Die Welt unter der Lupe Das Internationale Fest der Puppen in Lingen / Ems Projektpraxis des Theaterp盲dagogischen Zentrums der Emsl盲ndischen Landschaft e.V. (TPZ Lingen) Band 2 Herausgegeben von Tom Kraus Heiner Schepers Schibri-Verlag Berlin 路 Milow 路 Strasburg
Copyright 2013 by Schibri-Verlag Dorfstraße 60, 17337 Uckerland OT Milow Email: info@schibri.de Homepage: www.schibri.de Umschlag und Layout: Björn Vogeling Fotos: Roman Starke Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 978-3-86863-123-4
Hereinspaziert!
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WENN MÄNNER ÜBER 50 ÜBER PUPPEN REDEN Norbert Radermacher: Von der Leidenschaft Puppen zu sammeln und mit Puppen zu spielen
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Tom Kraus: Puppen
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Bernd Ruping: Von Monstern und Bären
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Andreas Poppe: Spielspuren aus der Puppenstube
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Michael Sänger: Wer nicht spielt, nimmt sich zu wichtig!
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Jörg Meyer: Spiel(er)leben
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Heiner Schepers: Homo Ludens
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INTERNATIONALES FEST DER PUPPEN Über Puppen und die Welt eins: 6 Wochen vor dem Festival
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Der Goldene Schlüssel (RUS): Omas Märchen
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Theater Laboratorium (D): Die Bremer Stadtmusikanten
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United Puppets (D): Lichterloh
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Aufführunggespräch mit Lutz Großmann
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Der Goldene Schlüssel (RUS): Kasperle oder die Abenteuer von Pjotr I.Uksusow.
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Ensemble Materialtheater & Théâtre Octobre (D+B): Ernesto Hase hat ein Loch in der Tasche
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Aufführungsgespräch mit Annette Scheibler und Sigrun Nora Klinger
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Lingener Marionettentheater (D): Die Zauberflöte
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Lutz Großmann (D): Kasper tot – Schluss mit lustig
150
Aufführungsgespräch mit Lutz Großmann
156
Theater KASOKA, Theater Zwo & Theater Handgemenge (D): Atlantropa
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United Puppets (D): Mein Vater war ein Kirschbaum
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Aufführungsgespräch mit Melanie Sowa und Hannes Benecke
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Stephen Mottram (GB): Das Meer von Organillo
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Eggbird
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Drents Jeugd Theatergezelschapp (NL): Hausmaus/Huismuis
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JUST PUPPETS Intro von Andreas Poppe und Heiner Schepers
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Forum 1 Gabi dan Droste über „Theater von Anfang an“
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Forum 2 Gabi dan Droste über „Theater von Anfang an“, Fortsetzung
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Forum 3 Einführungssgespräch zur Aufführung „Wind im Gummistiefel“ mit Silke Geyer und Susanne Olbrich
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Forum 4 Aufführungsgespräch zu „Wind im Gummistiefel“ mit Silke Geyer und Susanne Olbrich
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PUPPETS – PUPPEN – POUPÉES Über Puppen und die Welt fünf Ein Gespräch zwei Wochen nach dem Festival
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Über Puppen und die Welt zwei
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Über Puppen und die Welt drei
340
Über Puppen und die Welt vier
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PUPPENKRAM Notizen zur Situation des Figurentheaters in Deutschland
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Das TPZ der Emsländischen Landschaft e.V. (TPZ Lingen)
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Das Institut für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück, Campus Lingen
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Die Autoren und Gesprächspartner
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Die Herausgeber
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WENN MÄNNER ÜBER 50 ÜBER PUPPEN REDEN 20
Norbert Radermacher
Von der Leidenschaft Puppen zu sammeln und mit Puppen zu spielen
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„Theaterspiel ist ein Urtrieb des Menschen. Im theaterhaften Spiel gewinnt er Selbsterkenntnis und reine Selbsterfahrung“ so beschreibt Max Heinz Mannstaedt bereits 1982 in einem Bericht der Grafschafter Nachrichten (GN) die Bedeutung und die Aufgabe des Theaterpädagogischen Modells in Lingen, zu dem mich mein Lebens- und beruflicher Weg 1980 geführt hat. Bereits im Alter von fünf Jahren habe ich nach Aussage meiner Mutter kleine Figuren aus Pappe und Papier ausgeschnitten und gebastelt, Szenen entwickelt und sehr zum Leidwesen meiner Schwester ihr diese immer wieder vorgespielt. Später habe ich damit angefangen, Figuren und Puppen in Trödelläden und auf Flohmärkten zu sammeln. Ganz besonders in Erinnerung ist mir dabei ein großer Flohmarkt in den achtziger Jahren am Potsdamer Platz in Berlin direkt an der Mauer. Dort, wo sich heute das neue Berlin in Form von Hochhäusern, Kinos, Theatern und Szenelokalen präsentiert, habe ich u.a. das kleinste Kaspertheater der Welt (6x8cm), Hohnsteiner Kasperköpfe und viele andere Objekte rund um das Puppen- und Figurentheater erhandelt und ersteigert. Abenteuerlich waren der Ankauf eines Böhmischen Wandertheaters samt Figuren kurz nach dem Fall der Mauer aus einer Ausstellung im Museum in der Stadt Martin (Slowakei) und der Schmuggel des Objekts über Österreich nach Deutschland.
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Seltene chinesische Handpuppen, die noch während des Mao-Regimes verbotener Weise das Land verlassen hatten, befinden sich mittlerweile ebenso in meinem Besitz wie Originale der Augsburger Puppenkiste. Es war immer ein Graus, mit mir über einen Flohmarkt zu gehen, weil ich nur eines im Sinn hatte: Preisgünstig Spielpuppen und Theaterfiguren zu erwerben. Auf einem Antikmarkt in Jakarta habe ich alte Schattenspielfiguren gefunden und auf einem Festival in Lahore / Pakistan habe ich dem Künstler gleich nach der Vorstellung die Spielfiguren abgekauft. Diese Aktionen haben mein schmales studentisches Portemonnaie sehr strapaziert, zumal zu den Objekten auch noch die entsprechende Literatur im Fokus meiner Begierde stand. Eine Sammlung alter Bücher und Schriften legen ein beredtes Zeugnis ab von der Faszination dieses künstlerischen Mediums. Der Stolz meiner Sammlung aber sind die originalen Schattenfiguren und das Original Drehbuch mit handschriftlichen Bleistifteintragungen der ersten Kinderfernsehproduktion der Welt. „Hinnerk der Hahn“ wurde lt. wissenschaftlicher Forschung 1943 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Geschenkt wurden mir die Figuren von einer Spielerin des Teams der Nipkow-Fernsehgesellschaft, die das Material aus Berlin und Hannover retten konnte. All diese Objekte habe ich in dem Theatermuseum für Kinder ausgestellt, das mit dem Geld des LEGO-Preises 1997 errichtet wurde. Leider konnte das Museum im Rahmen des Umbaus des Professorenhauses 2009/2010 nicht weitergeführt werden, sodass viele Objekte heute in Kisten schlummern und auf eine neue Präsentation warten.
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Die Leidenschaft für Puppen, Masken und Figuren habe ich mitgenommen in meine Arbeit am Theaterpädagogischen Zentrum der Emsländischen Landschaft (TPZ). Dort habe ich meine Liebe zu dem Medium mit Kolleginnen und Kollegen geteilt. Nach dem ich bereits 1974 an der Pädagogischen Hochschule in Münster Schattenspielseminare für Studentinnen und Studenten im Fach Bühne und Spiel gegeben habe, konnte ich im Rahmen der Niedersächsischen Lehrerfortbildung, die wir seit 1982 vom TPZ durchgeführt haben, entsprechende Kurse im Puppenbau und Puppenspiel anbieten. Auch im TPZ führte kein Weg an Puppen vorbei. Bereits in den ersten Jahren des Aufbaus der Institution wurden entsprechende Weichen gestellt. In der Chronologie des TPZ - damals noch Theaterpädagogisches Modell (TPM) - vom Februar 1982 ist zu lesen: „Erweiterung des Aufgabenfeldes um den Bereich Figurentheater. Einstellung von zwei Fachbereichsleitern (Heiner Schepers und Dieter Marks)“. Bereits in der Versuchsphase dieser jungen Einrichtung wurde mit der Einstellung von zwei Künstlern, die auf sehr unterschiedlicher Art und Weise sich dem Spiel mit Figuren und Masken widmeten, eine weitsichtige Entscheidung getroffen. Zudem brachte Heiner Schepers sein eigenes Figurentheater „Der grüne Omnibus“ mit, mit dem er bereits vorher im gleichen Gebäude in der Kokenmühle in Lingen außerordentlich innovative und künstlerisch interessante Produktionen entwickelt hatte. Anderthalb Jahre später stellten Dieter Marks und Heiner Schepers das Programm zum 1. Fest der Puppen zusammen. Vom 12.-28. September 1983 spielten sieben professionelle Gruppen aus Deutschland im „Figurentheater“ und im „Studiotheater“ des TPZ, sowie in Schulen des Emslandes und in der Grafschaft Bentheim. Mit dabei waren: Das Figurentheater „Fundus“ aus Hamburg,
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„Die Werkstatt“ von Ted More aus Künzelau, „Der rote Faden“ aus Braunschweig, „Turbo Prop Theater“ aus Dortmund, „Optical Figurenbühne Oeffler Wöller“ aus Stuttgart, „Das Taschentheater“ aus Bochum, das Offenbacher Marionettentheater „Die Hutzlaube“ und „Der grüne Omnibus“ aus Lingen. Mit diesem Festival hat das TPZ in mehrfacher Hinsicht Neuland betreten: Die Grenzen zwischen theaterpädagogischer und professioneller künstlerischer Arbeit wurden aufgehoben zugunsten eines Dialogs, der für beide Seiten befruchtend war. Ein Theaterfestival dieses Genres und dieser Größenordnung hatte es zuvor in der Stadt und der Region noch nicht gegeben. Durch eine gute Zusammenarbeit konnten künstlerische Impulse in die Schulen hineingetragen werden. Diesem positiven Start ist es m. E. zu verdanken, dass das Festival 1985 wiederholt werden konnte und sich bis heute einen ausgezeichneten Namen im Kulturleben der Region erobert hat. Viele hundert Ensembles haben mit ihren Figuren in den vergangenen 30 Jahren Lingen besucht – aus vielen Ländern sind sie zum „Internationalen Fest der Puppen“ gekommen, und das Publikum ist immer wieder fasziniert von der Lebendigkeit und Ausstrahlung der Puppen und Figuren – so wie ich seit über 60 Jahren!
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