Programmheft (Auszug) "FAUST I"

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Faust I von Johann Wolfgang von Goethe

mit Texten aus Elfriede Jelineks „FaustIn and out“


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Übernahme aus der Spielzeit 2017/18

FAUST I von Johann Wolfgang von Goethe mit Texten aus Elfriede Jelineks „FaustIn and out“


Übernahme aus der Spielzeit 2017/18

FAUST I von Johann Wolfgang von Goethe mit Texten aus Elfriede Jelineks „FaustIn and out“

Mit

Sandra Gerling Paul Grill Elmar Roloff Lea Ruckpaul Malakoff Kowalski

Regie Bühne Kostüme Licht Dramaturgie

Stephan Kimmig Katja Haß Sigi Colpe Wolfgang Göbbel Bernd Isele

Originalmusik Malakoff Kowalski featuring Fink, The Doors, PJ Harvey, Archive u. a. Regieassistenz Bühnenbildassistenz Kostümassistenz

Frida Bräumer, Wibke Schütt Vanessa Sgarra Friederike Wörner, Svea Schiemann

Soufflage Frank Laske Inspizienz Lars Erik Bohling Regiehospitanz Josephine Scholl Kostümhospitanz Natasha Potapova, Hannah Schneider

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Technische Direktion Schauspiel Guido Schneitz | Bühnenoberinspektor Manuel Willi | Technische Einrichtung Hans-Peter Erdmann | Leitung Beleuchtung Felix Dreyer | Be­ leuchtung Adrian Groß | Leitung Ton & Video Frank Bürger | Leitender Tontechniker

Philipp Reineboth | Ton Mathias Gräf, Sebastian Thein | Leitender Videotechniker Merten Lindorf | Video Yvonne Strotzner, Martin Stolper | Leitung Requisite Philipp Unger | Requisite Erol Papic | Leitung Maschinerie Mustafa Agacdograyan | Direktion Dekorationswerkstätten Bernhard Leykauf | Konstruktion Andreas Guhl | Tech­ nische Produktionsplanung Monika Höger | Leitung Malsaal Lisa Fuß | Leitung Bild­ hauerei Maik Glemser | Leitung Dekorationsabteilung Dirk Herle | Leitung Nähsaal Heidi Lange | Leitung Schreinerei Peter Reisser | Leitung Schlosserei Patrick Knopke | Masken­direktion Jörg Müller | Leitung Maske Nena Frei | Maske Hanna Maile, Andrea Wagner, Susanne Ziegler | Kostümdirektion Elke Wolter | Produktionsleitung Kostüme Petra Bongard | Gewandmeister*innen Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) | Leitung Färberei Martina Lutz, Milenko Mociljanin | Leitung Modisterei Eike Schnatmann | Leitung Rüstmeisterei Achim Bitzer | Leitung Schuhmacherei Verena Bähr, Alfred Budenz | Kunstgewerbe Nicola Baumann, Daniel Strobel | Statisterie Isabelle Grupp, Nadine Holländer Die Maskenabteilung der Staatstheater Stuttgart wird unterstützt durch Dr. Hauschka und MAC Cosmetics.

Schauspielhaus Aufführungsrechte Rowohlt Theater Verlag, Hamburg Aufführungsdauer 3:00 Stunden, eine Pause Premiere 7. Oktober 2017

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„ Nein, dem Tausch entkommt man nicht, so oder so, man entkommt ihm nirgends. Es wird alles gegen alles und jeder gegen jeden getauscht, und man erwartet sich stets einen Gewinn davon. Um den Keller auszubauen und in eine schöne Wohnung zu verwandeln, die natürlich mehr wert sein wird als die bloße, nasse, stinkende schwere Erde, die vorher dort war, bevor sie Aushub wurde, brauchen wir einen Kredit, Vater, gelt? ... Das ist die Wahrheit. Mehr gibts gar nicht. Wir beten, und wir bekommen Gott dafür, das ist unser Zins. Gott ist der Zins, den wir durch Beten erhalten. Das ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel, welches aber natür­ lich auch unten sein kann, unterm Rasen, als Keller, für die einen Himmel, für die andern Hölle, in der die Teufel herumrasen. “ Elfriede Jelinek – „Abraumhalde“


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GESICHTER DES TEUFELS Im Jahr 1818 veröffentlicht der französische Dämonologe Jacques Collin de Plancy einen veritablen Bestseller. Sein Dictionnaire Infernal erlebt schon im 19. Jahrhundert dutzende Neuauflagen und gilt in Okkultisten-Kreisen bis heute als Klassiker. In der Einleitung zu diesem Höllenlexikon stellt Plancy sich die Frage, ob der Mensch gut oder böse sei – und seine begreifliche Antwort lautet: wie jeder Mensch seinen Engel besitze, habe auch jeder seinen Teufel. Was die Zahl der real existierenden Agenten der Hölle angeht, zitiert Plancy einschlägige Quellen, die von 6666 Legionen berichten, die wiederum aus jeweils 6666 schwarzen Engeln bestünden. Von etlichen dieser 45 Millionen Unterweltsbewohner weiß Plancy skurrile Details zu berichten, von sechzig lässt er exakte Abbildungen anfertigen, „d’après les documents formels“. Von Beelzebub, dem obersten Herrn der Hölle, von Satan, dem entthronten Prinzen, von Moloch, dem Herrscher des Tränenlands oder von Baal, dem Kommandanten der höllischen Heere. Es sind die gesammelten Gesichter des Bösen. Die Hölle, das sind bei Plancy die anderen – sind geflügelte, gehörnte oder hundsköpfige Gestalten, denen Gott von Zeit zu Zeit erlaube, die Menschen auf die Probe zu stellen. Schwarz oder weiß Am Beginn des Faust steht eine kosmische Wette. Gott und der Teufel sind uneins darüber, wie der Mensch in seinem Innersten beschaffen sei. „Der kleine Gott der Welt“, so die These von Mephisto, sei in seinem Wesen „tierischer als jedes Tier“, die Welt sei insgesamt „herzlich schlecht“.

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Der Teufel spricht aus Erfahrung, erntet aber Widerspruch. Ganz im Gegenteil und trotz zeitweiliger Verwirrungen sei der Mensch in seinem Kern gerecht und gut, so die These des Schöpfers und Herrn. Alles, was nun folgt, dient der Beweisführung in diesem Wettstreit zwischen Himmel und Hölle. Ist der Mensch im Grunde seiner Seele gut oder böse? Schwarz oder weiß? Das Stück beschreibt ein von Gott und Teufel gemeinsam ersonnenes Menschenexperiment, in dessen Mittelpunkt die Figur des Faust steht. Himmel und Hölle Mindestens an eine weitere (mindestens ebenso berühmte) Teufelswette dürfte Goethe gedacht haben, als er seinen Prolog im Himmel schrieb. Im Alten Testament ist es Hiob, der gerechte Diener des Herrn, dessen gesamte Existenz zum Wetteinsatz wird. Um Hiob auf die Probe zu stellen, nehmen Gott und der Teufel ihm seine zehn Kinder, seine Gesundheit und seinen gesamten Besitz. Dass bei alledem kein Fluch über Hiobs Lippen kommt, entscheidet die Wette. Der Herr gewinnt und Hiob wird zum Helden. Um einiges weniger geordnet liegen die Karten in Goethes Faust. Bereits in „der Tragödie erster Teil“ führt Fausts Weg über vier Leichen: Gretchens Mutter, Gretchens Bruder, das gemeinsame Kind und Gretchen bleiben auf der Strecke, noch bevor Faust im zweiten Teil der Tragödie mit seinem globalen Zerstörungswerk beginnt: „Weh! weh! / Du hast sie zerstört / Die schöne Welt, / Mit mächtiger Faust; / Sie stürzt, sie zerfällt! / Ein Halbgott hat sie zerschlagen! / Wir tragen / Die Trümmern ins Nichts hinüber, / Und klagen.“ Dass dieser Faust am Ende nicht zur Hölle fährt, sondern wie Hiob erlöst wird, ärgert schon zu Goethes Lebzeiten auch die wohlwollendsten Theologen. Geduld und Bewegung Goethe beginnt seine Arbeit am Faust als junger Mann, arbeitet ein Leben lang daran und vollendet das Werk nach eigenem Ermessen nie. Zeitlebends steht dem jungen wie dem alten Goethe „nichts als der Berg Faustus vor der Nase“. Das Stück ist Jugendstreich und Alterswerk zugleich. In insgesamt vier Anläufen hinterlässt Goethe ein „Stück in Stücken“: ein Steinbruch für kommende Generationen. Die

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französische Revolution, die galoppierende Industrialisierung, die Juli-Revolution des Jahres 1830 … Goethe katapultiert die Geschichte des mittelalterlichen Alchemisten, die er seit Kindertagen aus einem Puppenspiel kennt, mit jedem Epochenbruch weiter in die Moderne. Faust verlässt das mittelalterliche Studierzimmer, das ihm zum engen Kerker geworden ist, und wird zum Protagonisten der Bewegung und der Geschwindigkeit. Alles, was den biblischen Hiob zum Helden macht, ist Faust ein Klotz am Bein: „Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben, / Und Fluch vor allem der Geduld!“. Faust schwört sich ein auf Beschleunigung, das radikal Neue, auf den Dauer-Exzess, auf all das, was für Goethe selbst beängstigende Visionen waren: „alles ist jetzt ultra … Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe“, schreibt Goethe 1825 an Zelter; er fühlt sich als Letzter „einer Epoche, die sobald nicht wiederkehrt“. Dagegen Faust: „Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehen!“ Das Hier und Jetzt ist wertlos und öde. Nur was nicht da ist, verspricht Leben und Erregung. Stillstand ist der Tod. Der faustische Mensch fühlt sich nur in ständiger Überschreitung lebendig: sein Teufelspakt besteht in Wachstum, Konsum und Verzehr. Drinnen und Draußen Gretchen bleibt im Kerker: in der engen Stube, in der Todeszelle, im Grab. Die Sonne, die am Beginn des Faust II so prächtig aufgeht wie am ersten Tag, scheint nicht für sie. Faust hat sie vergessen, Goethe scheinbar auch. Vier Akte lang bleibt sie stumm. Gegen dieses Schweigen setzt Elfriede Jelinek ihr Stück Faust­In and Out, ein „Sekundärdrama“, das „kläffend neben dem Klassiker herlaufen“ solle, so der Ratschlag der Autorin. Auf (original) 70 Textseiten variiert der Text bellend, beißend und quälend die Taten des Josef Fritzl, der für seine Tochter Elisabeth und die gemeinsamen Kinder 24 Jahre lang jener männliche Gott war, dem Goethes Faust mehr und mehr zu gleichen wünscht. Aus dem Kellerverlies im österreichischen Amstetten spricht eine junge Frau, die dem faustischen Mann in seiner Gier nach Allmacht ebenso radikal zum Opfer fällt wie Gretchen. Sie

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spricht über ihren „Allumfasser und Allerhalter“, über ihr Kerkerverlies, über Einsamkeit, über die Gretchenfragen des Heute und über die Kraft des Denkens inmitten der Apokalypse. So wird aus dem Gretchen von damals eine heutige und (trotz allem) starke Frau. Woher kommt das Böse? Von Gott? Vom Teufel? „Wir sind halt die, die wir sind“, heißt es bei Jelinek einmal, unser Himmel, unsere Hölle. Bernd Isele

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Das komplette Programmheft zu „Faust I“ können Sie beim Besucher­­service zum Preis von 2,50 € erwerben.


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