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Nachwuchsgewinnung, aber wie?
Obermeisterin Svenja Fricke diskutiert mit Landratskandidatin Marlies Dornieden (CDU) auch über die Möglichkeiten der Kommunen, sich für die Nachwuchsgewinnung im Handwerk einzusetzen.
Das Handwerk sieht die Nachwuchsgewinnung als zentrales Thema der kommenden Jahre. Einfache Antworten gibt es nicht. Doch gemeinsames Handeln mit der Politik kann helfen.
Wenn Betriebsinhaber, Fachkräfte oder auch Politiker gefragt werden, welches Thema das Handwerk besonders umtreibt, dann fällt meistens genau dieses: Nachwuchsgewinnung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Kernforderungen des Handwerks auch zu den kommenden Wahlen eng an diese Aufgabe angelehnt sind. Doch was genau spielt dabei eine Rolle? Welche Faktoren können einen positiven Effekt auf diese Herausforderung haben?
Geld ist nicht alles, aber mehr als nichts!
„Wir brauchen den Nachwuchs dringend, wir müssen aber auch die Möglichkeiten haben, die Entlohnung so stabil zu setzen, um auch später eine Familie zu ernähren können. Da sind wir leider noch weit von der Industrie weg“, stellt etwa Svenja Fricke fest, Betriebsinhaberin aus Scharzfeld.
Auch wenn der Faktor Geld nicht immer das entscheidende Kriterium für einen Beruf ist (siehe auch S. 13), spielt es dennoch für die Lebensplanung eine nicht unwichtige Rolle. An dieser Stelle ist es wichtig, dass Handwerk und Politik eng zusammenarbeiten, um einen „Nachteil“ durch zu geringe Bezahlung zu vermeiden. Dieses Thema begleitet Betriebsinhaberin Svenja Fricke auch bei Schulbesuchen im Zuge der Berufsorientierung. „Natürlich kommt da auch immer die Frage auf, was man in diesem oder jenem Beruf verdient. Und wenn ich sehe, wie groß die Unterschiede zur Industrie sind, dann ist klar, das uns dort die Fachkräfte abwandern, die wir eigentlich unbedingt halten müssten.“
Hierbei könnten natürlich Förderprogramme nützlich sein, aber auch entsprechende Anpassungen bei Gebühren und Abgaben. Für Göttingens Landratskandidatin Marlies Dornieden (CDU) gibt es da nicht überall Möglichkeiten. „Bei kommunalen Gebühren können wir leider nicht unterschiedliche Maßstäbe zwischen den Zahlenden ansetzen, das ist rechtlich
nicht zulässig. Bei den neuen Regelungen zur Grundsteuer könnte es allerdings Erleichterungen für Betriebe geben, da müssen wir aber noch die genauen Festlegungen abwarten.“
Die Schule als Startschuss
Für Dornieden ist aber auch noch ein ganz anderer Punkt wichtig, wenn es um Nachwuchsgewinnung für das Handwerk geht. „Oft ist es in den Schulen leider gar nicht mehr ,schick‘, im Handwerk zu arbeiten und da müssen wir definitiv ansetzen, wenn es z.B. um Praktika geht. Die Schulen, die Praktikumsbeauftragten und das Handwerk müssen viel enger verzahnt werden.“
Auch Zimmerermeister Thilo Diedrich aus Rüdershausen sieht bei den Schulen durchaus noch Potenzial. „Die Politik muss auch deutlich machen, dass das Abitur nicht das Maß aller Dinge ist. Wir haben auch ziemlich vielen Studienaussteigern bei uns einen Ausbildungsplatz gegeben, allerdings muss hier dringend ein grundsätzliches Umdenken stattfinden.“ So sollten auch die verpflichtenden Praktika in den Schulen weiter ausgebaut werden, um einen Einblick in das Handwerk für jeden Schüler zu garantieren. Und Diedrich ist ein gutes Beispiel für die vielen Möglichkeiten nach der Ausbildung im Handwerk: Er hat nie aufgehört zu lernen, sich weitergebildet, Fortbildungen und ein Fernstudium besucht. Auch für den Abgeordneten Konstantin Kuhle (FDP) ist Diedrich ein Musterbeispiel, das jungen Menschen die vielen Möglichkeiten verdeutlicht. „Wenn man immer
„Es darf nicht immer beworben werden, das nur Abitur und Studium schick sind. Da muss sich auch ein bisschen das Bewusstsein in den Familien zu Hause ändern.“
Marlies Dornieden,
Landratskandidatin der CDU für den Landkreis Göttingen und Gesprächspartnerin von Svenja Fricke in Podcast-Folge 4.
Von klein auf für das Handwerk begeistern. Dafür bedarf es vieler verschiedener Maßnahmen.
Foto: Pixabay
neue Qualifikationen machen, sich etwas Neues aneignen und erlernen kann, dann kann das natürlich auch zu innovativen Geschäftsfeldern führen und das muss doch eine zentrale Botschaft sein.“
Lebensqualität & Familie
Doch natürlich geht es auch nach der Ausbildung um andere Themen als dem Beruf. Vor allem die Familienplanung rückt in den Fokus junger Handwerker. Und auch hier sind natürlich die Kommunen in der Pflicht, durch umfassende Betreuungsangebote den Beruf und Familie zu vereinbaren, gerade in Zeiten von immer stärker auseinandergezogenen Arbeitszeiten und Schichtdiensten. Das sieht auch Dr. Sabine Michalek, Bürgermeisterin von Einbeck (CDU) so. „Wir in Einbeck haben den Anspruch, mit verlässlichen und bedarfsgerechten Betreuungsangeboten für Kinder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Die Öffnungszeiten unserer Region orientieren sich dabei an den Bedürfnissen der Familien vor Ort. Dies Fragen wir regelmäßig direkt bei den Eltern ab.“ Für Michalek ist allerdings auch ein dauerhafter Austausch mit den Beteiligten wichtig. „Wir sollten alle Akteure, also Träger, Elternvertreter aber auch die Arbeitgeber und KiTa-Leitungen an einen Tisch bekommen, um passgenaue Angebote vor Ort zu gestalten.“
Doch natürlich gilt es auch, die Entwicklungen der nächsten Jahre im Blick zu behalten. Denn auch das Bild der Innenstädte wird sich durch die Digitalisierung und den immer stärker werdenden Online-Handel verändern. Um die Innenstädte attraktiv zu halten, müssen Leerstände vermieden und innovative Konzepte her. Für Dr. Ingo Meyer, Oberbürgermeister von Hildesheim (parteilos), ist dies eine besondere Herausforderung. „Damit Innenstädte auch in Zukunft lebendige Orte bleiben, wird sich hier perspektivisch etwas verändern müssen. Neben dem Handel und der Gastronomie müssen auch andere Branchen und Einrichtungen hier Einzug finden. Durch vergünstigte temporäre Vermietungen können neue Ideen und Konzepte auch erst einmal erprobt werden. Diese Möglichkeit steht natürlich grundsätzlich auch Handwerksbetrieben offen.“
Was am Ende bleibt ist eine zentrale Botschaft: Handwerk und Politik müssen zusammenarbeiten - in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens. Und für Svenja Fricke ist klar, dass es dabei um etwas Zentrales geht: „Damit auch in Zukunft die Dächer dicht bleiben, die Heizung läuft und das Auto rollt.“ YANNIK HERBST W