2.2019 Inhalt Digitalisierung – Forderungen und Fragen Digitale Technologien und Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Immer stärker sollen sie nun auch zu wichtigen Begleitern musikalischen Lehrens und Lernens in Musikschulen werden. So wird im Hamburger Memorandum des Verbands deutscher Musikschulen (Mai 2018) gefordert, dass Digitalpakte und entsprechende Förderprogramme auch den Musikschulen zugutekommen. Musikschulen sollen sich aufmachen „in eine vieldimensionale digitale Welt“ sowie „Wege, Mittel und Methoden“ entwickeln, die die pädagogische Arbeit „durch die digitalen Möglichkeiten verändern und erweitern“. Zudem haben der VdM, der Deutsche Volkshochschul-Verband und der Deutsche Bibliotheksverband jüngst in einem gemeinsamen Brief um die Öffnung des Digitalpakts für den außerschulischen Bereich gebeten. Und auch der Bundesverband Musikunterricht setzt sich in seinem Positionspapier zur „Entwicklung des Musikunterrichts im Zeitalter der Digitalisierung“ (Januar 2019) für alle musikbezogenen Bildungsinstitutionen ein. Dabei ist allen klar: Ohne Fort- und Weiterbildungsangebote sowie Forschung kann das nicht funktionieren. Einige Anbieter halten bereits Angebote in unterschiedlicher Qualität bereit und auch im Rahmen des diesjährigen Musikschulkongresses wird es wieder Veranstaltungen im Bereich „Digitaler Unterricht/Apps/Web“ geben. Neben Fachtagungen widmen sich zudem einige Forschungsprojekte diesem Themenbereich (z. B. mehrere Projekte im BMBF-Förderschwerpunkt „Forschung zur Digitalisierung in der Kulturellen Bildung“). Trotz der vielen innovativen Ideen und Leuchtturmprojekte gilt es weiterhin, einige Fragen grundlegend zu beantworten. Daher beschäftigt sich auch intensiv mit diesem Thema. Kann beispielsweise der Einsatz eines iPads oder Smartphones dazu beitragen, besser Violine, Klavier, Gitarre, Schlagzeug oder Querflöte zu lehren und zu lernen? Und wenn ja, auf welche Art und Weise? Wie setze ich es sinnvoll in meinem Unterricht ein? Welche Apps braucht es und welche Anwendungen wären instrumentenspezifisch hilfreich? Werden die Apps gemeinsam mit Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen entwickelt? Es wird die gemeinsame Aufgabe von Forschung und Praxis sein, Antworten auf diese und andere Fragen zu geben, um den Musikschulunterricht nicht nur zu modernisieren, sondern digitale Technologien und Medien sinnvoll in die pädagogische Musikschularbeit zu implementieren. Sebastian Herbst
2 Individuell und wertschätzend Begabtenförderung an der Jugendakademie Münster
4 Auf die Methode kommt es an Selbstständig lernen im „GrooveLab“ der Städtischen Musikschule Lahr
6 Viele Wege führen zum Ziel… Musikpädagogische Qualifikationen im Überblick
10 Einzelunternehmung oder gGmbH? In welchen Fällen lohnt es sich, eine Musikschule als gGmbH zu führen? (Teil 2)
Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? info@musikschule-direkt.de
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Die Jugendakademie Münster als Beispiel gelungener Begabtenförderung
Individuell und wertschätzend Die Begabungsforschung und Betrachtungen von Musikerbiografien legen nahe, dass jungen Talenten möglichst früh eine handwerklich optimale Förderung am Instrument zugutekommen sollte. Außerdem ist es wichtig, ihnen ein künstlerisch anregendes Umfeld zu bieten. Andererseits zeigt die Erfahrung aber auch, dass es mittlerweile eine große Zahl bestausgebildeter junger Musikerinnen und Musiker gibt, die in ihrer allgemeinen, menschlichen und künstlerischen Entwicklung weit hinter ihren handwerklichen Fähigkeiten zurückgeblieben sind.
)) Viele junge Talente müssen während ihres Hochschulstudiums feststellen, dass sie in ihrem Leben außer Disziplin und Konkurrenzstress nichts erlebt haben, was sich lohnen würde, mit den Mitteln der Musik zu erzählen. Sie erfahren, dass Familie, Spaß und Auseinandersetzung mit Freunden, schulisches Umfeld, Liebesleben, Chorsingen, Kammermusik, Orchester und prägende menschliche Begegnungen auf der Strecke geblieben sind. Familien, Musikschulen, Hochschulen, Veranstalter von Wettbewerben und Förderer müssen darauf achten, dass sie nicht ein handwerklich hochgezüchtetes Mittelmaß produzieren, das weder charismatisch interessante Künstler auf dem Podium hervorbringt, noch ansteckende, erfolgreiche, zufriedene und verantwortungsvolle Musikpädagogen ins Leben entlässt. Das bedeutet: Wir müssen besonders begabten Kindern die Chance geben, eine optimale musikalische Förderung zu genießen, die in ein „normales“ Leben mit Familie, Freunden, Sport, Schule etc. eingebettet ist, eine Förderung, der eine gesunde soziale Entwicklung nicht geopfert wird. Eine Förderung ohne Entwurzelung, die im Nachhi-
Ulrich Rademacher
nein auch dann Sinn macht, wenn sich ein junger Mensch beruflich völlig anders orientiert. Dieses Ziel ist in Kooperationen von Musikhochschulen und Musikschulen, die den Nachwuchs der Region im Blick haben, besser zu erreichen als in Alleingängen von Musikhochschulen, in denen Kinder oft aus ihrem natürlichen Umfeld herausgerissen und in einer Retortensituation „gezüchtet“ werden.
Wertschätzende Förderung Als Vorsitzender einer Bundesjury in der vergangenen „Jugend musiziert“-Saison habe ich etwa 100 Pianistinnen und Pianisten der Altersgruppe IV (14 bis 15 Jahre) gehört: die meisten von ihnen pianistisch sehr gut, aber auch manche, um deren Zukunft und seelische Gesundheit man sich sorgen muss, wenn alle Energie und Motivation aus einer allzu engen Fokussierung auf eine Solo-Karriere geschöpft wird. Auf der einen Seite entzieht sich die Kunst, die ihrem Wesen nach genauso „heilig“, einmalig und unverwechselbar ist wie jedes musizierende Kind, einer Bewertung und Einordnung nach Punkten. Auf der anderen Seite liegt es in unserem Streben nach Erkenntnis und Vergleichbarkeit, aber auch in der kindlichen Spiellust, sich messen zu wollen – nicht nur im Sport. Das ist nach meiner Überzeugung solange gesund, wie das Selbstwertgefühl, das Geliebt- und Geachtetwerden so selbstverständlich und unverrückbar verankert ist, dass es nicht vom Erfolg bei einem Wettbewerb abhängt. Der Chorleiter und Pädagoge Yoshihisa Matthias Kinoshita schreibt: „Aus dem Erleben der eigenen Freude und aus dem Erleben, dass diese auch Anerkennung findet und mit anderen geteilt werden kann, verstärkt sich die schon vorhandene Motiva-
tion bei den Kindern fürs Singen. Durch eine Beziehungsebene, in der die grundsätzliche Anerkennung vom Erbringen einer Leistung abgekoppelt ist, wird ein stabiles Beziehungsfundament gelegt. Stabil vor allem auch deswegen, weil durch die Entkopplung von Anerkennung und Leistung die Angst vor dem Versagen als ein wesentlicher Verhinderer von Motivation so gut es geht vermieden werden kann.“1 Der Verband deutscher Musikschulen favorisiert diejenigen Modelle der Begabtenförderung, die den begabten Kindern und Jugendlichen ein Weiterleben mit Familie und Freunden und „normalen“ Alltagsherausforderungen gestatten und dennoch alle Ressourcen für eine optimale Förderung erschließen – beispielsweise die young academy rostock,2 das Netzwerk Amadé in Mannheim3 oder die Jugendakademie in Münster.4 Letztere möchte ich hier vorstellen – als ein Beispiel gelingender Kooperation zum Wohle besonders begabter Kinder und Jugendlicher.
Individuelles Angebot Nach mehreren Jahren intensiver, vertrauensvoller und wertschätzender Zusammenarbeit einzelner Lehrkräfte der Westfälischen Schule für Musik und der Musikhochschule Münster mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen fand im Februar 2011 die erste offizielle Aufnahmeprüfung statt. Die Akademie bietet als Option folgendes Ausbildungspaket für bis zu 30 Akademisten: ) zwei Unterrichtseinheiten im Hauptfach (90 Minuten), ) eine Unterrichtseinheit im Zweitfach, ) Ensemblespiel, Kammermusik, Orchester, Gesang, Körperdisposition, Theorie, ) bei Bedarf Korrepetition, ) gemeinsame Konzert- und Opernbesuche,
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Jugendakademie Münster
© Jugendakademie Münster
Kosten – ca. 99 Euro/Monat – Das Zusatzpaket wird von der Westfälischen Schule für Musik, der Musikhochschule und Sponsoren gefördert Bewerbung – Auswahlvorspiel für WS 2019/20: 22. Juni 2019. Zehn- bis 15-minütiger Vortrag im Hauptfach mit Werken aus mindestens zwei Epochen – Anmeldeschluss: 2. Mai 2019
) Begegnung mit prominenten Künstlern, ) Vermittlung von und Begleitung bei Wettbewerben und Meisterkursen. Das kann für manches Kind angemessen sein, für ein anderes eine gesundheitsgefährdende Überforderung. Daher ist entscheidend, dass die Musikhochschule und die Partner-Musikschule gemeinsam empfehlen, welches ganz persönliche Unterrichtspaket für das jeweilige Kind in seiner schulischen, persönlichen und künstlerischen Entwicklung adäquat ist. Dazu gehört auch, welcher Lehrer, welche Lehrerin bzw. welches Pädagogentandem aus Musikschule und Musikhochschule den Unterricht im Hauptfach übernimmt. Dies alles geschieht in enger Abstimmung mit Eltern und allgemein bildenden Schulen, damit die Kinder in einer gesunden familiären und schulischen Umgebung aufwachsen – auch mit Freizeitaktivitäten und der Möglichkeit der Pflege von Freundschaften. Dies schließt auch so verrückte, aber hoch motivierende Aktionen mit ein, wie sie eine der jüngsten Akademistinnen erleben durfte: in China mit Lang Lang Duo zu spielen. Oder in einem Kleinbus zu einer Probe des Bundesjugendorchesters mit Simon Rattle nach Berlin zu fahren. Einen Workshop für Neue Musik zu erleben, an einem deutsch-japanischen Jugendaustausch teilzunehmen, als Solist zur Eröffnung des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ in Lübeck mit dem städtischen Sinfonieorchester ein Mozart-Konzert zu spielen, ein gemeinsames Sommer-Gartenfest aller Akademisten und vieler Lehrkräfte zu feiern, als Klaviertrio beim Sommerfest des Bundespräsidenten auftreten zu dürfen und vieles mehr: Dies sind nur einige von vielen schönen und inspirierende Mosaiksteinen, die den Unterricht motivierend ergänzen.
Zusammenarbeit mit der Schule Um musikalische Schwerpunkte setzen zu können, arbeitet die Akademie vor allem mit solchen allgemein bildenden Schulen zusammen, die besonders begabten Kindern und Jugendlichen die notwendigen Freiräume zugestehen. Dabei kann es sich um die Freistellung vom Unterricht für die Wahrnehmung einer Hauptfach-Stunde am Vormittag handeln (möglichst nach dem „Drehtür-Modell“, damit nicht immer die selbe Schulstunde ausfällt) oder auch um die Befreiung für mehrere Tage zugunsten eines Meisterkurses, einer Wettbewerbsteilnahme oder Konzertreise. Die Jugendakademie kann nur parallel zum Besuch einer allgemein bildenden Schule besucht werden. Das bedeutet auch: Den Schulabschluss aufzugeben für eine hundertprozentige Konzentration auf die Musikerkarriere wird ausdrücklich ausgeschlossen. Die an der Hochschule belegten Kurse können bei einem späteren Musikstudium angerechnet werden. So wichtig die gemeinsame Federführung zweier erfolgreicher Institute für das Gelingen der Akademie ist, so wichtig ist eine gute Kooperation mit den Musikschulen der Region. So sind alle Familien und Musikschulen im Raum Westfalen eingeladen, sich in Sachen Begabtenförderung an die Jugendakademie zu wenden – und zwar ohne Sorge um den Verlust erfolgreicher Schülerinnen und Schüler, denn diese bleiben in der Regel an der jeweiligen Musikschule. Es ist ausdrücklich vorgesehen, mit den Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen vor Ort zusammenzuarbeiten und sie weiter mit der Betreuung zu beauftragen, um eine von Vertrauen geprägte Entwicklung zu ermöglichen. Und: Bei allem Verständnis für die besondere Bedeutung des künstlerischen Haupt-
Kontakt – Westfälische Schule für Musik: Gudula Rosa, gudula.rosa@muenster.de – Musikhochschule Münster: Elisabeth Fürniss, cellozentrum@web.de Website www.uni-muenster.de/Musikhochschule/jugendakademie
fachs und die dadurch entstehende Motivation sollte den Kindern und Jugendlichen das gesamte Spektrum der Musikberufe als attraktive Perspektive vermittelt werden. Denn erfolgreich Musiker zu sein, kennt weit mehr Variationen als nur die Solistenkarriere. ((
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Yoshihisa Matthias Kinoshita: „Ausüben – mehr als richtig singen. Dressur versus lebendiges Musizieren, Motivation und Konzertvorbereitung“, in: Michael Fuchs (Hg.): Hören, Wahrnehmen, (Aus-)Üben (= Kinder- und Jugendstimme, Band 3), Logos, Berlin 2009, S. 157 ff., hier: S. 160. 2 Die young academy rostock (YARO) ist eine Einrichtung der Hochschule für Musik und Theater Rostock; www.young-academy-rostock.de 3 Im Jahr 2004 gründete die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim gemeinsam mit acht Musikschulen der Metropolregion Rhein-Neckar das Netzwerk Amadé; www.muho-mannheim.de/frame.php?path=/ wirueberuns/amade 4 Die Jugendakademie hat sich unter gemeinsamer Federführung der Musikhochschule Münster und der Westfälischen Schule für Musik konstituiert; www.uni-muenster.de/Musikhochschule/ jugendakademie
Prof. Ulrich Rademacher ist Vorsitzender des Verbands deutscher Musikschulen und von „Jugend musiziert“. Er lehrt das Fach Liedinterpretation an der Hochschule für Musik und Theater Köln.
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Auf die Methode kommt es an
Sven Reisch
Selbstständig lernen im „GrooveLab“ der Städtischen Musikschule Lahr An der Städtischen Musikschule Lahr ist vor etwas über zwei Jahren ein neues Konzept für den Unterricht im Popularbereich an den Start gegangen. Das „GrooveLab“ verbindet MontessoriPädagogik mit verschiedenen digitalen Hilfsmitteln. Schüler, Eltern und Lehrkräfte sind gleichermaßen begeistert.
)) Tom zählt ein. Die Sticks des 13-jährigen Schlagzeugers klacken gut hörbar aufeinander. Doch mit dem Einsatz seiner 14jährigen Bandkollegen an E-Bass und E-Gitarren hört man erst einmal – nichts! Während die vier Jungs sichtbar engagiert ihre Instrumente bearbeiten, sind akustisch allenfalls ein leichtes Schrammeln von den Saiten der E-Gitarren und das dumpfe Ploppen der Schlegel auf die Gummi-Pads des E-Drum-Sets wahrnehmbar. Wenn man es den Musikern aber gleichtut und sich Kopfhörer über die Ohren streift, ist man plötzlich mittendrin im kräftigen Bandsound von Urban Hype, der jungen Rockformation, die an diesem Nachmittag im GrooveLab der Städtischen Musikschule Lahr ihre Musik einstudiert. Demnächst steht für die junge Band der nächste Gig an und der Titel Fluorescent Adolescent, ein Song der britischen IndieRockband Arctic Monkeys, benötigt noch etwas Feinschliff. Gitarrenlehrer Andreas Kopfmann klinkt sich als Zuhörer ebenfalls mit Kopfhörern in die Probe ein und gibt, nachdem der letzte Ton des Durchlaufs erklungen ist, Tipps und Verbesserungsvorschläge. Die vier Musiker stimmen vor allem aber auch untereinander ab, was noch besser werden muss, bevor sie das Stück nochmal spielen und die Probe mit weiteren Titeln fortsetzen. Das GrooveLab ist die musikalische Heimat von Urban Hype und für jeden Ein-
zelnen der Musiker auch der Ort, um das eigene Können am Instrument zu verbessern. Bandspiel und Instrumentalunterricht verbinden sich im GrooveLab zu einer Einheit, die ganz bewusst gefördert wird. Die Erfinder des neuen Angebots verstehen sich als Pioniere auf einem neuen Weg: weg vom herkömmlichen „Meisterunterricht“ an der Musikschule, hin zum Verständnis des Musikschullehrers als Lernbegleiter und musikalischer Ratgeber. Die SchülerInnen wählen dabei ihre Lerninhalte weitgehend selbst. Der gewohnte Stundenplan von jeweils 30- oder 45-minütigem Einzelunterricht wird aufgelöst. Die SchülerInnen haben GrooveLab-Tage, sie können in Gleitzeit ins GrooveLab kommen und bestimmen ihre Aufenthaltsdauer selbst. Tobias Meinen, Leiter der Städtischen Musikschule Lahr, E-Bass-Lehrer und gemeinsam mit Gitarrenlehrer Andreas Kopfmann Vordenker des GrooveLab, nennt dieses neue Unterrichtsformat „individualisiertes Lernen im sozialen Kontext“.
Muttersprachliche Herangehensweise Seit Juni 2016 betreibt die Städtische Musikschule in Lahr das deutschlandweit einzigartige Konzept des Gruppenunterrichts im Popularbereich. Für den Unterricht an E-Gitarre und E-Bass finden die SchülerInnen im GrooveLab zahlreiche Instrumente und Übeplätze vor, an denen sie selbstständig arbeiten können. Die Lehrkräfte sind jederzeit ansprechbar, kontrollieren den Lernfortschritt, geben dabei Übeimpulse und Hilfestellungen, schlagen neue Lerninhalte vor. Das Erkenntnisinteresse der SchülerInnen steht aber immer im Vordergrund. Ziel des GrooveLab ist eine breit angelegte musikalische Ausbildung im Popularbe-
reich. Dabei setzt man auf eine „muttersprachliche Herangehensweise“, wie Andreas Kopfmann sagt. Die Musikschüler sollen Musik und Instrumente erlernen, wie ein Kind das Sprechen erlernt: nicht nach Lehrbuch, sondern durch Hören und Praxis, durch Neugierde, durch Begeisterung. Hierbei greift man auf Elemente der Montessori-Pädagogik zurück. Andreas Kopfmann, ausgebildeter Montessori-Pädagoge, hat dafür eigens neue Unterrichtsmaterialien entwickelt, die zum eigenständigen Entdecken einladen. Ausstattung und Infrastruktur des GrooveLab folgen konsequent diesem pädagogischen Anspruch. Neben umfangreichen Materialkisten mit Lernblättern, Übekarten, Schaubildern und spielerischen Erklärelementen spielen digitale Hilfsmittel für die Lernumgebung eine wichtige Rolle. Im GrooveLab herrscht eine arbeitssame und konzentrierte Atmosphäre. Auch wenn bis zu zehn SchülerInnen gleichzeitig da sind, geht es ruhig zu. Zwei Lehrer sind ständig vor Ort und für die SchülerInnen ansprechbar. Damit jeder ungestört an seinem Übeplatz eigenständig an seinen Aufgaben arbeiten kann, bedarf es technischer Unterstützung. Geübt wird mit Kopfhörern. Über sogenannte Session Mixer kann sich der Lehrer jederzeit einklinken und mithören, oder aber SchülerInnen können zusammen spielen, ohne dass die Umgebung gestört wird.
Vorreiter im Einsatz digitaler Hilfsmittel Moderne Tablets ersetzen die klassischen Lehrbücher und Notensammlungen. Ausgewählte Apps stehen zur Verfügung. „Über 100 Apps haben wir für den Einsatz getestet, aber letztendlich sind davon nur vier in regelmäßigem Gebrauch“, erläutert
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© Städtische Musikschule Lahr
„Derzeit sind rund 100 Kinder und Jugendliche im GrooveLab aktiv.“ Tobias Meinen. Die App Chordify zum Beispiel ermöglicht es, zu YouTube-Videos Akkordsymbole und Griffbilder mitlaufen zu lassen und damit in Echtzeit Liedbegleitung zu aktuellen Hits und zeitlosen Klassikern zu üben. Mit Guitar Pro steht eine umfangreiche Notenbibliothek zur Verfügung. Partituren, Einzelstimmen und Tabulatoren können als PDF gelesen und bearbeitet, zum Beispiel in alle Tonarten transponiert werden. Zum Abspielen von Songs bietet Anytune eine Vielzahl von Möglichkeiten an, die das Üben unterstützen. So können das Tempo verändert und die Tonhöhe angepasst, kurze Loops erstellt und einzelne Instrumente isoliert werden. Außerdem wird noch eine DrumMachine-App als Metronom und Begleithilfe genutzt. Als Vorreiter im Einsatz digitaler Geräte im Musikschulunterricht sind Meinen und Kopfmann im regelmäßigen Austausch mit den Herstellern, um Rückmeldungen zu geben und an der Technik zu feilen. Und die Firmen sind durchaus dankbar, weil der Einsatz im professionellen musikpädagogischen Umfeld noch in den Kinderschuhen steckt. So brennt den Beiden vor allem der Wunsch nach einer besonderen technischen Neuentwicklungen unter den Nägeln: eine digitale Korrepetitionsplattform, die auch für Bläser und weitere Instrumente sowie für das Üben klassischer Literatur einsetzbar ist. Mit den Tablets und Apps wird ein Lernumfeld geschaffen, in dem ein Schüler sich besonders nah an der Originalaufnahme mit den Songs beschäftigen und musikalisch üben kann. In diesem Zusammenhang haben die GrooveLab-Macher auch einen interessanten Nebeneffekt ausmachen können. Die experimentierfreudige Atmosphäre lädt ungewöhnlich viele SchülerInnen zum Singen ein. Diese überra-
schende Entwicklung passt zum ganzheitlichen Ansatz des GrooveLab: Die Beschäftigung mit Musik in all ihren Facetten steht im Vordergrund.
Digitale Technik im Dienste des Lernens Aufgrund einer cleveren Vernetzung entstehen im Handumdrehen Mitschnitte von Übe-Sessions, die den SchülerInnen und ihren Eltern als Dokumentation per E-Mail nach Hause geschickt werden können, samt Notenmaterial für das weitere Üben. Insgesamt beeindruckt das durchdachte Gesamtkonzept, in dem die vorhandene Technik niemals Selbstzweck ist, sondern die pädagogische Methode im Vordergrund steht. „Es geht um eine neue Art zu lernen, nicht um neue Technik“, fasst Musikschulleiter Meinen den Einsatz der digitalen Möglichkeiten im GrooveLab zusammen, die mit Investitionen von etwa 40 000 Euro verbunden waren. Die neue Art zu lernen kommt an. Derzeit sind rund 100 Kinder und Jugendliche im GrooveLab aktiv. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der SchülerInnen liegt bei etwa zwei Stunden und damit deutlich länger als beim herkömmlichen Unterricht. Und neben dem Hauptinstrument werden auch weitere Instrumente und die Stimme kennengelernt sowie Wissen über Musik im Allgemeinen vermittelt. Außerdem entstehen durch das gemeinsame Musizieren immer wieder Bands, die sich eigenen Songs widmen und die Bühnen und Probenräume außerhalb der Musikschule erobern. Zu den Neuerungen der Lahrer Konzeptschmiede gehören die „GrooveLab-Kids“. Die Fünf- bis Achtjährigen lernen spielerisch – ohne den Einsatz von Tablets und digitalen Medien – das pädagogische Um-
feld im GrooveLab kennen und beginnen, die faszinierende Welt der Musik mit eigenen Mitteln zu entdecken. In 60-minütigen Einheiten wird viel gemeinsam musiziert, ohne die Kinder bereits auf ein bestimmtes Instrument festzulegen. Und auch für Kooperationsprojekte in Schulen wird das GrooveLab mit Erfolg exportiert: Zuletzt konnte eine GrooveLab-„Außenstelle“ in Ettenheim eröffnet werden. GanztagsschülerInnen können hier nun unter Anleitung ihre freie Zeit am Nachmittag musikalisch verbringen. Wenn ein Konzept so erfolgreich etabliert wurde, bleibt es nicht aus, dass auch die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Vorträge beim Montessori-Kongress in Den Haag und für den Städtetag Baden-Württemberg zeigen, dass neue Unterrichtsmodelle für Musikschulen durchaus auf Nachfrage stoßen. Meinen und Kopfmann sehen die Musikschulen selbst in der Pflicht, neue Entwicklungen zu ermöglichen, und äußern den Wunsch, dass die Verbände hier vorangehen. Unterdessen hört man Ben, den Bassisten von Urban Hype, den nächsten Song der Band einstudieren: das alte Arbeiterlied Bella Ciao, das im vergangenen Sommer in einer House-Version zum großen Hit avancierte. Mit neuen Mitteln alte Traditionen aufleben zu lassen: Das passt zum Unterricht im GrooveLab-Stil. ((
Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht in: MUSIKLAND – Magazin der Musikschulen in Baden-Württemberg, Ausgabe 2019.
Sven Reisch ist Projektmanager des Landeszentrums MUSIK – DESIGN – PERFORMANCE an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen.
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Welche Ausbildungswege führen in Deutschland zu einer musikpädagogischen Tätigkeit? Und was bedeuten die verschiedenen Abschlüsse für den beruflichen Weg?
)) Musikpädagoginnen und -pädagogen erfüllen ihre Aufgaben in einem breiten Berufsfeld, das alle Institutionen und Möglichkeiten umfasst, in denen professionell musikpädagogisch gearbeitet wird.1 In diesem Beitrag steht die Musikpädagogik außerhalb von allgemeinbildenden Schulen im Zentrum; das Lehramt mit einheitlicher geregeltem Ausbildungsweg und Berufsbild wird von der Diskussion ausgenommen. Dagegen erstreckt sich das Berufsfeld im außerschulischen Bereich über eine große Bandbreite an Unterrichtsformen, die an verschiedenen Einrichtungen wie zum Beispiel Musikschulen, Kirchengemeinden, Institutionen für Jugend- oder Seniorenarbeit, sonder- und heilpädagogischen Einrichtungen oder Konzerthäusern umgesetzt werden.2 In Anbetracht dieses breiten, vielfältigen Berufsfelds ist es kaum möglich, ein klar umrissenes Berufsbild von Musiklehrkräften im außerschulischen Bereich zu erstellen. Weitere Unklarheit entsteht, weil in Deutschland die Berufsbezeichnung „Musikpädagoge“ bzw. „Musiklehrer“ im außerschulischen Bereich nicht gesetzlich geschützt ist. Jeder darf – auch ohne Qualifikationsnachweis – Musikunterricht erteilen und sich als „Musikpädagoge“, „Instrumentalpädagoge“ o. Ä. bezeichnen.3 Somit kann von der Tätigkeit einer Musikpädagogin nicht auf eine bestimmte Ausbildung geschlossen werden – anders als beispielsweise bei Ärzten oder Friseurinnen. Zu einem musikpädagogischen Beruf führt
eben kein eindeutiger, verbindlicher Ausbildungsweg. Stattdessen existieren zahlreiche Qualifikationsmöglichkeiten: Verschiedene Varianten einer grundständigen musikpädagogischen Ausbildung können an unterschiedlichen Institutionen absolviert werden; außerdem bestehen diverse Möglichkeiten, um sich im Berufsleben musikpädagogisch (weiter) zu qualifizieren.
Studium an Musikhochschule oder Kirchenmusikhochschule Die deutschen Musik- und Kirchenmusikhochschulen bieten zahlreiche künstlerische, künstlerisch-pädagogische sowie wissenschaftliche Studiengänge an.4 An den meisten Einrichtungen kann eine künstlerisch-pädagogische Ausbildung mit dem Abschluss als Bachelor bzw. Master (früher Diplom) absolviert werden, die für musikpädagogische Tätigkeiten im außerschulischen Bereich qualifiziert. Zur künstlerisch-pädagogischen Ausbildung zählen dabei Studiengänge vor allem im Bereich der Instrumental- und Gesangspädagogik, der Elementaren Musikpädagogik sowie der Rhythmik, Chorleitung usw.
Studium an Universität, Pädagogischer Hochschule oder Fachhochschule An über 40 Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen in Deutschland bestehen musikpädagogische Studienmöglichkeiten. Unter den musikpädagogischen Studienangeboten an diesen Einrichtungen überwiegt das Studium „Lehramt Musik“; nur in einzelnen Fällen können an Instituten für Musik, Musikpädagogik o. Ä., die an einer Universität oder Fachhochschule angesiedelt sind, auch Instrumental- und Gesangspädagogik oder Ele-
mentare Musikpädagogik mit Bachelorbzw. Master-Abschluss studiert werden (etwa am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg oder am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück). Insbesondere an Universitäten ist ein Musikpädagogik-Studium oft stärker wissenschaftlich geprägt als an Musikhochschulen; dementsprechend gibt es an Universitäten häufiger die Möglichkeit zur Promotion.
Studium an Konservatorium oder Musikakademie In Deutschland bieten sieben Konservatorien bzw. Musikakademien ein musikpädagogisches Studium an. Die Studiengänge, die oft explizit auf eine Berufsausübung als Lehrkraft an Musikschulen und in freiberuflicher Tätigkeit abzielen, gliedern sich meist in Instrumental- bzw. Gesangspädagogik und Elementare Musikpädagogik; an einzelnen Instituten werden auch weitere Studienfächer wie Komposition, Ensembleleitung etc. angeboten. Als Abschluss wird hier in der Regel der Grad eines Bachelors erreicht.
Spezialausbildungsstätten für Musikberufe Sowohl in öffentlicher als auch privater Trägerschaft existieren viele Institutionen, die sich auf die Ausbildung für Musikberufe spezialisiert haben. Ein umfassender Überblick über dieses vielfältige Ausbildungsangebot ist hier nicht zu erbringen; das Spektrum soll aber mit einigen Beispielen illustriert werden.5 In Bayern existiert in jedem Regierungsbezirk eine Berufsfachschule für Musik. Dort kann eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Ensembleleiter im Laienmusizieren absolviert werden; in einem
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Viele Wege führen zum Ziel … Silvia Müller
Musikpädagogische Qualifikationen im Überblick dritten Schuljahr kann eine zusätzliche pädagogische Qualifikation erlangt werden, die auf das Unterrichten des jeweiligen Hauptfachs in der Unter- und Mittelstufe an Musikschulen vorbereitet. Eine ebenfalls dreijährige Ausbildung zur Lehrkraft für Musikschulen und im freien Beruf bietet das Hohner-Konservatorium Trossingen als staatlich anerkannte Ersatzschule zur Ausbildung von Akkordeon-Lehrkräften. Neben den genannten, in der Regel öffentlich geförderten Einrichtungen bestehen auch Ausbildungsmöglichkeiten an Instituten in privater Trägerschaft. Dazu zählen zum Beispiel das Musikfachseminar Stuttgart, die Frankfurter Musikwerkstatt und das Music College Hannover, die eine staatlich anerkannte Ausbildung zum Musikbzw. Instrumentalpädagogen anbieten. Weitere private Anbieter ermöglichen musikpädagogische Ausbildungen in verschiedenen Bereichen (etwa Musikalische Früherziehung oder Instrumental-/Gesangspädagogik). Diese Qualifikationen sind allerdings oft nicht staatlich anerkannt, sondern enden mit einem Abschluss des jeweiligen Instituts (z. B. MenschMusik Hamburg e. V. oder MuSAH Köln). Deshalb zielen diese Ausbildungen in der Regel auf eine freiberufliche, selbstständige Tätigkeit, da eine Anerkennung für die Einstellung an Musikschulen nicht gewährleistet werden kann.
Zertifikate für Musikunterricht Insbesondere für den Bereich des privaten Musikunterrichts werden verschiedene Zertifikate angeboten, die nachweisen sollen, dass die zertifizierte Person einen qualitativ hochwertigen Unterricht bietet. Anlass für die Bereitstellung solcher Zertifikate dürften die oft heterogenen Berufswege sein, die auch ohne Fachstudium zu einer
Tätigkeit als Musikpädagogin oder Musikpädagoge führen können. Ein besonders weitreichendes Beispiel für ein solches Zertifikat ist die Lehrbefähigung des Bundesverbands der freien Musikschulen (bdfm). Lehrkräfte, die nicht als Diplom-Musiklehrer, Diplom-Musiker, Kirchenmusikerin etc. musikbezogen qualifiziert sind, benötigen die bdfm-Lehrbefähigung, um an vom bdfm zertifizierten Musikschulen unterrichten zu dürfen. Zum Erlangen des Zertifikats ist eine Prüfung (vor allem mittels eines Videos zum Nachweis von künstlerischen sowie pädagogischen Fähigkeiten) zu absolvieren.6 In ähnlicher Weise wird vom Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) in einzelnen Landesverbänden ein Qualitätszertifikat „Privater Musikunterricht“ angeboten, mit dem freiberufliche Musikpädagogen ihre Befähigung und die Voraussetzungen für einen qualitativ hervorragenden Musikunterricht nachweisen können. Die Auflagen für dieses Zertifikat sehen vor, dass studierte Musikpädagoginnen und -pädagogen (zum Beispiel Diplom-Musiklehrer oder Musiklehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen) ohne Umstände zertifiziert werden, während Berufsmusiker, die nur im künstlerischen Bereich ausgebildet sind, einen zusätzlichen Nachweis über ihre pädagogische Erfahrung erbringen müssen (beispielsweise Anstellungsverträge oder Wettbewerbserfolge der Schüler).7
Musikpädagogische Fort- und Weiterbildung Auch Fort- und Weiterbildungen bieten musikpädagogische Qualifikationsmöglichkeiten, vor allem für Personen, die nicht in einem explizit musikpädagogischen Bereich ausgebildet sind. Viele Berufsgruppen kommen in ihrer Tätigkeit aber durchaus
mit musikpädagogischen Themen und Fragestellungen in Berührung wie etwa Fachkräfte in Kindertagesstätten oder Jugendeinrichtungen und Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, die Musik fachfremd unterrichten. Für diese Zielgruppen existieren zahlreiche Fort- und Weiterbildungsangebote. Anbieter sind zum einen Hochschulen und Fortbildungszentren, die verschiedene Formate bereitstellen wie etwa berufsbegleitende Lehrgänge mit zertifiziertem Abschluss (zum Beispiel die Hochschule für Künste Bremen oder die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen). Zum anderen werden Weiterbildungen zu vielfältigen Themen und in unterschiedlichem Umfang von freien bzw. privaten Anbietern veranstaltet, wobei auch die Abschlüsse stark differieren können (etwa am Freien Musikzentrum e. V. München oder an der Akademie für Kindergarten, Kita und Hort). Insgesamt ist der Bereich der musikpädagogischen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten breit gefächert und nur schwer überschaubar. Zu beachten ist, dass private Angebote nicht nur durch fachliche, sondern auch durch kommerzielle Bestrebungen motiviert sein können (Verkauf von speziellem Unterrichtsmaterial etc.).
Vielfalt von Ausbildungswegen Insgesamt existieren in Deutschland zahlreiche Möglichkeiten für eine Qualifikation zum Musikpädagogen oder zur Musikpädagogin. Sie reichen von einer grundständigen Ausbildung über spezialisierte (Master-) Studiengänge bis hin zu Zertifikaten und Fortbildungen für einzelne Arbeitsfelder. Sowohl die jeweiligen Voraussetzungen als auch Rahmenbedingungen divergieren dabei stark: So unterscheiden sich
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„Für Außenstehende ist bei einem musikpädagogischen Studienabschluss nur bedingt erkennbar, über welche Qualifikationen der Absolvent im Einzelnen verfügt.“ die Ausbildungsgänge etwa in der Dauer oder in den Kosten für die Lernenden. Zudem bestehen inhaltliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausbildungswegen. In Studiengängen an Musikhochschulen beispielsweise werden in erster Linie grundlegende Fertigkeiten vermittelt, mit denen die Absolventen immer wieder flexibel und fachlich reflektiert auf neue berufliche Situationen reagieren können, denn eine umfassende Ausbildung für alle Teilbereiche des vielfältigen musikpädagogischen Berufsfelds ist nicht realisierbar. Für einzelne Aufgabenfelder ist es möglich, im Rahmen von Masterstudiengängen sowie Fort- und Weiterbildungen spezielles Wissen und Können zu erlangen. Weitere inhaltliche Unterschiede der musikpädagogischen Qualifikationen entstehen, da zum Beispiel im Rahmen von grundständigen Studiengängen zwar zentrale Inhalte und Anforderungen an verschiedenen Institutionen ähnlich sind (z. B. künstlerische Ausbildung am Instrument oder im Gesang, Musiktheorie, Unterrichtsversuche, Abschlussarbeit), die genaue Ausdifferenzierung eines Studiengangs aber in der Hand der jeweiligen Hochschule liegt und oft individuell erfolgt.8 Für Außenstehende ist deshalb bei einem musikpädagogischen Studienabschluss nur bedingt erkennbar, über welche Qualifikationen der Absolvent im Einzelnen verfügt. Noch unübersichtlicher wird die Lage in Anbetracht der weiteren genannten zahlreichen Ausbildungsmöglichkeiten im musikpädagogischen Bereich. Aufgrund der Vielfalt von Berufsfeld und Qualifikationsmöglichkeiten ist es somit oft nur schwer möglich, anhand eines Ausbildungsabschlusses zu beurteilen, ob eine Person für eine spezielle musikpädagogische Aufgabe (ausreichend) qualifiziert ist. Zwar ist davon auszugehen, dass ein mu-
sikpädagogischer Studienabschluss umfassender auf die Tätigkeit als Musikpädagogin vorbereitet als einzelne Weiterbildungsmaßnahmen, doch auch die individuelle berufliche Biografie und die jeweilige Lehrerpersönlichkeit spielen dabei sicherlich eine Rolle. Die Vielfalt der Ausbildungswege spiegelt darüber hinaus den Bedarf an Musikpädagoginnen und -pädagogen in der deutschen Bildungslandschaft wider. Dabei wird auch Personen, die über keine grundständige musikpädagogische Ausbildung verfügen, durch Weiterbildungen oder Zertifikate formal der Weg zur Tätigkeit als Musikpädagoge geebnet. Offen bleibt allerdings, ob die geforderten Nachweise (zum Beispiel Videos bzw. Wettbewerbserfolge der Schüler) tatsächlich Auskunft über die musikpädagogischen Fähigkeiten einer Lehrkraft geben. Zudem ist unklar, ob durch solch niederschwellige Qualifikationswege eine Konkurrenz für umfassend ausgebildete Musikpädagoginnen und -pädagogen erwächst.9 Im Sinne der weiteren Professionalisierung des Berufs „Musikpädagoge“ wäre es wünschenswert, dass die Art der Qualifikation auch Auswirkungen auf den Zugang zum Beruf bzw. zu einzelnen Tätigkeitsfeldern hat. So könnte sichergestellt werden, dass nur vergleichbar ausgebildete Lehrkräfte in einem musikpädagogischen Tätigkeitsfeld arbeiten. Diese Klarheit dürfte sich wiederum positiv auf das gesellschaftliche Ansehen des Berufs „Musikpädagoge“ auswirken. (( 1
vgl. die Definition zum Berufsfeld von Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen bei Dietlind Bäuerle-Uhlig: Professionalisierung in der Instrumentalpädagogik, Essen 2003, S. 297. 2 vgl. ebd., S. 298-360. 3 vgl. ebd., S. 365 und 370 f.; Theresa Merk/Silvia Müller: „Professionalisierung der Instrumental-
pädagogik“, in: Barbara Busch (Hg.): Grundwissen Instrumentalpädagogik. Ein Wegweiser für Studium und Beruf, Wiesbaden 2016, S. 405. 4 Für die in den ersten drei Abschnitten beschriebenen Studienmöglichkeiten vgl. MIZ (Deutsches Musikinformationszentrum): Bildung & Ausbildung mit den Rubriken „Musikhochschulen“, „Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Fachhochschulen“, „Konservatorien, Musikakademien, Kirchenmusikhochschulen und weitere kirchliche Ausbildungsstätten“, www.miz.org/themenportale/bildung-ausbildung (Stand: 21.2.2019). 5 vgl. ebd., Rubrik „Spezialausbildungsstätten für Musikberufe“. 6 vgl. bdfm (Bundesverband der freien Musikschulen): bdfm-Lehrbefähigung, www.freie-musikschulen.de/zertifizierung/bdfm-lehrbefaehigung (Stand: 21.2.2019). 7 vgl. DTKV (Tonkünstlerverband) Baden-Württemberg e. V.: Zertifikat Privater Musikunterricht, www.dtkv.net/BW/nachrichten/uebersicht/28aktuelles/25-zertifikat-privater-musikunterricht. html (Stand: 21.2.2019); DTKV (Tonkünstlerverband) Bayern e. V. / Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen e. V.: Richtlinien zum Qualitätszertifikat, www.dtkvbayern.de/images/PDFs/downloads/ Qualtitaetszertifikat/Richtlinien%20Endfassung% 20QZ_26.07.2016.pdf (Stand: 21.2.2019). 8 vgl. Bäuerle-Uhlig, S. 134 f.; Ortwin Nimczik/ Hans Bäßler/Detlef Altenburg: Ausbildung für Musikberufe, Bonn 2011, S. 11, www.miz.org/ static_de/themenportale/einfuehrungstexte_pdf/ 01_BildungAusbildung/nimczik_baessler_altenburg.pdf (Stand: 21.2.2019). 9 vgl. Bäuerle-Uhlig, S. 142.
Silvia Müller ist als Diplom-Musiklehrerin mit den Hauptfächern Elementare Musikpädagogik und Klavier an mehreren Musikschulen tätig. Neben dem Unterrichten widmet sie sich Projekten im Schnittfeld von Musikpädagogik und Wissenschaft.
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Der will nur spielen.
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Einzelunternehmung oder gGmbH? Frank Bauchrowitz
In welchen Fällen lohnt es sich, eine Musikschule in eine gGmbH umzuwandeln oder als solche zu gründen? (Teil 2) Nachdem in der vergangenen Ausgabe die Vor- und Nachteile der Einzelunternehmung beschrieben wurden, wird nun genauer untersucht, was für und gegen die gGmbH für Musikschulen spricht.
Was spricht für das Betreiben einer Musikschule als gGmbH? Ein genereller Vorteil der gGmbH ist die Haftungsbeschränkung. Gesellschafter haften nur mit ihrem eingelegten Kapital, nicht mit ihrem Privatvermögen. Dies stellt eine Entlastung dar, denn Gesellschafter gehen nicht das Risiko einer Privatinsolvenz ein. Ist die gGmbH insolvent, weil die Verbindlichkeiten (z. B. Gehälter, Honorare, Miete, Abzahlungs- oder Leasingraten für Instrumente und andere Ausstattung etc.) nicht mehr bedient werden können, bleibt das Privatvermögen der Gesellschafter in aller Regel unangetastet. Dass dieser Vorteil nicht in allen Fällen wirksam wird, wurde bereits bei der Einzelunternehmung (in Teil 1) festgestellt. Auch in der Außenwirkung hat die gGmbH in begrenztem Maße einen Pluspunkt zu verzeichnen. Unbestritten werden Unternehmen, die anerkanntermaßen gemeinnützig arbeiten, in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Die Bereitschaft, ein gemeinnützig arbeitendes Unternehmen eventuell auch ohne Gegenleistung zu unterstützen, ist generell höher als bei kommerziell arbeitenden Unternehmen. Wer jedoch das Konstrukt der gGmbH kennt, der weiß, dass auch hier Geschäftsführer vorhanden sind, die von den Einnahmen der gGmbH bezahlt werden und leben müssen. Und Geschäftsführer einer Ein-Personen-gGmbH können als gleichzeitige Gesellschafter selbst über ihr Gehalt entscheiden (das allerdings „angemes-
sen“ sein muss). Unter Umständen ist die Außenwahrnehmung von als Ein-PersonengGmbH strukturierten Musikschulen daher gar nicht in jedem Fall so viel besser. Gerade bei Musikschulen, die zuvor jahrelang als Einzelunternehmung agierten, ist nach einer Umwandlung in eine gGmbH eine plötzliche Wahrnehmung als gemeinnützige Institution sicherlich nicht immer uneingeschränkt zu erreichen. Schwerer ins Gewicht fallen die erleichterten Kooperationsmöglichkeiten mit Kindergärten und Schulen im Vergleich zur Einzelunternehmung. Während Kooperationen von Schulen und Kindertagesstätten mit kommerziellen Unternehmen (wie in Teil 1 beschrieben) in der Regel nicht möglich sind, können sie mit gemeinnützigen Körperschaften wie z. B. der gGmbH problemlos durchgeführt werden. Dies gilt in der Regel besonders für projektbezogene Zusammenarbeiten. Auch stehen Behörden zur Unterstützung von gemeinnützigen Körperschaften Bezuschussungen aus Fördermitteln zur Verfügung. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden. Eine gGmbH muss keine Körperschaftsund keine Gewerbesteuer zahlen. Dieser Vorteil besteht allerdings nur im Vergleich zu einer nichtgemeinnützigen GmbH. Auch die Musikschule, die als Einzelunternehmung betrieben wird, ist nicht mit diesen Steuerarten belastet. Von der Umsatzsteuer ist die gGmbH in der Regel ebenfalls befreit. Aber auch hier besteht der Vorteil nur gegenüber der nichtgemeinnützigen GmbH, denn für Musiklehrkräfte und Musikschulen besteht die Möglichkeit, sich von der Umsatzsteuerpflicht befreien zu lassen. Hieran werden häufig keine hohen Anforderungen gestellt.1 Darüber hinaus darf die gGmbH für Spenden Spendenquittungen ausstellen. Ob dies
ein Vorteil gegenüber der als Einzelunternehmung betriebenen Musikschule ist, hängt stark vom Geschick des Geschäftsführers ab, Spenden akquirieren zu können: Es ist sicherlich einzelfallabhängig, ob sich die ZuhörerInnen eines Musikschulkonzerts im Anschluss überzeugen lassen, eine „Eintrittsspende“ zu geben, weil sie dafür eine Spendenquittung erhalten. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass Musikschulkonzerte in der Regel als öffentliche Veranstaltungen zu werten sind, für die GEMA-Gebühren gezahlt werden müssen.2 Auch Spenden gelten als Eintrittsgeld und erhöhen somit die zu zahlenden GEMA-Gebühren. Bei Unternehmen stehen die Chancen hingegen besser, eine Spende zu erhalten. Denn hier kann das spendende Unternehmen seine Außenwahrnehmung verbessern, wenn es als Spender einer gemeinnützigen Institution wahrgenommen wird. Eine weitere Möglichkeit, Zuwendungen zu erhalten, liegt in der Eintragung in eine Bußgeldliste. Gerichte und Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, Bußgelder entweder der Staatskasse oder gemeinnützigen Organisationen und Einrichtungen zuzuweisen. Für die Zuweisungen an Letztere werden entsprechende Listen bei den Oberlandesgerichten geführt, in die man sich auf Antrag3 eintragen lassen kann.
Was spricht gegen das Betreiben einer Musikschule als gGmbH? Für viele GründerInnen einer (g)GmbH ist die größte Hürde, das zwingend notwendige Stammkapital aufzubringen. Dieses beträgt in Deutschland mindestens 25 000 Euro, wovon für die Eintragung ins Handelsregister mindestens 12 500 Euro vorgewiesen werden müssen. In diesem Fall haften die Gesellschafter bis zur Auf-
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„Eine gGmbh ist für all diejenigen attraktiv, die sich Akquisitionsgeschick für Spenden zutrauen.“ stockung des Stammkapitals auf 25 000 Euro persönlich (im Falle mehrerer Gesellschafter gesamtschuldnerisch) für den Differenzbetrag. Die Einlagen können als Geldeinlage erfolgen, es sind aber auch Sacheinlagen möglich. In diesem Fall wird die Einlage durch werthaltige Sachen oder durch Rechte erfüllt. Das können beispielsweise Instrumente, Immobilien oder Markenrechte sein. Die Sacheinlagen müssen dann bewertet werden (siehe unten). Bar- und Sacheinlagen lassen sich auch kombinieren: Dann wird ein Teil in Geld eingebracht, ein anderer Teil in Sachen oder Rechten. Die Bewertung der Sacheinlagen ist in vielen Fällen ein sehr aufwendiger und zeitintensiver Prozess. Wird eine schon seit längerer Zeit betriebene Musikschule von einer Einzelunternehmung in eine gGmbH umgewandelt, kann die Ermittlung des anzusetzenden Buchwertes für jedes einzelne einzubringende Wirtschaftsgut ein sehr aufwendiger Prozess sein, der entsprechenden steuerrechtlichen Beratungsbedarf mit den damit verbundenen Kosten verursacht. Bei einer Neugründung ist dieser Vorgang oft einfacher. Wer auch 12 500 Euro als Stammeinlage nicht aufbringen kann, der kann eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (gUG haftungsbeschränkt) gründen. Dies ist schon mit einem Stammkapital von einem Euro möglich. Es bestehen dann allerdings Rücklagepflichten, und zwar müssen jährlich mindestens 25 % des Jahresüberschusses in eine Rücklage eingestellt werden, bis der reguläre Stammkapitalbetrag erreicht ist. Anschließend kann die Umwandlung in eine gGmbH beschlossen werden. Der Nachteil dieses Vorgehens liegt auf der Hand: 25 % des Jahresüberschusses stehen bis zur Umwandlung in eine gGmbH nicht zur Verfü-
gung und können daher weder dem satzungsmäßigen Zweck zufließen noch der Betreiberin einer gGmbH in Form eines Geschäftsführergehalts. Ein weiterer Nachteil der gGmbH besteht darin, dass eine steuerrechtliche Beratung in der Regel unumgänglich wird; denn die gGmbH muss ihren Gewinn durch Bilanzierung ermitteln. Dazu ist ein Musikschulgeschäftsführer häufig ohne Unterstützung nicht in der Lage. Deshalb entstehen für die Gewinnermittlung und die Buchhaltung nicht unerhebliche Kosten für externe Dienstleister oder angestellte Kräfte. Da häufig auch komplexere Rechtsfragen bei der Gründung und im Betrieb einer gGmbH entstehen, steigt darüber hinaus der Bedarf an Rechtsberatung mit den entsprechenden Kosten. Einer gGmbH dürfen darüber hinaus keine Gewinne entnommen werden. Nach den Vorschriften zur Gemeinnützigkeit dürfen solche noch nicht einmal erzielt werden. Vielmehr müssen die Einnahmen der gGmbH zeitnah dem satzungsmäßigen Zweck zufließen, also hierfür verbraucht werden. Das kann für den Gesellschafter einer Ein-Personen-gGmbH-Musikschule frustrierend sein. Sofern er auch gleichzeitig Geschäftsführer ist, darf er sich zwar das vertraglich vereinbarte und branchenübliche Gehalt für seine Tätigkeit als Geschäftsführer auszahlen4 (dafür muss zuvor ein entsprechender Geschäftsführervertrag mit der gGmbH abgeschlossen werden). Ausschüttungen an ihn als Gesellschafter sind jedoch nicht möglich. Falls das Geschäftsführergehalt zu hoch angesetzt wird, könnte dies sogar als verdeckte Ausschüttung gewertet werden, die, sofern dies den Tatbestand der Untreue erfüllt, als strafbar zu bewerten wäre. Aber damit nicht genug: In bestimmten Fällen ist auf das Gehalt des Geschäftsfüh-
rers auch noch die Künstlersozialabgabe in Höhe von zurzeit 4,2 % zu entrichten.5 Sofern der geschäftsführende Gesellschafter für die Musikschule auch nur teilweise künstlerisch tätig ist, prüft die Künstlersozialkasse, ob er als selbstständiger Künstler einzustufen ist. Dies ist der Fall, wenn der künstlerische Anteil der Tätigkeit überwiegt. Die Künstlersozialkasse rechnet alle Tätigkeiten hinzu, die im Rahmen der üblichen Erbringung der künstlerischen Leistungen anfallen. Dazu können beim Geschäftsführer einer Ein-Personen-Musikschul-gGmbH z. B. gehören: Schülerakquisition, Strategie- und Konzeptentwicklung, Unterricht sowie dessen Vor- und Nachbereitung.
Zusammenfassung der Vor- und Nachteile Für das Betreiben einer Musikschule als gGmbH sprechen somit insbesondere die Möglichkeiten zur Kooperation mit Schulen und Kindergärten sowie die Wahrnehmung von öffentlichen Fördermöglichkeiten. Vorteilhaft ist auch, dass die gGmbH Spenden entgegennehmen darf. Mögliche Anreize für Spender liegen in der Ausstellung von Spendenquittungen und einem Imagegewinn. Eventuell profitiert die gGmbH auch von Zuweisungen aus Bußgeldern. Darüber hinaus kann die haftungsbeschränkende Wirkung ein Vorteil sein. Eine gute Außenwirkung kann durch den gemeinnützigen Charakter der gGmbH eintreten. Die Nachteile der gGmbH liegen in der notwendigen Beschaffung des Stammkapitals. Dieser Nachteil wird bei der Gründung einer gUG haftungsbeschränkt nur teilweise kompensiert, da eine Rücklagenpflicht besteht. Nachteilig wirkt sich in diesem Zusammenhang auch der Aufwand
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zelunternehmung in eine solche Gesellschaft nachdenkt, umfassend juristisch und steuerrechtlich beraten lassen. Darüber hinaus muss ausreichend Zeit für den Prozess eingeplant werden, da umfangreiche und zeitintensive Abstimmungsprozesse mit Behörden anstehen. ((
Ob die Gründung einer gGmbH oder die Umwandlung einer Einzelunternehmung in eine gGmbh überzeugende Vorteile bringt, ist immer einzelfallabhängig. Eine noch ausgeprägtere Affinität für betriebswirtschaftliche Vorgänge als bei einer Einzelunternehmung ist für den geschäftsführenden Gesellschafter einer gGmbH auf jeden Fall unerlässlich. Eine gGmbh ist für all diejenigen MusikschulbetreiberInnen attraktiv, die Kooperationen mit Kindergärten und Schulen beabsichtigen und sich ein gewisses Akquisitionsgeschick für Spenden zutrauen. Abgewogen werden sollte aber, inwieweit die Vorteile aus diesen Kooperationen durch die oben erwähnten höheren Kosten neutralisiert werden.
Wer eine bestehende Musikschule mit vielen SchülerInnen und Lehrkräften betreibt und dadurch einem hohen finanziellen Risiko ausgesetzt ist, für den kann die gGmbH wegen ihrer Haftungsbeschränkung reizvoll sein. Gedanken machen muss sich der Gründer der gGmbH bzw. derjenige, der eine Einzelunternehmung umwandeln möchte, ob er in der Lage ist, das Stammkapital aufzubringen. Ist dies nicht möglich, scheidet die gGmbh aus und es kommt nur noch die Gründung einer gUG haftungsbeschränkt in Frage, die dann aber die oben erwähnten Nachteile mit sich bringt. Wer keine Kooperationsmöglichkeiten mit Schulen und Kindergärten anstrebt und sich auch nicht die Akquisition von Spenden zutraut, braucht den Aufwand für die Gründung einer gGmbH nicht auf sich zu nehmen und kann bei der Einzelunternehmung bleiben. Wem lediglich die Haftungsbeschränkung wichtig ist, der kann seine Einzelunternehmung in eine nichtgemeinnützige GmbH oder nichtgemeinnützige UG haftungsbeschränkt umwandeln. Es entfallen dann die zahlreichen Erschwernisse, die sich aus den Bedingungen für die Gemeinnützigkeit ergeben. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Betreiben einer Musikschule als Einzelunternehmung in vielen Fällen die einfachere und vorteilhaftere Rechtsform bleibt. In jedem Fall sollte sich der Musikschulbetreiber, der über die Gründung einer gGmbH oder die Umwandlung einer Ein-
erscheint alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren
Redaktion: Sebastian Herbst und Rüdiger Behschnitt Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler
aus, der durch die Bewertung von Sacheinlagen entsteht. Auch erhöhen sich in der Regel die Kosten für Steuerberatung und Bilanzierung. Gewinne dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet und nicht vom Gesellschafter entnommen werden. Das Gehalt des Geschäftsführers der Ein-PersonengGmbH darf nicht unangemessen sein und unterliegt in bestimmten Fällen der Künstlersozialabgabe. Hinzu kommt, und das ist wohl deutlich geworden, dass die Regelungen der gGmbH kompliziert und für Laien in vielen Fällen nicht leicht zu verstehen sind.
In welchen Fällen lohnt die gGmbH wirklich?
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vgl. § 4 Nr. 21 a) aa) UStG. vgl. Frank Bauchrowitz: Musik kopieren, aufführen, downloaden. Alles verboten?, 2017, S. 27 f. 3 vgl. für weitere Informationen z. B. www.justiz.nrw/BS/formulare/gemeinnuetzige/ind ex.php (Stand: 16.11.2018). 4 Als Maßstab kann nach Auffassung des Verfassers das Gehalt eines Musikschulleiters gemäß der Bemessung des TVöD dienen. 5 vgl. hierzu ausführlicher www.mittelstandostwestfalen.de/recht-und-steuern/steuerberatung/detail/artikel/15623-kuenstlersozialabgabe (Stand: 14.11.2018). 2
Frank Bauchrowitz berät als Rechtsanwalt in den Bereichen Urheberrecht und Musikvertragsrecht. Er ist Dozent für Musikrecht und Karriereentwicklung an verschiedenen Musikhochschulen in Nordrhein-Westfalen und an der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen. www.musikerkanzlei.de