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IM BLICKPUNKT » Mit Hammerglass steht ein hartbeschichtetes Polycarbonat zur Verfü- gung, das die Sicherheit für Baumaschinenfah- rer deutlich erhöht: Es ist fast unzerbrechlich, schützt vor UV-Strahlung und zerkratzt nicht.

300

Mal stärker

Das von Hammerglass entwickelte hartbeschichtete Polycarbonat ist rund 300 Mal stärker als gewöhnliches Glas.

»Der Fahrersicherheit mehr Priorität einräumen«

[ HAMMERGLASS ] Es ist nahezu unzerbrechlich, zerkratzt nicht, hält Feuer stand und bietet einen fast 100-prozentigen UV-Schutz – die Rede ist von hartbeschichtetem Polycarbonat (PC), einem Glas, das vom schwedischen Hersteller Hammerglass entwickelt wurde, um das Arbeiten in Baumaschinen noch sicherer zu machen. »Wir werden nicht aufhören, dafür zu kämpfen, dass die Baubranche der Fahrersicherheit mehr Priorität einräumt«, sagt Bengt Nilsson, CEO bei Hammerglass. Hauptziel sei es, »dass künftig jede Maschine mit unzerbrechlichen Scheiben an die Baustelle geliefert wird, damit jeder Fahrer nach getaner Arbeit auch sicher wieder nach Hause kommt.«

Raue Arbeitsbedingungen für Baumaschinen: Mit Hammerglass lässt sich die Sicherheit für Fahrer deutlich erhöhen.

Von Dan Windhorst

Seinen Anfang nahm das Spezialglas 1993 in der südschwedischen Kleinstadt Förslöv mit der Mission, die laufenden Kosten für den Ersatz von zerbrochenem Glas zu reduzieren. Die Lösung war hartbeschichtetes Polycarbonat (PC) und damit ein besonders robuster thermoplastischer Kunststoff, dessen Zusammensetzung eigens entwickelt und anschließend patentiert wurde. Er ist optisch klar und rund 300 Mal stärker als herkömmliches Glas. Die praktisch unzerbrechlichen Scheiben werden mit einer Schicht aus Siliziumoxid versehen, die vor Kratzern und Abnutzung schützen soll. Außerdem bietet das Material laut Hammerglass einen fast 100-prozentigen UV-Schutz, der Eintrübungen und Verfärbungen verhindert.

Aufklärungsarbeit in der Branche leisten

Was in der winzigen schwedischen Gemeinde begann, ist mit den Jahren zu einem weltweit wachsenden Unternehmen herangereift, das aus den drei Hauptgeschäftsbereichen Property, Infrastructure und Automotive besteht. Erklärtes Ziel ist es nun, Führungskräfte, Entscheidungsträger und Fahrer in der Baubranche darüber aufzuklären, warum sie hartbeschichtetes Polycarbonat statt gewöhnlichen Glases in Betracht ziehen sollten.

Laut Hammerglass habe man in der Bauwirtschaft jedoch häufig mit traditionellen Überzeugungen zu kämpfen, weshalb es Zeit brauche, um sich Gehör zu verschaffen. Aktuell ist der schwedische Hersteller darum bemüht, vor allem die Zertifizierungsstellen weiter aufzuklären. Zum Ziel setzt sich das Unternehmen, dass hartbeschichtetes PC künftig auf die gleiche Weise in den Regeln und Vorschriften der Branche zugelassen wird wie Glas. Als weiteres wichtiges Tool betrachtet CEO Bengt Nilsson die Verbreitung von Informationen über die sozialen Netzwerke: Für Wir werden nicht aufhören Aufsehen sorgten beispielsweise Videos, dafür zu kämpfen, dass die in denen Hammerglass seine Produkte Baubranche der Fahrersicherheit mehr Priorität auf unterschiedlichste Weise testet – mit einräumt. Explosionen, riesigen herabfallenden Gewichten oder auch Probanden, die auf die Bengt Nilsson, CEO bei Hammerglass AB Kabinengläser einhämmern.

Polycarbonat-Lösung flächendeckend nutzen

Aufgrund der anhaltenden Corona-Krise sind Hammerglass im vergangenen sowie diesem Jahr zahlreiche Diskussionsplattformen verwehrt geblieben. Allerdings nutzte das Unternehmen eigenen Angaben zufolge digitale Kanäle, wie etwa den

Hammerglass lässt sich in jede Baumaschine integrieren: Diverse Hersteller bieten die Schutzlösung bereits ab Werk an. Zudem lassen sich Fahrzeuge problemlos nachrüsten.

Keine halben Sachen: Hammerglass setzt auf brachiale Tests, um die extrem hohe Widerstandsfähigkeit der hartbeschichteten Polycarbonat-Scheiben unter Beweis zu stellen.

Unser Hauptziel ist, dass jede Maschine mit unzerbrechlichen Scheiben an die Baustelle geliefert wird, und das, weil es einfach kein schlüssiges Argument gibt, warum das nicht so sein sollte.

Bengt Nilsson, CEO bei Hammerglass AB CECE-Kongress 2020, welcher aus Stockholm ge- Fahrerschutz sendet und online mit einer Reihe von globalen Teil- zum Standard machen nehmern abgehalten wurde. Der Einsatz von Polycarbonat-Lösungen für mehr

Einer der wenigen, die ins Live-Studio eingela- Schutz in Baufahrzeugen lässt sich gut mit der Einden wurden, war CEO Bengt Nilsson, der sowohl als führung eines Sicherheitsgurtes im Auto oder der Sponsor der Veranstaltung als auch als Redner auftrat. strikten Vorgabe von Schutzhelmen auf der Baustelle Bengt nutzte die Gelegenheit, um das Thema Fahr- vergleichen: In den Anfängen zählten Helme nicht zur sicherheit in den Mittelpunkt zu rücken und darauf hin- Standard-Sicherheitsausrüstung – laut Hammerglass zuweisen, dass das Wissen über Polycarbonat in der wurden sie häufig als unnötig angesehen, da UnfälBauindustrie viel zu gering ist: »Jedes Jahr werden 1,9 le nur selten passieren. Heute ist das Betreten einer Mio. Baufahrzeuge produziert, keines davon ist serien- Baustelle ohne Schutzhelm undenkbar. Selbiges ermäßig mit PC ausgestattet. Die meisten von ihnen be- hofft sich Hammerglass nun auch für die Verwendung kommen gewöhnliches Glas ein- des Polycarbonat-Schutzes. gebaut. In der Forstindustrie sieht In diesem Zusammenhang das ganz anders aus, dort werden weist Bengt Nilsson aber auch Maschinen mit Polycarbonat-Lö- auf den rein finanziellen Sinn sungen hergestellt. Unser Hauptziel ist, dass jede Maschine mit 99,96 hin: »Wenn die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Fenster oder unzerbrechlichen Scheiben an die Prozent Sichtschutz kaputt geht, bereits Baustelle geliefert wird, und das, in einer vernünftigen Risikoanalyweil es einfach kein schlüssiges Die Oberflächenbehandlung se ersichtlich ist, sollte man von Argument gibt, warum das nicht so sein sollte«, so der CEO von bietet einen UV-Schutz von 99,96 Prozent. Anfang an ein Produkt einsetzen, das tatsächlich so lange hält wie Hammerglass. die Konstruktion selbst.«

Als CEO der Hammerglass AB möchte Bengt Nilsson seine Schutzlösungen zum Standard bei allen Baumaschinen machen.

Auch eine Frage der Nachhaltigkeit

Neben der Erhöhung der Schutzwirkung für den Fahrer spielen für Hammerglass aber auch Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit eine tragende Rolle: »Die anfänglich höheren Investitionen machen sich schnell bezahlt, das versuche ich jede Woche auf der Baustelle zu vermitteln und zu erklären«, sagt Florian Lauterbach, Director Business Area Automotive der Hammerglass GmbH, der im nachfolgenden Interview im Detail auf die Vorzüge des Materials eingeht. »Laminiertes Polycarbonat, und letztendlich Hammerglass, haben einen direkten Effekt auf die Sicherheit der Fahrer, aber auch langfristige wirtschaftliche Auswirkungen, die wir nicht länger ignorieren können –weniger Glasbruch bedeutet geringere Gesamtwartungskosten und ist gleichzeitig gut für die Umwelt.« DC

SERVICE

Was ist Hammerglass?

Hammerglass ist eine verschleißfeste und widerstandsfähige Polycarbonatscheibe (PC), die 300 Mal stabiler als herkömmliches Glas und fast unzerbrechlich ist. Die Hammerglass-Scheiben sind mit einer dünnen Schicht Kieseloxid beschichtet, die die Scheiben gegen Kratzer und Verschleiß schützt. Die Oberflächenbehandlung bietet zusätzlich einen UV-Schutz von 99,96 Prozent, was verhindert, dass die Hammerglass-Scheiben im Laufe der Zeit ausbleichen oder verfärben. Hammerglass AB ist zertifiziert nach ISO 9001:2015, ISO 14001:2015 und verwendet PPAP in allen Prozessen.

INTERVIEW

Hammerglass setzt verstärkt auf den deutschen Markt

[ HAMMERGLASS ] Das Thema Sicherheit nimmt in der Baumaschinenbranche einen immer höheren Stellenwert ein. Viele innovative Lösungen wurden in den vergangenen Jahren zu flächendeckenden Standards erklärt und von den Herstellern bereits ab Werk verbaut. Genau das möchte der schwedische Hersteller Hammerglass nun auch mit seinen hartbeschichteten Polycarbonatscheiben erreichen, die den Fahrer noch besser schützen und die Wartungs- sowie Ausfallkosten deutlich reduzieren sollen. Florian Lauterbach, Director Business Area Automotive, und Oliver Afsah, Area Sales Manager DACH der Hammerglass GmbH, sprechen mit bauSICHERHEIT-Chefredakteur Dan Windhorst über die Vorzüge des Materials und darüber, wie sich das Unternehmen am deutschen Markt derzeit entwickelt.

Florian Lauterbach, Director Business Area Automotive bei der Hammerglass GmbH

bauSICHERHEIT: Zum Stand der Dinge: Wie sieht es aktuell mit der eigenen Vertriebs- und Service-Organisation in Deutschland aus? Florian Lauterbach: Deutschland hat sich als wichtiger Markt für uns entwickelt: Was früher noch auf Zuruf abgewickelt wurde, gehen wir heute professionell an. Seit September 2019 haben wir ein Vertriebsbüro in Deutschland und damit direkte Ansprechpartner vor Ort. Oliver Afsah: Aufgrund von Corona gab es in den vergangenen Monaten weitaus weniger Kontakte, weshalb die Krise das Geschäft gedämpft hat. Vor drei bis vier Monaten ist dann aber der Groschen gefallen: Die vielen Anfragen aus der Branche und die steigenden Umsätze stellen klar, dass Hammerglass im deutschsprachigen Raum immer bekannter wird.

bauSICHERHEIT: Das erklärte Ziel ist es, Hammerglass zum Sicherheitsstandard für Baumaschinen zu machen: Wie weit ist man da hinsichtlich Vorgaben, Richtlinien und Zertifikate? Florian Lauterbach: Aus Schweden sind wir besonders hohe Schutz- und Zertifikationsanforderungen gewohnt und können daher auch die Bedingungen in Deutschland vollumfänglich erfülllen. Das erforderliche Sicherheitsniveau hängt immer von der Art der Arbeit ab – erkennbar an unseren Schutzklassen 1 bis 3: In der ersten Schutzklasse sprechen wir von Hammerglass-Frontscheiben mit 6 bis 8 mm Dicke, um das Risiko von zerbrochenem Glas zu vermeiden. Bei Arbeiten in schwieriger Umgebung mit Steinschlag- oder Explosionsrisiko werden wiederum dickere Scheiben mit RABS-Zulassung benötigt, die umfangreiche Tests bestehen müssen. Dazu zählen Tests für Abriebschutz, UV-Schutz, Dehnungsgrad nach der ECE-Richtlinie R43, aber auch die Prüfung der Durchbruchhemmung nach DIN EN 356, P8B, wobei die Scheibe 72 Schläge einer maschinell geführten Axt standhalten muss, ohne zu zerbersten. Noch höhere Anforderungen entstehen bei der Druckwellenprüfung durch Detonationen sowie der Prüfung der Durchbruchhemmung, bei der ein 1 kg schweres Projektil mit rund 450 km/h gegen die Scheibe geschossen wird, was den Aufprall eines großen Steins mit besonders hoher Geschwindigkeit gleichkommt. In einem Stahlrahmen erfüllt Hammerglass diese RABS-Anforderungen. Oliver Afsah: Ein ebenso wichtiger Punkt ist für Baumaschinenfahrer natürlich der FOPS-Schutz. Was viele nicht wissen: Durch Hammerglass ist die Verwendung eines verstärkenden Gitters unnötig – die Scheibe allein ist widerstandsfähig genug, was einen gewaltigen Vorteil gegenüber anderen Lösungen bringt.

bauSICHERHEIT: Nun ist der deutsche Markt traditionell hart umkämpft. Können Sie mir sagen, wie hoch die Anteile von OEM- und Nachrüstgeschäft bei Hammerglass derzeit sind? Florian Lauterbach: Aktuell liegt der OEM-Bereich bei fünf bis zehn Prozent und wird stark wachsen. Rund 70 Prozent macht derzeit der Distributionskanal zu Maschinenlieferanten aus. Dazu kommt der Vertrieb von Spezialprodukten, die direkt an den Endkunden gehen. Das beinhaltet Sonderanfertigungen, etwa für Minenarbeiten, Tunnelbau usw.

Vielseitig verwendbar: Das hartbeschichtete Polycarbonat lässt sich in jedes Baufahrzeug problemlos einsetzen – egal ob als Seiten- oder Frontscheibe. Oliver Afsah, Area Sales Manager DACH bei der Hammerglass GmbH

bauSICHERHEIT: Wie sieht es mit aktuellen Kooperationen aus? Florian Lauterbach: Starke Partnerschaften sind wir unter anderem mit Volvo und JCB eingegangen. Volvo legt historisch viel Wert auf Sicherheit, was sich in den Baumaschinen klar widerspiegelt. Ein wichtiger Schritt war es, dass Hammerglass bei Volvo Extended, der Ersatzteilbestellung für Volvo-Modelle, nun auch vertreten ist, was unsere Präsenz gerade in Nordamerika verstärkt. Was JCB betrifft: Dort werden die Site-Dumper bereits ab Werk mit Hammerglass ausgestattet. Auch bei Merlo im Materialhandling sowie bei Sandwik sind wir mit unseren Produkten vertreten.

bauSICHERHEIT: Eine Frage, die in Zeiten von Corona unumgänglich ist: Wie hat Hammerglass die Krise wirtschaftlich bisher erlebt und lässt sich eine Prognose für dieses Jahr abgeben? Florian Lauterbach: Insgesamt dürfen wir zufrieden sein: 2020 hat Hammerglass keine Einbrüche hinnehmen müssen – im Automotive-Bereich lag das Wachstum bei rund 5 Prozent. Erklärtes Ziel war allerdings eine Umsatzsteigerung von 20 bis 25 Prozent. Aktuell stellen wir fest, dass 2021 stark anzieht: Nach den ersten vier Monaten liegen wir im selben Zeitraum rund 25 Prozent über dem Niveau vom Vorjahr. Gerade mit Blick auf die gut laufende Bauwirtschaft setzen wir auf einen starken Herbst. Oliver Afsah: Aufgrund der Krise sind natürlich viele persönliche Kontakte ausgeblieben, was das Erschließen neuer Märkte und die Präsenz bei Veranstaltungen erschwert hat. Aktuell setzen wir deshalb verstärkt auf unsere digitalen Kanäle. Gerade wenn es um Reparaturen oder Tipps geht, können wir durch den OnlineSupport schnell reagieren.

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