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Ratgeber

Unter Strom:

Ein unterschätztes Risiko am Bau

[ BAUSICHERHEIT ] Häufig werden die Gefahren für den Menschen bei elektrotechnischen Arbeiten unterschätzt. Dabei haben elektrische Unfälle oft lebensgefährliche Verletzungen, beispielsweise durch starke Verbrennungen, zur Folge. Laut einer Statistik der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) gab es allein im Jahr 2021 rund 550 meldepflichtige Stromunfälle, darunter sechs, die tödlich endeten. Insgesamt wurden 3 561 Stromunfälle gemeldet. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache und zeigen auf, dass Stromunfälle keine Seltenheit sind. Besonders Störlichtbögen stellen im Arbeitsumfeld von elektrischen Anlagen eine ernstzunehmende Gefährdung dar, die mitunter tödlich sein kann. Dementsprechend wichtig ist es, sich mit passender Kleidung und Ausrüstung zu schützen. Die Redaktion der bauSICHERHEIT fasst zusammen, worauf es bei der Arbeit mit Strom und Spannung ankommt und worauf Sie achten sollten, um die Risiken so gering wie möglich zu halten.

Der Begriff Lichtbogen bezeichnet zunächst eine elektrische Gasentladung bzw. eine durch Gasionisation entstandene leitende elektrische Verbindung zwischen unterschiedlichen Elektroden. Wird dieser durch eine betriebliche Störung oder menschliches Versagen ausgelöst, spricht man von einem Störlichtbogen. Sie treten beispielsweise auf, wenn es zu einem Kurzschluss kommt oder stromführende Teile fehlerhaft getrennt werden. Zwar gehören Störlichtbögen zu selteneren Vorkommnissen; dennoch kann die Gefahr eines solchen niemals gänzlich ausgeschlossen werden. Im Hochspannungsbereich genügt beispielsweise bereits das Unterschreiten des entsprechenden Luftabstandes zu den unter Spannung stehenden Teilen, um einen Störlichtbogen auszulösen. Dabei können Kerntemperaturen zwischen 8 000 und 10 000 °C auftreten, sodass lebensgefährliche Verletzungen durch starke Verbrennungen drohen, wenn der Arbeiter nicht ausreichend geschützt ist. Auch giftige Gase und Partikel, die optische Strahlung und die hohe akustische Belastung durch den Knall stellen beim Auftreten eines Störlichtbogens ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko dar.

Sich mit der richtigen Ausrüstung schützen

Aufgrund der tödlichen Gefahr werden für den ausreichenden Schutz vor Störlichtbögen Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) der Kategorie 3 benötigt. Da sich die Hände in direktem Kontakt mit Hochspannungsleitungen und unter Strom stehenden Kabeln befinden, müssen diese zwingend vor elektrischen und thermischen Gefährdungen geschützt werden, beispielsweise durch elektrisch isolierende Handschuhe nach DIN EN 60903. Die Norm für Arbeiten unter Spannung gilt für Handschuhe aus isolierendem Material und liefert die Grundlage für die Bestimmung der Isolationsschutzklasse je nach Nennspannung der Anlage. Dabei werden die maximal zulässige Nenn-Wechselspannung (AC) und NennGleichspannung (DC) ermittelt. Darüber hinaus prüft die Norm, ob die Handschuhe gegen Säure, Ozon, Öl und extrem niedrige Temperaturen beständig sind. In jedem Fall sollten die Handschuhe nach den Kontakten mit Säure, Öl oder Ozon entsorgt werden.

Grundsätzlich gilt jedoch: Nicht nur Hände müssen vor thermischen und elektrischen Einflüssen geschützt werden, sondern der gesamte Körper. Auch den Kopf gilt es mit einem elektrisch isolierenden Helm zu schützen, um die gefährliche Körperdurchströmung durch den Kopf zu verhindern.

Tests auf Basis der Stoll-Kurve

Als Grundlage für die Prüfverfahren bei Störlichtbogen-PSA-Tests dient die sogenannte Stoll-Kurve, die von der amerikanischen Biophysikerin Alice Mary Stoll entwickelt wurde. Die Kurve legt die Bewertung der Übertragung von Wärmeenergie fest, basierend auf der Zeit, die die Wärme zur Übertragung benötigt und der Menge der erzeugten Wärmeenergie. Bei einem Störlichtbogen sollte die PSA die Wärmeenergie absorbieren bzw. abhalten, was dazu führt, dass die Energie den Körper nicht erreicht. Im Rahmen der Störlichtbogen-Tests wird das Material extremer Hitze ausgesetzt, während Sensoren aufzeichnen, wie viel Energie in Abhängigkeit von der Zeit durch das Material hindurchgeht und welchem Energieniveau es dabei ausgesetzt war. Dabei wird die Stoll-Kurve zusammen mit einem Graphen der Wärmefluss-Expositionszeit verwendet: Der Punkt, an dem der Wärmefluss die Stoll-Kurve kreuzt, wird als der Punkt identifiziert, an dem ein Mensch Schmerzen empfinden und dem Risiko für Verbrennungen zweiten Grades ausgesetzt wäre.

8 000 Grad Celsius

Bei Störlichtbögen im Hochspannungsbereich können Kerntemperaturen zwischen 8 000 und 10 000 °C auftreten und lebensgefährliche Verbrennungen verursachen.

Arbeiten mit Strom und Spannung

Wer in direktem Kontakt mit Hochspannungsleitungen und unter Strom stehenden Kabeln arbeitet, sollte auf PSA der Kategorie 3 setzen, um sich ausreichend gegen Gefahren wie Störlichtbögen zu schützen und so das Risiko für die eigene Gesundheit zu reduzieren. Für den Einsatz von mobilen Stromerzeugern sowie Baustromverteilern auf Bau- und Montagestellen gilt es, die geltenden Normen und Regeln einzuhalten.

Mobile Stromerzeuger normkonform nutzen

Auch wenn nicht direkt mit Strom und Spannung gearbeitet wird, gilt es, Vorsicht walten zu lassen und geltende Normen und Regeln zu beachten. Üblicherweise werden Bau- und Montagestellen aus dem öffentlichen Netz mit elektrischer Energie versorgt. Wo das nicht möglich ist, kommen mobile Stromerzeuger zum Einsatz: Diese werden zur Versorgung einzelner Geräte oder einer ganzen Baustelle genutzt. Wichtig ist, dass die Stromerzeuger und dazugehörigen Anlagen, unabhängig davon, wie sie betrieben werden, immer den sicherheitstechnischen Anforderungen genügen. Helfen kann hier die DGUV-Information 203-032 2018-01: Diese stellt die Anforderungen für die Auswahl und den Betrieb von Stromerzeugern auf Bau- und Montagestellen, die in verschiedenen Vorschriften, Regeln und Normen festgelegt sind, übersichtlich zusammen und gibt Erläuterungen für den Anwender.

Seit Mai 2021 dürfen darüber hinaus nur noch normkonforme Baustromverteiler gemäß DIN VDE 0100-704:2018-10 eingesetzt werden. Das heißt, die Verteiler müssen auf Baustellen mit einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung vom Typ »B« ausgerüstet sein, sodass auch bei glatten Gleichfehlerströmen sicher abgeschaltet wird, um die Sicherheit zu erhöhen. Die Norm gilt für alle elektrischen Anlagen, die während der Bau- oder Abbrucharbeiten genutzt werden und verlangt zudem, dass jeder festangeschlossene Baustromverteiler eine abschließbare Einrichtung zum Trennen der Einspeisung aufweisen muss.

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