1. Ausgabe

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Ein Jahr AStA Eine Bilanz

Eislabor

Was die Stadt zu bieten hat

Du bist, was du isst Die Mensen im Vergleich

Fernweh

Ein Besuch in London

Wahlzirkus Bremer Landtagswahl

Gremienwahl der Universit채t


Inhalt

Kurzmeldungen

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Bremen

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Fünf Kreuze - aber für wen?

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Hochschulpolitik

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Der Wahl-O-Mat zur Bürgerschaftswahl

Ahnungslos im Gremiendschungel

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Neues Wahlrecht soll Wählern

Wer die Wahl hat

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mehr Einfluss geben

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Drei Kreuze für deine Uni

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Krawall leicht gemacht

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Ein Jahr neuer ASta

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Eis mit Gefühl

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Bremen für Studenten: Walle

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Konzerte für lau, wo gibt‘s denn sowas?

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Überhört

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Campusleben

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Du bist, was du isst

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Herz aus Glas

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Feuilleton

Twitter Gewitter

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Bin ich inspiriert, geht alles

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Zwischen Wickeltisch und Vorlesung

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Besuch im Brauhauskeller

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Universum der Bücher

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Ein Fest der Farben

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Biutiful

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Warum der Mensch spricht

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Anständig essen. Ein Selbstversuch

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Adele 21

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Clueso - An und für sich

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Blog-Up Your Life!

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Und wenn sie nicht gestorben sind...

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Fernweh

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Die Qual der Wahl

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Impressum 2

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Editorial

Liebe KommilitonInnen, liebe LeserInnen! 19.000 Studenten an einer Uni der Freien Hansestadt. 19.000 Individuen mit diversen Interessen, verschiedenem Charakter und unterschiedlicher Einstellung. 19.000 mal Kreativität und Wissbegierde – das ist zumindest das, was von Studenten erwartet wird. Und täglich tauchen tausende Fragen auf, die die Studierenden betreffen.

Die Wahlen sind das zentrale Thema der ersten Ausgabe des Scheinwerfers. Nicht nur mit der Entscheidung über die Zusammensetzung des Bremer Landtages am 22. Mai, sondern auch mit den Wahlen des Studierendenrates in der darauf folgenden Woche haben wir zwei besondere und wichtige Mitbestimmungsmöglichkeiten.

Um diesen Fragen und vor allem den Antworten mehr Beachtung zu schenken, haben sich im Dezember auf Initiative des Studierendenrates knapp hundert Studenten zusammengefunden und den „Scheinwerfer“ gegründet. Doch was ist der „Scheinwerfer“ überhaupt? Als unabhängiges Campusmagazin der Uni Bremen informieren wir euch über relevante Themen und beleuchten diese kritisch ohne die Beeinflussung Dritter und ohne von einer konkreten politischen Einstellung gefärbt zu sein. Und unsere Unabhängigkeit steht nicht nur auf dem Papier, sie wird auch durch Entscheidungen, die sich gegen die Vorlieben des Studierendenrates stellen und eine gänzlich unbeeinflusste Themenauswahl gelebt.

Damit ihr euch eine differenzierte Meinung bilden könnt, ist der mit den verschiedenen Verantwortlichen, beispielsweise Vertretern der für den SR kandidierenden Listen und dem Bremer Bürgermeister, in Kontakt getreten und hat kritisch nachgefragt. Die daraus resultierende, ausführliche Übersicht in dieser Ausgabe soll euch bei der Wahlentscheidung helfen. Wir hoffen, dass der Scheinwerfer euch während der zahlreichen Stunden in der Mensa, beim Sonnenbaden oder der „spannenden“ Vorlesungen in der Keksdose eine Abwechslung im routinierten Unialltag sein wird. Wir freuen uns, wenn ihr durch eure Kritik oder eure aktive Mitarbeit die nächste Ausgabe, die übrigens Anfang Juli erscheinen wird, mitgestaltet. Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

Anne Glodschei und Lukas Niggel

Ihr erreicht uns bei Fragen, Anregungen oder Kritik entweder persönlich auf dem Campus oder unter scheinwerfer@uni-bremen.de. 3


Kurzmeldungen

Preis hervorragende Lehre: AS gibt Preisträger bekannt

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ie Gewinner des jährlich verliehenen Preises für hervorragende Lehre stehen fest: Dr. Karsten Hölscher (FB 3 Mathematik/Informatik) wird für das Modul „Praktische Informatik I“ geehrt. Der Preis für „Das beste Lehrprojekt“ geht an Prof. Dr. Cordula Nolte (FB 8 – Sozialwissenschaften). Sie konnte die Auswahlkommission mit dem Projekt „Von der Idee zur Ausstellung – Geschichte in der Praxis“ überzeugen. Eine besondere Auszeichnung kommt Dr. Anja Lepach (FB 11 Human- und Gesundheitswissenschaften) zuteil – sie erhält den „Studierendenpreis“. In dieser Kategorie hatten alle Studenten die Möglichkeit über Stud.IP Vorschläge einzureichen. Am Ende lag Lepach mit der Lehrveranstaltung „Grundlagen der biologischen Psychologie“ vorne. Mit der Vorstellung ihres Konzeptes

konnte sie dann auch die Auswahlkommission für sich gewinnen, die nach eigenen Angaben dem Votum der Studierenden gerne gefolgt ist. Der Akademische Senat (AS) schloss sich in der April-Sitzung wiederum den Vorschlägen der eigens dafür eingesetzten Auswahlkommission an. Diese besteht aus drei Hochschullehrern, zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern, einem sonstigen Mitarbeiter und drei Studierenden. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen der Veranstaltung „Tag der Lehre“ am 25. Mai 2011 von 16-18 Uhr im Hörsaal HS 2010. Das Preisgeld in Höhe von 6000 Euro wird von dem Verein „unifreunde“ gestiftet.

Stipendienordnung: Studentische Vertreter erringen Teilerfolg

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n einer Arbeitsgruppe zur Überarbeitung der Stipendienordnung konnten die AS-Mitglieder von AStA für Alle (AfA) und Campus Grün (CG) einige ihrer zentralen Forderungen durchsetzen. So begrenzt der neue Entwurf die Vormachtstellung des Rektors und sieht außerdem eine Stimmenparität zwischen Studenten und Hochschullehrern im Stipendienrat vor. Die geänderte Version der Stipendienordnung steht in der nächsten Sitzung des Akademischen Senats (AS) am 18. Mai erneut zur Debatte. Nach einer turbulenten Schlussphase der AS-Sitzung im April war in letzter Sekunde eine Arbeitsgruppe einberufen worden. Für den Rektor der Uni, Prof. Dr. Wilfried Müller, schien die Verabschiedung der Satzung nur noch Formsache gewesen zu sein. Es bestand jedoch ganz offensichtlich noch Klärungsbedarf, vor allem auf studentischer Seite, aber auch ein Dekan zeigte sich nicht ganz zufrieden mit der zur Abstimmung stehenden Version. Aufgrund von mehrfachen Änderungen der Tagesordnung war das Thema an letzte Stelle gerückt, sodass der allgemeine Zeitverzug eine ausführliche Debatte unmöglich machte. Daraufhin drohte der Rektor mit einer Eilentscheidung, sollte der AS nicht zustimmen. Diese Äußerung sorgte wiederum für Unmut bei einem Professor, der sich stattdessen für die zeitnahe Einberufung einer Arbeitsgruppe aussprach und mit diesem Vorschlag Erfolg hatte. Rektor Müller entschuldigte sich eine Woche nach der Sitzung bei den studentischen Gremiumsmitgliedern für sein Vorgehen.

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Eine Woche später diskutierten zwei Professoren, drei Studenten (AfA und CG), ein wissenschaftlicher Mitarbeiter und die Leiterin des Dezernats „Studentische Angelegenheiten“ knapp vier Stunden lang über die umstrittenen Aspekte der Stipendienordnung. Die wichtigsten Änderungen im Einzelnen: Der Rektor behält zwar den Vorsitz des Stipendienrats, verliert aber sein Stimmrecht. Stimmberechtigte Mitglieder des Gremiums sind je drei Hochschullehrer und drei Studierende. Damit ist das Gremium ohne studentische Vertretung nicht beschlussfähig. Die ursprüngliche Satzung sah einen Stipendienrat bestehend aus zwei Studierenden, drei Hochschullehrern und dem Rektor vor. Außerdem weicht das tabellarische Punkteraster zur Bewertung der potenziellen Stipendiaten einem standardisierten Bewerbungsbogen, der die Bereiche „Leistung“, „ehrenamtliches Engagement“ und „Benachteiligungen/ Lebensumstände“ berücksichtigt. Die Listen AfA und Campus Grün lehnen die sogenannten Deutschlandstipendien grundsätzlich ab. Im Akademischen Senat wurden sie allerdings überstimmt. Das Gremium beschloss im Dezember, dass sich die Universität Bremen am Stipendienprogramm beteiligen werde. Ein Vertreter vom Ring ChristlichDemokratischer Studenten sprach sich im AS für das Stipendienprogramm aus. Er forderte außerdem, den Stipendienrat mit weniger Studenten zu besetzen und stattdessen Vertreter der Wirtschaft miteinzubeziehen.


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Kurzmeldungen

SR vor Einführung einer Finanzordnung

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ei der vergangenen Sitzung des Studierendenrats hat der Finanzreferent des AStAs, Jan Cloppenburg, eine neue Finanzordnung eingebracht, die nach drei Lesungen mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden sollte. Dieser Passus wurde allerdings bereits bei Gesprächen einer Arbeitsgruppe wegen fehlender Aussicht auf Erfolg gestrichen. „Dann ist sie allerdings auch mit einer einfachen Mehrheit wieder abzuschaffen“, erklärte Sebastian Vogt, Präsident des SR. Kernpunkte der Finanzordnung sind eine geregelte Haushaltsführung durch den AStA und damit verbunden zahlreiche Einfluss- und Mitsprachemöglichkeiten für den Studierendenrat, der bisher nach der Abstimmung über den Haushalt gut aus den Finanzdiskussion herausgehalten werden konnte. Eine Diskussion bei der ersten Lesung blieb aus. Die Linken Listen zeigten sich aber bereits skeptisch zu dem zwölfseitigen Werk. Die endgültige Entscheidung war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Rektor Müller verteidigt Stiftungsprofessur

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n der April-Sitzung des Akademischen Senats (AS) zeigte sich der Rektor der Universität Bremen, Prof. Dr. Wilfried Müller, verärgert über die öffentliche Debatte zu einer Stiftungsprofessur im Bereich „Raumfahrttechnologie“. Um die AS-Mitglieder von dem Vorhaben zu überzeugen, hatte er zwei Vertreter der beteiligten Institutionen eingeladen. Prof. Dr. Hansjörg Dittus vom Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR) und Prof. Dr. Claus Lämmerzahl vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) stellten in einer Präsentation die laut Rektorat „rein grundlagenorientierten zivilen“ Forschungsbereiche der Stiftungsprofessur vor.

Bremer Wissenschaftler und Hochschullehrer hatten sich zuvor in einer Erklärung gegen Stiftungsprofessuren im Allgemeinen ausgesprochen. Diese würden die Freiheit der Forschung und Lehre aufs Spiel setzen. In dem aktuellen Fall sei besonders die Verbindung des Raumfahrtkonzerns OHB Technology zur Rüstungsproduktion problematisch. Das widerspreche dem Geist der Gründung der Universität sowie dem Auftrag der Friedensforschung. Der AStA der Universität Bremen ist unter den sonstigen Unterstützern der Erklärung aufgeführt. in durchaus positives Jahr 2010 vermeldete das Studentenwerk Bremen. „Das Studentenwerk hat im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn Im November letzten Jahres hatte die Universität von 184.000 € erwirtschaftet“, berichtete Andreas Butsch, studentisches bekanntgegeben, dass das Unternehmer-Ehepaar Mitglied des Verwaltungsrates des Studentenwerks. Der Gewinn soll in die allFuchs (OHB) zusammen mit dem DLR und dem gemeinen Rücklagen wandern, mit denen der Bau eines neuen Studentenwohn„Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft“ für heims realisiert werden könnte. Ein weiteres Thema im Verwaltungsrat war die eine Dauer von zehn Jahren eine Professur im BeEinführung des veganen Essens in der Uni-Mensa, die nach Angaben der Menreich „Raumfahrttechnologie“ fördern wird. Diese saleitung zu einem Kundenrückgang geführt haben soll. Genaue Zahlen sind soll beim ZARM im Fachbereich Produktionstechhier noch nicht bekannt. nik angesiedelt werden und entsteht in Kooperation mit dem DLR.

Studentenwerk erzielt Gewinne – Veganes Essen lockt keine Kunden

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Der Boulevard wird umgebaut

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er 30 Jahre alte Boulevard, der sich vom Sportturm über die Keksdose bis zum ZWG (Zentrum für Weiterbildung) und EZ (Energiezentrum) erstreckt, wird von November 2011 bis März 2012 renoviert. Diese längst überfällige Erneuerung wird durchgeführt, da sich die Metallschienen im Boulevard schon seit Jahren verbiegen und so Wasser in das Fundament eintritt. In diesem Zuge wird auch die Überdachung erneuert werden. Der Boulevard ist übrigens ca. 21 500m² groß, was der Fläche

von drei Fußballfeldern entspricht. Im November beginnen die Renovierungsarbeiten an dem Abschnitt an der Keksdose und werden dann in östlicher Richtung fortgesetzt. Für Studenten und Mitarbeiter der Uni werden während den Umbauarbeiten die Wege etwas länger, jedoch werden die „Umleitungen“ ausgeschildert und auch die Barrierefreiheit weiterhin gewährleistet sein. Näheres zum Umbau des Boulevard erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe des Scheinwerfers. 5


Hochschulpolitik

Ahnungslos im Gremiendschungel Die Gremien an der Uni Bremen, die die Hochschulpolitik bestimmen, bilden auch für Redakteure des Scheinwerfers ein kompliziertes Konstrukt. Grund genug, einen Selbstversuch zu starten, in dem unsere Redakteurin ihre Belastung in Sachen Gremienbesuche austestet.

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ochschulpolitik – nicht gerade das Thema, mit dem man beim Smalltalk auf einer Party punkten kann. Zu Unrecht? „Als ob meine Stimme da etwas bewirken würde.“ „Wie? Wir können wählen?“ „Für so etwas habe ich nun wirklich keine Zeit.“ „In einem Jahr bin ich doch sowieso weg. Warum sollte ich hier für Veränderungen kämpfen?“ „Das überlass´ mal den Politikstudenten.“ Resignation, Gleichgültigkeit und vor allem Desinteresse – diese Vokabeln beherrschen die Stimmung, wenn es um Hochschulpolitik geht. Die Mehrheit der Studenten lässt sich vermutlich in eine dieser drei Kategorien einordnen. Der Inbegriff der Sinnlosigkeit von Hochschulpolitik ist für viele die jährliche Zettelschlacht, auch bekannt als Gremienwahlen. Man wird mit Flyern zugeschüttet, so dass sich manch einer schon gefragt haben dürfte, wie viele Quadratmeter Regenwald bereits dem Bremer Hochschulwahlkampf zum Opfer gefallen sind. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Wort „Hochschulpolitik“? Gibt es tatsächlich eine politische Kultur auf dem Campus oder grassiert auch hier die allgemeine Politikverdrossenheit? Was gibt es für Institutionen? Wer sind die Vertreter der Bremer Hochschulpolitik? Wo und wie erfährt man, was hier politisch passiert? Wieso bekommt man nichts mit? Über was wird überhaupt entschieden? Hochschulpolitik - ein Wort, das uns sagt: hier wird über unser direktes Umfeld entschieden, unsere Studienbedingungen, unser Geld, über ganze Studiengänge und Prüfungsordnungen. Das Gewissen sagt: „Das sollte uns eigentlich interessieren.“ Der Bauch sagt: „Schwere Kost, lass´ mal lieber.“ Die Mehrheit des akademischen Nachwuchses scheint auf ihren Bauch zu hören. Die Zahlen zur Wahlbeteiligung im letzten Jahr sprechen eine deutliche Sprache: Satte 7,54 Prozent der Studierenden gaben ihre Stimme ab – da könnte man die Legitimation der gewählten Gremien hinterfragen. Nun soll ein Campusmagazin dem entgegenwirken – eine unabhängige Hochschulöffentlichkeit, die unter anderem neutral über die politischen Vorgänge an der Universität Bremen informiert. Mein Gewissen meldet sich: Nach drei Semestern Studium könntest du langsam mal anfangen, dich über deine Rechte und Möglichkeiten zur Mitbestimmung auf dem Campus zu informieren. Auch du warst bislang eher ein Teil der uninformierten Masse. Also ab ins kalte Wasser – das Ressort „Hochschulpolitik“ beim neuen Campusmagazin „Scheinwerfer“ ist da genau das Richtige. Bevor ich aber anfange, anderen etwas zu erklären, muss ich mich erstmal selbst schlaumachen. Ich hoffe, mein gu-

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ter Freund „Internet“ kann mir helfen. Die erste Lektion meines selbst entworfenen Crash-Kurses „Hochschulpolitik für Dummies“ lautet Institutionen-Kunde. Ich beginne im world wide web und in den Tiefen der Uni-Homepage zu stöbern und stoße auf unglaublich wichtig klingende Namen wie Akademischer Senat, Studierendenrat, Fachbereichsrat – was es alles gibt?! Die zweite Crash-Kurs-Lektion: aktuelle Themen in den Gremien. Ich merke schnell, dass die richtig aufwendige und mühsame Recherche-Arbeit erst jetzt losgeht. Und dann sitze ich da, Stunden über Stunden, durchforste das Internet, lade Tagesordnungen herunter, wälze Protokolle und Drucksachen in astreinem Bürokraten-Deutsch, versuche Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen, notiere Sitzungstermine und trage mich in diverse Mail-Verteiler ein. Davon mal abgesehen, dass ich nebenbei auch noch studiere. Mir wird klar, warum sich kaum einer mit diesen Themen beschäftigt und wenn, wohl nur mit Ausschnitten davon. Da entsteht eine Datenflut, die alleine kaum zu be-

Resignation, Gleichgültigkeit und vor allem Desinteresse - diese Vokabeln beherrschen die Stimmung, wenn es um Hochschulpolitik geht. wältigen ist. Und ich muss zugeben, der Spaßfaktor hält sich bislang in Grenzen. Umso gespannter bin ich auf die ersten Termine: Hochschulpolitik live und in Farbe! Das entschädigt hoffentlich für die mühsame PC-Recherche. Als Erstes steht die Sitzung des studentischen Parlaments auf dem Programm. Ein wenig nervös mache ich mich auf den Weg ins SFG. In einem einfachen Seminarraum tagt das Gremium mit dem klangvollen Namen Studierendenrat (SR). Überpünktlich betrete ich den Raum und werde sogleich kritisch beäugt. War die schon mal hier? Ist die sicher, dass sie hier richtig ist? Hat sie sich im Raum geirrt? Fragen über Fragen in den Blicken der bereits Anwesenden. Nachdem der erste Schock vorüber ist, wendet man sich wieder den abgebrochenen Gesprächen zu. Ich versuche, ein wenig zu lauschen, um festzustellen, ob ich gerade Zeuge gelebter Hochschulpolitik werde. Und tatsächlich, wie die ganz Großen tauscht man sich über Sitzungsergebnisse aus, klopft gegensätzliche Positionen ab und der neueste Tratsch darf natürlich auch nicht fehlen. Die Herr- und Damenschaften stehen dem Bundestag wirklich in


Hochschulpolitik

nichts nach. Allein die Zeugen in Form von Kamerateams und Fotografen sind nicht zur Stelle und in Krawatte und Anzug taucht hier auch keiner auf, da macht sich dann doch eher studentisches Flair breit. Eben noch auf der Gästeliste verewigt (das war es dann mit dem Inkognito-Besuch), geht wie aus dem Nichts die Sitzung los. Das hatte ich anders erwartet. Ich hatte mir vorgestellt, dass der SR-Präsident alle begrüßt und die Beschlussfähigkeit des Gremiums feststellt, indem er beispielsweise die einzelnen Listen nennt und die wiederum bei Anwesenheit per Handzeichen antworten. Nach einer schon fast vollendeten Legislaturperiode ist das aber wahrscheinlich nicht mehr notwendig – man kennt sich. Auch die übrigen Gäste scheinen alte Bekannte zu sein. Gut, dass ich vorbereitet bin. Ich hatte die Zusammensetzung des SR überflogen, und da die einzelnen Fraktionen tiefe Gräben in Form von nicht besetzten Stühlen zwischen sich frei gelassen haben, kann sich auch der Parlamentsneuling nach ein paar Redebeiträgen die Listenzugehörigkeiten erschließen. Auf die erste Ernüchterung folgt allerdings schnell die nächste: Manche Redebeiträge können schon rein akustisch gar nicht zu mir durchdringen. Grund dafür ist, dass ein Teil des Gremiums mit dem Rücken zum Publikum sitzt und die Beiträge infolgedessen bis auf ein paar lautstarke Ausnahmen nur einen undurchsichtigen, genuschelten Klangbrei ergeben. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich auch daran. Dann steht ja der Konzentration auf die Inhalte nichts mehr im Wege: Zu Beginn hat der Laie den Eindruck, dass das Gremium sich unverhältnismäßig lange mit Kleinigkeiten beschäftigt. Erst im Laufe der Sitzung wird es konkreter. Vor allem der Bericht vom studentischen Vertreter im Verwaltungsrat des Studentenwerks ist äußerst interessant. Da tauchen dann auf einmal so lebensnahe Themen wie die Preiserhöhung des Semestertickets, das vegane Essensangebot in der Mensa oder die geplante Einführung von Kulturtickets für Studenten auf. Und die Debatte über den Haushalt mag zwar etwas dröge erscheinen, aber das Volumen ist nicht unerheblich. Davon mal abgesehen, dass es um nicht weniger als die Verwendung von unserem Geld geht: Hier wird über den Teil des Semesterbeitrages entschieden, der an den AStA fließt. Der Besuch einer SR-Sitzung kann sich also durchaus lohnen, man muss es ja nicht gleich zum monatlichen Hobby erklären. Außerdem sind Zeitpunkt und Dauer der Sitzung

noch recht human - montags 18 bis etwa 20 Uhr ist zu schaffen. Doch dass es auch anders geht, erfahre ich zwei Tage später. Der nächste Termin steht in meinem Kalender: Auch der Akademische Senat (AS) soll gehört werden. Der Zeitpunkt spielt schon in einer anderen Liga – mittwochs 8:30 Uhr. Der richtige Schock kommt aber erst noch, ich rechne mit rund zwei Stunden Sitzung, ähnlich wie beim SR. Falsch gedacht: 13 Uhr steht als prognostiziertes Ende der Sitzung auf der Tagesordnung! Da muss ich erstmal schlucken. Doch mein Gewissen erinnert mich an meinen Selbstversuch, also Augen zu und durch!

Ich betrete noch etwas schläfrig, aber wieder mal überpünktlich den Raum 3009 im GW 2 und staune erstmal. Hier geht das ganze Prozedere schon professioneller vonstatten. An allen Tischen sind Mikrofone aufgestellt, der Beamer läuft schon auf Hochtouren, Getränke stehen bereit, Kopien der Tagesordnung und der diversen Anträge werden ausgelegt und auch einen Fotografen habe ich schon gesichtet. Nach und nach trudeln die wichtigen Leute in Jackett und Krawatte, mit der Aktentasche unter dem Arm ein. Ich beobachte das Treiben: Man begrüßt sich, klopft sich auf die Schulter – Smalltalk und Networking wie aus dem Lehrbuch. Andere studieren die Tagesordnung oder hauen schwer beschäftigt bis kurz vor Sitzungsbeginn in ihre Laptop-Tasten. Etwas verspätet eröffnet der Vorsitzende dann die Sitzung. Zu Beginn muss man viel Kleinkram über sich ergehen lassen: Die Tagesordnung muss genehmigt werden, 7


Hochschulpolitik

die Protokolle der vorherigen Sitzungen ebenfalls. Es folgen Berichte von allerhand wichtigen Leuten und die eine oder andere Debatte. In der Pause ist Zeit für ein erstes Fazit: Ich muss feststellen, dass man als studentischer Vertreter hier einen sehr schweren Stand hat. Man wird belächelt, das Wort wird abgeschnitten, die Meldung wird rein zufällig übersehen oder es wird taktisch geschickt die Rednerliste geschlossen. Überhaupt ist das Geschehen von Strategie und Taktik geprägt. Kunstvoll würfelt der Vorsitzende die Tagesordnung durcheinander, immer gut begründet durch den Zeitverzug. Ich denke mir zunächst nichts Böses dabei – im Gegenteil: Man könnte fast anerkennend erwähnen, wie flexibel er mit der neuen Situation umgeht; aber irgendwann erscheint

mir das Ganze doch äußerst berechnend eingefädelt. Gegen Ende der Sitzung wird es dann noch richtig hitzig: Ein Blick auf die Tagesordnung zeigt, es gibt ein für die Studenten besonders interessantes Thema – die Verabschiedung der Satzung zum Nationalen Stipendienprogramm. Laut Plan sollte der Punkt ungefähr in der Mitte der Sitzung besprochen werden, mittlerweile hat der Vorsitzende aber so lange taktiert, bis das Thema an die letzte Stelle der Tagesordnung gerückt ist. Angesichts der offensichtlich bestehenden Kontroverse und der voran geschrittenen Zeit droht er auf einmal damit, die Satzung per Eilentscheidung durch zuwinken, sollte der Senat sich nicht zu einer Zustimmung durchringen können. So macht man das also: Wenn das Gremium nicht zustimmt, dann entscheidet der Vorsitzende eben alleine. Ich lerne hier wirklich etwas fürs Leben. Nur dem energischen Einschreiten eines Professors ist es 8

zu verdanken, dass nun doch vorher noch eine Arbeitsgruppe zusammenkommt und den Entwurf überarbeiten darf. Den Sitzungsraum verlasse ich mit gemischten Gefühlen. Ein wenig Resignation macht sich breit: Mit drei studentischen Vertretern in einem 22 Sitze umfassenden Gremium (eigentlich vier: das Linke-Listen-Bündnis hat Anspruch auf einen Sitz, boykottiert aber den AS) kann man nicht wirklich viel ausrichten. Auf der anderen Seite war es durchaus ein Gewinn, Zeuge dieser turbulenten Sitzung gewesen zu sein. Und dann nimmt die Geschichte um das Stipendienprogramm sogar noch einen positiven Verlauf: Entgegen den Erwartungen der studentischen Vertreter läuft das nachfolgende Treffen äußerst fair und produktiv ab. Die anwesenden AfA- und Campus-GrünMitglieder konnten wichtige Teile ihrer Forderungen umsetzen. Vor allem die angenehme Atmosphäre wurde lobend hervorgehoben. Das Studenten-Herz stellt fest, es ist doch nicht alles aussichtslos. Der Aufwand hat sich gelohnt, man kann doch etwas bewirken. Nun ist es Zeit, ein Resümee zu ziehen: Was hat der Selbstversuch gezeigt? Was hat sich verändert? Ich bin vor allem müde. Es handelt sich schon um ein äußerst zeitintensives „Hobby“, das kann man nicht bestreiten. Stundenlange Sitzungen, viele Termine, aufwendige Recherche – das könnte man wirklich hauptberuflich machen! Und genau deshalb machen wir den „Scheinwerfer“ für euch. Wir bereiten für euch die Informationen lesbar auf und ihr könnt bequem vom Sofa aus am hochschulpolitischen Leben teilhaben. Trotz alledem sollte jeder Student auch mal „live“ an solch einer Sitzung teilgenommen haben. Man kann über die Machtverhältnisse und die Streitkultur solcher Gremien eine Menge lernen. Hinzu kommt, dass sich gerade im AS die wenigen studentischen Vertreter über Unterstützung in Gestalt zahlreicher Zuhörer bestimmt freuen würden. Ich bin überzeugt, dass eine stärkere studentische Präsenz im Publikum viel bewirken könnte. Schon allein, um zu demonstrieren, dass wir die größte Gruppe an der Universität sind. Übrigens, die nächste Sitzung des Akademischen Senats findet am 18. Mai statt. Text: Maike Kilian Illustration: Fatima Yoldas


Hochschulpolitik

Wer die Wahl hat Wieder treten dieses Jahr etliche politische Listen für die Gremienwahlen an. Welchen Kurs die Hochschulpolitik künftig fährt, entscheiden die Studenten ab dem 23. Mai. Eine Übersicht der Listen

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anz gleich, ob in der Mensa, der Caféte oder mitten auf dem Campusboulevard – bunte Zettelchen und Plakate, wohin man schaut. Meist nur einmal im Jahr – zur Wahl des neuen Studierendenrates – verändert sich jedoch das sonst relativ ausgewogene Werben zwischen Politik und Feierei. Um in dem Zettelchaos ein wenig Überblick zu verschaffen, hat der „Scheinwerfer“ im Gespräch mit Vertretern einiger politischer Listen an der Uni Bremen deren Ziele und Forderungen zusammengetragen. Leider standen nicht alle Listen für ein Gespräch bereit. AfA – AStA für Alle Bei AfA handelt es sich nach eigener Bezeichnung um eine linke Bündnisliste, deren Gründungsabsicht die Bündelung der Kräfte und Interessen des linken Spektrums war, um mehr an einem Strang zu ziehen. Die Liste ist sowohl organisatorisch als auch finanziell unabhängig und offen für alle, die konstruktiv arbeiten wollen. Stefan Weger (24), Politikstudent und Sprecher der Liste, erklärt, dass es durchaus eine traditionelle Verbindung mit den Arbeiterbewegungen gebe. Dies erklärt das Engagement einzelner Mitglieder in anderen Verbänden oder Vereinigungen. Konkret setzt sich AfA als Hochschulliste gegen Benachteiligungen ein und versucht, Barrieren zu überwinden. Ganz besonders präsent wird dies zum Beispiel im neu gegründeten Referat für Soziales, in dem der Fokus auf der Verbesserung des Studiums mit Kind sowie des Studiums mit Behinderung liegt. Bei der Arbeit im SR beschäftigt sich die Liste darüber hinaus mit der Etablierung einer neuen Finanzordnung, die einen Schritt zu mehr Transparenz darstellt, mit dem Kampf gegen das Nationale Stipendienprogramm als reine Elitenförderung, mit der Stiftungsprofessur der Familie Fuchs, die die Rüstungsforschung an die Universität gebracht hat, sowie mit der Förderung von Hochschulgruppen, die sich nun nur mit bestimmten Kriterien als solche anerkennen lassen können. Außerhalb des SR ist AfA der Initiator des Campuskinos, in dem es Studierenden ermöglicht wird, gegen eine Aufwandsentschädigung von einem Euro mit Freunden und Mitstudierenden Filme auf Leinwandformat zu schauen. Um die Studenten stetig über Hochschulpolitik zu informieren, gibt AfA regelmäßig den Cafeten-Kurier raus. WARUM AfA wählen? Laut Weger steht AfA für eine verantwortliche Selbstverwaltung. Wer AfA wähle, der wähle eine Liste, der es darum geht, studentische Interessen durchzusetzen. Das Ziel sei, so beendet er seine Ausführung, ein humanes Studium. Bei der Frage der Forderungen wird Weger sehr konkret und erläutert einen strukturierten Forderungskatalog. Unter den Stichpunkten „soziale Uni“, „demokratische Uni“ und „ökologische Uni“ stehen diverse Vorschläge. Eine soziale Uni bedeute für AfA, Benachteiligungen zu verhindern, Diskriminierung und Ausgrenzung zu unterbinden und eine gerechte Studien-

finanzierung zu ermöglichen. Demokratischer werde eine Universität, wenn studentische Mitbestimmung verstärkt wird, zum Beispiel durch die Drittelparität in Gremien wie dem Akademischen Senat, wo die Studenten deutlich unterrepräsentiert seien. Weiterhin gehe es um eine Förderung der Transparenz, was man mit der neu eingebrachten Finanzordnung schon teilweise umgesetzt habe. Zuletzt stehe das Konzept der ökologischen Universität. Hierbei fordere man, Mittel und Wege zu finden, den Müll- sowie Energieverbrauch zu senken. Die großen Themen ergänzend, geht es beim Stichwort Studierbarkeit darum, das Studium sozialverträglich zu gestalten und beispielsweise vermehrt gegen die Raumnot anzugehen. Andere konkrete Maßnahmen wie der Ausbau vegetarischer und veganer Essensangebote, aber auch allgemein die Förderung von Kultur fließen zuletzt mit in den Forderungskatalog ein. Antirassistische Liste Leider stand diese Liste für ein Gespräch mit dem Scheinwerfer nicht zur Verfügung. BaLi – Basisdemokratische Linke Die Basisdemokratische Linke wird zur kommenden Wahl antreten und bittet um den Abdruck folgenden Statements: „Die Liste Basisdemokratische Linke (BaLi) hat kein Interesse daran, hier mit ins „demokratische Horn“ zu stoßen – schon gar nicht, wenn auch rechte Listen zu Wort kommen.“

Campusgrün Bei Campusgrün (CG) handelt es sich um einen bundesweit agierenden Hochschulgruppenverband, dessen Landesverband für Bremen erst vor wenigen Jahren gegründet wurde. Gründungsmitglieder waren damals Mitglieder der Liste „AStA für Alle“ (AfA), die zur Hervorhebung von sozialen und ökologischen Aspekten eine neue Liste ins Leben riefen. Heutzutage präsentiert sie sich als parteiunabhängiger und grünalternativer Landesverband mit linker Positionierung. 9


Hochschulpolitik

eine große Rolle. Um den freiwilligen Einsatz zu fördern, plädiert Campusgrün auch dafür, Credit Points für ehrenamtliches Engagement zu vergeben. Dies solle die Studierenden motivieren und den Zeitverlust ausgleichen, der automatisch entsteht. LaD.i.y. Liberty Die Liste wird zur kommenden SR-Wahl antreten, verzichtet aber aus Zeitgründen auf ein Interview. Man sei mit der Organisation von Aktionen im Bereich Antiatomkraft, Antirassismus und anderem Nichthochschulpolitischen derzeit ausgelastet.

„Mitmachen statt zugucken“, lautet das Motto der Listensprecherin Sara Dahnken (25). Damit trifft sie eine der Vorstellungen von Campusgrün im Kern, nämlich das Begreifen der Universität als Lebensraum. Dafür setzen sich die Mitglieder der Liste sowohl im SR als auch im AS aktiv ein und stellen zusammen mit AfA den aktuellen AStA. Insgesamt steht hinter Campusgrün eine breite Basis, die sich sowohl in den inneruniversitären Gremien sowie in der Alltagswelt der Studierenden gefestigt hat. Großes Engagement zeigt die Hochschulgruppe zurzeit in den Bereichen Fairtrade-Kaffee, Gleichstellung sowie bei der Schaffung von transparenten Strukturen. Für die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulgruppen, Gremien und dem Rektorat gilt für Campusgrün der Slogan „Dialog statt Blockade“. „Man kann nur etwas erreichen, wenn man seine Ziele auch bei jenen argumentativ vorbringt, die anderer Meinung sind“, erklärt Dahnken für ihre Liste. WARUM Campusgrün wählen? Bei der Beantwortung dieser Frage betont Dahnken erneut die breite Aktivität der Liste. Es gehe zum Einen um die Mitgestaltung des Campus und zum Anderen um die Förderung linker, ökologischer und nachhaltiger Politik an der Universität. Dabei sei es von zentraler Bedeutung, den Lebensraum Universität so zu gestalten, dass auch spätere Generationen an diesem Ort vernünftig leben und studieren können. „Wir machen Politik für heute und morgen!“ Inhaltlich setzt sich Campusgrün gegen Studiengebühren und Begabtenförderung, die nur der Elite dient, ein und fordert, dass Bildung generell jedem, unabhängig von finanziellem, kulturellem oder gesundheitlichem Hintergrund, zugänglich sein muss. Außerdem will sich Campusgrün für die Optimierung der Vorlesungspläne einsetzen, um die Belastung der Studierenden zu reduzieren. Dazu gehört auch der Aspekt der barrierefreien Universität. Um eine konkrete Idee handelt es sich beim Stichwort „Fairtrade-Kiosk“, der im GW1 studentisch organisiert realisiert werden soll. Um „Wohlfühlatmosphäre“ an der Uni zu schaffen, hat CG den Wunsch, die freie Fläche hinter dem SFG nutzen und gestalten zu wollen und die Fläche unterhalb der Treppen im GW2 zu verschönern. Mit Blick auf die Ökologie und Nachhaltigkeit engagiert sich Campusgrün in der Prüfung der Möglichkeit, ein „Uni Solar Projekt“ an der Universität zu etablieren, wie es an anderen Unis bereits durchgeführt wird. Dabei geht es um den Bau von Photovoltaikanlagen auf Unidächern. Darüber hinaus spricht sich Campusgrün dafür aus, dass eine Zivilklausel im Bremer Hochschulgesetz verankert wird, mit der sich die Universität verpflichten würde, ausschließlich zivile, nichtmilitärische Forschung zu betreiben. Weitere Themen sind Sicherheit und Antidiskriminierung. Konkret wird dabei gefordert, eine Kriminalstatistik zu schaffen, um die Effektivität der Videoüberwachung zu prüfen. Außerdem spielt Interkulturalität sowie der Wunsch, einen „Campus der Vielfalt“ zu schaffen, 10

LiSA – Liste der StudiengangsAktiven LiSA wurde nach eigenen Angaben zu Zeiten des Uni-Streiks 2003/2004 gegründet. Hauptgrund damals war die dem AStA vorgeworfene, fehlende Unterstützung im Streik. Nach Aussage einiger Aktiver sei es dabei nicht um Posten und Positionen, sondern um die Betrachtung der und die Kritik an den bestehenden Strukturen gegangen. Bei der als politisch links einzustufenden Liste handelt es sich um einen breiten Zusammenschluss Studierender verschiedener Studiengänge und Fachbereiche. Dabei ist LiSA basisdemokratisch organisiert, kritisch eingestellt und unabhängig von Parteien. Deshalb wird betont, dass es sich bei den Aktiven der Liste nicht um Parteikarrieristen handle. In diesem Sinne werden auch die SR-Wahlen selbst sehr kritisch gesehen. LiSA kritisiert das bestehende parlamentarische System und arbeitet nur zwangsweise innerhalb dieser Strukturen, soweit dies zur Zielerreichung von Nöten ist. Die derzeitige Studierendenvertretung wird von LiSA als „Mitte-Rechts-AStA“ bezeichnet, zu dem die eigene Liste das Gegengewicht darstelle. Insgesamt geht es LiSA darum, sich zu organisieren und allen Studierenden die Möglichkeit zu geben, aktiv zu werden und sich einzubringen. Es gehe um selbstständige Partizipation. An der Universität an sich sei man gerade deshalb aktiv, da man als Studierender viel Zeit an der Uni verbringe und diesen Lebensschwerpunkt selbst ausgestalten wolle. LiSA stellte seit ihrer Gründung bis zum Jahre 2010 in einem Bündnis linker Listen den AStA der Universität Bremen, den sogenannten „AStA der Projekte“. Damit verdeutlichten die Koalitionspartner, dass sie eine offene Anlaufstelle für die Studierenden sind, die Zusammenarbeit mit den Stugen verbessern wollen und aufgrund der engen Spielräume an der Uni der außerparlamentarischen Politik einen großen Stellenwert zuschreibt. Denn es wird kritisiert, dass die Studierenden in den Gremien kaum Mitgestaltungsrecht hätten, obwohl sie die größte Statusgruppe stellten. Speziell an der Universität hat die Liste eigene Seminare und kulturelle Veranstaltungen organisiert. WARUM LiSA wählen? Wer einen linken parteiunabhängigen AStA haben wolle, der solle LiSA wählen, heißt es von Seiten der Liste. Da LiSA sich oft als radikale Opposition begreift, entsprechen auch viele der folgenden Forderungen diesem Verständnis einer oppositionellen Rolle und der radikalen Kritik der herrschenden Verhältnisse. Man fordert mehr Freiräume an der Universität, in denen sich Studierende ohne große Mühe selbst organisieren und engagieren können. Weiterhin wird sich gegen jede Anwesenheitspflicht ausgesprochen – auch in Seminaren. Die Abschaffung der Mittagspause wird noch immer kritisiert und bekämpft. Darüber hinaus stellt sich LiSA gegen die Rüstungsforschung an der Universität Bremen und fordert als Mindeststandard eine Zivilklausel. Das Maximalziel besteht für LiSA aber eigentlich in der Festigung der Universität Bremen als Friedensuniversität, an der


gezielt Friedensforschung betrieben wird. Darüber hinaus wolle man sich gegen die Überwachung und die zunehmende Datenspeicherung an der Universität einsetzen. Ein weiterer Bereich, in dem man sich noch stärker aktiv zeigen würde, sei der Kampf gegen die aus ihrer Sicht fortschreitende Ökonomisierung und Kommerzialisierung der studentischen Lebenswelt. Besonders zentral sehe man hier das Problem des Plakatierverbotes. Erklärung: Auf ausdrücklichen Wunsch von LiSA wird an dieser Stelle betont, dass man dem Abdruck dieser Darstellung nur „unter Vorbehalt aufgrund der kurzen Zeit“ zustimme. Dabei wird Bezug genommen auf den Zeitraum zwischen Interviewanfrage und Redaktionsschluss. RCDS – Ring christlich demokratischer Studenten 1951 wurde in Bremen ein Landesverband des Rings christlich demokratischer Studenten, kurz RCDS, gegründet und ist mit Unterbrechungen nun seit etwa 30 Jahren aktiv. Er gehört damit dem gleichnamigen bundesweit agierenden Studierendenverband an, der zwar kein direktes Organ der CDU ist, allerdings enge Verflechtungen zur Jungen Union und der CDU aufweist. Diese Verknüpfung hilft dem Studierendenverband, seine Interessen auch in der außeruniversitären Politik unterzubringen. An der Universität Bremen versteht sich der RCDS als Korrektiv linker Politik und ist der Auffassung, als einzige nicht linke Liste sowohl jene Studierende zu vertreten, die sich mit ihm identifizieren, als auch jene, die sich von den übrigen Listen nicht vertreten fühlen. In der vergangenen Legislaturperiode verstand es der RCDS als seine Aufgabe, den amtierenden AStA aus Campusgrün und AfA kritisch, aber konstruktiv, zu begleiten. Aus diesem Grund entschloss man sich auch, den AStA in einigen Bereichen zu unterstützen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Bereiche der Finanzordnung und des Haushalts gewesen. Außerhalb des SR betrachtet der RCDS sich als Serviceanbieter. So erreicht man über ihn eine Praktikumsbörse sowie eine Börse zum Studienplatztausch. Ein großer Teil der Arbeit außerhalb des SR fließt des Weiteren in die Information für Studierende, dabei geht es unter anderem um Stipendien. WARUM den RCDS wählen? Helge Staff, Landessprecher des RCDS, unterstreicht, dass die Gelder der Studierenden nicht rausgeworfen, sondern für mehr Service eingesetzt werden sollten. Dafür brauche es eine „schlagkräftige Studierendenvertretung“, die „nicht für Ideologien und Weltrevolution“, sondern für das Studium arbeite. Seine Aussage: „Wir machen den Unterschied.“ Die Forderungen zur kommenden Wahl fasst Staff in den zwei Blöcken „Infrastruktur des Studiums“ sowie „Finanzen und Haushalt“ zusammen. Darunter versteht er eine Effizienzsteigerung von PABO sowie studierendenfreundlichere Öffnungszeiten und Verwaltungsstrukturen des Prüfungsamtes. Weiterhin spricht sich der RCDS für die Einführung einer Multifunktions-

Hochschulpolitik

karte (Campuscard) aus und fordert, dass es mehr Möglichkeiten gebe, Anträge und Behördenspezifisches online zu erledigen. Eine letzte Forderung bezieht sich auf die Vergabe von Credit Points für ehrenamtliche Tätigkeiten. Nach Aussage von Staff sei dies in einigen Studiengängen bereits etabliert und müsse ausgebaut werden. Im Bereich der Finanzen wünsche man sich eine verstärkte Kooperation mit der Wirtschaft. Begründet wird dies mit der notwendigen Organisation von Drittmitteln zur Verbesserung der Lehre und des Studiums. Des Weiteren spricht man sich für die Einführung des Nationalen Stipendienprogramms aus. Zuletzt müssten einige Strukturen, wie zum Beispiel Hochschulreferate, seiner Ansicht nach zumindest kritisch auf ihre Finanzierungslegitimation untersucht werden. SDS – Sozialistischer Demokratischer Studierendenverband Mit dem Ziel, die hochschulpolitische Lücke zwischen linken Gruppen und radikalen Linken zu schließen, wurde im letzten Jahr an der Uni Bremen der Sozialistisch Demokratische Studierendenverband (SDS) reaktiviert. Die Liste steht im kritischen Austausch mit der Partei DIE LINKE und möchte die genannte Lücke mit einem sozialistischdemokratischen Selbstverständnis schließen. Übergeordnetes Ziel ist das Schaffen einer gerechteren, demokratischeren und friedlicheren Gesellschaft. Speziell an der Uni ist es das Ziel, Wirtschaftsinteressen auf Lehr- und Forschungsinhalte zurückzudrängen und kritischen Wissenschaften wieder mehr Raum zu geben, um die Menschen mit den Problemen in unserer Welt zu konfrontieren und auf die Gestaltung einer gerechteren Welt vorzubereiten. Warum SDS wählen? Der SDS teilt sein aktuelles Programm für die Wahlen an der Uni Bremen in die vier Bereiche „Mehr Mitbestimmung“, „Für die Forschung“, „Studierendenfreundliche Bedingungen“ und „Gleichberechtigung“ auf. Zu den zahlreichen Punkten aus den vier Blöcken gehören die Abschaffung versteckter Studiengebühren, Förderung des vegetarischen Angebots in der Mensa, mehr Schutz für außereuropäische Studierende, ein Ende aller Zulassungsbeschränkungen für die Studiengänge, tragfähige und studierendenfreundliche Konzepte für die zu erwartenden steigenden Immatrikulationszahlen durch den doppelten Abiturjahrgang sowie ein klares Bekenntnis zu einer Zivilklausel und ein deutliches Nein zum Thema Tierversuche. Text: Björn Knutzen Illustration: Fatima Yoldas

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Hochschulpolitik

Drei Kreuze für deine Uni Die Legislaturperiode an der Uni Bremen geht zu Ende und im Mai stehen die Uni-Wahlen an. Der ScheinWerfer erläutert den Ablauf der Wahl und stellt die drei zu wählenden Gremien vor. Die kleine aber markante Wahlkabine fällt inmitten der Mensa besonders auf, zumal in fünf Metern Umkreis kein einziges Wahlplakat hängt. Student Max Mustermann stellt sein Tablett nach dem Mittagessen mit seinen Kommilitonen auf das Laufband und geht gezielt auf den Kasten zu. Nachdem er seinen Studentenausweis unter eine Schwarzlichtlampe gehalten hat, gibt ihm die Wahlhelferin seine Unterlagen. Daraufhin verschwindet Mustermann hinter dem klapprigen Sichtschutz. Man hört Papier rascheln, dann das Scratchen eines Kulis. Wenig später kommt der junge Wähler mit zufriedenem Gesichtsausdruck wieder hervor. Nachdem die Wahlhelferin seinen Studentenausweis abgestempelt hat, wirft er seinen Umschlag schwungvoll in die Wahlurne. Dann geht er wieder seines Weges in die laue Bremer Sommerluft. So einfach ist das, was bald auch an der Bremer Universität wieder ansteht. Denn vom 23. bis 27. Mai finden an der Uni die alljährlichen Wahlen statt. Gut zu merken, denn am Sonntag davor wird in Bremen die Bürgerschaft gewählt. Die ganze Woche lang besteht die Möglichkeit, an verschiedenen Wahlstationen seine Kreuzchen zu machen. Zu bestimmten Zeiten ist das unter anderem in der Mensa und der Glashalle möglich. Eine komplette Liste der Wahlstationen und deren Öffnungszeiten findet sich unter http:// sr.uni-bremen.de/w/images/9/96/2011Wahlausschreibung.pdf. Wer keine Zeit hat, kann alternativ bis zum 22. Mai einen Antrag auf Briefwahl und bis zum 25. Mai einen Antrag auf Zusendung der benötigten Unterlagen bei der Wahlkommission stellen. Zur jährlichen Wahl der 25 Mitglieder des Studierendenrates (SR) sind alle zurzeit immatrikulierten, circa 19.000 Studenten der 124 verschiedenen Studiengänge der Uni Bremen durch Vorlegen ihres Studienausweises berechtigt. Der Wahlausweis, den jeder Student am Anfang eines Semesters zugesandt bekommt, wird in diesem Jahr nicht mehr benötigt. Stattdessen wird der Studentenausweis mit einem Schwarzlicht-Stempel markiert. Als Studentenparlament entscheidet der SR unter anderem über den studentischen Haushalt, das Semesterticket sowie zahlreiche andere studierendenrelevante Themen. 12

Bei der Wahl im vergangenen Jahr hat die gemeinsame Liste von Campusgrün und AfA (AStA für Alle) elf der 25 zu vergebenden Plätze im Studierendenrat erhalten. Sie ist damit die stärkste Fraktion des Studierendenrates und stellt den AStA sowie den Präsidenten des Gremiums, Sebastian Vogt. In ihren Entscheidungen wird diese Koalition vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) unterstützt und erhält somit ihre Mehrheiten im Rat. Die restlichen zwölf Sitze gingen an

verschiedene Linke Listen, die stärkste aus diesem Lager ist die „Liste der in den Studiengängen Aktiven“, kurz LiSA, mit sechs Abgeordneten. Insgesamt sind acht verschiedene Listen im SR vertreten. In der konstituierenden Sitzung des Studierendenrates wird der bereits erwähnte Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) gewählt. Dieser besteht aus einem dreiköpfigen Vorstand sowie den AStA-Referenten für verschiedene Fachbereiche, in denen sich die Mitglieder dieses Ausschusses in Form von politischer Bildung und Beratung engagieren oder als Ansprechpartner für


Hochschulpolitik

Studenten oder auch Personen außerhalb der Uni bereit stehen. Darüber hinaus stellt der AStA die Verknüpfung zu den Studiengangsaktiven dar.

Liste oder dem Einzelbewerber ihrer Wahl. Nach dem Prinzip der personalisierten Verhältniswahl werden zunächst den Listen und Einzelbewerbern Mandate zugeteilt. Die auf eine Liste entfallenden Sitze werden dann an die jeweiligen Kandidaten in der Reihenfolge ihrer Stimmzahlen vergeben. Bei gleicher Stimmzahl entscheidet das Los. So werden nacheinander jeweils die 25 (SR), vier (AS) beziehungsweise zwei (FBR) Sitze an die Studentenvertreter in den Gremien zugeteilt.

Wahlbeteiligung (in %)

Gleichzeitig zur Wahl des SR finden an der Uni weitere Gremienwahlen statt. Alle Studierenden haben die Möglichkeit, ihre Stimme für die vier studentischen Vertreter im Akademischen Senat (AS) abzugeben. Dieser besteht aus insgesamt 22 Personen, aufgeteilt in Beteiligung bei der Wahl zum Studierendenrat (SR) sieben ProfessoAm Freitag, den 27. ren, fünf Dekane, Mai, erfolgt öffentvier Akademische lich die erste von Mitarbeiter, vier zwei Auszählungen Studenten sowie und die vorläufizwei Sonstige ge Bekanntgabe der Mitarbeiter. Zu Wahlergebnisse. Falls den wichtigsten die Wahlbeteiligung Aufgaben des Sebei der SR-Wahl nats gehören die unter dem DurchWahl des Rekschnitt der letzten tors, die in der drei Jahre liegen sollkommenden Lete, werden die Wahgislaturperiode len bis Dienstag, den ansteht, sowie die 31. Mai verlängert. Beschlussfassung 2010 lag die Wahlbeüber die Einrichteiligung bei circa 7,5 tung, Auflösung Prozent. Es ist schwer Sommersemester (1999 bis 2010) oder Änderungen zu sagen, wie demovon Studiengänkratisch das noch gen und Fachbereichen. Den Vorsitz hat zurzeit Prof. Dr. Wilist. Glücklicherweise wird an der Bremer Uni aufgrund geringer fried Müller, Rektor der Universität Bremen. Die vier studenWahlbeteiligung allerdings keine Streichung von Finanzmitteln tischen Sitze sind aufgeteilt auf die Listen AfA, Campusgrün, vorgenommen, wie dies an anderen Unis durchaus der Fall ist. RCDS und LiSA, wobei letztere das Gremium boykottiert und Eine höhere Wahlbeteiligung ist aber mehr als wünschenswert seine Stimme nicht wahrnimmt. und würde den Gremien mit einer breiteren Legitimationsbasis Jeder der zwölf Fachbereiche wählt schließlich seinen eigenen den Rücken stärken. Fachbereichsrat (FBR), in dem jeweils zwei Studenten einer großen Anzahl anderer Mitglieder gegenüber sitzen. Die Anzahl Für weitere Informationen stehen die Wahlleiter unter srwahl@ variiert dabei zwischen sechs (FB Jura) und elf (alle anderen uni-bremen.de beziehungsweise ibruening@uni-bremen.de zur Fachbereiche) anderen Mitgliedern. Studenten, die an mehreren Verfügung. Fachbereichen studieren, dürfen bei den Fachbereichswahlen nur für ihr Hauptfach eine Stimme abgeben. Themen in diesen Räten sind die Studiengänge betreffende Aspekte wie zum Beispiel die Änderung von Prüfungsordnungen oder die Besetzung von neuen Professorenstellen. Auf dem jeweiligen Wahlzettel machen die Wahlberechtigten für eine gültige Stimme jeweils ein Kreuz bei der Person einer

Text: Fabian Nitschmann, Sylvana Lange Grafiken: Lisa Mertens Quellen: AStA, Finanzcontrolling der Uni Bremen

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Hochschulpolitik

Ein Jahr neuer AStA - eine Bilanz Die Minderheitskoalition aus Campusgrün und AStA für Alle steht für parlamentarische Arbeit anstatt außerparlamentarischer Opposition

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ei jeder Wahl gibt es zwei Fragen, die sich die Wählenden unweigerlich stellen sollten. Erstens gilt es herauszufinden, was eine politische Partei, eine hochschulpolitische Liste oder ein Bewerber um ein Amt nach einer Wahl zu tun gedenkt. Die zweite Frage aber betrifft die derzeit Regierenden: Was haben die Amtierenden erreicht, wie zufrieden ist man mit ihrer Arbeit? In der Legislaturperiode 2010/2011 wurde der AStA von einer Koalition aus Campusgrün (CG) und AStA für Alle (AfA) gestellt. In Bezug auf die bevorstehende Wahl lohnt es, sich ihre Programme, ihre Ziele und das, was wirklich umgesetzt wurde noch einmal anzuschauen. Nach einer sehr kurzen Einordnung des politischen Verständnisses der Akteure der derzeitigen und der vorigen Legislaturperiode wird es zuerst dem amtierenden AStA ermöglicht, Stellung zum letzten Jahr zu beziehen. Daraufhin kommt die Opposition zu Wort und erklärt, was als positiv beziehungsweise negativ zu bewerten sei. Am Ende soll eine konkrete Bilanz stehen, die sich dem letzten Jahr noch einmal aus der Beobachterperspektive zuwendet. Mit einem Kommentar des Autors wird die Bilanz dann geschlossen. Ein neuer AStA – Ein neuer Stil Bevor CG und AfA im letzten Jahr in ausreichender Stärke in den Studierendenrat (SR) einzogen und durch Unterstützung des RCDS den AStA stellten, regierte lange Zeit ein Bündnis linker Listen (LiLi). Die Koalitionen zeichnen sich dabei durch zwei Aspekte aus: ein in vielen Punkten radikal unterschiedliches Selbstverständnis sowie ein recht unterschiedliches politisches Handeln. Der damalige AStA verstand sich stets als „AStA der Projekte“, was nicht weniger heißen sollte als Selbstorganisation der Studierenden beziehungsweise jenen unter ihnen, die an (politischen) Aktionen interessiert gewesen wären. Es ging darum, Strukturen zu schaffen und nutzbar zu machen, weniger um politisches Handeln als Interessenvertretung. Vertreten könne sich nur jeder selbst, war eines der Kernargumente eines AStAs, der das parlamentarische System sowie Wahlen im parlamentarischen Sinne kritisierte. An Wahlen wurde hauptsächlich teilgenommen, um Strukturen zu schaffen und zu erhalten, die den Studierenden die Möglichkeit bieten sollten, sich selbst zu vertreten. So gesehen bestand die einstige Koalition zu einem großen Teil aus Personen, die ein deutlich außerparlamentarisches Verständnis von Demokratie eint. In der letzten Legislaturperiode erfolgte dann ein Stilbruch. CG und AfA sind Befürworter des parlamentarischen Systems und machten schon vor den Wahlen deutlich, dass sie die Möglichkeit wahrnehmen wollten, die Studierenden aktiv zu vertreten.

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Das bedeutete eine aktive Arbeit im SR und das Bestreben, Ziele umzusetzen, mit denen die Studierenden unterstützt werden können. Auf der einen Seite handelt es sich also um eine Koalition politischer Akteure, die zumindest dort, wo es ihnen nicht anders möglich erscheint, fernab von Räten und Gremien, eine

außerparlamentarischer Politik betrieben hat, die nicht selten als Protest empfunden wurde und wird und auch so gedacht war. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine Koalition politisch arbeitender Personen, die die bestehenden Strukturen, die den Studierenden zur Interessenartikulation und –vertretung gegeben sind, voll ausnutzen wollen und Politik im SR statt draußen auf dem Boulevard oder der Straße betreiben möchten - ein neuer Stil. Was wurde geschafft? Auf die Frage, was der amtierende AStA geschafft habe und welchen Anteil AfA daran trage, antwortete Stefan Weger, Listensprecher von AfA, ohne Umschweife. Man habe „den Kahn aus dem Dreck gehievt“, erklärt er mit Verweis darauf, dass der frühere AStA des Linkslistenbündnisses den AStA „kaputtgewirtschaftet“ habe. Dabei betont er, dass es dank AfA mittlerweile zumindest wieder eine ordentliche Finanzordnung gebe. Über die Zusammenarbeit mit dem RCDS, die für den Minderheiten-AStA aus AfA und CG nötig geworden war, urteilt Weger, dass es „eine funktionale Zusammenarbeit“ gewesen sei. Und auch wenn diese Zusammenarbeit funktioniert und durchaus Positives mit auf den Weg gebracht habe, so sei doch das Ziel, in der nächsten Legislaturperiode ohne den RCDS zu regieren. Weger betont an dieser Stelle sehr ernst, dass eine Zu-


Hochschulpolitik

sammenarbeit mit dem immerhin konstruktiv mitarbeitenden RCDS schon deshalb nötig geworden sei, weil man über den früheren AStA frustriert gewesen wäre. Und um diesen und dessen Misswirtschaft abzulösen, habe es einen neuen AStA gebraucht, der jedoch nur unter Beteiligung des RCDS möglich gewesen sei, da die übrigen Listen sich gegen eine Kooperation entschlossen hätten. Die Zusammenarbeit zu CG wird ebenso sachlich, aber freundlicher dargestellt. Sicher habe man nicht überall immer das Glei-

bieten, aber kein Geld an Projekte zu verschwenden, die diese Kriterien dabei nicht erfüllen. Diese Kriterien seien transparent und konkret gehalten. Eine Koalition mit AfA werde jedenfalls erneut angestrebt, um die positive Richtung fortzusetzen. Beide Listen, AfA und CG, erklärten auf Nachfrage des Scheinwerfers zur Arbeitsbelastung auch, dass es doch einige Zeit in Anspruch nimmt, im AStA aktiv zu sein. Dies hänge natürlich davon ab, wie sehr man sich engagiere. Dahnken führt aber noch aus, dass eine hohe Belastung zu Beginn der letzten Legislaturperiode auch davon ausgehe, dass man sich erstmal habe einarbeiten müssen, weil eine ordentliche Übergabe, wie Weger auch erklärt, nicht stattgefunden habe. Welche Ziele wurden nicht erreicht?

che gewollt beziehungsweise direkt zueinander gefunden, eine Koalition gehe man aber gern wieder ein, da man gemeinsam vieles habe verwirklichen können. Trotzdem verdeutlicht Weger nochmal die Einstellung des AfA, indem er hervorhebt, man wolle mit jedem reden, der konstruktiv und themenbezogen zusammenarbeiten könne. Das Fehlen dieser Bereitschaft wird einigen Listen der Opposition unterstellt, die selbst bei Anträgen, die ihren eigenen Zielen entsprächen, aus Prinzip ihre Unterstützung verweigert hätten. Auch CG zieht eine eher positive Bilanz. Das Motto „Dialog statt Blockade“ habe sich im Umgang mit dem Rektorat, den Gremien und den Stugen bewährt, wie Sara Dahnken, Sprecherin bei CG, erklärt. Auch der Kontakt zu den Studierendenvertretungen anderer Hochschulen sei angestoßen worden, müsse aber noch vertieft werden. Hervorgehoben wird, dass man mehr Transparenz geschaffen und die offizielle Homepage des Bremer AStA’s überarbeitet habe und sie aktuell halte. Bei weiteren konkreten Themen werden die gute Zusammenarbeit mit AfA, aber auch die eigenen Einflüsse betont. Man habe dafür gesorgt, dass zumindest ein Aufbaukurs im Fremdsprachenzentrum vergünstigt worden sei. Campusgrün sei auch stark daran beteiligt, den Ausbau des vegetarischen und veganen Essensangebotes in der Mensa zu fördern. Gemeinsam mit AfA habe man endlich konkrete Kriterien zur Förderung von Hochschulgruppen festgesetzt, um Unterstützung für z.B. Amnesty International zu

Es dürfte nachvollziehbar sein, dass man nicht gern über unerreichte Ziele spricht. Dennoch sind einige selbstkritische Punkte aus den Interviews mit AfA und CG deutlich geworden. Weger erklärt hier, es hätten vielleicht nicht immer alle Listenmitglieder auch ihren vollen Einsatz gezeigt, sagt aber generell, dass die gemeinsame Arbeit gut verlief. Dahnken ist da etwas offener und zeigt sich bedrückt darüber, dass nur die Aufbaukurse im Fremdsprachenzentrum vergünstigt seien. So müsse das Ziel bleiben, auch die Preise der Einführungskurse zu prüfen, zumal an anderen Universitäten oft bessere Bedingungen herrschten. Auch sei man noch unzufrieden mit der finanziellen Situation zwischen Bremen und der Universität und setze sich weiterhin dafür ein, dass finanziell zumindest ein Status Quo gehalten werden könne, um die Lehre nicht zu gefährden. Zuletzt habe man vor der Wahl das Ziel gehabt, das ökologische Bewusstsein unter den Studierenden zu steigern. Dies sei noch nicht zur Zufriedenheit gelungen und solle sowohl in der Arbeit auf dem Campus als auch im AStA selbst verstärkt werden. Stimmen aus der Opposition Naturgemäß hat die Opposition einen teilweise ganz anderen Blickwinkel auf die letzte Legislaturperiode. Deshalb kommen hier sowohl LiSA zu Wort wie auch der RCDS. Letzterer unterstützt zwar den amtierenden AStA und hat ihn als Minderheiten-AStA ermöglicht, generell gibt es aber doch deutliche Unterschiede zwischen den Listen. LiSA kritisiert als Erstes genau diesen Punkt und bezeichnet den derzeitigen AStA als „MitteRechts-AStA“. Es wird den Mitgliedern der regierenden Liste unterstellt, man sei nur auf Stimmenfang und wolle Posten ergattern. „Es sei“, so ein Aktiver, „nicht viel passiert.“ Vieles sei wichtiger als eine neue Finanzordnung, beispielsweise praktische Politik man hätte sich beispielsweise eher für Demonstrationen engagieren sollen. Außerdem erklärt man, der amtierende AStA habe sich früher aus der Opposition nach Eigenaussage am damaligen AStA abgearbeitet. Dieser soll Verschwendung finanzi15


Hochschulpolitik

eller Mittel betrieben haben. Nun, so der Vorwurf, werde Gleiches vom derzeitigen AStA getan, indem aus ihrer Sicht unnötige Projekte finanziert würden, andere, viel wichtigere, aber nicht. Dazu gehört beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Hundebetreuung. Was eine etwaige Zusammenarbeit mit AfA und CG betrifft, wird betont, dass es verhärtete Fronten gebe und man beide generell nicht als Bündnispartner betrachte, so lange sie nach rechts offen seien. Dabei sei speziell die Kooperation mit dem RCDS gemeint. Zuletzt wird noch einmal das eigene Politikverständnis verdeutlicht

Kommentar: Wählen gehen! Es ist in der letzten Legislaturperiode gewiss nicht alles erreicht worden, aber es wäre auch vermessen und unrealistisch, solch eine Forderung zu stellen, wo dies aus der Politik allgemein ein bekanntes Problem ist und vielfältige Gründe hat. Tatsache ist aber, dass AfA und CG viele ihrer Ziele erreicht haben. Von den meisten Akteuren, wie dem Rektorat und einzelnen Stugen, wird ihnen eine konstruktive Haltung attestiert. Bei der Frage, wer den AStA stellen soll, gibt es sicher einiges, was in Betracht zu ziehen wäre. Die Frage hier müsste sein, wie viel man vom damaligen und vom aktuellen AStA mitbekommen hat. Danach muss man sich darüber klarwerden, ob das, was man mitbekommen hat, konkrete und konstruktive politische Inhalte oder aber Dinge gewesen sind, die viele Studierende vielleicht nicht betreffen. Denn das ist schließlich das stärkste Kriterium bei dieser Wahl: Die Frage ist, wer sich am Besten für die Studierenden einsetzt. Wer dazu aus Sicht der Wählerinnen und Wähler am Besten in der Lage ist, der hat die Stimmen verdient. Das gänzlich falsche Mittel ist es allerdings, nicht zur Wahl zu gehen: Es geht um die Verantwortung aller Studierenden und ihr Geld. Und auch wenn einige Studierende die Uni nur als Durchgang und nicht als Lebensraum begreifen, so sollte spätestens mit Blick auf die kommenden Studierenden die Mitgestaltung an der Uni ein zentrales Interesse Vieler sein. Der einfachste Weg dafür ist, zur Wahl zu gehen. Text: Björn Knutzen

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und erklärt, die Politik finde nicht in Gremien statt, sondern auf dem Campus beziehungsweise auf dem Boulevard. Der RCDS zieht eine positivere Bilanz. AfA und CG seien, so Helge Staff, der Landeslistensprecher des RCDS Bremen, konstruktiver als das damalige Linkslistenbündnis. Besonderes Lob erhält dabei der von AfA eingesetzte Finanzreferent Jan Cloppenburg, der eine gute Arbeit mache. Auch würdige man die gesteigerte Transparenz vor dem SR. Dennoch, so erläutert Staff, sei dies noch ausbaufähig. Man kritisiere, dass die Referentin für politische Bildung von AfA einfach ausgetauscht worden sei, nachdem diese ihre Aufgabe derzeit leider nicht erfüllen könnte. Dafür hätte man aber den SR einbeziehen und eine Neuwahl für das Referat für politische Bildung durchführen müssen. Dies sei kein Grund zur Radikalkritik, betone aber den Anspruch des RCDS, dass man den SR respektieren müsse. Auch wünsche man sich noch mehr Engagement und Unterstützung bei der Forderung nach einer Multifunktionskarte auf dem Campus (Campuscard). Zuletzt kritisiert man die Blockadehaltung des AStAs beim Nationalen Stipendienprogramm, das man selbst positiv bewerte. Die übrigen Listen in der Opposition sind für eine Stellungnahme leider nicht erreichbar gewesen. Die Basisdemokratische Linke (BaLi) verweigerte ihre Zusammenarbeit mit dem „Scheinwe und LaD.i.y. Liberty fehlte leider die Zeit. Eine Bilanz Neben den listeneigenen Selbsteinschätzungen gilt es hier noch einmal konkret zu prüfen, was aus dem Wahlkampf umgesetzt wurde, und was nicht. AfA sprach sich im letzten Wahlkampf gegen Studiengebühren und Stipendien sowie für ein elternunabhängiges und angemessenes Bafög aus. Tatsächlich konnte das Stipendienprogramm gegen den Akademischen Senat nicht verhindert werden, es wird nun wohl aber sozialer gestaltet, indem man den Fokus zu anderen Kriterien als der reinen Notenvergabe verschiebt. Zum Beispiel sollen die soziale Situation wie auch soziales Engagement stärker in die Bewertung mit einbezogen werden. Dazu soll die erkämpfte studentische Beteiligung im Auswahlgremium beitragen. Weiter wollte man sich für eine bunte und vielfältige Uni engagieren. Für diesen Zweck beteiligt sich der AStA in diesem Jahr an der bundesweiten Veranstaltung „Festival contre le racisme“. Im Bereich „Vereinbarkeit von Familie und Studium“ werden derzeit Akzente gesetzt, indem man das „Referat für Soziales“ wieder gegründet hat und mit einem Mitglied der Liste besetzte. Bei der Forderung, verstärkt Kultur unter den Studierenden zu fördern, ist man derzeit auf dem Weg, ein Kulturticket ähnlich dem Semesterticket zu etablieren. Darüber wird derzeit noch mit den zuständigen Stellen verhandelt.


Hochschulpolitik

Weitere Forderung im Wahlkampf war die Konsildierung und Modernisierung der Strukturen im AStA. Dies ist zu einem guten Teil mit der Gründung des Sozialreferats gelungen, aber auch mit dem Umbau der AStA-Homepage sowie der Einführung konkreter Kriterien zur Förderung von Hochschulgruppen. Auch habe man sinnvolle Referate geschaffen, wie sich auf der AStA-Etage und der eigenen Homepage nachvollziehen lässt. Zuletzt steht im Raum, wie sehr AfA an der Abschaffung der Anwesenheitspflicht in Vorlesungen beteiligt gewesen ist. Über diesen Punkt streiten sich oppositionelle linke Listen mit AfA und argumentieren wechselseitig, dass dies dank der Arbeit in Gremien oder außerparlamentarischem Protest gelungen sei. Ohne weitere Prüfung lässt sich dies wohl nicht eindeutig klären. Daneben gibt es einige Dinge, die gefordert, aber noch nicht umgesetzt wurden. Die Gründe dürften dabei vielfältig sein. Weiteres Engagement würde dementsprechend noch die Verbesserung der Öffnungszeiten an der Uni benötigen. Auch die Mittagspause ist noch immer abgeschafft. Weiterhin steht der Kampf gegen die Hochschulwerbung genau so aus, wie die Etablierung einer Möglichkeit zur Online-Evaluation der AStA-Arbeit im Stud.IP. Campusgrün forderte im letzten Wahlkampf eine Verbesserung der finanziellen Situation an der Uni und wollte sich dafür einsetzen, dass die Gelder der Studierenden vom AStA im Interesse aller eingesetzt würden. Während man weiterhin mit dem Land Bremen über die Finanzen verhandeln muss, wird im AStA dank der Kriterien zur Förderung von Hochschulgruppen und dank einer Umstrukturierung der Referate vermehrt darauf geachtet, das vorhandene Geld sinnvoll einzusetzen. Eine weitere Forderung betraf die „Uni als Lebensraum“, wie es in einem Flyer von CG heißt. Dabei stellte man in Aussicht, eine AG Gestaltung zu gründen, die auf Eigeninitiative eine „Wohlfühlatmosphäre“ schaffen sollte. Bisher ist dies aber nicht gelungen. Ein weiterer Punkt ist das Thema Ernährung. Hierbei hat sich bei den Essensangeboten etwas getan, was weiter verfolgt wird. Was die Förderung des ökologischen Bewusstseins, auch ein Ziel von Campusgrün, betrifft, so hat man sich hierbei bereits selbstkritisch gezeigt und will verstärkten Einsatz zeigen. Weitere Forderungen betrafen das Grundrecht auf Bildung. So hat CG gemeinsam mit AfA das Nationale Stipendienprogramm nicht verhindern können, es jedoch um eine verstärkte soziale

Perspektive bereichert. Im Bereich der Sprachkurse im Fremdsprachenzentrum ist zwar das Ziel der moderaten Preise noch nicht gänzlich erreicht, Teilerfolge wurden jedoch erzielt. Bei der Forderung nach einer transparenten und demokratischen Hochschulpolitik ist man den Zielen dafür größtenteils nahe gekommen. So wird mittlerweile regelmäßig und aktuell auf der AStA-Homepage über hochschulpolitische Themen informiert. Die Schaffung transparenter Kriterien bei der Hochschulgruppenförderung gehört dazu wie auch der funktionierende Dialog mit den universitären Gremien und Akteuren.

Text: Björn Knutzen Foto: Lisa Mertens

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Campusleben

Du bist, was du isst Täglich begeben sich die eifrigen Studenten der Uni Bremen zu einer der zahlreichen Essenseinrichtungen, um neue Kräfte für die nächste Vorlesung zu tanken. Doch was wird ihnen dort eigentlich geboten? Welche positiven und negativen Aspekte in Bezug auf Qualität oder Angebot gibt es? Wo kann man am besten oder am günstigsten essen? Diesen und anderen Fragen soll mittels eines Praxistests in den verschiedenen Einrichtungen der Uni auf den Grund gegangen werden.

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etestet wurden zunächst die Mensa am Boulevard, die Cafeteria im GW2, BioBiss im GW1 und In‘s quirl in der Grazer Straße. Dabei wurden jeweils mindestens zwei verschiedene Hauptgerichte, ein Dessert und ein weiteres Extra, wie Salat, Suppe oder Saft beurteilt. Unimensa am Boulevard Testgerichte 1. Mozzarellasticks mit Fladenbrot und Salat 3,10 € 2. Eier in Senfsauce 1,20 € 3. Salat (eigene Zusammenstellung) 1,00 € 4. Mousse au Chocolat 1,30 € Zu den beliebtesten Plätzen in der Mensa und wahrscheinlich auch zu den schönsten Ausblicken auf dem Campus, gehören die Sitzplätz im hinteren Teil der Mensa, von wo aus man direkt auf den kleinen See des Campusparks blickt. Doch die Mensa hat noch mehr zu bieten, als nur diese schöne Aussicht. Das Essensangebot ist von einer Vielfalt, die man nirgends auf dem Campus findet. Darüber hinaus sind die Preise sehr studentenfreundlich. Man kann wählen zwischen Essen 1, Essen 2, wöchentlich wechselnden Suppen, Pizzen, preisintensiveren Wok- Gerichten, Aufläufen, Vegetarischem und Salaten. Auch bei den Desserts hat man die Qual der Wahl, unter anderem zwischen Pudding, verschiedenen Moussevariationen oder Roter Grütze. Bei den kunstvoll mit Früchten dekorierten Desserts kommt es aber auch mal vor, dass das Obst nicht mehr ganz so frisch ist. Die Mensa ist einer der zentralsten Anlaufpunkte auf dem Campus, wenn sich der kleine oder große Hunger meldet. Und genau deswegen muss man gerade zu den Hauptzeiten, auch mal länger anstehen, vor allem bei dem allseits beliebten Essen 1. Essen 2 fällt leider öfters etwas dürftig aus, was sich bei den doppelten Rationen auf den Tabletts der Kommilitonen bemerkbar macht, ist aber auch sehr preisgünstig. Sehr zu empfehlen sind auch die verschiedenen Säfte in der Mensa. Informationen über die Inhaltsstoffe stehen direkt auf dem Speiseplan und auch noch mal an den einzelnen Theken, so dass Allergiker und

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Vegetarier nicht lange suchen und nachfragen müssen. Bei dem vielfältigen Angebot in der Mensa ist meist für jeden etwas dabei, so dass auch Studierende von Gebäuden, die weiter weg vom Boulevard liegen, hierher kommen. Während der Vorlesungszeit hat die Mensa von 11:30 Uhr bis 14:15 Uhr geöffnet, in der vorlesungsfreien Zeit nur bis 14 Uhr.

Die Cafeteria im GW 2 Testgerichte 1. Käsetortellini mit Tomatensauce 2,30 € 2. Vegetarische Pizza 2,50 € 3. Wok: Ente süß-sauer mit Gemüse und Basmatireis 4,10 € 4. Gemischter Salatteller (eigene Zusammenstellung) 2,45 € 5. Vanillequark mit Fruchtdekor 1,25 €


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Zugegeben, der orangefarbene Fußboden ist Geschmackssache. Dennoch kann die Cafeteria im GW2 in vielen Bereichen punkten. Im Gegensatz zur Hauptmensa ist die Auswahl an Hauptgerichten zwar eher gering, dafür sieht man dem Essen die Qualität schon auf dem Teller an. Da wären zum Beispiel die frischen Kräuter auf den Käsetortellini oder das große Salatangebot. Auch der Geschmack des Essens überzeugt. Die Ente süß-sauer ist gut gewürzt und das Gemüse schmeckt sehr frisch. Die selbstgemachte Pizza überzeugt geschmacklich ebenfalls, sie ist knusprig und großzügig mit Käse und Gemüse belegt. Die Pizza ist mit 2,50 € allerdings vergleichsweise teuer, zumal man nur ein Stück bekommt. Das Obst auf dem Vanillequark ist sehr frisch und der Quark selbst schmeckt wirklich nach Vanille. Mit Informationen über Inhaltsstoffe der Hauptgerichte wird leider sparsam umgegangen, so dass Allergiker nachfragen müssen. Seinen Sitzplatz muss man sich zum Teil erkämpfen, was aber auch daran liegt, dass die nette Atmosphäre der Cafeteria dazu einlädt, auch mal länger sitzen zu bleiben. Angesichts der Freundlichkeit des Personals und des leckeren Essens kann darüber aber leicht hinweggesehen werden. Die Ausgabe für die warmen Gerichte hat hier von Montag bis Freitag, 11:30 Uhr bis 14:30 Uhr, geöffnet. Biobiss Testgerichte 1. Mediterrane Bulgurpfanne mit Joghurt-Dessert 3,00 € 2. Putensteak mit Tomate und Mozzarella überbacken, Kartoffelspalten und Salat 3,20 € 3. Lauchcremesuppe und Apfelzimt-Muffin 3,50 €

Der BioBiss ist eine kleine Kantine im Erdgeschoss des Gebäudes GW1. Leider kann man hier nicht mit der Mensacard bezahlen, da die Einrichtung von einem gleichnamigen, externen Betrieb unterhalten wird. Schwierig wird es als Vegetarier, Allergiker oder mit anderen speziellen Ernährungsweisen, da die Inhaltsstoffe zum Großteil nicht deklariert sind und man Einzelheiten erfragen muss. Auch die Preise für die Hauptgerichte sucht man vergeblich, wohingegen sämtlich Snacks mit Schildern versehen sind. Als besonders positiv sind die kurzen Wartezeiten zu bewerten. Ein weiteres Plus ist, dass man zu den zwei Hauptgerichte zwischen einem Dessert und einem Salat wählen kann. Letzteren kann man sich selbst aus einer kleinen Auswahl an frischem und dadurch leckerem Gemüse zusammenstellen. Auch die Muffins sind wirklich lohnenswert. Etwas schade ist, dass die Auswahl für das Mittagessen mit zwei Hauptgerichten und einem täglichen Suppenangebot recht eingeschränkt ist. Leider waren auch die Mitarbeiter nicht sehr freundlich. Auf Nachfrage nach dem Angebot reagierten sie abweisend oder sogar genervt. Das Essen selbst bestand aus großen Portionen, die satt machten. Allerdings schwamm das Putensteak sehr in Fett und das Essen war zum Teil zu schwach oder zu stark gewürzt. Biobiss strahl im weitesten sinne den Charme einer Jugendherberge aus: In einem recht kargen Raum stehen lange Holztische mit klobigen Stühlen zwischen ein paar Topfpflanzen. Nach dem Essen muss man Reste, Besteck und Teller in bereitstehende Eimer aufteilen, was der Gesamtoptik auch eher schadet. Durch Reinlichkeit konnte BioBiss ebenfalls nicht überzeugen, da Besteck und Glasschalen zum Teil unsauber waren. Abschließend ist es noch wichtig zu wissen, 19


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dass zwar der Großteil der Nahrungsmittel von einem zertifizierten Biohof oder von biologischen Großhändlern kommt, aber die Kantine selbst nicht zertifiziert ist. Das bedeutet, dass es gelegentlich vorkommen kann, dass abgesehen von den Rohstoffen wie z.B. Fleisch, Käse oder Gemüse, nicht ausschließlich alle Lebensmittel biologisch hergestellt worden sind. Geöffnet hat BioBiss montags bis donnerstags von 9 Uhr bis 16 Uhr sowie freitags von 9 Uhr bis 14 Uhr. Mittagessen ist täglich ab 12 Uhr zu haben. In’s quirl Testgerichte 1. Gnocchi mit Zucchini in Käsesauce 3,00 € 2. Hähnchenschnitzel, Pilzrisotto, Salat 3,00 € (jeweils eine Quarkspeise als Nachtisch inklusive)

was her. Abgesehen von kleinen Mankos (sparsam gewürzt, ein wenig zu kalt) überzeugt ebenso der Geschmack des Essens: die Soße auf den Gnocchi ist nicht zu schwer und schmeckt trotzdem herrlich nach Käse; Das Putenschnitzel ist überhaupt nicht trocken und hat eine sehr leckere Panade. Einzig die Nachspeise überzeugt nicht und fällt durch seinen eher undefinierbaren Geschmack auf. Es könnte Naturjoghurt mit Zucker sein. Aber wenigstens hat man dafür nicht extra Geld ausgegeben und den kleinen Hunger auf etwas Süßes nach dem Mittagessen stillt die Nachspeise trotz allem. Die Portionen sind großzügig und die Preise zwar auch hier angehoben, aber für die Gesamtleistung angemessen. Fazit: Wer mal eine Alternative zum Einheitsbrei der Hauptmensa sucht und mehr als eine halbe Stunde Zeit hat zum Essen, der wird von In’s quirl (das übrigens von einer Fraueninitiative betrieben wird) nicht enttäuscht werden. Und die Öffnungszeiten sind im Vergleich zu den anderen Einrichtu gen auch sehr großzügig: Montags bis freitags, 8 Uhr bis 15:30 Uhr hat In’s quirl geöffnet.

Ein bisschen abgeschoben sind die Psychologen und Gesundheitswissenschaftler schon. Um zur Grazer Straße 4 zu kommen kann man entweder 15 Minuten laufen oder den 22er Bus Richtung Horn Lehe nehmen (Station Spittaler Straße). Doch lohnt sich der weite Weg auch, wenn man Lage der Mensa (1), GW2 Cafeteria (2), Biobiss (3) und In‘s quirl (4). nicht zum „AufmerksamGuten Appetit! Quelle: Universität Bremen. keit und Denken“- Seminar muss wie die Psychologen? Ob man Reis mit Pilzen wirklich als „Pilzrisotto“ bezeichnen kann, ist fragwürdig (wer sich auskennt weiß, dass ein echtes italienisches Risotto mit speziellem Rundkornreis zubereitet wird und eine sämige Konsistenz hat). Doch die nette Atmosphäre entschädigt für Vieles: Hier geht es auf keinen Fall um Massenabfertigung. Das Personal ist freundlich und auf Tabletts wird verzichtet; dies kann man gut oder schlecht finden – für die einen ist ein Tablett bloß praktisch, die anderen empfinden es als Merkmal eines schnellen, unpersönlichen Kantinenessens. Die Räumlichkeiten sind nett eingerichtet, es gibt Zimmerpflanzen, Bilder an den Wänden und Sitzkissen auf den Stühlen – man fühlt sich wohl hier. Auch die Gerichte sehen gut aus, selbst die Auswahl ist mit zwei Hauptgerichten sehr Text: Elisabeth Schmidt, Lea Baukenkrodt, Alina Fischer Fotos: Gerhard Freudenberg beschränkt, aber das Essen macht dafür schon auf dem Teller 20


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Herz aus Glas In einer Reihe präsentiert der Scheinwerfer die unterschiedlichsten Gebäude des Unicampus. Angefangen in der ersten Ausgabe mit dem Zentrum der Universität - die Glashalle

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üster muss es zugegangen sein im Zentralbereich der Uni Bremen, folgt man den Erzählungen von Eberhard Scholz. Der Leiter der Pressestelle der Uni erinnert sich noch gut an die Zeit, bevor die Glashalle hier stand: „Durch die alte Überdachung war der Bereich sehr dunkel und dreckig, weil sich so viele Tauben dort eingenistet hatten.“ Um diese Situation zu bessern und einen repräsentativen Empfangsbereich für die Uni zu schaffen, musste ein neuer Bau her. Offen und zukunftsorientiert sollte der Zentralbereich gestaltet werden. Daher konnte 1994 der Entwurf eines Hamburger Architekturbüros überzeugen, der sich besonders durch seine Leichtigkeit und Transparenz auszeichnete. Vier Jahre später wurde dann mit dem Bau des neuen Empfangsbereichs begonnen. Allerdings gab es durch fehlerhafte Baupläne einige Schwierigkeiten, die dafür sorgten, dass sich die Fertigstellung um über ein halbes Jahr verzögerte. Am 7. Juli 2000 konnte die Glashalle dann aber schließlich feierlich eingeweiht werden. Bereits kurze Zeit später gewann sie mehrere Architekturpreise. Die Glaskonstruktion, deren einzelne Scheiben bei Wind beweglich sind, um so auch starken Stürmen standhalten zu können, sorgte zur damaligen Zeit aufgrund der innovativen Technik für großes Aufsehen. Als weniger standhaft hat sich jedoch die Glasdecke des Gebäudes erwiesen: Vor knapp zwei Jahren musste die Halle für längere Zeit gesperrt werden, da sich zuvor einige Scheiben gelöst hatten und die Decke überarbeitet werden musste. Seit über 10 Jahren kann man hier nun schon in verschiedenen Geschäften Lebensmittel, Tabakwaren, Zeitungen und sogar Uhren kaufen. Auch wer eine neue Frisur braucht, gemüt-

lich einen Kaffee trinken möchte, oder einfach nur urlaubsreif ist, findet hier mit Friseurgeschäft, Bistro und Reisebüro die richtigen Anlaufstellen. Auf den oberen Etagen findet man zudem verschiedene Krankenkassen, das Studentenwerk und den AStA. Alle vier Wochen sendet außerdem das Campusradio live aus der Glashalle. Informationen zu den Sendeterminen gibt es unter www.campusradio.uni-bremen.de. Eine „Halle für alle“ solle das neue Glasgebäude sein, schrieb der Bremer Uni Schlüssel in seiner Juni/ Juli Ausgabe 2000. Und das ist sie auch – ganz egal, ob man schnell etwas einkaufen oder einfach im Trockenen auf die Bahn warten möchte. Seit gut einem Jahr wird die Glashalle jedoch stärker für Werbung genutzt. Die Treppenstufen ziert neuerdings die Werbung eines Mobilfunkanbieters und die Medienwand, auf der Werbung, Uni-Infos und Nachrichten angezeigt werden, ist seit April 2010 in Betrieb. In Zukunft soll dieses Angebot noch weiter ausgeweitet werden. Wer sich dieser Werbung lieber entziehen will, dem bleibt wohl nur der Umweg über die Außentreppen des Boulevards.

Text: Anna Lenja Hartfiel Foto: Gerhard Freudenberg

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Twitter Gewitter Im März beherbergte die Cafeteria des GW2 das diesjährige EduCamp, bei dem die große Welt der Neuen Medien unter die Lupe genommen wurde. Facebook, Twitter, Geo-Caching und weitere digitalen Neuheiten dürften für die 155 Teilnehmer aus ganz Deutschland nun nichts Fremdes mehr sein.

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lankiert von den Veranstaltungen Media@School und Mobile Learning Conference schlug das EduCamp am 19. und 20. März 2011 buchstäblich erstmals seine Zelte an der Universität Bremen auf. Die siebte Veranstaltung ihrer Art war gleichzeitig die erste in der Hansestadt und stellte wie üblich die Kombination digitaler Medien mit Lernprozessen ins Zentrum. Dabei stand die aktuelle Ausgabe unter der Überschrift „Neue Lernräume gestalten – BarCamp für E-Learning, Corporate Learning sowie Lehren und Lernen.“ Seit 2008 ist ein Konglomerat von Medien- und Erziehungs-Experten in hiesigen Landen aktiv und bedient sich dabei halbjährig an wechselnden Orten dem Prinzip des BarCamps. Bei dieser Art der Tagung kommen Input und Strukturierung von den Teilnehmern selbst, weswegen Insider in Abkehr zu traditionellen Kongressinszenierungen auch von „Unkonferenzen“ sprechen. In den partizipatorischen Hergängen geht es darum, dass Interessierte den Verlauf mit eigenen Veranstaltungsangeboten gestalten und sich so gegenseitig zu Vorträgen, Debatten oder Workshops beflügeln. Das herkömmliche Verhältnis von Referenten und Konsumenten verfließt auf diesem Wege weitestgehend. So wurden auch beim Bremer EduCamp jeweils zu Beginn der Kongresstage in einer offenen Runde Themenvorschläge artikuliert und bei ausreichend Interessensbekundungen ins Programm aufgenommen. Die zahlreichen sogenannten Speakerscorners waren mit einstündigen Zeit22

fenstern belegt und boten Raum für verschieden große Gruppen und unterschiedlichste Aspekte relevanter Themenbereiche. An dieser Stelle vollzieht sich eine Verknüpfung zweier maßgeblicher Ebenen dieses Wochenendes: diejenige neuer Lernräume mit jener der Veranstaltungsräume. Dabei wird erstere Ebene in digitale, virtuelle und vernetzte Zusammenhänge gesetzt und als Medium gesehen. Letztere Ebene, dem Titel entsprechend quasi der Campingplatz, wurde in der seit 2008 aufgemöbelten GW2-Cafeteria am Boulevard gefunden, die aufgrund ihrer vielseitigen Eigenschaften vielerlei Lob erntete. Durch die offenen Räumlichkeiten auf drei unterschiedlich beschaffenen Etagen bot sie ausreichend Platz, um die Sessions in direkter Nachbarschaft stattfinden zu lassen und gleichzeitig verstärkt den „Klassenzimmer-Charakter“ zu entkrampfen, ohne sich dabei jedoch gegenseitig in die Quere zu kommen. Eben diese Flexibilität lud zum Flanieren und Wandeln in Geräumigkeit ein, was vielerorts als vorteilhafte Errungenschaft wahrgenommen wurde. Im inhaltlichen Raum war alles erlaubt, was im weitesten Sinne zum Veranstaltungskonzept passte. Entsprechend gestaltete sich das Angebot ebenso vielfältig wie das Teilnehmerfeld, welches sich beispielsweise aus Lehrern, Medienpädagogen und -beratern, Studenten, Social Media Experten, Digital Natives (in der digitalen Welt aufgewachsen), Digital Immigrants (sich die digitale Welt aneignend), kulturellen Vertretern oder Wis-


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senschaftlern zusammensetzte. Als bemerkenswerte Inhalte der Sessions seien hier Google Apps for Education, iPad Klassen, Knowledge-Speeddating (Wissensaustausch mit wechselnden Partnern), Sprachunterricht in Second Life oder Wikipedia in der Schule genannt. Komprimiert ließe sich exemplarisch der Komplex „Alte Lehrer, neue Medien“ herausgreifen, wobei Potentiale und Probleme des sich vollziehenden digitalen Wandels, vermeintlichen Leitmedienwechsels oder auch schlicht Medienkompetenzen thematisiert wurden. Es kam zu partiell originellen Erkenntnissen, wie, dass neue Medien im Bildungskontext nicht mit alten Methoden angegangen werden dürften. Auch wurde teils augenzwinkernd gefragt, warum Lehrer überhaupt noch medienkompetent werden sollten, wenn es ihre Schüler doch meist längst sind. Ebenso kam das Dilemma zur Sprache, wie sich die Lehrkraft bei Facebook-Freundschaftsanfragen von Schülern zu verhalten hätte, wobei neben vermeintlichen Kommunikationsvorteilen angemerkt wurde, dass Schulisches und Privates zu trennen sei. Natürlich durfte im Kreise dieser größtenteils neumedienaffinen Pädagogen auch das zunehmend allgegenwärtige Twitter nicht fehlen. Neben anderen Netzphänomenen fand sich der Mikrologgingdienst sowohl in Debatten, als auch in reger Verwendung durch die Teilnehmer wieder. Dadurch spielten sich für den Außenstehenden mitunter skurril anmutende Szenerien ab, in denen Lehrer entgegen deren sonstigen Natur während der Vorträge nicht von ihren iPhones, iPads oder Macbooks lassen konnten, um neben ihrem Sitznachbarn auch der weltweiten Community mittels Twittergewitter zu verklickern, was aktuell geschah. Jedoch sei auch betont, dass eben jene digitale Echtzeitverschriftlichung zu einer ungewöhnlich akribischen Dokumentation der Geschehnisse beitrug. So ließen sich durchgehend aktuelle Meldungen zu den Nachbarsessions mittels beigefügter Hashtags (Schlagworte wie #echb11) auf den aufgestellten Twitterwalls verfolgen. Zugleich konnte schlicht Bezug auf die Tweets (Twitter-Beiträge) von Diskussionspartnern genommen oder selbige ReTweetet werden. Ebenso bot sich für Abwesende

die Gelegenheit zu kommentieren und anhand von Livestreams, Blogs, Etherpads, Youtube-Videoreportagen und einem LiveWebradio zeitgleich oder -versetzt teilzuhaben. Im Übrigen veranlasste die ungehemmte elektronische Kommentargelegenheit so manchen EduCamper beziehungsweise virtuellen Zuschauer zu mehr („Wäre gern in Bremen. Schön wenigstens online dabei sein zu können.“) oder weniger („EduCamp verzerrt die Realität. Gerade erst mitbekommen, dass Knut tot ist. Der Eisbär.“) sachdienlichen Bemerkungen. Am Samstagabend bestand ausreichend Gelegenheit, sich bei dem ein oder anderen Bierchen und musikalischer Untermalung der Band Avery Mile auf den roten Sofas an den Loungequalitäten des GW2s zu erquicken, den Tag Revue passieren zu lassen, das Werderergebnis auszuwerten, einer Twitterlesung zu lauschen und natürlich reichlich zu socialisen und zu networken. Seitens der Organisation zeigte man sich abschließend zufrieden: „Von den 179 sich über die Homepage für die einzelnen Veranstaltungen angekündigten Teilnehmenden kamen letztlich 155 aus ganz Deutschland und den Nachbarländern. Wir können damit auf ein sehr gut besuchtes Event zurückblicken!“ Beim finalen sonntäglichen Geocaching (GPS-Schnitzeljagd) entfleuchten schließlich einige nimmersatte Teilnehmer hinter ihren Geräten her in die Weiten Bremens und entfernten sich auf diesem Wege, vermutlich nach neuen Lernorten suchend, vom aktuellen Austragungsort, um bei der nächsten Ausgabe in Bielefeld (18.-20.11.2011) sicher wieder voller (W)Elan bei der Sache zu sein.

Text: Joschka Schmitt Foto: Lisa Henjes

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Zwischen Wickeltisch und Vorlesung Zahlreiche Studierende kommen bereits als Eltern an die Uni und müssen sich zum Lernstress um Kind und Kegel kümmern. Im Interview berichtet die AStA-Referentin für Soziales, Johanna Vogt, über die Situation der Studierenden mit Kind und die Entwicklung in den helfenden Einrichtungen. : Johanna, wie viele Studierende mit Kind gibt es an der Uni Bremen? Johanna Vogt: Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Es gibt allerdings eine Sozialerhebung des Studentenwerks von 2008, die besagt, dass etwa acht Prozent der Studenten in Deutschland mit Kind studieren. Auf Bremen heruntergerechnet sind das etwa 1000 Eltern. Oftmals sind die Kinder allerdings schon etwas älter, etwa 300 Kinder sind jünger als drei Jahre. : Was sind typische Anlaufstellen für studentische Eltern an der Uni Bremen? Johanna Vogt: Viele Studierende wissen gar nicht über die Services und Beratungsangebote der Uni Bescheid. Die Studenten, die sich an die Uni wenden, suchen meist einen Betreuungsplatz für ihr Kind, welcher oftmals nur schwer zu finden ist. Mögliche Anlaufstellen sind zum Beispiel die Website www.familie.unibremen.de, auf der man sich einen guten ersten Eindruck über die vorhandenen Angebote verschaffen kann. Zum anderen das Studentenwerk, der AStA, die AG Familienfreundliches Studium oder Gleichstellungsbüros und Frauenbeauftragte. : Welche Betreuungsangebote sind an der Uni Bremen vorhanden? Johanna Vogt: Genügend Betreuungsplätze sind am wichtigsten für die Studierenden. Viele Eltern sind gezwungen, ihr Studium um bis zu fünf Semester zu verlängern oder brechen es ganz ab. Besonders schwierig ist es für Alleinerziehende Studium und Kind unter einen Hut zu bringen. : Wie beurteilst Du die Kinderfreundlichkeit an der Uni Bremen insgesamt? Johanna Vogt: Insgesamt verläuft die Situation in Bremen gut. Seit 2007 nimmt die Universität Bremen zudem auch an dem Audit „Familiengerechte Hochschule“ der berufundfamilie gGmbH teil – ein Untersuchungsverfahren, welches die Kinderfreundlichkeit an der Uni regelmäßig prüft. So wird die Situation kontinuierlich verbessert. Allerdings verläuft der Prozess recht langsam, da der Universität nur begrenzte Mög24

lichkeiten zur Verfügung stehen. Die 50 – 60 Betreuungsplätze, die insgesamt zur Verfügung stehen, sind natürlich auf die Masse der Studenten gesehen eher gering. Zudem fehlt einfach die Sensibilisierung für das Thema. Viele Studierende, die gleichzeitig Eltern sind, werden kaum wahrgenommen und müssen sich gegenüber Dozenten oder Kommilitonen häufig rechtfertigen. Neben den Betreuungsangeboten sind an der Uni viele familienfreundliche Orte vorhanden. So gibt es in der Mensa beispielsweise einen Eltern-Kind Bereich. Direkt daneben können die Kleinen in der Mensa-Rakete, einem vom Studentenwerk finanzierter Spielturm, spielen. Kinder von Studierenden, die nicht älter als sechs Jahre alt sind, können vom Essen I und II kostenlos einen Kinderteller erhalten. In der GW2 Cafeteria gibt es auch ein Holzlaufgitter mit Spielzeug, zudem stehen dort auch Kinderstühle bereit. In vielen Studien- und Praxisbüros oder Beratungsstellen sind Spielzeugkisten vorhanden, die zum Zeitvertreib für Kinder zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus bietet auch der Hochschulsport Eltern-und-Kind Sportkurse an. Eine weitere Flexibilität stellt der allgemeine Teil der Prüfungsordnung dar. Darin gibt es speziell einen Paragraphen für Studierende mit Kind. So können Eltern, die studieren, beispielsweise ein Urlaubssemester beantragen, in denen es ihnen aber trotzdem erlaubt ist, Prüfungen abzulegen. : Wie wird sich die Betreuung an der Universität Bremen in Zukunft entwickeln? Johanna Vogt: Gerade heute (13. April, Anmerkung der Redaktion) habe ich an einem Termin zur Abstimmung des weiteren Vorgehens bezüglich der Kinderbetreuung auf dem Campus teilgenommen. Dort hat der Kanzler sein ‚ja‘ zu zehn neuen Kinderplätzen gegeben. Diese sollen ab August, spätestens aber ab Oktober 2011 in den ehemaligen Räumen der Uni-Kita, nahe der Mensa, realisiert werden. Für die nächsten zwei Jahre können die dortigen Räumlichkeiten genutzt werden. Text: Silja Strauch Illustration: Fatima Yoldas


Die Betreuungsangebote im Überblick Uni-Kita e.V. Die Uni-Kita e.V. befindet sich in der Barbara McClinckton-Straße, nahe dem NW1. Es handelt sich dabei um einen studentischen Elternverein, der Betreuungen für ein- bis dreijährige Kinder von Studierenden und Beschäftigten der Universität Bremen anbietet. Zurzeit werden dort sechs altersgemischte Gruppen mit jeweils acht Kindern betreut. Kontakt: Barbara McClinckton-Straße. Telefon: 0421 218-69661, E-Mail: info@unikita-bremen.de, www.unikita-bremen.de

Kinderzimmer für Tagungen und Kongresse „Geo-Zimmer“ Am Fachbereich Fünf ist im GEO-Gebäude ein Kinderzimmer eingerichtet worden. Hier können Kinder von sechs Monaten bis zwöl Jahren unter fachlicher Betreuung spielen. Die Kinder werden hier stundenweise betreut, maximal jedoch 9,5 Stunden pro Woche. Da das Zimmer recht klein ist, werden dort maximal acht Kinder gleichzeitig betreut. Kontakt: Fachbereich 5, GEO-Gebäude Raum 1420, http://www.geo.uni-bremen.de/page.php?pageid=473

AstA-Kinderland Das Kinderland ist eine kostenlose, von Eltern selbstorganisierte und selbstverwaltete Kinderbetreuung im Sportturm der Universität. Finanziert wird es vom Studentenwerk und der Universität. Neben studentischen Hilfskräften kümmern sich die Eltern selbst abwechselnd um die Kinder, da sie für die Betreuung mitverantwortlich sind. Die Plätze sind auf maximal neun Kinder begrenzt. Kontakt: Sportturm, Ebene 1. Telefon: 0421-218/4802, E-Mail: kinderland.bremen@yahoo.de, http://www.asta.uni-bremen.de/?page_id=138

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Universum der Bücher Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen erstreckt sich über einen großen Teil des Boulevards und gehört für jeden Studenten zu den wichtigsten Adressen in Studienzeiten. Die Arbeit zwischen den Regalen ist nicht immer leicht. Ein paar Tipps...

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ie ist groß, sie ist grau und sie steckt voller Bücher. Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB). Die meisten Studierenden machen sich im Laufe ihres Studiums mit ihr vertraut, wenn sie sich der Aufgabe „Literaturbeschaffung“ stellen. An den 180 Computerarbeitsplätzen kann man nach Anmeldung mit dem Bibliotheksausweis ins Internet gehen und mit Office arbeiten. Die meisten Arbeitsplätze in der Bibliothek bieten einen Stromanschluss, so dass man auch seinen eigenen Laptop mitbringen und über WLAN das Internet nutzen kann. Hierfür benötigt man lediglich ein WLAN-Konto beim Zentrum für Netze (ZfN). Auf der Website des ZfN gibt es eine Anleitung für alle gängigen Betriebssysteme. Wenn man etwas zu kopieren hat, ist man in einem der Kopierräume der Bibliothek gut aufgehoben: hier ist es möglich zu drucken, scannen und zu kopieren.

Um den Buchbestand dieser Bibliotheken einzusehen, muss man nicht extra dort vorbeigehen, da er über die Suchfunktion der Bibliothek angezeigt wird. Außerdem kann man in diesen Bibliotheken ebenfalls sehr gut lernen, weil sich dort weniger Studenten aufhalten, wie in der Zentralbibliothek. Das Thema steht, aber das Material nicht – diese Situation kennen alle Studierenden. Sein Themengebiet auf gut Glück in die Suchfunktion des Online- Bibliothekkataloges einzutippen ist eine Möglichkeit, um einen Schritt vorwärts zu kommen. Ein weiterer Schritt ist das virtuelle Bücherregal, das einen Überblick über die Sortierung der vorhandenen Bücher in die einzelnen Themengebieten und ihre zugeordneten Signaturen vermittelt, zumindest wenn man sein Thema relativ klar umreißen kann. Wenn man beispielsweise einen Essay über „Loyalität“ verfassen muss, kann man sich über diesen Weg gezielt das richtige Regal raussuchen, indem man unter Fachinformation-virtuelles Bücherregal-Politikwissenschaft schaut. Allerdings bleibt diese Funktion Studierenden aus manchen Fachbereichen wie z.B. der Physik, verwehrt. Studierenden der Kulturwissenschaft dürfte die virtuelle Bibliothek verwirren, denn aufgrund der breiten Thematik und den vielen Schnittstellen zu anderen Fächern kann von Übersicht nicht entfernt die Rede sein. Teilweise sind die Bücher auch als ebook vorhanden, welche im Katalog extra gekennzeichnet sind. Um die ebooks von zu Hause aus lesen können, muss man allerding einen Proxy einrichten. Eine Anleitung dazu befindet sich auf der Website des ZfN. Doch was kann man tun, wenn das gewünschte Werk gar nicht in der Bibliothek vorhanden ist? Die Fernleihe gibt eine Antwort. Als Nutzer der Bibliothek kann man sich ein Fernleihkonto einrichten und Bücher aus Bibliotheken anderer Städ-

Doch was kann man tun, wenn das gewünschte Werk gar nicht in der Bibliothek vorhanden ist? Die Fernleihe gibt eine Antwort

Möchte man seine Lernmaterialien nicht die ganze Zeit über mit sich herumtragen und nicht mit nach Hause nehmen, ist es möglich sich einen Bücherwagen zu mieten und seine Materialien dann in diesem verstaut bequem mit sich schieben, es gibt aber auch Bücherfächer – in beiden kann man seine Materialien verstaut lassen. Zurzeit gibt es 120 Bücherwägen und 50 Bücherfächer – jedoch sind die Wartezeiten für beides relativ lang, so dass man sich möglichst frühzeitig darum kümmern sollte. Zwischen Bücherwagen oder Bücherfach kann man nicht auswählen. Die Leihfrist ist dafür lang: 120 Tage. Wichtig ist, dass nicht entleihbare Bücher dabei nicht im Bücherwagen/Bücherfach eingeschlossen werden dürfen. Nur ausgeliehene Bücher dürfen eingeschlossen werden. Die SuUB verfügt über eine weitere Besonderheit: Den Zeitschriftenlesesaal. Dieser befindet sich im Erdgeschoss und beinhaltet Fachliteratur sowie populäre Magazine. Ob nun die Financial Times Deutschland oder die Zeit – ein Blick in den Zeitschriftenlesesaal lohnt sich. 26

Findet man mal ein Buch nicht in der Zentralbibliothek, lohnt es sich in die zugehörige Bereichs-/Teilbibliothek einen Blick zu werfen. So gibt es zum Beispiel das Juridicum, die Bereichsbibliothek Wirtschaftswissenschaft, Bereichsbibliothek Physik/Elektrotechnik und noch weitere Teilbibliotheken. Der Bibliotheksausweis ermöglicht dabei Zugang zu all diesen Bibliotheken.


te bestellen. Über den gvk- Katalog, der auf der Website unter „Ausleihe“ zu finden ist, wird das gewünschte Werk mittels der Eingabe der Eckdaten bestellt. Der Kostenfaktor beträgt 1,50€ pro Bestellung. Diese Option beansprucht unter Umständen die Geduld, Wartezeiten von bis zu drei Wochen sind keine Seltenheit. Eine konkrete Auskunft über das Lieferdatum kann nicht gemacht werden. Ein Plus ist jedoch die Möglichkeit der Aufsatzkopiebestellung. Wenn man nur einen bestimmten Aufsatz braucht, kann man dies angeben und erhält den Aufsatz fertig kopiert, ebenfalls für 1.50 €. Wer immer noch mit leeren Händen dasteht, kann Kaufvorschläge machen, das heißt, man kann die Literatur, die die Bibliothek nicht beinhaltet, zum Erwerb bestellen. Das entsprechende Formular befindet sich online. Wer jetzt schon das Gefühl bekommt langsam den Überblick zu verlieren, dem ist das Programm Refworks zu empfehlen, mittels dem man strukturiert und einfach die verwendete Literatur verwalten kann. Die SuUB bietet jeden Monat Schulungen dazu an, die online stattfinden. An vielen Orten der Bibliothek finden sich arbeitende Studierende- im doppelten Sinne. Denn für manche ist die Bibliothek nicht nur Lernort, sondern auch Arbeitgeber. Viele Bereiche, darunter der Zeitschriftenlesesaal, die Garderobe oder die Leihstelle beschäftigen studentische Hilfskräfte. Wie bekommt man einen Job? Für die Bewerbung reicht es zunächst einen Bewerbungsbogen auszufüllen, den man an der zentralen Information bekommt. Bei 40 Stunden im Monat, relativ flexiblen Arbeits-

zeiten und einem Stundenlohn von 8.45€ verwundert es nicht, dass diese Jobs begehrt sind. Zusätzlich werden aufgrund der Personalumstrukturierung Hilfskraftstellen gekürzt. Lange Wartelisten sind die Regel, die nur durch Vitamin B umgangen werden können. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mehrfaches Nachfragen sinnvoll ist“, sagt Hans-Georg, der als Buchwegsteller in der zweiten Ebene und der Bereichsbibliothek Physik als Hilfskraft arbeitet. Dafür braucht man jedoch keine Vorkenntnisse in der Bibliotheksarbeit. „Eigenschaften wie Geduld, rudimentäre Englischkenntnisse und ein bisschen Menschenkenntnis schaden sicherlich nicht“, lässt Hans-Georg wissen. Die Bibliothek wird nicht nur ihrer Wortbedeutung „Büchersammlung“ gerecht, sondern bildet auch einen Lern- und Arbeitsort, der bei einer Bibliotheksführung näher erkundet werden kann. Diese Führung findet von September bis Juni immer mittwochs um 17:00 Uhr statt. Treffpunkt ist der i-Punkt in der Glashalle. Wenn man schon viel Zeit in der Bibliothek zwecks lernen verbringt, ist es sinnvoll, die Möglichkeiten der Bibliothek vollauszuschöpfen und sich in ihr auszukennen.

Text: Salma Yousaf, Larissa Fitschen Foto: Lisa Mertens

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Fünf Kreuze - aber für wen? Von allen Seiten lächeln den Bremern Wahlplakate entgegen und versprechen Jobs, Umweltschutz und Chancengleichheit. Doch was steckt dahinter? Was haben die Parteien vor und wie wollen sie es umsetzen? Der Scheinwerfer hat diese Fragen den fünf großen Parteien in der Bremer Bürgerschaft gestellt.

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ank des neuen Bremer WahlHochschulpolitik rechts dürfen bereits 16-Jährige Röwekamp (CDU) denkt, dass „Brebei der anstehenden Landtagsmen als Haushaltsnotlageland das Prowahl am 22. Mai ihre Stimme abgeben. blem der doppelten Jahrgänge nicht Die Parteien werben um diese und anallein schultern kann“ - die Schließung dere junge Wähler. Aber warum sollten von schlecht angewählten Studiengänsich junge Leute ausgerechnet für SPD, gen gehört somit zur Politik der CDU. CDU, Grüne, Linke, FDP oder eine anAber auch im rot-grünen Regierungsladere Partei entscheiden? ger herrscht eine Kürzungsstimmung. Die Vertreter der fünf großen Parteien Zwar gibt Böhrnsen (SPD) keine klare standen dem Scheinwerfer hierzu Rede Stellungnahme zu der Zukunft einzelund Antwort. Finanzsenatorin Karoliner Studienbereiche, Koalitionspartne Linnert (Grüne) ist sich gegenüber nerin Linnert (Grüne) macht aber dem Scheinwerfer sicher, dass ihre Partei deutlich, dass auch mit Rot-Grün die Jungwähler anziehe, “weil wir eine PoliSchließung einiger, tendenziell schwätik machen, die der Zukunft verpflichtet cher angewählter Studiengänge nicht ist - Nachhaltigkeit, Generationengeausgeschlossen werden könne. Sie sagt, rechtigkeit und Ressourcenverantwores bräuchte mehr Mut, bestimmte Betung sind unsere Themen.“ Auch für reiche zu schließen, als systematisch den Fraktionsvorsitzenden der CDU, überall gleichermaßen zu kürzen. Thomas Röwekamp, sind NachhaltigNur die Linke und FDP sprechen sich Jens Böhrnsen keit im Bereich der Energiepolitik sowie gegen die Schließung einzelner StudiSPD der verantwortungsvolle Umgang mit engänge aus. Spehr (Linke) dazu: „Es Amtierender Bürgermeister Finanzen und die Bildungspolitik wichist falsch, bestimmte Studienbereiche tig. Er ist der Ansicht, dass beson-ders abzuschaffen. Es war beispielsweise diese Themen für Jungwähler bedeutend total idiotisch, den Studiengang Sonsind. Die FDP meint ebenfalls zu wissen, was die Jugendlichen derpädagogik zu schließen.“ Die Absolventen wären nämlich beschäftigt und will gleiche Chancen für alle. „Wir sind liberal angesichts der Inklusion der Sonderschulen in den normalen und stehen für Eigenverantwortung und Freiheit des Einzelnen Schulbetrieb wichtig gewesen. Auch Meyer von der FDP ist für ein“, sagt Christina Meyer, jüngste Kandidatin der FDP und den Erhalt aller Studiengänge: „Es wird nicht gekürzt oder geVorsitzende der Jungen Liberalen Bremens. Im Klartext heißt spart.“ das: Zunächst ist jeder für sein eigenes Wohl verantwortlich Kürzen oder sparen will man nicht - aber gegebenenfalls den und sorgt sich um sich selbst. Erst wenn das nicht mehr geht, Universitäten die Möglichkeit einräumen, Studiengebühren zu greift der Staat ein. Die Linke hingegen sieht sich bei den jungen erheben. Denn die FDP sieht die höheren BildungseinrichtunWählern im Vorteil, weil sie nach eigener Auffassung als einzige gen als vom Land unabhängige Körperschaften an. Die LibePartei den nötigen Druck von links gegen Kürzungen im soziralen sind dafür, Uni und Hochschulen selbst entscheiden zu alen Bereich ausüben kann. Der Landesvorsitzende der Linken, lassen, ob sie Studiengebühren einführen wollen oder nicht. Christoph Spehr, sagt: „Wir brauchen dringend eine echte StuMeyer von der FDP ist der Meinung, dass die Bildungsanstaldienreform, die das Studium wieder studier- und mitbestimmten vor Ort die Ressourcen selbst besser verwalten könnten als bar macht.“ Bürgermeister und Senatspräsident Jens Böhrnsen eine Behörde. Diese Mittel kämen dann der Lehre zugute, sagt (SPD) denkt hingegen, dass die Bremer Studienlandschaft besie. Die Höhe der eventuell anstehenden Gebühren könnten reits ganz gut aussieht: „Wir bilden in Bremen im Vergleich zu Uni und Hochschulen selbst bestimmen, ohne dass der Staat unseren Landeskindern viel mehr aus. Wir sind eine bedeutende eine Obergrenze vorgibt. Meyer sagt, der Preis werde sich selbst Universitätsstadt.“ regulieren - zu hohe Studiengebühren könnten die Unis nicht Im ersten Moment klingt das alle wieder nach leeren Sätzen erheben, da sonst keine Studenten kämen. Dennoch würde bei und wohlfeilen Versprechungen, die schon am Wahlabend passé dieser Regelung das Prinzip von Angebot und Nachfrage den sind. Doch wo sind die klaren Unterschiede der „fünf Großen“? Preis bestimmen. Eine Selektion der Bewerber würde in diesem 28


Bremen Fall nicht nur durch die einzelnen leistungsbezogenen Auswahlkriterien vorgenommen, sondern auch durch die finanzielle Leistungsfähigkeit eines jeden. Die restlichen Parteien sind sich beim Thema Studiengebühren einig: Es wird sie nicht geben und das Studium in Bremen bleibt damit gebührenfrei.

verankerte Schuldenbremse. Demnach müssen die Länder 2020 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren und dürfen keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Für die Zustimmung Bremens im Bundesrat zu der Schuldenbremse sowie um die enorme Zinslast zu bewältigen, gibt es nun bis 2020 jährlich 300 Millionen Euro für die Hansestadt. Die gibt es aber nur, wenn Bremen es schafft, jährlich 120 Millionen Euro weniger an neuen Krediten Freizeitgestaltung aufzunehmen. Für das kleinste BundesBereits seit den 90er Jahren beschäfland eine echte Herausforderung. tigt der Bahnhofsvorplatz die BreBöhrnsen (SPD) und Linnert (Grüne) mer Öffentlichkeit und die Stadt sehen diese Herausforderung als ChanBremen versucht, ihn zu verkaufen. ce. „Die Schulden weiter anwachsen zu Seit 2004 wird der mit Rampen und lassen, ist nicht verantwortlich“, sagt Sitzgelegenheiten ausgestattete Platz Böhrnsen (SPD). Immerhin muss Bremen vom Sportgarten e.V. betrieben. bereits jährlich 650 Millionen Euro an Dies ist allerdings nur eine ZwiZinsen zahlen - das macht fast ein Drittel Thomas Röwekamp schennutzung, bis ein Investor für der Einnahmen aus. Die Ausgaben reduCDU die freie Fläche gefunden ist. zieren möchte die SPD in ausnahmslos Fraktionsvorsitzender Das Projekt Skateplaza hat sich aber allen Bereichen. Hiervon wird auch der trotz Übergangscharakter etabliert Personalbereich - mit circa zwei Milliarund der Platz ist ein beliebter Treffden Euro der größte Ausgabeposten des punkt von Jugendlichen geworden. Bremischen Haushalts - betroffen sein. Dennoch befürworten alle ParteiThomas Röwekamp (CDU) sieht die geen außer der Linken die Bebauung samte Gesellschaft in der Pflicht zu spades Platzes. Der jetzige Blick vom ren: „Wenn man es wirklich will, darf es Bahnhof Richtung Innenstadt sei auch kein Tabu geben.“ Schlechter angeunzumutbar. Sie wünschen sich wählte Studiengänge sollen seinen Plänen einen Bau mit anspruchsvoller Arnach geschlossen, die Verwaltungsdoppelchitektur, um das Stadtbild Brestrukturen von Bremen und Bremerhamens aufzuwerten. Und natürlich ven verringert und sogar das Parlament wollen sie das Geld der Investoren. verkleinert werden. Das größte EinsparLinnert (Grüne) dazu: „Ich bin Fipotenzial aber sieht der CDU-Politiker nanzsenatorin, ich möchte die Einebenso wie Böhrnsen im Personalbereich. nahmen haben und finde das auch Dort möchte er aber nicht „wie Rot-Grün vertretbar.“ Spehr (Linke) möchte mit der Rasenmähermethode in allen Bezwar auch das Stadtbild aufgewertet reichen 2,5% einsparen“, sondern den unsehen, fragt sich aber, ob ein weiteterschiedlichen Arbeitsbelastungen in den rer Betonklotz das Stadtbild tatsächjeweiligen Bereichen gerecht werden. lich verbessern könnte. Er spricht Effektivere Strukturen möchte auch die Christoph Spehr sich für eine Grünanlage auf dem FDP schaffen, beispielsweise durch KoDie Linke Bahnhofsvorplatz aus - so könne der operation mit Niedersachsen. Landesvorsitzender öffentliche Raum als Treffpunkt geSpehr von der Linken fordert vom Bund wahrt bleiben. Wie ein Investor für eine deutlich höhere finanzielle Ausstateine Grünanlage gefunden werden tung Bremens, da er das Land an dieser soll, bleibt allerdings fraglich. Immerhin will die Stadt knapp Stelle überfordert sieht. Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, sechs Millionen Euro für den Platz haben. dass der Bund zahlt, bleibt allerdings offen. Ob nun aber großer Bau oder Park - konkrete Angaben zu einer Ausweichanlage für die Skater kann keiner der Parteivertreter Datenschutz machen. Oft berichten die Medien über neue Verletzungen des Datenschutzes und Eingriffe, beziehungsweise Gefährdungen von Finanzen Nutzern sozialer Netzwerke wie Facebook, StudiVZ und Co. Bremen ist pleite - bis 2020 muss die jährliche Differenz zwiHier sind sich alle Parteien einig: Medienkompetenz muss schen Einnahmen und Ausgaben, die letztes Jahr 1,2 Milliarden den Jugendlichen verstärkt vermittelt werden. Denn vielen sei Euro betrug, ausgeglichen werden. So will es die im Grundgesetz gar nicht klar, dass sie unvorsichtig mit ihren Daten umgehen. 29


Bremen „Das Hauptproblem ist, dass die Leute zu gutgläubig sind und da hilft nur Aufklärung“, sagt Linnert von den Grünen. Auch Spehr (Linke) und Meyer (FDP) plädieren gegenüber dem Scheinwerfer für Aufklärung. „Die Jugendlichen sollen in der Schule für das Thema Datenschutz sensibilisiert werden“, sagt Meyer. Die übrigen Parteivertreter sprechen sich gleichermaßen für das Vermitteln von Medienkompetenz in der Schule aus, beispielsweise im Rahmen des bereits vielerorts bestehenden Informatikunterrichts. Bürgermeister Böhrnsen (SPD) betont hingegen auch die Eigenverantwortung des Einzelnen: „Wer sich auf Facebook einlässt, weiß, dass der Schutz seiner Daten, vorsichtig ausgedrückt, nicht an erster Stelle steht“.

Umwelt

Karoline Linnert, Bündnis90/Die Grünen Finanzsenatorin

Diese sollen dann die Stromversorgung gewährleisten. Sowohl Böhrnsen als auch Linnert sehen in dem Standortvorteil Bremerhaven und der Möglichkeit, dort Offshorewindparks weiter auszubauen, großes Potenzial für die erneuerbaren Energien. Zudem plädiert Grünenpolitikerin Linnert für ökologischere Verkehrsmittel wie den modernisierten Schiffs- und Schienenverkehr. Angesichts der neuen grünen Linie der großen Parteien hat Linnert (Grüne) allerdings zuweilen das Gefühl, es komme momentan darauf an, wer der Radikalste sei. Ihre Partei entgegnet der neuen Anti-Atomgesinnung auf einem der vielen Wahlplakate: „Alles muss aus!“ Währenddessen sagt die Linke selbstbewusst: „Wieder Die Linke. Wen sonst?“. Und die SPD vertraut auf das neue Wahlrecht selbst - von den Wahlplakaten lächeln die Kandidaten die potenziellen Wähler an. Die CDU will „Jetzt das Richtige tun“ und der Spitzenkandidat der FDP, Oliver Möllenstädt, will „Bremen nach vorne bringen.“ Ein bunter Plakatwald mit vielen Stimmen. Weitere Informationen zu diesen Stimmen und den dazugehörigen Parteien gibt es im Internet unter

Nach dem Reaktorunglück in Fukushima ist der Atomausstieg eines der Lieblingsthemen der Politiker über alle Parteien hinweg. Plötzlich wird sogar das dreimonatige Moratorium der Bundesregierung gleichgesetzt mit einem Ausstieg. „Wir haben mehr Atomkraftwerke vom Netz genommen, als das irgendeine Partei jemals versprochen hat“, verkündet Röwekamp von der CDU stolz. Ob dies nun am grünen Willen der Partei oder dem Druck der vielen, die den http://fdp-lv-bremen.wcsite.liberale.de/ Energiewandel wollen, liegt, müssen die http://www.cdu-bremen.de/ Wähler selbst entscheiden. http://www.spd-land-bremen.de/index. Die Grünen haben es an dieser Stelle php?id=56 einfacher, da die Forderung nach dem http://gruene-bremen.de/ Ausstieg aus der Atomenergie eines ihhttp://www.dielinke-bremen.de/ rer zentralen politischen Ziele seit ihrer Gründung ist. Dennoch sagt GrünenChristina Meyer politikerin Linnert, dass das sofortige Auf der Homepage der jeweiligen ParFDP Abschalten aller AKWs nicht möglich tei können das Wahlprogramm und die Vositzende der JuLis Bremen sei. Die bereits vom Netz genommenen einzelnen politischen Ziele nachgelesen Kraftwerke sollten zwar keinesfalls wiewerden. der in Betrieb genommen werden, der Welche Vorhaben wirklich umgesetzt endgültige Atomausstieg brauche allerdings noch etwas Zeit. In werden und was leere Versprechen bleiben, wird sich erst nach dieser müsse mit Hochspannung an der Weiterentwicklung neuder Wahl am 22. Mai zeigen. er Energiekonzepte gearbeitet werden. Alle Parteien sind sich einig, dass der Atomausstieg so schnell wie möglich kommen muss. Um das „Wie“ gibt es allerdings noch Debatten. So spricht sich Böhrnsen (SPD) gegenüber dem Scheinwerfer für einen stärkeren Ausbau von Stromnetzen aus. Spehr von den Linken setzt auf die dezentrale Stromversorgung. Einzig Röwekamp (CDU) schlägt einen anderen Kurs als die übrigen Politiker ein. Er will zwar auch den Atomausstieg, meint aber, dieser sei nur realisierbar, wenn nicht nur erneuerbare Text: Olga Galashevich, Benjamin Reetz Energien ausgebaut, sondern auch vorrübergehend Kohle- und Foto: Philipp Johannßen (Böhrnsen) Gerhard Freudenberg (Röwekamp, Spehr, Linnert, Meyer) Gaskraftwerke nach modernen Maßstäben errichtet werden. 30


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Der Wahl-O-Mat zur Bürgerschaftswahl Mit Hilfe des Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung kann sich jeder Wähler vorab online einen Überblick im Parteiendschungel verschaffen.

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m Jahr 2002 rief die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) den Wahl-O-Mat ins Leben. Ziel des Online-Tools ist es, insbesondere junge Wähler zu informieren und zum Wählen zu motivieren. Auch zur Bremer Bürgerschaftswahl am 22. Mai gibt es einen Wahl-O-Mat, der unter www.wahlomat.de erreichbar ist. Mit Hilfe von 38 Thesen, auf die der User mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“, „neutral“ oder „These überspringen“ antworten kann, ermittelt der Wahl-O-Mat, welche der zur Wahl stehenden Parteien am stärksten mit der eigenen politischen Position übereinstimmt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Thesen, die einem besonders wichtig sind, zu gewichten. Sie zählen bei der Auswertung dann doppelt. Diese Thesen wurden im Vorfeld von einem Team aus politisch interessierten Schülern, Auszubildenden und Studenten im Rahmen eines Workshops mit der Unterstützung von Politik- und Sozialwissenschaftlern erarbeitet und von den Parteien beantwortet. Alle Parteien, die vom Wahlleiter zur Wahl zugelassen wurden, sind auch im Wahl-O-Mat vertreten, vorausgesetzt, dass sie die Thesen rechtzeitig vor Redaktionsschluss beantwortet haben. Für die Auswertung können bis zu acht verschiedene Parteien ausgewählt werden. Das Ausmaß der Übereinstimmung zu diesen Parteien wird anschließend in einem Balkendiagramm

angezeigt. Neben den Ergebnissen sind dann auch die Begründungen der einzelnen Parteien abrufbar. Das Ergebnis des Wahl-O-Mat ist keine Wahlempfehlung, sondern vielmehr als Startpunkt für eine Auseinandersetzung mit den zur Wahl stehenden Parteien zu verstehen. Es lohnt sich daher immer, die Argumente der Parteien zu den einzelnen Thesen genau zu lesen. Denn auch wenn verschiedene Parteien alle derselben These zustimmen, kann diese Zustimmung vollkommen anders motiviert sein. Stimmen beispielsweise mehrere Parteien der Einführung eines Mindestlohns zu, kann es jedoch sein, das Partei A einen wesentlich höheren Mindestlohn fordert als Partei B, während Partei C den Mindestlohn nur für Deutsche einführen möchte. Zusätzliche Informationen in Form von Kurz-Profilen der zur Wahl stehenden Parteien gibt es zudem unter www.wer-stehtzur-wahl.de.

Text: Anna Lenja Hartfiel Foto: Kai Ole Laun

Neues Wahlrecht soll Wählern mehr Einfluss geben

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remen hat ein neues Wahlrecht - am 22. Mai bei der Wahl der Bremischen Bürgerschaft und der 22 Beiräte im Gebiet der Stadt Bremen kommt es zum ersten Mal zum Einsatz. Dieses neue Wahlrecht, das durch ein Volksbegehren erwirkt wurde, bringt zwei entscheidende Änderungen mit sich: Zum einen dürfen erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren den Landtag wählen, zum anderen hat nun jeder Wahlberechtigte fünf Stimmen pro Wahlheft. Dies soll dem Wähler mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Parlaments geben. Die fünf Stimmen können beliebig an Parteien und/oder an Personen vergeben werden. Dabei ergeben sich drei Möglichkeiten: Sagt dem Wähler eine Partei besonders zu, kann er ihr alle seine fünf Stimmen geben. Möchte er hingegen bestimmte Kandidatinnen oder Kandidaten unterstützen, kann er diese direkt mit seinen fünf Stimmen wählen. Die fünf Stimmen können aber auch auf mehrere Parteien oder Personen verteilt werden.

So können zum Beispiel favorisierte Koalitionen durch das gezielte Verteilen der Kreuze unterstützt werden. Insgesamt gilt: Jede Kombination ist zulässig, solange die Gesamtzahl von fünf Stimmen nicht überschritten wird. Setzt man weniger als fünf Kreuze, hat man zwar auch gültig gewählt, die übrigen Stimmen jedoch verschenkt. Um allen Wahlberechtigten im Vorfeld der Wahl die Möglichkeit zu geben, sich mit dem neuen System vertraut zu machen, hat die Bremische Bürgerschaft eine Reihe von Schnupperwahllokalen eingerichtet. Dort kann das Wählen mit fünf Stimmen auf Muster-Stimmzetteln ausprobiert werden. Zudem hat jeder Haushalt vor der Wahl einen Musterstimmzettel erhalten. Mehr Informationen zum neuen Wahlrecht und den Schnupperwahllokalen gibt es außerdem unter www.5stimmen.de. Text: Anna Lenja Hartfiel

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r ist aus mehreren Gründen in Deutschland populär geworden: Martin Sonneborn war bis 2005 der Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“. Von einigen Aktiven der „Titanic“ wurde 2004 die Partei mit dem Namen „Die Partei“ gegründet, deren Parteivorsitzender Martin Sonneborn ist. Die dominant inhaltsfreie bzw. für alles stehende Partei parodiert die Beliebigkeit der etablierten deutschen Parteien. Das ironische Hauptziel „der Partei“ ist der Wiederaufbau der Mauer und damit verbunden die endgültige Teilung Deutschlands. Aktuell hat „Die Partei“ ca. 8000 Mitglieder und ist damit eine Kleinstpartei. Angesichts ihres nicht ernstzunehmenden Charakters ist dieses Mitgliedervolumen jedoch beachtlich.

Krawall leicht gemacht

Am 6. April 2011 war Sonneborn im Bremer Schlachthof zu Gast. Unter dem Motto „Krawall und Satire“ wurde sein Auftritt beworben. Das klingt viel versprechend und interessant, jedoch wusste man in keiner Form, was einen als Zuschauer erwartet. Geboten bekam man auf der Bühne im Schlachthof einen Tisch, auf dem ein „Apfel Laptop“ stand, einen Beamer, der seine Bilder auf eine Leinwand warf und schließlich einen Stuhl, auf dem Sonneborn saß. Es stellte sich heraus, dass seine spitze Zunge und sein staubtrockener Spott genauso waren, wie man sie aus seinen zahlreichen Medienauftritten kennt. Allerdings hätte man weitaus mehr von dem Programm seines Auftritts erwarten können. Dieser Der Satiriker Martin gestaltete sich jedoch lediglich aus der Sonneborn und sein Moderation seiner bereits bestehenden Auftritt in Bremen Werke. Er las aus seinem eigenen Buch „Heimatkunde“ vor, in dem Eindrücke Bundesweite Bekanntheit erreichte und Vorkommnisse auf einer Reise, auf Sonneborn vor allem durch zahlder er 250 km rund um Berlin auf den reiche Fernsehauftritte in der SatiSpuren der deutsch-deutschen Grenze resendung „Heute Show“ des ZDF gewandert ist, beschreibt. Er kommenund etablierte sich damit endgültig tiere einige Fotos, die er auf seiner Reiin der deutschen Satireszene. Am se geschossen hatte, sodass diese einen liebsten macht Sonneborn Politiker humoristischen Effekt inne hatten und lächerlich, indem er sie schamlos schließlich zeigte er eine stupide Aneibloßstellt. Seine „Hauptopfer“ sind nanderreihung von ca. einem Dutzend dabei die NPD, die ehemalige DDRseiner – zugegebenermaßen großarPolitik und die FDP. Aber auch ettigen – Videoclips. Darin ist immer liche andere gesellschaftsrelevante Sonneborn als Reporter zu sehen, wie Themen werden von Sonneborn er vor Ort von verschiedensten Ereigparodistisch und zynisch mit staubnissen berichtet und dazu Anwesende trockenem Humor angesprochen. interviewt, beispielsweise das bereits Einer seiner bekanntesten Videoclips erwähnte „Google Home View“ und ist sicherlich sein Auftritt als Mitarbeiter von „Google Home einen Videoclip, in dem er auf der Frankfurter Buchmesse chiView“. Darin besucht er „im Auftrag von Google“ diverse Bunnesische Aussteller auf die missachteten Menschenrechte in Chidesbürger und fotografiert deren komplette Wohnung. Bei einer na anspricht. Weigerung der Bewohner droht Sonneborn ihnen damit, Google abzustellen. Diese vollkommen realistisch dargestellte Aktion Eine übertriebene Selbstdarstellung sowie mangelnder Aufwand ist so unwirklich und abstrus, dass man dabei nicht nur herzhaft und Raffinesse machen den Auftritt des eigentlich großen Satirilachen kann, sondern sie auch eine starke Wirkung hinterlässt kers Sonneborn keine 14 € Eintrittspreis wert. und nachdenklich macht. Sonneborns gewagte, provokative Art ist zwar bei seinen Fans sehr beliebt, bringt ihm aber auch immer wieder Ärger von Betroffenen ein, die sich die Bloßstellung Text: Lukas Niggel des Satirikers ungern gefallen lassen.

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Eis mit Gefühl Das Eislabor Bremen überzeugt mit Kreativität und Hingabe. Die Birač-Brüder begeistern ihre Kunden immer wieder mit neuen ausgefallen Eiskreationen.

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ls wir hier angefangen haben, dachten viele: Eislabor, das muss etwas mit Chemie zu tun haben.“, erzählt Srećko Birač, der zusammen mit seinem Bruder Damir die Eisdiele in der Östlichen Vorstadt betreibt. Für ihn steht jedoch fest: „ Ein gutes Eis ist so natürlich wie möglich hergestellt.“ Statt künstlichem Pulver kommen hier echte Vanilleschoten und Früchte in das Eis. Experimentieren ist dabei aber ausdrücklich erlaubt: Neben den klassischen Eissorten findet man im Eislabor Bremen auch allerhand außergewöhnliche Kreationen. Zu dem insgesamt mehr als 230 Sorten umfassenden Sortiment gehören zum Beispiel Geschmacksrichtungen wie Erdbeer-Basilikum, Schoki-Feta und Ziege-Ananas. Das Angebot wechselt, abgesehen von den Klassikern wie Schoko und Vanille, täglich. Wer sich an die unkonventionellen Geschmackssorten noch nicht herantraut, kann vorher einfach probieren. So ist sicher, dass jeder für die 70 Cent pro Kugel auch das Eis bekommt, das ihm schmeckt. Davon profitierte auch eine Kundin, die beim Probieren von Erdbeer-Basilikum das Gesicht verzieht: „Das schmeckt ja wie Pizza mit Erdbeeren.“ Für sie ist Stracciatella dann wohl doch die bessere Wahl. „Die Klassiker gehen immer noch am besten. Es gibt aber auch viele Stammkunden, die oft nach bestimmten, außergewöhnlichen Sorten fragen.“, sagt Srećko. Die Arbeit in ihrem Café teilen sich die Brüder – Srećko kümmert sich vor allem um die neuen Eiskreationen und Damir ist für den Verkauf und die Kaffeespezialitäten zuständig. Alle Geschmacksrichtungen werden von Srećko im eigenen Eislabor, der Küche der Eisdiele, selbst gefertigt. Bei den Ideen für neue

Eiskreationen vertraut er vor allem auf seine jahrelange Erfahrung. Außerdem legt er viel Wert auf saisonale Eisvariationen: Einen Erdbeerbecher gibt es hier außerhalb der hiesigen Erdbeersaison nicht. Während Srećko also an neuen ungewöhnlichen Erlebnissen für den Gaumen bastelt, ist sein Bruder Damir als ausgebildeter Barista – als „Kaffeekünstler“ also – für die kunstvolle Zubereitung von Cappuccino und Co. zuständig. Die gibt es übrigens, genau wie das Eis, auch in laktosefreien und veganen Varianten. Bevor sie ihren Laden in Bremen eröffnet haben, betrieben die Brüder schon einige Jahre ein Eiscafé in Hoya. Doch die ersten Erfahrungen, was das Eismachen angeht, haben die gebürtigen Bremer kroatischen Ursprungs im Bremer Viertel als Angestellte gemacht. Nun betreiben sie das Eislabor schon im vierten Jahr, haben im letzten Jahr noch eine kleinere Filiale im Viertel eröffnet und können eine große Anzahl begeisterter Stammgäste vorweisen – auf Facebook hat das Eislabor schon weit über 400 Fans. „Die Leute merken einfach, dass man mit Herzblut bei der Sache ist.“, meint Srećko Birač. Das stimmt. Wer hier einmal war, kommt bestimmt gerne wieder.

Text: Anna Lenja Hartfiel Foto: Lisa Mertens

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Bremen für Studenten In dieser Rubrik stellt der Scheinwerfer studentische Besonderheiten und sehenswerte Gegenden der Bremer Stadtteile vor.

Walle, Walle, da wohnen sie alle...

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ch habe selbst mal in Walle gewohnt, am Steffensweg, Ecke Der Stadtteil Walle liegt nordwestlich der Bremer Altstadt und Nachtigallstraße. Damals, während des Zivildienstes, waentwickelte sich nach dem Krieg zu einem klassischen Arbeiterren uns unsere WG-Räumlichkeiten Amüsement genug, viertel, nicht zuletzt aufgrund der Nähe zum Hafen. Hier gibt es schließlich hatten wir meistens genug Bier und einen Kicker. keine der typischen Altbremer Häuser wie im Viertel, da Walle Doch Bier und Tischfußball waren irgendwann nicht mehr geim 2.Weltkrieg, übrigens mehr als alle anderen Stadtteile, masnug - in den ersten Studentenjahren lernte ich das Waller Nachtsiv unter der Bombardierung zu leiden hatte. Ganze Straßen, leben kennen. Dann ging es meist wie z.B.der Steffensweg, lagen brach zu Konzerten ins Kairo, heute das und mussten neu aufgebaut werden. Nichtsdestotrotz gibt es genug Karo, und Filmnächten im Kino46. Nichtsdestotrotz gibt es genug Ecken, Eines der Highlights war ein Alienin denen Besucher einer ähnlichen Ecken, in denen Besucher einer Film-Marathon, alle vier Filme, unGemütlichkeit wie im Viertel begegähnlichen Gemütlichkeit wie im geschnitten und am Stück. Das war nen können. Diese sind zum Beispiel irgendwann wirklich Horror, trotzin den vielen Seitengassen, die von Viertel begegnen können. dem waren wir hinterher glücklich, der Vegesacker Straße abgehen, zu vermutlich aus Stolz über unser finden. sportliches Durchhaltevermögen. Heute ist der Stadtteil sozial durchmischt wie kaum ein anderer Heute lasse ich es kulturell gediegener angehen und begebe in Bremen. Sehr gut ausmachen lässt sich das am Waschcenter mich zu mongolischen Unter- und Obertongesangsabenden ins an der Vegesacker Straße. Dort geben sich der Zeitung lesende Westend an der Waller Heerstraße. Da gibt es übrigens waschRechtsanwalt und der Punk mit seinen zwei Hunden die Klinke echte Hippies zu bestaunen, so richtig 1:1 aus den 70ern rüberin die Hand. Schräg gegenüber des Waschcenters ist ein Eiscagebeamt. Die finde ich klasse, wie sie da so hin- und herwiegend fé, wo alt und jung bei gutem Wetter die Sonne genießen. Nur im Yogasitz den Spirit der mongolischen Steppenlandschaft ein kleines Stückchen weiter ist das El Mundo, ein Restaurant, nachempfinden. Walle ist immer noch ein gerngesehener Begleidas mit seinen Burritos (gefüllte, weiche Tortillas) weit über die ter meines Studentenlebens, da der Stadtteil immer wieder etwas Grenzen Walles hinaus bekannt ist. Wer keine Lust auf spaniÜberraschendes bietet. sche Küche hat, kann sich am indischen Kiosk oder dem tür34


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kischen Kartoffelimbiss mit Köstlichkeiten versorgen. Für das leibliche Wohl ist in Walle also gesorgt. Ab 20 Uhr kann im Karo in der Reuterstraße ein kühles Bier genossen werden und sonntags wird dort gemeinsam Tatort geschaut. Zudem werden alle Werderspiele gezeigt, ab und zu gibt es auch Konzerte oder Ausstellungen. Das Karo ist eines der Aushängeschilder für die Waller Kneipenszene, und ist nach eigener Aussage doch mehr als eine Kneipe, da hier über die Jahre ein reger Austausch von Künstlern, Musikern und Szenegängern stattgefunden hat.

Wer sich in Walle sportlich betätigen möchte, dem sei im Winter das Waller Bad oder das ParadIce zum Schlittschuhlaufen empfohlen. Im Sommer sind es nur 15 Minuten vom Waller Friedhof mit dem Rad zum Waller Feldmarksee, ein echter Geheimtipp. Er ist eine tolle Alternative zum Massenbaden im Werder- oder Unisee und noch dazu sehr schön zwischen den Schrebergärten im Waller fleet und dem Blockland gelegen. Wer lieber Radfahren oder spazierengehen möchte, kann dies im Waller Grüngürtel oder dem Park am Waller Friedhof.

Das Kino46, welches direkt an der Waller Heerstraße liegt, ist das letzte verbliebene Kommunalkino in Bremen. Hier werden nicht einfach nur Filme gezeigt, sondern ganze Filmreihen zu bestimmten Themen oder Regisseuren wie Fassbinder oder Orson Welles. Darüber hinaus gibt es Symposien mit Vorträgen von Filmwissenschaftlern. Eine sehr beliebte Einrichtung ist immer noch der Lieblingsfilm am Sonntag, wo auch schon Prominente Filme ihrer Wahl vorgestellt haben. Die Bremer Tatortkommissarin Sabine Postel war zum Beispiel schon mit einem BunuelFilm zu Gast. Generell ist das Kino46 immer einen Besuch wert und verlangt immer noch studentisch-humane KommunalkinoEintrittspreise von 4,50 Euro pro Karte.

Studieren ist in Walle natürlich auch möglich. Und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch an der Hochschule für Kunst und Design in den Speicherstätten am Hafen, wo auch immer wieder interessante Präsentationen der dort Studierenden stattfinden, manchmal auch verbunden mit feucht-fröhlichen Partys.

Weiter die Waller Heerstraße hoch steht die Kulturwerkstatt Westend mit ihrem wunderschönen Konzertsaal und weiteren Räumlichkeiten für Ausstellungen.

Walle hat immer etwas zu bieten: Erst kürzlich lief ich an einem eher unscheinbar aussehenden Haus mit dem aufsehenerregenden Schild „Institut für Zeitreisen“ vorbei. „Für Schäden im Raum-Zeit-Kontinuum wird keine Haftung übernommen.“ Ob da die Hippies hergekommen sind...? Text: Karim Ahmed Foto: Philipp Johanßen

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Konzerte für lau, wo gibt’s denn sowas ? Der Musikclub Tower lädt zu kostenlosen Konzerterlebnissen ein. In regelmäßigen Abständen können bei der Konzertreihe „Freigemacht“ Bands aus dem In- und Ausland erlebt werden. „Das letzte Mal, als wir in Bremen gespielt haben, war das Publikum ungefähr ein Zehntel so groß wie heute!“ stellt Karen, die Sängerin der Band „Shellycoat“ schon zu Beginn des dritten „Freigemacht“-Konzertes am 9. April begeistert fest. Damit fasst sie auch gleich den Sinn und Zweck dieses Abends im Bremer Musikclub „Tower“ perfekt zusammen. Die Veranstaltungsreihe „Freigemacht - Konzerte für lau“, wurde in diesem Jahr ins Leben gerufen, um talentierten Künstlern und Bands die Möglichkeit zu geben, ihre Musik vor einem breiteren Publikum zu präsentieren und so möglichst viele Menschen von ihrem Können zu überzeugen – völlig „freigemacht“ von finanziellen Zwängen. Denn es gibt eine Menge talentierter Musiker, die zwar eine Vielzahl toller Lieder haben, aber deren Konzerte trotzdem nur mäßig besucht werden. Erklärungen dafür gibt es zahlreiche, sei es nun, dass den Künstlern die Unterstützung einer großen Plattenfirma fehlt, ihre Musik für die breite Masse einfach nicht kommerziell genug ist oder dass Fans von guter Livemusik ihr Geld schon in Tickets für eine andere Band investiert haben. Aus diesem Grund fand nun bereits das dritte „Freigemacht“Konzert statt und das, wie der Name schon verrät, wieder ohne Eintritt. Die Künstler für die Konzertreihe werden von den Veranstaltern selbst ausgewählt, Oliver Brock vom Tower-Team sagt: „Wir waren selbst ein wenig überrascht, dass alle von uns angedachten Bands gleich einverstanden waren und das Konzept toll fanden.“ Inzwischen gäbe es sogar Bands, die explizit nach „Freigemacht“ fragen und dort spielen wollen. Bereits die ersten beiden Konzerte mit der schwedischen Sängerin Lena Malmborg 36

und Simon den Hartog, auch bekannt als Sänger der „Kilians“, stießen im Januar und Februar auf eine breite Resonanz und sorgten für einen vollen Club. Aufgrund des großen Interesses mussten bei der Premiere sogar einige Zuspätkommende wieder nach Hause geschickt werden. Pünktlich zum Einlass für das dritte „Freigemacht“-Konzert um 20 Uhr war der Platz vor dem „Tower“ im Herdentorsteinweg deshalb bereits gut gefüllt – keiner der Gäste wollte riskieren draußen zu bleiben und die Hamburger Band „Shellycoat“, sowie den Hauptact, die „Blacklist Royals“ aus Nashville, zu verpassen. „Shellycoat“ eröffneten das Konzert und begeisterten die zahlreichen Zuschauer mit ihren Punkrock-Songs, die gleich für eine gute Stimmung und einen rundum gelungenen Einstieg sorgten. Nach 45 Minuten endete das Set von „Shellycoat“, die kürzlich ihr neues Album „Hours Left To Stay Awake“ veröffentlicht haben. Bevor im Anschluss die „Blacklist Royals“ die Bühne stürmen konnten, mussten die Zuschauer sogar gebeten werden ein bisschen näher zusammenzurücken. Denn auch die Gäste aus der einen Stockwerk höher gelegenen Bar wollten noch einen Platz vor der Bühne im randvollen „Tower“ ergattern. Das Quartett aus den USA, das beim Bremer Plattenlabel „Gunner Records“ unter Vertrag steht und im letzten Jahr sein Debütalbum „Semper Liberi“ veröffentlichte, konnte sein musikalisches Können bereits auf zahlreichen Konzerten und Festivals unter Beweis stellen. Auch die „Blacklist Royals“ überzeugten mit ihren Songs, die ebenfalls in Richtung Punkrock gehen, auf Anhieb. So sehr sogar, dass es unter den Zuschauern die ein oder andere Pogo-Einlage gab und die


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Band die Bühne erst nach zwei Zugaben verlassen durfte. Nach insgesamt gut zwei Stunden Spielzeit blieb ein rundum glückliches Publikum und die Erkenntnis, dass man für gute Musik nicht unbedingt viel bezahlen muss. Die „Blacklist Royals“ selbst waren auch mehr als zufrieden und bezeichneten ihren Auftritt sogar als „best show in Germany so far“. Oliver Brock war nach dem dritten Konzert der Reihe ebenfalls hocherfreut von der guten Resonanz: „ So haben wir uns das vorgestellt und so macht es einfach Spaß, zu sehen, dass sich die Bremerinnen

und Bremer wirklich für Musik interessieren und offen für Neues sind“. Bleibt nur noch zu wünschen, dass sich vielleicht auch andere Musikclubs in Bremen ein Beispiel an dieser Idee nehmen werden und man so in Zukunft noch öfter in den Genuss von Livemusik kommen kann, ohne dafür tief in die Tasche greifen oder sich gleich auf den Weg nach Hamburg machen zu müssen. Denn der Abend im „Tower“ hat bewiesen, dass diese Stadt durchaus zu rocken weiß und sich nicht nur als Heimat der Stadtmusikanten bestens eignet. Wer jetzt auch Lust auf ein Konzerterlebnis für lau bekommen hat, kann sich freuen, denn die nächsten „Freigemacht“-Konzerte sind schon in Planung. Alle weiteren Infos, sowie Ankündigungen zu anstehenden Termine sind auf http://www.tower-bremen. de/ zu finden. Text: Kira Kettner Foto: shellycoat.de, southernlovin.com

Überhört In den Bussen und Bahnen Bremens sind oft kuriose und lustige Gespräche oder Situationen zu überhören. Oft kann man garnicht anders, als amüsiert zu lauschen. In dieser Kolumne gibt es ein paar Kostproben von dem, was ich täglich überhören musste.

Haltestelle des Universität Zentralbereichs

Straßenbahn Linie 10

Die ersten Sonnenstrahlen, fast schon sommerliche Temperaturen. Ein junger Mann guckt irritiert auf die Beine seiner Begleitung, die auf Grund ihrer ¾ Hose nicht ganz bedeckt sind. „Sag mal, warum trägst du denn bei diesem Wetter eine weiße Strumpfhose?“ - „Äh, das ist keine Strumpfhose, das ist meine Haut.“ Merke: Jeder, der nach dem Winter keine gebräunten Beine vorzeigen kann, gilt also keinesfalls als solariumabstinent, sondern als Fetischist für weiße Strumpfhosen.

Zwei junge Frauen unterhalten sich über den Film und das Buch Wüstenblume des somalisches Models Waris Dirie. Dabei scheint es, als hätten nicht beide regelmäßig den Geographieunterricht besucht. „Hast du eigentlich auch den Film Wüstenblume geguckt? Nach dem Buch von dieser Waris Dirie?“ - „Ne, ich hab nur das Buch gelesen. Wo kommt diese Waris nochmal her?“ - „Ich glaube aus Somalia oder so.“ - „Quatsch, die kommt doch aus Afrika oder nicht?“ - „Bist du doof? Somalia ist in Afrika! Du warst letzten Sommer auch in Afrika, das weißt du, ne!?“ - „Bist du doof?? Ich war letzten Sommer in Ägypten!“ Eine Sekunde lang überlege ich, das Geographiegenie nach der Staatsangehörigkeit zu fragen. Die Angst, dass die Antwort „europäisch“ lauten könnte, ist jedoch zu groß und so bleibe ich still und schmunzelnd sitzen.

Straßenbahn Linie 6 Zwei Kinder, circa zwölf Jahre alt, diskutieren Themen, die weit über Pokemon und Co. hinaus gehen. „Hast du die neuen Spritpreise schon gesehen?“ - „Ja, die sind ja schon wieder hoch gegangen!“ Ernstes Kopfschütteln: „Ich weiß, schlimm sowas. Wer kann es sich denn bald überhaupt noch leisten, Auto zu fahren!?“ Inmitten dieses interessanten Gesprächs musste ich leider aussteigen, dabei hätte ich doch zu gerne noch die neuesten Aktienkurse erfahren.

Text: Giulia Ricci

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Feuilleton

Bin ich inspiriert, geht alles gut… Spätestens seit Cordula Stratmanns „Schillerstraße“ ist Impro-Theater bekannt und beliebt. Ein Hochschulsportkurs gibt einen Einblick in diverse Techniken des kreativen Bühnenspiels.

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tudenten brauchen seit jeher ein ausgeprägtes Improvisationstalent. Sei es, um ein schlecht ausgearbeitetes Referat zu retten, um immer neue Argumente für die Verlängerung von Abgabefristen zu finden oder für den kreativen Speiseplan am Monatsende. Vielleicht hat die Uni Bremen diesen Umstand erkannt, als sie dem Hochschulsportkurs „Improvisationstheater“ für dieses Semester ihr Einverständnis gegeben hat. Jeden Freitag von 20:30 bis 22:00 Uhr werden Michel Büch, Tobias Sailer und eine bunt gemischte Gruppe von Bremer Studenten ihre Improvisationskünste ausprobieren, üben und perfektionieren. Die Workshopleiter sind selbst begeisterte Impro-Spieler und stehen gemeinsam unter dem Namen „die beiden“ regelmäßig auf der Bühne. Hinter ihrem Programm und dem Workshop stecken ein langer Weg über viele verschiedene Theaterprojekte und eine große Portion Leidenschaft, die sie gerne mit anderen teilen möchten. Improvisation kann bedeuten, einfach auf die Bühne zu gehen und irgendeinen Satz zu sagen, der einem gerade in den Kopf kommt. Darauf reagiert der Partner und aus diesen fortgeführten Reaktionen entwickelt sich dann eine Geschichte, die völlig überraschend sein kann und zu Beginn der „Impro“ nicht feststeht. Das ist spontan, oft sehr lustig und kann kaum langweilig werden. Aber dies ist nur das Grundprinzip, denn Improvisation ist eine sehr facettenreiche Spielart des Theaters und schließt viele verschiedene Formen und Varianten mit ein. Ihnen allen gemein ist, dass sie gänzlich ohne vorgefertigten Text, ohne Skript und ohne Pläne auskommen. Auf der Bühne hat der Impro-Schauspieler nur sich selbst und das, was sich um ihn herum im Raum befindet, zur Verfügung. Trotzdem – oder gerade deswegen – tritt er nicht völlig unvorbereitet vor sein Publikum. „Wenn wir proben“, so Michel Büch über die gemeinsame Arbeit, „versuchen wir einfach, zusammen zu kommen, uns genau zuzuhören und gemeinsam etwas zu entwickeln.“ Es gilt, eine hohe Sensibilität für Mimik und Gestik des Partners zu entwickeln, um dessen Andeutungen und Hinweise verstehen und weiterführen zu können. Dafür muss die gegenseitige Wahrnehmung der Schauspieler geschärft werden. Als Vorbereitung können aber auch diverse Techniken und ein gewisses Repertoire an erzählerischen Strukturen erlernt werden. Darunter fällt zum Beispiel die „Yes, and“-Methode.

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Dabei lernen die Impro-Spieler einen Impuls von anderen aufzugreifen und ihn weiter zu entwickeln ohne dabei den eigenen Vorstellungen den Vorrang zu gewähren. Nicht die eigene Interpretation der Situation ist entscheidend, sondern das, was aus einer gegebenen Idee heraus improvisiert werden kann. Ganz nach dem Motto des vermutlich bekanntesten Improtheater-Mitbegründers Keith Johnstone: „Bin ich inspiriert, geht alles gut, doch versuche ich es richtig zu machen, gibt es ein Desaster.“ Es soll nicht in erster Linie um Methoden gehen, sondern vor allem um den Spaß am Ausprobieren. Darum, auch in Situationen, in denen man im Mittelpunkt steht, nicht zu verkrampfen und sich von unnötigen Erwartungshaltungen frei zu machen. Jeder kennt die Nervosität und das ungewohnte Gefühl, angeschaut zu werden, aus diversen, nicht immer angenehmen Referatssituationen und so manch einer kann es nur durch Üben und Ausprobieren überwinden. „Ich glaube, dass jeder schon die Anlagen in sich trägt, um Nervosität, Hemmungen und das Angegucktwerden übergehen zu können und sich davon nicht aufhalten zu lassen“ stellt Tobias Sailer fest. Deswegen richtet sich das Kursangebot weder speziell an erfahrene, noch an unerfahrene (Impro-)Schauspieler, sondern an alle, die sich dafür begeistern können. Der Erfolg spricht für das Konzept des Workshops. Unmittelbar nach der Anmeldefrist waren alle Plätze besetzt und die Länge der Warteliste wächst stetig weiter. Deswegen wurde sogleich ein zweiter Workshop, ebenfalls unter der Leitung von Tobias Sailer, ins Leben gerufen (Montag, 18:15 bis 19:45 Uhr im Schlachthof ). Wer also jetzt Lust bekommen hat, sein Improvisationstalent auf die Probe zu stellen, ist herzlich eingeladen, sich auf der Warteliste einzuschreiben oder sich per Mail (kontakt@ die-beiden.info) direkt bei den Workshop-Verantwortlichen zu melden. Notfalls improvisieren die beiden da was. Und wer das alles gerne einmal mit eigenen Augen sehen möchte, kann „die beiden“ bei ihrem nächsten Auftritt am 28. Mai 2011 im Magazin-Keller im Schlachthof besuchen oder sich nach weiteren Informationen auf der Website www.die-beiden.info umschauen. Text: Anna Cordes Foto: Lisa Mertens


Feuilleton

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er Hinterhof des Goethetheaters. Ein Tunnelgang führt in Bremens beschauliches Milchquartier im Ostertorviertel. Seitlich geht es in den Brauhauskeller. Gerade mal 50 Leute haben hier Platz. Die Stücke von Elfriede Jelinek stoßen in der Regel immer auf relativ großes Interesse, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass ihr 2004 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde und ihre Stücke das moderne Regietheater immer wieder zu exzessiven Bühnenshows verleiten. Im Vorraum stehen Ü-50 Pärchen so weit das Auge reicht, aber auch ein linksalternatives, jüngeres Paar wie aus dem Bilderbuch.

nachvollziehen kann... Vielleicht wäre ein Ein-Personen-Stück sinnvoller gewesen, diese Jelinekschen Sprachflusskonstrukte, mit viel gesellschaftskritischem RAF-Duktus versehen, lassen sowieso keine Dialoge, geschweige denn eine Handlung entstehen. Von Nachvollziehen kann keine Rede mehr sein. Die Analogie zu Schillers Drama „Maria Stuart“ ist vor allem in der Konstellation der beiden konkurrierenden „Königinnen“ Meinhof und Ensslin als DIE weiblichen Führungsfiguren der RAF angelegt. Beide ziehen sich im weiteren Verlauf dementsprechend elisabethanische Unterrockkleider an und balzen sich danach wie

Besuch im Brauhauskeller Das RAF- Schauspiel „Ulrike Maria Stuart“ von Elfriede Jelinek Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse Des Weiteren die obligatorische Tochter aus gutem Haus, die ihre Eltern mit dem Besuch eines JelinekStücks mal so ein bisschen „Schockkitzeln“ möchte. Nach einem Glas Merlot bewege ich mich in den Saal, der wie einer von diesen Mini-Kinosälen wirkt. Passend dazu wird im hinteren Teil der schlauchartigen Tunnelbühne ein Störfernsehflimmerbild auf eine Leinwand projiziert. Blind versuche ich mir meine ersten Notizen zu machen, dann geht es los, das Königinnendrama. Zu Beginn gibt uns Irene Kleinschmidt als Ulrike Meinhof im existentialistischen Schwarzlook eine Einführung in die geschichtlichen Umstände, aus denen die RAF hervorging. Sie erklärt es nicht nur uns, sondern auch ihren Kindern, die sie damals für den bewaffneten Stadtguerillakampf verließ. Pikanterweise werden diese als Hand-Puppen von den hinter ihrem Schreibtisch hockenden Schauspielern Johanna Geißler und Glenn Goltz wie im Kasperletheater gesprochen. Wenig später erscheinen die Beiden als Andreas Baader und Gudrun Ensslin auf der Bühne, die als Terrorliebespaar zusammen mit Meinhof als die Hauptidentifikationsfiguren der ersten Generation der RAF galten. Ensslin bauchfrei mit Lady Gaga-Perücke, Baader im Armeesakko, beide mit coolen Sonnenbrillen ausgestattet. Der Schriftzug des Kaufhauses Schneider erscheint im Hintergrund. Dort fand der berühmte Kaufhausbrand statt, so etwas wie die Initialzündung für die RAF. Langsam erinnere ich mich wieder: Baader in Haft, die spektakuläre Befreiung, Ulrike Meinhoff, dramatisch vor die Wahl gestellt, die Revolution weiterhin vom Schreibtisch aus zu begleiten oder jetzt und hier, den lebensgefährlich verletzten Institutsangestellten im Rücken, mit in den bewaffneten Untergrund zu gehen. Schwere Kost, durchaus Stoff für ein Drama bietend. Und Jelinek lässt uns an dem inneren Zwiespalt der Meinhoff als Mutter von zwei Kindern sogar teilhaben, durch klare Monologe, die ich zu diesem Zeitpunkt noch wunderbar

Sumoringer über den Bühnenboden. Baader taucht irgendwann als schwarzer Mephisto-Engel auf, Tocotronic singen von der „puren Vernunft“, die „niemals siegen darf.“ Da kommt beim Zuschauer automatisch Melancholie auf - das wirkt. Das „Schreibmaschinenkonzert“ von Leroy Anderson wird von Meinhof und Ensslin pantomimisch begleitet, zum Schluss versammeln sich alle zu „Gute Nacht, Freunde“ von Reinhard May auf der Bühne und ich habe das Gefühl, einen etwas wortlastigen Videoclip gesehen zu haben. Text: Karim Ahmed Foto: Theater Bremen

„Ulrike Maria Stuart“ unter der Regie von Mirja Biel und Joerg Zboralski Am 19. und 28. Mai im Brauhauskeller (Hinterhof des Goethetheaters) Kartenpreise für Studierende bis 27 Jahre: 9 Euro, darüber 14 Euro 39


Mathilde Vollmoeller-Purrmann, Stillleben mit Calla, Paris, 1911, Stadt Speyer

Ein Fest der Farben Im Paula Modersohn-Becker Museum findet zur Zeit eine Austellung der Malerin Mathilde Vollmoeller-Purrmann statt.

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ie Kunstsammlungen Böttcherstraße, bestehend aus dem Paula Modersohn-Becker Museum und dem Museum im Roselius-Haus, zählen für viele immer noch zu den eher altmodisch konzipierten Museen, die Bremen zu bieten hat. Alleine das abwechslungsreiche und vielfältige Programm der letzten Monate beweist jedoch das Gegenteil. Das Paula Modersohn-Becker Museum ist weltweit das erste Museum, welches dem Werk einer Malerin gewidmet wurde. Paula Modersohn-Becker (1876- 1907) wurde nur 31 Jahre alt und gilt heute dennoch als Pionierin der Moderne. In immer wieder wechselnden Ausstellungen werden ihre Werke in verschiedenste Kontexte gestellt und den Besuchern wird verdeutlicht, wie sich ihre Arbeit verändert und weiterentwickelt hat. Abgesehen von den Werken seiner Namensgeberin stellt uns das Paula Modersohn-Becker Museum momentan eine weitere Künstlerin vor, die bei der Betrachtung der künstlerischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht außer Acht gelassen werden sollte. Mathilde Vollmoeller-Purrmann (1876- 1943) kann, genau wie Paula Modersohn-Becker selbst, zu den Künstlerinnen gezählt werden, welche zu Lebzeiten nicht die Anerkennung bekamen, die sie verdienten. Lange ist man davon ausgegangen, dass sie nach ihrer Heirat mit Hans Purrmann, selbst auch Künstler, das Malen eingestellt hatte und viele ihrer bis dahin geschaffenen Werke zerstört wurden. Erst 1999 wurde eine Vielzahl ihrer Arbeiten wiederentdeckt und es wurde klar, dass sie der Kunst bis zu ihrem Tod treu geblieben war. Die Sammlung der Gemälde von Vollmoeller-Purrmann besteht größtenteils aus Porträts und Landschaften. Sie lebte und ar40

beitete einige Zeit in Paris und nach ihren Besuchen der dortigen Cézanne-Retrospektive wurde deutlich erkennbar, welchen künstlerischen Einfluss dieser berühmte Maler auf ihre Werke hatte: Die Farbe wurde zum Gegenstand der harmonischen Bildkomposition. Auch ihr späteres Studium an der Akademie von Henri Matisse prägte ihre Arbeit. Die Sonderausstellung „Fest der Farben“ wurde kuratiert von Dr. Frank Laukötter, Verena Borgmann und Simone Ewald. Sie entstand in Kooperation mit dem Purrmann-Haus in Speyer. Etwa 40 Leihgaben wurden von diesem Haus und aus Privatbesitz zur Verfügung gestellt. Darunter befinden sich zahlreiche Landschaftsbilder und Porträts, sowie Aquarelle aus ihrer späteren Schaffensphase. Die Ausstellung zeigt auf beeindruckende Weise das Werk einer „verloren gegangenen“ Künstlerin und bringt dem Betrachter das Leben einer willensstarken Frau näher, die es geschafft hat, für ihre Familie da zu sein und trotzdem ihre künstlerische Freiheit auszuleben. Vor allem einige ihrer lebendigen Landschaftsbilder geben dem Besucher das Gefühl, selbst ein Teil der sonnigen Darstellungen zu sein und lassen die kühlen Museumsräume gleich ein paar Grad wärmer erscheinen. Noch bis zum 3. Juli 2011 kann die Ausstellung im Paula Modersohn-Becker Museum bewundert werden und für alle Studierenden des Fachbereichs Neun ist der Eintritt sogar kostenlos! Weitere Informationen zu Öffnungszeiten und kommenden Veranstaltungen findet ihr auf www.pmbm.de Text: Alexandra Knief Foto: pmbm.de


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Biutiful Ein Film über das Leben und Sterben, über den Glanz und die Schatten Europas. Der neue Film von Regisseur Alejandro González Inárritu, derzeit in der Schauburg zu sehen, ist keine leichte Kost.

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ährend Javier Bardem in Woody Allens romantischer Vorzeigekulisse („Vicky Cristina Barcelona“) sorglos umherstreifen konnte, hastet er in „Biutiful“, einem Raubtier gleich, tief gebeugt durch eine trostlose, elende Stadt. Handlungstechnisch überrascht der Film nicht, jedoch liefert Regissseur Alejandro González Iñárritu einen unerwarteten Blick auf Barcelona.

Bis jetzt der bedrückendste Film des Mexikaners, ist „Biutiful“ aber auch eindringlich und unsentimental, nicht zuletzt dank der Leistung des Hauptdarsteller. Obwohl die ganze Unmenschlichkeit der globalisierten Welt vorgeführt wird, ist Globalisierungskritik nicht das Hauptziel: Der Film erzählt vom Leben und Loslassen, von Kampf und Verzweiflung, von der Menschlichkeit im Unmenschlichen. Manche Geschichten sind eben hoffnungslos. Schön sind sie dennoch, und es wert, erzählt zu werden. Am Ende verlässt man betäubt den Kinosaal. Ob es sich lohnt, entscheidet jeder für sich.

Um seine Kinder zu versorgen, verdient der Kleinkriminelle Uxbal (Javier Bardem) sein Geld durch zwielichtige Geschäfte mit illegalen Einwanderern, die er einerseits unterstützt und andererseits ausbeutet. Er ist außerdem Mittelsmann zwischen den Toten, mit denen er angeblich reden kann, und den Lebenden, die in ihrer Trauer dafür bezahlen. Seine psychisch labile ExFrau (Maricel Alvarez) schläft mit seinem Bruder. Uxbals Leben ist also bereits ziemlich unerfreulich, als er erfährt, dass er Krebs im Endstadium hat. Ihm bleibt wenig Zeit, die wichtigsten Dinge vor seinem Abgang zu erledigen. Was schwierig ist, in einer Welt, in der ein Tiefschlag auf den nächsten folgt. Anders als in den verwickelten Episodengeschichten „Amores Perros“, „21 Gramm“ und „Babel“ konzentriert sich der Regisseur diesmal auf eine Stadt und einen Charakter. Gerade wegen der geradlinigen Erzählweise scheint dieses Werk zunächst überfrachtet mit Hoffnungslosigkeit. Es ist anstrengend, Uxbal dabei zuzusehen, wie er sich durch die Schattenseiten Europas bewegt, wo Gewalt an der Tagesordnung steht, in der dreckigen Toilette schmerzhaft Blut uriniert und Angst hat, nach dem Tod von seinen Kindern vergessen zu werden.

Text: Natalie Sadovnik Foto: Prokino

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Warum der Mensch spricht „Was wäre das Leben ohne die Sprache“? wird sich auch mancher Journalist oft fragen. Doch wo kommt sie her? Wie alt ist sie? Dieser und vieler Fragen mehr ist Autorin Ruth Berger nachgegangen.

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er Dozent, durch den man sich ungerecht behandelt fühlt, Liebeskummer oder Selbstfindungsprobleme – alles wird etwas leichter erträglich, wenn man darüber redet. Doch auch positive Erlebnisse, wie die tolle Zeit im Ausland oder die Begeisterung für den Film am Abend zuvor, möchten wir mit anderen teilen.

mit beeinflusst haben – die Sprache ist nicht durch eine einzelne Mutation gegeben, sondern entstand im Zuge der Entwicklung vieler anderer kognitiver und emotionaler Fähigkeiten.

Ruth Berger sammelt im Verlauf des Buches Indizien für beide Thesen und am Ende wird abgewogen, welche These stichhaltiger ist. Das Besondere hierbei ist, dass der Leser in alle wissenSprache gehört so selbstverständlich zu unserem Alltag wie schaftlichen Disziplinen Einblicke bekommt, die an der Erfordas Atmen: Ständig kommunizieren wir – es scheint uns ein groschung der Evolution der Sprache beteiligt sind – und das ist ßes Bedürfnis zu sein, uns anderen Menschen mitzuteilen, uns längst nicht nur die Sprachwissenschaft. Wir begleiten Biologen auszutauschen. Warum sollten wir so etwas Selbstverständliches und Psychologen bei ihren Versuchen, Menschenaffen Sprache wie unsere Sprache überhaupt in Frage stellen? beizubringen; Man ist erstaunt, denn das klappt besser als gedacht. Auch wenn Sprachfähigkeiten der Menschenaffen nicht Weil wir uns damit auf eine sehr interessante Reise nach den an das Sprachniveau eines erwachsenen menschlichen Sprechers Ursprüngen der Menschheit begeben und außerdem etwas daheran kommen, können sie immerhin bis zu 300 Wörter einer rüber erfahren, was uns als Menschen ausmacht! Ruth Berger Sprache lernen und verblüffen durch eine ungeahnte Verwennimmt uns in ihrem Buch “Warum dung von Wörtern. Beispielsweise der Mensch spricht” auf diese äußerst ist der Schimpanse Sherman, dem spannende Exkursion in die Verganim Zuge eines Forschungsprojekgenheit mit. Es soll die Frage beanttes beigebracht wurde, sich mittels Sprache gehört so wortet werden, wann in der Geschicheines Computers sprachlich auszuselbstverständlich zu unserem te der Menschheit das erste Mal eine drücken, sogar in der Lage, SpraSprache auftrat, die vergleichbar mit che kreativ zu verwenden. Als ihn Alltag wie das Atmen. den heutigen Sprachen ist. ein Pfleger durch das Entzünden einer bisher unbekannten WunderInsgesamt läuft Ruth Bergers Unterkerze in Angst versetzt, tippt er in suchung der Sprache auf zwei Hauptthesen hinaus, die nicht den Computer ein: „Strohhalm geben Schreck raus“ - da er kein miteinander vereinbar sind. Die erste geht von einem recht späWort für „Wunderkerze“ hat, verwendet er eben „Strohhalm“ ten Beginn der Sprache aus – demnach wäre sie den Menschen dafür, welcher einer Wunderkerze zumindest von der Form her durch die zufällige Mutation des Erbguts vor circa 50.000 bis ähnelt. 200.000 Jahren zugefallen, welche eine Umstrukturierung im Gehirn bewirkte, die den Menschen sprachfähig machte. Die Weitere Antworten auf die vielen Fragen versuchen Genetiker zweite These sieht Sprache als Produkt eines wesentlich längeren zu liefern: Was hat es mit dem mysteriösen Sprachgen FOXP2 evolutionären Prozesses, der quasi dann einsetzte, als aus Menauf sich? Oder kommen wir der Antwort ein Stück näher, wenn schenaffen die ersten Urmenschen wurden – das ist immerhin wir mit Archäologen die Knochen von Neandertalern und Urschon gut zwei Millionen Jahre her. Diese Thesen beinhalten menschen ausgraben? Diese Knochen sollen Auskunft darüber jedoch mehr als die bloße Frage der Datierung, vielmehr geht geben, ob die frühen Menschen aufgrund ihres Sprechapparats es hierbei um zwei verschiedene Auffassungen über die Spraüberhaupt in der Lage gewesen wären, Laute zu produzieren, che und das Menschsein. Folgt man der ersten These, setzte die die denen heutiger Sprachen ähneln. Schließlich leisten auch die Sprachfähigkeit der Menschheit erst dann ein, als der Mensch Neurowissenschaften ihren Beitrag, denn es könnte aufschlussschon alle anderen Eigenschaften besaß, die ihn „menschlich“ reich sein zu erforschen, ob Sprachproduktion und -verarbeimachen. Folgt man jedoch der zweiten These, muss die Entwicktung eher in evolutionär alten oder neuen Gehirnteilen stattfinlung von Sprache den Prozess der Menschwerdung entscheidend det – hier streifen wir die alte Debatte, ob Sprachfähigkeit für 42


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sich alleine steht oder mit der allgemeinen Intelligenz verknüpft ist. So fügen sich letztendlich immer mehr Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammen. Ruth Berger hat das Ganze sehr gut nachvollziehbar strukturiert und fasst am Ende noch einmal all ihre Ergebnisse zusammen. Obwohl das Buch sich mit anspruchsvollen wissenschaftlichen Inhalten befasst, ist es sehr humorvoll und unterhaltsam geschrieben und außerdem auch gut ohne Vorkenntnisse verständlich. Alles in allem ist es der Autorin sehr gut gelungen, die neuesten Forschungsergebnisse aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen darzustellen und zueinander in Beziehung zu setzen. So entsteht eine runde Vorstellung davon, wie sich die Sprache entwickelt haben könnte. Dieses Buch sei vor allem

Studenten der Linguistik, einer Philologie, der Biologie oder der Kulturwissenschaften ans Herz gelegt und darüber hinaus natürlich allen, die an der Evolution von Sprache oder des Menschen generell interessiert sind. Nach dem Lesen des Buches macht sich das Gefühl breit, auf sehr unterhaltsame Weise mehr gelernt zu haben als in so manchem linguistischen Seminar. Ruth Berger: „Warum der Mensch spricht. Eine Naturgeschichte der Sprache“ ist 2008 bei Eichborn erschienen. Erhältlich für 19,95€.

Text: Christina Freihorst

Anständig essen. Ein Selbstversuch Diäten sind zum Kult geworden, ganz gleich auf welche Art. Was neben dem Gewicht mit einem selbst passiert, wenn man den Ernährungsexperten folgt, steht aber meistens nicht in den selben Büchern.

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n der Mensa gibt es seit kurzem veganes Essen und es ist auch noch nicht allzu lange her, dass in Bremen der vegetarische Tag eingeführt wurde. Sich mit seiner Ernährung auseinanderzusetzen, scheint momentan voll im Trend zu liegen. Genau dies tut auch Karen Duve, indem sie ein 10-monatiges Experiment in Sachen Ernährung wagt und dieses in ihrem Buch „Anständig essen“ dokumentiert. Alles begann damit, dass ihr das Gewissen in Gestalt ihrer Mitbewohnerin im Supermarkt eine Packung „Qualfleisch“ ausredete. Karen Duve, ehemals Verfechterin von Brathähnchen, Gummibärchen, Cola und Co., entscheidet sich, jeweils zwei Monate nacheinander die rein biologische, vegetarische und frutarische Ernährung zu testen. Vier Monate lang lebt sie sogar vegan. Ihre Vorurteile, Erfahrungen und Erkenntnisse hält sie in Form von Tagebucheinträgen, die monatsweise zusammengefasst sind, fest. Auf humorvolle Art und Weise beschreibt sie ihren täglichen Kampf mit dem Essen und den strikten Regeln, die ihr die Ernährungsweisen auferlegen. Dabei bezieht sie den Leser direkt in ihr Alltagsleben mit ein und schildert anschaulich, wie ihr neues Essverhalten ihren Tagesablauf beeinflusst. Obwohl die Autorin anfangs die verschiedenen Überzeugungen nicht nachvollziehen kann, sie stellenweise sogar verspottet, bleibt sie zielstrebig. Neben den Nahrungsmitteln an sich beschäftigt Karen Duve sich auch

Karen Duve Anständig essen Ein Selbstversuch

mit der Herkunft und Herstellungsweise unseres Essens und liefert dabei viele wissenswerte, teils erschreckende Fakten über die Nahrungsmittelindustrie. Ein Beispiel ist, dass einem Huhn in einer typischen Legebatterie gerade mal 550 cm² zur Verfügung stehen, was in etwa der Größe dieser Seite entspricht. Dies wird durch mehrere informative Interviews mit verschiedenen Parteien über das Thema Ernährung unterstützt. Insgesamt ist „Anständig essen“ ein lesenswertes Buch, das keinesfalls nur für Vertreter einer der von Karen Duve erprobten Ernährungsweisen geeignet ist. Da die Autorin ihren Selbstversuch unabhängig von jeglichen Überzeugungen begann, kann der Leser durch ihre Augen mitverfolgen, wie sie langsam anfängt, sich mit ihrer Ernährung zu befassen und welche Faktoren, wie beispielsweise Internetrecherche, sie dabei beeinflussen. Am Ende des Experiments zieht sie ihre Schlüsse und trifft eine endgültige Entscheidung in Bezug auf ihre Ernährung.

Karen Duve: „Anständig essen. Ein Selbstversuch“ Verlag: Galiani Berlin, Hartcover mit Schutzumschlag Preis: 19,95 Euro, ISBN 978-3-86971-028-0

Text: Alina Fischer Foto: Galiani Verlag

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Adele 21 In ihrem neuen Album singt die junge Britin mit der außergewöhnlichen Stimme von Liebe und Schmerz und lässt den Soul noch lange nicht in Vergessenheit geraten.

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dele Laurie Blue Adkins, besser bekannt als „Adele“, hatte bereits mit 14 zum ersten Mal ein Mikrofon in der Hand. Seit ihrem ersten Album „19“, das 2008 erschien, wird sie in Großbritannien als neue Amy Winehouse gefeiert – stimmlich kann sie da auf jeden Fall mithalten, nur über Drogenskandale ist bisher nichts bekannt. Sie macht Soul mit etwas Pop und Jazz vermischt, vergleichbar mit den ebenfalls britischen Sängerinnen Rumer und Duffy. Nun ist ihr zweites Album „21“ erschienen, welches entstand, während sie 21 war (mittlerweile ist sie 22). Adeles Stimme ist sehr vielseitig: Mal geschmeidig und glatt, mal rau und soulig. In Kombination mit Background-Gesang und Orchester entstehen imposante Klänge, manche Lieder sind aber auch nur mit Klavierbegleitung ganz puristisch gehalten (zum Beispiel „Someone like you“). Auf „21“ finden sich viele ruhigere Balladen, in denen Adeles Stimme sanft und manchmal zerbrechlich oder anklagend klingt. Als Gegensatz dazu gibt es auch ein paar schnellere, energiegeladenere Stücke, wie das erste „Stück Rolling in the deep“: es hat einen schnellen, stampfenden Rhythmus und drückt eine gewisse Wut über das Scheitern einer Beziehung aus.

das man zurzeit beobachten kann. Das Album ist als normale Version (11 Tracks) für 11,99€ erhältlich oder als Limited Edition mit zwei Bonustracks für 15,95€. Die Limited Edition lohnt sich schon wegen einem dieser Bonustracks: „If it hadn’t been for Love“, ein Coversong, der nach Country und Blues klingt und deswegen aus dem Rest des Albums heraussticht.

Insgesamt ist das Album von der Verarbeitung von Trennung und Liebeskummer geprägt, wobei man das Gefühl hat, dass diese Verarbeitung nun abgeschlossen ist. So wünscht Adele in „Someone like you“ ihrem ehemaligen Geliebten alles Gute für den weiteren Lebensweg, möchte aber dennoch nicht vergessen werden: “Nevermind I‘ll find someone like you/ I wish nothing but the best for you two/ Don‘t forget me, I beg/ I remember you say: ‚Sometimes it lasts in love but sometimes it hurts instead‘“. Am Ende bleibt die nüchterne Erkenntnis, dass die Liebe eben manchmal schmerzlich sein kann. Gut, wenn man den Schmerz wenigstens kreativ verarbeiten kann, so wie Adele. Alles in allem ist dank Adeles außergewöhnlicher Stimme und den gelungenen musikalischen Arrangements ein ausdrucksstarkes Album entstanden. Einziges Manko: Man hätte sich über noch mehr schnellere Songs à la „Rolling in the deep“ gefreut! Trotzdem lohnt sich die Anschaffung für jeden, der sich über das Revival des Soul freut, 44

Text: Christina Freihorst Foto: Beggars Group


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Clueso – An und für sich Mit Songs wie „Gewinner“ und „Keinen Zentimeter“ erreichte Clueso bereits gute Chartplatzierungen und machte bundesweit auf sich aufmerksam. Im neuen Album „An und für sich“ bleibt sich der kreative Songwriter treu und begeistert mit einem Hauch Poesie und ruhigen Melodien.

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inem größeren Publikum zugänglich wurde der Erfurter Sänger und Songwriter Clueso erstmals, als er 2005 bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest mit dem Song „Kein Bock zu geh’n“ für sein Bundesland antrat und immerhin den siebten Platz holte. Urspünglich kommt Clueso aus der Musikrichtung Hip Hop, was sich vor allem auf seinem ersten Album „Text und Ton“ (2001) noch stärker bemerkbar macht. Auf seinen folgenden Alben „Gute Musik“ (2004), „Weit Weg“ (2006) und „So sehr dabei„ (2008) experimentiert Clueso mit verschiedenen Musikstilen und mischt Pop mit Reggae, Rock, Jazz und Hip Hop. Auch sein viertes Album „An und für sich“ lässt sich schwer in nur eine Musik-Kategorie einordnen: Hier wechseln sich akustische Gitarren und deutlich mehr elektronische Elemente, als man es von Clueso gewohnt ist, ab. Insgesamt sind die Lieder auf diesem Album eher ruhig, manch einer mag die Stimmung als melancholisch empfinden. In der Tat ist dies kein Album, das man hören würde, um in Partystimmung zu kommen. Andererseits ist es aber auch keine Musik, die einen runterzieht oder die man nur hören kann, wenn man sowieso schon deprimiert ist. Am besten lässt sich das Album wohl in einer leicht nachdenklichen Stimmung hören, wenn man Zeit hat, auch auf die Texte zu achten: Diese machen Cluesos Musik zu etwas Besonderem und werden von seinen Fans besonders geschätzt. Jeder Song ist wie eine kleine Geschichte, eine persönliche Erfahrung oder eine Reise, auf die uns Clueso mitnimmt. Das Alltägliche, das Erlebte wird zur Poesie. Thematisch handeln die Lieder davon, im Hier und Jetzt zu leben und den einzelnen Moment zu schätzen, was schon der erste Song „Zu schnell vorbei“ einleitet: „Zu schnell vorbei./ Sag mal wie schnell verging schon wieder die Zeit./ Ich genieß‘ den Moment, zu schnell vorbei.“ Auch das Auf-der-Suche-sein, nach sich selbst und dem,

was man tut, sowie eine gewisse Rastlosigkeit wird thematisiert. Schade ist, dass Clueso im Vergleich zu früheren Alben etwas an sprachlicher Originalität und musikalischer Vielfalt eingebüßt hat. Die Songs sind sich untereinander vom Klang her ähnlicher als auf früheren Alben. „An und für sich“ ist definitiv ein Album, in das man sich eine Weile reinhören muss, es ist nicht unbedingt beim ersten Mal eingängig. Nach mehrmaligem Hören kann man aber zustimmen: Es ist “mehr als nur Musik” entstanden – wie Clueso, ganz unbescheiden, im CD-Booklet verkündet – insofern, als man das Gefühl hat, dass in vielen der Songs Wahrheiten ausgedrückt werden, die man vielleicht schon immer kannte, aber sich so nicht bewusst gemacht hat. Für Clueso-Fans ist das neue Album fast schon ein Muss, da es wie gewohnt Texte enthält, die einen zum Nachdenken anregen können (wenn man denn möchte) – wer Clueso aber noch nicht kennt, dem würde ich vor allem auch die früheren Alben „Gute Musik“ und „Weit Weg“ empfehlen, in denen noch mehr mit verschiedenen Musikstilen und Themen experimentiert wird. „An und für sich“ ist für 14,95€ käuflich zu erwerben und enthält 17 Tracks. Übrigens: Wer Karten für die Auftritte von Clueso und seiner Band im Clueso Ticketshop (http://ticket.clueso.de/ctxs/) bestellt, bekommt das Album kostenlos als Download obendrauf. Clueso und seine Band sind z.B. am 19.10.2011 in Hannover in der AWD Hall zu sehen (Stehplatz für 30€).

Text: Christina Freihorst Foto: becktomusic.de

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Blog-Up Your Life! Eine neue Ära des Social-Networking: In der Mode geht nichts mehr ohne das Phänomen Blog.

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as Internet gehört zum Studenten-Alltag, das ist klar, aber nicht nur Stud.IP ist dafür verantwortlich. Schon vor dem ersten Bissen ins Frühstücksbrötchen wissen wir dank Facebook, dass die beste Freundin mal wieder verpennt hat oder ein Kommilitone heute doch lieber an den Werdersee fährt und die Uni sausen lässt. Unser Auftritt im World Wide Web wird immer bedeutender und die sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter & Co. reichen für viele User nicht mehr aus, um die eigene Persönlichkeit im Internet darzustellen. Das immer mehr genutzte Blogsystem bildet hierfür ein einfach zu handhabendes Medium.Besonders stark ist die Entwicklung von Blogs in der Modebranche zu beobachten. Schon heute haben sie einen bedeutenden Einfluss auf das Business und in einigen Jahren wird dieser Einfluss größer werden als der von renommierten Modemagazinen wie der Vogue. Anna Wintour, die gnadenlose Chefredakteurin, könnte von Jungbloggern/innen wie der fünfzehnjährigen Tavi Gevinson (www.thestylerookie. com), die bei legendären Modeschöpfern wie Karl Lagerfeld oder Marc Jacobs in der ersten Reihe sitzt, ersetzt werden. Die Online-Beliebtheit, welche durch kreativ gestaltete Blogs steigt, erleichtert den Einstieg in die Modeindustrie, auch ohne eine journalistische Ausbildung. Die Fashionwelt hat sich deutlich in Richtung Internet verschoben und ein Bericht über die letzte Modenschau von Louis Vuitton auf einem der zahlreichen Blogs wie „fashiontoast“ oder „menrepeller“ ist entsprechend wichtig. Sie dienen aber auch als ein einfaches Werbemittel für Designer und Marken, denn im Gegensatz zu den Zeitschriften können die Blogs kostenlos von Jedem im Internet aufgerufen werden. Aber nicht nur international haben die Modeblogs an Bedeutung zugenommen. In Deutschland hat das Duo Jessica Weiß und Julia Knolle von „Les Mads“ (www.lesmads.de) mit seinem Blog die regionale Modewelt in eine neue Ära geleitet. Als die beiden 2007 neben ihrem Studium in Köln die Domain gründeten, hätten sie sich den heutigen Erfolg wohl kaum zu 46

träumen gewagt. Sie gehören zu den gefragtesten Modejournalisten in Deutschland und ihr Blog hat monatlich über 650.000 Besucher. Das zeigt ganz deutlich den Trend von teuren Zeitschriften weg und hin zu kostenlosen Informationen über das Internet. Die Printindustrie muss sich etwas einfallen lassen, um nicht noch mehr ins Wanken zu geraten. Der Mix aus Mode, Lifestyle, Musik und Fotografie hält die Leser neben Neuigkeiten von den Laufstegen der Welt auch über neue Bands und coole Events in den deutschen Großstädten auf dem Laufenden. „Les Mads“ bietet nicht nur die Möglichkeit, eine persönliche Meinung abzugeben (bei Fragen wie: „Soll ich diese Bluse kaufen?“), sondern ist mit anderen Blogs in ganz Europa vernetzt, deren aktuellsten Post-Einträge immer ganz oben auf der Seite angezeigt werden. Blogs haben in Deutschland eine große Modebegeisterung hervorgerufen und zeigen, dass Mode und modisch Sein einen bezahlbaren Preis hat. Dieser Hype wirkt sich nicht nur auf die Hauptstadt aus, die ja bekanntlich Modemetropole ist. Auch in Kleinstädten, wie unserer Hansestadt, versuchen Modebegeisterte mit persönlichen Blogs den Einstieg in die Fashionbranche. Mit „lauscho in fashion“ (www.lauschoinfashion.blogspot.com) zeigt eine Studentin unserer Uni Mode-Input aus Bremen. Hier werden Trends analysiert oder „Streetstyles“ veröffentlicht. Die Reisen zur Fashion Week in Berlin im Frühjahr und Sommer sind die jährlichen Highlights des Blogs. Für die Zukunft dürfen, müssen und sollten wir uns auf einen explosiven Anstieg von Blogs auch in unserem ganz normalen Alltag einstellen. Informationen können so nämlich kostenlos und in einem rasanten Tempo verbreitet werden. Das Onlineprofil wird für alle bedeutsamer und Blogs bieten die Möglichkeit eines günstigen und vor allem persönlichen Auftritts im Internet. Also: Bloggst du schon oder blätterst du noch??? Text: Laura Schorfmann Foto: lesmads.de, Laura Schorfmann


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Und wenn sie nicht gestorben sind... Zwei Milliarden Menschen bestaunten ein britisches Märchen, dessen wahres Happy End noch aussteht. Ein kritischer Blick auf die Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton.

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aben wir im Moment eigentlich keine größeren Probleme als eine Hochzeit? Eigentlich schon, dennoch saßen am 29.April zwei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt gebannt vor ihrem Fernseher und sahen dabei zu, wie Catherine „Kate“ Middleton zum Altar schritt, um die Ehefrau von William Arthur Philip Louis MontbattenWindsor, kurz Prinz William, zu werden. Auch hier in Deutschland, wo wir ansonsten höchstens die Hochzeiten von B-Promis zu sehen bekommen, war dieser Tag im Kalender vieler nebenberuflicher Adelsexperten rot angestrichen. Aber was macht die Begeisterung für eine solche königliche Vermählung aus? Warum zelten Menschen tagelang vor dem Buckingham Palace, nur um einen kurzen Blick auf das Brautpaar zu erhaschen oder im schlechtesten Fall auf tausende von Hinterköpfen und allenfalls den Schatten einer Kutsche? Offenbar ist es die Sehnsucht nach ein wenig Romantik und Glück in Zeiten, in denen die Medien von Naturkatastrophen und Kriegen beherrscht werden, vielleicht auch nur die Begeisterung für den gewissen Glamour, der die königliche Familie seit jeher umgibt. Immerhin hat die Welt lange genug auf diesen Tag gewartet, inzwischen sind Kate und William seit acht Jahren in einer festen Partnerschaft, bis im letzten Jahr „endlich“ die Verlobung verkündet wurde. Ein ganz normaler Zeitraum für ein Paar in ihrem Alter, aber eine halbe Ewigkeit für die britische Boulevardpresse, die die Braut schon als „Waity Katie“ verspottete. Auch die traurigen Erinnerungen an Williams oft unglückliche Mutter Diana, der verstorbenen „Prinzessin der Herzen“, wurden immer wieder heraufbeschworen. Nicht Wenige sahen in Kates Verlobungsring, mit dem schon Prinz Charles um Dianas Hand angehalten hatte, gar ein schlechtes Omen für die Ehe der beiden.

verstaubt anmutenden Traditionen auch in dieser Ehe erhalten. So wird Kate als neue Prinzessin ihren Bachelor of Arts in Kunstgeschichte wohl nicht nutzen können, denn einem normalen Beruf nachzugehen ist einer königlichen Hoheit, allein schon aus Sicherheitsgründen, nicht zuzumuten. Stattdessen wird sich Prinzessin Catherine, wie sie von nun an heißt, wohl eher für öffentlichkeitswirksame Charityprojekte engagieren. Durchaus eine adäquate Tätigkeit, aber ob eine solche „Karriere“ eine wirkliche Erfüllung für eine moderne, junge Frau sein kann, bleibt fraglich. Als Gattin des Kronprinzen wird sie auch damit leben müssen, dass ihr in den kommenden Monaten die ganze Welt auf den Bauch starren wird, um zu beobachten, ob sich dort denn schon etwas wölbt. Schließlich muss so schnell wie möglich für einen kleinen Thronfolger gesorgt werden. Die Prinzessin als lebende Brutmaschine, wenn man so will. Leider ist auch die Tatsache, dass auf dem offiziellen Hochzeitsmerchandise das C für Catherine erstmals in der britischen Geschichte vor dem W ihres Ehemanns William steht, kein Zeichen für eine neue Emanzipation im Königshaus. Die königliche Familie wollte wohl nur keine romantischen Teller und Tassen mit dem Antlitz des Brautpaars verkaufen, die den treuen Untertan an seine Toilette erinnern, deshalb also nun CW anstelle von WC.

Nun aber sind alle Zweifel vergessen, wirklich jeder scheint sich für das frisch vermählte Ehepaar zu freuen und das britische Volk feiert den Aufbruch in eine modernere und irgendwie frischere Monarchie.

Kate Middleton hat Westminster Abbey als Prinzessin Catherine verlassen und sich damit den Traum vieler kleiner und großer Mädchen erfüllt. Wieder einmal ist ein Märchen wahr geworden und eine Bürgerliche aus dem Volk und ein gutaussehender, wohlhabender Prinz haben sich gefunden. Doch trotz der rosigen Aussicht, irgendwann einmal die Königin von England zu werden, trotz all des Glamours, der Krone und der Juwelen, so wirklich möchte man die junge Prinzessin nicht um ihr neues Leben im goldenen Käfig beneiden. Es bleibt den Frischvermählten nur zu wünschen, dass sie auch lange nach den Flitterwochen, wenn selbst der größte Adelsfan das winkende Paar auf dem Balkon oft genug gesehen hat und auch das kitschigste Hochzeitssouvenir im Regal langsam Staub ansammelt, immer noch glücklich sind.

Aber selbst wenn Kate und William als der neue junge Adel bejubelt werden, bleiben doch viele der althergebrachten und

Text: Kira Kettner Grafik: Stefan Kampe

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Feuilleton

Fernweh Beim Durchforsten von Literatur, der Vorbereitung von Referaten sowie dem Lernen für Klausuren ist es kein Wunder, wenn einen das Fernweh überkommt. Eine Reisemöglichkeit bietet die britische Hauptstadt London, die nicht nur mit ihren weltbekannten Sehenswürdigkeiten punkten kann.

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m Supermarkt kaufe ich Bioprodukte. Und versuche nicht so viel Müll zu produzieren. Und ich finde Atomkraft blöd. Ich würde behaupten, dass ich auf meine Umwelt acht gebe. Aber ich muss zugeben, dass ich auf die günstigen Ryanair- Flüge nicht mehr verzichten möchte. So kann ich auf eine zwar unökologische, dafür aber sehr preiswerte Art und Weise meine absolute Lieblingsstadt besuchen: Großbritanniens Metropole London. Um mir aber auch den Aufenthalt in der größten Stadt der Europäischen Union leisten zu können, musste ich Wege finden, mit möglichst wenig finanziellem Aufwand möglichst viel dabei rauszuholen. Ein Urlaubsbericht. Die Anreise nach London ist denkbar einfach, die Billigflieger-Kette Ryanair (www.ryanair.com/de) fliegt von Bremen aus täglich nach London Stansted. Von dort aus gibt es einen Bus- oder Zugtransfer in das Zentrum Londons. Damit euch der etwa einstündige Transfer nicht teurer als der Flug zu stehen kommt, solltet ihr im Voraus über das Internet buchen (www.stanstedairport.com) oder euch ein Ticket direkt an Bord des Fliegers verkaufen lassen. So zahlt ihr zum Beispiel für den Zug ca. £ 25,70 pro Person für Hin- und Rückfahrt. Über die verfügbaren Busgesellschaften könnt ihr euch am besten auf der Homepage des Flughafens informieren. Was den Transport innerhalb der Stadt angeht, gibt es einige Möglichkeiten, zu sparen – ein Schritt könnte dabei die Anschaffung einer Oyster Card sein. Das ist eine Prepaidkarte, die ihr für £ 5 an vielen Kiosken in London kaufen und aufladen kann. Anschließend können, statt jede Fahrt bar zu bezahlen, die Tickets mit der Oyster Card erworben und so auch noch Geld gespart werden. Nach 10 bis 15 Fahrten zahlt sich der Kauf auch aus, ansonsten kann die Karte einfach weiter gegeben oder für den nächsten Londonaufenthalt aufgehoben werden. Wer nur einen Wochenendtrip nach London unternimmt, fährt besser mit Tagestickets. Unter der Woche kosten diese £ 8, am Wochenende nur £ 6,60. (Vorsicht, vor neun Uhr am Morgen zahlt ihr unter der Woche noch einen Zuschlag für die Rush- Hour!) Aber egal, wie man es dreht oder wendet, Bus und U-Bahn zu fahrenist immer teuer in London. Deshalb habe ich versucht, so wenig „Viertelhopping“ wie möglich zu machen. Nehmt euch immer einen ganzen Tag für ein Viertel und bewegt euch dort zu Fuß fort, so werdet ihr mehr von der Stadt sehen und weniger Geld ausgeben. In Camden zum Beispiel, einem Stadtteil im Nordwesten Londons, könnte ich mich danke diverser Attraktionen eine ganze Woche lang aufhalten. Entlang der Camden High Street reiht 48

sich Laden an Laden, Bar an Bar. Exotische Menschen und die zwei Flohmärkte Camden Lock und Stables Market rauben einem am Wochenende wegen der Menschenmassen zwar den letzten Nerv, sind aber trotzdem einen Besuch wert. An den kleinen Verkaufsständen lohnt es sich, zu handeln- legt euch also vielleicht schon ein paar passende Vokabeln zurecht, um wahre Schnäppchen abzustauben. Auch wenn ihr keinen Schmuck, Klamotten oder Vintage kaufen möchtet, könnt ihr an den verschiedenen Ständen rund um die beiden Märkte lecker und

günstig essen und euch komplett kostenlos an den bunten Gestalten (viele Gothics, Punks etc.) erfreuen. Wenn es euch aber zu bunt wird, könnt ihr in einem der unzähligen Cafés entspannen, wie zum Beispiel im veganen Café In Spiro direkt am Camden


Feuilleton

Canal. Bei schönem Wetter könnt ihr auch direkt draußen am Kanal sitzen - aber denkt trotz der entspannten Atmosphäre daran: Kiffen ist in England nicht legal und Zivilpolizisten sind gerade in diesem Stadtteil viel unterwegs. Von Camden aus könnt ihr euch auch in andere Ecken treiben lassen, zu Fuß seid ihr schnell am Kings Cross Bahnhof, etwas länger braucht ihr zum Hampstead Heath, einem großen, aber weniger von Touristen besuchten Londoner Park. Einen ganzen Tag kann man sich übrigens auch in Shoreditch, dem angesagten Osten Londons vertreiben. Am besten sonntags, denn an diesem Tag findet der Brick Lane Market statt. Genau wie für Camden gilt auch hier: einfach treiben lassen und die Stimmung genießen, die Angebote in einem der vielen pakistanischen Restaurants nutzen und abends in eine der angesagten Bars einkehren. The Big Chill Bar ist zwar nicht besonders günstig, aber immer gut besucht und ein Spaßgarant. Vielleicht lernt ihr wie ich durch Zufall Leute kennen und zieht dann in eine andere Bar oder zu einer Party weiter. Aber wo bleiben die klassischen Sehenswürdigkeiten? Die sind alle nur kurze Distanzen voneinander entfernt, also kann man sich eigentlich eine organisierte Stadttour sparen und mithilfe eines Reiseführers die Gebäude ablaufen. Dazu könnt ihr gut am Buckingham Palace starten, weiter zur Westminster Abbey, zum Big Ben und von dort aus die Themse überqueren oder am Victoria Embankment entlangspazieren. Auf der Südseite der Themse findet ihr Shakespeares Globe Theatre und die fabelhafte Tate Modern – einfach ein Muss für alle Kunstbegeisterten. Der Eintritt ist hier, wie in den meisten Museen in England, übrigens frei. Gerade deshalb verwundert es sehr, dass viele Leute gerade die Sehenswürdigkeiten besuchen, die viel Geld kosten. Madame Tussauds und das Horrormuseum London Dungeon kann man zwar für £ 28 bzw. £ 18 besuchen – oder sich diese speziellen Attraktionen einfach in Hamburg angucken. Wer die Geschichte der Royal Family und die Kronjuwelen erleben möchte, kommt um einen Besuch des Tower of London nicht herum. Der Eintritt liegt allerdings bei ca. £ 15. Ansonsten ist es vom Buckingham Palace auch nicht weit zur National Gallery, in der der Eintritt ebenfalls kostenfrei ist. Nach Einbruch der Dunkelheit geht es über den in hellen Farben erleuchteten Piccadilly Circus weiter nach China Town. Dort gibt es leckere „all you can eat“- Buffets für wenig Geld. Wen danach die Füße noch tragen, der macht noch einen Abstecher nach Soho oder sucht sich einen gemütlichen Pub, um den Abend auf britische Weise ausklingen zu lassen. Übrigens ist das Übernachten in London mit das Teuerste – deshalb empfehlen sich (Youth-) Hostels, die ihr am besten frühzeitig im Internet (zum Beispiel über www.hostels.com) bucht. Da England ein typisches Backpacker-Land ist, sind die meisten Unterkünfte recht ordentlich. Pauschal etwas zu empfehlen ist schwer, die Auswahl in London ist groß! Eine nette Möglichkeit ist beispielsweise das saubere und gut gelegene Journeys King‘s

Cross Hostel (www.visitjourneys.com) oder das YHA am Earl‘s Court (www.yha.org.uk). Die Youth Hostel Association ist übrigens das Pendant zum deutschen Jugendherbergswerk. Wer sich traut, kann sich auch über die Möglichkeit des „Couchsurfings“ informieren. Der ein oder andere Londoner teilt sicher gerne sein Sofa. Übrigens eine tolle Alternative, um die Stadt aus einem anderen Blickwinkel als dem des Touristen kennen zu lernen.

Text: Marina Pavic Foto: Jessica Heidhoff

Noch ein paar Tipps: 1. Geht niemals an eurem ersten Tag in London auf der Oxford Street shoppen. Niemals! Eure Füße und euer Geldbeutel überleben sonst nicht lange…

2. Wenn ihr feiern gehen wollt, lasst euch nicht in die Clubs am Leicester Square lotsen. Die werben zwar mit günstigen Angeboten, sind aber meistens Touristenabzocken.

3. Im Hilton Hotel an der Park Lane kann man zwar nicht günstig wohnen, aber in der Galvin at Windows Bar des Hotels kann man von der 28. Etage aus den Blick auf die Stadt genießen – einen viel besseren Blick auf das nächtliche London hat man auch nicht vom London Eye, dem großen Riesenrad an der Themse.

4. Wenn am Ende das Geld immer noch nicht alle ist, aber das schlechte Gewissen wegen des Fluges euch plagt, könnt ihr unter www.atmosfair.de die CO²- Emission eures Fluges ausrechnen lassen und durch eine Geldspende in bestimmter Höhe kompensieren. 80 Prozent des gespendeten Geldes fließt dabei in Umweltprojekte.

5. Neben den üblichen Stadtführer kann ich den Indie Travel Guide für UK und Europa empfehlen – in diesem erzählen nämlich Bands von den Lieblingsplätzen in ihrer Stadt. (Indie Travel Guide City: London, € 12,95 vom edel-Verlag)

6. Auf der Seite des Lonely Planet-Reiseführers gibt es ein paar kurze, ehrliche Tipps und Bemerkungen zum Sigthseeing in der Metropole (www.lonelyplanet.de/reiseziele/europa/england/london/infos.html).

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Feuilleton

Die Qual der Wahl Nicht nur in der Politik wird gewählt, das ganze Leben wird durch Wahlen bestimmt. Dass nicht jede Wahl erwünscht, durchdacht oder nötig ist, bringt unsere Autorin auf den Punkt.

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lle Jahre wieder und manchmal sogar mehrmals, sollen wir als pflichtbewusste Bürger zur Wahlurne schreiten und uns für ein möglichst geringes Übel entscheiden. Ich erinnere mich noch genau, kurz bevor ich 18 geworden bin, fand ich die Aussicht, bald entscheiden zu dürfen, wie mein Leben laufen soll und was in der Politik passiert, ziemlich spannend. Aber als ich dann meinen Geburtstag hinter mir und das Abi in der Tasche hatte, stürmten die ganzen Wahlmöglichkeiten nur so auf mich ein: Studieren? Wenn ja, was und wo? Eine äußerst schwierige Entscheidung, da ich zunächst von gefühlt 500 Studiengängen lediglich 20 für mich ausschließen konnte. In eine Wohnung oder ein Studentenheim ziehen, eine WG gründen wenn ja, mit wem? Oder mein altes Leben hinter mir lassen und in einem neuen Land ein paar Selbsterfahrungen machen? Eine Partei in blau, rot, grün, gelb, lila oder schwarz wählen? Was ich damals höchstens erahnen konnte, war die Tatsache, dass das erst der Anfang meiner Wahlqualen war. Erwachsenwerden heißt, Freiheit(en) zu bekommen, und dabei handelt es sich vor allem um die Wahlfreiheit. Als Kind habe ich Pippi Langstrumpf und Peter Pan so sehr um ihre Selbstbestimmung beneidet. Nur war mir nicht bewusst, wie anstrengend diese mit der Zeit werden kann, da man, um diese Freiheit ausschöpfen

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zu können, zu allem eine Meinung haben muss. Wie oft habe ich mit Eltern und Lehrern darum gekämpft, Entscheidungen selbst treffen zu dürfen, und wie sehr wünsche ich mir heute manchmal, dass mir diese jemand abnimmt. Dass jemand anderes für mich die Verantwortung für die Konsequenzen trägt. Denn nicht alles, was glänzt, ist Gold. Tatsache ist, dass man im Vorfeld nie bestimmt sagen kann, wer oder was die bessere Wahl ist, denn einmal im Amt entpuppt sich oft auch die favorisierte Partei als „Griff ins Klo“ und die beste Freundin als die schrecklichste WG-Mitbewohnerin aller Zeiten. Holen einen dann die Konsequenzen der (Aus-)Wahl ein, kann man die eigenen Entscheidungen manchmal nicht mehr nachvollziehen: Was fand ich an meinem Ex-Freund so toll? Warum habe ich bloß angefangen dieses Fach zu studieren und warum habe ich diesen unfähigen Idioten ins Amt gewählt? Nicht jede Wahl, müssen wir uns vielleicht eingestehen, war vorher gut durchdacht. Aber das Schöne daran ist: Die nächste Wahl kommt bestimmt!

Text: Nora Enzlberger Illustration: Lisa Mertens


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Allgemeiner Studierendenausschuss der Universität Bremen c/o Scheinwerfer - Bremens freies Unimagazin Bibliothekstraße 3 D-28359 Bremen scheinwerfer@uni-bremen.de

Chefredaktion:

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Ressortleitung:

Fabian Nitschmann (Hochschulpolitik), Natalie Vogt (Campusleben), Olga Galashevich (Bremen), Jessica Heidhoff (Feuilleton)

Layout:

Valerie Schröder, Kai Ole Laun, Stefan Kampe (balger@email.de), Manuela Uhr (Web)

Grafik und Foto:

Lisa Mertens, Fatima Yoldas, Gerhard Freudenberg, Philipp Johannßen, Lisa Henjes

Mitwirkende Redakteure:

Maike Kilian, Sylvana Lange, Björn Knutzen, Benjamin Reetz, Elisabeth Schmidt, Lea Baukenkrodt, Alina Fischer, Silja Kathrin Strauch, Salma Yousaf, Larissa Fitschen, Joschka Schmitt, Anna Lenja Hartfiel, Giulia Ricci, Karim Ahmed, Kira Kettner, Nora Anna Enzlberger, Alexandra Knief, Anna Cordes, Christina Freihorst, Marina Pavic, Natalia Sadovnik, Laura Schorfmann

Titelbild: Lisa Mertens, Manuela Uhr Druck: Druckerei Peter von Kölln, Scipiostraße 5a, 28279 Bremen Für den Inhalt der einzelnen Artikel sind die Autoren verantwortlich. Die in Artikeln oder Kommentaren zum Ausdruck kommende Meinung spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Alle Angaben ohne Gewähr. 51



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