem Personalchef nicht in den Sinn. „Mobbing-Fälle lassen sich nicht so lösen, dass sich nachher alle Beteiligten wieder lieb haben“, so seine Überzeugung. Dennoch bleibt er dran – vor allem im Vorfeld dafür zu sorgen, künftiges Mobbing zu verhindern. „Prävention“, so Wietschel, „ist noch immer das beste Anti-Mobbing.“ Judith-Maria Gillies

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dass es in Wahrheit nicht noch mehr gibt.“ Gescheitert ist seine Anti-Mobbing-Strategie damit nicht. „Führungskräfte haben nicht versagt, wenn bei ihnen im Team Mobbing auftritt“, so Expertin Heilmann. „Sie haben nur dann versagt, wenn bei ihnen Mobbing auftritt und sie nichts dagegen tun.“ Genau hier setzt die HUK-Coburg an. Ihr Programm: Führungskräfte werden in Konflikttrainings für das Thema sensibilisiert. „Wir wollen sie nicht zu Psychiatern machen“, erklärt Löchte. „Wir wollen sie nur dazu bringen, die betreffenden Fälle zu erkennen und dann die jeweiligen Experten anzusprechen.“ Als Ansprechpartner wurde von der Personalabteilung ein extra ausgebildeter Kollege als interner Führungskräftebetreuer benannt. Außerdem hat die Firma eine Hotline eingerichtet, bei der Betroffene anonym anrufen können, um sich von Psychologen und anderen Experten beraten zu lassen.


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BRENNEN FÜR DEN BERUF

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uf umkämpften Märkten müssen sich Unternehmer und Spitzenmanager auf die wichtigsten Erfolgsfaktoren konzentrieren: Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit. Von der Unternehmensführung bis zum Teamleiter ist das gesamte Management getrieben, alle betrieblichen Prozesse nachhaltig und ergebniswirksam zu optimieren. Oberstes Ziel ist eine vernünftige Balance von Qualität und Rentabilität. In der Verwaltung stecken erhebliche Rationalisierungspotenziale. Und warum sollte das, was für die Mitarbeiter am Schreibtisch, am Fließband und an der CNC-Ma-

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schine gilt, nicht auch für die Personalarbeit gelten? Was lässt HR-Manager und HR-Managerinnen glauben, ihre Funktion sei unverzichtbar und gehöre nicht zu den bedrohten Spezies? Auch die Personalfunktion steht unter kritischer Beobachtung. Die Methode „Augen zu und durch“ ist dabei hochgradig riskant. Denn die Bedrohung bleibt, auch wenn man sie nicht wahrhaben möchte. Angesichts der immer schnelleren Abfolge von Wirtschaftskrisen, des dauerhaften Kostendrucks und des einsetzenden Kampfes um die besten Köpfe verlangt das Top-Management nachdrücklich von der Funktion

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Die Personalbereiche in den Unternehmen stehen unter Rechtfertigungsdruck. Die Existenz als eigenständige betriebliche Funktion ist in Gefahr. Ein Fortschritt wäre es, wenn in jedem Personaler ein guter Vertriebler stecken würde.


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Human Resources, ihre Wertschöpfungsfähigkeit, mehr noch, ihren konkreten Wertschöpfungsbeitrag nachzuweisen. Nicht in vollmundigen Versprechungen, sondern gemessen in Euro und Cent. Dieser Anspruch ist in einer offenen Marktwirtschaft völlig legitim und in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung sogar zwingend geboten. Also müsste man doch annehmen, dass er von den praxiserfahrenen Personalern positiv beantwortet werden würde. Etwa mit einem solchen Commitment: „Wir verstehen und akzeptieren, was Ihr wollt, und werden Euch dabei mit unserem Wissen und unseren Methoden in jeder Hinsicht unterstützen.“ Natürlich hat das Zugeständnis ein Preisetikett: „Im Gegenzug erwarten wir von der Geschäftsleitung und vom Management, dass Ihr in allen inhaltlichen HR-Fragen auf uns hört und unseren Empfehlungen zu folgen bereit seid. Ihr setzt die Rahmenbedingungen. Aber innerhalb derer, also bei allen Personalangelegenheiten, haben wir das Wissen, die Kompetenz und die Erfahrung.“ Das scheint doch ein faires Geschäft zu sein, bei dem beide Seiten ihre Stärken ausspielen und beide nur gewinnen können. Doch was passiert in der Praxis?

Deal oder No Deal Irritiert von den seitens des Top-Managements und der Führungskräfte aus dem Feld immer hitziger gestellten Fragen nach ihrer Legitimation stellen Personalmanager eine Gegenforderung: Sie wollen als Business Partner der Geschäftsleitung ernst genommen und gehört werden. Prinzipiell melden beide Seiten berechtigte Forderungen an. Aber weil HR nicht wie das Top-Management auf der rationalen, sondern mehr auf der emotionalen, qualitativen Ebene argumentiert („ernst nehmen“), sind beide in einem Stillstand gefangen. Dies lässt sich nur durch die vollständige Räumung einer Position lösen. Wenn sich die Personaler nicht gegenüber der rationalen, quantitativen Seite mehr öffnen, wird es ihre Position sein, die geräumt werden wird. Und zwar ganz praktisch – nicht nur ideell. Um die Verklemmung der gegenseitigen Ansprüche von Personalern und Unternehmenslenkern aufzubrechen, muss es den HR-Verantwortlichen gelingen, • nicht nur in Produkten und Services zu denken, sondern zuallererst in Kundennutzen, • Produktentwicklungen auf der Basis konkreter Kundenanforderungen vorzunehmen, • das Business immer wieder versuchen zu verstehen und damit einen echten Mehrwert für das Business zu generieren, • die Leistungen und Erfolge von HR nach dem Grundsatz „promise and deliver“ zu messen und nachzuweisen • und sich als starker, leistungsfähiger Bereich besser zu verkaufen. Solange dies nicht geschieht, kann HR seine Forderung nach Partnerschaft auf Augenhöhe weder heute noch in Zukunft plausibel begründen. Und damit würde sich der vom Top-Management selten offen, aber häufig versteckt geäußerte, jedoch oft von den Personalmanagern so empfundene Vorwurf eines unzureichenden Wertbeitrages zum Unternehmensergebnis selbst erfüllen. D E Z E M B E R

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Selbstbild versus Fremdbild In ihrer Selbstwahrnehmung unterscheiden sich HR-Verantwortliche deutlich von den Managern in anderen Unternehmensbereichen. Vor allem gelernte Psychologen, Soziologen und Juristen betrachten sich als ganzheitlich orientierte Führungskräfte, anders als die streng auf Zahlen fixierten Manager und Managerinnen im Vertrieb, in der Buchhaltung, in der Produktion und im Einkauf – Benchmarks und Key Performance Indicators sind dort an der Tagesordnung, wenn es gilt, die eigene Position durch Hard Facts zu untermauern. Dieses die ganze Zunft prägende Selbstbild hat sich über viele Jahre hinweg auf die Führungskräfte im Business, also auf die Geld verdienenden Fachbereiche, übertragen. Deshalb „genießt“ HR dort einen Sonderstatus. Auch wenn es schmerzt: Dieser Status ist nicht besonders hoch. Bereits bei vielen Hochschulabsolventen gilt der Personalbereich als uncool. Während die Finanzer seit langem die erste Geige im Managementorchester spielen, die Produktion sich als Streicher und Bläser einbringt und Forscher und Entwickler zumindest stellenweise lautstark mit dem Zusammenschlag der Becken auf sich aufmerksam machen, sind die Personaler die leisen Querflöten im Orchester. Es gibt nur wenige Stücke, die eigens für sie geschrieben worden sind. Und sollte tatsächlich einmal eines auf den Spielplan gehoben werden, dann erfährt das Publikum mit großer Wahrscheinlichkeit gar nichts davon, da die zielgruppengerechte Kommunikation wegen anderer Projekte vergessen wurde. Die Geduld der Kollegen in den Fachbereichen mit den Personalern im Hause ist deshalb erschöpft. Ihre immer aggressiver erhobene Forderung, die Personalabteilung möge nun endlich einen angemessenen und klar definierbaren Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg beitragen, muss man als Warnung bewerten. Als letzte möglicherweise. Danach folgen praktische Konsequenzen: das teilweise oder komplette Outsourcing an einen jener unzähligen Personaldienstleister, die darauf nur im Stillen hoffen. An externen Dienstleistern herrscht kein Mangel, auch Personalarbeit lässt sich auslagern. Tatsächlich werden immer mehr isolierte HR-Aufgaben an Dritte ausgelagert. Somit können Personalkosten in Sachkosten umgewandelt werden, was der Gewinn- und Verlustrechnung gut tut. Der Auf- oder Abstieg von HR-Verantwortlichen hängt heute mehr denn je von den betriebswirtschaftlichen Daten ab. Die Personaler sollen, so die unkaschiert erhobene Forderung, zumindest den eigenen Personalaufwand senken, wenn sie selbst schon nichts zum Umsatz beitragen. Die Personalfaktorkosten sind in der Regel der größte Posten im HR-Budget.

Topmanager wollen Leistungsbelege HR gibt nur allzu oft gerade denjenigen eine Steilvorlage, die endlich beweisen wollen, dass Personalarbeit jeder kann. Vielleicht sogar besser, mit Sicherheit effizienter und kostengünstiger. Dieses in und außerhalb der Profession geläufige Fremdbild macht die Personaler mehrheitlich zwar betroffen, lässt sie aber vielfach grundverkehrt reagieren – mit verständnislosem Stirnrunzeln, mit hochgezogenem Mund und gerümpfter Nase. Sie fühlen 75


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HR muss seine Angebote bewerben Im Streit um Macht und Bedeutung werden die Samthandschuhe abgelegt. Deshalb müssen Personaler auch darauf achten, dass ihnen die Themen, die sie für sich reserviert glauben, nicht von fachfremder Seite abgenommen werden. Wenn ein Thema mit der begründeten Hoffnung vorangetrieben wird, den eigenen Einflussradius ausweiten zu können, dann ist Wettstreit programmiert. Quotenregelungen, Talentmanagement und Diversity wurden als Themen zwar von HR gesetzt, können aber auf dem Weg ins Leben an das Top-Management verlorengehen. Konkurrenz ist nur dann gut fürs Geschäft, wenn man gut im Geschäft ist. Und das ist HR nicht mehr immer und überall. 76

Im Gegenteil. Viele Personaler verlieren an Befugnissen, weil ihre Fähigkeiten, sich auf die Bedürfnisse des Business einzustellen, erkennbar limitiert sind. Sie laufen Gefahr, das Jobprofil eines administrativen Einkäufers auszufüllen: Sie kaufen Leistungen ein und buchen die Rechnungen auf die dazu gehörige Kostenstelle. Aktive Mithilfe bei der Wertsteigerung sieht anders aus. HR ist sich der eigenen Defizite durchaus bewusst. Reflexionsfähigkeit ist ja nun einmal eine der Stärken eines Personalers. Sie sollten ihr Selbstbewusstsein mit echter Stärke unterfüttern. Sie sollten sich „lästigen“ Anforderungen wie der nach kennzahlengestützter Erfolgsmessung nicht länger grundsätzlich verweigern. Sie sollten den Beweis dafür liefern, dass ihre Arbeit einen Mehrwert schafft. Die Unternehmensleitung sollte sich diesen Beweis liefern lassen. Personaler leisten wirklich gute Arbeit. Doch das allein reicht nicht, denn die Produkte und Dienstleistungen, die HR generiert – hoffentlich auf Basis von Business-Anforderungen – müssen erst auf Interesse der Abnehmer stoßen, um akzeptiert und übernommen zu werden. Dazu muss man sie bewerben. HR muss folglich also seine Leistungen ebenso verkaufen wie alle anderen Dienstleister im Unternehmen. Noch schärfer ausgedrückt: HR muss verkaufen wollen. Das setzt eine bestimmte innere Einstellung voraus. Vornehme Zurückhaltung ist dabei noch schädlicher als das Getöse eines Marktschreiers. HR kann gar seine Leistungen nicht laut genug betonen. Produkte und Dienstleistungen müssen nicht erst heute so dargeboten werden, dass Kunden nicht umhinkönnen, sie besitzen und nutzen zu wollen. Jeder Markt ist heute ein Käufermarkt. HR macht hier keine Ausnahme. Alle Hersteller und noch brutaler der Handel nehmen sehr schnell Produkte vom Markt, für die sich keine oder zu wenige Interessenten finden. Auch hier darf HR keine Sonderregelung verlangen. Personaler müssen Produkte und Dienstleistungen, die nicht nachgefragt werden, radikal aus dem Programm nehmen und attraktivere Alternativen anbieten. Nur das zeugt von Professionalität, und nur daran lässt sich die Fähigkeit zur Wertschöpfung deutlich machen. Von diesem Wandel werden vor allem selbstbewusste und leistungsbereite Personaler profitieren, die den Anspruch der Unternehmen an HR anerkennen, einen nachhaltigen Wertbeitrag bereitzustellen. Den zu liefern, ist HR auch in der Lage. Am Können scheitert es nicht, allenfalls am Wollen.

Peter Körner Buchautor von „Auf Augenhöhe“

• Autor des 2011 erschienenen Buches „Auf Augenhöhe – Wie professionelles Personalmanagement funktioniert und wie die Unternehmen davon profitieren • Mehr als 20-jährige Erfahrung als Inhouse-Berater, Leiter von HR Kompetenzcentern, HR Business Partner sowie Geschäftsführer Personal und Recht in Großunternehmen H U M A N

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sich zu Unrecht in eine Ecke gestellt, in die sie ihrer Meinung nach überhaupt nicht hineingehören. Sie fühlen sich beleidigt, ihrer Gesinnung entstellt und ihres wahren Wertes verkannt. Denn für sie lässt sich gute Personalarbeit nicht in simplen Maßeinheiten wie Geld und Zeit ausdrücken. HR ist mehr – viel mehr. Aber wenn die Geschäftsleitung fragt: „Ja – wie viel mehr denn?“, dann muss auch eine Antwort kommen. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Personalbereich über Jahrzehnte hinweg als eine der tragenden Säulen der Organisation betrachtet wird, ist angesichts der voranschreitenden Arbeitsteilung und einer Vielzahl von an der Funktion nagenden Geschäftsmodellen geschwunden. Auch für HR gilt heute der betriebswirtschaftliche Grundsatz: Wer nichts zum Return beiträgt, hat bei uns nichts verloren. Umso wichtiger ist zu verstehen, dass Personaler, die keine Bilanzen lesen können, die nicht in der Lage sind, Wirtschaftlichkeitsberechnungen anzustellen, die ihr Vorgehen nicht grundsätzlich auch finanziell untermauern, ihre Arbeitsmarktfähigkeit verlieren. Vernünftigerweise gilt aber auch der Umkehrschluss: HR-Manager und -Managerinnen, die diese Anforderungen erfüllen, nützen den Unternehmensinteressen und werden vorwärtskommen. Woraus folgt: HR hat seine Zukunft selbst in der Hand. Dazu genügt es nicht, sich als Business Partner verbal ins Spiel zu bringen, den Part inhaltlich aber nicht ausfüllen zu können. Ein akzeptierter Business Partner kann nur sein, wer zumindest in Grundzügen die Ziele, das Denken und das Handeln der Fachbereiche versteht. Darauf muss HR seine Ressourcen abstellen, soll die Funktion nicht in die Bedeutungslosigkeit abdriften. Das bedeutet jedoch, dass HR größere Eigeninitiative und Selbstverantwortlichkeit an den Tag legen muss als bisher und nicht nur aus weiter Entfernung auf ihr Potenzial hinweisen darf. Der Unternehmensleitung ist durchaus klar, dass Wissen und Kompetenz der Mitarbeiter in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Das muss HR nicht ständig betonen. Vorstände wollen präzise Antworten auf die Frage: Wie verschaffen wir uns das, was wir brauchen? Unternehmer wollen Lösungen: Was ist zu tun? Wer die richtige Antwort, die passgenaue Lösung präsentiert, ist zweitrangig. Wer nicht liefert, muss sich kritische Fragen gefallen lassen.


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ESSAY

LAND DER VIELEN TALENTE Deutsche Firmen blicken auf das aufstrebende Indien. Doch wer dort tätig sein will, muss auf ein systematisches Talent- und Performance Management setzen. Das macht Kenntnisse der indischen Arbeitswelt unabdingbar.

Aktuelle Herausforderungen Globalisierung, demografischer Wandel, Geburtenrückgang und Abwanderung waren bereits Ende der 90er Jahre wichtige Auslöser des „War for Talents“. Diese Entwicklungen bringen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen mit sich; unweigerlich wendet sich der Blick vieler deutscher Unternehmen auf die stark wachsenden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China). Stark wachsende Nationen wie Indien legen auf vielen Dimensionen, angefangen vom Wirtschaftswachstum bis hin zur Innovativität, ein Tempo vor, welches unsere eigenen Wachstumsraten in den Schatten stellt. Indien ist die am zweitstärksten wachsende Nation. Betrachtet man aktuelle Entwicklungen dieses Landes, so könnte man sich durchaus Fragen stellen wie: (1) Was kennzeichnet die Arbeitswelt in Indien? (2) Sind in dem bevölkerungsmäßig drastisch wachsenden Indien Themen wie War for Talent und Talent Management überhaupt relevant? (3) Welche Herausforderungen bestehen in Indien im Talent- und Performance Management (TPM) und wie gehen indische Unternehmen hiermit um? Abschließend beantworten kann man diese Fragen zum jetzigen Zeitpunkt wohl kaum, da sich Indien aktuell in einem drastischen Wandel befindet. Die dortige Arbeitswelt ist stark durch die außerordentlichen ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Indien weist mit seinen rund 1,2 Mrd. Einwohnern ein Brutto-Inlandsprodukt von rund 4.000 Mrd. US-Dollar auf. Mit einer Wachstumsrate von mehr als 8 Prozent wird Indien zugesprochen, in den nächsten Dekaden einen entscheidenden Einfluss auf die Weltwirtschaft zu nehmen. Ursachen für das Wachstum werden in den natürlichen Ressourcen, insbesondere aber in der Verfügbarkeit von Arbeitskräften gesehen. Jährlich schließen rund 2,5 Millionen indische Absolventen ihr College ab; die Zahl weiblicher Erwerbstätiger nimmt kontinuierlich zu. Parallel wird allerdings das Modell der 78

Großfamilie zunehmend abgelöst, was mittelfristig zu neuen Herausforderungen für Unternehmen in Sachen Kinderbetreuung führen wird. Auch die gesellschaftliche Struktur beeinflusst die Arbeitswelt in Indien. Stark prägend ist in Indien immer noch das Kastensystem. Zwar werden in Universitäten und berufsbildenden Schulen bis zu 50 Prozent der Plätze für Mitglieder unterer Gesellschaftsschichten reserviert. Abgesehen davon, dass diese Regelung seitens der Mitglieder höherer Schichten stark umstritten ist, treten gesellschaftliche Klassenunterschiede spätestens in Situationen wieder auf, in denen Mitglieder niedrigerer Schichten als Führungskräfte für Mitglieder höherer Schichten eingesetzt werden. Das aktuelle Szenario für Indien erscheint paradox: Einerseits durchläuft Indien eine einzigartige Phase demografischen Wandels, wodurch die Zahl der Erwerbstätigen kontinuierlich ansteigt. Nach dem Census India Bericht (2010) werden die Erwerbstätigen (15-50 Jahre) von etwa 58 Prozent im Jahr 2001 auf mehr als 64 Prozent im Jahr 2021 ansteigen. So werden zwischen 2011 und 2016 etwa 63,5 Millionen zusätzliche Erwerbstätige auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sein. Bemerkenswert ist auch der Altersdurchschnitt der indischen Bevölkerung: Im Jahr 2020 wird der Altersdurchschnitt bei 29 Jahren liegen. Dies ist deutlich geringer als beispielsweise in China und USA mit 37, 45 Jahren in West Europa und 48 Jahren in Japan. Nicht nur Bevölkerungs- und Erwerbstätigenzahlen steigen, sondern auch die verfügbaren Arbeitsplätze nehmen zu. Nach Ma Foi Randstadt Employment Trends Survey (MEtS) werden im Jahr 2011 etwa 1,6 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, dies sind knapp 30 Prozent mehr als im Jahr 2010. Spitzenreiter sind das Gesundheitswesen (rund 250.000), die Gastronomie (rund 160.000) und die Immobilienwirtschaft (rund 130.000). Andererseits konfrontieren eine extrem geringe Mit-

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arbeiterbindung und eine internationale Arbeitskräfteabwanderung in Indien tätige Unternehmen mit einer Talentkrise. Globalisierung und digitale Vernetzung führen zu einer globalen Angleichung von Löhnen. Durchschnittlich steigen indische Gehälter pro Jahr um 12,8 Prozent an, vergleichsweise stark bei einer Inflationsrate von 5,5 Prozent. Die zweite eingangs gestellte Frage ist also mit einem klaren „ja“ zu beantworten: Personalverantwortlichen in Indien wird zunehmend bewusst, dass strategisches Talent- und Performance Management unerlässlich ist, um als Unternehmen in Indien langfristig wachsen und wettbewerbsfähig sein zu können.

ABBILDUNG 2

Engere und erweiterte Zielgruppen des Talent- und Performance Managements Beitrag zu Unternehmenszielen hoch

Prozess und Inhalte Die dritte eingangs gestellte Frage bezog sich auf Herausforderungen von in Indien tätigen Unternehmen im Talent- und Performance Management. Unter dem Schlagwort „Talentmanagement“ werden solche Aktivitäten und Prozesse zusammengefasst, die darauf abzielen, strategisch wichtige Schlüsselpositionen im Unternehmen zu identifizieren, zu besetzen und potenzielle Leistungsträger zu entwickeln. Ein idealtypischer Prozess des Talent- und Performance Management ist in Abbildung 1 dargestellt. Insgesamt umfasst der Prozess fünf Phasen, die fließend ineinander übergehen. In der Talent- und Performance Management Strategie sind langfristige Ziele des Talent- und Performance Managements definiert. Besondere Rahmenbedingungen, wie stark zunehmende Erwerbstätigenzahlen, steigende Vergütungen für Fach- und Führungskräfte sowie hohe Fluktuationsraten sind prägend für die Entwicklung der TPM Strategie. Aus der TPM Strategie werden konkrete Maßnahmen im Rahmen des Personalmanagements abgeleitet. Eine systematische Identifikation von Schlüsselpositionen setzt voraus, dass die Zielgruppen des TPMs klar definiert sind. Viele Unternehmen richten ihr Augenmerk zunächst auf sogenannte Talente (oder High Potentials). Talente sind diejenigen Menschen, von denen ein außergewöhnlich hoher Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele zu erwarten ist. Interessanterweise zeigen Studien, dass Talente zwar eine überdurchschnittliche Intelligenz aufweisen, allerdings in den seltensten Fällen unter die Gruppe der sogenannten Hochbegabten fallen (Abbildung 2). Gründe hierfür werden bei letzter Gruppe darin gesehen, dass deren Hochbegabungen nicht immer für unternehmerische Zwecke nutzbar sind. Zusätzlich sind diese spezifischen

ABBILDUNG 1

Prozess des Talent- und Performance Managements Entwicklung einer TPM Strategie

D E Z E M B E R

Identifikation von Schlüsselpositionen

Aufbau eines Talentepools

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Poolen von Talenten und Positionen

Performance Messung

Durchschnitt

Talente im engeren Sinn

Intelligenz gering

Talente im weiteren Sinn

hoch

Begabungen häufig zu Lasten von General Management Fähigkeiten ausgebildet. Talente zeichnen sich also dadurch aus, dass sie sowohl eine starke Persönlichkeit als auch fundiertes Wissen und starke organisatorische Fähigkeiten aufweisen. In Indien sind lokale und internationale Unternehmen damit konfrontiert, dass deutlich weniger Absolventen berufsbildende Einrichtungen und Universitäten verlassen, als Arbeitskräfte aufgrund des hohen Wachstums benötigt werden. Dementsprechend ist für in Indien tätige Unternehmen unabdingbar, das TPM auf durchschnittlich qualifizierte Mitarbeiter auszuweiten (Abbildung 2). Es ist naheliegend, dass die Personalentwicklung in einem solchen Verständnis des Talent- und Performance Managements einen zentralen Stellenwert einnimmt. Der Aufbau eines Talentepools ist in Indien besonders herausfordernd. Die meisten indischen Fach- und Führungskräfte sind nicht bereit, sich langfristig an ein Unternehmen zu binden. Mit durchschnittlichen Fluktuationsraten von rund 25 Prozent haben lokale wie internationale Unternehmen zu kämpfen. Der geringe Bindungswille indischer Mitarbeiter stellt deutsche Unternehmen vor ein Rätsel. Gewissermaßen verständlich bei durchschnittlichen Fluktuationsraten in Deutschland von 9 Prozent (in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie) bis rund 11 Prozent in Handel und Konsumgüterindustrie. Während deutsche Arbeitnehmer durchschnittlich zehn Jahre in einem Unternehmen verweilen, wechseln viele indische Erwerbstätige ihren Arbeitgeber mehrfach jährlich, und zwar auch Fach- und Führungskräfte. Hier wird ein fundamentaler kultureller Unterschied deutlich: Während für deutsche Erwerbstätige das Unternehmen immer noch so etwas wie ein zweites Zuhause repräsentiert, sehen indische Erwerbstätige ihr Unternehmen primär als Erwerbsquelle. Die Kosten für Rekrutierung und Einarbeitung sind daher in Indien überdurchschnittlich hoch. Indische Unternehmen sind also herausgefordert, Anreize für potenzielle und bestehende Mitarbeiter zu setzen. Allerdings greift die in west79


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ABBILDUNG 3

Performance Management nur für Talente ist zu eng gefasst hoch

Erfahrene Top Performer

Talente

Low Performer

Fragezeichen

Leistung

gering

gering

hoch Potenzial

beschränkt wird (siehe Abbildung 3). Vielmehr erfordert ein ganzheitliches Performance Management, dass sogenannte Fragezeichen und Low Performer einbezogen werden. Das enorme Bevölkerungswachstum in Indien bringt nicht ausschließlich Chancen mit sich: Mit rund 40 Prozent Analphabetenquote (im Vergleich zu rund 1 Prozent in vielen Europäischen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, Frankreich, Italien und Niederlande) geht vielmehr die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Will Indien das hohe Wachstum aufrechterhalten, müssen sich Unternehmen also auch Ansätze überlegen, wie sie mit geringer Qualifizierten umgehen. Zu denken ist beispielsweise an eigene Bildungseinrichtungen, in denen weniger qualifizierte, aber potenzialstarke Erwerbstätige nachqualifiziert werden.

Zusammenfassung und Ausblick

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Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Frage, was die Arbeitswelt in Indien ausmacht und inwieweit Talent- und Performance Management in dieser Nation eine Rolle spielen. Die Arbeitswelt in Indien ist durch fundamentale Gegebenheiten und Entwicklungen der Rahmenbedingungen des Landes geprägt. Die wichtigsten Unterschiede zu Deutschland sind: starkes Bevölkerungswachstum, deutlich geringeres Durchschnittsalter und hohe Analphabetenquoten. Diese Entwicklungen wirken auf den ersten Blick ermutigend, machen für in Indien tätige Unternehmen allerdings ein systematisches Talent- und Performance Management unabdingbar. Insbesondere Fach- und Führungskräfte werden zukünftig in Indien (ähnlich wie heute) knapp sein. Eine Herausforderung im TPM liegt insbesondere darin, Mitarbeiter längerfristiger zu binden als dies bisher der Fall ist.

Savitri Kulkarni Prodekanin am Welingkar Institute of Management Devlopment & Research in Mumbai

• Seit 2003 Prodekanin am Welingkar Institute of Management Devlopment & Research in Mumbai (Indien) • 1983 bis 2003 Training Consultant für Unternehmen wie ABB und Siemens Crisil an der MMC School of Management in Mumbai

Ruth Stock-Homburg Prodekanin und Professorin für Marketing und Personalmanagement an der TU Darmstadt

• Seit 2011 Prodekanin und Leiterin der Forschungssäule Innovation & Wachstum am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der TU Darmstadt • Seit 2006 Leiterin des Fachgebiets Marketing & Personalmanagement am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der TU Darmstadt H U M A N

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Fotos: Privat; TU Darmstadt

lichen Nationen bekannte, klassische Unterscheidung zwischen monetären und nicht-monetären Anreizen nur begrenzt. Vielmehr dominieren in Indien eindeutig monetäre Anreize. Traditionell stehen familiäre Verantwortung bzw. das Versorgen der (Groß-)Familie im Wertekanon der meisten indischen Beschäftigten an erster Stelle. Zu stark sind familiäre Bande und insbesondere daraus resultierende Verpflichtungen. Beispielsweise übersteigt die heute immer noch seitens des Elternhauses geleistete Mitgift einer Braut vielfach deren Jahreseinkommen. Allerdings gewinnen auch nicht-monetäre Anreize in Indien an Bedeutung. Zum Beispiel benötigen viele indische Erwerbstätige aufgrund schwieriger Verkehrsbedingungen häufig mehrere Stunden täglich, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Eine jüngere Studie, in der gemeinsam durch das Welingkar Institute of Management Development and Research, Mumbai und die Technische Universität Darmstadt mehr als 40 indische Topmanager befragt wurden, zeigte, dass flexible Arbeitszeiten und Telearbeitszeit zukünftig wichtige Anreize attraktiver Arbeitgeber sein werden, um Talente zu gewinnen und zu halten. Zudem arbeiten indische Konzerne zunehmend mit universitären Einrichtungen (und insbesondere Business Schools) zusammen, um ihren Nachwuchs zu rekrutieren. Schließlich ergab die Studie, dass indische Topmanager im Europäischen Arbeitsmarkt hohes Potenzial sehen, um Fach- und Führungskräfte zu rekrutieren. Was dieser Bedarf indischer Unternehmen an europäischen Arbeitskräften für den europäischen „War for Talent“ bedeutet, soll an dieser Stelle nur zu bedenken gegeben, nicht aber vertieft werden. Das Poolen von Talenten und Positionen findet in der vierten Phase statt. Die Herausforderung dieser Phase liegt darin, die richtigen Talente der passenden Position zuzuordnen. Die Passung zwischen Beschäftigtem und Stelle ist in Indien besonders wichtig, da die Einarbeitungszeiten neuer Mitarbeiter—beispielsweise im Vergleich zu Deutschland—um ein Drittel kürzer sind. Das Talent- und Performance Management wird durch kontinuierliches Performance Management abgerundet. Aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels in Indien ist es wichtig, dass Performance Management nicht auf Talente und erfahrene Top Performer


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INS KALTE WASSER

Andreas Scholz-Fleischmann Personalvorstand der Berliner Stadtreinigungsbetriebe

BACKGROUNDCHECK Wie HR Manager wurden, was sie sind

reine One-Man-Show. Beraten wurden in erster Linie Betriebsräte und Unternehmen in Fragen des technischen Wandels, was in diesen Jahren hauptsächlich die Einführung von computergestützten Werkzeugmaschinen betraf. Fünf Jahre blieb Andreas ScholzFleischmann bei der IG Metall, bevor er beschloss, etwas gänzlich Neues anzugehen – wieder einmal. „Ich fand den Wechsel damals angemessen, nicht nur für mich, sondern auch für die Aufgabe. Man bekommt irgendwann eine Schere im Kopf, da braucht es auch mal neue Leute mit neuen Ideen.“ Der Weg führte zur VDI/VDE-Technologiezentrum Informationstechnik GmbH. Dort wollte man mit Mitteln des Berliner Senats eine Japan-Beratungsstelle einrichten und Kooperationen von Berliner Unternehmen mit japanischen Partnern unterstützen. Er sollte die Leitung übernehmen. Für Andreas Scholz-Fleischmann war das wieder ein Sprung in das kalte Wasser, aber auch eine Aufgabe, die er spannend fand. Zwei Monate blieben ihm zur Vorbereitung. „Ich habe dann angefangen, Japanisch zu lernen, aber ich war kein Japan-Experte. Der ist man immer erst hinterher.“ 1991 wagte er den nächsten Schritt und wechselte in die Selbstständigkeit. Zusammen mit seiner Frau gründete er die Scholz + Partner Organisationsberatung GbR und beriet zwölf Jahre lang Unternehmen in Organisationsentwicklung, Innovation und Unternehmensstrategie, was ihn schließlich zu seinem jetzigen Arbeitgeber führte. 2004 hatte er die BSR in einem Change-Projekt unterstützt. Als es dort zu Veränderungen im Führungsgremium kommen sollte, bot man ihm einen Vorstandsposten an. „Es war so ein bisschen: walk like you talk. Anderen gute Ratschläge geben, ist das eine, es dann selber zu machen, ist etwas ganz anderes. Der Rollenwechsel hat mich schon sehr gereizt“, erinnert er sich. Sven Pauleweit

Andreas Scholz-Fleischmann • Seit 2004: Vorstand Personal, Soziales und technische Dienstleistungen, BSR • 1992 bis 2004: Geschäftsführender Gesellschafter, Scholz + Partner Organisationsberatung GbR • 1986 bis 1991: Leiter Technologieanalysen, VDI/VDE-Technologiezentrum Informationstechnik GmbH

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Foto: Berliner Stadtreinigungsbetriebe

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m Nachhinein lässt sich jeder Lebenslauf als durchdachter Plan darstellen. „Das bei mir zu sagen, wäre Blödsinn“, sagt Andreas Scholz-Fleischmann, „meine Karriere war absolut optionsgetrieben.“ Der 58-Jährige ist seit 2004 Vorstand Personal, Soziales und technische Dienstleistungen bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR). Derzeit ist er mit der Umsetzung eines Betriebssicherungsprogramms beschäftigt, mit dem das Unternehmen auf den demografischen Wandel reagieren will. Von den rund 5.500 Beschäftigten der Stadtreinigung arbeiten 3.500 täglich auf der Straße, bei jedem Wetter. „Das ist eine Herausforderung, die niemand ernsthaft bis 67 schafft, höchstens im Ausnahmefall“, erklärt Andreas Scholz-Fleischmann, „und als kommunales Unternehmen werden wir nicht einfach die Älteren und die, die körperlich nicht mehr hundert Prozent schaffen, entlassen.“ Das Modell sieht für die Mitarbeiter im Leistungslohnbereich ab 55 Jahren eine Blockaltersteilzeit mit einer aktiven und passiven Phase vor. Ab 55 arbeiten sie fünf Jahre voll und von 60 bis 65 gar nicht. In diesen insgesamt zehn Jahren Teilzeit stockt die BSR das Gehalt von 50 auf 80 Prozent auf. Finanziert werde das unter anderem durch einen Lohnverzicht von 1,5 Prozent, den jeder Mitarbeiter, egal ob Straßenkehrer oder Ingenieur, leistet, erläutert der gebürtige Berliner. Der Vorstandsposten bei der Stadtreinigung ist seine erste Station im Personalmanagement. Begonnen hatte der Sohn eines Journalisten und Verlegers nach seinem Abschluss in VWL und BWL 1978 beim Umweltbundesamt in Berlin. Zu der Zeit war die Bundesbehörde noch relativ klein, so dass Scholz-Fleischmann schon nach sechs Wochen als Teil einer Expertengruppe zur Lage der Umwelt zur OECD geschickt wurde. „Da saß ich da in Paris mit einer deutschen Fahne vor mir und war Vertreter der Bundesrepublik in einer internationalen Arbeitsgruppe, das war schon etwas abenteuerlich.“ So richtig sei die Arbeit bei einer Bundesbehörde nichts für ihn gewesen, sagt er. Als nach knapp einem Jahr die IG Metall ihm die Leitung einer im Aufbau befindlichen Innovationsberatungsstelle anbot, ergriff er die Gelegenheit. Anfangs war das eine


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Peter Hadasch

Elke Strathmann

Sabine Josch

Hadasch wird Personalvorstand bei Nestlé

Michael Picard

Neue Personaldirektorin bei der Otto GmbH

Die Nestlé Deutschland AG hat mit Peter Hadasch einen neuen Sabine Josch ist seit Kurzem Personaldirektorin bei der Otto GmbH Personalvorstand und Arbeitsdirektor. Der 59-Jährige folgt damit Elke & Co KG. Bislang wurde diese Position kommissarisch von Michael Strathmann nach, die Ende Oktober das Unternehmen Picard verantwortet, der zum Jahreswechsel Personalverlassen hat und im ersten Quartal 2012 als Personalvorchef von Metro Cash & Carry wird. Josch war zuletzt stand und Arbeitsdirektorin zu Continental wechselt. Bereichsleiterin Interne und Externe Kommunikation Peter Hadasch ist seit 1987 für Nestlé tätig und sowie Pressesprecherin der Otto Group. In ihrer übernahm in dem Jahr die Leitung der Steuerneuen Funktion ist die 43-Jährige innerhalb des abteilung. 1997 wurde er Vorstandsmitglied Otto-Personalbereiches am Standort HamburgHIRE & FIRE der Nestlé Pensionskasse. Hadasch ist im Bramfeld für 110 Mitarbeiter verantwortlich November dem Aufsichtsrat als Personalvorund insgesamt für rund 4.150 Beschäftigte stand vorgeschlagen und von diesem bestätigt zuständig. Sabine Josch berichtet als Wichtige Wechsel worden. Nestlé Deutschland beschäftigt rund Personaldirektorin an Personalvorstand und im Bereich Human Resources 12.700 Mitarbeiter. Arbeitsdirektor Alexander Birken.

Carsten Haferkamp

Rüdiger Steuerlein

Thomas Biedermann

Christoph Hack

Haferkamp folgt auf Steuerlein bei Areva NP

Biedermann ist Personalvorstand bei TÜV Rheinland

Carsten Haferkamp (43) wird zum Jahresbeginn neuer kaufmännischer Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Areva NP GmbH. Er folgt Rüdiger Steuerlein nach, der zum Ende des Jahres in den Ruhestand tritt. Haferkamp ist inzwischen neun Jahre in dem Unternehmen tätig. Seit 2009 ist er kaufmännischer Leiter für Revisionsservice und Reparatur- und Austauschprojekte. Von 2005 bis 2009 leitete er die Buchhaltung und Steuergruppe der Areva NP in Deutschland. Das Kerntechnikunternehmen Areva hat in der deutschen Region etwa 5.700 Mitarbeiter.

Thomas Biedermann ist seit Kurzem Vorstand Personal der TÜV Rheinland AG. Damit folgt er Christoph Hack nach, der zum 30. September auf eigenen Wunsch das Unternehmen verlassen hat. Zuletzt war Biedermann als Chief Regional Officer Western Europe für das Auslandsgeschäft von TÜV Rheinland in Westeuropa verantwortlich. Thomas Biedermann kam 1993 zu TÜV Rheinland. Seit 1996 ist er dort mit Führungsaufgaben in verschiedenen Positionen betraut. Als Personalvorstand ist Biedermann für 16.000 Mitarbeiter verantwortlich.

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Fotos: Privat; Stefan Wildhirt; Otto GmbH; Privat; obs/AREVA NP GmbH; Ludwig Olah; Hanne Engwald; obs/T†V Rheinland

Management


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Katharina Heuer

Personalvorstand Heuer verlässt die DB Fernverkehr AG Personalvorstand Katharina Heuer wird zum Jahresende die DB Fernverkehr AG verlassen. Wie das Unternehmen mitteilte, geschieht dies auf persönlichen Wunsch von Heuer. Wer ihr auf dieser Position nachfolgen wird, ist noch nicht entschieden. Katharina Heuer hatte den Personalvorstand im November 2010 von Robert Etmans übernommen.

Detlef Schmidt

Detlef Schmidt legt Vorstandsmandat der coop eG nieder Detlef Schmidt, Finanzvorstand und Arbeitsdirektor der coop eG, hat den Aufsichtsrat um eine vorzeitige Auflösung seines Vertrags zum Ende des Jahres gebeten. Schmidt will zukünftig wieder als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater arbeiten. Die Konsumgenossenschaft im Lebenseinzelhandel coop eG zählt 9.000 Mitarbeiter sowie 50.000 Mitglieder.

Horst Maiwald

Horst Maiwald wird Chief Human Resources Officer Horst Maiwald hat kürzlich die Position des Chief Human Resources Officer der Selecta Group mit Sitz in Cham in der Schweiz übernommen. Die Funktion ist neu geschaffen worden. Maiwald ist damit für das HR Management in 24 Ländern und insgesamt 5.000 Mitarbeiter verantwortlich. Er berichtet an den CEO des Vending-Unternehmens, Hanns R. Rech. Horst Maiwald kommt von der Media-Saturn Holding, wo er als Group Vice President HR tätig war.

Udo Fichtner

Fotos: Privat; Selecta Group; Privat

Udo Fichtner wechselt zur Hirschvogel Automotive Group Udo Fichtner (46) wechselt im Januar 2012 als Vice President HR und IT zur Hirschvogel Automotive Group mit Sitz im bayerischen Denklingen. Die Position ist neu geschaffen worden. Fichtner wird für das weltweite Personal- und IT-Management und insgesamt fast 4.000 Mitarbeiter verantwortlich sein. Er berichtet an den Sprecher der Geschäftsführung, Josef X. Baumeister. Udo Fichtner war zuletzt HR Director eines globalen Geschäftsbereichs von TRW Automotive. D E Z E M B E R

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Knut Krämer

Neuer HR Director bei der Dorma GmbH & Co. KG Knut Krämer wird Anfang Januar 2012 neuer Area HR Director Germany der Dorma GmbH & Co. KG. Der 41-Jährige ist aktuell noch als Personaldirektor des Dienstleistungszentrums und der IT-Gesellschaft der Targobank in Duisburg tätig. Als HR Director der Area Germany wird er an den CHRO der Dorma Gruppe, Katharina Pahl, berichten. Die Dorma GmbH beschäftigt in Deutschland rund 2.700 Mitarbeiter.

Fast jeder fünfte Arbeitnehmer, der heute in Rente geht, muss sein Arbeitsleben aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beenden und bekommt eine Erwerbsminderungsrente. Quelle: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut WSI

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Impressum

Alois Thull

Herausgeber Rudolf Hetzel Paul Krebs Torben Werner

Mitarbeiter der Ausgabe Cyrus Achouri, Sarah Erben, Simone Fasse, Judith-Maria Gillies, Nina Göllinger, Christoph Hus, Peter Körner, Savitri Kulkarni, Tobias Neufeld, Petra Schäfer, André Schmidt-Carré, Sarah Sommer, Ruth Stock-Homburg redaktion@ humanresourcesmanager.de Layout Marcel Franke Steffi Butter Sarah Schlingmeyer Titelillustration Burkhard Piller Fotoredaktion Stephan Baumann Verlags-/Redaktionsanschrift Helios Media GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 Fax: 030 / 84 85 92 00 info@helios-media.com Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@helios-media.de Druck Wende Druck Meeraner Straße 19 12681 Berlin Abonnementkonditionen Inland: 6 Ausgaben – 64 Euro Ausland: 6 Ausgaben – 90 Euro Studenten: 6 Ausgaben – 42 Euro Alle Preise inkl. MwSt. und Versandkosten

Das Bergwerk Auguste Victoria in Marl hat mit Alois Thull seit Kurzem einen neuen Betriebsdirektor für Personal- und Sozialfragen. Der 51-Jährige folgt Siegmund Bonk nach, der altersbedingt aus dem Unternehmen ausscheidet.

Lothar Barth

Thull war zuletzt Personal- und Sozialdirektor auf der Kokerei Prosper in Bottrop. Begonnen hatte er 1978 als Hauer auf dem Bergwerk Göttelborn. Das Bergwerk Auguste Victoria, das zur RAG AG gehört, beschäftigt rund 3.700 Mitarbeiter.

Heinz Lindgens

Barth wird Personaldezernent der Stadt Aachen Lothar Barth wird zum Januar 2012 neuer Personal- und Organisationsdezernent der Stadt Aachen. Damit übernimmt er die Nachfolge von Heinz Lindgens, der im Januar in den Ruhestand geht. Zuletzt war Lothar

Barth von 2003 bis zum April 2011 Oberbürgermeister der Stadt Bad Mergentheim. Als Personaldezernent der Stadt Aachen wird der 40-Jährige für rund 4.000 Mitarbeiter die Verantwortung tragen.

55 Prozent der Beschäftigten in Deutschland erhalten Weihnachtsgeld.

Quelle: Studie der Hans-Böckler-Stiftung

Isabell C. Krone

Krone wechselt zur Heinrich Nölke GmbH Isabell C. Krone verantwortet seit Kurzem als Mitglied der Geschäftsleitung den Bereich Personal bei der Heinrich Nölke GmbH & Co. KG. Die 47-Jährige kommt von der Symrise AG, wo sie als Head of HR Development EAME

tätig war. Isabell Krone berichtet bei dem Nahrungsmittelhersteller Nölke, der vor allem durch die Marke Gutfried bekannt ist, an den Generalbevollmächtigten des Unternehmens, Hermann Arnold. H U M A N

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Fotos: Privat (2); Heike Lachmann; Privat

Redaktion Jan C. Weilbacher (Chefredakteur, V.i.S.d.P.) jan.weilbacher@ humanresourcesmanager.de Sven Pauleweit sven.pauleweit@ humanresourcesmanager.de Alexander Tietz alexander.tietz@ humanresourcesmanager.de Hanna Nickel hanna.nickel@ humanresourcesmanager.de

Bergwerk Auguste Victoria mit neuem Personaldirektor


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Angelika Kambeck

Angelika Kambeck ist Leiterin Executive HR Angelika Kambeck ist seit Kurzem Leiterin des Zentralbereiches Executive HR und Talentmanagement bei Klöckner & Co SE in Duisburg. Die Position ist bei dem Stahl- und Metalldistributor in dieser Form neu geschaffen worden. Angelika Kambeck berichtet direkt an den CEO des Unternehmens, Gisbert Rühl. Zuletzt war sie als Zentralbereichsleiterin Management und Personnel Development bei Klöckner tätig. Das Unternehmen beschäftigt rund 11.000 Mitarbeiter.

Michael Münzel

Klaus Erler

Münzel wird neuer Personalbereichsleiter bei der BVVG Zum 1. Januar 2012 wird Michael Münzel Bereichsleiter Personal bei der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG). Er folgt damit Klaus Erler nach. Münzel ist bereits seit 18 Jahren bei der BVVG und derzeit Leiter der Niederlassung in Cottbus. In seiner neuen Funktion wird der 52-Jährige für die Personal-, Sozial- und Bildungspolitik sowie die Personalverwaltung für die knapp 700 Mitarbeiter des Unternehmens zuständig sein.

72 Prozent Stefan Hergemöller

Burkhard Kämper

der deutschen Entscheider-Elite nutzen weder Facebook, noch die Business-Netzwerke Xing oder LinkedIn.

Hergemöller wird Leiter des Dezernats Personal Stefan Hergemöller (41) hat kürzlich die Leitung des Dezernats Personal und Verwaltung im Bischöflichen Generalvikariat Essen übernommen. Er folgt damit Burkhard Kämper nach. Hergemöller ist für rund 2.800 Mitarbeiter verantwortlich und berichtet an den Bischöflichen Generalvikar Hans-Werner Thönnes. Zuletzt war Hergemöller Koordinator Produktmanagement bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Quelle: Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach

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Fotos: Privat (3); Nicole Cronauge (2); Heinrich Georg GmbH

Thomas Kleb

Neuer Personalchef bei der Heinrich Georg GmbH Thomas Kleb (48) ist seit Kurzem Direktor Personal, Marketing und Kommunikation bei der Heinrich Georg GmbH. Er folgt Theo Helsper nach, der die Leitung des Geschäftsbereiches Corporate Services übernommen hat. In seiner neuen Funktion berichtet Kleb an seinen Vorgänger Helsper. Thomas Kleb kommt von der Kienbaum Communications GmbH, wo er als Geschäftsführer tätig war. Der Maschinenhersteller Heinrich Georg GmbH beschäftigt rund 400 Mitarbeiter. D E Z E M B E R

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PRAXIS

MEDIENFORUM Die Trends der Personalentwicklung, Mentoring, Headhunter und Schwarmintelligenz in Unternehmen – vier Bücher und ein Blog, die Spannendes und Unterhaltsames rund um das Personalmanagement bieten. Buch

Richtungsweisend Es sind illustre Namen aus dem HRBereich, die sich in diesem großartigen Buch zur Personalentwicklung finden: Wilfried Porth, Personalvorstand von Daimler, Wolfgang Goebel, Personalgeschäftsführer bei McDonald‘s oder Thomas Belker, Managing Director Corporate HR bei der OBI Group, um nur einige zu nennen. Sie und zahlreiche andere Autoren aus Wirtschaft und Wissenschaft setzen sich mit den Trends und Herausforderungen der Personalentwicklung auseinander. In 39 Beiträgen liefern sie Best PracticeBeispiele, Handlungsempfehlungen und Anregungen zu verschiedenen Themenfeldern. Der Stellenwert des Personalmanagements im Hinblick auf Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ist unbestritten. Es gilt Mitarbeiter und Führungskräfte so zu entwickeln, dass sie notwendigen Qualifikationsund Kompetenzanforderungen in der Zukunft gerecht werden. 88

Mit dieser Aufgabe sind zahlreiche, sehr unterschiedliche Themen verbunden, die scheinbar alle in diesem Buch der Herausgeber Karlheinz Schwuchow und Joachim Gutmann auftauchen – Globales Talent Management, Change Management, effiziente Personalentwicklungsstrukturen oder die Steuerung der Personalentwicklung sollen hier nur beispielhaft genannt werden. In jedem Fall finden Leser in dem Trendbuch Personalentwicklung 2012“ eine unglaubliche Bandbreite. Die Reihe Jahrbuch Personalentwicklung bietet regelmäßig aufs Neue einen umfassenden Blick auf das Feld der Personalentwicklung. In der nun 21. Ausgabe richten die Herausgeber ihren Blick noch stärker auf die Perspektiven dieses HR-Feldes. Besonders interessant ist der diesjährige Sonderteil, der sich mit dem Thema „Neues Lernen mit Social Media“ beschäftigt. In dem Abschnitt widmen sich die verschiedenen Autoren zum Beispiel dem E-Learning, dem selbstorganisierten Lernen oder wie man bestmöglich die kollektive Intelligenz der Mitarbeiter nutzt. Jedem Themenkomplex im Trendbuch Personalentwicklung folgt eine ausführliche Literaturempfehlung und ein Linkverzeichnis zur weiteren Vertiefung. Sehr nützlich ist auch die beiliegende CDRom, die unter anderem 72 Studien aus dem HR-Bereich enthält. Dieses Buch ist ein toller Sammelband zur Personalentwicklung und eine wahre Fundgrube für am Thema interessierte Leser.

2012_Trendbuch Personalentwicklung. Ausbildung, Weiterbildung, Management Development von Karlheinz Schwuchow und Joachim Gutmann (Hrsg.), 79 Euro (98 Euro ab 1.1.2012), 428 Seiten, Luchterhand Verlag, ISBN: 9783472080138

Buch

Eine neue Sichtweise Im Vorwort ihrer Studie beschreiben Frank Edelkraut und Nele Graf das Mentoring als eine der ältesten Formen des sozialen Lernens. Dennoch werde es von Unternehmen vergleichsweise selten genutzt und von der Fachliteratur kaum beachtet. Vor allem die Sicht des Mentors selbst sei bislang nicht betrachtet worden. Das haben Edelkraut und Graf mit ihrer Studie geändert. 62 Mentoren aus 42 Unternehmen und 38 Mentoring-Programmen wurden zu ihren Ansichten und Erfahrungen befragt und die Ergebnisse wissenschaftlich aufbereitet. Das Buch teilt sich nach einleitenden Betrachtungen zur Fragestellung und Umsetzung der Studie in die Auswertung der einzelnen Ergebnisse sowie ihrer anschließenden Diskussion. Der Erkenntnisprozess der Studie ist so sehr gut für den Leser nachvollziehbar. Das Buch bietet für Personalexperten, Führungskräfte und Mentoren eine breite Aufarbeitung des Themas und praxisnahe Hinweise für Personaler, die sich für die Gestaltung von Mentoring-Programmen interessieren.

Der Mentor – Rolle, Erwartungen, Realität. Standortbestimmung des Mentoring aus Sicht der Mentoren von Frank Edelkraut und Nele Graf, 49 Euro, 212 Seiten, Pabst Science Publishers, ISBN: 978-3899677232

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PRAXIS

Buch

Buch

Blog

Jagd auf Spitzenleute

Gemeinsam Denken

Das Parkett der Frauen

Headhunter finden für Unternehmen im Idealfall den richtigen Kopf für die richtige Position. Sie arbeiten still und im Verborgenen. Diskretion ist oberstes Gebot. Umso erstaunlicher ist es, dass die Herausgeber Dieter Hofmann und Rainer Steppan das Schweigen brechen. In ihrem Buch lassen sie namhafte Experten wie Dieter Rickert, Rolf van Emmerich und Tiemo Kracht zu Wort kommen, die frei und unverblümt über die Praktiken in der Personalberaterbranche reden. Der Leser wird gut unterhalten: Mal geht es um Bewerbungspannen, mal um deplatzierte Krawatten. Wer aber glaubt, das Buch sei reine Unterhaltungssache, der irrt. Die Texte leben von der außerordentlichen Expertise ihrer Autoren. Sie schöpfen aus ihrer langjährigen Erfahrung im Metier und berichten über die Anfänge und Aussichten des Headhunting. Außerdem heben sie hervor, durch welche Eigenschaften Spitzenleute auf den Schirm der Geniejäger geraten: Leistungsfähigkeit, Kompetenz, Verantwortungsbewusstsein und Integrität. Die wertvollen Tipps im Umgang mit Headhuntern mögen dem Leser aber noch wichtiger erscheinen. Besonders hilfreich ist die hinten aufgeführte Liste seriöser Beratungsfirmen – im stetig wachsenden Headhuntermarkt keine Kleinigkeit, vor allem wenn man bedenkt, dass sich einige schwarze Schafe unter die Szene gemischt haben, wie Hofmann berichtet.

Was ein Ameisenhaufen mit der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens zu tun hat? Jochen May gibt die Antwort: Ameisen schließen sich zu kollektiven Superorganismen zusammen, um gemeinsam das Überleben der Art zu sichern. Seitdem die Innovationsfähigkeit für Unternehmen ein nahezu überlebensnotwendiger Faktor geworden ist, rückt auch die Vernetzung der Mitarbeiter in den Vordergrund. Gemeint ist Schwarmintelligenz, mit deren Hilfe verkrustete Unternehmensstrukturen aufgebrochen und innovative Denkanstöße gegeben werden können. Es geht um die Herstellung von Delta-Plus-Effekten, das heißt um einen Kompetenzgewinn im Unternehmen, der über die Summe der Individualkompetenzen der Mitarbeiter hinausgeht. Ein interessanter Denkansatz, den May nicht auf sich beruhen lässt. Er beschreibt die für den betrieblichen Einsatz von Schwarmintelligenz erforderlichen Führungsinstrumente. Darunter fallen unter anderem das 4-Stufen-Kompetenz-Modell sowie ServicelevelVereinbarungen. In Anbetracht der Tatsache, dass Schwarmintelligenz ein noch abstraktes und kaum messbares Phänomen ist, bleibt die Frage, ob May erfolgversprechende Instrumente anbietet, vorerst offen. Nichtsdestotrotz wird der Leser unkompliziert und mit interessanten Analogien zur Natur an ein Konzept herangeführt, dessen tatsächliche Potenziale noch unterschätzt werden.

Headhunter. Blick hinter die Kulissen einer verschwiegenen Branche von Dieter Hofmann und Rainer Steppan (Hrsg.), 39,95 Euro, 312 Seiten, Gabler Verlag, ISBN: 9783834918345

Schwarmintelligenz im Unternehmen. Wie sich vernetzte Intelligenz für Innovation und permanente Erneuerung nutzen lässt von Jochen May, 34,90 Euro, 257 Seiten, Publicis Publishing, ISBN: 978-3895783913

Ein Blog von Frauen für Frauen. Aber nicht für irgendwelche – sie sind ambitioniert und engagiert. Oftmals ist die Zeit dieser Frauen durch den beruflichen Alltag knapp bemessen. Es gibt kaum Freiräume, um am öffentlichen Informationsaustausch teilzunehmen. Und wenn sie dann doch Zeit haben, müssen sie relevante Informationen mühselig in den Medien zusammensuchen. Mit „Saal Zwei“ soll dem ein Ende gesetzt werden. Der als Newsletter konzipierte Blog filtert aus dem medialen Netz das heraus, was für anspruchsvolle Frauen von Interesse sein könnte. Mit scharfen Augen blicken die Gründerinnen, Stefanie Bilen und Nicole Mai, dort hinein, wo es essenzielle, nützliche und zum Teil kuriose Inhalte aus Wirtschaft, Politik, Karriere, Kultur und Privatleben zu finden gibt. Ein klares Themenfeld gibt es nicht. Aber gerade darin liegt die Stärke: in der Abwechslung. So wird beispielsweise über Deutschland als Ort der Avantgarde berichtet oder der Charakterschwäche „Prokrastination“ auf den Grund gegangen. Oder es findet sich ein Ratgeber, der einen im Umgang mit Presseleuten beratschlagt. Ein bunter Mix, der nicht überfällt, sondern Appetit auf mehr macht. Das Blog informiert aber nicht nur. Es verbindet seine Empfänger zu einer Social Media Community. Frauen können eigene Beiträge veröffentlichen und auf diese Weise in Austausch treten. Sie berichten über große Veränderungen in ihrem Leben, über Karrierewechsel und eigene Initiativen. Damit haben Mai und Bilen ein Parkett verlegt, auf dem Frauen unter sich sind.

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PRAXIS

TERMINE JANUAR UND FEBRUAR 2012 Die wichtigsten Kongresse, Tagungen und Events für HR-Verantwortliche 31. Januar bis 02. Februar 2012 – Messe Karlsruhe

Learntec 2012

20. bis 22. Januar 2012

24. und 25. Januar 2012

27. und 28. Januar 2012

30. Januar bis 1. Februar 2012

KarriereStart

Annual HR Directors Business Summit

Kongress Pflege

HR Self Services

Messe Dresden

The International Convention Centre, Birmingham

Maritim proArte Hotel, Berlin

Meliá Hotel, Berlin

Das Projekt „Pflegekammern in Deutschland“ ist Kernthema der Veranstaltung. Daneben stehen aber auch Personalbedarfsberechnung und Personalrecruiting auf dem Kongressprogramm. www.heilberufe-online.de

Die neunte Auflage des Jahresforums bietet Besuchern zahlreiche Vorträge und Workshops rund um das Thema HR Self Services. Zu den Referenten gehören beispielsweise Wolfgang Jäger, Professor an der Hochschule RheinMain, Manuela Ebbes-Barr, Director Recruiting Services der Bertelsmann AG, und der Head of HR SSC der UniCredit Group, Holger Reinert. www.iqpc.com

Die KarriereStart ist Bildungs, Job- und Gründermesse. Sie vereint die verschiedenen arbeitsmarktrelevanten Themenbereiche Bildung, Personal, Gründung unter einem Dach. 2011 präsentierten sich den mehr als 20.000 Besuchern 333 Aussteller. Zielgruppe der 14. KarriereStart sind neben Studenten und Abiturienten unter anderem auch Personalverantwortliche. www.messe-karrierestart.de

Aufgrund seiner Reichweite ist der Kongress eine ideale Plattform, um über die Zukunft des Personalmanagements zu diskutieren und die Rolle des HR im Kontext von Unternehmensstrategien zu erörtern. Zu den Highlights zählt unter anderem die vom Birmingham City Council durchgeführte Fallstudie „Public Sector HR – Future of HR models“. www.hrevent.com

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Fotos: Archiv; Grand Elysée Hotel

Die internationale Kongressmesse für Bildungs- und Informationstechnologie feiert ihr 20-jähriges Jubiläum und zeigt auch im Jahr 2012 die wichtigsten Entwicklungen in der E-Learning- und Bildungsbranche auf. Im Rahmen der Fachmesse werden die Teilnehmer von 200 Ausstellern aus 10 Nationen über die neuesten Produkte und Anwendungen aus den Bereichen Bildungsmanagement, Content, Hardware, Tools und Technologien, Training und Coaching sowie Wissensmanagement beraten. Ein Themenpark sowie das Bildungs- und Kundenforum sorgen für ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm. Auf dem parallel stattfindenden Kongress referieren außerdem renommierte Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft über die Zukunft des elektronisch basierten Lernens. In ihren Vorträgen zeigen die Referenten – darunter Brendan Tangney, Professor am Trinity College Dublin, und Jørgen Bang, Professor an der Universität Aarhus, – die Zukunft des Lernens und stellen Best-Practice-Beispiele vor, die den Teilnehmern als Anregungen dienen können. Die Learntec richtet sich sowohl an Neueinsteiger als auch an erfahrene Experten. www.learntec.de


Fotos: www.flickr.com; BASF - The Chemical Company

PRAXIS

14. bis 18. Februar 2012 – Deutsche Messe, Hannover

28. und 29. Februar 2012 – Andel’s Hotel, Berlin

didacta 2012

Kongress Arbeitsrecht

„Lehren und Lernen in allen Lebensbereichen“ – das ist das Motto der größten Bildungsmesse Europas. Sie richtet sich unter anderem an Lehrer, Ausbilder, Trainer, Hochschulprofessoren und Entscheidungsträger in Unternehmen. Die „didacta“ gewährt ihren Besuchern über fünf Tage einen Einblick in neue bildungspolitische Denkansätze und macht beispielsweise deutlich, wie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Bildungsbereiche optimiert werden kann. Vom Kindergarten über Schule und Hochschule, Ausbildung und Qualifikation bis hin zu Weiterbildung und Beratung deckt der Bildungsgipfel alle Themengebiete ab, die in Sachen Bildung, Weiterbildung oder Lebenslanges Lernen interessant und relevant sind. Ergänzt wird die Veranstaltung von 1.500 Workshops, Vorträgen und Seminaren. www.didacta-hannover.de

Unter der Schirmherrschaft des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt lädt die Gesellschaft für Marketing und Service der Deutschen Arbeitgeber mbH (GDA) und die Fachzeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“ (AuA) zum siebten „Kongress Arbeitsrecht“ ein. Es werden insbesondere die aktuellen Entwicklungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und betrieblicher Praxis beleuchtet. So redet unter anderem Björn Gaul, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der CMS Hasche Sigle, über Gesundheitsschutz und kollektives Arbeitsrecht. Und Barbara Reinhard von der Kanzlei Beiten Burkhardt gibt den Teilnehmern einen Einblick in das Thema „Flexible Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle“. Der Kongress wendet sich insbesondere an Geschäftsführer, Personalleiter sowie Verbands- und Unternehmensjuristen. www.kongress-arbeitsrecht-2012.de

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VDI nachrichten Recruiting Tag

Fachkongress Gesundheitswesen

Betriebliches Gesundheitsmanagement

didacta HR-Forum 2012

Kongresszentrum Westfalenhallen, Dortmund

Universal Hall, Berlin

Quadriga Forum, Berlin

Deutsche Messe, Hannover

Unter dem Motto „Aktiv, attraktiv und ambitioniert arbeiten” können sich Personalverantwortliche, HR-Führungskräfte und HR-Fachkräfte über die Entwicklungen zu einer attraktiven und motivierten Arbeitsplatzkultur im Gesundheitswesen informieren. Im Fokus stehen Themen rund um mitarbeiterorientierte Führung, aktives Altern und Gesundheitsförderung. www.greatplacetowork.de

Im Rahmen der Tagung „Gesundheitsmanagement – Führungs- und Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor“ wird erörtert, welche Faktoren für ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement wichtig sind, sodass krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert und die Mitarbeitermotivation erhöht werden können. Angesprochen sind unter anderem Personalverantwortliche und Manager aus dem Bereich IT. www.hrm-forum.eu

Im Rahmen der Bildungsmesse didacta in Hannover findet unter anderem auch das 3. didacta HRForum statt, das die Führung in turbulenter Zeit in den Mittelpunkt der Veranstaltung stellt. In fünf Vorträgen und Diskussionsrunden widmet sich das Forum der Frage, wie die richtigen Führungskräfte gefunden, ausgebildet und gefördert werden können. www.didacta-hr-forum.de

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Der Recruiting Tag ist eine Karrieremesse für stellensuchende und wechselwillige Ingenieure. Personaler können dort Kontakte zu erfahrenen Ingenieuren, technischen Fach- und Führungskräften, Young Professionals und Professionals knüpfen. Zudem gibt es unter anderem ein Vortragsforum und den Bewerbungsunterlagen-Check. www.ingenieurkarriere.de

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PRAXIS

DEMOKRATISCH GEHT’S ZU HR BarCamp

Christoph Athanas und Jannis Tsalikis über das erste HR BarCamp

»Ich denke, dass der Wunsch nach mehr Teilhabe vorhanden ist.«

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An wen richtet sich die Veranstaltung? Christoph Athanas: Wir zielen ab auf Leute, die sich in verschiedenen Formen mit Personalarbeit beschäftigen. Wir wollen eine ausgewogene Mischung aus externen HR-Experten und Personalern in Unternehmen und Organisationen, idealerweise mit einer stärkeren Gewichtung auf die Personalmanager. Diese Gewichtung werden wir sicherstellen durch zwei getrennte Anmeldelisten. Jannis Tsalikis: In unserer XingGruppe, mit deren Hilfe wir das Camp vorbereiten, sind HR-Experten von großen Firmen wie TUI und Jannis Tsalikis Philips, genauso gibt es aber auch Personaler von Mittelständlern und Startups und eben Berater. Es ist eine bunte Mischung, die sich sicherlich bei dem BarCamp wiederfinden wird. Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie? Jannis Tsalikis: Die Räume sind ausgerichtet auf 120 Teilnehmer. Wir sind zuversichtlich, dass so viele kommen werden. Glauben Sie, dass große Veranstaltungen nach dem klassischen Sender-Empfänger-Prinzip aus der Mode kommen? Christoph Athanas: Jein. Auch Kongresse sind nicht mehr vollkommen statisch, sondern sie greifen mittlerweile dynamischere Elemente auf, wie zum Beispiel halbtägliche Workshops. Ich denke grundsätzlich, dass der Wunsch nach mehr Teilhabe vorhanden ist. Die Teilnehmer können sich auch mit Hilfe des Internets leichter auf eine Veranstaltung vorbereiten, man hat einen einfacheren Zugang zu Wissen. Das vorhandene Wissen hat sich natürlich vervielfacht und ist komplexer geworden, insofern haben die Menschen auch einen größeren Bedarf sich darüber auszutauschen. Die ganz klassische Veranstaltung mit vier, fünf Keynote-Speakern und am Ende gibt es ein schönes Catering, ich glaube, das geht schon ein bisschen verloren, denn die spannenderen Dinge passieren in den kleinen Zirkeln. Interview: Jan C. Weilbacher

»Für jeden gibt es die Chance, sein Thema vorzubringen.«

i Weitere Informationen und Anmeldung für das HR BarCamp unter www.hrbarcamp.de. Die Teilnahme ist kostenlos. Lediglich für das Catering wird ein Beitrag fällig. Veranstaltet wird das HR BarCamp von Christoph Athanas, Geschäftsführer der metaHR Unternehmensberatung, und Jannis Tsalikis, Head of Human Resources der MSLGROUP Germany. Die Veranstaltung findet in Berlin, im Sarah Wiener – „Das Speisezimmer“, Chausseestraße 8, statt.

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Fotos: Archiv; Grand Elysée Hotel

Am 17. Februar findet das erste HR BarCamp in Deutschland statt. Die genauen Inhalte sollen vor Ort vorgeschlagen werden, danach wird darüber abgestimmt und präsentiert. Warum solch ein demokratisches Format? Christoph Athanas: Das BarCamp-Format lebt davon, dass die Leute sich einbringen und mitmachen. Genau das macht den Reiz aus. Jannis Tsalikis: In unseren Gesprächen haben wir festgestellt, dass eine Menge Personaler sehr viel Wissen besitzen und dennoch neugierig sind. Viele sind aber enttäuscht von dem, was sie auf manchen Veranstaltungen erleben. Wir glauben, dass sie den Mut haben, auf der Bühne eventuell selbst ein Thema zu präsentieren bzw. interessiert daran sind, sich mit anderen auszutauschen. Das Besondere ist, dass das BarCamp wesentlich interaktiver ist als andere Formate? Christoph Athanas: Ja. In der Natur des BarCamps liegt es, dass es keinen festgelegten Sprecher gibt. Es gibt lediglich eine thematische Klammer – bei uns ist es innovative HRArbeit – und alles Weitere bestimmt sich auf der Veranstaltung selbst. Für jeden gibt es die Chance, sein Thema vorzubringen. Es kommt also darauf an, was eingebracht wird und nicht auf irgendeinen Keynote-Speaker. Keine Angst, dass es im Chaos endet? Christoph Athanas: BarCamps haben ein bisschen was Chaotisches. Doch es gibt wundersame Wege schneller Selbstorganisation. Das haben viele BarCamps schon gezeigt. Warum sollten die Personaler da einen Unterschied machen? Jannis Tsalikis: Es gibt auch einen Rahmen und eine Struktur, wie das Ganze sich abspielt. Es läuft nur am Anfang auf Zuruf, wenn alle Themen vorgestellt werden und die Themenauswahl stattfindet. Danach verläuft es in geregelten Bahnen. Die Sessions wechseln sich ab. Für eine eventuelle Nachbesprechung gibt es zusätzlich einen kleinen ungestörten Bereich. Das Format des BarCamps lässt darauf schließen, dass es vor allem um Web 2.0 Themen geht. Richtig? Christoph Athanas Jannis Tsalikis: Es soll nicht originär um Social Media gehen, wenngleich viel Web 2.0 dabei sein wird. Es soll um HR-Themen gehen, die innovativ sind. In dem Forum sollen neue Wege der internen sowie der nach außen hin sichtbaren HR-Arbeit besprochen werden. Das ist das Wesentliche.

Wann: 17. Februar 2012 Wo: Sarah Wiener – „Das Speisezimmer“ in Berlin


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RECHT

„Wir wandern aus“

Nach § 613a BGB hat ein Arbeitgeber generell alle mit einem früheren Betriebsinhaber abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse zu übernehmen, wenn ein Betrieb auf ihn übergeht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 26.05.2011 – 8 AZR 37/10 – entschieden, dass ein solcher Betriebsübergang auch bei einer Verlagerung eines Betriebsteils ins grenznahe Ausland vorliegen kann. Ein in Südbaden ansässiges Unternehmen übertrug seine wesentlichen materiellen und immateriellen Produktionsmittel auf ein Schweizer Konzernunternehmen mit einem weniger als 60 Kilometer entfernten Standort. Das BAG entschied, dass sich der Arbeitgeber zur Begründung einer Kündigung nicht auf eine Betriebsstilllegung berufen könne, da der Betriebsteil auf das Schweizer Unternehmen übergegangen sei. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB scheide nicht schon aus, weil der Betrieb ins grenznahe Ausland verlagert worden ist. Ein Betriebsübergang käme jedenfalls in Betracht, wenn die neue Betriebsstätte im Ausland vom Arbeitnehmer in weniger als einer Autostunde erreicht werden könne. 2

Leiharbeitnehmer zählen mit Bei Betriebsänderungen müssen Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern mit dem Betriebsrat gemäß § 111 S. 1 BetrVG über einen Interessenausgleich beraten. Das BAG hat mit Urteil vom 18.11.2010 – 1 AZR 335/10 – festgestellt, dass dabei auch länger eingesetzte Leiharbeitnehmer mitzählen können. Das beklagte Unternehmen beschäftigte neben 20 regelmäßigen Arbeitnehmern 94

URTEILE ARBEITSRECHT Gerichtsentscheidungen, die Arbeitsrechtler kennen sollten

seit November 2008 eine Leiharbeitnehmerin. Im Mai 2009 wurden elf gewerbliche Arbeitnehmer entlassen. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan lehnte die Beklagte ab. Das BAG entschied, dass ein Interessenausgleich hätte vorgenommen werden müssen, weil bei der Berechnung der Betriebsgröße Leiharbeiter zu berücksichtigen wären, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind. 3

Kündigung wegen außerdienstlicher Straftat Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich nur verhaltensbedingt gekündigt werden, wenn er arbeitsvertragliche Pflichten verletzt. Ausnahmsweise können auch außerdienstlich begangene Straftaten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 25.10.2011 – 19 Sa 1075/11 – war dies bei einem Polizeiangestellten der Fall, der außerhalb seines Dienstes durch die Herstellung von „Liquid Ecstasy“ gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen hatte. Eine fristlose Kündigung sei gerechtfertigt. Die hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse der Polizei erforderten eine unbedingte Rechtstreue. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass der Polizist künftig seinen Dienst unter Einfluss von Drogen ausübe. 4

„Sehr gutes Deutsch in Wort und Schrift“ Fordert ein Arbeitgeber in einer Stellenanzeige „sehr gutes Deutsch“ kann dies ein Indiz für

eine mittelbare Benachteiligung eines Bewerbers mit Migrationshintergrund sein. Allerdings muss dies nicht zu einem Entschädigungsanspruch nach dem AGG führen. Dies hat das LAG Nürnberg mit Urteil vom 05.10.2011 – 2 Sa 171/11 – entschieden. Die Beklagte hatte eine Stellenanzeige für einen „Spezialist Softwareentwicklung (w/m)“ veröffentlicht und dabei auch „sehr gutes Deutsch“ von den Bewerbern verlangt. Die aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Klägerin fühlte sich diskriminiert und klagte auf eine Entschädigungszahlung. Das LAG Nürnberg gab der Klage nicht statt. Es stelle ein rechtsmäßiges Ziel des Arbeitgebers dar, bestimmte Anforderungen hinsichtlich zu beherrschender Sprachen zu stellen. 5

Schwerbehinderten-Prüfpflicht bei Stellenbesetzung Nach § 81 I SGB IX haben alle Arbeitgeber zu prüfen, ob eine freie Stelle für einen Schwerbehinderten geeignet ist. Kommt ein Unternehmen dem nicht nach, liegt eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung nahe, wenn ein Schwerbehindertenbewerber abgelehnt wird. Das BAG hat mit Urteil vom 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 – einem mit einem Grad von 60 Prozent schwerbehinderten Stellenkandidaten eine Entschädigung nach dem AGG zugestanden. Die Beklagte vergab den Arbeitsplatz an einen anderen Bewerber, ohne zu prüfen, ob sie ihn mit einem Schwerbehinderten besetzen konnte. Der Kläger forderte deshalb eine Entschädigung nach § 15 II AGG und erhielt Recht. 6

Überstunden von angestellten Anwälten Eine Klausel im Anstellungsvertrag eines Rechtsanwaltes, nach der

mit der Vergütung alle Überstunden pauschal abgegolten sein sollen, ist zwar intransparent und deshalb unwirksam. Dies führt aber nicht per se dazu, dass angestellte Anwälte eine Vergütung für Überstunden verlangen können. Das BAG lehnte mit Urteil vom 17.8.2011 – 15 AZR 406/10 – die Überstundenklage eines Rechtsanwaltes ab. Der Kläger war in einer überörtlichen Kanzlei tätig und erzielte ein Jahresgehalt von 80.000�Euro brutto. In seinem Arbeitsvertrag war geregelt, dass „etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit durch die Vergütung abgegolten“ sei. Der Kläger klagte auf Vergütung von über 930 Überstunden in Höhe von etwa 40.000 Euro. Das BAG lehnte sein Ansinnen ab. Zwar sei die pauschale Überstundenabgeltung ohne konkrete Benennung einer bestimmten Überstundenanzahl unzulässig. Da es sich aber um „Dienste höherer Art“ handele, könne der Kläger nicht nach § 612 I BGB erwarten, dass Überstunden generell zu vergüten sind. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass angestellte Rechtsanwälte in vergleichbarer Stellung als potenzielle Partner mit einem vergleichbar hohem Gehalt Überstunden in aller Regel vergütet erhalten. 7

Urlaubsanspruch unvererblich Der Urlaubsanspruch erlischt mit dem Tod des Arbeitnehmers und kann nicht auf seine Erben übergehen. Dies hat das BAG mit Urteil vom 20.9.2011 – 9 AZR 416/10 – festgestellt. Die Erben klagten auf Abgeltung für 35 Urlaubstage, weil der verstorbene Arbeitnehmer seit April 2008 bis zu seinem Tod durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb für die Jahre 2008 und 2009 keinen Urlaub nehmen konnte. Das BAG entschied jedoch, dass mit dem Tod des Arbeitnehmers sein Urlaubsanspruch erloschen sei und dieser nicht gemäß § 1922 I BGB auf die Erben übergehen könne. 8

Der Arbeitnehmer schreibt sein Zeugnis selbst Im Kündigungsschutzverfahren ist es üblich, in einem Vergleich zur H U M A N

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RECHT

Vermeidung weiteren Streits mit zu regeln, dass das Abschlusszeugnis auf Basis eines Entwurfes des Arbeitnehmers zu erstellen ist. Das BAG hat mit Beschluss vom 9.9.2011 – 3 AZB 35/11 – geurteilt, dass ein solcher Prozessvergleich generell vollstreckbar ist. Allerdings könne der Arbeitgeber nicht im Wege der Zwangsvollstreckung dazu angehalten werden, in das Zeugnis Formulierungen aufzunehmen, die nicht den Tatsachen entsprechen. Insbesondere sei der Arbeitgeber bei einer solchen Vergleichsklausel

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nicht verpflichtet, den Vorschlag des Arbeitnehmers ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen. Es sei ihm gestattet, den Entwurf insbesondere hinsichtlich Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu korrigieren. Der Arbeitgeber könne nicht gezwungen werden, ein Zeugnis zu erteilen, das nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspreche, und deshalb zum Beispiel Tätigkeitsbeschreibungen streichen, die der Arbeitnehmer tatsächlich nicht ausgeübt hat. 9

Anspruch auf unbefristete Beschäftigung? Weigert sich der Arbeitgeber, ein befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, kann dies grundsätzlich gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen. Das Betriebsratsmitglied kann deshalb

einen Anspruch auf unbefristete Beschäftigung haben. Dies gilt nach einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 4.11.2011 – 13 Sa 1549/11 – jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber andere Betriebsratsmitglieder übernimmt. Der Kläger war in einem Callcenter befristet beschäftigt und gehörte dem Betriebsrat an. Die Beklagte übernahm andere Beschäftigte, darunter auch Betriebsratsmitglieder, in unbefristete Verträge, lehnte dies beim Kläger aber ab. Die Klage auf unbefristete Beschäftigung scheiterte, weil eine Schlechterstellung des Klägers aufgrund seiner Betriebsratsstellung nicht ersichtlich sei. 10

Pflegezeit – nur einmal

Nach § 3 I PflegeZG kann ein Beschäftigter Freistellung verlangen, wenn er einen pflegebedürftigen

nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt. Das BAG hat nun entschieden, dass dieses Recht aber erlischt, wenn der Arbeitnehmer es erstmals in Anspruch nimmt, auch wenn die beanspruchte Pflegezeit die Höchstdauer von sechs Monaten nicht erreicht. Eine mehrmalige Inanspruchnahme für denselben Angehörigen sei nicht möglich, so das BAG mit Urteil vom 15.11.2011 (9 AZR 348/10). Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seine Mutter (Pflegestufe I) einige Monate nach Ablauf einer ersten Pflegezeit erneut für zwei Tage pflegen wollte. Dies gestattete ihm das BAG nunmehr aber nicht.

Übersicht zusammengestellt von: Alexander Raif Fachanwalt für Arbeitsrecht im Berliner Büro von Weitnauer www.weitnauer.de


RECHT

ESSAY

BEDEUTENDE NEBENPFLICHTEN

Fotos: www.photocase.de; www.dreamstime.com

Immer mehr Firmen wollen die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter fördern. Ein Baustein hierzu ist ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Bei einer Einführung sind aber einige rechtliche Herausforderungen zu beachten.

Zum Gesundheitsmanagement in einem Betrieb gehört auch, dass der Arbeitgeber Maßnahmen trifft, die die Arbeitssicherheit gewährleisten. 96

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RECHT

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etriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist kein eigener juristischer Bereich, sondern beschreibt einen disziplinübergreifenden Katalog von Maßnahmen, durch die Gesundheitsrisiken erkannt und verhindert sowie die allgemeinen Bedingungen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden. Als positive Folgen können unter anderem eine Reduktion der Fehlzeiten und Produktionsausfallkosten erreicht, innerliche Kündigungen vermieden oder aber chronische Krankheiten bei Arbeitnehmern verhindert werden, die trotz Arbeitsunfähigkeit zur Arbeitsstätte kommen. Die gesetzliche Grundlage bildet dabei insbesondere das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Hier sollen zusammenfassend die gesundheitsrelevanten rechtlichen Aspekte eines BGM-Systems gezeigt werden.

Arbeitsschutzrechtliche Pflichten

Weisungen, Maßnahmen ergreifen, um die Umsetzung der Anweisungen sicherzustellen. Dies kann beispielsweise durch die Einführung von Berichtspflichten geschehen. Auch die Einrichtung eines betriebsärztlichen Dienstes oder eine Einbindung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit stellen in diesem Zusammenhang mögliche organisatorische Maßnahmen dar. § 11 ArbSchG sowie § 3 Abs. 1 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) verpflichten den Arbeitgeber dazu, unter besonderen Umständen eigene Angebote für arbeitsmedizinische Untersuchungen der Mitarbeiter vorzuhalten. Der Arbeitgeber hat die von ihm zu Grunde gelegte Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren (§ 6 ArbSchG). Neben den sich aus dem Arbeitsschutzrecht ergebenen Fürsorge- und Schutzpflichten des Arbeitgebers ist dieser seinen Arbeitnehmern auch vertraglich zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen verpflichtet. Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 618 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leistung vorzunehmen sind, so zu regeln hat, dass der Verpflichtete gegen Gefahren für Leib und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Der Maßstab nach § 618 Abs. 1 BGB wird unter Rückgriff auf die Regelungen des Arbeitsschutzrechtes bestimmt. Diese werden somit in das Arbeitsverhältnis übertragen und zu Vertragspflichten transformiert. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Pflichten, kann er sich dadurch gegenüber einem betroffenen Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig machen.

Die Pflichten des Arbeitgebers zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sind schwerpunktmäßig in den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts geregelt. Ausgangspunkt ist das ArbSchG, ergänzt durch Nebengesetze und Verordnungen, die zentrale Rechtsnormen enthalten. So ist der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG dazu verpflichtet, die jeweils erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung derjenigen Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Diese Verpflichtung umfasst den allgemeinen präventiven Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Aus Direktionsrecht diesem Grund hat ein Arbeitgeber Im Rahmen des ArbeitsverhältnisEin etabliertes Betriebliches Gesundheitsmanagement hilft den Anteil an Maßnahmen zu ergreifen, die zu eises stellt der Arbeitnehmer seine Fehlzeiten und innerlichen Kündigunnem Schutz der Arbeitnehmer vor Dienste zur Verfügung und erhält gen bei Arbeitnehmern zu reduzieren. Krankheiten führen bzw. beitragen, als darauf bezogenen Ausgleich das Auch chronische Krankheiten können soweit ihm dies möglich und zumutverhindert werden. entsprechend vereinbarte Entgelt. bar ist. Die Pflicht zum präventiven Aufgrund seines Direktionsrechts Gesundheitsschutz erfasst demnach ist es dem Arbeitgeber möglich, einauch den Schutz der Arbeitnehmer vor leicht übertrag- seitig die Art und Weise der dem Arbeitnehmer obliebaren Krankheiten oder sonstigen Gesundheitsrisiken genden Vertragserfüllung zu konkretisieren. Wie aus § während ihrer Arbeitstätigkeit. Die sogenannte arbeits- 106 Satz 2 der Gewerbeordnung (GewO) ersichtlich ist, bedingte Gesundheitsgefahr regelt § 2 Abs. 1 ArbSchG. umfasst das Direktionsrecht auch Ordnung und VerhalDas Arbeitsschutzgesetz enthält auch ausdrückliche ten der Arbeitnehmer im Betrieb. Die Reichweite des DiWeisungen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber zur Si- rektionsrechts richtet sich vor allem nach dem Arbeitscherstellung der Arbeitssicherheit zu treffen hat (§ 3 vertrag sowie den Grenzen anderweitiger gesetzlicher Abs. 2 ArbSchG). Er ist insbesondere zur Bereitstellung Regelungen, wobei die Prämisse gilt: Je präziser der Arder hierzu erforderlichen Mittel verpflichtet. Er hat des beitsvertrag, desto beschränkter das Direktionsrecht. Weiteren für eine handlungsfähige Arbeitsorganisation Im Rahmen der Abwägung der Interessen von Arbeitzu sorgen. Ergänzt wird dies durch die in § 4 ArbSchG geber und Arbeitnehmer sind bei der Weisung darüber beschriebenen allgemeinen Grundsätze für die Auswahl hinaus die Grundrechte des Arbeitnehmers zu beachten. und Gestaltung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes. § 4 Nr. 7 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 ArbSchG er- BGM als Nebenpflicht mächtigt den Arbeitgeber wiederum dazu, dem Beschäf- Der Begriff der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten tigten „geeignete Anweisungen” zur Umsetzung der Maß- wird als Gegenbegriff zu den Hauptleistungspflichten nahmen zu erteilen. Die Vorschrift konkretisiert somit das verwendet. Gegenüber letzteren, die nach ihrer Art Weisungsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss und Verknüpfung den Typus des betreffenden Schuldim Rahmen seiner Arbeitsorganisation, ergänzend zur verhältnisses kennzeichnen, sind Nebenpflichten die Information der Mitarbeiter und zur Erteilung konkreter sonstigen Pflichten innerhalb des Schuldverhältnisses. D E Z E M B E R

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Im Arbeitsverhältnis gibt es besonders umfangreiche ten. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) lässt GeNebenpflichten. Dies liegt darin begründet, dass nicht, sundheitsdaten von Mitarbeitern als besonders sensible wie beispielsweise bei einem Kaufvertrag, ein einmaliDaten einen entsprechenden Schutz zuteil werden. Ein ger Leistungsaustausch stattfindet, sondern eine in der praktisches Beispiel für die Erfassung, Verarbeitung Regel längerfristig angelegte Dauund die Speicherung von Gesunderschuldbeziehung eingegangen heitsdaten ist die Durchführung von wird, bei der eine Einbindung des Krankengesprächen, die durch VorArbeitnehmers in die Betriebsorgesetzte mit den Beschäftigten nach ganisation des Arbeitgebers erfolgt. deren Krankheitsrückkehr geführt Als Rechtsquellen sind Tarifverwerden. träge und Betriebsvereinbarungen, Ein Rückkehrgespräch ist grundaber auch der Arbeitsvertrag anzusätzlich zulässig. Dabei darf nach führen. dem Grund der Erkrankung aus Nebenpflicht des Arbeitgebers rechtlichen Gründen nur gefragt im Arbeitsverhältnis ist die sogewerden, wenn der Arbeitgeber dienannte Fürsorgepflicht, die der sen kennen muss, um zu beurteilen, Treuepflicht des Arbeitnehmers geob von einem Mitarbeiter eine AnDie Einrichtung eines betriebsärztgenüber steht. Zu den anerkannten steckungsgefahr ausgeht, um festlichen Dienstes kann eine organiFürsorgepflichten des Arbeitgebers zustellen, ob ein Arbeitnehmer noch satorische Maßnahme sein, um die Umsetzung der Anweisungen des zählen etwa der Umgang mit den den Anforderungen seines ArbeitsArbeitgebers durch den Arbeitnehmer Personalakten des Arbeitnehmers platzes gewachsen ist oder um ihm sicherzustellen. und der Schutz des Arbeitnehmers. gesundheitliche WiedereingliedeDie Bestimmung der arbeitsrechtlirungsmaßnahmen anzubieten. Rechen Fürsorgepflicht und ihrer Reichweite ist angesichts gelmäßig liegen solche Gründe nicht vor. der generellen Regelung des § 241 Abs. 2 BGB als rechtIn der Folge sind entsprechende Datenerhebungen liche Basis im Einzelfall schwierig. Hier ist auf die dazu zumindest teilweise rechtswidrig. Zudem bleibt typiergangene Rechtsprechung zurückzugreifen. scherweise eine datenschutzrechtlich nötige Belehrung darüber aus, zu welchen Angaben sie verpflichtet sind Pflichten des Arbeitnehmers und welche sie in ihrem eigenen Interesse machen sollAus der Treuepflicht des Arbeitnehmers folgt nach überten bzw. nicht machen sollten. Ferner muss darüber bewiegender Auffassung eine Pflicht zu gesundheitsförlehrt werden, was mit den aus den Rückkehrgesprächen derndem Verhalten. Relevant ist diese insbesondere gewonnenen Daten geschieht. Eine Speicherung ist in für eine Sanktionierung (von der Abmahnung bis zur der Regel ebenfalls nicht zulässig. Kündigung) von Mitarbeiterverhalten im Rahmen des BGM. Fazit Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer in der Führung Ein BGM stellt Unternehmen vor vielfältige rechtliche seines Privatlebens nicht durch arbeitsvertragliche Herausforderungen. Diese sind allerdings beherrschBindungen beschränkt. Dieser Grundsatz ist durch sein bar und sollten Unternehmen nicht davon abhalten, ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf freie EntfalBGM einzuführen oder zu betreiben. Ein rechtliches tung seiner Persönlichkeit sowie das aus Art. 2 Abs. 1 Coaching der involvierten Führungskräfte ist wesentGG resultierende allgemeine Persönlichkeitsrecht gelicher Baustein der BGM-Planung und versetzt diese setzlich verankert. Die ihn treffende Treuepflicht, die erst in die Lage, das BGM erfolgreich umzusetzen. Die nicht in grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen Glaubwürdigkeit des BGM hängt ganz wesentlich hierdes Arbeitnehmers eingreifen kann, gebietet ihm ledigmit zusammen. Diese ist essenziell, da ein BGM auf eine lich, seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis kontinuierliche Verbesserung im gesamten Unternehso zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im men gerichtet ist und daher auf Dauer angelegt werden Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden sollte. Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs billigerweise verlangt Tobias Neufeld werden kann. Wichtig ist, dass die Treuepflicht nicht zu Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht im streng verstanden wird, um rechtswidrige Eingriffe in die Düsseldorfer Büro der internationalen Kanzlei Lebensführung zu vermeiden. Maßnahmen im Rahmen Allen & Overy LLP des BGM, die lediglich der allgemeinen Gesunderhaltung dienen, ohne dass sie einen konkreten Bezug zur Arbeitsleistung der Arbeitnehmer darstellen, sind daher • Seit 2010 Partner bei Allen & Overy LLP und seit 2002 Anwalt grundsätzlich nur auf freiwilliger Basis umsetzbar. • Referent für arbeitsrechtliche Aspekte im Rahmen des neuen Zertifi-

Datenschutz Der Arbeitgeber hat im Rahmen des BGM des Weiteren die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beach98

zierungslehrganges zum “BGM-Manager” • Co-Autor des Fehlzeitenreport 2011 (Hrsg: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Universität Bielefeld, Beuth Hochschule für Technik Berlin) H U M A N

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Fotos: Archiv; Allen & Overy LLP

RECHT


Frösche küssen? Die Suche und Auswahl der passenden Mitarbeiter erfordert ein umfassendes Know-how. Die Personalberater von personal total beschäftigen sich schon seit mehr als 15 Jahren mit der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften aller Branchen. Und das an mehr als 30 Standorten in Deutschland.

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Der BPM – aktuell Veranstaltungsreihen des Verbands im Frühjahr 2012 BPM vor Ort Auch im kommenden Jahr bietet der BPM Mitgliedern und am Verband interessierten Personalmanagern mit der Veranstaltungsreihe BPM vor Ort im Frühjahr 2012 die Möglichkeit, den BPM und seine Arbeit näher kennenzulernen. Während der Veranstaltungen, die in allen acht Regionalgruppen stattfinden, wird ein Experte einen Vortrag zu einem für das HR-Wesen relevanten Thema halten. Die Veranstaltungen finden in Köln, Frankfurt am Main, München, Hannover, Stuttgart, Hamburg, Leipzig und Berlin statt. Die Termine und alle weiteren Rahmendaten werden rechtzeitig im Vorfeld bekannt gegeben. BPM Forum Der Wandel des Personalwesens von einer ursprünglich eher administrativen zu einer gestalterischen und strategischen Funktion bringt auch neue Diskussionsthemen mit sich. Personalmanager sind zunehmend gefordert, einen Blick über den eigenen Tellerrand zu werfen und beziehen in ihrer täglichen Arbeit gesamtökonomische Prozesse, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Phänomene mit ein. Mit der Veranstaltungsreihe BPM Forum bietet der Verband seinen Mitgliedern eine Plattform, um mit Vertretern der Politik aktuelle Themen, die HR-Manager bewegen, zu diskutieren und sich so für ihre Ideen Gehör zu verschaffen. Das nächste BPM-Forum wird im März 2012 in Berlin stattfinden.

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DYNAMIC GENDER INDEX (DGI) JETZT ONLINE Mit dem Dynamic Gender Index (DGI) unterstützt der Verband Personalmanager dabei, Frauen in Unternehmen gezielt und branchenspezfisch zu fördern.

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eit dem 20. Oktober 2011 steht der Dynamic Gender Index (DGI) – das Bemessungssystem des BPM zur Berechnung des Frauenanteils in Unternehmen – auf der Website des BPM zur freien Verfügung. Der BPM will Unternehmen mit dem Tool ein geeignetes Instrument an die Hand geben, um unterschiedlich große Planungshorizonte berücksichtigen zu können. Knapp 3.000 Personaler haben das Tool bereits genutzt. Unter Einbeziehung der aktuellen Unternehmensdaten bildet der DGI die IST-Situation des Frauenanteils ab und stellt dessen Entwicklung parallel zur regulären Unternehmensentwicklung dar.

Berücksichtigung branchenspezifischer Unterschiede Personalmanager können mit Hilfe des DGI eine differenzierte Bestimmung von Zielgrößen für Selbstverpflichtungen hinsichtlich des Anteils von Frauen in Organisationen vornehmen. Der DGI betrachtet dabei zunächst den Frauenanteil eines beliebig zu definierenden Unternehmensbereiches zu einem bestimmten Zeitpunkt und liefert eine Prognose über die Entwicklung des Frauenanteils in den kommenden Jahren. Dabei bezieht das Tool den derzeitigen Anteil der Frauen im Unternehmen, die Fluktuationsquote, die Neubesetzungen und dessen Frauen-

anteil ein. So können Personaler mit dem Tool beispielsweise überprüfen, ob die gegebenen Nachbesetzungsmöglichkeiten ausreichen, um eine bestimmte Zielsetzung bis zu einem konkreten Datum zu erreichen.

Erhebung des BPM zur Frauenbeschäftigung in Unternehmen Der BPM hat neben den Mitgliedern in einem zweiten Schritt Anfang November auf Grundlage des Tools Personalverantwortliche aus dem gesamten Bundesgebiet zur Frauenbeschäftigung in ihren Unternehmen befragt. Die Ergebnisse der Erhebung zeigen, dass vor allem Angehörige der Branchen Maschinenbau, Energie, Automotive und der Industrie einen geringen Frauenanteil aufweisen – diesen zukünftig aber auch signifikant erhöhen wollen. Dabei sollen insbesondere im Führungskräftebereich verstärkt Frauen eingestellt werden. Um diese Zielsetzung zu unterstützen, will sich der Verband auch zukünftig für die maßgebliche Verbesserung von Karrieremöglichkeiten für Frauen einsetzen und tritt dazu weiterhin mit den politisch Verantwortlichen in Dialog.

i Alle weiteren Informationen zur Frauenförderung des BPM finden Sie unter: www.bpm.de/dgi

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EXPERTISE AUS DEN FACHGRUPPEN Die BPM-Fachgruppen bieten den Mitgliedern des Verbands im Rahmen ihrer Veranstaltungen einen qualitativ hochwertigen Erfahrungsaustausch. Zuletzt trafen sich die Gruppen Change Management und Strategisches Personalmanagement. FACHGRUPPE CHANGE MANAGEMENT

Fotos: Sebastian Müller / mueller3000; BPM-

Change ist kein bloßer Austausch von Alt gegen Neu

Woran erkannt man, dass etwas zu einem Veränderungsprozess wird? Wie fühlen sich Mitarbeiter bei einer Veränderung? Diesen und anderen Fragen ist die Fachgruppe Change Management am 28. September in Herzogenaurach und am 13. Oktober in Düsseldorf auf den Grund gegangen. Die Veranstaltung wurde an zwei Orten angeboten, um möglichst vielen Mitgliedern die Möglichkeit zur Teilnahme zu geben, damit diese die Arbeit der Fachgruppe aktiv mitgestalten können. Während der Treffen tauschten die Mitglieder zunächst ihre Erfahrungen aus und reflektierten gemeinsam ihr Change-Verständnis. In der Diskussion kamen die Anwesenden zu dem Schluss, dass Veränderungen nicht zwangsläufig einen Austausch von Alt gegen Neu bedeuten – einzelne Elemente des Alten bleiben oftmals bestehen. Zudem ist der Veränderungserfolg davon abhängig, was genau Gegenstand der Veränderung ist. Change-Prozesse werden häufig zweckentfremdet – beispielsweise zur Durchsetzung von politischen Zielen. Hinzu kommt, dass die Protagonisten – das Human Resource Management, Führungkräfte, Mitarbeiter und gegebenenfalls externe Experten – häufig nicht optimal reagieren. So fehlt vor allem Führungskräften teilweise die notwendige Fachkompetenz, um einen Change-Prozess ergebnisorientiert durchzuführen. Weiterhin sollte bedacht werden, dass ein Wandel nicht von jetzt auf gleich kommt, sondern stets eine Vorgeschichte hat. Während des Prozesses sollten zudem Transparenz geschaffen, Perspektiven aufgezeigt und das richtige Tempo gehalten werden. Schließlich müssen die Protagonisten gleichermaßen eingebunden werden. Nur unter Berücksichtigung dieser und weiterer Parameter kann ein Change-Prozess letztlich erfolgreich durchgeführt werden. D E Z E M B E R

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FACHGRUPPE STRATEGISCHES PERSONALMANAGEMENT

Personaler müssen sich stärker der Sprache des „Business“ bedienen Bereits zum fünften Mal kam die Fachgruppe Strategisches Personalmanagement am 23. November zusammen. Das Treffen fand in München bei der Bayerngas GmbH statt. Neben einem aktiven Kern von Mitgliedern, die regelmäßig an den Treffen teilnehmen, stießen abermals neue Mitglieder des Verbands hinzu. Hiervon profitiert die Fachgruppe in ihrer Arbeit besonders, da die Themen so kontinuierlich weiterentwickelt werden und zusätzliche aktuelle und relevante Impulse einfließen. Das Vorgehen bei der Gestaltung der Personalstrategie und des Strategischen Personalmanagements sowie deren Umsetzung in Organisationen standen während der Veranstaltung im Mittelpunkt. Dabei wurden unter anderem praktische Hinweise zu der nachhaltigen Verankerung langfristiger Personalthemen innerhalb des Managements erarbeitet. Zudem wurde besprochen, wie in der anschließenden Umsetzung die notwendige Unterstützung des „Business” erreicht werden kann. Hierzu skizzierten die Teilnehmer erste Ansätze für ein strukturiertes und zielgerichtetes Vorgehen des Personalwesens – die die Fachgruppe zeitnah weiterentwickeln und präzisieren will. Um die erforderliche Management Attention zu erlangen, erörterten die Anwesenden schließlich verschiedene Wege zu einer erfolgreichen HR-Kommunikation. Daraus wurde das Fazit gezogen, dass Personaler sich zukünftig mehr der Sprache des „Business” bedienen müssen – also einer verstärkten Kommunikation von Ergebnissen, Budgets und Key Performance Indicators – um dieses Ziel zu erreichen.

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JAHRESABSCHLUSS IN DEN REGIONALGRUPPEN Im November trafen sich die Mitglieder in sechs Regionalgruppen ein letztes Mal im Jahr 2011, um sich über zukunftsweisende HR-Themen auszutauschen. Dabei standen unter anderem Belegschaftsgeschäftsversicherungen und Recruiting Trends im Fokus. RÜCKBLICK REGIONALGRUPPENTREFFEN

Bremen/Niedersachsen Recruiting Trends bildeten den Themenschwerpunkt des Treffens der Regionalgruppe am 8. November bei der DMK GmbH in Bremen. Dazu diskutierten die Teilnehmer ausführlich eine empirische Untersuchung unter den Top1.000-Unternehmen in Deutschland sowie den Top-300Unternehmen aus den Branchen Finanzdienstleistung, IT und dem Öffentlichen Dienst. Die Teilnehmer sprachen dabei insbesondere über die verstärkte Nutzung von Social Media im Recruiting-Prozess und damit verbundene Chancen und Risiken.

RÜCKBLICK REGIONALGRUPPENTREFFEN

Nordrhein-Westfalen

RÜCKBLICK REGIONALGRUPPENTREFFEN

Hamburg/Schleswig-Holstein/ Mecklenburg-Vorpommern Hilft das Sprichwort „Gleich und gleich gesellt sich gern“ tatsächlich bei den alltäglichen Aufgaben eines Personalers weiter? Dieser Frage nahmen sich die Teilnehmer am 10. November während des Regionalgruppentreffens bei der Consensa Projektberatung GmbH & Co. KG in Hamburg an. Im Rahmen eines Workshops wurden dabei Techniken erarbeitet, mit denen das Erkennen von „Typen“ erlernt werden kann. Daneben vermittelte der Referent Martin Wiedemeyer, der als Partner des Unternehmens Mehrwert tätig ist, den Teilnehmern die Grundlagen des typgerechten Umgangs und eine Grundausstattung für funktionierende Teams.

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Fotos: Stephan Baumann

Die Regionalgruppe beschäftigte sich während des letzten Treffens am 10. November mit der Frage, wie Personaler Employer Branding als ganzheitlichen Prozess implementieren können. Christina Weber, Mitarbeiterin im Personalwesen bei der SMS Siemag AG, stellte dazu ihre Diplomarbeit vor und ging dabei insbesondere auf die Planungs- sowie die Markengestaltungsphase bei der Einführung eines ganzheitlichen Employer Brandings ein. Auch praktische Tipps zu den Herausforderungen, die ein solcher Prozess mit sich bringt, wurden diskutiert – unter anderem die Schwierigkeiten bei der Gestaltung einer Marke und wie es gelingt, ein tatsächliches Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten.

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RÜCKBLICK REGIONALGRUPPENTREFFEN

Bayern

Im Rahmen des Treffens am 17. November in München diskutierten die Mitglieder der Regionalgruppe Bayern die Manager Performance Map (MPM), ein von Dr. Wolfgang Schröder, Inhaber des Beratungsunternehmens PersonalSysteme, eigens entwickeltes Tool für Führungskräfte. Im

Bezug darauf stellte der Referent zudem eine Befragung des Beratungsunternehmens Capgemini unter HR-Managern vor, in der Führungskräfteentwicklung als besonders wichtige Aufgabe und Herausforderung für HR Manager im Jahr 2012 angesehen wird.

RÜCKBLICK REGIONALGRUPPENTREFFEN

RÜCKBLICK REGIONALGRUPPENTREFFEN

Hessen/Rheinland-Pfalz/ Saarland

Employer Branding stand im Fokus des letzten Regionalgruppentreffens am 30. November bei der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH in Berlin. Jannis Tsalikis, Head of Human Resources und Employer Branding Consultant bei der MSLGroup Germany GmbH, lieferte den Teilnehmern in einem Impulsvortrag praktische Hinweise, um ein Employer-Branding-Konzept erfolgreich zu implementieren und in der Unternehmenskultur zu verankern – was nur mit entsprechender Transparenz erreicht werden kann. Dabei ging er insbesondere darauf ein, dass Employer Branding nicht mit Personalmarketing gleichzusetzen ist und die Wechselwirkung zwischen der externen und der internen Kommunikation berücksichtigt werden muss. In der anschließenden Diskussion kamen die Teilnehmer zu dem Fazit, dass Employer Branding zwar kein neues Thema ist und bereits in den 1960er Jahren diskutiert wurde, der Weg zur Umsetzung aber noch immer Hindernisse mit sich bringt.

Fotos: BPM (2); Stephan Baumann

Wie kann das Belegschaftsgeschäft als Instrument zur Mitarbeiterbindung im Hinblick auf den demografischen Wandel genutzt werden? Klaus Wolter, Leiter des Geschäftsbereiches Belegschaftsmakler bei der Albatros GmbH, einem Unternehmen im Lufthansa Konzern, stand der Regionalgruppe am 24. November in Wiesbaden zu diesem Thema Rede und Antwort. Neben allgemeinen Möglichkeiten zur Mitarbeitergewinnung stellte der Referent insbesondere betriebliche Versicherungs- & Vorsorgemodelle als einen Weg vor, um dem demografischen Wandel zielgerichtet zu begegnen. Das Spektrum kann dabei von ambulanten Zusatzversicherungen über Deferred Compensation bis hin zu privaten Versicherungen, wie beispielsweise Hausratversicherungen, reichen.

Berlin/Brandenburg

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NACHGEFRAGT Mit der Rubrik „Nachgefragt“ stellt der Verband zu aktuellen Themen des Human Resources Management ein Meinungsbild der BPM-Mitglieder vor. Passend zum Titelthema äußern sieben Mitglieder ihre Ansichten zum Thema Vertrauensarbeitszeit und liefern Handlungsempfehlungen und Anregungen, wie zukünftig mit dem Themenfeld umgegangen werden sollte.

»Wir befinden uns aus meiner Sicht in einer Entwicklungsphase, wo Arbeitswelt und Privatleben immer mehr miteinander verschmelzen. Stetige Erreichbarkeit auch zu Hause oder sofortiges Reagieren auf E-Mails auch am Abend oder Wochenende sind bei uns gang und gäbe. Allein aus diesem Grund ist eine althergebrachte Zeiterfassung für uns weder sinnvoll noch technisch möglich. Unsere Mitarbeiter werden an Zielen gemessen und nicht an Stunden, die sie im Büro verbringen. Ob und wann sie an diesen Zielen arbeiten ist ihnen überlassen. Die Folge ist – aus unserer Erfahrung heraus – eine deutlich höhere Motivation und Loyalität zum Unternehmen bei gleichzeitig qualitativ besseren Ergebnissen. Fazit: Vertrauensarbeitszeit ist bei uns nicht Zukunft, sondern Gegenwart.« Sascha Dorsch, Director HR, cip GmbH

Was halten Sie von – liegt darin

Fotos: Privat

»Ich denke, Vertrauensarbeitszeit kann für bestimmte Berufsgruppen in überschaubaren Strukturen ein grundsätzlich positives Modell der Arbeitsorganisation sein. Entscheidend für deren Einsatz ist jedoch der prüfende Blick auf die Erfüllung der dienstlichen Belange. Man sollte sich fragen, welche Vor- und welche Nachteile bringt uns ein derartiges Modell? Für einige Arbeitnehmer ergibt sich dadurch mehr Aktionsspielraum, der zu besseren Arbeitsleistungen führen kann. Andere Mitarbeiter bevorzugen klare Vorgaben in festen Strukturen, die sie abarbeiten können. Wichtig ist, ein passendes Arbeitszeitmodell für die eigene Organisationsstruktur zu finden, das die Potenziale der Arbeitnehmer in Bezug auf die Erreichung der Unternehmensziele berücksichtigt. Nicht selten finden wir deshalb Modelle mit Kernarbeitszeiten in Kombination mit variablen Arbeitszeitphasen.« Sabine Hellwig, Personalentwicklerin, Gesellschaft für Leben und Gesundheit mbH

»Vertrauensarbeitszeit stellt zunächst immer ein Wagnis dar. Denn Unternehmen und Beschäftigte müssen darauf vertrauen, dass die Abwesenheit von Zeiterfassung nicht zu fehlender Leistungserbringung führt, beziehungsweise die Beschäftigten dauerhaft umfangreiche Mehrarbeit erbringen müssen, ohne hierfür einen Ausgleich zu erhalten. Der BWI Leistungsverbund ist als größtes Public Private Partnership Europas im Jahr 2007 aus Überzeugung dieses Wagnis eingegangen. Weder unsere Beschäftigten aus dem öffentlichen Bereich, noch aus der Industrie hatten zuvor Erfahrungen mit Vertrauensarbeitszeit, sodass das Modell immer wieder intensiv und auch kritisch diskutiert wurde. Gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern sehen wir die Vertrauensarbeitszeit als wichtigen Bestandteil unserer Kulturentwicklung.« Dr. Jürgen Bischoff, Gesamtleitung Personalmanagement, BWI Informationstechnik GmbH

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»Vertrauensarbeitszeit bedeutet für mich in erster Linie eigenverantwortliche Steuerung der Arbeitszeit durch den Mitarbeiter. Für die Einhaltung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitszeit ist der Mitarbeiter also selbst verantwortlich. Dies kann kein Anliegen für die Zukunft sein, sondern sollte bereits für die Gegenwart gelten, ist aber natürlich von der Art der Tätigkeit des einzelnen Mitarbeiters und grundsätzlich auch von dem Menschenbild abhängig, das die verantwortlichen Manager haben. Wir haben als Softwarehaus das Glück, dass wir viele hoch motivierte und hoch qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Deren Leistung ist nicht durch reine Anwesenheit zu messen, sondern muss sich in Ergebnissen zeigen. Wir geben lediglich den Rahmen in Form von Gleit- und Kernarbeitszeit vor und der Mitarbeiter verplant sein „Zeitbudget“ eigenverantwortlich. Damit haben wir bisher sehr gute Erfahrungen gemacht.« Silke Fey, HR-Manager, SEEBURGER AG

»Im Dienstleistungsbereich gehen die Kunden- und auch die Arbeitgeberinteressen vor dem Hintergrund der Globalisierung des Arbeitsmarktes hinsichtlich der Leistungserbringung immer stärker dahin, diese Leistungserbringung zeitlich und örtlich beziehungsweise räumlich möglichst flexibel zu gestalten, um so den oftmals komplexen Anforderungen an die Dienstleistung beziehungsweise das Produkt besser gerecht werden zu können. Auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist eine variable Arbeitszeitgestaltung und örtliche Flexibilität ein wesentlicher Baustein zur Erlangung einer „gesunden“ Work-Life-Balance. Die Vertrauensarbeitszeit bildet hierbei auch zukünftig das wichtige Fundament, um genau diese unterschiedlichen Interessen innerhalb der Dreiecksbeziehung „Kunde – Arbeitgeber – Arbeitnehmer“ in Einklang bringen zu können. Nicht die Anwesenheit, sondern das Ergebnis gilt es zu bewerten – und wenn das stimmt, hat sich das Vertrauen ausgezahlt und alle Prozesspartner haben „gewonnen“.« Raphael Jacob, Leiter Human Resources, RLE INTERNATIONAL GmbH

Vertrauensarbeitszeit die Zukunft?

Fotos: Privat;

»Seit 10 Jahren bieten wir in unserer Bank die Vertrauensarbeitszeit optional allen Tarifbeschäftigten an, sämtliche außertariflich Beschäftigte sind ohnehin seitdem von der Zeiterfassung „befreit“. Mit dem Instrument der Vertrauensarbeitszeit haben wir die Aspekte Selbstverantwortung und Vertrauenskultur bewusst eingeführt. Die Bank hat einen geringeren Verwaltungsaufwand in diesen Nutzungsfällen und der Einzelne handelt in Eigenverantwortung und erhält eine gestärkte Motivation durch diese „Freiheit“ von Systemen. Ich erlebe aber auch Ängste bei manchen Kolleginnen und Kollegen, die ohne die dokumentierten Anwesenheitsstunden eine Selbstausbeutung fürchten. Dabei ist erfasste Arbeitszeit nur Anwesenheit und nicht Arbeitseffektivität oder -produktivität. Für mich heißt es auch in Zukunft: Umsteigen in die Vertrauensarbeitszeit für alle!« Knuth Lausen, Leiter Bereich Personal, Investitionsbank Schleswig-Holstein

»Wohl kaum ein Arbeitszeitsmodell kann so sehr Segen und Fluch gleichzeitig sein. So bedeutet es für viele Mitarbeiter und Führungskräfte Freiheit, Flexibilität oder sogar Lebensqualität – während es für andere zum Stressfaktor wird, weil das Festhalten an Präsenzzeit im Büro als Leistungsmaßstab immer noch weit verbreitet ist. Wenn dann noch eine durch Arbeitsverdichtung zunehmende Belastung der Mitarbeiter hinzukommt, mahnen die Kritiker des Modells nicht zu unrecht eine versteckte Arbeitszeiterhöhung an. Zur Bewertung der Zukunftsfähigkeit ist daher eine Differenzierung zwischen Modell und praktischer Handhabung notwendig. Mein Fazit: Vertrauensarbeitszeit kann ein wunderbares Instrument sein, sofern es mit Augenmaß für die jeweilige Stelle und die Belastungssituation in den Abteilungen eingesetzt wird. Letztlich aber entscheidet wie so oft die Qualität der Führung über den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit dieses Modells.« Rebecca Steinhage, Head of Human Resources, LR Health & Beauty Systems GmbH

TEILEN SIE UNS IHRE MEINUNG MIT Wenn auch Sie in einer der kommenden Ausgaben des Human Resources Manager mit Ihrer Meinung zu einem für das Personalwesen relevanten Thema vertreten sein möchten, freuen wir uns über Ihre Einsendungen und Vorschläge an info@bpm.de.

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Coa ch Day ing s

NÄCHSTE TERMINE DER WORKSHOP-REIHE Alle Regionalgruppen planen derzeit weitere Veranstaltungen der Reihe „Coaching Days“ für das Jahr 2012. Die ersten Termine in München, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und Berlin kündigen wir hier bereits an.

FRANKFURT AM MAIN

MÜNCHEN

Betriebliches GesundheitsStrategisches Personalmanagement – Sozialromantik management – Erfolgsfaktor oder Mehrwert!? auch im KMU Die Referenten Dr. Claudia Krause und Daniel Marbe zeigen den Teilnehmern während des Coaching Days mögliche Handlungsfelder sowie erste Schritte zur Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) auf. Zudem geben die Referenten Antworten auf die Fragen, was Gesundheit im Arbeitsumfeld bedeutet und warum ein BGM im Unternehmen unerlässlich ist. Referenten: Dr. Claudia Krause, Leiterin des Zentrums für Betriebliches Gesundheitsmanagement der B.A.D GmbH und Daniel Marbe, Gesundheitsmanager im gleichen Unternehmen Termin: 1. Februar 2012 Ort: Frankfurt am Main

HAMBURG

Ganzheitlich Lernen! Erleben Sie am Beispiel englischer Sprachtools aus dem HRBereich, wie multisensorisches Lernen alle Türen zum Gehirn öffnet. Die einzigartige Lehrmethode stärkt insbesondere die Verständigungs- und Ausdrucksfähigkeiten im persönlichen Dialog – elementare Skills für jeden Personaler. Referent: Alexander Zeitvogel, Englisch-Trainer, G.I.T.-Seminare – GmbH & Co. KG

Strategisches Personalmanagement und langfristige Ausrichtung der Personalarbeit ist nicht nur ein Thema der großen Unternehmen. Auch mittelständische Firmen stehen vor der Herausforderung, die Handlungsfelder der Personalarbeit festzulegen und praxisgerechte HR-Programme nachhaltig umzusetzten. Im Rahmen des Coaching Days zeigt Volker Kindler von der Kindler Personal- und Managementberatung Ansätze auf, wie systematische und nachhaltige Personalarbeit auch in kleineren und mittleren Unternehmen gestaltet und umgesetzt werden kann und wie dadurch greifbare Wertbeiträge entstehen. Referent: Volker Kindler, Inhaber Kindler Personal- und Managementberatung und BPM-Fachgruppenleiter Strategisches Personalmanagement

Termin: 7. Februar 2012 Ort: München

»Ich war sehr zufrieden. Ich hatte ausreichend Zeit, meine Fragen zu stellen, bekam von dem Referenten und auch von den Teilnehmern kompetente Antworten.«

Termin: 14. Februar 2012 Ort: Hamburg

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Coaching Day mit dem Thema „Will er nicht oder kann er nicht?“ – Rechtsfragen zum Umgang mit leistungsschwachen Mitarbeitern am 17. November 2011 in Düsseldorf.

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Fotos: Privat

Claudia Stomphorst, Mitarbeiter Human Resources, BERODE GmbH


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BERLIN

Erfolgreiches Restrukturieren

Nächste Termine der Regionalgruppen

Eine erfolgreiche Restrukturierung innerhalb der HR-Abteilung bedarf einer gewissenhaften Vorbereitungsphase in der es Fehler zu vermeiden gilt. Essenziell ist hierbei, industrielle und juristische Felder zu verknüpfen, um somit das Projekt zum Erfolg zu führen. Im Zuge dieses Workshops erarbeitet Rüdiger R. Rau, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei TAYLOR WESSING, gemeinsam mit den Teilnehmern eine Strategie zur Vermeidung gängiger Fehler im Restrukturierungsprozess. Referent: Rüdiger Robert Rau, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei TAYLOR WESSING

Termin: 15. Februar 2012 Ort: Berlin

KÖLN

Psychologische Grundlagen von Bewerbergesprächen und Bewerberauswahl Boris von der Linde wird während des Workshops die differenzierte Methodik von Bewerbergesprächen, von speziellen psychologischen Fragetechniken und der Beobachtungssystematik vertiefen. Darüber hinaus wird der Umgang mit besonderen Herausforderungen im Bewerbergespräch thematisiert. Praxisnahe Übungen werden den Workshop abrunden und den Teilnehmern die komplexe Thematik näherbringen. Referent: Boris von der Linde, selbstständiger Personalberater

Fotos: Privat

Nächste Stammtisch-Termine im Überblick: 5.01.2012 Stammtisch-Treffen Köln Ort: Gaffel im Marienbild, Aachener Straße 561, 50933 Köln 9.01.2012 Stammtisch-Treffen Dortmund Ort: Mamma Leone, Feldbank 1 - 5, 44265 Dortmund 19.01.2012 Stammtisch-Treffen Münster Ort: Tryp Hotel Münster, Albersloher Weg 28, 48155 Münster 24.01.2012 Stammtisch-Treffen Bonn Ort: OPERA - Restaurant - Cafe, Kapuzinerstraße 13, 53117 Bonn

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Bremen/Niedersachsen Zeit: 17. Januar 2012, ab 18:00 Uhr Ort: Bremen Bremen/Niedersachsen Zeit: 25. Januar 2012, ab 18:00 Uhr Ort: Hannover Nordrhein-Westfalen Zeit: 9. Februar 2012, ab 18:00 Uhr Ort: Essen Baden-Württemberg Zeit: 29. Februar 2012, ab 16:00 Uhr Ort: Stuttgart

Termin: 21. Februar 2012 Ort: Köln

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Berlin/Brandenburg Zeit: 11. Januar 2012, ab 18:30 Uhr Ort: Berlin

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Hamburg/Schleswig-Holstein/MecklenburgVorpommern Zeit: 1. März 2012, ab 16:00 Uhr Ort: Hamburg Weitere Informationen zu diesen Terminen finden Sie unter: www.bpm.de/services/termine

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Der BPM begrüßt weitere Personalmanager im Verband

NEUMITGLIEDER Knapp 2.900 Mitglieder zählt der BPM mittlerweile. Einige der Neumitglieder stellen wir auf den folgenden Seiten namentlich vor. Ralph Albert, Personalleiter Werk 10, Behr GmbH & Co. KG Hannah Aldekamp, Personalreferentin, HüttenesAlbertus Chemische Werke GmbH Michael Ashauer, Sachgebietsleiter Personalentwicklung & Ausbildung, Westdeutscher Rundfunk Anstalt des öffentlichen Rechts Helge Bienert, Senior Manager Compensation & Benefits, HAVI Global Logistics GmbH Boris Billing, Head of People & Organizational Development, Swisscom (Schweiz) AG Inka Blume, Recruitment Manager, TUI Consulting & Services GmbH Per Breuer, Global Head of Human Resources, Roland Berger Strategy Consultants GmbH

»In Netzwerken wird theoretisches Wissen durch Erfahrungsaustausch in praktisches Können umgesetzt. Der Anwendungsnutzen solcher Kontakte ist enorm. Benchmarking liefert Argumente für die eingeschlagenen Wege oder legt Handlungsfelder offen. In jedem Fall bietet ein gutes Netzwerk Lernchancen, auf die ich mich freue.« Elmar Ensmann, VP Human Resources, PFW Aerospace AG

Melanie Brunswicker, Leiterin Personal, ROSIER Services GmbH & Co. KG Fabia Corzilius-Beckers, Personalleiterin, Orsay GmbH Gilbert Dietrich, Leiter Personal (Recruiting, Entwicklung und Marketing), Unister Holding GmbH Eileen Drees, Personalreferentin, Westfalen AG Elmar Ensmann, VP Human Resources, PFW

Aerospace AG Sabrina Ernst, Personalreferentin, Gust. Alberts GmbH & Co. KG Inga Esdorn, Leitung Betreuung und Abrechnung, DMK Deutsches Milchkontor GmbH Sandra Feldmann, Personal- und Organisationsentwicklung, Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co.KG Markus Felk, Leiter

Bereich Personal, ZF Friedrichshafen AG Geschäftsfeld ZF Services Karin Festerling, Personalreferentin, Kühne + Nagel (AG & Co.) KG Andrea Frielingsdorf, Gruppenleiterin Personalmanagement, Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG Claudia Geyer, Leiterin Personal, Dürr Dental AG Kristin Grund, Center-

leiterin Personal/Bildung, Prokuristin, Dresdner Verkehrsbetriebe AG Roswitha Happach, Leiterin Referat Personalentwicklung, Universitätsklinikum Regensburg Brenda Hecktheuer, Regionenleiterin Placement, Siemens AG Martina Heger, Abteilungsleiterin Personal/Innere Dienste, GEWOBAG Wohnungsbau- Aktiengesellschaft Berlin Norbert Hermann, European HR Director, BRITAX RÖMER Kindersicherheit GmbH Guido Hilchenbach, Leiter Personal, LVM-Versicherungen Stefanie Hirner, Referentin für Personalplanungund entwicklung, REWAG Regensburger Energie-und Wasserversorgung AG & Co.KG

ENTWICKLUNG DER MITGLIEDERZAHL 3000

MITGLIEDERANTEIL

weiblich 49% männlich 51%

2500

2000

1500

500

108

2009

Foto: Privat

1000

2011

2010

H U M A N

R E S O U R C E S

M A N A G E R


BUNDESVERBAND DER PERSONALMANAGER

Friedrich Hirth, Global Vice President Human Resources, Gelita AG Dr. Nele Honecker, HR Director, Pfizer Manufacturing Deutschland GmbH Dr. Karsten Hoyer, Head of HR BCS Product Supply, Bayer CropScience AG René Hüggelmeier, Personalleiter, AMAZONENWerke H. Dreyer GmbH & Co. KG Wilma Huppertz, Manager Talent Management, Henkel AG & Co. KGaA Annika Jans, Personalentwicklerin, Frontline GmbH Jasmina Jansen, Personalreferentin, SDV Geis GmbH Andreas Kleinelanghorst, Personalleiter/Prokurist, Coko Werk GmbH & Co. KG Roland Kottke, Bereichsleiter Personal und Tarifwesen, Sana Kliniken AG

Nicole Krebs, Personalreferentin, THEEGARTENPACTEC GmbH & Co. KG Sabine Kropp, Leiterin Personal & Recht, Fraport Cargo Services GmbH Carina Kuhnke, HR Business Partner, E. Breuninger GmbH & Co. Felicitas von Kyaw, Vice President Organisational Development & Change, Vattenfall Europe AG Verena Lämmle, Personalreferentin, Drees & Sommer AG Silke Leonard, Leiterin Personalamanagement Hauptverwaltung, GALERIA Kaufhof GmbH Christian Lütkenhaus, Leiter Personalentwicklung und Berufsausbildung, LVM-Versicherungen Eike Mahlstedt, Personalleiter, SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co.KG

Katrin Neubert, Personalleiterin, N24 - Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH Claudia Nijboer, HR Manager Europe, Excelitas Technologies GmbH & Co. KG Kirsten Oetzel, Personalleiterin, Nestlé Deutschland AG Dr. Dirk Ollmann, Talent Acquisition and Management Specialist, Arrow Electronics Arrow Central Europe GmbH Tim Ordemann, Head of HR Business Partner, Deutsche Flugsicherung GmbH Erich Pachaly, Restruktuierungsprojektleiter, Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG Henning Patzke, HR Manager Mergers, Acquisitions and Divestments, Shell Deutschland Oil GmbH Jens Plath, Geschäftslei-

INTERVIEW

„Ich erhoffe mir intensiven Erfahrungsaustausch“

Fotos: Privat

Neumitglied René Hüggelmeier, Personalleiter bei der Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co. KG beantwortet im Interview Fragen zu seinen Erwartungen an den BPM. Was hat Sie überzeugt, Mitglied des BPM zu werden und was erwarten Sie sich von Ihrer Mitgliedschaft? Der BPM hat innerhalb kurzer Zeit einen enormen Mitgliederzuwachs erfahren und ist mittlerweile als Vereinigung für Personalmanager und Personalverantwortliche fest etabliert. Persönlich erhoffe ich mir einen intensiven Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Branchen und Unternehmen. Ich hoffe auf Diskussionen und Beiträge, die zu einer kritischen Überprüfung der HR-Strukturen in der eigenen Organisation beitragen. Außerdem wünsche ich mir Impulse für zukunftsweisende HR-Instrumente, die zu einer bedarfsgerechten Umsetzung im eigenen Unternehmen anregen. Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Herausforderungen für das Personalmanagement im Jahr 2012? D E Z E M B E R

2 0 1 1 / J A N U A R

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tung Personal & Verwaltung, Serviceplan Gruppe für innovative Kommunikation GmbH & Co. KG Ulrike Przywara, Personalreferetin, Gust. Alberts GmbH & Co. KG Torsten Pügge, Vorstandsmitglied, Aequitas GmbH & Co KG Markus Rasche, Leiter Personal- und Organisationsentwicklung, DIS AG Sybille Reiß, Leiterin TUI Recruiting Office & Management Development, TUI Consulting & Services GmbH Lutz Peter Reuter, Leiter Zentralbereich Personal, Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen- Sierstorpff mbH & Co. KG Holding Marcus Riecker, Personalleiter, Karl Schmidt Spedition GmbH & Co.KG Kathrin Roffka, Referentin Personalentwicklung,

Hönigsberg & Düvel Datentechnik GmbH Anke Rüther, Personalreferentin, Winkelmann Group GmbH + Co. KG Dr. Heike Sanden, Senior Manager Corporate HR Development, Nordzucker AG Dr. Benjamin Schleyer, Human Resouces Manager, Open Grid Europe GmbH Hartwig Schulze, Personalleiter, Ledermann GmbH & Co. KG Markus Schunk, Personalleiter, Schunk GmbH & Co. KG Spann- und Greiftechnik Simone Schwander, Personalleiterin, Stuttgarter Jugendhaus gGmbH Marion Tilp, stellvertretende Leiterin Personal, Bayerngas GmbH Tim Warszta, Leiter Personal, SkySails GmbH & Co. KG

Der anhaltende Fachkräftemangel sowie der Demografische Wandel werden uns weiterhin vor große Herausforderungen stellen. Um Wettbewerbsvorteile erzielen zu können, werden die HR-Abteilungen eine strategische Personalplanung implementieren beziehungsweise ausbauen müssen. Darüber hinaus wird die Besetzung von Schlüsselpositionen in Unternehmen unter zielgerichteter Nutzung von Social-Media-Instrumenten weiter an Bedeutung gewinnen. Weitere Herausforderungen stellen die Entwicklung der eigenen Führungskräfte sowie die Mitarbeitermotivation und -bindung dar. Die Globalisierung zwingt auch die HR-Abteilungen zunehmend international zu denken und zu arbeiten. Die Personalverantwortlichen müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um die interkulturellen Fähigkeiten der Mitarbeiter zu fördern und Talente international auszutauschen. Nicht zuletzt werden sich die HR-Abteilungen weiter als strategischer Partner der Fachabteilungen etablieren und – vor dem Hintergrund des zunehmenden Kostendrucks – ihre Prozesse optimieren müssen. Warum sind Sie im Personalmanagement tätig und was macht den Job so spannend? Die Arbeit im Personalmanagement ist vielfältig und abwechslungsreich. Ich arbeite jeden Tag mit unterschiedlichen Kollegen und Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen zusammen. Außerdem lerne ich immer wieder neue, interessante Bewerber und Geschäftspartner kennen. Als Business Partner der Fachabteilungen kann ich bedarfsgerechte Lösungen und Instrumente entwickeln und damit dazu beitragen, dass Mitarbeiter motiviert zur Arbeit kommen und die Unternehmensziele erreicht werden können. 109


FRAGEBOGEN Folge 7: Dietmar Knöß, Director Human Resources Puma SE

Dietmar Knöß Director Human Resources Puma SE

An meinem Beruf fasziniert mich, … dass man morgens nie weiß, wie der Tag endet. Herzogenaurach ist keine Weltstadt, aber… es bietet exzellente Infrastrukturen und eine große interkulturelle Vielfalt für eine Stadt dieser Größe. Puma ist ein guter Arbeitgeber, denn… sonst wäre ich nicht hier und würde jeden Morgen gern zur Arbeit fahren. Puma bietet Freiräume, die man in vielen Firmen vergeblich sucht. Auch das ist ein Grund für unseren Erfolg. Wenn ich nicht Manager geworden wäre, hätte ich mir auch vorstellen können,… mein Hobby Fliegen zum Beruf zu machen. Internationalität und Personalmanagement… sind ständige Wegbegleiter meines beruflichen Werdegangs. Wenn ich an meine ersten Berufsjahre denke,… hätte ich nie gedacht, dass ich einmal als Personalchef bei Puma landen würde. 110

Ursprünglich begann ich meine Karriere im Vertrieb. Sport am Morgen bedeutet mir… relativ wenig. Wenn, dann bitte am Abend. Eines der inspirierendsten Bücher ist für mich… „The Art of War” von Sunzi. Es ist erstaunlich, wie sich die Erkenntnisse eines chinesischen Generals der früheren QiDynastie auf die heutigen Anforderungen des Lebens übertragen lassen. ...haben für mich einen ganz besonderen Wert. Ethische Grundsätze im Beruf und im Privaten Ein Hauptcharakterzug von mir ist… meine Geradlinigkeit. Schuhe von Adidas sind… in meinem Schrank nicht zu finden. Natürlich muss sich niemand vor mir verstecken, wenn er welche trägt. Aber mir persönlich gefallen Design und Passform von Puma-Schuhen einfach besser. ...ist ein HR-Bereich, dem bislang noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ein ganzheitliches Diversitätsmanagement – und damit meine ich nicht allein Geschlechterdiversität –

Herzogenaurach hat nur etwa 23.000 Einwohner. Doch die kleine Gemeinde in Bayern ist Sitz von gleich drei Weltunternehmen. Neben der Schaeffler Gruppe sind das die beiden Sportartikelhersteller Adidas und Puma. Für Dietmar Knöß bietet Herzogenaurach trotz der Größe eine interkulturelle Vielfalt und exzellente Infrastrukturen.

H U M A N

R E S O U R C E S

M A N A G E R

Fotos: Puma SE; www.wikimedia.org

Mit meiner BMW R1150 raus zu fahren ist für mich… pure Entspannung. Leider habe ich immer weniger Zeit dafür.

Über 20 Jahre Erfahrung hat Dietmar Knöß im Bereich Human Resources und er besitzt ein umfassendes Know-how aus verschiedenen HR-Führungspositionen. Seit September 2010 ist der 44-Jährige Director of Human Resources bei dem SportlifestyleUnternehmen Puma, das mehr als 9.500 Mitarbeiter weltweit hat. Von der Firmenzentrale in Herzogenaurach aus ist er unter anderem für die Umsetzung der globalen HR-Strategie verantwortlich. Vor seinem Wechsel zu Puma war Knöß Global Director Human Resources and Facilities Management bei Hugo Boss. Berufliche Stationen davor waren unter anderem Wella, Procter & Gamble und die Tengelmann Unternehmensgruppe.


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