4.Ausgabe, Februar 2012
Bremens freies Unimagazin
Beton & Farbe Graffiti-Szene in Bremen
Testosteron im Minirock
Das Travestie-Theater
Der Bosporus bebt Studentenproteste in Istanbul
Tierschutz vs. Forschungsfreiheit Bremer Professor forscht an Makaken-Affen
Inhalt
Kurzmeldungen
Hochschulpolitik
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Der VBN hält die Zügel in der Hand
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Forschung an Makaken-Affen
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Sportlicher Wettkampf ums Überleben
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Chronik eines Hochschulwechsels
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AS kürt neuen Rektor
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Campusleben 14
Der Sportstudiengang kämpft ums Überleben
Ein Blick hinter die Kulissen der Mensa
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Verblöden wir Studenten?
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Male? Female? Don‘t care!
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Universität in Bild und Ton
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Wege ins Ausland
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Bremen
Occupy-Bewegung 30
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Beton und Farbe
Rechte Gewalt in Bremen
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Bremen für Studenten: Findorff
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Travestie-Theater: Teatro Magico
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Überhört 38 Beton & Farbe: Graffiti-Szene
Feuilleton
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Fernweh: Brüssel
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Filmrezension: Der Gott des Gemetzels
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Kolumne: Leben für den Lebenslauf
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Kultureinblicke: Weihnachten an der Uni
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Studentenproteste auf Türkisch
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Lautsprecher 49
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Zu Besuch in Somaliland
Aufbruchsstimmung in Somalia
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Impressum
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Editorial
Liebe KommilitonInnen, liebe LeserInnen!
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as ist mehr wert: Tierschutz oder Forschungsfreiheit? Diese Diskussion entbrennt genau dann, wenn Wissenschaftler an Tieren forschen, weil die Forscher die Tiere vermeintlich missbrauchen und die Tierschützer den Nutzen der Forschung vermeintlich nicht verstehen. Vielerorts wird diese Debatte geführt und ist auch an der Universität Bremen nichts Neues – seit Jahren regen sich Tierschützer, mal mehr und mal weniger öffentlichkeitswirksam, über die Hirnversuche an Makaken-Affen des Professors Andreas Kreiter auf. Und jedesmal, wenn vor Gericht ein weiteres, vorläufiges Urteil gefällt wird, sind die Tierexperimente medial wieder präsent und schnell bilden sich allerorts Meinungen. Protestaktionen gegen den Forscher sind die Folgen. Doch sind wir wirklich detailliert genug über die Hintergründe informiert, um zu urteilen? Lassen wir uns vielleicht sogar blenden – sei es nun von der PR der Tierschützer oder der Universität? Neben hochgekochten Emotionen blieb ein sinnhafter Diskurs zu dieser Thematik bisher jedoch weitgehend aus. Der Scheinwerfer berichtet über die Fakten und hat sowohl Professor Kreiter als auch Tierschützern auf den Zahn gefühlt, um eine Debatte zu ermöglichen, die die Thematik von allen Seiten beleuchtet. Jenseits unserer Universität gibt es darüber hinaus derzeit mehrere diskussionswürdige Themen, welche die Gemüter der Menschen erhitzen. Ein Beispiel ist uns allen bekannt: Die OccupyBewegung, welche in New York begann, ist längst nicht mehr
nur auf eine Stadt oder einen Kontinent beschränkt, sondern weltweit populär geworden und auch an Bremen nicht vorbeigegangen. Der Scheinwerfer hat untersucht, inwieweit das Ausmaß und die Auswirkungen in unserer Hansestadt sich von anderen Ländern unterscheiden. Die Studentenproteste für bessere Studienbedingungen hingegen sind in Bremen weitgehend abgekühlt, doch in Istanbul sind sie derzeit in vollem Gange. Dort erlebt unsere Autorin hautnah mit, wie sich Studierende gegen Hoheitsentscheidungen zur Wehr setzen und welche Hindernisse sie dabei überwinden müssen. Von den „Luxusproplemen“ der Studenten in Istanbul kann man in Somalia nur träumen. Hier sind die Probleme der Menschen ganz anderer Natur. Kulturelle und politische Konflikte sowie eine wirtschaftliche Not sind dort bei Millionen von Menschen an der Tagesordnung. Unser Autor berichtet von seinen Eindrücken aus einem Flüchtlingslager und den Lebensumständen der Somalis, die für uns – selbst mit täglicher Fernsehberichterstattung – kaum greifbar sind. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen und schöne Semesterferien!
Anne Glodschei
Lukas Niggel
Ihr erreicht uns bei Fragen, Anregungen oder Kritik entweder persönlich auf dem Campus oder unter scheinwerfer@uni-bremen.de.
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Kurzmeldungen
Kurzmeldungen SDS verlässt AStA-Koalition
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er Sozialistisch-demokratische Studierendenverband (SDS) verlässt kurz vor den Semesterferien die gemeinsame Koalition mit AStA für Alle (AfA) und Campus Grün (CG). Das Referat für Hochschulpolitik (ehemals Timo Hüther vom SDS) wird fortan von Tim Ruland (AfA) übernommen. Zu den Gründen heißt es unter anderem, dass der bürokratische Aufwand vor Ort verhindert habe, sich intensiver mit Themen zu beschäftigen. Ergänzend wird auf die Problematik verwiesen, im AStA nur Stellvertreterpolitik leisten zu können. Nun wolle man sich wieder auf nachhaltige und solidarische Politik mit Inhalten konzentrieren. Die Sozialdemokraten bedanken sich im „Caféten-Kurier“ (Infoblatt von AfA) für die „konstruktive Mitarbeit“. AfA und CG verfügen auch nach dem Koalitionsaustritt des SDS über eine eigenständige Mehrheit.
Lehramtsausschuss gegründet
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m Mittwoch, den 25. Januar, kamen in der Stugenkonferenz verschiedene Stugen aus Studienfächern mit Lehramtsbezug zusammen. Dort beschlossen die anwesenden Stugenvertreter, einen dauerhaften Ausschuss mit Lehramtsbezug einzusetzen, in dem anfallende Probleme behandelt werden können, die ansonsten vielleicht zu geringe Beachtung erführen. Bisher existierte für die Lehrämtler unter den Studierenden keine ordentliche studentische Vertretung über das Grundschullehramt hinaus. Der Antrag, der unter anderem von Philipp Heyken, Stugenbeauftragter des AStA, gestellt wurde, beinhaltet Punkte wie den Austausch einzelner Studiengänge untereinander oder das Sammeln von Kritik. Der Ausschuss soll außerdem eine allgemeine studentische Interessenvertretung gegenüber den Erziehungswissenschaften ermöglichen. Zusätzlich soll die Auswahl der studentischen Vertreter in Lehramtsgremien zukünftig transparenter erfolgen. Wer Lehramt studiert und Interesse hat, sich im Ausschuss zu beteiligen, kann zum nächsten Termin am Mittwoch, den 11. April, um 12 Uhr in den AStA-Konferenzraum auf der AStAEtage kommen. Die Sitzungen sind öffentlich.
Engagement von und für Studenten
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n allen Fachbereichen der Universität finden sich engagierte Studierende, die für ihre Kommilitonen Veranstaltungen auf die Beine stellen, sei es nun im Rahmen eines StugA, eines Seminars oder komplett auf eigene Faust. Am 9. und 10. März findet bereits zum zweiten Mal ein Geschichtssymposium an der Uni Bremen statt, dieses Jahr zum Thema „Kunst und Politik in der Geschichte“. 16 Referenten aus Deutschland, Rumänien und der Schweiz konnten die Organisatoren hierfür gewinnen. Dank einer Kooperation mit dem Kulturbunker werden die Teilnehmer am Abend des 10. März an der Eröffnung der Kunstausstellung „Kunst und Politik – Geschichte und ihre zeitgenössischen Dokumente“ teilnehmen. Der detaillierte Ablaufplan sowie alle Informationen für interessierte Teilnehmer sind auf der Homepage http://www.symposium-geschichte.uni-bremen.de/ einsehbar. Eine Veranstaltung der ganz anderen Art organisieren die Teilnehmer des Seminars Kultur- und Eventmanagement im Fachbereich Kulturwissenschaften. Am 28. April findet in Bremen das Kulturfestival „ausARTen“ statt, bei dem Poeten, Schauspieler, Querdenker, Singer & Songwriter oder andere kreative Köpfe ihr Können auf einer offenen Bühne zum Besten geben können. Mehr Infos zur Veranstaltung und zur Anmeldung gibt 4
es unter www.facebook.com/ausARTen oder ausarten-bremen@ web.de. Der StugA Politik organisiert dieses Jahr die vom 22. bis 29. April stattfindende akademische Konferenz und Vollversammlung der International Association for Political Science Students (IAPSS). Jährlich treffen sich nicht nur Politikstudierende verschiedenster Länder für sieben Tage zum akademischen und kulturellen Austausch an immer wechselnde Universitäten auf der ganzen Welt ein. Dieses Jahr ist Bremen das Ziel und die Teilnehmer werden sich unter dem an Bob Dylan angelehnten Konferenztitel „The States They Are A-Changing“ mit dem Thema des Bremer Sonderforschungsbereichs „Staatlichkeit im Wandel“ befassen. Aktuelle Infos gibt es auf facebook (IAPSS ACGA Bremen 2012) oder unter http://www.acga2012.de/.
Kurzmeldungen
Multimediales Treffen Die Medienlandschaft der Universität hat inzwischen eine respektable Vielfalt angenommen. Am 07. Februar trafen sich auf Einladung der EULe erstmalig überhaupt Akteure der verschiedenen, von Studierenden geführten Unimedien. Das Ziel war hierbei zunächst, sich untereinander kennenzulernen und in den Dialog miteinander zu treten. Mit am Tisch saßen Aktive des Campus Radios, der Tante Paul, der EULe sowie des Scheinwerfers. Unabhängig von inhaltlichen Ausrichtungen und Intentionen wurde deutlich, dass jedes Unimedium das Ziel hat, mehr Studierende mit ihren Publikationen zu erreichen. Außerdem hat man über mögliche Kooperationen untereinander gesprochen, die jedoch noch nicht weiter konkretisiert wurden. Festgehalten wurde zunächst, dass es für sinnvoll erachtet wird, Treffen dieser Art mit dem Ziel des dauerhaften Austauschs zu wiederholen.
Nach lautem Protest: Zivilklausel bestätigt Groß war die Angst. Seitdem bekannt wurde, dass die OHB AG Bremen an der hiesigen Universität eine Stiftungsprofessur plant, gingen einige Studierende auf die Barrikaden. Dem Unternehmen, das unter anderem im Bereich der Satellitenentwicklung tätig ist, wird dabei unterstellt, Forschung auch im militärischen Bereich zu betreiben. Die Bremer Zivilklausel (1986 die erste in Deutschland) stellt dabei eine Selbstverpflichtung der Universität dar, nicht zu militärischen Zwecken zu forschen. Die Stiftungsprofessur wirkt daher insbesondere für den hiesigen rot-grünen AStA wie ein rotes Tuch. Prof. Dr. Wilfried Müller, amtierender Rektor der Uni Bremen, regte aufgrund der geplanten Stiftungsprofessur eine Debatte über die Aktualisierung der Zivilklausel an, was von den Gegnern als Androhung einer Abschaffung interpretiert wurde. Auf der Januarsitzung des Akademischen Senats (AS) sollte über dieses Thema diskutiert werden. Nachdem sich eine Gruppe von 90 bis 100 Protestierenden zur Diskussion gesellte und mit allen Anwesenden in eine rege Debatte trat, erfolgte ein nahezu einstimmiger Beschluss, die Zivilklausel deutlicher auszuformulieren und sie in die Leitsätze der Universität zu erheben. Einzig der RCDS sprach sich dagegen aus. Von Seiten des OHB-Konzerns hieß es, man werde an der Stiftungsprofessur festhalten. Auf Seiten der Gegner will man die Sache im Auge behalten. Über die ganzen Hintergründe wird es in der nächsten Ausgabe des Scheinwerfers einen Artikel geben.
in eigener Sache
Neue Ressortleiter
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eitestgehend sind die Hauptakteure seit Anbeginn des Scheinwerfers dieselben, doch nichtsdestotrotz hat sich zum einjährigen Jubiläum personell etwas verändert. Der Politikund Wirtschaftswissenschaftsstudent Benjamin Reetz schreibt schon seit der ersten Ausgabe für den Scheinwerfer – unter anderem die Titelstory über den Bologna-Prozess. Seit dieser Ausgabe ist er für das Bremenressort verantwortlich und übernahm den Leiterposten, den zuvor Olga Gala inne hatte. Darüber hinaus hat die Studentin der Politikwissenschaft sowie Geographie und Hobbyfotografin Katrin Pleus seit 31. Januar Lisa Mertens als Verantwortliche des Grafikressorts abgelöst und wird ab der fünften Ausgabe für das Bildmaterial des Scheinwerfers sorgen. Wir freuen uns, dass wir zwei kompetente Kommilitonen für diese wichtigen Aufgabenbereiche finden konnten. Alle Interessierten, die gerne beim Scheinwerfer mitmachen möchten – egal, ob schreiben, fotografieren, layouten – sind herzlich eingeladen. Eine kurze Mail an scheinwerfer@uni-bremen.de genügt.
Die Scheinwerfer-Ressortleiter Von links nach rechts: Lukas Niggel, Lisa Mertens, Jessica Heidhoff, Fabian Nitschmann, Natalie Vogt, Valerie Schröder, Katrin Pleus, Benjamin Reetz, Anne Glodschei
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Hochschulpolitik
Der VBN hält die Zügel in der Hand Zum kommenden Wintersemester wird das Semesterticket erneut teurer, dieses Mal um 10,20 Euro pro Semester. Selbst der AStA hält die Erhöhung wirtschaftlich für gerechtfertigt. Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht.
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ls Student kommt man in Bremen und umzu gut rum. dass jeder Student 450 Beförderungsfahrten, also Fahrten von Mit dem blau-orangenen Schnipsel, frisch eingepackt in Start bis Ziel mit einer unwesentlichen Anzahl an TransportmitLaminierfolie, die meist nicht hält, ist von Hamburg bis teln oder Umstiegen, pro Jahr unternimmt. Die Gesamtzahl der Osnabrück und von Norddeich bis Hannover für den Bremer Beförderungsfahrten ist dabei tendenziell steigend, im Zeitraum Studenten alles möglich. Und das schon seit dem Sommersevon 2007 bis 2010 um 18,2 Prozent, und das sogar bei weniger mester 1994 – damals noch in kleinerem Geltungsbereich. Da Studierenden. wurde erstmals an der Universität Bremen für alle StudierenRalf Huckriede, Tarifleiter beim VBN und damit auch zuständig den das Semesterticket des Verkehrsverbunds Bremen/ Niederfür das Semesterticket, führt unter anderem auch die Bolognasachsen (VBN) eingeführt. Schlanke 74 Deutsche Mark kostete Reform für den steigenden Preis des Tickets an. „Durch die die Karte damals, gültig für ein halbes Jahr. Inzwischen sind es Einführung von Bachelor und Master wurden die Studiengänge 112,92 Euro, die ein jeder Student in Bremen abdrücken muss, verschulter. Die Verkehrsbetriebe mussten darauf mit dichteren um mobil zu sein. Tendenz steigend: Zum kommenden WinterFahrplantakten zu den typischen Arbeitszeiten reagieren“, so semester hat der VBN eine Erhöhung des Preises um 10,20 Euro Huckriede. Dies sei ohne Preiserhöhungen nicht einfach abzuangekündigt und erfolgreich durchgedrückt. fangen. Wie teuer das Semesterticket demnach eigentlich sein Mit am Tisch saßen bei der neusten Preisverhandlung die stumüsste, um dem VBN einen echten Gewinn zu bescheren, verdentischen Vertretungen aus Bremen, Bremerhaven, Oldenburg, mag keiner klar auszusprechen. Jan Cloppenburg, FinanzrefeOttersberg, Emden/ Leer sowie Wilhelmshaven/ Elsfleth. Um rent beim AStA, deutete aber an, dass es sich vermutlich um insgesamt rund 47.000 Tickets ging einen Betrag von rund 200 Euro es dabei. Kein Pappenstiel, wenn pro Student handeln könnte, denn man sich den damit garantierten Um„Der niedrige Preis des Semestertibisher erreicht das Semesterticket satz für den VBN einmal vor Augen die durchschnittlichen Erlöse nicht ckets war ein Geburtsfehler.“ führt: 47.000 Mal 112,92 Euro halbansatzweise. Während der VBN bei jährlich sicher im Portemonnaie, das einer gewöhnlichen Verbundfahrt kann man sich gefallen lassen. Ob die einen Erlös von 1,13 Euro einrechStudenten sich die erneute Preiserhöhung gefallen lassen sollten, net, sind es bei Fahrten mit Semesterticket nur magere 46 Cent. ist natürlich ein diskussionswürdiger Punkt. Eine ernsthafte AlBereinigt ist der Unterschied sogar noch größer, denn im Wert ternative gibt es allerdings nicht. Der VBN hat die Zügel in der von 1,13 Euro ist das günstige Semesterticket bereits mit einHand und die studentischen Vertreter meist schnell auf seiner gerechnet. Angesichts dieser Zahlen muss man eine Erhöhung Seite. „Der niedrige Preis des Semestertickets war ein Geburtsauf 123,12 Euro fast stillschweigend hinnehmen. Denn es hätte fehler“, zitiert Rainer Weisel, an der Uni Bremen zuständig für schon im kommenden Wintersemester härter kommen können: das Ticket, im Gespräch mit dem Scheinwerfer den damaligen Wenn es nach den 36 Verkehrsunternehmen ginge, die unter Geschäftsführer des VBN. dem Dach des VBN vereint sind, wäre der Preis um glatte 15 Es gilt als unbestritten, dass sich der VBN mit dem Startpreis Prozent gestiegen. Der VBN konnte sich studierendenfreundlich von 74 DM im Jahre 1994 kräftig verrechnet hat. Aktuelle Erhehier mit den Verkehrsbetrieben auf eine Erhöhung von nur 9,04 bungen des Verkehrsverbundes belegen, dass das Ticket stärker Prozent einigen. genutzt wird, als jemals angenommen. Vor allem in der Freizeit Da viel Gegenwehr sinnlos erscheint und die Erhöhungen aus nutzen viele Studis die Möglichkeit, einen Kurztrip in die an rein wirtschaftlicher Sicht kaum zu beanstanden sind, haben die das Ticket angeschlossenen Städte zu unternehmen. „Bei Einstudentischen Vertreter ihre Position gegenüber dem VBN inführung des Semestertickets wurde geschätzt, dass nur sieben zwischen gänzlich anders eingenommen. Für Rainer Weisel steht Prozent der Studierenden den öffentlichen Nahverkehr nutzen“, so zum Beispiel die Frage des Lerneffekts im Mittelpunkt: „Wie erklärt Weisel. Die inzwischen vorliegenden Statistiken des VBN wirkt sich das Ticket auf das Mobilitätsverhalten der Studierensprechen da eine gänzlich andere Sprache. So geht der Verkehrsden und ihrer ÖPVN-Nutzung in der Zukunft aus?“ Statt die verbund Bremen/ Niedersachsen für das Jahr 2010 davon aus, Preiserhöhungen erfolglos zu bekämpfen, geht es daher inzwi6
Hochschulpolitik
schen eher darum, neue Leistungen in das Ticket einzubauen. „Die Mitnahme der eigenen Kinder, ganz egal in welchem Alter, wollen wir künftig als eine Möglichkeit beim VBN erkämpfen“, so Cloppenburg optimistisch. „Auch eine Mitnahmeregel etwa am Wochenende für Freunde, die zu Besuch kommen, könnten wir uns vorstellen“, so der Finanzreferent weiter. Die Erfolgschancen für solche Ideen, zu denen auch die Regelung einer Mitnahme von Fahrrädern gehört, vermag Cloppenburg allerdings nicht einzuschätzen, denn auch beim VBN reagiert man zögerlich auf solche Vorschläge. „Sowas muss in den zuständigen Gremien besprochen werden. Diskutieren kann man solche Vorschläge aber sicherlich“, so Ralf Huckriede. Prinzipiell haben sich die Vertreter des AStA das Ziel gesetzt, schon früher in Gespräche mit dem VBN zu treten, um nicht wie in den bisherigen Jahren mit vollendeten Tatsachen und mehr oder weniger feststehenden Preisforderungen konfrontiert zu werden. Falls es gegen alle Bestrebungen doch einmal zum Bruch mit dem VBN und dessen Preispolitik kommen sollte, stehen für die Studierenden ärmere Zeiten an. Denn ein Ticket für das Gesamtnetz des VBN, wie etwa das Schüler-MonatsTicket, würde auf sechs Monate gerechnet rund 975 Euro fressen. Und auch ein Ticket für das Bremer Stadtgebiet übertrifft den Preis des Semestertickets um über 100 Euro. Trotzdem würde man beim VBN das Ende eines Semestertickets bedauern. „Durch
das Semesterticket hat der VBN schließlich einen ordentlichen Fahrgastzuwachs bekommen“, erklärt Huckriede die Position des Verkehrsbetriebs und lässt nicht aus, dass das ein oder andere Unternehmen durchaus Gedanken an eine Ausstiegsoption verschwendet: „Es gibt durchaus Unternehmen, die für einen Ausstieg plädieren, weil das Ticket wirtschaftlich nicht mehr effektiv sei.“ Rainer Weisel vermutet an dieser Stelle neben dem VBN, dessen Einnahmen durch einen Ausstieg wohl steigen würden, einen weiteren Profiteur: Die Stadt Bremen. „Wenn es das Semesterticket nicht gäbe, würden möglicherweise mehr Studierende nach Bremen ziehen, statt im Umland zu wohnen“, so der zuständige Referent. Mit Blick auf die hohen Schulden wäre dies für die Stadt eine dankenswerte Entwicklung, denn nur mit mehr Einwohnern kann der Stadtstaat eine bessere Haushaltssituation und mehr Geld im Rahmen des Länderfinanzausgleichs erlangen. Wünschenswert sind eine solche Entwicklung und der Wegfall des Semestertickets aber aus studentischer Sicht nicht und für potentielle neue Studenten würde die Attraktivität des Universitätsstandorts Bremen deutlich sinken. Auch Ralf Huckriede vom VBN macht dies im Gespräch nochmal besonders deutlich: „Wenn ein solches Angebot abgeschafft würde, käme nie wieder ein so guter Preis zustande.“ Auch wenn er die Höhe eines möglichen Neupreises nicht auszusprechen vermag: Der AStA sollte den Ausstieg nicht riskieren. Text: Fabian Nitschmann Illustration: Daniel Allerholt
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Hochschulpolitik
Vertrauen in Forschung? Von gegensetigen Vorw端rfen und einem Diskurs, der in Wirklichkeit niemals gef端hrt wurde. Die Geschichte der tierversuchsgest端tzten Bremer Hirnforschung. 8
Hochschulpolitik
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enn es um Tierversuche geht, kommt es wohl selten zum wirklichen Diskurs. Wo Tierschützer aufgrund des unterstellten Leidens kompromisslos Alternativen fordern, dort stehen Forscher bereit, die Unbedingtheit ihrer angeblich zwingend notwendigen Forschung zu betonen. Die Fragen, wie weit ein Lebewesen instrumentalisiert werden darf, oder wie groß die Bereitschaft ist, auf lebenserhaltende oder -verlängernde Ergebnisse solcher Versuche zu verzichten, sind von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Der Informationsstand der Bevölkerung dürfte dennoch vergleichsweise niedrig ausfallen. Wenige werden zum Beispiel wissen, dass im Jahre 2010 allein in Deutschland 2,85 Millionen Tiere für Versuche eingesetzt wurden. Und wer ist sich schon der Tatsache bewusst, dass diese Zahl doch weniger als einem Prozent der insgesamt in diesem Land getöteten Tiere entspricht? Kaum jemand, der bei aller Kritik auch auf den eigenen Teller oder zum tiergestützten Sport- und Freizeitvergnügen schauen sollte. Bremen selbst verzeichnet für 2010 eine Anzahl von 1358 Tieren in wissenschaftlichen Versuchen. Dazu zählen Fliegen und Fische ebenso wie die Primatenart Makaken. Diese Zahlen gehen zum Teil aus einem Bericht des Weser Kuriers im November vergangenen Jahres hervor. Anlass dafür war die erneute Diskussion um die tierversuchsgestützte Forschung von Prof. Dr. Andreas Kreiter an der Universität Bremen. Solche Zeitungsberichte gibt es immer wieder, wenn der Forscher um die Fortführung seiner Versuche bangt. Trotz vieler, mitunter aggressiver, Diskussionen und der teils völlig entgegengesetzten Sichtweisen bleibt eine grundsätzliche öffentliche Debatte über dieses Thema aber aus. Der Scheinwerfer will an dieser Stelle dazu beitragen, die Diskussion neu zu befeuern und vielleicht endlich einen wirklichen Diskurs in Gang zu bringen, der zu dem einen oder anderen Ergebnis führt.
Die Geschichte
Der Beginn dieser Kontroverse liegt im Jahre 1996, als der Neurobiologe Kreiter einen Ruf an die Universität Bremen erhält. Davor ist er am Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung tätig gewesen, wo er bereits mit Makaken arbeitete. Im Frühjahr 1997 kommt es zu einem ersten Konflikt, als Tierversuchsgegner Plakate mit seiner privaten Adresse und Telefonnummer in der Stadt aufhängen. Die Folge ist Polizeischutz für ihn und seine Familie. Im Mai desselben Jahres greift der Bremer Tierschutzverein zum wesentlich moderateren Mittel des Bürgerantrages, einer Petition, die insgesamt über mehrere Läufe etwa 100.000 Bürger unterschreiben. Im August jenes Jahres droht die offensichtlich militante „Aktion Tierbefreiung Bremen“ der Familie des Wissenschaftlers und zielt dabei insbesondere auf seinen kleinen Sohn ab. Zwischen 1998 und 2007 kann der Wissenschaftler relativ unbehelligt seiner Forschung nachgehen. Seine Tierversuche werden wiederholt genehmigt, bis im Jahre 2005 auf Antrag der Bürgerschaftsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen der Versuch unternommen wird, seine Arbeit zu stoppen. Im Jahre 2007 stimmt eine Allparteienkoalition mit Ausnahme der FDP, deren einziger Abgeordneter an jenem Tag nicht anwesend ist, nach Berufung und Anhörung einer so genannten Paragraph-15-Kommission für ein Ende der Versuche, woraufhin der nunmehr vierte Fortsetzungsantrag von Kreiter von der Gesundheitsbehörde abgelehnt wird. Aufgrund seines Widerspruchs genehmigt das
Neurobiologe Prof. Dr. Kreiter forscht seit Jahren mit Affen.
Verwaltungsgericht Bremen die vorläufige Fortsetzung. Nach zwischenzeitlichem Geplänkel erlaubt das Oberveraltungsgericht Bremen am 25. November 2011 erneut, die Versuche ein weiteres Jahr fortzuführen, befristet bis zum 30. November 2012. Begründet wird dies unter anderem mit dem erheblichen Eingriff, den eine sofortige Unterbrechung für die einst gestattete und in Durchführung befindliche Arbeit des Hirnforschers bedeutet hätte. Für die meisten Akteure in dieser Debatte ist der endgültige Ausgang des Rechtsstreits völlig offen. Manche rechnen damit, dass das Verhältnis von Forschungsfreiheit und Tierschutz erst vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt wird.
Die Versuche
Professor Kreiter betreibt Grundlagenforschung mit dem Ziel, Erkenntnisse über das menschliche Gehirn zu gewinnen. Dabei gehe es sowohl um grundlegende Erkenntnisse als auch um die Basis späterer medizinischer Anwendungen. Um einen Einblick in seine Versuche zu erhalten, traf sich der Scheinwerfer mit ihm zu einem Interview und machte sich ein eigenes Bild vom Versuchsaufbau. Für die Versuche befinden sich in Bremen circa 20 Makaken, deren Zahl alters- beziehungsweise forschungsbedingt mal höher oder niedriger liegt. Auf die Frage, wieso es für seine Untersuchungen Tierversuche braucht, antwortet der Forscher: „Um herausfinden zu können, auf welche Weise das Gehirn Leistungen wie Wahrnehmung oder Aufmerksamkeit erbringt, braucht es ein gesundes, arbeitendes Gehirn, das diese Leistungen erbringt und dabei beobachtet werden kann.“ Deshalb gehe es darum, dass die Primaten Aufgaben lösen, die wahrnehmungspsychologischen Versuchen sehr ähnlich seien. Während dem Menschen aber gesagt werden könne, was er zu tun hat, sei bei Tieren ein Training beziehungsweise eine Dressur notwendig. 9
Hochschulpolitik Im Zusammenhang mit der langsamen Gewöhnung an Stuhl und Versuchsablauf erklärt der Neurobiologe: „Mit ängstlichen Tieren kann man ja nicht arbeiten.“ Am Ende der Versuchsreihen, die über Jahre gehen können, müssen die Makaken getötet werden, um ihre Gehirne bis ins Detail zu untersuchen und etwaige Forschungsergebnisse zu verifizieren.
Die gesetzliche Lage
Seit dem Jahre 2002 steht die Frage im Raum, in welchem Verhältnis Wissenschaft und Tierschutz zueinander stehen. War es zuvor problemlos möglich, mit Verweis auf die grundgesetzlich geschützte Forschungsfreiheit viele Kritiker in die Schranken zu weisen, stellt die damalige Erhebung des Tierschutzes zum im Grundgesetz verbrieften Staatsziel ein Gegengewicht zur Freiheit des Forschers dar. Und die Tierschutzvertreter, allen voran der Deutsche Tierschutzbund, betonen stets, dass man diese grundsätzliche Frage heute ganz anders diskutieren müsse. Auf Seiten der Forschung lässt man indes nichts unversucht, sich an die Forschungsfreiheit zu klammern, als dürfe sie auch heute keiner weiteren Einschränkung zum Opfer fallen. Eine Feststellung des Bremer Hirnforschers Kreiter fällt in der aktuellen Lage auch dementsprechend knapp aus: „Würde ich gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, wären meine Versuche längst verboten.“ Bei Tierversuchen spricht das Tierschutzgesetz selbst nämlich von Eingriffen, die mit „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ verbunden sein können. Damit wird bereits impliziert, dass tierisches Leiden derzeit kein alleiniger Verbotsgrund für Tierversuche sind, wenn diese beispielsweise dem „Vorbeugen, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten“ dienen. Kreiter beruft sich darauf, dass nach Paragraph sieben des Tierschutzgesetzes Tierversuche auch im Bereich der Grundlagenforschung erlaubt sind. Es gilt, dem Gesetz zufolge, zu prüfen, ob die Versuche unerlässlich sind und nicht ersetzt werden können. Ein
http://michaeldmann.net/ (The Nervous System in Action)
Tatsächlich ist dieses Training ein langer Prozess. Der Makake wird durch Kreiter und seine Mitarbeiter langsam an den so genannten Primatenstuhl gewöhnt. Bei diesem Stuhl handelt es sich um eine Plexiglasvorrichtung, aus der am oberen Ende allein der zu fixierende Kopf des sitzenden Affen herausragt. Kreiter betont, dass es sich um eine natürliche Haltungsposition des Tieres handle, wie sie auch in der Natur teilweise stundenlang eingenommen werde. Der Primatenstuhl werde zur Gewöhnung anfangs vor das Gehege gestellt, bis das Versuchstier freiwillig in den Stuhl steigt. Danach werde ihm beigebracht, die Aufgaben zu lösen. Das Versuchstier muss beispielsweise einen Punkt auf einem vor ihm stehenden Bildschirm fixieren und bei einer Veränderung des Punktes oder der Zeichen auf dem Schirm einen Schalter betätigen. Löst der Affe die Aufgabe, erhält er einen Tropfen Saft aus einem Schlauch, an dem er wie an einem Strohhalm saugt. Während Kreiter erklärt, dass es sich um eine Flüssigkeitskontrolle handle, bei der das Tier rasch lerne, die von ihm gewünschte Flüssigkeitsmenge im Rahmen der Dressur zu trinken, nennen es Tierschutzvertreter einen Flüssigkeitsentzug. Sie bemängeln, dass es nur um geringe Mengen Flüssigkeit gehe und die Affen außerhalb der Versuche, außer am Wochenende, nichts zu trinken erhielten. Es ist wahr, dass eine Flüssigkeitszufuhr innerhalb der Woche nur während der Versuche erfolgt. Diese sind jedoch mehrere Stunden lang und anders, als zumindest teilweise von seinen Gegnern suggeriert, erhält das Tier für jede einzelne Aufgabe, die wenige Sekunden dauert, einen Tropfen aus dem Schlauch, wodurch die Menge der Flüssigkeit, so Kreiter, insgesamt ausreiche. Er erklärt, dass die Tiere anspruchsvolle Verhaltensaufgaben nur erfüllten, wenn sie im Rahmen einer Dressur dafür belohnt würden. Das sei dem Training mancher Haushunde ähnlich. Die Gewöhnung an den Versuchsaufbau nehme dabei den geringsten Teil der Zeit in Anspruch, während die Dressur bis zu einem Jahr dauern könne.
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Hochschulpolitik grundsätzliches Verbot besteht nicht. Mit ein Grund, weshalb auf Seiten des Tierschutzes oft für eine Reform des Gesetzes plädiert wird. Es gilt derzeit, nur „ethisch vertretbares“ Leiden zuzulassen und dies über längere Zeit auch nur, wenn die Forschung für Medizin oder Wissenschaft Bedeutendes leisten kann. Ein Punkt, dem manche Gutachter bei Kreiter widersprechen, während andere ihm diesbezüglich Weltrang attestieren. Fest steht, dass sich kein Gericht bisher abschließend seiner Forschung in den Weg gestellt hat. Deutliche Verbote für den Einsatz von Tieren liegen hingegen im Bereich der Waffentechnik, der Rauschmittel und bei Kosmetika vor. Und wenn Versuche an „sinnesphysiologisch niedriger entwickelten Tieren“ dem Forschungsinteresse nicht genügen, sind höher entwickelte Tiere zugelassen. Die Erforschung einer Fliege dürfte in diesem Sinne beispielsweise keinen Erkenntnisgewinn über das menschliche Gehirn verschaffen. Ob ein Forschungsvorhaben diesem Gesetz entspricht, kann unter Beihilfe einer zur Gesundheitsbehörde herangezogenen Expertenkommission erörtert werden. Im Paragraphen 15 des Tierschutzgesetzes heißt es dazu, dass die Mehrheit der Kommissionsmitglieder die erforderlichen Fachkenntnisse der Veterinärmedizin, der Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung vorzuweisen hat. Zusätzlich, entsprechend in der Minderheit, sind Mitglieder aus Vorschlagslisten von Tierschutzorganisationen zu berufen, die zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sind. Eine solche Kommission wurde im Jahre 2007 auch für die Versuche Kreiters eingesetzt.
Die Kommission und das unvollständige Protokoll
Trotzdem kam die Debatte nach den Ergebnissen dieser Kommission nicht zur Ruhe. Kreiter sah sich bestätigt, doch seine Gegner bemängelten, die Kommission sei einseitig besetzt gewesen und habe weder das Leiden, noch etwaige Alternativen im Blick gehabt. Die Deutsche Akademie für Tierschutz wirft der Universität zudem mangelnde Transparenz vor. So ist auf die Website des Forschungsbereiches nur ein gekürztes Protokoll der Kommissionssitzung gestellt worden. Tatsächlich fehlen in dem dort zu findenden Protokoll zumindest die Namen der Kommissionsmitglieder. Diese wären für die Öffentlichkeit insofern interessant, da es sich bei allen vier herangezogenen Fachwissenschaftlern um Forscher vom Schlage Kreiters handelt, die auf ähnliche Weise forschten wie er oder anderweitig ein positives Verhältnis zur Primatenforschung haben. Ein Ethiker hingegen musste kurzfristig absagen. Und ein letztes Mitglied stammte aus dem Tierschutzbereich. Anhand dessen erklärt sich auch der Vorwurf
der einseitigen Besetzung. Dass die Version des Protokolls, welche die Universität Bremen zur Verfügung stellt, so unvollständig ist, erscheint dementsprechend zumindest problematisch. Reinhard Fischer von der Universität Bremen, der im Zuge der Debatte mit dem amtierenden Rektor und Kreiter an einer Informationsbroschüre mit dem sprechenden Titel „Vertrauen in Forschung“ arbeitete, hat dafür aber eine Erklärung. Weil die Behörde einen Genehmigungsvorbehalt habe, der eine Herausgabe des vollständigen Protokolls vor der Durchsicht durch die Kommissionsmitglieder verhindere, sei es der Universität nur möglich gewesen, ein anonymisiertes und gekürztes Ergebnisprotokoll zur Verfügung zu stellen. Die einseitige Besetzung erklärt er damit, dass man Gutachter benötige, die imstande sind, den Ausführungen zu folgen und fähig sind, zu beurteilen, inwiefern die Tierversuche in Kreiters Forschung einen Sinn haben. Ein Beigeschmack für etwaige Leser dürfte aber bleiben, zumal auch eine begründet einseitig besetzte Kommission eines definitiv bleibt: einseitig. Und es stellt sich die Frage, wieso das gekürzte Protokoll nicht längst gegen die mittlerweile genehmigte und vollständige Version, die dem Scheinwerfer vorliegt, ausgetauscht wurde. In der Broschüre „Vertrauen in Forschung“ heißt es zu Beginn: „Wir meinen, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, transparent und objektiv über alle Aspekte unserer Forschung informiert zu werden.“ Es schadet in diesem Sinne vermutlich nicht, wenn eine baldige Aktualisierung des Protokolls erfolgt.
Eine Debatte um Recht und Ethik
Die Diskussion um Tierversuche wird vor Ort maßgeblich von der Hirnforschung Kreiters bestimmt. Auf der einen Seite steht der Neurobiologe gemeinsam mit der Universität und ist, wohl auch nicht ohne einen gewissen Eigennutz, sehr offen im Umgang mit der Presse, um seine Forschung zu verteidigen. Der Vorwurf der Intransparenz ist ihm nicht zu machen. Auf der anderen Seite stehen Vertreter des Tierschutzes, wie beispielsweise Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, oder Roman Kolar, Diplom-Biologe aus München und in der Akademie für Tierschutz tätig, die dem Deutschen Tierschutzverein nahe steht. Mit dazu gesellen sich mittlerweile auch die politischen Parteien mit Ausnahme der FDP, die aufgrund ihrer damaligen Abwesenheit ohne Peinlichkeit auch für die Versuche plädieren kann. Universitätsintern stellt sich der regierende rotgrüne AStA aus AfA und CG ebenfalls eher gegen die Tierversuche. Der RCDS spricht sich unter den gewählten Vertretern der Studierendenschaft als einziges offen für die Versuche des Hirnforschers aus. Dort wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts begrüßt, obwohl man hoffte, dass die Debatte endlich 11
Hochschulpolitik abschließend geklärt worden wäre. Der Gruppenvorsitzende des er: „Da werden Behauptungen in die Welt gesetzt und die Leute RCDS, René Marcel Mittelstädt, erklärt, dass es seiner Meinung glauben es erstmal, weil nur wenige es wirklich aufgrund eigenach unverantwortlich wäre, die Affenforschung ergebnislos ner Erfahrung überhaupt merken können, wie abwegig diese oft abzubrechen. Und insgesamt solle lieber das Gespräch gesucht sind.“ Dabei betont er, dass es sich immerhin um einen sehr werden, „anstatt polemische Halbwahrheiten zu verbreiten“. komplexen Bereich handle, über den naturgemäß nur Wenige Um der Debatte vielleicht eine versachlichende Dimension hinwirklich Bescheid wüssten. Tatsächlich sei Grundlagenforschung zuzufügen, sprach der Scheinwerfer auch mit einer Expertin im aber nicht die „Spielwiese“ des Forschers, sondern die Basis für Bereich der Tierethik: der Bremer Philosophin Frau Prof. Dr. das, was zum Beispiel an Erfahrungen und Erkenntnissen bisher Dagmar Borchers, Sprecherin des Zentrums Philosophische in die moderne Medizin geflossen sei. Anders als die so genannGrundlagen der Wissenschaft. Im Gespräch erklärt Sie, es gebe te anwendungsbezogene Forschung mit einem eher kurzfristig diesbezüglich vier verschiedene philosophische Ansätze. Wähdefinierten Ziel, die sich meist auf die Weiterentwicklung unrend der „Anything-Goes-View“, der heute kaum noch vermittelbar anwendbarer Produkte und Verfahren beziehe, gehe treten werde, Tieren insgesamt einen eigenen Wert abspricht, es bei der Grundlagenforschung eigentlich immer eine neue steht der „Abolition-View“ in dieser Debatte für ein generelles Erkenntnisse. Auf die Frage, ob er, wie andere Forscher, soweit Verbot von Tierversuchen. „Mit allen Konsequenzen, die dies ginge, Erkrankungen in Versuchstieren hervorzurufen, um deren auch für Menschen hätte“, wie Borchers erläutert. Der „BalanceHintergründe zu erforschen, antwortet er, dass es an der UniView“ wiederum entspricht in etwa dem aktuellen deutschen versität Bremen nicht gemacht werde, er es aber im Hinblick Tierschutzgesetz und fordert eine Rechtfertigung in Form einer auf zum Teil schwerstes menschliches Leid für grundsätzlich Güterabwägung. Der „Moral-Dilemma-View“ dagegen hält eine richtig und vertretbar halte. Und er erläutert: „Da stellt sich die solche Güterabwägung für nicht machbar, zumal die passenden Frage, was denn überhaupt ‚ethisch vertretbar’ bedeutet. Es gibt Maßstäbe fehlten. Dieser Ansatz werde insbesondere von Tierin ethischen Systemen keine absoluten Maßstäbe.“ Er führt das ethikern intensiv diskutiert. Dabei zeichne sich ab, dass TierverGanze noch aus, indem er die Forschung anderen Bereichen gesuche an Primaten als „moralisch besonders problematisch“ zu genüberstellt, in denen Tiere zu finden sind. Wollte man objekbewerten seien, was beispielsweise in der Grundlagenforschung tive Maßstäbe anlegen, müsste auch an anderer Stelle die Frage vielleicht striktere Kriterien erfordern könnte. nach Belastung, Zweck und Ersetzbarkeit gestellt werden. „Im Das alles findet aber kaum BeachBereich von Spiel, Sport und Spaß tung. Während Kreiter die Rechtist der Einsatz von Tieren im Prinzip mäßigkeit seiner Forschung betont „Da stellt sich die Frage, was denn überhaupt vollständig ersetzbar. Selbst im Beund damit zumindest juristisch nicht ‚ethisch vertretbar’ bedeutet. Es gibt in ethireich der Ernährung kann man zufalsch liegt, geht es den Tierschutzschen Systemen keine absoluten Maßstäbe.“ mindest in Mitteleuropa von einer vertretern im Kern um die Frage der weitgehenden Ersetzbarkeit spreEthik und darum, ob Tiere für Menchen“, erläutert der Forscher. Damit schen überhaupt instrumentalisiert greift er auf, dass vielen seiner Kritiwerden dürfen. Beide Parteien reden dabei aneinander vorbei ker Scheinheiligkeit unterstellt wird, wenn sie sich gerade dem und sind kaum zu Kompromissen bereit. Diplom-Biologe RoBereich der tierversuchsgestützten Forschung widmen, in dem man Kolar spricht im Telefoninterview mit dem Scheinwerfer Tiere prozentual am seltensten getötet werden und der seiner von einer generellen Ablehnung von Versuchen an Primaten. Meinung nach ethisch sehr viel besser begründet ist und entspreNur wenn ein konkretes Menschenleben durch den Versuch an chend der gesetzlichen Regelungen nur nicht Ersetzbares zulässt. einem konkreten Affen zu retten wäre, müsste man dies vielWährend nun Kolar den Umgang des Deutschen Tierschutzbunleicht nochmal diskutieren. Danach gefragt, ob es aus seiner des und des Bremer Tierschutzvereins mit Kreiter als „hart, aber Sicht überhaupt legitime Tierversuche gebe, verweist er auf die fair“ bezeichnet und betont, dass stets nur rechtsstaatliche Mittel eigentlich strikte Ablehnung, betont aber als Kernargument die zur Anwendung kamen und Aktionen wie Morddrohungen und jeweilige Leidensfähigkeit. Es gehe nicht darum, jede MikroAngriffe generell abgelehnt würden, fühlt sich Kreiter von der be zu bewahren, sondern darum, Versuche an Tieren zu untervermeintlichen Medienmaschinerie der Tierschützer vorgeführt. lassen, die der Mensch, wie er sagt, allein auf der Grundlage Die Wahrheit liegt, wie so oft, vermutlich irgendwo dazwischen. des Rechts des Stärkeren durchführen zu können meint. ÄhnAlternativen & wieso es dennoch nicht einfach ist lich argumentiert auch der hiesige AStA, vertreten durch den Im Mainstream der Tierschutzvertreter gibt es vermutlich nur Referenten für Antidiskriminierung, David Ittekot. Er vertritt wenig Mitleid für Kreiter. Hier heißt es, man müsse die Affeneine „weitestgehende Ablehnung“ und erklärt, dass es keine forschung beenden und zu Alternativen finden. So berichtete Rechtfertigung gebe, „Tiere solchen Qualen auszusetzen“. Er die Organisation „Ärzte gegen Tierversuche“, dass bildgebende schränkt zwar ein, dass dies in anwendungsbezogener Forschung Verfahren existierten, die der Forschung genauso gut dienen noch mal etwas anderes sei, Tiere in der Grundlagenforschung könnten. Dabei ist davon auszugehen, dass der Verein, der eiwürden aber nicht toleriert. Dabei spricht er von einer „großen genen Angaben zufolge Heimat für Tierversuchsgegner aus der Brutalität“ der Versuche und erklärt, wie unsicher der Nutzen Veterinärmedizin oder den Naturwissenschaften ist, nicht gänzsei. Dabei handelt es sich um ein häufiges Argument: Kreiters lich ohne biologisches und medizinisches Hintergrundwissen Kritiker werfen ihm vor, bisher keine konkreten Ergebnisse vorargumentiert. Teilweise hält man alternative Verfahren sogar für weisen zu können. angemessener, da so am menschlichen Gehirn und nicht am AfKreiter selbst verwahrt sich gegen diese Vorwürfe und spricht fenhirn geforscht würde. Eine Forschung, die die Tierschutzordabei konkret von Desinformation. Zu diesem Vorgehen erklärt 12
ganisation schon deshalb ablehnt, weil die Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar seien. Ein Beispiel für ein solches alternatives Verfahren wäre die transkranielle Magnetstimulation (TMS), mit deren Hilfe Hirnareale kurzzeitig außer Funktion gesetzt würden. So könne man nachvollziehen, ob dieser oder jener Bereich für bestimmte Handlungen eine Funktion besitze. Als Alternative zur Behandlung konkreter Krankheiten, ein ebenfalls häufig genanntes Ziel, wird die Untersuchung entnommener Hautneuronen und Zellkulturen vorgeschlagen. Und wieder Andere plädieren für Computersimulationen. Kreiter stellt fest, es gebe Alternativen, die auch überall dort, wo es möglich ist, genutzt würden. Während Computersimulationen derzeit der Funktionsweise eines realen Gehirns nicht nahe genug kommen könnten, weil dies eben erst zu erforschen sei, erklärt er beim Hinweis auf In-vitro-Verfahren, dass zum Beispiel die neuronalen Mechanismen von Wahrnehmung oder Aufmerksamkeit in Zellkulturen gar nicht untersuchbar seien, da diese offensichtlich weder Wahrnehmung noch Aufmerksamkeit entwickelten. Bildgebende Verfahren zuletzt könnten zwar eine Übersicht verschaffen, welche Bereiche des Gehirns aktiv seien, doch was dort wirklich vor sich geht, sei dadurch nicht zu erforschen. Damit lehnt der Hirnforscher Alternativen nicht ab. Anders als seine Gegner erklärt er aber, dass die genannten Methoden die notwendigen Erkenntnisse nicht zuließen und Tierversuche in Anbetracht vieler wissenschaftlicher Fragestellungen unerlässlich seien. Wie weit die Alternativen reichen, ist also offensichtlich eine höchst komplexe Frage. Ob und in welchem Maße die Versuchstiere leiden, ist eine andere. Am Ende bleibt, so unbefriedigend wie wahr, nur die eine Erkenntnis: Wir können die Tiere nicht fragen. Die Universität selbst verweist in der Broschüre „Vertrauen in
Forschung“ übrigens auf die internationale 3R-Regel. Dabei gehe es um Reduction (Minimierung der Versuchstierzahlen), Refinement (Optimierung von Versuchsbedingungen und Erkenntnisgewinn je Versuchstier) und Replacement (Ersatz von Versuchen, wo möglich). Gerade das „Replacement“ erscheint interessant. So kritisiert Wolfgang Apel in einem ZEIT-Interview die in diesem Zusammenhang wichtige Personalpolitik der Universität. Im Jahre 2004 wurden vor Ort drei renommierte Wissenschaftlerinnen nicht weiterbeschäftigt, die eine Alternative zum Augenätztest zur Erprobung von Kosmetika an lebenden Kaninchen entwickelt hatten. Während es vonseiten der Bremer Politik sogar zur Verleihung eines angesehenen Preises kam, fehlte hier scheinbar das Geld, die drei Frauen an die Hochschule zu binden. Möglicherweise stellt sich damit letztlich die Frage, ob die Universität Bremen tatsächlich, wie die Tierschützer meinen, ein Ethikproblem hat. Auch ist fraglich, inwiefern es ausreicht, dass es zumindest kein juristisches Problem gibt, wie Kreiter erklärt. Man mag vielleicht darüber nachdenken, ob die Universität nicht jedenfalls an manchen Stellen eher ein Informations- und Glaubwürdigkeitsproblem hat, wenn Protokolle unvollständig bleiben und Forscherinnen, die Alternativen zu definitiv grausamen Versuchen entwickeln, scheinbar weniger zählen als andere. Der Forschungswille Kreiters wie auch das wohl berechtigte Misstrauen der Tierschützer gegenüber der Bremer Universität machen eines jedenfalls deutlich: Die Debatte ist noch längst nicht beendet.
Text: Björn Knutzen Fotos: ZKW/Uni Bremen, S. Mandon, Michael Mann, Uni Bremen
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Hochschulpolitik
Sportlicher Wettkampf ums Überleben Der Studiengang Sport der Universität Bremen hat eine prekäre Entwicklung hinter sich und wurde stark zusammengeschrumpft. Jetzt wagt er den Relaunch. Hat die Sportwissenschaft in Bremen in Zukunft eine Chance?
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ch dachte, man kann an der Uni Bremen nicht mehr Sport studieren?!“ Diesen Satz bekommen die hiesigen Sportstudenten der Uni Bremen häufiger zu hören. Aber doch, man kann es. Dass an diesem Umstand Zweifel gehegt werden, ist durchaus berechtigt – die Gründe dafür sind vielschichtig. 2006 wurden der Universität horrende Sparmaßnahmen auferlegt: Aufgrund des hohen Schuldenberges sah der Plan des Bremer Senats vor, 93 Millionen Euro bis 2010 einzusparen. Daraufhin wurde ein Entwurf des neuen Hochschulentwicklungsplans konzipiert, der unter anderem die Streichung von dutzenden Professuren vorsah. Den Sport traf es hier besonders hart: Drei von vier Professoren des Studiengangs Sport gingen in diesem Zeitraum altersbedingt in den Ruhestand und die Posten wurden nicht neu besetzt – nur Prof. Dr. Dr. Monika Fikus blieb. „Wir können uns den Sport nicht mehr leisten“, bestätigte 2006 die damalige Konrektorin der Uni gegenüber dem Weser Kurier. Die rund 1.000 Sportstudenten sollten noch ihren Abschluss machen können und dann der Studiengang bis 2011 ganz geschlossen werden. Professorin Fikus erzählt gegenüber dem Scheinwerfer, dass sie im Jahr 2006 mit Kollegen aus der Fachschaft regelrecht auf die Straße ging, um dagegen zu protestieren. Sportstudenten und der AStA beteiligten sich an dem Widerstand gegen die radikalen Kürzungen. Doch stieß man trotz der Unterstützung des Landessportbund Bremen sowie der deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft beim Universitätsrektor Prof. Dr. Wilfried Müller und dem ehemaligen Bremer Senator für Wissenschaft, Willi Lemke, auf taube Ohren und konnte eine Fortsetzung des Sportstudiengangs nicht erwirken. „Natürlich hofft man immer, dass es einen nicht selbst trifft“, so Fikus. Doch 2008 wurde dann der vorgeschlagene Hochschul14
entwicklungsplan von Rektor Müller in Kraft gesetzt. Dieses Jahr verlassen die letzten Lehramt-Sport-Studenten die Uni Bremen. Unter ihnen Joos Lange. „Woher sollen denn die Sportlehrer in Bremen kommen“, fragt sich der Student. Bremen ist damit künftig das einzige Bundesland, dass eigenmächtig keine Sportlehrer mehr ausbildet und somit ein Stück an Autonomie verliert. Welche negativen Folgen das künftig auf den Bremer Schulsport haben könnte, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch anzunehmen, dass die geringfügige Ausbildung sportlicher Fachkräfte sich nachteilig auf das Bild der Hansestadt Bremen auswirkt: nun müssen sportliche Talente und sportwissenschaftliche Denker auf Universitätsstädte wie Oldenburg und Osnabrück ausweichen; sie alle werden in der Hansestadt merklich fehlen und das, obwohl das Bundesland mit Großvereinen wie Werder Bremen und den Eisbären Bremerhaven als sportliches Aushängeschild gilt. Aber warum hat man sich im Zuge der auferlegten Sparmaßnahmen gerade für den Sportstudiengang entschieden? „Es habe vor allem ‚biologische‘ Gründe, dass man Kürzungen im Sport vornahm. Da passend zu den auferlegten Sparmaßnahmen nunmal im Sportstudiengang mehrere Professoren in den Ruhestand gingen, bot es sich hier an, diese nicht nachzubesetzen und somit zu kürzen“, schätzt Frau Fikus die Entscheidung der Universitätsleitung ein. Dr. Rainer Stollmann aus der Fachschaft des Fachbereich 9, Kulturwissenschaften (darunter fällt auch die Sportwissenschaft), findet hier einen anderen Grund. Er denkt, dass man sich bei den Streichungen vor allem für den Sportstudiengang entschieden hat, weil es innerhalb des Sportkollegiums Unstimmigkeiten gegeben hat und man sich somit inhaltlich und konzeptionell
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uneins war. Dass das Sportinstitut nicht an einem Strang gezoRanderscheinung verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen gen hat, wird auch in verschiedensten Gesprächen der Lehrkörverstanden werden, wie beispielsweise als „Soziologie des Sports“ per mit dem Scheinwerfer deutlich, es wird jedoch innig darum oder „Ökonomie des Sports“. Stattdessen wird Sport zum intergebeten, persönliche Interna nicht zu veröffentlichen. In einer disziplinären Mittelpunkt, aus dessen Perspektive viele kulturStellungnahme von Seiten der Hochschulleitung wurde der konwissenschaftliche Bereiche behandelt werden. Aus diesem Grund krete Grund, warum man sich gerade für Kürzungen im Bereich spricht man nun von Sportsoziologie oder Sportökonomie. ProSport entschieden hat, nicht deutlich. Man äußerte sich dahinfessor Franke fügt hinzu, es sei wichtig, dass gerade Schulabgängehend nur, dass eine Kommission des Hochschulentwicklungsger die beruflichen Perspektiven des Sports nicht nur mit Sportplans vorschlug, die Sportlehrerausbildung, mit Verweis darauf, lehrer oder Vereinstrainer verbinden, sondern dass deutlich wird, es gäbe diese auch in Oldenburg, auslaufen zu lassen. Übrig von wie zukunftsträchtig und sinnvoll man Sport als interdisziplinäalledem blieb ein resigniertes Kollegium und das begrenzte Anres Fach mit den verschiedensten Profilfächern verbinden kann. gebot, ein Sportstudium im Nebenfach zu beginnen. Eine unDadurch werden neue Kombinationsmöglichkeiten interessant. dankbare Perspektive für das verbliebene Kollegium des SportMit der Fachkombination Politik und Sport können beispielsstudiengangs. weise konkret Positionen der Öffentlichkeitsarbeit von SportverTrotzdem musste es in der Sportwissenschaft weitergehen. Eieinen anvisiert werden. „Sport ist mehr als nur Selbsterfahrung nerseits, weil noch fünf Kollein der Sporthalle“, bekräftigt gen, inklusive Professor Fikus, Franke nachdrücklich. einen unbefristeten Vertrag an Das Engagement und die neue der Uni Bremen haben und ankonzeptionelle Ausrichtung für dererseits, weil das Lehramtsdas Komplimentärfach Sport studium Sport sich bis heute findet Anklang. Seit letztem in der Abwicklung befindet. Semester haben sich knapp 50 Studierende, die sich bis 2008 neue Studenten für Sport einan der Uni Bremen immatrigeschrieben und die Resonanz kuliert haben, müssen auch die zu Inhalt und Qualität der Möglichkeit haben, ihr StuKurse ist weitgehend positiv. dium zu Ende zu führen. Um Auch erfuhr der StugA Sport dies gewährleisten zu können, eine Auferstehung. Nach vier Sporttheorieseminar bei Professor Elk Franke wurde neben der bestehenden Jahren Stillstand fanden sich Professur von Fikus zusätzlich eine befristete Vertretungspromehr als zehn Studierende zusammen, um den neuen Studienfessur eingerichtet. „Mit nur einer Professur wäre es qualitativ gang mitzugestalten. Neben außerakademischen Veranstaltungen nicht zu verantworten“, so Fikus. kümmert man sich hier um Angelegenheiten der Sportstudenten Das Comeback des Studiengangs wurde letztes Jahr eingeleitet. und wird in Institutsratsitzungen mit Stimmrechten einbezogen. Dr. Bernhard Boschert, ebenfalls aus dem Sportkollegium, hat Ob dieses Engagement Früchte tragen wird, bleibt abzuwarten. vor circa einem Jahr ein Konzept zur Gestaltung und AusrichZwar unterstützt die Universitätsleitung in einer Stellungnahme tung des Studiengangs Sport als Komplementärfach vorgelegt. gegenüber dem Scheinwerfer die konzeptionelle Neuüberlegung Dieses fand bei der Unileitung Anklang und dem wurde stattdes Sportstudiengangs, doch untersteht dieser einer Bewährungsgegeben. Das Komplementärfach ist der Nachfolger des Nebenfrist bis Anfang 2014. „Spätestens dann wird auf Grundlage eifachs, ist jedoch mit 60 statt mit 45 Credit Points bestückt. Dies ner Auswertung dieser Probezeit über die Zukunft entschieden“, bedeutet, dass somit der Studiengang Sport wieder an Umfang heißt es. gewinnen wird und muss. Boschert selbst betreut die FachrichDer Sport hat sich nach einem Knock-Out 2006 erstmal wieder tung Sport und Gesellschaft. Daher ist es nicht überraschend, berappelt und ist auf dem besten Weg, wieder auf beiden Beinen dass dieses Konzept sehr kulturwissenschaftlich und soziolozu stehen – und die Probezeit zu bestehen. Ob es tatsächlich dazu gisch ausgerichtet ist. Der derzeitige Vertretungsprofessor Elk kommen wird, hängt aber wohl eher vom Geldbeutel der Uni als Franke begrüßt und unterstützt Boscherts Konzept: „Ich halte der inhaltlichen Konzeption ab. es für wichtig, dass Sport nicht nur im praktisch-angewandten Sinne gelehrt wird. Ich befürworte eine Sportwissenschaft, die reflexiv das Phänomen Sport als ein Spiegelbild unserer GesellText: Lukas Niggel Fotos: Katrin Pleus, Lukas Niggel schaft betrachtet.“ Demnach soll die Sportwissenschaft nicht als 15
Chronik eines Hochschulwechsels Schon mal 端ber einen Ortswechsel w辰hrend des Bachelor-Studiums nachgedacht? Unsere Autorin berichtet vom Nervenkitzel b端rokratischer H端rden und gibt praktische Tipps.
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Hochschulpolitik
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n Ihrem eigenen Interesse: Lassen Sie das!“ – Diesen Rat bekam ich, als ich einen Dozenten und Modulbeauftragten über mein Vorhaben informierte, nach dem zweiten Semester die Hochschule zu wechseln. Ich hatte ihn angesprochen, weil an meiner „Wunsch-Uni“ meine Fächerkombination nur in umgekehrter Gewichtung angeboten wurde und ich deshalb schon zusätzliche Kurse in meinem Noch-Nebenfach belegen wollte. „Dann wären Sie ja außerdem Quereinsteiger, das ist noch schwieriger. In unserem Fachbereich hier an der Uni Bremen gibt es nach dem jetzigen Stand für das kommende Semester genau zwei Studienplätze für Quereinsteiger im dritten Fachsemester. Wo wollen Sie denn hin?“ Man stelle sich vor, welch ermutigende Wirkung diese kurze Unterhaltung hatte. Es bedurfte jedoch keiner großen Recherche, um herauszufinden, dass so eine Zahl „nach dem jetzigen Stand“ wenig aussagekräftig ist. Denn wie viele freie Studienplätze es in höheren Fachsemestern gibt, hängt davon ab, wie viele eingeschriebene Studierende sich zurückmelden. Wie groß dann die Chance ist, einen dieser Plätze zu bekommen, ist noch schwerer abzuschätzen, weil es erstens davon abhängt, wie viele Bewerber es gibt und zweitens die Auswahlkriterien der Universitäten nirgends genau erklärt werden. So nahm das ganze Unternehmen in meinen Augen eine Art Glücksspielcharakter an. Ich hatte keine Ahnung, was mir bevorstand. Bewerbungsverfahren Um das Glück jedoch nicht zu sehr herauszufordern, beschloss ich, mich an drei verschiedenen Universitäten zu bewerben. Stundenlange Internetrecherchen und E-Mail-Wechsel mit diversen Studienberatungen ergaben, dass sowohl die Universitäten als auch die jeweiligen Institute unterschiedliche Bewerbungsabläufe vorschreiben. Für eine Immatrikulation sind in jedem Fall ein Zulassungsbescheid für ein konkretes Fachsemester und eine Einstufung in genau dieses Fachsemester nötig. Irgendwann müssen noch die Studienleistungen von der alten Uni anerkannt werden. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf: Eine Universität forderte, dass Anträge auf Einstufung und Anerkennung spätestens sechs Wochen vor Beginn der Bewerbungsfrist an die zuständigen Prüfungsbüros gestellt werden. Die nächste Hochschule bearbeitet Bewerbungen und Einstufungen parallel, die dritte bittet nur diejenigen, die eine Zulassung bekommen, sich von den Prüfungsbüros einstufen zu lassen. Einige Fachbereiche bieten auch eine verbindliche Einstufungsprognose vor der Bewerbung an. Als problematisch erwies sich das Prozedere von Uni Nummer eins, weil man Nachweise über Teilnahme und Noten in der Regel erst am Ende des Semesters bekommt, wenn man wirklich teilgenommen und Prüfungen abgelegt hat. Ich ließ mir also
vom Prüfungsamt die Nachweise vom ersten Semester ausdrucken und legte meinen Anträgen jeweils einen Brief bei, der die Schwierigkeit schilderte und eine Liste, die die Titel meiner Kurse, die ausstehenden Prüfungen und die zu erwartenden Credit Points enthielt. Ergebnis: Eine Einstufung ins dritte Fachsemester in meinem Hauptfach, eine ins zweite Fachsemester in meinem Nebenfach, mit der Information, dass auch im Wintersemester Kurse für das zweite Fachsemester angeboten würden. Da ich zu dem Zeitpunkt quasi zwei Hauptfächer studierte, kam das für mich nicht in Frage. Ich bewarb mich trotzdem für das dritte Fachsemester und plante, mich einfach noch mal einstufen zu lassen, wenn ich meine Noten hätte. Bei der zweiten Universität gab es Probleme technischer Natur: Die Onlinebewerbung funktionierte erst Tage nach dem offiziellen Bewerbungsbeginn und musste nach nur einem Tag wieder offline gehen, weil für einige Fächer (einschließlich meines Nebenfachs) die Menüs zur Auswahl der Fachsemester nicht funktionierten. Auf der Website wurde ein neuer Termin für den Start des Bewerbungsportals angegeben, der aber wieder nicht eingehalten wurde. Eine Blamage für eine so namhafte Universität. Nur eine von drei Unis bot ein einfaches, reibungslos funktionierendes Bewerbungsportal an. In jedem Fall musste der Bewerbung eine Kopie der Hochschulzugangsberechtigung (meistens das Abiturzeugnis) beigelegt werden. Wenn noch kein Hochschulabschluss erworben wurde, interessieren Studienleistungen maximal in puncto Credit Points. Vor der Bewerbung empfiehlt es sich außerdem, die Prüfungsordnungen zu vergleichen, um abschätzen zu können, welche Leistungen potentiell anerkannt werden können und ob man die Voraussetzungen für den Einstieg in das gewünschte Fachsemester erfüllt. Aufwändig, aber lohnend! Zulassung und Einstufungen Mitte August erhielt ich den ersten Zulassungsbescheid. Die Immatrikulationsfrist war kurz (zwei Wochen) und ich wurde aufgefordert, die im Frühjahr beantragten Einstufungsbescheide einzureichen. Da meine Zulassung in beiden Fächern für das dritte Fachsemester galt, hätte ich also zwei entsprechende Einstufungen haben müssen. Ich hatte nur eine – Panik machte sich breit. Die Noten, die mittlerweile feststanden, waren noch nicht beim Prüfungsamt eingetragen, weshalb ich Dozenten und Sekretariate von Modulbeauftragten um schnelle Hilfe bitten musste. Weil alle Nachweise normalerweise ausschließlich über das Prüfungsamt laufen, sah das in einem Fall so aus, dass ich ein extra getipptes und gestempeltes Papier bekam, auf dem zunächst nicht stand, wie vielen Credit Points das Seminar entsprach. In einem anderen Fall füllte eine Sekretärin mir einen vorgedruckten Schein für Diplomstudiengänge aus, wobei sie „Diplom“ 17
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durchstrich und groß „B.A.“ draufschrieb. Diese mühsam zusammengesammelten Scheine schickte ich aus Zeitgründen (für die Einstufung waren ohnehin nur einfache Kopien gefordert) per E-Mail an den einzigen Einstufungsbefugten im zuständigen Prüfungsbüro, der mein Problem schon kannte und nur noch eine einzige Sprechstunde vor meiner Immatrikulationsdeadline hatte. Wenig später erhielt ich eine wahnsinnig pampige Antwort: Per Mail würde gar nichts angenommen, ich hätte alles falsch gemacht, mich nicht gekümmert, unangemessenerweise Termindruck im Prüfungsbüro gemacht und könne nun meine rechtzeitige Einstufung – und damit Immatrikulation – vergessen. Gern hätte ich beim Studierendensekretariat nach der Möglichkeit einer Fristverlängerung gefragt, aber in der Telefonsprechstunde, die zweimal wöchentlich für zwei Stunden angeboten wird, waren alle Leitungen besetzt und als Antwort auf meine E-Mail an die zuständige Sachbearbeiterin bekam ich eine Abwesenheitsnotiz. Glücklicherweise kam bald die nächste Zulassung – von meiner Wunsch-Uni! Für meine Immatrikulation brauchte ich nun also wieder zwei passende Einstufungen. In meinem Nebenfach, das nun mein Hauptfach werden sollte, kein Problem: Ich ging in eine Sprechstunde, ein Professor warf einen flüchtigen Blick auf den Ausdruck des Prüfungsamtes und die Scheine, füllte ein Formular für mich aus, informierte mich, dass ich nach der Immatrikulation für die Anerkennung noch einmal kommen müsse und wünschte mir einen guten Start. In meinem Hauptfach, das hier zum Nebenfach wurde, war es schwieriger: Hier wurden Einstufung und Anerkennung in einem Schritt vorgenommen. Man monierte, dass auf den Prüfungsamt-Nachweisen nicht steht, welche Art von Prüfung abgelegt wurde. Ich hatte Auszüge aus der Prüfungsordnung dabei, aber die Sekretärin befürchtete, die Bezeichnungen „kleine“, „mittlere“ und „große“ Prüfungsleistung würden dem Prüfungsausschuss nicht genügen. Vorsichtshalber (auch hier neigte sich die Immatrikulationsfrist dem Ende zu) füllte ich vier General-Studies-Scheine aus, die man beim Prüfungsamt als PDF-Datei bekommt, schrieb ausführlich drauf, wie lang die Klausuren und Hausarbeiten waren und schickte sie mit der Bitte um schnelle Bearbeitung an meine Dozenten. Innerhalb weniger Tage hatte ich drei von vier Scheinen zurück – und den Einstufungs- und Anerkennungsbescheid der neuen Uni. Der Prüfungsausschuss hatte sich schließlich doch mit den Prüfungsamt-Dokumenten begnügt. Mein zweiter Besuch im Prüfungsbüro meines Hauptfachs zum Zweck der Anerkennung war überraschend unkompliziert. Die studentische Studienberatung hatte empfohlen, die Argumentation gut vorzubereiten, dementsprechend gut ausgerüstet mit Modulbeschreibungen, den Prüfungsordnungen und Verlaufs18
plänen erschien ich zum Termin. „Das sind aber lange Modulbeschreibungen! Wenn ich das alles angucken soll, sitzen wir ja morgen noch hier“, befand die zuständige Dame und erkannte mir alle Basismodule an. Dabei mussten die Modulnoten allerdings etwas angepasst werden: Aus der interessanten 1,99 wurde eine 2,0 und aus einer 1,5 wurde mit dem Kommentar „So ist das Leben: You gain something, you lose something“ eine 1,7. Einen Widerspruch gab es bei der Einschreibung: Die Universität bat darum, die Exmatrikulation von der vorherigen Hochschule erst dann zu veranlassen, wenn der Vorbehalt des Zulassungsbescheides aufgehoben wurde. Die Exmatrikulationsbescheinigung muss aber schon dem Antrag auf Immatrikulation beigelegt werden und die Immatrikulation muss gleichzeitig mit der Aufhebung des Vorbehalts beantragt werden. Ich habe mich also vorher exmatrikuliert und war, zumindest für einige Tage, plötzlich keine Studentin mehr. Dann ging alles ganz schnell, zwei Wochen nach Semesterbeginn war ich mit Studierendenausweis, Semesterticket und Zugang zum Onlinesystem ausgestattet. Was bleibt Was bleibt sind einschlägige Erfahrungen mit Bürokratie und die Erkenntnis, dass Hochschulen in Deutschland auf organisatorischer Ebene von der viel beschworenen Einheitlichkeit weit entfernt sind. Neben den sehr unterschiedlichen Verfahren für Bewerbung, Einschreibung, Einstufung und Anerkennung variiert auch der Umgang mit der Einheit, in der Studienleistungen gemessen werden sollen: Credit Points, Leistungspunkte, Studienpunkte – nicht einmal auf einen Namen kann man sich einigen. Bei meinem Wechsel vom Nebenfach ins Hauptfach gab es nicht zuletzt deshalb so wenig Probleme, weil ich im Nebenfach in etwa so viele Semesterwochenstunden hatte wie die Hauptfächler an meiner neuen Universität, die dafür aber deutlich mehr Credit Points bekommen. Wer die Hochschule wechseln möchte, sollte sich im Klaren über den immensen Arbeitsaufwand sein und rechtzeitig Kontakt mit den Studienbüros der anvisierten Universitäten aufnehmen, um sich über die Besonderheiten der Institute bei den relevanten Abläufen zu informieren und eine persönliche Beratung zu bekommen. Auch die eigenen Dozenten sollten so früh wie möglich informiert werden, damit sie gegebenenfalls früher als das Prüfungsamt Leistungsnachweise ausstellen können. Ein Hochschulwechsel während des Bachelorstudiums ist somit nichts für Kurzentschlossene, wer es aber ernst meint, starke Nerven hat und den Papierkrieg nicht scheut, hat durchaus Chancen, ohne größere Brüche woanders weitermachen zu können. Text: Franziska Helms Illustration: Wienke Menges
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AS kürt neuen Rektor Trotz aller studentischer Kritik wählte der Akademische Senat (AS) im vergangenen Dezember Prof. Dr.-Ing. Bernd Scholz-Reiter zum neuen Rektor der Universität Bremen. Der Wahlverlauf und die ersten Reaktionen.
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ine von studentischen Vertretern als kurzfristig und intransparent kritisierte Wahl ist nach einer Verschiebung doch noch erfolgreich abgeschlossen worden. Mit einer Mehrheit von 14 Stimmen setzte sich Scholz-Reiter im 22-köpfigen AS gegen seine beiden Mitbewerber, Prof. Dr. Günter Zupanc sowie Prof. Dr. Arnim von Gleich, durch und übernimmt damit im September den Rektorposten an der Universität Bremen. Bereits im ersten Wahlgang kristallisierte er sich mit zehn Stimmen gegenüber von Gleich (sechs Stimmen) und Zupanc (vier Stimmen) als Favorit heraus, eine Mehrheit kam dann aber erst im zweiten Wahlgang zustande, nachdem der auswärtige Kandidat Zupanc ausgeschieden war. In ersten Reaktionen zeigten sich die Kandidaten sportlich, von Gleich schien allerdings durchaus geknickt: „Ich habe mich darauf vorbereitet, ich habe es mir zugetraut und insofern ist es enttäuschend. Auf der anderen Seite fällt natürlich eine große Last und Verantwortung von mir ab.“ Bekräftigend erläuterte er, dass er eine gute Position habe und auch zufrieden mit seiner derzeitigen Arbeit sei. Der Sieger selbst gab sich hocherfreut über die Wahl und das ihm ausgesprochene Vertrauen. Mit Bezug auf die Stimmenverteilung stellte er selbstsicher fest: „Ich freue mich, dass es heute entschieden wurde und eine klare Entscheidung war.“ Noch am Abend des Wahltages traf er sich auf Einladung mit dem amtierenden AStA. „Wenn man den Kontakt als Rektor mit den Studierenden nicht sucht, dann ist das eine falsche Vorstellung des Amtes“, so Scholz-Reiter. Der amtierende Rektor, Prof. Dr. Wilfried Müller, reagierte positiv auf den fairen Umgang der Kandidaten untereinander. Die Entscheidung für Scholz-Reiter sei „gut nachvollziehbar“, wobei er klarstellte, dass er sich als Amtsinhaber insgesamt aus der Entscheidung herausgehalten habe. Zu Vorwürfen mangelnder Transparenz erklärte er nur ein bedingtes Verständnis. Der Ausschreibungszeitpunkt sei glücklich gewählt worden und alle, die ein Interesse gehabt hätten, hätten vom Wechsel gewusst. Als einziges Manko nannte er, dass man den Wahltermin im Dezember von Anfang an hätte festsetzen sollen. „Ich finde, dass der AStA sich enorm verdient gemacht hat mit seiner öffentlichen Anhörung. Das finde ich großartig“, lobte Müller die studentischen Vertreter. Der RCDS erklärte sich mit dem Wahlergebnis „äußerst zufrieden“. Die Rede ist von „inhaltlich großen Schnittmengen“ zwischen der Liste und dem neuen Rektor. Moritz Ewert, der für die Liste im AS sitzt, bezeichnet Scholz-Reiter als „profilierten Wissenschaftsexperten“ und fügt hinzu: „Er wird den erfolgreichen Weg unserer Universität weiter fortsetzen sowie ihren Erhalt sicherstellen.“ Bei AfA ließ man verlauten, man sei „nicht unzufrieden mit der Wahl von Scholz-Reiter“. Es wird bedauert, dass kein wirklicher Richtungswechsel zu erkennen
sei, doch seine Haltung zu Chancengleichheit und Zivilklausel sowie sein kritischer Blick auf hohe Drittmittelquoten wird positiv hervorgehoben. Die Kritik am Wahlverlauf wird jedoch beibehalten. Insbesondere beanstandet AfA, dass eine öffentliche Aussprache über die Kandidaten und mögliche Wahlmotive zwei Mal durch die Mehrheit der AS-Mitglieder unterbunden wurde. Tatsächlich stellte sich das Verfahren während des gesamten Wahltages als ein Akt hinter verschlossenen Türen dar. Einzig die Formalitäten und die Vorstellung der Kandidaten können als öffentlich bezeichnet werden. Statt einer öffentlichen Diskussion gab es am Wahltag selbst aber überwiegend interne Gespräche während der Mittagspause. Auch dies führt vielleicht zur Einschätzung des SDS, der in seiner Stellungnahme erklärte: „Insgesamt betrachten wir das Geschehen um die Rektoratswahl sehr skeptisch, da wir im Grunde dieses Amt, den Entscheidungsprozess und die gesamten strukturellen Rahmenbedingungen als undemokratisch ablehnen.“ Auch hier kommt es zu Kritik am Wahlverlauf, wobei es allgemein darum gehe, dass niemand über die direkte Einbindung aller Universitätsmitglieder nachgedacht habe. Schließlich folgt die Erklärung: „Keiner der Kandidaten würde unseren Vorstellungen entsprechen. Keiner würde versuchen, die Universität studierendenfreundlicher und demokratischer zu gestalten.“ Die Liste LiSA machte ihrem Frust Luft und stellte, mit Blick auf die Exzellenzinitiative, fest, dass „alle drei Kandidaten den gleichen elitären Kanon der Exzellenz singen“. „Es geht um die Vorstellung der Uni als Unternehmen“, lautete der deutlich vorgetragene Vorwurf. Wie auch beim SDS werden dabei die undemokratischen Strukturen bemängelt. Insgesamt habe man sich deshalb dazu entschlossen, die Stimme im AS ungültig zu machen. Neben einigen wohlwollenden Reaktionen zum künftigen Rektor steht damit nach wie vor massive Kritik am Wahlverlauf im Raum. Ende des Jahres wird sich zeigen, inwiefern die Kritiker sich mit dem neuen Rektor arrangieren und ob er es schafft, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen. Text: Björn Knutzen Foto: Pressestelle Universität Bremen
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Campusleben
„Studentenversorgung ist unser Auftrag“ Die Mensa ist aus dem Studentenleben ebensowenig wegzudenken wie StudIP, Credit Points oder Magazinkellerpartys. Der Scheinwerfer hat der neuen Betriebsleiterin Anke Grupe auf den Zahn gefühlt und hinter die Kulissen geschaut.
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ereits kurz nach 11:00 Uhr kommen die ersten Studenten hungrig in die Mensa und warten mehr oder weniger geduldig, dass es endlich etwas zu essen gibt – doch erst, wenn an allen Ausgaben die Vorbereitungen abgeschlossen sind und die Teams an ihren Plätzen stehen, um ungefähr 5.000 Essen über den Tresen zu reichen, werden die weißen Türen zum Ausgabebereich für die kommenden drei Stunden geöffnet. Damit das jeden Tag pünktlich um 11:30 Uhr geschehen kann, beginnt die Arbeit hinter den Kulissen bereits um 6:45 Uhr. Täglich wird, vor allem von Lieferanten aus der Region,
Ein Mensa-Mitarbeiter beim Einsatz.
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in den Kellerräumen der Mensa Ware angeliefert. „Da werden schonmal tonnenweise Kartoffeln bewegt, das ist schwere körperliche Arbeit“, erzählt Anke Grupe, die seit 1. September des vergangenen Jahres die Betriebsleiterin der Unimensa ist, und begründet damit gleichzeitig, warum die Kochstellen größtenteils von Männern besetzt sind. In den Kellerräumen, die den großen Mensabrand 1997 relativ unbeschadet überstanden haben und auf deren Decke die neue Mensa gebaut wurde, befindet sich außerdem noch eine Schlachterei, die jedoch heutzutage nicht mehr genutzt wird, und die Salatküche, in der die Salate vorbereitet werden. Zwei große Aufzüge sorgen dafür, dass das Essen aus dem Keller zu den Studenten kommt. Ebenso wie ihr Vorgänger Peter Riethmöller legt Grupe Wert auf möglichst viele frische Zutaten. „Aber die Pommes schnitzen wir natürlich nicht selber“, erklärt sie lachend eine der Einschränkungen bei diesem Ziel. Als Betriebsleiterin ist sie auch für den Einkauf zuständig. Die Bestellungen müssen bei diesen großen Mengen in der Regel eine Woche vorher gemacht werden und können in den Tagen vor der Lieferung nur noch geringfügig geändert werden. Hierbei geben vor allem die in der Vergangenheit verkauften Mengen eine Orientierung und als zusätzliche Absicherung wird der Speiseplan immer so geschrieben, dass die Zutaten weiterverarbeitet werden können. Dass etwas entsorgt werden muss, versucht Grupe zu vermeiden: „Ich kaufe am liebsten passend ein und ärgere mich vor allem über zu viel, weil es nicht dem Nachhaltigkeitsgedanken entspricht. Das passt nicht in die heutige Zeit. Ich nehme lieber in Kauf, dass Salat ausverkauft ist, als 100 kg wegzuschmeißen.“ Dass ein Essen tatsächlich ausverkauft ist, bevor jeder in der Schlange seine Portion bekommen hat, passiere im Alltag jedoch selten. Und wenn einzelne, ursprünglich geplante Komponenten mal nicht reichen oder Lieferungen nicht ankommen, werden sie einfach ausgetauscht. Denn obwohl die Verkaufszahlen von Tag zu Tag variieren – bis zu 1.000 Essen Unterschied sind gerade bei beliebten Essen keine Seltenheit – lassen die Kapazitäten der Mensa es gar nicht zu, dass plötzlich die doppelte Menge verkauft wird. Doch trotz jahrelanger Erfahrung im Studentenwerk wird auch Grupe von der Essensauswahl der Studierenden oft überrascht: „Der Gast ist ein unbekanntes Wesen und tut nicht immer das, was wir uns denken.“ Damit trotzdem möglichst wenig übrig bleibt, wird auch während der Öffnungszeit der Mensa laufend nachproduziert und nicht alles im Voraus gekocht. Verantwortlich dafür, dass alles in der Mensa so abläuft, wie die
Studenten, Mitarbeiter und externen Gäste es gewohnt sind, sind 93 Mitarbeiter, die fest in zehn Teams eingebunden sind und zu einem Großteil schon lange beim Studentenwerk arbeiten. „Um solche Mengen produzieren und vor allem würzen zu können, braucht man sehr viel Erfahrung“, weiß Grupe ihre langjährigen Mitarbeiter zu schätzen. Wobei gerade die Frage des Würzens immer wieder für Schwierigkeiten sorgt: Aufgrund von häufiger Kritik vergangenen Herbst, dass das Essen zu salzig sei, werde mittlerweile weniger Salz verwendet. „Ich möchte auch keine Krankenhauskost servieren, aber reintun kann man eher als rausholen“, erklärt sie diese Gratwanderung. Ebenso wichtig wie die Teams für die verschiedenen Essensangebote sind das Kassen- und das Spülteam. Während die meisten Studenten zu Hause das Geschirr von Hand spülen müssen, läuft in den beiden großen Spülen links und rechts der Essensausgaben fast alles automatisch: Magnete heben das Besteck vom Tablett, Teller und Schüsseln werden automatisch in separaten Spülzyklen abgestapelt und das Tablett läuft durch eine vierte Spur. Die Mitarbeiter kontrollieren nur noch, ob alles sauber geworden ist, und sorgen für die richtige Ordnung auf den Tabletts. Doch Technik bedeutet immer auch einen gewissen Nervenkitzel: „Wenn die Spülen defekt sind, ist das der Super-GAU.“ Der Grundstein dafür, dass die Abläufe in der Mensa Tag für Tag funktionieren, wird schon beim Schreiben des Speiseplans ungefähr eine Woche vorher gelegt. Hierbei spielen natürlich auch die Vorlieben der Gäste eine Rolle. Besonders gefragt seien alle Geflügelteile sowie Nudel- und frittierte Gerichte. Doch nicht nur die Geschmäcker, sondern auch die Kapazitäten müssen berücksichtigt werden: Zwei Gerichte dürfen nicht den gleichen Produktionsprozess durchlaufen, also beispielsweise nicht beide zum gleichen Zeitpunkt in der Fertigstellung frittiert werden, da es sonst zu Engpässen kommen könnte. Obwohl Grupe gerne Neues ausprobiert, überrascht der Speiseplan selten mit innovativen Gerichten. Experimente seien vor allem während des Semesters, wenn besonders viele Menschen versuchen, einen der 1.650 Plätze zu ergattern, schwierig, da neue Gerichte immer auch Unsicherheiten bei der Produktion bedeuten. Doch die Produktionsprozesse sind nicht der einzige Grund: „Wir
Kurzportrait: Anke Grupe Seit 1. September hat die Unimensa eine neue Chefin: Anke Grupe. Zuvor leitete sie mehr als zehn Jahre die Hochschulmensa in der Werderstraße und wurde im vergangenen Jahr in einem offiziellen Bewerbungsverfahren für die Ablösung von Peter Riethmöller ausgewählt. Die Gründe für den Wechsel von der Werderstraße in die Bibliotheksstraße waren vor allem das größere Aufgabengebiet sowie die Größe. „Ich kenne keine vergleichbare Küche, das ist die absolute Superlative“, ist Grupe von dieser neuen Herausforderung begeistert. In den elterlichen Gastronomiebetrieb hineingeboren, absolvierte Grupe nach der Schule eine Hotelfachausbildung. Doch aufgrund der familienunfreundlichen Arbeitszeiten entschied sich Grupe nach ihrer Hochzeit und der Geburt ihres Sohnes gegen eine Laufbahn in der klassischen Gastronomie und bewarb sich stattdessen beim Studentenwerk. Im Hinblick auf die Übernahme der Leitung der Universitätsmensa drückte die 48-Jährige nochmal die Schulbank und machte vor zwei Jahren ihren Wirtschaftsfachwirt. „Nur mit Kochkenntnissen kommt man hier nicht zurecht, sondern es kommt vor allem auch auf Einkauf, Kalkulation und Personalführung an“, erklärt Grupe die Wichtigkeit dieser Weiterbildung. Entsprechend gestaltet sich auch ihr Arbeitstag, der um 7:00 Uhr beginnt und normalerweise gegen 15:15 Uhr endet. In dieser Zeit hat sie alle Hände voll zu tun: Verkaufs- und Umsatzzahlen des Vortages, Krankmeldungen, Programmierung der Kassen, Beantwortung von E-Mails und natürlich die Überwachung und Abstimmung der Produktion. Unterstützt wird sie bei diesen Aufgaben vor allem von ihrem Stellvertreter Heiko Osterloh, der seit der Neueröffnung der Unimensa im Jahr 2000 dabei ist und bereits viele Erfahrungen sammeln konnte. Selber den Kochlöffel schwingt die Betriebsleiterin nicht mehr, aber sie probiert jedes Essen, bevor es freigegeben wird: „Wenn man dann vor dem Frühstück Grünkohl probieren muss, kann das schon zur Herausforderung werden.“
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Ein Blick hinter die Kulissen: Hier entstehen täglich 5.000 Mahlzeiten in betrieblichen Großmaschinen.
versuchen, verlässlich zu sein, weil viele nicht in den Speisenahrungsmittel würden die Zusammenstellung des Speiseplans plan gucken und sich auf die Kontinuität verlassen.“ Und so jedoch erschweren. Und obwohl eine generelle Preiserhöhung steht Dienstag für Dienstag etwas Süßes, Freitag für Freitag ein laut Grupe nicht geplant sei, machen sich die höheren EinkaufsFischgericht und Dezember für Dezember das Weihnachtsessen, preise für die Studenten bemerkbar – so gibt es zum Beispiel bei dem 2011 übrigens ungefähr 6.500 Entenbrüste gegessen beim Vegetarischen Essen nur noch sehr selten Salat dazu, die wurden, auf dem Speiseplan. Und doch gab es gerade bei dem Größe der Laugenstange wird variiert und man bekommt nicht weit über den Campus hinweg beliebten Weihnachtsessen vermehr zu jeder bei Essen II angebotenen Suppe ein Brötchen. gangenes Jahr eine Änderung: Keine Königinpasteten im Essen „Dieses Brötchen gehört vielfach, zum Beispiel bei Erbsensuppe, II. „Ganz ehrlich, Königinpasteten mag ich einfach nicht. Die für mich einfach nicht dazu“, zeigt Grupe sich überzeugt von konnte ich schon in der Ausbildung nicht ausstehen“, erklärt die dieser Änderung. Hotelfachfrau diese Änderung nüchtern. Denn trotz aller KontiEine von so manch einem herbeigesehnte Änderung wäre eine nuität strebt Grupe auch Veränderungen zweite Bargeldkasse, doch die wird es in an: „Die Mensa ist immer im Wandel Zukunft nicht mehr geben. „Wenn wir und es entstehen ständig neue Trends. zwei oder drei Bargeldkassen hätten, Alles beim Alten zu lassen, nur weil es „Der Gast ist ein unbekanntes Wesen hätten wir auch zwei oder drei lange momentan gut läuft, würde mir keinen und tut nicht immer das, was wir uns Schlangen“, ist die Betriebsleiterin überSpaß machen.“ Ein aktueller Trend, der zeugt, „und nichts geht so schnell und ist denken“ kontrovers diskutiert wird, ist veganes so kostengünstig, wie mit Karte zu beEssen. „Das ist in meinen Augen keine zahlen.“ Der höhere Aufwand, der unter Ernährungs-, sondern eine Sonderkostform für eine Minderheit. anderem durch das Zählen des Bargelds entsteht, müsste letzten Ich fühle mich deshalb auch nicht berufen, das zu forcieren. Endes auch von den Studenten getragen werden. NachvollziehDie Mehrheit unserer Kunden lehnt diese Ernährungsform ab“, bar, welcher Student wann was gegessen hat, könne und wolle kritisiert sie diese Richtung in deutlichen Worten. Schon beim das Studentenwerk ohnehin nicht – auf den Karten werde nur vegetarischen Tag seien Umsatzeinbußen zu verbuchen, doch zu der abgebuchte Betrag gespeichert und bei der Abrechnung nur diesem Angebot habe sich die Mensa verpflichtet und aus diezwischen den Gruppen der Studenten, Mitarbeiter und extersem Grund werde es das auch weiterhin geben. nen Gäste unterschieden. Durch diese Unterscheidung kann das Nicht nur bei vegetarischem oder veganem Essen, sondern bei Hauptaugenmerk nämlich bei allen Auswertungen und Planunallen Überlegungen und Argumenten spielt natürlich die Kalgen ganz klar auf eine der Gruppen gelegt werden: „Studentenkulation eine wichtige Rolle. Gewinne dürfe das Studentenwerk versorgung ist unser Auftrag.“ nicht machen und das vorgegebene Budget müsse eingehalten werden. „Unsere Preise sind an der unteren Grenze und zu Hause könnte man für den Wareneinsatz gar nicht kochen. Bei uns ist das einzig und allein durch die Größe möglich“, erläutert Text: Anne Glodschei die Betriebsleiterin. Gerade die steigenden Preise für GrundFotos: Phillip Johannßen 22
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Verblöden wir Studenten?
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er Student von heute ist viel beschäftigt: Er versucht, alle CPs in der vorgegebenen Zeit zu sammeln, in die besten Module bei Stud.IP zu kommen und in der Klausurenphase sitzt er stundenlang in der Bibliothek und paukt. All dies tut er, um ja einen guten Abschluss in der Tasche zu haben und sich dadurch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen zu können. Das Klischee des Studenten gibt an, dass er sich während des Studiums vor allem extrem viel fachspezifisches Wissen aneignet und stundenlang über sein Fachgebiet reden kann, doch bleiben bei all dieser Fachsimpelei beim Studenten oftmals die Feinheiten des Alltags auf der Strecke. So ziehen einige das erste Mal aus dem wohlbehüteten Elternhaus aus und beziehen eine eigene Wohnung, meistens auch noch in einer fremden Stadt. Viele Studenten geraten damit in die Situation, das erste Mal auf eigenen Beinen stehen und den Alltag selbst organisieren zu müssen. Manch einer kommt sich dabei etwas verloren vor – ist man bereit für das große eigenständige Leben und weiß man überhaupt genug, um die Kleinigkeiten des Alltags zu meistern? Ein begehrtes Gericht der Studenten ist die uns allen vertraute Tiefkühlpizza. Aus mangelnden Kochfähigkeiten oder aus reiner Faulheit findet diese schon mal häufiger den Weg in den studentischen Magen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn sich der Student völlig in Gedanken versunken mit Quantenphysik oder der Luhmannschen Systemtheorie beschäftigt. Dann passiert es doch hin und wieder, dass der Feuermelder in der Wohnung Alarm schlägt und man die Pizza statt mit goldbraunem Teig als schwarze verkohlte Frisbeescheibe vorfindet. Statt einem vor Hunger grummelnden Magen und dunklem Dunst in der Küche ist jedoch nichts weiter geschehen. Glück gehabt! Dass es auch anders laufen kann, zeigt der Fall dreier junger Männer aus Freiburg, die ihre Pommes in der heißen Pfanne auf dem Herd vergaßen. Es brannte, sie rannten in die Küche und normalerweise kriegt man noch Folgendes zusammen: „Brennendes Öl darf nicht mit Wasser gelöscht, sondern muss erstickt werden.“ Doch das nicht immer klar ist, wie in solch einer Situation zu handeln ist, zeigte die Reaktion der Jungs:
Sie versuchten, das brennende Öl mit Wasser zu löschen, wobei einer Verbrennungen erlitt. Wie man mit Feuer umzugehen hat, das wissen die meisten, doch wie sieht es aus, wenn auf halber Strecke aufgrund einer Reifenpanne der Wagen stehen bleibt und ein Radwechsel durchgeführt werden muss? Der fleißige Student von heute denkt kurz nach und erinnert sich nur an das Gedicht der „Radwechsel“ von Bertolt Brecht – aber so richtig helfen möchte es einem in dieser Situation nicht, geht es doch in dem Gedicht nicht um den Radwechsel an sich, sondern um die Frage, warum man ungeduldig durchs Leben hetzt. Also, was tun? In die Hände spucken und selbst ist der Student oder doch lieber den ADAC rufen, weil man vom Radwechsel so was von keine Ahnung hat? Eben, da wird doch lieber der ADAC um Hilfe gerufen. So stellt sich der Student die Frage, warum er in der Lage ist, Lyrik zu interpretieren und Fälle im Gutachtenstil zu lösen, jedoch an den Kleinigkeiten des Lebens scheitert. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Preise auf dem Flohmarkt zu verhandeln: Eine ungefähre Preisvorstellung hat man schon, doch man weiß nicht recht, wie man zu überzeugen hat. Heißt das, man hat wenig Menschenkenntnis und kann dadurch nicht überzeugen? Ist man etwa durch das viele Spezialisieren und praxisferne abstrakte Denken viel zu geblendet und nicht mehr alltagstauglich und scheitert deshalb an den kleinen Problemen des Lebens? Und so hilft einem letztendlich das Gedicht von Brecht doch ein wenig, indem es den Studenten lehrt, bei der Suche nach dem Großen das Kleine nicht zu übersehen. Ein bisschen über den Tellerrand des eigenen Studiums hinauszuschauen und nicht nur durch das Leben zu hetzen mit dem Ziel, den Abschluss schnellstmöglich in der Tasche zu haben und dabei alles andere aus den Augen zu verlieren.
Text: Salma Yousaf Illustration: Wienke Menges
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Male? Female? Don’t care! Connie ist groß und fällt oftmals mit ihrem ungewöhnlichen Aussehen auf dem Campus auf. Das liegt daran, dass sie biologisch ein Mann ist und sich schon lange als Frau fühlt. Sie kam in der Schweiz zur Welt, wuchs in Houston, Texas, auf und zog mit 14 Jahren nach Bremen. An der Uni studiert sie Englisch und Linguistik und mit ihrer Samba-Band spielt sie bei politischen Veranstaltungen gegen alle Arten von Ungerechtigkeit wie Atomkraft oder Asylpolitik. : Wann hast du angefangen, High Heels und Make-up zu tragen? Connie: Das ist noch nicht sehr lange her. Seit Februar oder März des vergangenen Jahres gehe ich so auf die Straße. : Warum hast du damit angefangen? Connie: Naja, vor etwa zwei Jahren wurde mir klar, dass ich nicht hetero bin, nicht ganz jedenfalls. Vielleicht bin ich bisexuell, ich weiß nicht. Aber die Geschichte begann viel früher. Ich war ungefähr 14, als ich anfing, die Kleider von meiner Mutter anzuprobieren. : Nur aus Spaß? Connie: Nein, es war aus Neugier. Aber dann habe ich Diskriminierung von nahe stehenden Menschen erlebt und habe eine Weile wieder damit aufgehört. Erst als ich 20 war, habe ich erneut damit angefangen. Das schwerste dabei war, mir selbst zu sagen: Ich bin trans oder bi oder was auch immer, bevor ich es anderen gesagt habe. Man muss sich zuerst selbst darüber klar werden und das ist immer schwer. „Die Toiletten in : Hast du als Person dich dadurch geändert? besten - sie sind Connie: Sicherlich machte es mir bewusst, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt und wenn ich als männlich sozialisierte Person leben müsste, würde es mir nicht gut gehen. Es ist zwar noch derselbe Körper, aber ich habe das Gefühl, es sind zwei unterschiedliche Menschen. : Was steckt dahinter? Connie: Anfangs steckte vor allem eine politische Botschaft dahinter. Ich wollte Menschen zum Nachdenken bringen über die strengen Rollen, die wir für Männer und Frauen in unseren Gesellschaften reserviert haben, und sie durch das Tragen von Frauenkleidern provozieren, damit sie über diese Rollen nachdenken. Aber mittlerweile geht es vor allem um mich und mein persönliches Wohlbefinden. : Wie definierst du dich? Connie: Ich bin in erster Linie vor allem die Person, die ich bin, jenseits von allen Kategorien, die mir zugeschrieben werden. Transgender würde es am ehesten treffen. Aber zum Beispiel als schwul von Leuten, die mich gar nicht kennen, bezeichnet zu werden, ist hinterwäldlerisch. : Wie reagieren andere auf dich? 24
Connie: Ich bekomme unterschiedliche Reaktionen. Ich habe nicht mit vielen Leuten auf dem Campus oder auf der Straße gesprochen. Aber ich denke, die Reaktionen haben mit ihrer Bildung im Bereich Gender und auch mit persönlicher Toleranz zu tun. Besonders bewusst in Erinnerung geblieben ist mir eine Situation vor zehn Monaten. Ich trug Zehn-Zentimeter-HighHeels und zwei Typen kamen in meine Richtung. Sie waren einen Kopf größer als ich, dabei bin ich schon ziemlich groß, und ich schwöre, ich sah ihre Kiefer hängen. Sie dachten wohl: „WAS ist das?“ Ich denke, sie konnten nicht recht verstehen, dass Trans-Menschen tatsächlich existieren. : Wie fühlst du dich, wenn Menschen so geschockt auf dich reagieren? Connie: Ach, auf irgendeine Weise finde ich es auch schön, wenn sie so reagieren. Dadurch kann ich eine Distanz zu ihnen aufbauen und nicht nur denen, sondern auch anderen zeigen, dass es mehr gibt als zwei Geschlechter. : Unterstützen dich deine Schweden sind am Freunde und Familie? Connie: Meine Freunde sicherlich ungeschlechtlich“ mehr als meine Familie. Es gibt da ein nettes Sprichwort: Freunde sucht man sich aus, aber Familie hat man. : Beeinflusst dein Lebensstil deine Beziehungen? Connie: Dass ich Transgender bin, bezeichne ich nicht als Lebensstil. Meine Beziehungen hat es auf jeden Fall nicht beeinflusst. : Wie wichtig ist dir Akzeptanz? Connie: Sehr wichtig. Schließlich bin ich auch nur ein Mensch. : Wie nimmst du Bremen wahr? Connie: Einerseits finde ich Bremen sehr konservativ, weil ich hier viel Mobbing erlebt habe. Doch andererseits habe ich hier auch meine besten Freunde kennengelernt. Ich habe das Gefühl, die Stadt ist konservativ gegenüber Menschen, die bestimmte Grenzen überschreiten. Es gibt Orte, an denen Leute außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit nicht willkommen sind. Ich glaube wirklich, in der Arbeitswelt gibt es besonders für diese Leute immer noch jede Menge Grenzen. : Was gibt dir Mut? Connie: Ich habe nicht darüber nachgedacht, aber es ist sicherlich die positive Wirkung meiner Freunde, die wirklich offen
und tolerant sind, und kein Problem damit haben, mich in High Heels zu sehen. : Nenne ein Vorurteil, das Menschen oft über dich haben. Connie: Ich werde oft für schwul oder bi gehalten, weil ich mich so anziehe – aber das ist eine sexuelle Orientierung und hat nicht in erster Linie etwas mit Transgender zu tun. : Verrate uns etwas über dich, was die meisten Menschen nicht wissen. Connie: Dass ich über zehn Paar Pumps besitze. : Welche Toilette benutzt du? Connie: Früher habe ich viel darüber nachgedacht, auf welche Toilette ich gehen soll, doch heute tue ich das nicht mehr. Am liebsten gehe ich auf die Gender-Toilette, denn dort ist jeder willkommen. Wenn es solch eine Toilette nicht gibt, gehe ich auf die Frauentoilette. Es sollte definitiv mehr Gender-Toiletten
geben. Die Toiletten sind in Schweden am besten – sie sind ungeschlechtlich, gemischt. Es ist ungewöhnlich für uns, aber die Schweden tun es seit Jahrzehnten so. : Sollte mehr für die Akzeptanz von Menschen außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit getan werden? Connie: Auf jeden Fall. Weil sie die Art und Weise bereichern können, wie wir die Welt sehen. Dass es nicht nur Mann oder Frau gibt, nicht nur hetero- oder homosexuell. Es kann so viel mehr geben. Vielleicht sollte es auch auf den Formularen, die wir zum Beispiel in der Universität unterzeichnen müssen, eine dritte Gender-Box geben: Männlich, Weiblich oder Egal.
Text: Natalia Sadovnik Illustration: Lisa Mertens
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Universität in Bild und Ton – Campusradio und Campus TV Der Bremer Blätterwald hat einiges zu bieten und doch ist die Medienlandschaft der Universität noch wesentlich vielfältiger, als es auf den ersten Blick scheint. Dumm nur, dass das viele das nicht wissen. Und Räume fehlen auch.
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ir Studierende können uns täglich auf dem Campus informieren, wühlen uns vielleicht durch Flyer, sehen Plakate und schauen von Zeit zu Zeit in den Newsletter des AStA. Andere von uns verfolgen online die EULe oder blättern in den noch relativ jungen studentischen Magazinen, die alle paar Wochen oder Monate ausliegen. Dagegen sind vielen die Angebote von Campusradio und Campus TV vergleichsweise unbekannt – zu Unrecht. Das Bremer Campusradio kann auf eine mittlerweile über zehnjährige Geschichte zurückblicken. Hervorgegangen ist das Medium aus einer Kooperation der Universität Bremen und der Universität in Oldenburg in Zusammenarbeit mit Radio Bremen. Dabei waren es maßgeblich Klaus Jochims, damaliger Lehrbeauftragter im Fachbereichs Kulturwissenschaft, sowie Eberhard Scholz, heute Leiter der universitätsinternen Pressestelle, die das Projekt getragen und auf den Weg gebracht haben. Aufgrund einer Programmreform bei Radio Bremen und dem Ende der direkten Unterstützung für das Campusradio im Jahre 2001 drohte das Projekt jedoch zu scheitern. Erst 2005 gelang es durch die gemeinsamen Bemühungen von Klaus Jochims, Eberhard Scholz und Dr. Rainer Stollmann, das Projekt wieder aufleben zu lassen und sogar im Vorlesungsverzeichnis zu verankern. Heute ist das studentisch betriebene Radioprogramm Teil des Projektmoduls im Studiengang Kulturwissenschaften. Inhaltlich wird im Modul sowohl Praktisches als auch Theoretisches vermittelt. Neben einem Seminar, das generell für alle Interessierten offen ist und sogar als General Studies belegt werden kann, gibt es das Radioprogramm, das entwickelt, produziert und gesendet werden muss. Vor Ort wird den Studierenden die Möglichkeit geboten, Erfahrungen beispielsweise als Reporter, Autor oder Moderator zu sammeln. Dazu kommt grundlegendes technisches Know-How. „Vor Ort“ darf dabei jedoch nicht wörtlich verstanden werden, denn seit dem Ende der Kooperation mit Radio Bremen und dem damaligen Umzug der Medienstelle, in der die Radio-Aktiven einst einen Raum bekommen hatten, mangelt es an passenden Räumlichkeiten. So kommt es, dass das Campusradio mal aus dem MZH, mal aus der Glashalle und ein anderes Mal von ganz woanders senden muss. Während das nicht einer gewissen Exotik entbehrt, macht 26
es aber aus technischen Gründen beispielsweise jede Form eines Telefoninterviews unmöglich. Auch Studiogäste haben selten Lust, in improvisierte Räume zu kommen. Prof. Dr. Müller, amtierender Rektor der Universität Bremen, durfte im März vergangenen Jahres als Gast am eigenen Leibe erfahren, wie es sich aus der unterkühlten Glashalle sendet. Dabei mangelt es dem Projekt weder an Technik noch an engagierten Leuten. Ariane Kehr, Studentin der Politikwissenschaft im dritten Semester und derzeit beim Campusradio aktiv, berichtet von einem harten Kern von drei bis vier Studierenden und einer Gruppe von insgesamt rund zehn Aktiven pro Semester. Dazu kommt, dass sie als Leihgabe von Radio Bremen das notwendige technische Equipment erhielten, was auch genutzt werden könnte, wenn ein eigener Raum zur Verfügung stünde. Zwar verfügt das Team dank der Unterstützung des Multimediabeauftragten Bernd Bullwinkel, Verantwortlicher für das Campus TV Projekt, über einen kleinen Schneideraum, ein Studio ist jedoch nicht in Sicht. Dabei bräuchte es höchstens einen Raum mit Internetanschluss für vielleicht zehn Personen. Schwer vorzustellen, dass ein solcher Raum nicht zur Verfügung steht oder für das Radioprogramm frei gemacht werden könnte. Die Sendung selbst läuft alle vier Wochen mittwochs von 18 bis 20 Uhr auf UKW 92,5 beziehungsweise via Kabel auf 101,85 MHz. Eine andere Möglichkeit ist der Stream des Bürgerrundfunks Bremen. Jeweils zwei Wochen vor einer Sendung gibt es ein Redaktionstreffen, auf dem eventuelle Themen besprochen werden. Dabei liegt der Fokus deutlich auf Aktualität sowie studentischen und universitären Angelegenheiten. Dinge also, die uns alle betreffen. Nachdem geklärt ist, welche Ideen realisiert werden, machen sich alle an die Arbeit. Zwei Tage vor jeder Sendung setzt sich das Team erneut zusammen, bespricht den Sendungsablauf, legt fest, wer moderiert und wer der „Redakteur vom Dienst“ wird, der alles überblickt. Den Chefposten kann jeder einmal übernehmen. Damit bietet das Campusradio auch erste Erfahrungen in verantwortlicher Position, jedoch in lockerer Runde. Neben einem Platz für regelmäßige Treffen und einem Platz, an dem nicht nur die technischen Geräte zur Bearbeitung, sondern auch eine angemessene Akustik zur Verfügung stehen muss, braucht es also aus nahe
liegenden Gründen auch einen Ort für die Sendung selbst, wie auch für praktische Übungen in Verbindung mit der immerhin im Curriculum stehenden Lehrveranstaltung. Der Aufbau jeder Sendung ist dem anderer Programme recht ähnlich. Es gibt inhaltliche Teile und es gibt Musik. Dabei wird nicht nur herauf- und heruntergespielt, was im Mainstreamprogramm sowieso zu hören ist. Natürlich ist die Playlist von den Vorlieben der dort Aktiven beeinflusst, es wird aber versucht, eine möglichst breite Palette an Geschmäckern zu bedienen. So sind auch die Themen von vielfältiger Natur. Neben dem amtierenden Rektor, der zu einem Interview über die Exzellenzinitiative vor Ort gewesen ist, war auch der Moderator eines Poetry Slams im Tower unter den Gästen. Wie aktuell das Programm ausfallen kann, wurde auch im Sommer 2009 sehr deutlich, als das Team vom Campusradio sich den studentischen Protesten und der Besetzung der Räume im GW2 widmete. Ich war selbst vor etwas längerer Zeit einmal als Gast zu einem Thema geladen und habe dort nicht nur nette, sondern auch wirklich gut auf die Themen vorbereitete Moderatoren angetroffen. Das bestätigt mir auch Ariane: „Man lernt dort auf jeden Fall eine ganze Menge übers Radio machen und trifft auch noch einige nette Leute dabei!“ Was bleibt, ist die Raumfrage und das Gefühl, von der Universitätsleitung, die bisher kaum auf diesbezügliche Anfragen seitens des Campusradios reagiert hat, eher stiefmütterlich behandelt zu werden. Der Multimediabeauftragte Bullwinkel hat mit seinem Campus TV scheinbar weit weniger Probleme. Ein eigener Raum steht ebenso zur Verfügung wie die technische Ausrüstung. Hier sind bis 2011 20 Studierende pro Semester aktiv dabei gewesen, ab dem kommenden Sommersemester soll das studentische TVProgramm sogar für 40 bis 60 Interessierte geöffnet werden. Ansonsten engagieren sich nach Aussage des Projektleiters auch noch Ehemalige beim Programm. Auch das Campus TV hat eine traditionsreiche Geschichte. Während das Projekt selbst erst 2005 gegründet wurde, gab es laut Bullwinkel bereits seit den 90er Jahren Veranstaltungen zur Filmproduktion. Studierende waren es dann, die die Idee eines Video-Nachrichtenmagazins hatten und seit 2007 gibt es Räume für einen Studiobetrieb. Von dort war es nicht weit, um ebenfalls ins Projektmodul einge-
gliedert zu werden und wie beim Campusradio können auch die Lehrveranstaltungen zum Campus TV von allen Studierenden als General Studies belegt werden. Derzeit produzieren die Film- und Fernsehliebhaber Kurzberichte, aber auch Filme zur Studienberatung, Dokumentationen oder Imagefilme, beispielsweise für die Unibibliothek. Auf der Homepage von Campus TV findet sich dementsprechend ein WLAN-Tutorial für alle, die mit “eduroam“ und Co. zu kämpfen haben. Ein anderer, eher humorvoll ausgerichteter Beitrag beschäftigt sich mit einem „Fahrstuhl-Knigge“. Und kurz vor Weihnachten zog man mit Kamera, Sack und Pack zum Schlachtezauber und filmte das dortige bunte Treiben. Bullwinkel fasst die Möglichkeiten beim Campus TV knapp aber treffend zusammen: „Mit Campus TV haben Studierende die Möglichkeit, Medienpraxis im Bereich Film zu erlernen.“ Während Praktika und ähnliches in diesem Bereich oft schwer zu kriegen sind, bietet sich hiermit eine Möglichkeit, sich technisches und soziales Know-How aus dem Bereich von Film und Fernsehen anzueignen. Doch wieso wird dem Campusradio ein Raum versagt und weshalb hat man das unbestimmte Gefühl, dass solche Aktivitäten bei vielen Lehrenden und auch der Unileitung mitunter noch weniger zählen als ein örtlicher Gesangsverein? Der Verweis auf die ominöse Raumnot – ein Gespenst geht um in der Uni – ist hier und da vielleicht richtig, jedoch ebenso billig. Derzeit ist der amtierende Rektor im Zuge der Exzellenzinitiative darum bemüht, das Bild einer herausragenden Universität Bremen zu zeichnen. Bei aller Konzentration auf Forschung sowie eine wettbewerbsfähige Uni und unabhängig davon, ob man EliteUni sein will oder nicht, sollte es im Sinne aller Beteiligten sein, eine inneruniversitäre Medienlandschaft zu unterstützen und zum Prestigeobjekt der Universität Bremen aufzubauen. Universitäten sind eigene kleine Welten und als solche brauchen sie Medien wie jede Kleinstadt auch. Eine Unileitung, die dies erkennt, darf zu Recht als exzellent bezeichnet werden.
Text: Björn Knutzen Fotos: Campus Radio, Peter Häßlein
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Wege ins Ausland Studierenden, die einen Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren möchten, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, das zu realisieren. Der Scheinwerfer hat für einen ersten Überblick eine Übersicht einiger Programme und konkrete Erfahrungen von Kommilitonen zusammengestellt. Bei allen Programmen ist es wichtig, sich rechtzeitig über die Partnerschaften des eigenen Fachbereichs sowie die Anerkennung des Auslandssemesters zu informieren und die notwendigen Unterlagen zu organisieren. Dazu gehören in den meisten Fällen das Motivationsschreiben, Empfehlungsschreiben von Professoren, Sprachnachweise sowie der Notenspiegel. Und dann steht der Bewerbung für ein erlebnisreiches Auslandssemester nichts mehr im Weg.
Studieren in Nahost Wer bei Israel nur an Krieg und Konflikt denkt, denkt zu einseitig. Das Heilige Land hat viel zu bieten, nicht nur landschaftlich, sondern auch akademisch. Als Einwanderungsland mit jüdischer, arabischer und christlicher Bevölkerung ist Israel sowohl für Sozialwissenschaftler als auch für Kulturwissenschaftler, Historiker oder Theologen besonders faszinierend. Für Ökonomen und Ingenieure hingegen ist Israel wegen seines wachsenden IT-Bereichs interessant. Für mich als Politikstudentin steht aber natürlich irgendwie der palästinensisch-israelische Zwist im Vordergrund. Dass ich in Haifa, der drittgrößten Stadt Israels, gelandet bin, verdanke ich dem Einsatz von Professor Dr. Ulrike Liebert vom Jean Monnet Centre for European Studies. Erst kurz vor dem Bewerbungsschluss am 15. April wurde ein Kooperationsvertrag unterzeichnet, mit dem mir zum Glück die Studiengebühren von 7.600 US-Dollar pro Semester erlassen wurden. Da ich mich für ein spezielles Programm, das „Peace and Conflict Honors Program“, beworben habe, musste
ich zwei Empfehlungsschreiben von Professoren organisieren. Dies erwies sich als relativ problemlos, da die Professoren hilfsbereit reagierten. Dennoch: Man sollte vier Wochen für die Bewerbung einplanen, da ärztliche Gutachten, Notenausdrucke und Motivationsschreiben benötigt werden. Für Bewerber des „Peace and Conflict Honors Program“ ist ein Sprachkurs in Hebräisch oder Arabisch verpflichtend, der während des Semesters stattfindet. Vorkenntnisse in diesen Sprachen sind daher bei der Bewerbung nicht notwendig. Die restlichen Kurse, die alle in englischer Sprache gehalten werden, können aus einem Angebot aus den Bereichen Politik, Theologie, Wirtschaft, Medien und Film gewählt werden. Die Anrechnung in Bremen ist bei mir ohne weiteres möglich. Das aktuelle Kursangebot findet ihr unter http://overseas.haifa.ac.il. Bei Fragen könnt ihr euch an Prof. Dr. Ulrike Liebert, das International Office oder an mich (Carolin Henkenberens, s_sx3ji4@uni-bremen.de) wenden.
Europa mit Erasmus erleben Eine der besten Möglichkeiten, als Student für einen längeren Zeitraum das Heimatland zu verlassen, ist das europaweite Programm Erasmus: Die EU bietet jedem Studenten jeweils einen geförderten Studien- und Praktikumsplatz an. Da es aber jedes Jahr nur eine festgesetzte Anzahl an Plätzen gibt, ist eine Bewerbung erforderlich. Sowohl Studien- als auch Praktikumsaufenthalt sind auf maximal zwölf Monate begrenzt. Die Anerkennung von akademischen Leistungen, die im Ausland erbracht wurden, sowie die Befreiung von Studiengebühren an der Gastuniversität werden hierbei garantiert. Ebenso kann man auf einen Mobilitätszuschuss hoffen, der maximal 200 Euro monatlich pro Person beträgt. Soweit klingt das alles sehr vielversprechend, doch das Interessanteste ist wohl, wie man an solch einen Platz herankommt. Man muss offiziell an einer Hochschule oder Universität eingeschrieben sein und vor Antritt des Auslandsaufenthaltes das erste Studienjahr abgeschlossen haben. Aber aufgepasst! Die Bewerbung muss wesentlich früher eingereicht werden, meistens zum 15. Februar für das kommende akademische Jahr. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, sucht man am besten zunächst den Erasmus-Beauftragten des Fachbereichs auf. In der ersten Bewerbungsrunde kann man nur über seinen eigenen Fachbereich ins Ausland gehen. Später kann man sich aber auf 28
Restplätze der anderen Fachbereiche bewerben, die nicht vergeben wurden. Eine Liste aller Verantwortlichen findet sich auf der Seite des International Office der Universität Bremen. Der Beauftragte kann genau erklären, wie der Bewerbungsprozess abläuft und wofür man sich bewerben kann, das heißt, welche Partnerschaften zu anderen Unis bestehen. In der Regel wird erwartet, dass man mindestens über Kenntnisse auf dem Niveau B1 in der Unterrichtssprache der Gastuni verfügt – aber auch hier kann jeder Beauftragte andere Anforderungen stellen. Wenn das alles geklärt ist, steht der Bewerbung nichts mehr im Weg: Ein Lebenslauf und ein Motivationsschreiben sind normalerweise Grundvoraussetzung, eventuell könnten noch ein Sprachnachweis und ein Anschreiben dazukommen – hierbei wieder Rücksprache mit dem Beauftragten halten. Obwohl viel Unterstützung vorhanden sein wird, muss man aber immer bedenken, dass Erasmus ein hohes Maß an Eigeninitiative erwartet. Man muss sich selbst informieren, wie der Auslandsaufenthalt in die eigene Studienplanung passt, ob man eventuell Module vorziehen muss, sie im Ausland durch andere ersetzen oder, in Absprache mit den verantwortlichen Dozenten, später nachholen kann. Nachdem alle Formalitäten geklärt sind, gilt es, seine Energie in eine gute Bewerbung zu investieren, um so dem Traum vom Ausland ein Stückchen näher zu kommen.
Campusleben
Steckbriefe ausgewählter globaler Programme Universität Haifa, Israel Die Bewerbungsfrist endet am 15. April. Die Studiengebühren der Partneruni werden erlassen, ein ärtztliches Gutachten wird benötigt. http://www.monnet-centre.uni-bremen.de/ Erasmus Programm Bewerben kann man sich bis zum 15. Februar. Auch hier werden die Studiengebühren erlassen und die im Ausland gesammelten Credit Points werden angerechnet. Zusätzlich gibt es eine Betreuung an der Heimat- und Gasthochschule. Ein Mobilitätszuschuss von bis zu 200 Euro kann beantragt werden und auch Auslandsbafög ist möglich. Es wird mindestens das sprachliche Niveau B1 der Sprache benötigt, in dem die Vorlesungen gehalten werden. Neben einem Studium kann man über Erasmus auch Praktika im Ausland absolvieren. http://www.uni-bremen.de/international/wege-ins-ausland/studieren-im-ausland/erasmus.html http://eu.daad.de/eu/sokrates/infos-studierende/05603.html Deutscher Akademischer Austausch Dienst (DAAD) Bewerben sollte man sich, wenn es nach Australien oder Neuseeland gehen soll, im März des Vorjahres und für die USA oder Kanada im Juni des Vorjahres. Das sind jedoch nicht die einzigen Regionen, die man mit Hilfe des DAAD bereisen kann, sondern es gibt Austauschprogramme unterschiedlicher Inhalte mit etlichen Ländern. Konkrete Informationen finden sich auf der Homepage der Universität Bremen unter http://www.uni-bremen.de/international/internationale-kooperationen/foerderung-internationaler-kooperationen/daad.html Institut Ranke-Heinemann Die Bewerbungen können frühstens Mitte Juli und spätestens Ende November abgegeben werden. Auch hier ist die Beantragung des Auslandsbafög möglich. Für die Bewerbung wird eine Übersetzung und Beglaubigung von Zeugnissen benötigt. Wenn es nach Australien gehen soll, betragen die Studienkosten zwischen 6.500 und 11.000 Australischen Dollar, also 5.240 bis 8.660 Euro. In Neuseeland kostet das Studieren 6.000 bis 11.000 Neuseeländische Dollar. Das sind ungefähr 3.740 bis 6.850 Euro. http://www.ranke-heinemann.de/ Internationale Sprach- und Studienreisen GmbH Bewerben sollte man sich mindestens 4 Monate vor dem Wintersemester (August/September) beziehungsweise dem Sommersemester (Januar/Februar). Mit diesem Programm ist nur ein Aufenthalt in den USA möglich. Die Auswahl erfolgt unabhängig von den Englischkenntnissen und dem Notenschnitt. Eine Voraussetzung, um angenommen zu werden, ist, dass man zu Beginn seines ersten Studienjahres mindestens 17 und höchstens 28 Jahre alt ist. Es fallen Vermittlungsgebühren von 2.280 Euro an. http://www.sprachreisen.de/ Auf eigene Faust Natürlich kann man auch alles auf eigene Faust organisieren und dabei auf finanzielle Unterstützung unter anderem von folgenden Instituten hoffen: Auslandsbafög/ Bildungskredit beantragt man am Besten beim Amt für Ausbildungsförderung. Fulbright-Stipendien werden ab einem Jahr Auslandsaufenthalt vergeben. Informationen findet man unter www.fulbright.de. Für PROMOS Stipendien, die vom DAAD eingeführt wurden, kann man sich nur über seinen Fachbereich bewerben. Die Rotary Foundation Distrikt 1850 vergibt ihre Stipendien unter http://rotary1850.org/distrikt/02_foundation/stipendien.php. Diese muss man jedoch komplett selbst organisieren. Texte: Carolin Henkenberens, Alina Fischer, Natalie Vogt Foto: Lisa Mertens
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Bremen besetzt?
Was von der Occupy-Bewegung übrig bleibt Die Occupy-Demonstrationen weiten sich seit Mitte September 2011 global immer weiter aus und treffen in manchen Ländern auf große Unterstützung. Auch Bremen haben sie erreicht, ihre Schlagkraft auf dem Weg dorthin jedoch eingebüßt.
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ew York hat es vorgemacht: Am 17. September des vergangenen Jahres forderten die ersten Aktivisten dazu auf, den Zuchotti Park in Manhattans Finanzbezirk zu besetzen, um gegen soziale Ungerechtigkeit und eine zu banken- und wirtschaftsorientierte Politik zu demonstrieren. Die Demonstranten sehen sich selbst als die 99 Prozent der Menschheit, welche von dem einen Prozent der Machthabenden ausgebeutet wird. Sie klagen die Mächtigen an, mit ihrem eigennützigen und risikoreichen Verhalten an der Finanzkrise und der daraus bedingten Rezession schuld zu sein und fordern eine Veränderung dieser Machtverhältnisse. Die Occupy-Wall-Street-Proteste starteten zunächst friedlich. Etwa 1.000 Menschen fanden sich im Park ein, errichteten Zelte und besetzten diesen. Der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg (unabhängiger Politiker), zeigte sich der Aktion gegenüber aufgeschlossen, indem er auf einer Pressekonferenz am 17. September bezogen auf die Demonstrationen sagte: „People have a right to protest, and if they want to protest, we‘ll be happy to make sure they have locations to do it. As long as they do it where other people‘s rights are respected, this is the place
where people can speak their minds, and that‘s what makes New York New York.” Was so friedlich begann, artete in New York jedoch am 24. September mit dem so genannten Pfefferspray-Zwischenfall aus, bei dem Polizisten dabei gefilmt wurden, wie sie wehrlose Demonstranten, die eine Straße blockiert hatten, mit Pfefferspray attackierten. Seitdem nahm nicht nur das weltweite Medieninteresse an der Protestaktion zu, sondern auch die Zahl der Aktivisten und der Schauplätze. War am Anfang die Aufforderung „Occupy Wall Street“ nur auf den gleichnamigen New Yorker Finanzdistrikt bezogen, so änderte sich das in den folgenden Wochen. Die Proteste weiteten sich auf weitere große Städte in den USA aus. So wurden sowohl Boston als auch Städte wie Washington, Chicago und Baltimore ebenfalls zu Schauplätzen der Protestwelle. Am 15. Oktober erreichten die Proteste mit einem globalen Aktionstag ganz neue Ausmaße. In 1.000 Städten weltweit wurde die Idee der New Yorker aufgegriffen und für mehr soziale Gerechtigkeit protestiert. Die größten Demonstrationen in Deutschland fanden am 15. November in Frankfurt am Main, Köln und Berlin statt, wo sich Medienberichten zufolge an die
Die Proteste weiteten sich auf größere Städte in den USA aus.
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Bremen
tausend Menschen versammelten, um gegen die „Macht der Banken“ zu protestieren. So werden auf der Internetseite occupygermany.org, dem deutschen Pendant zur amerikanischen Internetseite, Bürger zum Demonstrieren aufgerufen: „Politische Kontrolle, Verantwortlichkeit der Politik, wirkungsvolle Korruptionsbekämpfung und die Totalreform des Bankensystems sind die brennendsten Probleme unserer Zeit. Wir können diese nicht mehr vor uns herschieben, denn es ist höchste Eisenbahn. Unsere Demokratien zu retten ist daher das Hauptziel der weltweiten Occupy-Bewegungen. Hilf mit.“ Auch in Bremen schlossen sich an diesem Tag Hunderte zusammen, um unter dem Motto „Empört euch“ zu demonstrieren. Trotz dieser Proteste ist die deutsche Bewegung bei Weitem nicht mit der amerikanischen oder der spanischen zu vergleichen, welche eine ganz andere Tragweite bekommen haben. Während die Finanzkrise in beiden Ländern den Normalbürger stärker betraf, ist Deutschland in der Krisenzeit relativ stabil geblieben und bis jetzt konnten größere Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation des Einzelnen weitestgehend verhindert werden. Während in Spanien gerade unter den jungen Leuten eine sehr hohe Arbeitslosigkeit herrscht und die USA immer noch spürbar mit den Folgen der Finanzkrise ringen, sinkt bei uns die Quote der Erwerbslosen seit 2005 kontinuierlich. So gab es laut WKO (Wirtschaftskammern Österreich) im Dezember 2005 durchschnittlich noch 11,5 Prozent Erwerbslose in Deutschland, während die Zahl bis zum Dezember 2011 auf durchschnittlich 6,1 Prozent zusammenschrumpfte. In Spanien hingegen stieg die Quote von durchschnittlich 9,2 Prozent im Jahr 2005 bis 2011 um mehr als das doppelte (20,9 Prozent) und in den USA ist von 2005 bis 2011 ebenfalls eine Erhöhung zu vermerken (von 5,1 auf 9,0 Prozent). Dieser Unterschied erklärt, warum die Aufrufe zur „Weltrevolution“ in Berlin, Frankfurt, Köln und Bremen bei vielen Menschen ungehört verhallt sind. Abgesehen von den zwei globalen Protesttagen am 15. Oktober und 11. November, an denen auch in Bremen mehrere hundert Menschen auf die Straßen gingen, ist von der Occupy-Bewegung aus New York hier in der Hansestadt nicht viel übrig geblieben. Die Wut, Unsicherheit und Verzweiflung der Menschen, die in New York dazu geführt hat, dass die Bewegung in vielen Gesellschaftsschichten ein Echo fand und somit zu einer so großen Protestwelle wurde, ist in Deutschland nicht in diesem Maße vorhanden, weshalb die Resonanz auf die genannten Protestaktionen vergleichsweise gering bleibt. Diese Ansicht teilt auch der Politikwissenschaftler der Universität Bremen, Prof. Dr. Lothar Probst, und sagte in einem Interview mit dem Weser Kurier vom 10. November über die Situation in Deutschland: „Die Krise ist zwar komplex, schwierig und für viele unverständlich und sie bringt Unmut mit sich, doch es gibt keinen Vertrauensbruch zur Politik.“ Somit gäbe es auch eine
geringere Motivation, tatsächlich auf die Straße zu gehen und sich der Bewegung anzuschließen. Dennoch kann man feststellen, dass die Wünsche vieler Bremer denen der New Yorker gleichen. So werden in Internetforen, die die Occupy-Demonstrationen unterstützen und zum Teil auch organisieren, durchaus Aufrufe nach mehr „sozialer Gerechtigkeit“ laut und „die Macht der Banken“ wird ebenfalls angeprangert. In dem Manifest der Bremer Internetcommunity echtedemokratie-jetzt-bremen.de, einem weiteren Portal, das sich den Occupy-Protesten widmet, wird in diesem Sinne „Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen“ gefordert. Denn diese Werte sieht die Internetcommunity von dem momentanen politischen und ökonomischen System bedroht. Ein Problem der Bewegung wird von Bremer Bankern, wie dem Chef der Bremischen Volksbank Jürgen Burhop, im Weser Kurier vom 3. Dezember angesprochen. Letzterer nennt die Forderungen und Ziele der Protestaktionen „vage und undifferenziert“. Während das „Was“ der Forderungen so teilweise ungenau bleibt, sind die Aktivisten in der Organisation, also dem „Wie“ des Forderns, sehr viel bestimmter. Geschickt werden für die Proteste soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter eingesetzt und Homepages erstellt, auf denen in einzelnen Städten zu Protesten aufgerufen, sich organisiert und diskutiert oder einfach nur über die Bewegung informiert wird. Eine weitere Aktion neben Demonstrationen und der Sicherstellung der Internetpräsenz, die den Unmut der Menschen in Bremen und Bremerhaven ausdrücken soll, ist die Beschriftung von Geldscheinen. Auf Ihnen lassen sich Sprüche aus der Occupy-Bewegung wie „Wir sind das Volk“, „Nieder mit den Banken“ oder aber das aus der New Yorker Bewegung stammende „We are 99%“ wiederfinden. Die Idee für diese Aktion kam aus Baden-Württemberg und wurde ebenfalls über das Internet, nämlich das Facebook-Portal der Occupy-Bewegung Bremen/ Bremerhaven, weiterverbreitet, so dass die ersten beschrifteten Scheine mit den Sprüchen nun auch hier die Wut einiger Bürger ausdrücken. Was von der New Yorker Bewegung in Bremen übrig bleibt, sind somit hauptsächlich Anstöße zur Kritik am bestehenden System, welche einige Aktivisten im Internet, auf Geldscheinen oder bei Demonstrationen zu verbreiten versuchen. Die Schlagkraft der ursprünglichen amerikanischen Proteste hingegen scheint auf dem Weg über den Atlantik verloren gegangen zu sein.
Text: Carolin Kaiser Illustrationen: Lisa Mertens
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Bremen
Wo bleiben die Anständigen? Sowohl die Bundesrepublik als auch das kleinste Bundesland wurden im vergangenen Jahr von Ermittlungsergebnissen aus der rechten Szene überrascht. Der Scheinwerfer berichtet über die Ereignisse und setzt sich kritisch mit den nun geforderten Maßnahmen der Politik auseinander.
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as Aufdecken der Nazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hat im vergangenen Jahr über Wochen für große Schlagzeilen gesorgt. Dieser Zufallstreffer der Staatsorgane offenbart aber auch einen eklatanten Mangel abseits des scheinbaren Versagens der Behörden. Viel zu selten wird der rechte Extremismus in den medialen Fokus gestellt und viel zu wenig ist überhaupt über die Verflechtungen von vermeintlich ‚bürgerlichen‘ NPD-Mitgliedern und der Skinhead-Szene bekannt. Auch im eigentlich durch eine starke linke Subkultur geprägten Bremen kommt dieses Thema erst durch einen erschreckenden Waffenfund wieder ganz oben auf die politische Agenda. Anfang November des vergangenen Jahres erregten die schockierenden Ermittlungsergebnisse von Polizei und Verfassungsschutz die ganze Republik. Eine rechtsextremistische Terrorgruppe hatte über Jahrzehnte hinweg unbehelligt in einer bis heute beispiellosen Mordserie mit mindestens neun Toten (Stand Januar 2012) eine grausame Blutspur durch Deutschland gezogen. Vorbei an den Behörden des Verfassungsschutzes der Länder Thüringen, Hessen und Niedersachsen. Vorbei am Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundespolizei und zahlreichen polizeilichen Behörden der Länder. In das Fadenkreuz der darauffolgenden Berichterstattung geriet vor allem die enge Verzahnung der eigentlich mit dem Verfassungsschutz beauftragten Organe und der rechten Szene. Debatten um Vertrauensmänner, sogenannte V-Männer, dominierten die Leitartikel und skurrile Verschwörungstheorien, die allesamt von der Unterminierung der Staatsgewalt durch rechtsgerichtete, nationalistische Verfassungsfeinde handelten, machten die Runde. Kaum einen Monat später wurde auch das bremische Idyll zerstört: Am 6. Dezember stellte die Polizei bei einer geplanten Razzia circa 20 Schusswaffen und dazugehörige Munition bei „Personen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ sicher, wie es in der gemeinsamen Presseerklärung des Innensenators und der Polizei heißt. Hierbei handelte es sich jedoch keinesfalls um einen Zufallsfund. Von den Besitzern der legalen Waffen sind jeweils vier Personen Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und zwei Personen Mitglied der Deutschen Volksunion (DVU). „Die Maßnahme war vom Senator für Inneres und Sport, Ulrich Mäurer (SPD), initiiert worden“, so der Pressetext weiter. Dies sei Teil eines von Mäurer erwogenen „7-Punkte-Plans, den der Senator zur Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt umsetzen will“. Ein Plan, der just nach den grausigen Enthüllungen um die Terrorgruppe NSU auf der 32
Agenda auftauchte. Offenbar scheint für Politik und staatliche Sicherheitsorgane selbiges zu gelten wie für die Medien: Only bad news are good news. Nur, wenn die Schlagzeilen groß genug sind, funktionieren die Tretmühlen der Bürokratie schneller und es wird Aktionismus gezeigt. So sollte es auch nicht verwundern, dass plötzlich die im Waffenrecht unter Paragraf fünf festgelegte Regelung bezüglich der Zuverlässigkeit für den Waffen- und Munitionsbesitz angewandt wurde. Diese besagt, dass die nötige Zuverlässigkeit nicht gegeben sei, wenn die betroffenen Personen „als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen […] die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind.“ Eine Regelung also, die spätestens seit der Revision des Gesetzes 2003 konsequent hätte angewandt werden können. Eine Regelung, die nun konsequent umgesetzt werden soll und den eröffnenden Paukenschlag für Mäurers 7-PunktePlan bildete. Dennoch könnte sich die Floskel der „Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ als Hindernis erweisen. Die Mitgliedschaft in Parteien wie NPD und DVU beinhaltet aus juristischer Sicht noch keinen Verstoß gegen diese Vorgabe. Die Illusion, dass die Organe des Verfassungsschutzes nicht über die internen Strukturen der rechten Szene im Bilde seien, ist allerdings auch obsolet. Der Bericht des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) weist ganz klar aus, dass von den circa 150 Rechtsextremisten in Bremen „mehr als 30 Personen der gewaltbereiten Szene zuzuordnen sind“. NPD-Mitglieder beispielsweise, die nicht unter den Rubriken Rechtsextremisten und gewaltbereite Szene firmieren, sind dabei nicht in die vom LfV genannten Zahlen eingeschlossen. Die starke Verzweigung der rechten Szene bestätigt auch der Innensenat indirekt. Vorfälle wie die Übergriffe „der rechtsextremistisch beeinflussten Hooligan-Szene“ um Standarte Bremen und Nordsturm Brema aus dem Jahr 2007 werden explizit als Gründe für Mäurers 7-Punkte-Plan genannt. Die Verbindung mit diesen Vorfällen zeigt auf, wie verworren und undurchsichtig die Strukturen innerhalb der rechten Szene sind. So kam es 2007 zum einjährigen Bestehen der Fangruppe Racaille Verte zu gewaltbereiten Übergriffen der Standarte Bremen, die der Bremer Hooligan-Szene zugeordnet werden. Darüber hinaus benannte der damalige Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) schon im Jahr dieser Zwischenfälle einen eindeutigen rechtsextremistischen Hintergrund der Standarte Bremen sowie Nordsturm Bremas. Neben der „Intensivierung der Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten“ sowie der
Rechtes Gedankengut äußert sich nicht immer so drastisch wie in dieser Szene. Aber auch vermeintlich harmlose Stammtischwitze können einen braunen Kern beinhalten. Prüfung von Verboten „rechtsextremistischer Kameradschaften“ steht auch die Ausweitung der „Aufklärungsbefugnisse des LfV“ auf Mäurers Plan. Erweiterte Befugnisse, ähnlich derer „zur Abwehr islamistischer Terrorgefahren“, schließen einer Presseerklärung des Innensenats zufolge auch die Auskunftsbefugnisse des LfV gegenüber Banken und Telekommunikationsanbietern ein. Letzteres war schon im Zuge der Verbotsverfahren gegen in Bremen ansässige Rockerbanden vom CDU-Innenexperten Wilhelm Hinners gefordert worden (der Scheinwerfer berichtete). In einer aus diesem Zeitraum stammenden Anfrage der Scheinwerfer-Redaktion an den Innensenator wurde die Telefonüberwachung allerdings noch als „nicht sinnvoll“ bezeichnet. Weiterhin will Mäurer ein eigenes Versammlungsrecht für Bremen schaffen „mit der Aufnahme eines Militanzverbots bei öffentlichen Versammlungen und Verbot von Versammlungen an symbolträchtigen Orten und Tagen“. Auch ein konsequentes Verbot rechtsextremistischer Konzerte und ein Stadionverbot für Rechtsextremisten sollen – wenn auch längst überfällig – folgen. Fraglich bleibt jedoch die Umsetzbarkeit der von Innensenator Mäurer vorgeschlagenen Maßnahmen. Allem voran die nun offenbar auch von der SPD unterstütze Telefonüberwachung ist heftigst umstritten und stellt bei Missbrauch einen tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre dar. Den notwendigen Vertrauensvorschuss für diese Maßnahme scheinen die Organe des Verfassungsschutzes allerdings verspielt zu haben. Möchte man wirklich Institutionen und Behörden derart weitreichende Kompetenzen zugestehen, die – wie das Desaster um die Verschleppung der Aufklärung des NSU-Terrors zeigt – ihrer Aufgabe
kaum gewachsen zu sein scheinen? Das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts und vor allem die Berichterstattung über dieses Dauerthema müssen wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Nur durch Information und Aufklärung können die Grundwerte der freiheitlichen Rechtsordnung über alle Gesellschaftsschichten hinweg gesichert werden. Dafür braucht es aber auch endlich den „Aufstand der Anständigen“, den ExKanzler Gerhard Schröder bereits im Jahr 2000 ausrief. Denn es geht längst nicht mehr ‚nur‘ um gewaltbereite Rechtsextremisten wie rechte Hooligans, Skinheads und so weiter, deren Nähe zu den nach außen hin biederen Parteien NPD und DVU niemand anzweifelt. Es geht um die Verbreitung dieses ‚Gedankenguts‘ auch in scheinbar gewaltfernen Kreisen. Das vom Innensenator nun aufgrund des Drucks der Ereignisse initiierte Maßnahmenpaket richtet sich nur gegen die Symptome des Übels. Die Ursachen aber liegen in mangelnder Aufklärung und einer medialen Berichterstattung, die sich derselben Ängste und Sehnsüchte bedient, mit denen am rechten Rand auf Stimmenfang gegangen wird. Auch scheinbar harmloses ‚Stammtisch-Gerede‘ kann nicht durch politische oder gar polizeiliche Zwangsmaßnahmen unterbunden werden. Für eine bunte und vielfältige Gesellschaft anstatt brauner Einfalt bedarf es dem Engagement und der Courage der Anständigen.
Text: Benjamin Reetz Illustration: Lisa Mertens
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Bremen für Studenten In dieser Rubrik stellt der Scheinwerfer studentische Besonderheiten und sehenswerte Gegenden der Bremer Stadtteile vor. Originalfoto: Gero Brandenburg
Findorff:
Familiäres Ambiente fernab jeder Großstadthektik
W
er, wie ich, aus einer Kleinstadt kommt, für den stellt sogar Bremen am Anfang ein echtes Abenteuer dar. So wundert es mich auch heute, nach über drei Jahren, nicht, dass ich nach ausgiebiger Wohnungssuche damals im schönen und kleinen Stadtteil Findorff gelandet bin. Auch wenn der an Bremen Mitte angrenzende Stadtteil mit über 25.000 Einwohnern zu den dicht besiedelten Gebieten Bremens gehört, ist von Großstadt hier keine Spur. Das bedeutet jedoch nicht, dass hier Langeweile herrscht und man völlig vom Geschehen abgeschottet ist. Ganz im Gegenteil. Trotz teilweise wirklich sehr idyllischer, ruhiger Umgebung bietet Findorff alles, was man zum Leben braucht. In der Hemmstraße, der Fußgängerzone des Stadtteils, findet sich vom Supermarkt
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und der Drogerie über Schreibwarenläden und Fotografen bis hin zum Eiscafé alles Wichtige, wenn die Zeit für eine Fahrt in die Innenstadt fehlt. Aber auch das ist ein Vorteil Findorffs: Man hat zwar nicht das Gefühl, in einer Stadt mit über 500.000 Einwohnern zu leben, ist jedoch mit dem Bus oder dem Fahrrad in nur knapp zehn Minuten mitten im Herzen Bremens. Und die Buslinie 28 sorgt – wenn auch nicht immer ganz pünktlich – für direkten Anschluss zur Uni. Doch nicht nur für das Alltägliche bietet der rund 4.200 Quadratkilometer große Stadtteil viel Abwechslung. Wer sich gerne sportlich betätigt, kommt hier ebenfalls auf seine Kosten: So kann man im Strikee’s auf der nahe dem Hauptbahnhof gelegenen Plantage als Student sowohl dienstags als auch donnerstags für nur zwei Euro pro Spiel bowlen. Die Leihschuhe gibt es sogar kostenlos dazu. Auch mittwochs lohnt es sich immer wieder, dem Strikee’s einen Besuch abzustatten. Vor allem, wenn man großen Hunger und viele Freunde mitbringt, denn Gruppen ab vier Personen erhalten mittwochs einen leckeren Burger (inklusive Pommes), ein Getränk, drei Bowlingspiele und Leihschuhe für nur 15 Euro. Wer nicht gerne bowlt, aber dennoch in Bewegung bleiben will, geht einfach eine Etage höher ins Fitnessstudio Kingdom of Sports. Hier kann man sich nicht nur an einer Vielzahl von Geräten austoben, sondern auch an diversen Kursen teilnehmen oder einfach unterm Solarium entspannen. Das Komplettpaket kostet nur rund 20 Euro im Monat und ist somit im Vergleich zu anderen Fitnessstudios relativ preiswert. Bei besserem Wetter bietet der Bürgerpark die perfekte Gelegenheit, sich beispielsweise zu einer Runde Minigolf zu treffen. Leider müsst ihr noch bis zum 1. April warten, bis die Minigolfanlage wieder ihre Türen öffnet, aber dann kann hier für nur 3,50 Euro pro Spiel der Frühling begrüßt werden. Solange es das Wetter noch nicht so gut mit uns meint, solltet ihr im Bremer Rundfunkmuseum in der Findorffstraße vorbeischauen. Auf einer großen Ausstellungsfläche kann man hier in längst vergessene Zeiten zurückreisen und sehen, wie die Radio- und Fernsehgeräte unserer Großeltern wohl ausgesehen haben. Natürlich bietet auch die im Stadtteil gelegene ÖVB-Arena ein abwechslungsreiches Programm für Jedermann und als größtes überdachtes Veranstaltungszentrum der Stadt vielen bekannten Stars eine Bühne. Die Arena gehört mittlerweile sogar zu den zehn größten Hallen Deutschlands und hat Platz für bis
zu 14.000 Besucher. Hier finden am laufenden Band Events der Extraklasse statt, also warum nicht mal wieder ein Konzert besuchen oder bei einem Comedy-Programm ein paar Tränen lachen? In den verschiedenen Hallen des Geländes werden auch unzählige Messen veranstaltet, auf denen man sich vergnügen kann. So stehen bis Ende März zum Beispiel noch eine Kunsthandwerkmesse, die Passion Sports Convention oder die Terraxotica-Germany auf dem Programm, bei der lebende Reptilien und Amphibien betrachtet oder auch gekauft werden können. Auch an kleinen Kneipen, Cafés und Restaurants hat Findorff einiges zu bieten. In Werner’s Bierhaus in der Hemmstraße werden alle Werderspiele live übertragen und mit dem mittlerweile auch überregional bekannten Riesenschnitzel kann selbst der größte Hunger gestillt werden. Wer es lieber ein bisschen exotischer mag und Abwechslung von der deutschen Küche braucht, sollte dem Chinesen Asia Nha Trang, welcher sich auch in der Hemmstraße befindet, einen Besuch abstatten oder sich das leckere Essen ohne Aufpreis nach Hause liefern lassen. Mindestens genauso groß wie das Riesenschnitzel aus Werner‘s Bierhaus ist hier die Riesenportion Huhn mit süß-saurer Sauce und Reis. Mit nur sechs Euro eine relativ günstige Alternative, wenn man mal keine Lust hat, selber zu kochen. Zu einem gemütlichen Kaffee mit Freunden trifft man sich am besten im Glücklich Café in der Neukirchstraße, welches durch seine liebevolle Einrichtung ein richtiges Wohnzimmerflair versprüht. Oder aber man besucht Katja’s Villa Kunterbunt in der Münchner Straße, wo nicht nur der leckerste Kuchen gegessen werden kann, sondern auch der wöchentliche Spieleabend (freitags von 18 bis 20 Uhr) viel Abwechslung zum üblichen Abendprogramm eines Studenten bietet. Etwa fünfzehn Spiele stehen zum Ausprobieren bereit, es können aber auch eigene Favoriten mitgebracht und vorgestellt werden. Während des Spielens gibt es alle Getränke zum halben Preis. Nur ein paar Meter weiter befindet sich die Karaoke-Bar Voice, in der ihr euer Gesangstalent unter Beweis stellen könnt. Mit einer Titelauswahl von über 18.000 alten und neuen Stücken könnt ihr mit euren Freunden hier viele lustige und abwechslungsreiche Abende verbringen. Für sein reges Nachtleben ist der Ortsteil zwar nicht bekannt, aber dafür stellt das Kulturzentrum Schlachthof eine beachtliche
Allround-Location dar. Hier finden sowohl Konzerte, Lesungen und Ausstellungen, als auch Partys statt. So nutzen auch viele Studiengänge der Uni Bremen immer wieder gerne die als Magazinkeller bekannten Räumlichkeiten, um ausgelassen das Studentenleben zu feiern. Wenn man nach einer durchtanzten Nacht im Schlachthof immer noch nicht nach Hause will, bietet sich ein gemütlicher Flohmarkt-Bummel über die anliegende Bürgerweide an. Ab Mitte April wird hier nämlich wieder jeden Sonntag gefeilscht bis zum Umfallen und kaum einer geht heim, ohne das ein oder andere Schnäppchen ergattert zu haben.
Wenn ich über die Bürgerweide schlendere, in der Hemmstraße einkaufen gehe oder im Strikee’s die Bowlingkugel schwinge, stelle ich jedes Mal wieder aufs Neue fest, dass ich hier zuhause bin. Die Menschen auf der Straße scheinen immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben und ihr Leben hier genauso zu genießen wie ich. Der Stadtteil wird nicht umsonst als Dorf inmitten einer Großstadt bezeichnet, denn genau das ist es, was Findorff seinen unverwechselbaren, familiären Charakter verleiht. Text: Alexandra Knief Fotos: Lukas Niggel
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Bremen
„Could it be Magic?“ Stattliche Körpergrößen, reichlich Muskelmasse und Unmengen Testosteron erwarten einen im Teatro Magico – und zwar in Frauenkleidern. Allein die Erscheinung der beachtlichen Männer in kurzen Kleidern und mit perfektem Make-up erweckt eine Skurrilität sondergleichen.
I
n einem belebten Teil Bremens und doch etwas versteckt liegt das Teatro Magico: „Ein Ort, der den Alltag vergessen lässt“, betont Michel Moralis, einer der Darsteller des Theaters. Ein weißes Reihenhaus in einer kleinen zur Ostertorstraße parallel verlaufenden Seitenstraße, keine fünf Minuten Fußweg von der Domsheide entfernt, beheimatet das außergewöhnliche Theater am Rande des Schnoors. Doch was hat es mit diesem Theater auf sich, von dem nur Wenige wissen? Das Teatro Magico präsentiert die Kunst der Travestie in all seinen Eigenheiten und Facetten. Beim Betreten des Theaters erlangt man direkt einen Einblick in das, was einen erwarten wird. Kronleuchter erhellen den Eingangsbereich, der mit mächtigen roten Vorhängen gesäumt ist. Ein großer Spiegel und einige Fotografien zieren die Wände. An der Schwelle zur Treppe steht eine Schaufensterpuppe, bekleidet mit einem ansehnlichen weißen Kostüm, den Hals umsäumt von einer mächtigen Federboa und violette Federn schmücken das Haar. Das macht Lust auf mehr! Und so geht es über eine lange, geschwungene Treppe hinab zum Ort des Geschehens: Den Gewölbekeller. Neugierig schweift der Blick zügig umher, doch viel Zeit bleibt nicht, denn kaum unten angekommen , empfängt der Theaterleiter Andreas Schwarze alias Andy persönlich die eintreffenden Gäste. Nach einer herzlichen Begrüßung geleitet er zum Tisch. Auf roten, gepolsterten Stühlen lassen sich die gespannten Ankömmlinge nieder. Jeweils zwei bis vier Personen finden an einem Tisch, der mit Kerzenlicht und Getränkekarte ausgestattet ist, Platz. Eine große Auswahl an Getränken verspricht einen feucht fröhlichen Abend. Auch für den kleinen Hunger ist gesorgt. Der sogenannte „Magic Cup“ bietet kleine Leckereien zum Zusammenstellen. Von der Karte aufschauend schwingt der Blick nochmals durch den Raum. Das kürzlich renovierte Gewölbe des Kellers wird durch eine Lichtkonstruktion in Szene gesetzt und sorgt für eine gemütliche Atmosphäre. Wer mit viel Deko und Kitsch rechnet, wird enttäuscht. Hier 36
gilt eher das Motto: Weniger ist mehr. Elemente an den Decken und Spiegel an den Wänden äußern eher die Liebe zum Detail. Etwa 40 bis 50 Personen umgeben an ihren runden Tischen die in rot gehaltene, T-förmige Bühne. Noch weiter die Gegebenheiten betrachtend, erscheint die kellnernde Studentin Katarina Hendrich und nimmt die Wünsche aller Gäste auf. Doch welche Art von Gästen hat man in diesem Theater zu erwarten? Die Antwort ist simpel: Es gibt keine Einschränkung! Zur Rechten zwei Mittdreißigerinnen, die sich auch fernab des Reiterhofes amüsieren möchten. Zur Linken ein älteres Ehepaar, das die Karten von den Kindern zu Weihnachten geschenkt bekam und davor eine Drei-Generationen-Familie. Das Publikum ist bunt gemischt und im Alter von 20 bis 80 Jahren ist alles vertreten. Noch überrascht von dieser Vielfalt, wird der Cocktail oder das kühle Beck‘s serviert. Die Besucher unterhalten sich angeregt, es wird viel gelacht und gespannt gewartet. „Let me know the wonder of all of you“, diese Zeilen aus dem Song „Could it be Magic“ von Donna Summer ertönen im Hintergrund und stimmen die Zuschauer ein. Es ist bereits nach 20 Uhr, dennoch wartet das Publikum geduldig. Die zeitliche Verzögerung scheint es kaum wahrzunehmen. Doch dann ist es endlich soweit, eine körperlose Stimme begrüßt die Anwesenden und fordert sie auf, die Teelichter am Tisch zu löschen. So soll es geschehen und aus der Finsternis erscheint wie aus dem Nichts eine Vision in Pink. Die Moderatorin Kim Bärly schwebt mit gewaltigem Kopf- und Schulterschmuck auf die Bühne. Mit dem Titel „ Ein Cabaret ist diese Welt“ wird dem Publikum ordentlich eingeheizt. Direkt zeigt sich, was das Teatro Magico will – es will unterhalten. Kim Bärly betont in der Begrüßung, es gehe nicht um versteckte Botschaften oder Zurechtweisungen. „Wir möchten den Zuschauern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Falls das nicht gelingt, haben wir auch Hammer und Meißel da!“ Und mit diesen Worten beginnt die Show. Die Dunkelheit erfasst abermals den Raum und etwas
Bremen
wackelig auf den Beinen erscheint schemenhaft eine Person. Das Klirren eines Glases an einer Flasche ist zu hören. Das Licht geht an und es ertönt die Stimme von Amy Whinehouse alias Michel Moralis. Die Frisur, als wären es die echten Haare Amys. Ein Mantel und eine Sonnenbrille lassen Spielraum für die Phantasie jedes Einzelnen. Im Laufe der Performance entledigt sich Amy dessen und das Geheimnis unter dem Mantel wird gelüftet. Das Publikum? Begeistert. Es folgen Parodien über die Kelly Family, Lady Gaga, Cindy Lauper, Roy Black & Anita sowie Biene Maja. Dazwischen geleitet Kim Bärly mit kunstvollsten Kostümen durch das Programm. Allrounder Andy, der nicht nur Leiter des Theaters ist und die Cocktails mixt, berührt mit seiner gesanglichen Darbietung von Adeles „Someone like you“. Trotz der Leitung des Travestie-Theaters geht Andy dieser Kunstform nicht nach. Er genieße es, sich gesanglich auslassen zu können und dadurch das Programm zu vervielfältigen. Ansonsten stecke in der Leitung des Theaters, das er 2010 übernahm, genügend Arbeit, die er mit viel „Herzblut“ erledige. Das Teatro Magico lebe von der
Aktion Exklusiv bietet das Teatro Magico Freikarten für Scheinwerferleser! Für die Shows am Mittwoch und Donnerstag erhaltet ihr Freikarten. Dazu müsst ihr euch einfach telefonisch (0421 – 336 59 336) beim Teatro Magico melden und bei der Bestellung das Stichwort „Could it be Magic“ nennen. Also ruft ab sofort an solange der Vorrat reicht! Weitere Infos zum Theater und zum Programm erhaltet ihr unter http://www.teatro-magico.eu/
Mundpropaganda und sei deshalb in vielen Kreisen noch nicht bekannt. Demnach seien die Weiterempfehlungen der Besucher unerlässlich. An diesem Abend sind sicher einige dabei, die das Theater empfehlen werden. Das Programm trifft den Nerv der Zuschauer: breit gefächert, aktuell, ironisch, derbe und zeitweise auch unter der Gürtellinie. In der Pause sind Wortfetzen hörbar wie „ lange nicht mehr so gelacht“ oder „bis jetzt gefällt es mir außerordentlich gut“. Die Dialoge beschränken sich nicht mehr auf die einzelnen Gruppen geschweige denn auf den eigenen Tisch. Munteres Gelächter und heitere Gespräche dominieren die Atmosphäre. Im Hintergrund ertönt die Stimme von Dusty Springfield mit „Son of a preacher man“. Getreu dem Motto „Being good isn’t always easy“, beginnt der pikante zweite Teil der Show. Diesen eröffnen Rodea und Michel Moralis in grünen pompösen Kostümen mit „Mamma Mia“ von ABBA. Viele Playbacks werden geschmettert und das Publikum verfällt dem Bann der Musik. Doch nicht nur die Playbackversionen und die zum Teil anzüglichen Moderationen Kim Bärlys sollen unterhalten, sondern auch eigens kreierte Figuren. Eine feste Größe im Repertoire von Michel Moralis ist die quirlige Teeverkäuferin Alma van Satt. Zunächst plaudert die gute Dame etwas aus dem Nähkästchen und eröffnet nette Anekdoten von den Straßen Bremens. Danach lehrt sie dem Auditorium das Singen. Mit dem Lied „Jede Zelle meines Körpers ist glücklich“ beschreibt sie sicherlich den Gemütszustand Vieler. Um jedoch die Internationalität zu wahren, folgt ein Auftritt von Tina Turner alias Michel Moralis. In einem kurzen Fummel bringt sie mit „Simply the best“ nochmals alle Altersklassen auf Hochtouren. Wenn es am schönsten ist, soll man ja bekanntlich aufhören und auch hier bewahrheitet sich diese Weisheit. Kim Bärly beendet die Bühnenshow mit der allseits verlangten Zugabe. Dennoch gönnen sich nach der Show viele der Anwesenden ein weiteres Getränk, unterhalten sich mit anderen Besuchern und warten auf die Künstler. Diese stehen 37
Bremen
Rede und Antwort, machen Fotos und geben Autogramme. Trotz divenhaften Aussehens sind Starallüren fehl am Platz. „Volksnah“ wie es so schön heißt, unterhalten sich die vermeintlichen Damen mit den Gästen. Rundum ein äußerst unkonventioneller Abend – und das sei auch der Anspruch des Teams vom Teatro Magico. „Es freut mich, die Zuschauer in eine andere Welt zu holen – sei es auch eine Traumwelt“, betont Michel Moralis, dessen Geburtsname Michael ist und der auch unter Freunden Michel genannt wird. Der Reiz bestünde darin, aus der Rolle zu fallen und etwas entgegen der Konventionen zu erschaffen. Dies gelänge mit der Kunst der Travestie, die sich ausschließlich auf die berufliche Ebene beschränke. Es gebe eine wichtige Unterscheidung zwischen der Travestie und dem Travestitismus. Ersteres begrenze sich alleine auf die Kunst und habe weder mit sexuellen Vorlieben noch mit dem Geschlecht zu tun. Dazu zähle sich auch Michel. Er selbst sei homosexuell, kenne jedoch auch heterosexuelle Familienväter, die dieser Kunstform nachgingen. Zum Transvestitismus hingegen zählten sich Personen, die das Gefühl haben, sie seien im falschen Körper geboren. Doch wie kommt man(n) zu dieser Art der Kunst? Michels erster Kontakte zur Travestie sammelte er beim Abschlussball und einer Talentshow. Dennoch ließ er sich zum Alten- und Krankenpfleger ausbilden. Dies füllte ihn jedoch nicht aus und so habe er aus dem Hobby seinen Beruf gemacht. 2004 gründete er eine Ich-AG und seitdem könne er von der Kunst leben. Seine Familie und Freunde wüssten von dieser Art, sich die Brötchen
zu verdienen. Es sei nicht immer einfach in diesem Milieu und so brauche man „Freunde und Leute, die dich stärken“. Nicht nur die Tatsache an sich, auf ungewöhnliche Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch schwierige Auftritte seien Hindernisse, die es zu überwinden gelte. „Wenn du bemerkst, dass das Publikum nicht auf das reagiert, was du machst, stellst du das Ganze schon mal in Frage.“ An jenem Abend reagiert das Publikum jedoch unverkennbar und gibt am Ende neben der Forderung nach einer Zugabe auch Stehende Ovationen. Michel sitzt zufrieden in der Garderobe und zündet sich eine Zigarette an. Zwar sitzt er dort noch im Frauenkostüm und ist geschminkt, die Unterhaltung aber findet mit der Person hinter der Kunstfigur statt. Hunderte Döschen, Cremes und Pinsel bedecken den Schminktisch. Der Spiegel umgeben mit Bildern von Pink, Fräulein Katzenberger sowie privaten Fotos. Duzende Perücken stehen auf dem Regal und geben Aufschluss über die Mannigfaltigkeit des Programmes. Was als nächstes ins Programm kommt, wüsste er nicht. Eigentlich müsse man immer vor dem Fernseher sitzen, um nichts zu verpassen und so neue Parodien und Figuren erschaffen zu können. Genüsslich lässt er den Rauch aus der Lunge entweichen. Die Gestalt eines Viermasters nimmt der Rauch nicht an, aber es kann ja nicht alles „Magic“ sein…
Text: Katrin Pleus Fotos: Katrin Pleus
Überhört In Bus und Bahn sind kuriose und lustige Gespräche oder Situationen zu überhören. Oft kann man gar nicht anders, als amüsiert zu lauschen. Hier möchten wir euch ein paar Kostproben von dem geben, was wir täglich „überhören“ müssen - in Bremen und unterwegs in den Semesterferien durch die Republik. Bus, Linie 22: (Haltestelle Wiener Straße/ GW1): „Meine lieben Studenten, auch wenn ich mich wiederhole, eine Weiterfahrt mit offener Tür ist leider auch heute nicht möglich. Wenn Sie dann also bitte die Lichtschranken freigeben würden...“ Nachdem sich dann auch die letzte Tür geschlossen hat, scheint der Busfahrer noch immer fassungslos und fragt ins Mikrofon: „Wieso schaffen Sie es eigentlich, sich in der Mensa ordentlich anzustellen, aber hier im Bus nicht aus der Tür zu gehen? Ich denke Sie studieren!“ Bahn, Linie 1: In Richtung Osterholz trifft man extrem coole Typen: „Jo Digger, hier ist MC Rob! Ich wünsch‘ dir alles Gute zum Geburtstag. Jo feier ordentlich und grüß mir die Atzen.“
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Bahn, Linie 6: Ein Junge und ein Mädchen im Alter von ungefähr acht Jahren kommen in die Bahn und setzen sich zu einem Polizisten. Darauf der Junge: „Ein Junge in meiner Klasse weiß noch nicht einmal was Artikel eins Absatz eins des Grundgesetzes bedeutet.“ Das Mädchen entgegnet: „Das ist doch ganz einfach. Das ist der erste Satz!“ Der Junge widerum: „Ja und was steht da, weißt du das nicht?“ Das Mädchen zuckt beschämt die Schultern. Darauf der Junge: „Sowas muss man doch wissen.“ Er fasst sich in die Jackentasche, zieht das Grundgesetz hervor und liest vor. Danach sagt er: „Ich will das ganze Grundgesetz lernen, da ich ja Politiker werden möchte.“ Text: Ariane Kehr, Katrin Pleus, Benjamin Reetz Foto: Michal Marcol
Hast auch du in letzter Zeit etwas Lustiges überhört? Dann schreib uns: scheinwerfer@uni-bremen.de.
Beton und Farbe
Zwischen Mittelfinger-Attitüde und Typographie Der Scheinwerfer schaut sich für euch in der Bremer Graffiti-Szene um und spricht mit jemandem aus der Szene über die Inhalte und die Bedeutung dieser Kunstform.
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ei der Einfahrt in den Bremer Hauptbahnhof fällt vor allem eines auf: Es ist bunt. Rund um das Bahnhofsgelände finden sich hunderte Graffitis, die viele von uns zum Teil tagtäglich sehen. Wir nehmen sie wahr, ohne zu wissen, wer sie dorthin gemalt hat und aus welchem Grund. Doch was steht eigentlich hinter diesen Bildern? Um dieser Frage nachzugehen, habe ich mich mit jemandem aus der Bremer Szene verabredet und mir eine Nachhilfestunde in Sachen Graffiti geben lassen.
Wege, was sie jedoch alle verbindet, ist die Freunde an Schrift und Wort und die Entscheidung, der Gesellschaft den Mittelfinger zu zeigen – zumindest ein bisschen. Sie sind nachts unterwegs, um die Stadt zu bemalen, wenn es keiner sieht. Die ständie Angst, entdeckt zu werden, vor der Polizei davonrennen, Paranoia und Adrenalinkick gehören unausweichlich dazu. Die meisten Sprayer stellen Eigentumsrechte in Frage und setzen sich bewusst über bestimmte Regeln der Gesellschaft hinweg. Was im ersten Augenblick anAls ich ins Cafe komme, wartet er archisch klingt, folgt bei näherem „Nicht jedes Bild passt auch an schon auf mich. Neue Blue Jeans, Hinsehen aber klaren Regeln. So grauer Hoody, Winterstiefel, sauber werden Wände nicht einfach nur jeden Ort, man muss sich geschnittener Bart. Vor ihm auf dem bemalt, sondern bei Bedarf auch immer ein wenig nach der Tisch stehen ein Kakao und eine Bioneu gestrichen, um neue Flächen für nade. Obwohl er im Moment nicht weitere Bilder zu schaffen. „Wichtig Umgebung richten.“ aktiv malt, möchte er lieber anonym ist der Respekt in der Szene, ich bleiben. Anonymität sei in der Szene male nicht einfach so auf öffentliallgemein eine wichtige Sache, so sagt er. Die meisten Writer chen Wänden oder über fremde Pieces (Anm. d. Autors: Szenekennen sich vor allem über ihr Pseudonym: „Du siehst den Bilausdruck für ein gesprühtes Bild). Den Ort für mein neues Bild dern nicht an, wer sie gemalt hat. Du kennst nur die Signatur. wähle ich sorgfältig aus. Nicht jedes Bild passt auch an jeden Ort, Was für eine Person dahinter steht, spielt eigentlich keine Rolman muss sich immer ein wenig nach der Umgebung richten.“ le. Von den meisten würdest du vermutlich nicht einmal denDer Inhalt eines Graffitis spiele dabei weniger eine Rolle, als die ken, dass sie so etwas machen, wenn du sie auf offener Straße tatsächliche handwerkliche Ausführung. Wenn das fertige Bild siehst.“ Unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten konsequent einen bestimmten Stil verfolgt und in seiner GeMeinungen und Intentionen; Kinder aus gutem Hause, die samtheit stimmig wirkt, dann sei nicht mehr ausschlaggebend, aus dem goldenen Käfig ausbrechen wollen, genauso wie intwas da eigentlich geschrieben steht. Graffitis haben eine eigene rovertierte Künstlernaturen, die den ganzen Tag nur an einem Ästhetik, die sich dem Laien häufig entzieht. Wo Szenefremde Bild malen. Manche arbeiten klassisch, andere probieren neue sich vielleicht über die bunten Farben freuen und zu entziffern 39
Bremen
versuchen, was da eigentlich so groß geschrieben steht, schauen Hafen gemalt oder auf Wände, die extra von Graffiti-Künstlern Sprayer, wie sauber die Details gearbeitet sind, welchem Pseudfür ihre Bilder angemietet werden. Dennoch kann man spüren, onym die Arbeit zuzuordnen ist und wie kreativ die Buchstaben wie viel Leidenschaft und Kreativität in manchen Bildern steckt, entfremdet wurden. Das ist der Kern von Graffiti: Buchstaben wenn man sich denn die Zeit für sie nimmt. kombinieren, abstrahieren und dabei ein möglichst einzigartiges Wir alle sehen sie unbewusst jeden Tag, aber wir setzen uns nicht Bild schaffen. So entsthen auch Werke, die auf den normalen bewusst mit ihnen auseinander. Dabei sind Graffitis mehr als Betrachter nur noch chaotisch wirken und befremdlich erscheiurbane Straßenkultur, sie sind Kunst. Mittlerweile stellen Ganen, in der Szene aber höchste Anerkennung erfahren. Es geht lerien in aller Welt die Werke bekannter Writer aus und erzie(zumindest hauptsächlich) nicht darum, die Stadt zu verschölen mit diesen gute Preise auf dem Kunstmarkt. Dadurch wird nern, politische Botschaften zu verdeutlich, dass Graffiti der Illegalibreiten oder schöne Bilder zu malen. tät entwachsen und zur grafischen „In der Öffentlichkeit werden sie Vielmehr soll das eigene Pseudonym Kunstform geworden ist. In der Öfin der Szene bekannt gemacht werfentlichkeit werden sie jedoch oft oft nur als Schmierereien den und mit einem individuellen nur als Schmierereien wahrgenomwahrgenommen und im besten Stil verbunden werden, daher sind men und im besten Falle geduldet. die Adressaten von Graffitis vor alSelbst die jungen Generationen, die Falle geduldet.“ lem die Sprayer selbst. diese Kunst unmittelbar betrifft, igHier liegt der Hauptunterschied zur norieren sie häufig, dabei können sie populär gewordenen Street Art, die fälschlicherweise oft mit eine vollkommen neue Wahrnehmung von Fläche und UrbaGraffiti gleichgesetzt wird. Street Art richtet sich meistens mit nität eröffnen: Wände werden zu Leinwänden, auf denen sich ihren Botschaften an jeden, der sie sieht. Stencils (Anm. d. AuMenschen gegenseitig Nachrichten schreiben und Bilder malen. tors: Ein Bild, das mit Hilfe von Schablonen erstellt wurde) und Neugierige und Interessierte führen sie auf ihren ganz eigenen Plakate mögen dem Graffiti vom Prinzip her teilweise zwar ähnWegen durch die Stadt und an Orte, die einem so vielleicht für lich sein, doch während sie versuchen, mit (oft politischen) Geimmer verborgen geblieben wären. Seid neugierig, nehmt euch danken ein möglichst breites Publikum anzusprechen, wenden ein wenig Zeit und entdeckt eine Kunstform, die Ausdruck des sich Graffitis immer in erster Linie an eine kleine und sehr speziSturm und Dranges unserer jungen Kultur ist, das Graffiti. fische Gruppe, vor allem in Bremen. Es gibt hier nur zwei Läden, in denen Farbdosen und Zubehör gekauft werden können und wirklich viele aktive Sprayer gibt es nicht. Von der Stadt wurden Text: Jan-Hagen Rath kaum Flächen für legale Graffitis freigegeben und so sind die Fotos: Julian Huber meisten Bilder illegal auf freie Flächen um den Bahnhof und den 41
Feuilleton
Fernweh Brüssel Die belgische Hauptstadt scheint auf den ersten Blick das hässliche Entlein unter Europas Hauptstädten zu sein. Erst beim nochmaligen Hinschauen entdeckt man ihre Schönheit und reizvollen Seiten, sodass es am Ende schwerfällt, wieder heim zu fahren.
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rüssels Stadtbild ist nicht umwerfend ästhetisch, majestätisch und einheitlich wie in Paris oder Wien – einheitlich ist hier nur das Grau, das überall vorherrscht. Man muss hier schon suchen, um abseits der klassischen touristischen Sehenswürdigkeiten schöne Orte zu finden. Das Wetter ist wie in Bremen, was ebenfalls nicht wirklich für gute Stimmung sorgt. Sobald man jedoch den Anfangsstress überwunden hat und gemütlich in einem Café eine heiße Schokolade, in der der Löffel stehen bleibt, konsumiert, oder in einer Brasserie beim ersten belgischen Starkbier versumpft, gewinnt die Stadt an Reiz. Brüssel ist nämlich nicht nur die Hauptstadt Belgiens und der EU, sondern nebenbei auch noch die Wiege gegensätzlicher kulinarischer Genussmittel. Sowohl die Praline als auch die Pommes Frites wurden hier erfunden, außerdem sind belgisches Bier und belgische Waffeln weltberühmt. Comics kommen angeblich ebenfalls aus Brüssel, wovon etliche Comicläden zeugen. Und nicht zu vergessen: Der Jugendstil „Art Nouveau“ als Baustil fand hier mit dem Architekten Victor Horta seinen Anfang. Die Stadt polarisiert immens und etliche Leute werden nie warm mit ihr, während Leute wie ich gerne immer wieder kommen, weil sie so vielfältig ist. Aber nicht nur wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes ist Brüssel umstritten: Am liebsten würde sich das reiche flämischsprachige Flandern von der armen französischsprachigen Wallonie lossagen, aber Brüssel ist das Juwel, auf das keiner verzichten mag. Deswegen leben im Land beziehungsweise der Stadt zwei gänzlich konträre Volksgruppen widerwillig mit einer dritten, der kleinen deutschen Minderheit, zusammen. Die Sprache ist es auch, die in Belgien für den ahnungslosen Touristen zu einem Problem werden kann. In Flandern ist zu beachten, dass man sich dort unbeliebt macht, wenn man Französisch spricht. Besser ist es, auf Deutsch oder Englisch zu kommunizieren, wohingegen man in Brüssel auch mal auf Englisch in ein Fettnäpfchen treten kann und nur auf Französisch Antwort erhält. Nach außen hin wirkt es, als würde das internationale Zusammenleben gut funktionieren, aber die Sprachprobleme sind ein Indikator für die Konflikte zwischen den Volksgruppen. Die europäischen Nationalitäten haben sich kleine Viertel geschaffen, auch Afrika ist mit dem lebhaften Matongé Viertel, wo man in ein Paralleluniversum abtauchen kann, vorhanden. Die Internationalität ist es, die den Reiz Brüssels ausmacht. Klein-Afrika neben Klein-Paris, ein Wirrwarr von Sprachen und Kulturen. Aber es gibt sie, die Probleme. Nicht nur mit den Einwanderern aus den ehemaligen belgischen und französischen Kolonien, sondern auch wegen der EU-Menschen, die in einer absoluten Parallelwelt leben und die Drei-Klassen-Gesellschaft zementieren. So wohnen viele Marokkaner in Molenbeek St. Jean, einem Viertel am Stadtrand mit hoher Kriminalitätsrate, das sich dadurch immer mehr zu einem Ghetto entwickelt, während die wohlhabenden Beamten zum Beispiel in die Villengegend Ukkel ziehen.
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Die überschaubare Altstadt ist sehr schön. Alle Sehenswürdigkeiten sind gut zu Fuß erreichbar und an jeder Ecke gibt es heiße Waffeln zu kaufen. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen „Gaufre Bruxellois“ und „Gaufre Liègois“. Ersteres ist eine rechteckige fluffige Eierwaffel, während zweiteres aus einem knetbaren Teig mit Hagelzuckerkörnern darin besteht, die beim Backen der oval-flachgedrückten Waffel zu schmelzen und karamellisieren beginnen. Vom kitschig-schönen „Grande Place“, der stilmäßig stark an unseren Bremer Marktplatz erinnert, mit dem Rathaus und den verschiedenen Gildenhäusern, ist das Manneken Pis nicht mehr weit weg. Dort angekommen lohnt es sich, in den „Cercle des Voyageurs“ einzukehren, ein den ganzen Tag über sehr stimmungsvolles Lokal, das erstaunlicherweise von Touristenmassen verschont bleibt. Man kann in dicken Ledersesseln in Reiseführern und Journalen blättern, Kuchen essen oder Bier trinken und seinem Fernweh nachhängen. So gestärkt kann man weiter zu einem der schönsten Orte Brüssels ziehen. Über dem malerischen Platz „Le Sablon“, wo alle berühmten Chocolatiers eine Boutique haben, erhebt sich die weiße gotische Kirche „Notre Dame du Sablon“. Von dort aus geht es weiter in das Viertel „Les Marolles“. Ein trendiges Café nach Oben: Notre Dame du Sablo dem anderen wechselt sich hier mit Antiquitäten-, Möbel- und KunstUnten: M‘Semen händlern ab und lädt dazu ein, ganze Samstage zu vertrödeln: Zum Beispiel am „Jeu du balle“ Platz, denn dort findet täglich ein Flohmarkt statt. Geht man noch weiter geradeaus, gelangt man zum ehemaligen mittelalterlichen Stadttor Porte des Halles, das wie eine kleine Ritterburg surreal auf einer kleinen Grünfläche steht. Von dort ist es auch nicht mehr weit zum Südbahnhof, der sich jeden Sonntagvormittag in den Treffpunkt für die halbe Stadt verwandelt. Denn dann findet hier bis 13:00 Uhr der „Marché du Midi“ statt. Ein Markt, in dem man günstiger als in jedem Supermarkt einkaufen kann.
Nicht nur Obst und Gemüse sind erhältlich, sondern auch verschiedene Spezialitäten, Gardinen, Kosmetika, Klamotten, Spielzeug. Dort geht es zu wie auf einer wöchentlichen Kirmes ohne Fahrgeschäfte. Von allen Seiten bieten die Händler ihre Waren an und überall kann man probieren. Besonders kurz vor Handelsschluss wird es hektisch. „Un euro, un euro, tous à un euro!“ Eine Riesenkiste Mandarinen oder ein Kilo Tomaten für einen Euro, alles ist dann möglich. Die kulinarische Hauptattraktion ist aber ein namenloser marokkanischer Stand für Oliven, Nüsse, arabische Backwaren und eingelegtes Gemüse, an dem Pfannkuchen, die „M’Semen“ heißen, im Sekundentakt verkauft werden. Die Füllung wählt man selbst aus den vielen Gemüsesorten. Meine Lieblingskombination ist Ziegenfrischkäse, Oliven in roter scharfer Gewürzpaste und Honig. Dazu trinke ich gern ein Glas gesüßten Pfefferminztee. Der Markt ist zwar billig, doch generell ist festzustellen, dass durch den EU-Hauptstadt-Status das Preisniveau in Brüssel stark gestiegen ist, was nicht nur auf Kosten alteingesessener Stadtbewohner geht. Einem reisenden Studenten ist daher davon abzuraten, abends essen zu gehen, da man noch gut bedient ist, wenn man mit 15 Euro für ein Hauptgericht davon kommt. Alternativ sollte man Picknicken mit Baguette, Camembert oder Cumin-Gouda, oder eine der zahlreichen Frittenbuden, wie „Frites-Flagey“, in Erwägung ziehen. Eine etwas günstigere Ausnahme unter den Restaurants ist das „Fin du Siècle“ im Viertel „St. Gery“, wo man zum Beispiel in Kirschbier geon, Mitte: Jeu de Balles, schmorten Hasen probieren kann. Dieses Viertel in der Nähe der Börse ist auch die klassische Weggehgegend. Bis zum Platz „St. Catherine“ ziehen sich unzählige Restaurants und Cafés. Im Sommer lässt sich auf einer der Terrassen der vielen Bars sehr gut ein Kir oder ein von Mönchen gebrautes „Chimay Bleue“, das mit neun Volumprozent zu den stärksten Fastenbieren zählt, genießen, während man die Menschen beobachtet. Unter all den Möglichkeiten zum Einkehren ist hier der „Micromarché“ mit dem „Via Via Travellers Café“ hervorzuheben, wo man untertags Handgefertigtes von unbekannten Talenten kaufen kann und abends auch mal Konzerte stattfinden.
Feuilleton Neben dem Erkunden der Stadt sind auch Tagesausflüge in flämische Städte wie Brügge, Gent oder Antwerpen für Brüsselbesucher ein Muss. An Wochenenden gibt es mit der Bahn 50 Prozent Ermäßigung auf alle Strecken innerhalb Belgiens. Hat man vor, all diese Städte zu bereisen, lohnt es sich, einen Go-/ Rail-Pass, eine zehn Fahrten umfassende Streifenkarte für die Bahn, zu kaufen. Er gilt ebenfalls in ganz Belgien, ist nicht personengebunden und kostet für unter 26-jährige 50 Euro. Abgesehen von alternativlosen Emigranten, Einheimischen und EU-Beamten bleibt kaum jemand für längere Zeit in Brüssel. Die Leute kommen (meistens wegen eines Jobs, der irgendetwas mit der EU zu tun hat), arbeiten ein halbes Jahr oder etwas länger hier und ziehen dann weiter. Das macht die Stadt sehr dynamisch, es ist die Stadt des permanenten Erasmus-Lebensgefühls. Auf die Dauer ist das sicher sehr anstrengend. Einheimische selbst lernt man selten kennen. Sie treten dann sichtbar in Erscheinung, wenn der öffentliche Dienst mal wieder streikt und weder Metro noch Tram fahren. Nicht nur deswegen rate ich euch, lieber zu Fuß durch die Stadt zu flanieren, sondern auch weil man auf den eigenen zwei Beinen die geheimen Schönheiten der Stadt am besten entdecken kann. Immer wieder einmal taucht ein Jugendstilhaus oder ein netter Platz (zum Beispiel der „Place St. Boniface“) auf, wo man gemütlich Kaffee trinken kann. Die Möglichkeiten in Brüssel erschöpfen sich nicht. Auf engstem Raum hat man Metropolenflair. Kinofilme in Originalversion, Museen, Lokale für jeden Geschmack sowie etliche Ausflugsziele und Weltstädte wie London und Paris sind in unmittelbarer Nähe. Außerdem zieht ein unwiderstehlicher Waffelduft durch die ganze Stadt. All das macht Brüssel – trotz des grauen Straßenbilds und trotz der Probleme, die durch das multikulturelle Zusammenleben entstehen – in meinen Augen zu einem ganz besonderen Ort. Hinweise: Gleich wenn man in Brüssel oder einer anderen belgischen Stadt ankommt, sollte man sich unbedingt die „Free map for young travellers“ im Tourismusbüro abholen oder schon davor im Internet unter http://www.use-it.be/ runterladen zum Pläne schmieden. Dort gibt es super Tipps für Lieblingsplätze und Lokale von jungen Ortsansässigen. Da es in Brüssel aufgrund der hohen Personalfluktuation in den internationalen Institutionen eine hohe Nachfrage nach kurzfristigen Unterkünften gibt, lohnt es sich hier, eine Woche lang eine Wohnung zu mieten, anstatt in einer Jugenherberge abzusteigen. Pro Woche zahlt man 200 bis 250 Euro, was zu zweit 15 bis 18 Euro pro Tag ausmacht. Dazu sollte man aber beachten, dass es im Oktober und März schwierig sein wird, etwas zu finden, weil dann die Uni hier wieder anfängt und die neuen EU-Praktikanten kommen, die ein Dach über ihrem Kopf suchen.
Text: Nora Enzlberger Fotos: Nora Enzlberger
Unterkünfte: http://www.eu-rentals.com/ http://www.double-u-rentals.info/Dansaert http://www.everyoneweb.com/roominbrussels http://www.gardeninthecity.be 43
Feuilleton
Z
Der Gott des Gemetzels
wei 11-Jährige Jungs haben delt sowieso jeder zu seinem eigenen sich gestritten, Zachary CoVorteil: „Niemand interessiert sich für wan hat Ethan Longstreet mit etwas anderes als sich selbst.“ einem Holzstock zwei Zähne ausgeIm Laufe des Films wird ein Apfelschlagen. Ein banaler Streit zweier Birnen-Cobbler auf den Couchtisch Kinder, möchte man meinen. Die erbrochen, ein Smartphone landet in Eltern treffen sich zu einem Schlichder Blumenvase und eine Handtasche tungsgespräch – unter Erwachsenen fliegt durch den Raum. Eheprobleme kann man über so etwas vernünftig kommen ans Tageslicht – die Fronreden, nur die Kinder müssen moraliten sind nicht immer klar definiert, sches Verhalten eben erst noch lernen. mal verbünden sich die Frauen und Doch in dem gepflegten Brooklyner die Männer, mal die Ehepartner. Sehr Wohnzimmer der Familie Longstreet amüsant, teilweise peinlich und trotz tun sich im Laufe des für zwei Golder einfachen Szenerie – (fast) der geden Globes nominierten Films umso samte Film findet in einem einzigen größere moralische Abgründe auf und Raum statt – wird Spannung aufgemit steigendem Alkoholpegel geht es baut. Man fragt sich: Wie kommen schon bald nicht mehr so gesittet zu, die da wieder raus? Ab einem gewissen wie man das von vernünftigen ErZeitpunkt scheint es unmöglich, dass wachsenen erwarten sollte. Der Film die Cowans einfach so wieder nach basiert auf einem der erfolgreichsten Hause gehen, als wäre nichts gewesen. Theaterstücke der letzten Jahrzehnte, Zugegeben, es macht Spaß, vier MenDer Gott des Gemetzels (Carnage) welches in ungefähr 60 deutschspraschen dabei zuzuschauen, wie sie sich Spielzeit: 80 Minuten chigen Theatern aufgeführt wurde. gegenseitig fertig machen. Vielleicht Regie: Roman Polanski Der Titel gibt zwar zu der Vermutung liegt darin auch der Erfolg der ganzen Mit Jodie Foster, Kate Winslet, Anlass, es könne viel Blut fließen, Pseudo-Reality-Shows, deren Anzahl John C. Reilly und Christoph Waltz doch – dies sei zunächst gesagt – das im deutschen Fernsehen exponentiell ab 1. Mai 2012 auf DVD erhältlich Gemetzel findet vor allem auf verbaler anzusteigen scheint. Der Film bietet Ebene statt. Die ursprünglich banale im Grunde Ähnliches auf höherem Diskussion über die Kinder schauNiveau. Denn das wahre, alltägliche kelt sich allmählich zur moralischen Gemetzel findet meist ohne Blut statt. Grundsatzdiskussion auf, bei der vollWenn man möchte, regt einen der kommen verschiedene, teilweise wiFilm zum Nachdenken an: Sind wir dersprüchliche Positionen aufeinander wirklich so moralisch, wie wir selbst treffen. Wirklich sympathisch ist eigerne von uns denken? Man kann ihn nem am Ende keiner der Charaktere aber sehr gut auch einfach zur Unmehr – weder Penelope, die sich den terhaltung schauen. Polanski ist eine anderen moralisch überlegen fühlt, intelligente Komödie gelungen, die noch Michael, der sich als gegen Ehe natürlich vor allem von den Schauund Kinder im Allgemeinen wetternspielern lebt – Jodie Fosters vor Wut der Hamstermörder entpuppt, noch verzerrtes Gesicht, Christoph Waltz‘ Nancy, deren wahre Manieren bald süffisantes Lächeln. Obwohl die Situdurch den Alkohol zum Vorschein kommen. Und Alan ist eiation letztlich ziemlich absurd wirkt, ist alles glaubwürdig. Am gentlich ein Arschloch, als Anwalt muss er einer Pharmafirma Ende ist klar: Der Gott des Gemetzels wohnt in allen von uns, den Kopf aus der Schlinge ziehen, seine Telefonate unterbrechen egal für wie zivilisiert wir uns halten mögen. ständig das Gespräch. Dennoch scheint er als Einziger durchschaut zu haben, worum es wirklich geht – er glaubt an den Gott Text: Christina Freihorst des Gemetzels, das Prinzip, dass jeder sich selbst der Nächste ist, Fotos: Constantin Filmverleih sozusagen. Moralische Regeln sind nur eine Farce, am Ende han44
Kolumne
Feuilleton
Leben für den Lebenslauf
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ervös rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. Meine Hände sind vor Aufregung schon ganz feucht und meine Gedanken kreisen. Gleich habe ich ein Vorstellungsgespräch für mein absolutes Wunschpraktikum in einem kleinen Verlag in Prenzlauer Berg in Berlin. Ich habe mich lange und akribisch auf dieses Treffen vorbereitet: das Verlagsprogramm auswendig gelernt, mögliche Fragen überlegt und Ratgebervideos für den idealen Auftritt begutachtet. Aber warum all das? Ich bin mir durchaus im Klaren, dass man dem Gegenüber zur Begrüßung die Hand gibt. Ich weise durch mein Studium die nötige Fachkompetenz auf und kann mich auch angemessen ausdrücken. Trotzdem wird einem von vielen Seiten permanent suggeriert, dass man einfach nicht gut genug ist. Obwohl die Regelstudienzeit eingehalten werden muss, sollte der potentiellen Bewerber oder die potentielle Bewerberin über Berufs- und Auslandserfahrung sowie Sprachkenntnisse verfügen und ehrenamtliches Engagement vorweisen. Denn all das macht sich gut im Lebenslauf. Aber lebt man denn nur für seinen Lebenslauf?
Wer heute studiert, wird nicht nur in seinem Fach ausgebildet. Die Uni ist ein Ort geworden, an dem es kaum noch um Erkenntnisgewinn, sondern um Verwertung des Einzelnen geht. In diversen Workshops und Kursen scheint alles erlernbar, von Kommunikationsstärke über Zeitmanagement bis hin zu Team- und Konfliktfähigkeit. Überall liegen Prospekte von Firmen, Praktikumsbörsen und Messen. Eine Vielzahl an Ratgeber-Büchern sorgt für das Arbeitsleben vor. Aber was ist die Folge? Überall verwertbare Personen mit zweckorientierten Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen, welche wiederum diese Einstellungen an kommende Generationen weitergeben, sodass eine optimierte, rentable Gesellschaft entsteht. Aber ist nicht jeder Arbeitsbereich von Pluralität und Ambivalenz der Praktizierenden abhängig? Ich könnte darüber stundenlang lamentieren. Doch jetzt öffnet sich die Tür und der Verlagschef betritt den Raum. Nur nicht vergessen, die Hand zu geben.
Text: Anna Tappe
Kultureinblicke
Man hätt‘s auch lassen können
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remen. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Tradition des Weihnachtsbaums weltweit verbreitet. Von Deutschland ausgehend fand diese Tradition des festlichen Schmückens eines Nadelbaums rund um den Globus Anklang, doch gerade im Stammland des Weihnachtsbaums verkümmert dieser Brauch immer mehr. Man nehme das naheliegendste Beispiel: Den Versuch eines Weihnachtsbaums in der Glashalle der Universität Bremen. Zu finden in einer der wenigen nicht zugigen Ecken, aber dennoch in seiner Hässlichkeit unmöglich zu übersehen, verschandelte dieses Gestrüpp – eher weniger als mehr – liebevoll mit Lampenapplikationen versehen den Zentralbereich. Mit Weihnachten hatte diese Monströsität in etwa soviel zu tun wie das Bremer Schmuddelwetter – eigentlich gar nichts! Dennoch schien man von offizieller Seite aus offenbar den Drang zu verspüren, den Betrachter und Besucher der Glashalle länger als notwendig mit dieser Augenweide zu beglücken. So zog dieses obskure Gewächs noch weit über Weihnachten hinaus das Aushängeschild der Universität ins Lächerliche. Von seiner beträchtlichen Größe abgesehen konnte diese Vergewal-
tigung des guten Geschmacks also gar nicht anders, als ungläubige Blicke auf sich ziehen. Ob dies nun mit der Verschwörung der Illuminaten, den Freimaurern, der Euro-Schuldenkrise oder anderem zusammenhängt, konnte bis Redaktionsschluss nicht einwandfrei geklärt werden. Dass es sich hierbei um ‚Kunst‘ handelt, allerdings auch nicht. Naheliegend wäre Letzteres allemal, passt doch dieser pseudo-weihnachtsbaumähnliche Staubfänger in Übergröße zum architektonischen Stil des Brutalismus, in dem auch das GW2 gehalten ist. Sollte es tatsächlich so sein, darf man dem ‚Künstler‘ zu seinem Abstraktionsvermögen gratulieren, diesen ‚Stil‘ – oder eher diese Zumutung – nicht durch Beton fortzuführen, sondern stattdessen die naturgewachsene Lächerlichkeit eines Weihnachtsbaums, verziert mit einem Lichtschlauch Marke „Chemnitz“, zu verwenden. In allen anderen Fällen – die ein deutlich höheres Potenzial besitzen, der Realität zu entsprechen – muss man allerdings sagen: Man hätt‘s auch lassen können! Text: Benjamin Reetz Foto: Lisa Mertens
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Feuilleton
Studentenproteste auf Türkisch Die universitäre Entwicklung stößt nicht nur hierzulande auf heftige Kritik. An der Boğaziçi Universität in Istanbul sind immense Studentenproteste ausgebrochen. Der Scheinwerfer beleuchtet die Hintergründe und Ziele der empörten Studenten.
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eit fünf Wochen besetzen Studierende den Starbucks auf dem Südcampus der Boğaziçi Universität in Istanbul. Die Filiale der Kaffeekette hatte Anfang des Semesters im Erdgeschoss eines neu renovierten Studentenwohnheims aufgemacht. Jetzt schmücken Aufkleber mit anti-kapitalistischen Slogans das bekannte grüne Neonschild des Kaffeeriesen. Die Studierenden, die sich hier eingenistet haben, protestieren gegen die ökonomische Ungleichheit und die Kommerzialisierung auf ihrem Campus. Sie fordern gesundes und bezahlbares Essen, Freiräume, die niemanden ausschließen, und Mitbestimmung bei der Gestaltung ihrer Universität. Vor dem Eingang des Cafés liegen in wirrem Durcheinander Haus- und Straßenschuhe. Nach türkischer Sitte betreten die Protestierenden den Starbucks genauso wie ihr zu Hause nur mit Pantoffeln. Die Sessel und Tische sind an den Rand geschoben und in der Mitte des Raumes liegt ein Perserteppich, auf dem ein- bis zweimal am Tag gemeinsam gegessen wird. Um den Teppich herum stehen kleine hölzerne Klapphocker und niedrige Tische, wie sie in türkischen Teehäusern üblich sind. Am Eingang kleben Plakate, die zum Mitmachen aufrufen und über die nächsten Aktionen informieren, sowie ausgeschnittene Zeitungsartikel, die sich mit der Besetzung befassen. Studierende sitzen an den Tischchen oder auf dem Boden beisammen. Sie lernen, machen Musik, bereiten die nächsten Protestaktionen vor, diskutieren bis in die späten Abendstunden und übertönen so den unbeirrbar weiterlaufenden Light Jazz, der aus den Boxen klingt. Denn Starbucks hat weiterhin geöffnet, verkauft weiterhin Frappuccinos und Caramel Macchiatos und findet auch Kundschaft. Nicht alle Studierenden sind gegen seine Eröffnung. Gelegentlich ist es allerdings schwierig, bis zur Theke vorzudringen, wenn sich ganze Seminare in das kleine Café zwängen. Einige Dozenten verlegen ihren Unterricht aus Solidarität in das besetzte Kaffeehaus. Die Politikstudentin Nilgün, die von Anfang an mit dabei war, berichtet von den Ursachen des Protests: Nach und nach habe die Uni alle bezahlbaren Cafeterias renoviert. Die Angebote der neuen Pächter entsprächen aber nicht den Bedürfnissen der Studierenden. In einer Cafeteria auf dem Südcampus kann man bei ohrenbetäubender Popmusik Fastfood essen. In der anderen gibt es zwar guten Kaffee und Sandwichs, aber die Preise sind für viele Studierende unbezahlbar. Das Essen in den subventionierten Mensen ist so schlecht, dass viele Studierende es trotz des geringen Preises (circa ein Euro für Vorspeise, Hauptspeise und Ayran) lieber meiden. Außerdem sind die Cafeterias und Aufenthaltsräume alle überfüllt. „Wir haben Essen gefordert und die Universität hat uns Starbucks gegeben“, ist auf dem Blog der Bewegung zu lesen. Dass es ausgerechnet ein Starbucks war, der nach den Sommerferien überraschend unten im Studenten46
wohnheim aufmachte, brachte das Fass für die Studierenden zum überlaufen. Multinationale Firmen sind schon seit den 90ern auf dem Campus angekommen. Auf dem Nordcampus gibt es einen Dunkin’ Donuts und die Cafeteria verkauft Illy-Kaffee. Der Starbucks aber ist für viele ein Sinnbild für die Kommerzialisierung der Universität. Starbucks heißt für die Besetzer Verwestlichung, Konsumrausch und Vereinheitlichung. In ihren Augen verkauft er kein nahrhaftes Essen und bietet keinen Treffpunkt für Studierende. Vor allem aber trägt er zur sozialen Selektierung bei. Denn er schließt alle jene aus, die sich die hohen Preise nicht leisten können oder sich nicht mit der multinationalen Kette identifizieren wollen. Die Protestierenden stören jedoch nicht nur der Mangel an bezahlbarem Essen und die Kommerzialisierung. Sie bemängeln darüber hinaus generell die Intransparenz bei hochschulpolitischen Entscheidungen. Weder Dozenten noch Studierende wurden über den Prozess der Verpachtung informiert. Die Besetzer fühlen sich deshalb übergangen und nicht ernst genommen. Einige Kritiker werfen der Verwaltung sogar eine gezielte Gentrifizierung, also die systematische Aufwertung eines Bereichs, bis sich die Studenten das Angebot dort nicht mehr leisten können und auf einen anderen Campus ausweichen müssen, vor. Der altehrwürdige Südcampus mit Bosporusblick, Park und wuchtigen Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert wird renoviert und den Bedürfnissen von Professoren und Geschäftsleuten angepasst. „Sie haben den Südcampus für uns getötet“, findet Mustafa, der ebenfalls seit Beginn des Semesters gegen Starbucks protestiert. Die meisten Kurse finden inzwischen im neuen Seminargebäude auf dem benachbarten Nordcampus statt, der, ähnlich wie unsere Universität in Bremen, hauptsächlich durch Sichtbeton aus den 70ern auffällt. Der Südcampus dient in der Wahrnehmung der Protestbewegung inzwischen hauptsächlich repräsentativen Zwecken. Es sei kein Platz mehr für die vielfältigen Bedürfnisse der Studierenden. Wie der Starbucks selbst bediene der Südcampus nur noch einen konsumorientierten Lebensstil. Was an den vielen privaten Universitäten Istanbuls bereits Gang und Gäbe ist, nämlich die Trennung von armen und reichen Studierenden, hält nach Meinung der Protestierenden nun auch an der staatlichen Boğaziçi Universität Einzug. Erste Anzeichen für erhöhte Segregation sind neben den teueren Cafeterias auch Preis- und Qualitätsunterschiede der campusinternen Studentenwohnheime. Das neu aufgemachte Superdorm ist so teuer, dass hier fast ausschließlich ausländische Gaststudierende leben können. Ist das Luxuswohnheim nur dazu da, um mit den Dollars der Gäste Profite zu machen? Diese Vermutung haben zumindest einige Kommilitonen und kritisieren daher auch die Situation in den Studentenwohnheimen. Die Besetzung sei aber auch deshalb ein notwendiger Schritt
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Besetzung vor dem Eingang: Links: Leistet Widerstand, Nein auch zum Kapitalismus Rechts: Widerstand dem Kapital und der Globalisierung
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gewesen, erzählen die Starbucks-Besetzer weiter, weil die Studierenden keine offiziellen Kanäle zur Verfügung hätten, um ihren Unmut kundzutun. Es gibt selbst an der als liberal geltenden Boğaziçi Universität keine Tradition einflussreicher, formeller, studentischer Teilhabe. Zwar werden jedes Jahr Fachbereichsvertreter gewählt, allerdings haben sie bei hochschulpolitischen Entscheidungen kein Stimmrecht und nehmen an Versammlungen von Verwaltung und Lehrkörper nur eine Beisitzerrolle ein. Die meisten Studierenden sind sich noch nicht einmal der Tatsache bewusst, dass sie Vertreter haben, da es auch keinen Wahlkampf für das Amt gibt. Außerdem sind die Hierarchien an der Uni viel starrer und Autoritäten werden generell seltener in Frage gestellt, als es bei uns üblich ist. Aus diesem Grund war ein radikaler Schritt nötig, um die Aufmerksamkeit der Verwaltung auf die Probleme der Studierenden zu lenken. Die
die Probleme der Studierenden ein. Der Politikstudent Mustafa beschreibt das Treffen als Teilerfolg: Der Rektor habe den Studierenden einen Freiraum versprochen, der ganz ihrem Gestaltungswillen unterliegt. Der Starbucks allerdings wird bleiben. Die Pachtverträge sind bindend. Doch obwohl sich die Studierenden den universitätsinternen Autoritäten erfolgreich stellen, haben sie in der Türkei noch ganz andere Hindernisse zu überwinden. Hochschulpolitik wird hierzulande auch durch die nationale Sicherheitspolitik der Türkei geprägt, die viel zu oft auf brutale Art und Weise den Campus erreicht. Während die Starbucks-Besetzer ihre erste erfolgreiche Übernachtung feierten, stürmten Polizisten anderswo das Studentenwohnheim, in dem die Boğaziçi-Geschichtsstudentin Şeyma die Nacht verbracht hatte. Sie wurde zusammen mit ihrem Freund verhaftet. Wie die 19 anderen, die an diesem Morgen in Gewahrsam genommen wurden, sitzt sie immer noch ohne Anklage in Untersuchungshaft. Ihre Freunde aus der Geschichtsfakultät rechnen nicht damit, dass sie in den nächsten Monaten frei kommt. Es gibt zu viele Beispiele von Studenten, Professoren und Journalisten, die seit Monaten oder sogar Jahren ohne Urteil in türkischen Gefängnissen sitzen. Warum ausgerechnet Şeyma verhaftet wurde, weiß niemand so genau. Sie gilt als ruhig und stand bei politischen Aktionen an der Uni nie im Vordergrund. Mit der Starbucks-Besetzung hat ihre Verhaftung jedoch ohnehin nichts zu tun. Ihr Freund Protestaktion vor dem Eingang der Uni. Das Banner stellt die Frage: „Hast du schon von der Verhaftung hatte angeblich mit der, von deiner Kommilitonin gehört? Freiheit für Seyma Özcan“ der türkischen Regierung als Protestierenden wollen die Vernachlässigung ihrer Interessen terroristisch eingestuften, leninistischen Untergrundorganisatinicht mehr passiv hinnehmen. Die ersten Reaktionen der Veron Devrimci Karargâh (Revolutionäres Hauptquartier) zu tun. waltung auf die Besetzung vertieften allerdings den Eindruck Şeyma selbst soll sich für ein Praktikum bei einer zwar legalen, der Studierenden, nicht ernst genommen zu werden. „Sie sind aber mit der Devrimci Karargâh assoziierten Zeitung beworben nicht auf unsere politischen Forderungen eingegangen, sondern haben. Vielleicht war sie auch nur zur falschen Zeit am falschen haben uns wie unartige Kinder aufgefordert, unseren Dreck aufOrt. Die Willkür des türkischen Staates verleiht der Hochschulzuräumen und keine Unordnung zu machen“, erzählt Çiçek, politik und jeder Form von politischer Aktivität in der Türkei Soziologie-Studentin im fünften Semester. Als der Rektor einen eine ganz eigene Dimension. Die Angst vor der Staatsgewalt Vertreter der Bewegung in sein Büro bat, um über die Besetschwebt wie ein schwarzer Schatten auch über den Starbuckszung zu verhandeln, schlugen die Studierenden die Einladung Besetzern, obwohl sie lediglich gegen hochschulinterne Probleaus. Sie seien keine einheitliche Gruppe und eine einzige Person me protestieren. „Es könnte jeden von uns treffen“, sind sich sei daher nicht in der Lage, alle ihre Interessen zu vertreten. Çiçek und Nilgün einig. Außerdem fürchteten sie, dass ein einzelner Repräsentant der Autorität des Rektors in seinem Büro nicht standhalten könne. Unsere Autorin Clara Helming studiert im fünften Semester PoliSie seien zu Verhandlungen bereit, aber nur, wenn sie für alle tikwissenschaft. Seit August ist sie für ein Auslandssemester in IsInteressierten offen seien und jeder, unabhängig von Status und tanbul. Position, daran teilnehmen könne. Inzwischen hat der Rektor die Gegeneinladung der Studenten angenommen. Bei einem Text: Clara Helming basisdemokratisch organisierten Treffen, das sogar in einer groFotos: Clara Helming ßen türkischen Tageszeitung Schlagzeilen machte, ging er auf 48
The Vaccines:
Das Rezept für eine gute Band kann so einfach sein: ein Sänger, ein Gitarrist, ein Bassist und ein Schlagzeuger. Dazu natürlich Lieder, die das Publikum zum Tanzen bringen und trotzdem Tiefgang haben. All das vereinen The Vaccines aus London auf perfekte Art und Weise. Obwohl sich die Band erst 2010 gründete, schafften sie im vergangenen Jahr bereits den Durchbruch in ihrer Heimat. Das Debütalbum „What Did You Expect From The Vaccines?“ erreichte Platz vier in den englischen Charts und als Vorband der Arctic Monkeys konnten The Vaccines sogar schon einmal Stadionluft schnuppern. Hierzulande ist die Band zwar noch nicht ganz so weit, allerdings konnten sie auf ihrer Deutschlandtour im vergangenen Dezember ihr großes Potenzial unter Beweis stellen. Songs wie „If You Wanna“ oder „Wreckin Bar (Ra Ra Ra)“ sind kurz, knackig und schaffen es in kürzester Zeit, das gesamte Publikum zum Tanzen und Mitsingen zu bewegen. Für ihre neue Single „Tiger Blood“ konnten die vier Briten dann sogar Albert Hammond Jr. als Produzenten verpflichten, seines Zeichens Mitglied von The Strokes, die klassische Gitarrenbands Anfang der 2000er wieder beliebt machten. The Vaccines könnten nun in ihre Fußstapfen treten, selbst überzeugen kann man sich auf einem ihrer Konzerte, die sie auch in diesem Jahr wieder nach Deutschland führen werden. Weitere Infos: http://www.thevaccines.co.uk
In Golden Tears:
Den deutschen Musikmarkt zu erobern ist nicht einfach, wenn man nicht gerade Gewinner einer Castingshow oder Schlagerstar ist. In Golden Tears aus Hamburg wollen es trotzdem versuchen und zwar ganz ohne die Hilfe einer riesigen Plattenfirma oder die Dauerbeobachtung eines Fernsehteams. Ihre erste Single „Urban Emotions“ veröffentlichte die Band dann auch gleich einmal auf eigene Faust. Herausgekommen ist ein melancholischer, sehr atmosphärischer Song, der Indie gekonnt mit einer Prise Electronic verbindet. „Urbane Gefühle“ – passender hätte man dieses Lied wahrlich kaum betiteln können. Zahlreiche Gigs in den vergangenen zwei Jahren in ganz Deutschland und sogar in England, Auftritte als Vorband von The Drums
In Golden Tears
Lautsprecher
und den bereits erwähnten Vaccines, sowie 22.000 YouTubeKlicks für „Urban Emotions“ später, erscheint in diesem Jahr dann auch das Debütalbum von In Golden Tears. Ein genauer Veröffentlichungstermin steht zwar noch nicht fest, sicher ist aber schon jetzt, dass diese Band frischen Wind in die hiesige Musiklandschaft bringen wird, wovon man sich mit Sicherheit auch in diesem Jahr bei dem ein oder anderen Konzert selbst wird überzeugen können. Weitere Infos: http://www.ingoldentears.com
Laura Marling:
In ihrer Heimat Großbritannien finden Laura Marlings Konzerte des Öfteren mal in Kirchen statt. Dabei hat ihre Musik mit Religion nicht viel zu tun, der Grund für diese außergewöhnliche Konzertlocation ist wohl vielmehr ihre engelsgleiche Stimme. Das mag sich vielleicht übertrieben anhören, wer aber einmal in eines ihrer drei Alben hinein gehört hat, wird schnell verstehen, warum Laura Marling und altehrwürdige Kathedralen eine gute Kombination sind. Ihre Stimme hat einen erhabenen, fast festlichen Klang, der für ein solches Gebäude geradezu geschaffen scheint, ebenso wie ihre zeitlose, von Folk und Country inspirierte Musik. Die Texte der Britin sind erstaunlich reif für ihre gerade einmal 21 Jahre und jedes Lied erzählt eine eigene Geschichte, sehr persönlich und oftmals traurig, auf eine besondere Art und Weise aber auch hoffnungsvoll. Bei ihren Konzerten und auch bei den Aufnahmen zu ihrem Debütalbum wurde Laura bis zu dem großen Durchbruch der Band übrigens von niemand geringeren als den Herren von Mumford & Sons musikalisch unterstützt. Im Frühling kommt Laura Marling dann mit ihrem aktuellen Album „A Creature I Don‘t Know“ nach Deutschland und stattet dabei am 24. März auch Hamburg einen Besuch ab. Gut möglich, dass es dann auch in den hiesigen Clubs anstelle von laut und rockig einmal ganz leise und andächtig wird. Weitere Infos: http://www.lauramarling.com Text: Kira Kettner Foto: Humming Records
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Aufbruchsstimmung am Horn von Afrika Philipp Aepler, Student der Politikwissenschaft und Geographie, besuchte Ende des vergangenen Sommers für zehn Tage Somaliland - einen der drei de facto unabhängigen Landesteile Somalias. Dort reiste er unter anderem in die Lager somalischer Flüchtlinge rund um die Stadt Borao.
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nruhig sitzt Hassan Bulbul in seinem Holzstuhl im Garten des Hadhwanaag, eines von Hargeisas wenigen Hotels. In wenigen Minuten werden die Muezzine von Somalilands Hauptstadt das kollektive Fastenbrechen des Ramadan besingen. Dann beginnt für Hassan das große Geschäft mit Hargeisas Männerrunden, die in das angeschlossene Gartenlokal pilgern. Jeden Abend kurz vor sechs beginnt die Belohnung für eiserne Disziplin, schafft man(n) sich Abhilfe gegen die trockene Hitze, den Durst und den auferlegten Hunger. Hassan gehört zur neuen urbanen Unternehmerelite Somalilands: Neben dem Hadhwanaag unterhält er noch eine Tankstelle, seine Betriebe versorgen Teile Hargeisas mit Strom aus Exportöl und koordinieren die Geschäfte mit dem städtischen Müll. „Vieles ist dieser Tage im Aufbruch, man spürt die neue Dynamik am stärksten in Hargeisa“, sagt auch Rahman Solamanyoo, der zu Beginn des Sommers aus dem Exil in Kanada in seine Heimat Somaliland zurückgekehrt ist. Mit zwei Brüdern stieg er ins regionale Ölgeschäft ein. Einer in Äthiopien, einer in Djibouti und Rahman selbst in Somaliland. Noch wohnt er im Hadhwanaag, immer für sechs Monate. Den Rest des Jahres verbringt er mit seiner Familie in Toronto. Pendeln zwischen zwei Welten solange die Geschäfte anlaufen und seine Kinder noch nicht in Hargeisa leben. „Irgendwann wächst in einem der Wunsch, zurückzugehen. Ins Land seiner Eltern. Und jetzt ist es sicher hier, warum also nicht teilhaben am Aufschwung“, fragt er. Lange habe ich gezögert vor dem Schritt, die Reise nach Somaliland anzutreten. Dorthin, wo es keine deutsche Auslandsvertretung gibt, wo die Deutsche Botschaft im Falle der Verletzung oder Tötung eines deutschen Staatsbürgers kaum bis keine Hilfe leistet. Am Ende wage ich es. Und im somaliländischen Vertretungsbüro in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, das bereitwillig für 40 US-Dollar das Visum ausstellt, versichert mir das Personal, dass es kaum sicherer sein könnte als in Somaliland. An der Grenze herrscht hektisches Treiben auf beiden Seiten. Freundlich begrüßt man mich auf somaliländischer Seite in Wajaale. Hinter der Grenze hört die Straße auf, stattdessen 50
windet sich bis kurz vor Hargeisa eine Staubpiste an ausgetrockneten Flussläufen, Nomadenlagern und Viehweiden vorbei. Nur ein Zehntel der Fläche Somalilands ist landwirtschaftlich nutzbar. Die Ältestenräte der Clans der Isaaq, dem zahlenmäßig stärksten Clan, der Dir und Harti-Darod haben die kostbaren Weidegründe untereinander aufgeteilt. Ohne Beteiligung der Regierung, sondern lediglich im Kreis der Clanvertreter, trifft man sich noch wie früher für wichtige Entscheidungen überall im Land unter den Schirmakazien, die das Landschaftsbild prägen. Seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung der Somaliländer vom Rest Somalias 1991 hat sich das Land jedoch gewandelt. Die Weiden reichen nicht mehr aus für die stark wachsende Bevölkerung, viele treibt die Armut und die Härte auf dem Land in die pulsierende Metropole Hargeisa. Sie beteiligen sich dort am Handel, bitten um Anstellung bei einer der neugeschaffenen staatlichen Institutionen. Auch und besonders 2011, nachdem das Ausbleiben der Deyr, der zweiten großen Regenzeit, die Flüsse und Auffangbecken austrocknen ließ und damit viele nomadisch lebende Hirten zum Umdenken zwang. Somaliland hat als einzige der ehemaligen somalischen Provinzen den Ausstieg aus dem politischen Chaos der neunziger Jahre geschafft. Während Puntland, vor dessen Küste sich die Flotte der EU-Mission Atalanta und die organisierte Piraterie Gefechte liefern, und das südliche Somalia, durch die Angriffe der al-Shabaab-Milizen de facto aufgelöst, als failed states gelten, ist man in Somaliand stolz auf die erste echte Demokratie am Horn von Afrika. Parlament und Präsident sind demokratisch gewählt, Militär und Polizei wachen über Grenzen und innere Sicherheit, das Land hat eine eigene Verfassung und der somaliländische Schilling ist das einzige gültige Zahlungsmittel. „Tauschen Sie nicht zu viel, sonst müssen sie das Geld in Säcken mit nach Hause nehmen“, empfiehlt mir Rahman noch, bevor ich mich auf den Weg zum Zentralmarkt von Hargeisa mache. 500 Schilling ist der größte Schein wert. Umgerechnet 10 Cent. Man bekommt sie nur in praktischen 100er Bündeln und sie verleihen einem das Gefühl plötzlichen Reichtums. Wechselstu-
Feuilleton ben und Händler, die harte Devisen tauschen, haben in Hargeisa wie vieles andere Hochkonjunktur. Sie schaffen den Zugang zu Barem. Die fehlende internationale Anerkennung Somalilands hat ausländische Banken bislang abgeschreckt, hier Filialen zu eröffnen, eine eigene Bank gibt es nicht und Geldkarten haben keinen Wert. Die Rolle herkömmlicher Sparkassen hat der somalische Finanzdienstleister Dahabschiil übernommen. ExilSomalis in der weltweiten Diaspora überweisen darüber jährlich knapp 700 Millionen US-Dollar und ermöglichen vielen ihrer Familienangehörigen ein erträgliches Auskommen, währenddessen der Staatshaushalt mit nicht mal einem Zehntel dieser Summe nur das Nötigste leisten kann. „Die Anerkennung der internationalen Staatengemeinschaft würde uns helfen. Ohne Anerkennung keine internationalen Kredite, keine Budgethilfe und keine UN-Hilfen“, sagt Hassan Bulbul vom Hadhwanaag. „Was wir brauchen, ist der offizielle Rahmen für das, was wir in den letzten 20 Jahren in Eigenregie geschaffen haben.“ Nach ein paar Tagen in Hargeisa reise ich mit einem deutschsomalischen Team der Grünhelme, einer deutschen Nichtregierungsorganisation, gen Süden. Die Regierung hält die Sicherheit im Land hoch. Schon zehn Kilometer hinter der Stadtgrenze hat sich an Somalilands einziger Überlandstraße, die bis in die somalische Hauptstadt Mogadischu führt, die erste von einem knappen Dutzend Sicherheitskontrollen bis zur 300 Kilometer entfernten Stadt Borao aufgebaut. Hinter der Hafenstadt Berbera wölben sich die Berge um Sheikh bis auf über 2.000 Meter. Wilde Affen, Ziegen und Kamele der Nomaden kreuzen die Bahn. „Wer hier zu spät auf die Bremse tritt, muss zahlen. Nutztiere sind wie Gold, wer sie besitzt, garantiert seiner Familie ein Auskommen“, sagt Abdulrahman, der den Wagen sicher an allen Kontrollen, Flussdurchquerungen und Abhängen bis nach Borao steuert. Borao ist die Hauptstadt der Region Togdheer. Mit der Dürre, die seit Frühsommer 2011 den Süden Somalias in noch größeres Chaos stürzt und hunderttausende Somalis zur Flucht ins angrenzende Kenia und Somaliland zwingt, ist die Stadt eines der Ziele für flüchtende Somalis geworden. Und für einige der wenigen in Somaliland präsenten internationalen NGOs, die nicht ganz untätig sein wollen. Ein Meer aus steinernen Flachdächern prägt das Bild der Stadt, die sich aus dem Staub des Hochplateaus heraus schält. Selbst hier gibt es Internet, haben sich Zwischenhändler für Getreide und Grundnahrungsmittel angesiedelt und ist man stolz auf die Sicherheit und Stabilität, die fast allen seit einigen Jahren gut tut. Verlässt
man das Zentrum Richtung Peripherie, gelangt man in eine ganz andere Wirklichkeit. Mehrere zehntausend Flüchtlinge haben sich um die Stadt herum in provisorischen Auffanglagern versammelt. Einige, die schon vor 20 Jahren aus Äthiopien kamen, und andere, die die über 600 Kilometer aus Südsomalia in den letzten Wochen zu Fuß bewältigt haben. Im Camp 15. Mai haben seit kurzem Strom und fließendes Wasser Einzug gefunden. Die Stadtverwaltung hat in Zusammenarbeit mit der NGO Medair hier steinerne Latrinen gebaut und Leitungen gelegt. In einer Gegend, die früher nur aus dutzenden Welchblechhütten bestand, zerzaust vom Wind und abgekoppelt von der nahen Stadt. Getreide, Öl und Linsen hat man hier verteilt und hofft darauf, dass nicht noch mehr aus dem Süden kommen. Auch wenn die Regierung Somalilands beteuert, dass jeder Flüchtling wie ein Bürger des Landes aufgenommen würde. Für viele ist das Ankommen in einem der Auffanglanger gleichzeitig der Anfang einer langwierigen Odyssee. Eine Heimkehr ins südliche Somalia ist für viele Flüchtlinge unvorstellbar. Zu schwer wüten die Kämpfe zwischen al-Shabaab-Milizen und den Regierungstruppen in der Umgebung von Mogadischu. Ganze Stadtteile und Dörfer wurden in den letzten Jahren zerstört und humanitäre Hilfe wird durch die Milizen weitestgehend verhindert. Doch auf Unterstützung können sie auch in Somaliland nicht hoffen. Gelder für Somaliland aus internationalen Hilfsprogrammen kämen einer Anerkennung der Unabhängigkeit des Landes gleich, wogegen sich die internationale Staatengemeinschaft, allen voran die Afrikanische Union, sträubt. Sie hat Angst vor der Kettenreaktion, die diese Anerkennung mit sich bringen könnte, dass weitere Unabhängigkeitsbewegungen gleiches für sich einfordern könnten. Zurück in Hargeisa lädt Hassan mich ein, in ein paar Jahren wiederzukommen. „Dann können Sie mit eigenen Augen sehen, was sich in der Zwischenzeit getan hat“, sagt er mit einem Zwinkern. „Hoffen wir darauf, dass Somaliland bald nicht mehr nur als Teil von Somalia wahrgenommen wird. Dann nämlich haben wir eine Chance“, fügt er hinzu. Draußen zittern die Platanen vom Wind, der durch die Stadt fegt. Und hinten im Gartenlokal sitzen sie wieder, die Männer Hargeisas, palavern in den Abend hinein und trinken Tee mit Kamelmilch bis in die Nacht. Text: Philipp Aepler Fotos: Philipp Aepler
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Foto: Uni Bremen
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