Der Wegwarte Blau
Gedichte
Das Antlitz der Liebe
© 2022 by Schibri-Verlag Dorfstraße 60 17337 Milow Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86863-257-6
„Das ist die wahre Liebe, die immer und immer sich gleichbleibt –wenn man ihr alles gewährt, wenn man ihr alles versagt.“
J. W. VON GOETHE Jewgeni Jewtuschenko (1932–2017)ES FINDET stets sich eine Frauenhand, damit sie, kühl und leicht und unverwandt, aus Mitleid mehr als auf der Liebe Wink, wie einen Bruder dich zur Ruhe bringt. Stets findet eine Frauenschulter sich, damit dein Wüstlingshaupt wie schuldig sich ihr anschmiegt, du sie heißen Munds behauchst und ihr dein stürmisch Träumen anvertraust. Stets findet sich ein Frauenaugenpaar, damit es deinen ganzen Schmerz gewahr, und wenn den ganzen nicht, doch einen Teil, und dich, dein Leid betäubend, scheinbar heil.
Doch gibt es eine solche Frauenhand, die von besondrer Süße ebendann, wenn sie aus deiner Stirn die Qual verbannt, wie Schicksal nur und Ewigkeit es kann.
Doch eine solche Frauenschulter gibts, der du, den Grund nicht fassend, dich ergibst, die du nicht eine Nacht, nein, immer liebst, weil du – das weißt du längst – dich ihr verschriebst.
Doch gibt es solche Augen einer Frau, die immer voller Traurigkeit dreinschaun, aus denen, wenn dein eigen Auge bricht, das Aug der Liebe, des Gewissens spricht.
Du aber lebst dir feindlich, wie verrannt, und dir genügt nicht diese eine Hand, die Schulter, dieser Augen heilger Strahl –verraten hast du sie so viele Mal!
Und da tritt die Vergeltung auf den Plan. Verräter! So fällt dich der Regen an. Verräter! peitscht der Zweig, der niederprallt. Verräter! hallt das Echo durch den Wald.
Du wirfst dich hin und her, fühlst einen Stein auf deiner Brust, du kannst dir nichts verzeihn.
Und einzig diese schimmernd feine Hand verzeiht den schweren Schimpf, den sie durchstand, und einzig diese Schulter, müd und klein, verzeiht und wird auch weiterhin verzeihn, und einzig dies Paar Augen, heilig-trist, verzeiht all das, was unverzeihlich ist.
1961
Der Wegwarte Blau
Im Rauschen der Wasser, die fließen
Ein Milan schwebend über’m Hügel.
Der Februar nur kalt. Es tut weh, wenn ein Jahr einfach dem anderen weicht und die Träume frieren. Hohe Zeit für die Liebe ungeteilt.
Am Bach das Wasser rauschend eilt.
Die Seele offen wie so selten frei.
Ein Hauch von Endlossein. Deine Augen so weit, so weit wie die Liebe reicht.
Weil ich dich liebe
Weil ich dich liebe, habe ich Angst um dich, dass du älter wirst –und ich.
Weil ich dich liebe, schreib’ ich dir jeden Tag, säume die Stunden, was du nicht magst.
Weil ich dich liebe, sind meine Freunde mir zu wenig. Du bist mir Freud und Leid.
Weil ich dich liebe, suche ich Einsamkeit, um dich zu finden, wo immer du weilst.
Weil ich dich liebe, wünsche ich, dass unsere Träume wirklich werden.
Wiesenzauber
Die kleine Lerche steigt empor, jubelnd ihr Lied im Himmelsblau. Das Glück, wo Wolken eifrig Schlösser bauen. Will sie der Schwerkraft sich entziehen, den irdischen Gesetzen fliehen. Ein Vogel singt die schönsten Lieder, allein, weil er sich in den Lüften wiegt und nahe bei den Sternen fliegt. Urplötzlich bricht das Lied. Die Stille fällt hernieder. Der Lerche Lied besingt die Liebe. Bald steigt sie wieder auf in luft’ge Höhen zu enteilen, um nach dem Glück erneut sich umzuschauen.
Zärtlichkeit
Zärtlichkeit, zerbrechlich Gut, geheimer Kuss, Oh, Lidschlag, du.
Gedankenloses Spiel der Liebe. Zauber der Besinnlichkeit. Wehe vor unachtsamer Regung.
Zärtlichkeit, zerbrechlich Gut. Oh, Lidschlag. Scheu und kurzer Funkenflug.
Ach, Zärtlichkeit, man spricht dich nicht. Komplizin jeder Liebe.