2.2017
Wofür haften Musikschullehrkräfte? Das Klavier auf dem Pausenhof Samplitude Music Studio
Integrationskurse für Deutsche?
Musikstudium bleibt attraktiv
Ich stehe an einer „Brennpunktschule“ inmitten einer Lerngruppe aus neunzehn Zweitklässlern deutscher Herkunft und fünf Flüchtlingskindern und versuche, der Gruppe ein Lied über den Biber beizubringen. Die Kinder hatten zuvor ein Naturkundemuseum besucht und sich dabei vor allem mit dem Biber und dessen Lebensraum befasst. Die Musik soll nun ein zusätzlicher Zugang zum Thema sein. Aber: Die Kinder singen einfach nicht. Offenbar haben sie keine Singerfahrung oder keinen Spaß am Singen. Als nächstes versuche ich es mit der Umsetzung in Bewegung zur CD, denn auch die Fortbewegungsarten der Tiere waren Thema des Unterrichts und das Lied war zuvor mehrfach gehört und über dessen Text ausführlich gesprochen worden. Ich bitte die Kinder, sich im Kreis aufzustellen. Die Flüchtlingskinder stellen sich auf, die deutschen Kinder schauen in die Gegend. Bis alle in einem Kreis stehen, vergehen fünf Minuten. Nun sage ich unter Vermeidung der Worte „rechts“ und „links“ an, dass wir zur Musik „so herum zum Fluss“ gehen, und zeige dabei in die entsprechende Richtung. Die Flüchtlingskinder gehen los, die deutschen Kinder verstehen nicht, was sie tun sollen. Also fasse ich meine beiden Nachbarn an den Händen und bitte alle, sich ebenfalls anzufassen. Sehr, sehr langsam setzt sich der Kreis in Bewegung, wobei einige der deutschen Kinder zunächst in die falsche Richtung gehen. Weitere Aktionen, z. B. sich klein machen und in eine imaginäre Biberburg hinein gehen, scheitern am allgemeinen Unverständnis. Die Flüchtlingskinder haben deutlich weniger Probleme und schauen zusätzlich bei mir ab, was ich vormache. Die deutschen Kinder blicken verständnislos und verlieren die Lust. Zwei deutsche Jungen sagen, sie wollten sich jetzt lieber hinsetzen und gar nichts machen. Als ich mit den Kindern noch eine simple Begleitung mit einfachen Rhythmusinstrumenten einübe, zeigen sie dann aber doch Interesse. Allerdings wollen sie vor allem eins: Lärm erzeugen. Die fünf Flüchtlingskinder, vier davon Jungen, stürzen sich hingegen förmlich auf die Instrumente und sind auch in der Lage, sie an den dafür vorgesehenen Zählzeiten zum Klingen zu bringen. Nach dieser Stunde ist mir mehr denn je klar: Die Trennung verläuft nicht zwischen Flüchtlingskindern und deutschen Kindern, sondern zwischen „oben“ und „unten“. Und diese Kluft scheint immer breiter zu werden. Wer spricht eigentlich von Integrationskursen für deutsche Eltern? Anja Bossen
Die Nachfrage nach einem Musikstudium in Deutschland ist erneut gestiegen. Rund 33 500 Studierende waren im Wintersemester 2015/16 in einem künstlerischen, pädagogischen oder musikwissenschaftlichen Studiengang an Hochschulen in Deutschland eingeschrieben, über die Hälfte davon an einer der 24 staatlichen Musikhochschulen. Insgesamt hat sich die Anzahl damit im Vergleich zum Vorjahr um rund 1,5 Prozent weiter erhöht. Ausschlaggebend für den Anstieg ist vor allem ein Zuwachs bei den Studiengängen im Bereich Musikerziehung im freien Beruf und an Musikschulen, deren Belegungszahlen um über elf Prozent auf rund 4 300 Studierende gestiegen sind. www.miz.org/suche_1502.html#5
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2.2017
Wofür haften Musikschullehrkräfte?
„Es wird schon nichts passieren!“
Im Musikschulalltag hat die Musikschullehrkraft mit vielen Menschen (oftmals mit Kindern) und zuweilen mit empfindlichen und teuren Instrumenten zu tun. Wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Unterrichtstätigkeit Schäden am Eigentum der Musikschule oder gegenüber Dritten versursacht, stellt sich die Frage, in welchen Fällen die Lehrkraft diese Schäden finanziell auszugleichen hat.
)) Damit eine angestellte Musikschullehrkraft verpflichtet ist, einen der Musikschule entstandenen Schaden zu übernehmen, muss sie eine vorwerfbare Pflichtverletzung begangen bzw. gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen haben. Eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis besteht für die Lehrerin oder den Lehrer darin, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Musikschule zu nehmen. Deshalb ist eine Pflichtverletzung regelmäßig gegeben, wenn eine Lehrkraft einen Schaden verursacht hat. Der Schaden muss der Musikschule durch die Pflichtverletzung der Musikschullehrkraft entstanden sein. Es muss also ein Kausalitätszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden bestehen. Das Verhalten der Musikschullehrkraft muss dieser auch vorwerfbar sein. Grundsätzlich haftet eine Lehrerin oder ein Lehrer für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Aber die Arbeitsgerichte begrenzen den Umfang der Arbeitnehmerhaftung und prüfen für jeden streitigen Schadenfall individuell, inwieweit das Verhalten des Arbeitnehmers diesem vorwerfbar ist.
Vorsatz ist ein zielgerichtetes Verhalten. Der Vorsatz des Mitarbeiters muss sich dabei auch auf den Schaden selbst beziehen und nicht nur auf die Handlung, die zum Schadensereignis führt. Im Volksmund würde man sagen: „Das hast du absichtlich gemacht!“ Verursacht die Musikschullehrkraft vorsätzlich einen Schaden, wird ihr dies voll angelastet. In der Konsequenz haftet die Lehrkraft auch voll. Die meisten Schadensereignisse werden jedoch nicht zielgerichtet, sondern durch Unachtsamkeit verursacht. Dies bezeichnet der juristische Begriff Fahrlässigkeit. Das Gesetz definiert, dass fahrlässig handelt, wer „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ außer Acht lässt. Es muss also ermittelt werden, welche Sorgfalt ein normal verständiger Mensch in der gleichen Situation normalerweise angewandt hätte. Der Handelnde geht davon aus, dass kein Schaden eintreten wird („Es wird schon nichts passieren!“). Dabei erfordern die äußeren Umstände stets eine situative Anpassung des Handelnden. In gefahrgeneigten Situationen ist ein anderer Grad von Sorgfalt geboten als bei alltäglichen Vorgängen. Inwieweit ein Handeln jemandem vorwerfbar ist, hängt davon ab, wie gut dieser sein Handeln objektiv an die gegebenen Umstände angepasst hat. Juristen teilen den Grad der Fahrlässigkeit in der Regel in drei Stufen ein: leichte Fahrlässigkeit, normale bzw. mittlere Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit. Nach dem Grad der erfüllten Fahrlässigkeit lässt sich dann der Umfang der Vorwerfbarkeit des Verhaltens ableiten.
Frank Bauchrowitz
Leichte Fahrlässigkeit Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers belanglos war. Es geht hier in der Regel um eine nur kurze Unachtsamkeit, die der Musikschullehrkraft nicht vorgeworfen werden kann. Der Arbeitnehmer haftet bei leichter Fahrlässigkeit, unabhängig von der Schadenshöhe, in der Regel überhaupt nicht. Beispiel: Eine Lehrerin lässt aus Versehen etwas fallen, das dadurch kaputtgeht.
Mittlere Fahrlässigkeit Von mittlerer Fahrlässigkeit wird gesprochen, wenn die Lehrkraft die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Von diesem Fahrlässigkeitsgrad ist auszugehen, wenn keine Anhaltspunkte für nur leichte bzw. grobe Fahrlässigkeit vorliegen („Das kann jedem mal passieren!“). Für die mittlere Fahrlässigkeit ist zudem kennzeichnend, dass man sich bewusst ist, dass das Verhalten zu einem Schaden führen kann, dieser aber nicht eintreten muss. Beispiel: Der Lehrer geht nach dem Unterricht auf die Toilette. Den Unterrichtsraum lässt er in dieser Zeit unabgeschlossen. Während seiner kurzen Abwesenheit wird ein musikschuleigenes Instrument gestohlen. In diesen Fällen wird der innerbetriebliche Schadensausgleich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber anhand einer sogenannten Quotelung aufgeteilt. Wer welche Quote zu tragen hat, hängt vom Einzelfall ab. Folgende Faktoren können eine Rolle spielen:
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So schlimm muss es nicht gleich kommen. Doch auch ein versehentlich über Nacht geöffnetes Fenster kann einen Flügel schwer beschädigen …
) Wie gefahrengeneigt ist die Tätigkeit? Der Maßstab nach diesem Kriterium gibt vor, wie wahrscheinlich ein Schadensfall im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit ist. Die reine Unterrichtstätigkeit als Musikschullehrkraft ist regelmäßig mit wenig Gefahren verbunden. Dies kann anders sein, wenn z. B. Zusammenhangstätigkeiten hinzukommen. ) Wie hoch ist der Schaden im Verhältnis zum Einkommen der Musikschullehrkraft? Die Höhe der Quotelung hängt auch davon ab, in welchem Verhältnis das Einkommen des Arbeitnehmers zum tatsächlichen Schaden liegt. Einer Musikschullehrkraft, die beispielsweise 2 000 Euro brutto pro Monat verdient und durch mittlere Fahrlässigkeit einen Schaden von 100 000 Euro verursacht, wird keine Quotelung von 50 Prozent zuzumuten sein. ) Wie kalkulierbar war das Schadensrisiko? Bei diesem Kriterium ist maßgeblich, inwieweit die Musikschule das Risiko von bestimmten Schäden einkalkulieren und sich hiergegen versichern konnte. Wenn die Musikschule beispielsweise für den Unterricht hochwertige Instrumente zur Verfügung stellt, kann und sollte sie sich gegen Schadensfälle absichern. ) Wie ist das Vorverhalten der Musikschullehrkraft zu beurteilen? Wenn der Lehrer oder die Lehrerin seit vielen Jahren in der Musikschule angestellt ist und nie einen Schaden verursacht hat, dann wird die Quotelung niedriger ausfallen als bei einem Arbeitnehmer, der in zwei Jahren Zugehörigkeit zur Musikschule mehrere Schäden durch fahrlässiges Verhalten verursacht hat.
) Welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle? In die Berechnung der Quotelung werden weitere Faktoren wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die fachliche Ausbildung des Arbeitnehmers, seine persönlichen Verhältnisse, die durchschnittliche Arbeitsbelastung und auch ein Mitverschulden des Arbeitgebers berücksichtigt. Die Höhe der Quote richtet sich also nach vielen Faktoren und ist immer für den Einzelfall zu beurteilen. In der Rechtsprechung hat sich als grober Richtwert die Obergrenze der Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit auf drei Bruttomonatsgehälter eingependelt.
Grobe Fahrlässigkeit Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt („Das darf nicht passieren!“). Beispiel: Eine Klavierlehrerin lüftet trotz Minustemperaturen ihren Unterrichtsraum in der Musikschule. Sie verlässt die Musikschule nach der letzten Unterrichtsstunde, ohne das Fenster zu schließen. Die Innentemperatur des Raums sinkt über Nacht so stark, dass der im Raum befindliche Flügel beschädigt wird und ein Schaden an der Heizung entsteht. In der Haftung gibt es in der Regel keinen Unterschied im Vergleich zum vorsätzlichen Handeln: Der Arbeitnehmer haftet hier normalerweise für den vollen Schaden, den er verursacht hat. Wenn die Schadenshöhe allerdings ein Ausmaß annimmt, das für den Arbeitnehmer existenzgefährdend ist, macht die Rechtsprechung oft
Ausnahmen und bildet für die Haftung ebenfalls eine Quote. Wie hoch diese ausfällt, ist wieder einzelfallabhängig.
TVöD-Beschäftigte Bei Musikschullehrkräften im öffentlichen Dienst, die dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) unterliegen, ist die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt (§ 3 Absatz 6 TVöD). Für Schäden, die aus leichter oder normaler Fahrlässigkeit entstehen, haften sie also nicht. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, sind die Grenzen zwischen normaler und grober Fahrlässigkeit aber oft nicht leicht zu bestimmen.
Schäden gegenüber Dritten Für Schäden gegenüber Dritten (zum Beispiel Schülern, Eltern, Arbeitskollegen) haftet der Arbeitnehmer normalerweise selbst. Wenn der Schadensfall jedoch während der Arbeit auftritt, dann kann die Musikschullehrkraft eine sogenannte Freistellung beantragen. Das bedeutet, dass die Musikschule für den Ausgleich des Schadens aufkommen muss, weil der Schadenseintritt betrieblich veranlasst war. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Lehrerin oder der Lehrer während der Arbeit das Instrument einer Schülerin leicht fahrlässig beschädigen. Die Höhe der Freistellung richtet sich ebenfalls nach den oben genannten Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs; also dem Verschuldensmaßstab von Vorsatz und Fahrlässigkeit.
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2.2017
„Honorarkräfte können die arbeitsrechtlichen Privilegien nicht in Anspruch nehmen. Deshalb haften sie für alle Formen der Fahrlässigkeit.“
Wer hat die Beweislast? Grundsätzlich haftet man für alle Schäden, die man selbst zu verantworten hat (sogenanntes Vertretenmüssen). Die gesetzlichen Vorschriften sehen vor, dass grundsätzlich vermutet wird, dass die Person, die einen Schaden verursacht hat, diesen auch zu vertreten hat. Die Person müsste also erst beweisen, dass sie den Schaden nicht zu vertreten hat. Für das Arbeitsrecht sieht das Gesetz jedoch von diesem Grundsatz eine Ausnahme vor. Dem Arbeitnehmer muss die Schuld am Schadensereignis nachgewiesen werden (so genannte Beweislastumkehr).
Haftung von Honorarkräften Musikschullehrkräfte, die als Honorarkräfte für Musikschulen tätig sind, können die arbeitsrechtlichen Privilegien nicht in Anspruch nehmen. Deshalb haften sie für alle Formen der Fahrlässigkeit und können auch keine Haftungsfreistellung beantragen, wenn sie Dritten gegenüber einen Schaden verursachen. Die Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens gilt für sie ebenfalls nicht. Allerdings kann die Haftung der Honorarkraft wirksam im Vertrag mit der Musikschule beschränkt werden. Die Klausel für eine Haftungsbeschränkung könnte lauten: „Die als Honorarkraft tätige Musikschullehrkraft haftet nur für Schäden und Nachteile, die sich aus einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung der vertraglichen Pflichten ergeben. Dieser Haftungsausschluss umfasst nicht Schäden aus
der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit.“ Der letzte Satz ist deshalb wichtig, weil der Haftungsausschluss sonst als zu weitgehend gewertet werden könnte. Dies könnte die Ungültigkeit der Klausel insgesamt zur Folge haben. Die Freistellungsklausel könnte folgendermaßen formuliert werden: „Wird die Honorarkraft im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit von einem Dritten in Anspruch genommen, so hat sie gegen die Musikschule einen Freistellungsanspruch.“ Ob die Honorarkraft entsprechende Klauseln verhandeln kann, hängt von deren Geschick und von der Frage ab, ob die Betriebshaftpflichtversicherung der Musikschule auch Schäden durch freie Mitarbeiter ersetzt. Ansonsten ist Honorarkräften zu empfehlen, eine eigene Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen. Diese gilt dann beispielsweise auch für den privat in der eigenen Wohnung erteilten Musikunterricht. Da viele Musikschullehrkräfte (gleich in welcher Anstellungsform) oftmals auch konzertierend tätig sind, lohnt es sich oft, dass Risiken aus dieser Tätigkeit gleich mitversichert werden. Zusätzlich mitversichert werden können auch besondere Risiken. Darunter fallen z. B. der Verlust fremder Schlüssel oder die Verletzung der Aufsichtspflicht. )) Frank Bauchrowitz berät als Rechtsanwalt in den Bereichen Urheberrecht und Musikvertragsrecht. Er ist Dozent für Musikrecht und Karriereentwicklung an verschiedenen Musikhochschulen und für andere Anbieter aus dem Musikbereich. www.musikerkanzlei.de
Manche Grundschulen bieten ein Arsenal an Schaukeln, Rutschen und Klettergerüsten, manche einen Bolzplatz oder Sitzecken auf dem Pausenhof, in die sich die Kinder zurückziehen können. Doch wie wäre es einmal mit einem gänzlich ungewöhnlichen „Spielzeug“?
)) Eine meiner Schülerinnen bekam vor einiger Zeit ein neues Klavier geschenkt. Das war auch bitter nötig, denn das alte war nicht mehr stimmbar, einige Saiten in den oberen Registern waren gerissen und es gab Tasten, die auch mit viel Zuspruch nicht mehr gut funktionierten. Kurz: Eine Reparatur hätte sich nicht gelohnt und auch ein Verschenken an einen Anfängerschüler wäre nicht vertretbar gewesen. Was also tun mit dem alten Klavier? Mir schwebte gleich eine Art Kunstprojekt vor, also etwas wie ein Graffitiklavier oder ein Auseinanderbauen des Instruments mit meinen SchülerInnen. Vor einigen Jahren hatte meine Trompetenklasse viel Freude daran, alte ausrangierte Blechblasinstrumente in Deckenstrahler und Nachttischlampen umzubauen, die wir anschließend mit großem Erfolg versteigern konnten. Inspiriert von der Aktion „Street Pianos“* kam mir jedoch die Idee, ein Kunstprojekt in meinem kleinen Schweizer Dorf am Rande des Bodensees im öffentlichen Raum durchzuführen, damit möglichst viele Menschen etwas davon haben. Und welcher „öffentliche Raum“ bot sich da besser an als der Pausenplatz der Primarschule, der auch gleich an Sportplatz und Turnhalle grenzt? Die Schulleiterin zeigte sich sehr zugänglich für meine Idee und Details waren schnell besprochen: Der Hausmeister würde das Klavier abholen und es wind- und
© Thurgauer Zeitung_Andrea Stalder
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Ein ungewöhnliches Spielzeug erobert die Herzen der Kinder
Klavier auf dem Pausenhof
Kristin Thielemann
wettergeschützt unter eine Überdachung stellen. Ziel des Projekts war, allen Schülerinnen und Schülern einen Zugang zu dem Klavier zu ermöglichen. Wie lange das Instrument auf dem Schulhof „überleben“ würde, war für mich nebensächlich, denn auch eine „Verwandlung“ des Klaviers durch Vandalismus stellte ich mir ungemein spannend vor. Bereits in der ersten Schulwoche war dieses neue „Spielzeug“ der Hit: Vor allem diejenigen Kinder, die bereits ein wenig Klavierspielen konnten, saßen während der gesamten Pause am Instrument, wohingegen andere den Klavierspielenden über die Schulter schauten oder mit dem Rücken ans Instrument gelehnt saßen und die Schwingungen der Töne erspürten. Viele Schülerinnen und Schüler lagen auf dem Rasen, schauten in den blauen Himmel und lauschten den Klängen. Ich verbrachte einige Vormittage damit, zur Pausenzeit einen Spaziergang zum Schulgelände zu machen, um mitzuerleben, wie sich dieses „Musikprojekt durch die Hintertür“ entwickeln würde. Erstaunt war ich vor allem über die vielen „Nicht-Klavierspielkinder“, die zunächst im Schatten der Könner gestanden hatten. Nach einigen Tagen wagten auch sie sich an das Instrument, um zunächst schüchtern, dann immer mutiger völlig eigene Klänge zu erforschen, Melodien zu erfinden und teilweise sogar zeitgenössische
Spieltechniken zu entwickeln: Einige Jungen bauten den Korpus auseinander und gingen auf Klangforschungsreise. Sie strichen mit den Fingern und kleinen Holzstücken über die Saiten, probierten die Funktionen der Pedale aus und entdeckten Effekte, die durch hineinsingen oder -rufen entstehen. Auch nach Schulschluss war der alte Klimperkasten oft besetzt und so kam es häufig vor, dass nachmittags oder abends spontan kleine Konzerte stattfanden, sich plötzlich ein Chor aus Spaziergängern oder Spielplatzbesuchern formte oder es Momente gab, die an eine Art Jam-Session erinnerten. Ein weiterer schöner Effekt dieses Experiments war, dass viele Kinder einen Zugang zu Klängen, Musik und zum Musizieren fanden. Musikschulen und Privatmusiklehrer der Region verzeichneten ein gesteigertes Interesse an Klavierunterricht von Schülerinnen und Schülern unseres Dorfes. Des Weiteren berichteten viele Eltern, dass sie ihre Kinder seit Beginn des Projekts als ausgeglichener und freudiger empfanden, sie spürbar weniger Konflikte und Unfrieden innerhalb der Schülerschaft erlebten. Nachdem sich das Projekt herumgesprochen und einige lokale Zeitungen darüber berichtet hatten, musste „unser“ Klavier umziehen – in die Grundschule des Nachbarorts. Nun erfreut sich das mittlerweile
unglaublich verstimmte Instrument dort großer Beliebtheit und hat seinen Platz wegen des anhaltend schlechten Wetters auf dem Schulflur gefunden. Die Kinder unseres Dorfes haben für das nächste Frühjahr wieder den Bedarf nach einem neuen Lieblingsspielzeug angemeldet und gleich mehrere ältere Damen gefunden, die mit Freuden ihr altes Klavier hierfür spenden würden. ))
* „Street Pianos“ war ein Projekt des britischen Künstlers Luke Jerram, der 2008 mehr als 1 500 ausrangierte Klaviere mit dem Aufdruck „Play me – I’m Yours“ an öffentliche Plätze stellen ließ.
Kristin Thielemann unterrichtet Trompete an der Musikschule Kreuzlingen, ist Fortbildungsdozentin und veröffentlicht Unterrichtsliteratur für Blechbläser. www.trompetelernen.ch
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2.2017
Freude, Frust, Verantwortung
Bernd Dahlhaus
Mein „Feedback für eine gute Zukunft“ Liebe Leserinnen und Leser,
im Sommer 2016 erläuterten die Vorsitzenden der drei musikpädagogischen Dachverbände VdM (Ulrich Rademacher), bdfm (Mario Müller) und DTKV (Cornelius Hauptmann) in einem umfangreichen Interview ihre Einschätzungen und Ideen zum gegenwärtigen und zukünftigen Musik(schul)unterricht.1 Wir nahmen dieses Interview zum Anlass, auch Sie um Ihre Antworten auf zwölf Fragen zu bitten,2 und freuen uns, dass sich einige KollegInnen die Mühe gemacht haben, die Fragen zum Teil sehr ausführlich zu beantworten. Herzlichen Dank für Ihr Engagement! Im Folgenden möchte ich meine eigenen Antworten auf meine damaligen zwölf Interviewfragen formulieren und nutze die Chance, sie in unserer Berufsgemeinschaft zur Diskussion zu stellen. 1. Was würden Sie im weiteren Sinne als Erfolg in Ihrer Berufstätigkeit bzw. in Ihrem Unterrichten in jüngster Zeit bezeichnen?
Dass ich in einem hitzigen Konfliktgespräch mit mehreren Musiklehrern und der Musikschulleitung das ausgesprochen habe, was alle gedacht und gefühlt haben, sich aber niemand wirklich auszusprechen getraut hat. Die aufgeladene Atmosphäre entspannte sich und die Beteiligten konnten nun einen für alle annehmbaren Kompromiss finden. In diesem Fall einen Kompromiss, wie zukünftig die Honorarkräfte für ihre Mitwirkung bei Sonderveranstaltungen der Musikschule bezahlt werden. 2. In welchen Momenten Ihrer Berufstätigkeit empfinden Sie ganz konkret lebendige, ehrliche Freude?
Ich freue mich natürlich, wenn meine Schülerinnen und Schüler Fortschritte
machen und wenn man ihre Freude auch hören und sehen kann. Genauso freue ich mich über ein Gespräch mit einem Kollegen oder einer Kollegin oder auch mit Schülereltern, bei dem ich den Eindruck habe, dass es beiderseitig ein wirkliches Interesse am anderen gibt, dass man sich Zeit nimmt und alle Beteiligten zu einer guten Gesprächsatmosphäre beitragen. Ich freue mich, wenn ich in meiner Arbeit eine echte Verbundenheit mit den Menschen fühle. 3. Was nervt oder frustriert Sie in Ihrem Beruf am meisten (bitte nur ein Thema schildern)?
Die häufig undifferenzierten und zu sehr vereinfachenden Meinungsäußerungen vieler Kolleginnen und Kollegen, Musikschulleiter und Verantwortlichen. In der Regel empfinden diese ihre eigene Perspektive als die einzig richtige und überhaupt sinnvoll denkbare („Die ignoranten Politiker, die schlimmen Computerspiele, die unzugängliche Musikschulleiterin, G8 und JeKits sind schuld!“). Ich vermisse ein vieldimensionales Problembewusstsein in einer komplexen (Musikschul-)Welt. 4. Bei welchen Themen vertreten Sie in Ihrem beruflichen Selbstverständnis eher eine konservativ-bewahrende, in welchen eher eine progressiv-verändernde Ausrichtung?
Konservativ: Mir ist es wichtig, in meinem Sprechen und Handeln zuverlässig und verbindlich zu sein. Ich möchte, dass SchülerInnen und KollegInnen gerne mit mir zusammenarbeiten, dementsprechend reagiere ich beispielsweise möglichst zügig auf Anfragen und überlege mir, wie ich die Arbeit der anderen unterstützen kann – wenn auch manchmal nur in kleinen Aufmerksamkeiten.
Progressiv: Ich bemühe mich, den digitalen Fortschritt nicht als Bedrohung meines Berufs, sondern als Ergänzung zum persönlichen Musikunterricht zu sehen. 5. Nennen Sie einige widersprüchliche Anforderungen (Dilemmata, Zwickmühlen), die Sie in Ihrer Berufstätigkeit bzw. in Ihrem Unterrichten bewältigen (müssen).
) Das Dilemma zwischen Wollen (wirklich frei musizieren) und Können (meinen spieltechnischen und zeitlichen Übemöglichkeiten). ) Das Dilemma, im Unterricht für Schülerabsagen telefonisch erreichbar und zugleich uneingeschränkt präsent zu sein. ) Das Dilemma, in meiner Lehrerrolle zugleich wissender Experte und neugieriger Entdecker zu sein. 6. In welchen Bereichen oder bei welchen Themen könnten Sie (noch mehr) mit KollegInnen der (Musik-)Schule oder mit externen Kooperationspartnern zusammenarbeiten?
Ich könnte (noch mehr) meine Ideen und Materialien für den Gruppenunterricht mit Tasteninstrumenten mit den Kollegen teilen, hierzu ein Pilotprojekt mit interessierten Lehrern (und wissenschaftlicher Begleitung) initiieren. Ich könnte eine regionale Arbeitsgruppe zum Austausch über Unterrichtserfahrungen im Inklusionsbereich und mit Menschen mit Fluchterfahrung ins Leben rufen. Und ich könnte ein Treffen im Ruhrgebiet für MusikpädagogInnen initiieren, die sich auch persönlich über die zwölf Fragen austauschen möchten. 7. In welcher Weise betreiben Sie in Ihrer Berufstätigkeit kritische Selbstbeobachtung und Selbstreflexion und wer oder was hilft Ihnen „von außen“ dabei?
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Die Vorsitzenden der drei musikpädagogischen Dachverbände VdM (Ulrich Rademacher), bdfm (Mario Müller) und DTKV (Cornelius Hauptmann) im Interview in dieser Zeitschrift (5/2016).
) Ich bin Mitglied einer privaten Klavierlehrer-Arbeitsgruppe. Als ein Projekt dieser AG haben wir in einem zeitlich aufwendigen Diskussionsprozess einen Fragebogen für eine Feedback-Umfrage bei den eigenen SchülerInnen entworfen. ) Ich filme meinen Unterricht phasenweise mit einem Camcorder und reflektiere ihn a) alleine, b) mit Klavierkollegen, c) mit befreundeten Coachs, die außerhalb der Musikpädagogik tätig sind. ) Ich lade gelegentlich KollegInnen privat zum Essen und Fachsimpeln ein. 8. Was könnte Ihrer Meinung nach in konzeptioneller Hinsicht in Zukunft das „nächste JeKi“ werden?
Ich finde es schwierig, unseren Beruf weiter- und „nach vorne“ zu denken und die gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen daraufhin abzuklopfen, was sie für den zukünftigen Musik- und Instrumentalunterricht bedeuten könnten. Meiner Meinung nach geht es hier zunächst auch gar nicht um die konkrete Ausprägung eines speziellen Konzepts (beispielsweise hinsichtlich der Zielgruppe, Methodik oder Organisationsform), sondern eher darum, dass sich KollegInnen zusammentun, um gemeinsam etwas zu entwickeln und zu erproben. 9. Was müsste konkret geschehen, damit der Wert des aktiven Musizierens und dementsprechend der Wert des Musiklehrens in der Gesellschaft deutlich höher eingeschätzt werden?
Wenn wir Musiklehrer bessere Chancen in „der“ Öffentlichkeit oder bei „der“ Politik haben wollen, sollten wir beginnen, nach außen und untereinander viel positiver über unseren Beruf und unsere alltägliche Arbeit zu sprechen. Damit meine ich aber nicht, mehr über das „Produkt“ unserer
Arbeit zu sprechen, nämlich die erklingende Musik. Ich meine damit, (noch mehr) in verständliche Worte zu fassen, was das Besondere daran ist, Musizieren zu lernen, und vor allem das Besondere und Berührende daran, Musizieren zu lehren. 10. Wie sehen Sie die Zukunft der Instrumental- und Vokalpädagogik? Wie stellen Sie sich Musikschularbeit bzw. den freiberuflichen Musikunterricht in 15 Jahren vor?
Ich bin überzeugt, dass – um nur einen Aspekt anzusprechen – in naher Zukunft die digitale Faszination (auch bei jüngeren Menschen) abnimmt oder sich sogar ins Gegenteil wendet und viele Menschen wieder ein „analoges“, mehr sinnlich-physisches Leben führen möchten. Hierzu wird dann auch das Singen, das „skin-toskin“-Trommeln und das Musizieren auf einer Geige gehören. Musikschulen werden in Zukunft mehr „Selbstausdrucks-Beratungsstellen“ und „Resonanzlabore“ als „Schulen“ sein und in ihnen werden Musiklehrkräfte arbeiten, die zusätzlich zur musikalischen Expertise in außerordentlich hohem Maße kompetent sind in beziehungsgestaltender Kommunikation, in komplexem Denken und in der Selbstregulation des eigenen inneren Zustands. 11. Was könnten Instrumental- und VokallehrerInnen Ihrer Meinung nach (noch mehr) tun, um ihre Berufssituation ganz allgemein zu verbessern und den Beruf weiterzuentwickeln? Was könnten Sie selbst ganz konkret und unmittelbar tun?
Ich habe den Eindruck, dass viele (oder die meisten?) von uns Lehrkräften gar nicht (oder nicht mehr?) kurz und knapp und vor allem wirklich überzeugt und überzeugend sagen könnten, was sie eigentlich an der Musik und am Musizieren
faszinierend finden. Wenn wir das selbst aber nicht mehr wissen und nicht formulieren können oder wollen, wie können wir dann andere – vor allem in der Breitenarbeit – begeistern? Und ich finde außerdem, dass wir uns zu wenig um unsere berufliche und vor allem persönliche Entwicklung kümmern. Wer traut sich zum Beispiel, die eigene Prägung durch damalige Lehrer und die traditionsorientierte Hochschulausbildung zu hinterfragen? Wer traut sich, die einschränkenden unausgesprochenen Spielregeln in seiner Organisation zum Thema zu machen? Wer legt seine fachliche Begrenzung im Kollegenkreis oder sogar vor seinen Schülerinnen und Schülern offen? Als Instrumentallehrer ist es mir ein großes Anliegen, mein Unterrichten durch die Verringerung meiner „blinden Flecke“ weiter zu verbessern. Darüber hinaus möchte ich in unserer Berufsgemeinschaft für eine Art der Beschäftigung mit den angesprochenen Themen werben, die spielerischbefreiend, immer wertschätzend und deshalb nicht oberflächlich, sondern elementar stärkend ist. 12. Welche Frage hätten Sie sonst noch gerne beantwortet?
Wofür steht das Musizieren? Um was geht es eigentlich wirklich dabei? ))
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Bernd Dahlhaus: „Führen und verbinden. Zwölf Fragen an die Bundesvorsitzenden von VdM, bdfm und DTKV“, in: üben & musizieren 5/2016, S. 46-53. 2 Bernd Dahlhaus: „Feedback für eine gute Zukunft“, in: musikschule )) DIREKT 5/2016, S. 5.
Bernd Dahlhaus ist Musikpädagoge und Coach. Er leitet die Agentur für Musikpädagogik musikbäume. www.musikbaeume.de
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2.2017
Die Fachgruppe Musik der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
ver.di macht Musik
)) Eine große klassische Gewerkschaft und Musik? Geht das zusammen? Ja! Denn zunehmend prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen kennzeichnen auch und besonders die Kulturbranchen. Von Stückverträgen bis Honorarbeschäftigung, von Nichtanerkennung von Arbeitsleistungen bis zum Wegfall jeglicher sozialer Absicherung und drohender Altersarmut: Fast jede Musikerin und jeder Musiker kann das sprichwörtliche Lied davon singen. Dabei ist es im Grundsatz auch unerheblich, ob man zu dem immer größer werdenden Heer der (unfreiwillig) Selbstständigen gehört oder aber die Vorzüge einer Festanstellung genießen darf. Beide Gruppen werden mit einer sich rasant verändernden Arbeitswelt und häufig sich dabei verschlechternden Arbeitsbedingungen konfrontiert. Hier braucht es dringend eine starke gesellschaftliche Gegenkraft. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisiert in der Fachgruppe Musik alle in Musikberufen Tätige, egal ob angestellt oder frei, ob Musiker oder Wissenschaftlerin, Komponistin oder Bandmitglied. Zusammen mit allen in ver.di und ihren Partnergewerkschaften Organisierten kämpfen wir für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Dabei vertritt die Fachgruppe Musik die beruflichen und arbeitsrechtlichen Interessen aller Angehörigen von Musikberufen in den Kommunen und Ländern, bundesweit und auch international. Die sich daraus ergebenden Aufgaben der Fachgruppe sind so vielfältig und facettenreich wie die Tätigkeiten unserer Kolleginnen und Kollegen. Sei es die Tarifarbeit für Angestellte oder die Unterstützung bei
Fragen des Vertragsschutzes oder des Urheberrechts für die Freien. Sei es politische Lobbyarbeit oder auch die Arbeit in den Personalvertretungen und Betriebsräten. Dafür arbeitet die Fachgruppe Musik auch eng mit den Fachgruppen Theater und Bühnen, Darstellende Kunst, Literatur (VS) und Bildende Kunst zusammen. Unter dem Motto: „Wer für die Musik lebt, soll auch von der Musik leben können!“ ist es das Ziel, die Arbeits-, Einkommens- und sozialen Bedingungen zu verbessern.
Beispiele und Erfolge Aktuelles Beispiel dieser Arbeit ist die derzeit in Vorbereitung befindliche, nunmehr dritte bundesweite Umfrage zu „Einkommenssituation und Arbeitsbedingungen von Musikschullehrkräften und Privatmusiklehrern“. Wie schon bei den Umfragen 2008 und vor allem 2012 soll diese nicht nur die aktuelle Situation bzw. die Entwicklung mit belastbaren Zahlen und Fakten aufzeigen, sondern dient auch als Grundlage der Diskussion auf allen politischen Ebenen. Noch nicht so lange her ist ein bemerkenswerter Erfolg der Kolleginnen und Kollegen der Jugendmusikschule Hamburg. Nach über zwei Jahren mit Aktionen und sogar einem einwöchigen Arbeitskampf, der durch viele Lehrkräfte und die beteiligten Gewerkschaften ver.di und GEW getragen wurde, konnte 2014 ein Eingruppierungsvertrag und damit für viele KollegInnen eine höhere Eingruppierung (EG 10 nach TV-L) erreicht werden. Bemerkenswert war jedoch nicht nur das Ergeb-
Gabor Scheinpflug
nis, sondern noch mehr die Tatsache, dass es bundesweit erstmalig gelungen ist, für angestellte Lehrkräfte im öffentlichen Dienst einen Eingruppierungsvertrag abzuschließen. Bis dato fand die Zuordnung der Entgeltgruppe im Tarifvertrag der Länder einseitig durch eine Arbeitgeberrichtlinie statt. Eine Voraussetzung für diesen Erfolg war das enorme Engagement der Mitglieder der Fachgruppe Musik an der Jugendmusikschule Hamburg, eine weitere der hohe Anteil an organisierten Kolleginnen und Kollegen. Erst das machte die Aktionen und auch die Streiks „schlagkräftig“. Zwei Jahre danach hat dieses Beispiel auch für die Berliner Musikschullehrerinnen und -lehrer Schule gemacht. Auch hier konnte ein Tarifvertrag erkämpft werden − allerdings natürlich immer nur für die angestellten Kolleginnen und Kollegen.
Prekäre Beschäftigung Und genau das führt zu einem Problem, das für die ver.di-Fachgruppe Musik schon seit Jahrzehnten Thema ist und aktuell akuter ist denn je. Die Rede ist von der immer größer werdenden Gruppe der prekär beschäftigten Kolleginnen und Kollegen. „Prekär“ meint nicht nur die größtenteils nach Steuern, Sozialabgaben und „Betriebsausgaben“ nur unwesentlich über dem Mindestlohn liegenden Einkommen, sondern vor allem die fehlende soziale Absicherung und Perspektive. Keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein bezahlter Urlaub, kein Mutterschutz … Und das bei hochqualifizierten AkademikerInnen mit
© Christian von Polentz_ver.di
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ver.di-Bundesvorstand der Fachgruppe Musik (von links): Stefan Gretsch, Angelika Jähn, Thomas Wagner, Gabor Scheinpflug und Petra Stalz-Tombeil
der längsten Berufsausbildung überhaupt und in Verantwortung für Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung oder in mittlerweile erheblichem Umfang auch für Geflüchtete. Die Fachgruppe arbeitet seit vielen Jahren daran, diese unwürdigen Zustände in das Blickfeld unserer Gesellschaft und der politischen Entscheidungsträger zu bringen. Auch und gerade in Berlin scheint der nun seit Jahren währende Kampf der „Freien“ erste Erfolge hervorzubringen. Erstmals ist der Berliner Senat bereit, Tarifverhandlungen auf der Basis des § 12a Tarifvertragsgesetz (arbeitnehmerähnliche Personen) aufzunehmen, und eröffnet damit dem größten Teil der betroffenen Kolleginnen und Kollegen die Chance, von Regelungen zur sozialen Absicherung ganz ähnlich eines „normalen“ Tarifvertrags zu profitieren.
Scheinselbstständigkeit Darüber hinaus ging die Fachgruppe Musik schon immer davon aus, dass diese Art der Beschäftigung rechtlich bedenklich ist. Ob als Honorarlehrkräfte an den Musikschulen oder als Lehrbeauftragte an den Hochschulen und Universitäten − oft sind die Verträge von solchen Lehrkräften so formuliert, dass von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen wird. Ein genauer Blick auf die Vertragsgestaltung lohnt sich aber: Vielfach ergibt nämlich eine genaue Prüfung gerade bei auf Honorarbasis Beschäftigten an den Musikschulen, dass tatsächlich ein Angestelltenverhältnis vorliegt – mit allen sich daraus ergebenden Vorteilen. Und das sehen immer häufiger auch
Sozialgerichte und Arbeitsgerichte so. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt die Entscheidung eines Landessozialgerichts (LSG NRW vom 6.7.2016 – L 8 R 761/14) dar, wonach ein Gitarrenlehrer erheblichen vertraglichen Vorgaben unterworfen und insbesondere durch die Rahmenlehrpläne gebunden war. Daher stellte das Landessozialgericht eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Musikschule fest und damit ein Beschäftigungsverhältnis.
Unterstützung vor Ort Aber auch vor Ort und quasi „im Kleinen“ unterstützen Aktive der Fachgruppe tagtäglich Kolleginnen und Kollegen. Das beginnt bei fachlichem Austausch oder der Information über aktuelle Aktionen und rechtliche Rahmenbedingungen, führt über die Unterstützung bei betrieblichen Vorhaben wie der Gründung von Betriebs-, Personalräten oder sonstigen Vertretungen bis hin zur Unterstützung bei rechtlichen Streitigkeiten oder dem Erkämpfen eines Haustarifvertrags. Gerade die Arbeit vor Ort, die maßgeblich von ehrenamtlichen Mitgliedern getragen wird, ist für die unzähligen Kolleginnen und Kollegen in prekären Beschäftigungsverhältnissen wichtig, da besonders dort einerseits die persönliche Lage meist sehr schwierig ist und zudem das Tätigkeitsumfeld dafür sorgt, dass sie kaum die Chance zur innerbetrieblichen Organisation haben. Ein häufig vor Ort auftretendes Problem ist z. B. der sogenannte Ferienüberhang. Oft einseitig vom Arbeitgeber und zudem
pauschal für das gesamte Kollegium festgelegt, entstehen dadurch immer wieder Konfliktpunkte. Hier steht die Fachgruppe Musik den Kolleginnen und Kollegen mit Know-how und immer häufiger auch als Personalrat innerbetrieblich zur Seite. Auch ver.di-Betriebsgruppen sind für die innerbetriebliche Unterstützung eine gute Alternative. Sie begegnen nicht nur dem gerade unter MusikerInnen weit verbreiteten Einzelkämpfertum, sondern geben organisierten Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich in einer demokratischen und solidarischen Gemeinschaft für die eigenen, aber auch die Bedürfnisse anderer zu engagieren. )) Weitere Informationen über die Arbeit der ver.diFachgruppe Musik unter www.musik.verdi.de
Gabor Scheinpflug unterrichtet Gitarre an der Kreismusikschule Wittenberg und ist freischaffend als Dozent, Gitarrist und Sänger tätig. Er ist seit 2010 Sprecher des ver.di-Landesfachgruppenvorstands Musik Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen und seit 2012 Mitglied des ver.di-Bundesvorstands der Fachgruppe Musik.
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Samplitude Music Studio
Jürgen Simon
Wie Sie gut klingende Aufnahmen von Ihren SchülerInnen erstellen können Eine Aufnahme des eigenen Spiels kann für SchülerInnen ein besonderes Erlebnis und eine außergewöhnliche Erinnerung sein. Wer mehr als nur einen Konzertmitschnitt produzieren will, muss sich mit der erforderlichen Technik vertraut machen.
)) Das hat wohl jeder schon einmal gesehen oder auch selbst getan: Vor einem Konzert oder Schülervorspiel wird ein Stereomikrofon vor der Bühne aufgestellt und das gesamte Konzert aufgenommen. Solche Aufnahmen taugen zwar durchaus als Erinnerung, sie sind aber in der Regel nicht dazu geeignet, sie mit Stolz vorzuführen oder gar gelegentlich selbst mit Genuss anzuhören. Das Publikum ist erstaunlich laut zu hören, immer hustet jemand an der leisesten Stelle, die eigenen Fehler, die bei keiner Probe passiert sind, springen einem bei jedem Anhören sofort ins Ohr und auch der Klang der Aufnahme ist unbefriedigend.
Mikrofone Mit ein bisschen Aufwand, der durchaus auch einen pädagogischen Mehrwert haben kann, lassen sich Aufnahmen produzieren, auf die Schülerinnen und Schüler stolz sein können. Da ein geeigneter Computer heute überall vorhanden ist, benötigt man nur ein geeignetes Audiointerface und ein paar gute Mikrofone. Dabei ist die Anzahl der benötigten Mikrofone in erster Linie davon abhängig, was für ein Ensemble aufgenommen werden soll und wie die Akustik in den zur Verfügung stehenden Räumen ist. Die Aufnahme mit nur einem Stereomikrofon (oder zwei einzelnen Mikrofonen) ist selbst bei sehr kleinen Ensembles nur in
Räumen zweckmäßig, die eine wirklich gute Akustik haben. Im heimischen Wohnzimmer oder in den üblichen Unterrichtsräumen ist bei derartigen Aufnahmen die typische Wohnzimmerakustik nahezu unvermeidlich. Hier ist es oft zweckmäßiger, für jeden Spieler ein oder zwei Mikrofone mit geringem Abstand zu platzieren. Zwei Mikrofone für einen einzelnen Musiker empfehlen sich vor allem dann, wenn sich der Musiker gerne bewegt, was mit nur einem Mikrofon zu deutlichen Lautstärkeänderungen führt. Wenn der Bewegungsbereich mit zwei in entsprechendem Abstand positionierten Mikrofonen abgedeckt wird, kann dieser Effekt vermieden werden. Auch bei der direkten Aufnahme eines Flügels empfehlen sich zwei Mikrofone, die jeweils im Bereich der hohen und tiefen Saiten positioniert werden.
Fast wie beim Tonband Die so entstehenden Aufnahmen mit vielen Spuren können am Ende gemischt und nachträglich mit einem Raumklang versehen werden, ohne dass die Eigenakustik des Raums eine störende Rolle spielt. Die Art, wie solche Aufnahmen erstellt werden, orientiert sich auch im Digitalzeitalter noch sehr stark an der klassischen Tonbandaufzeichnung. Alle Spuren werden gleichzeitig aufgezeichnet und sollen auch immer parallel bleiben. Und nach und nach wird die Aufnahme in einzelnen Abschnitten (Takes) durchgeführt. Diese einzelnen Teile der Musik werden am Ende zusammengefügt (geschnitten), wobei aus mehreren aufgenommenen Takes des gleichen Musikabschnitts der jeweils beste ausgesucht wird. Diese Art der Aufnahme wird mit der Software Magix Samplitude Music Studio gut abgebildet, wenn auch einige der beson-
ders eleganten Funktionen (z. B. Vier-PunktSchnitt, erweiterter Crossfade-Editor) des großen Bruders Sequoia fehlen. In den meisten Fällen können die gewünschten Ergebnisse jedoch mit kleinen Umwegen auch mit der hier vorgestellten Software erzielt werden.
Neues Projekt anlegen Der erste Umweg wird bereits beim Anlegen eines neuen Projekts erforderlich. Direkt beim Starten des Programms (oder im Menü „Datei > Neues virtuelles Projekt [VIP]“) öffnet sich der Assistent zum Anlegen neuer Projekte. Hier kann im Register „Leeres Projekt“ zwar ein Projekt mit beliebig vielen Audiospuren angelegt werden, diese sind jedoch grundsätzlich als Stereospuren vorgegeben. Der einfachste Weg, um zu einem Projekt mit Monospuren zu gelangen, ist, zunächst ein Projekt mit nur einer Spur anzulegen. Nun kann mit einem Rechtsklick auf den Aufnahmebutton im Spurkopf das Menü mit den Spureinstellungen aufgerufen und die Spur auf „Mono In“ geschaltet werden. Anschließend können die restlichen benötigten Spuren angelegt werden, die dann bereits von vorneherein auf „Mono In“ eingestellt sind. Zuletzt muss für jede Spur ein eigener Eingangskanal gewählt werden, sodass jedes Mikrofon einer eigenen Spur zugeordnet ist.
Aussteuern Die nächste Aufgabe ist die Aussteuerung. Wer noch die Aussteuerung von Bandoder Kassettengeräten kennt, muss sich hier neu orientieren. Während bei der analogen Technik eine möglichst hohe Aussteuerung wünschenswert war, um das Rauschen zu vermindern, muss bei Digi-
© Pavel Losevsky_fotolia
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talaufnahmen vor allem darauf geachtet werden, dass keine Übersteuerungen auftreten, denn Signale über 0 dB werden bei Digitaltechnik hart begrenzt, was zu starken Verzerrungen führt. Andererseits sind moderne 24-Bit-Wandler so rauscharm, dass eine zu schwach ausgesteuerte Aufnahme ohne störendes Rauschen beim Mischen „hochgezogen“ werden kann. Es hat sich daher eingebürgert, als Maximalpegel ca. -10dB bis -12dB einzustellen.
der Aufnahme. Es entstehen dann zwar kleine Lücken zwischen den einzelnen Takes, das spielt in diesem Zusammenhang jedoch keine Rolle. Bereits während der Aufnahme sollten Aufzeichnungen darüber geführt werden, welcher Take an welcher Stelle gut oder schlecht ist. Das erleichtert das spätere Schneiden erheblich, weil nicht das gesamte Aufnahmematerial erneut durchgehört werden muss.
Schneiden Aufnehmen Nun kann die Aufnahme beginnen. Samplitude Music Studio erzeugt automatisch gruppierte Objekte für jeden einzelnen Take und nummeriert die Takes durch. Dies erleichtert die spätere Orientierung erheblich. Leider hat Magix auch hier eine sehr angenehme Option eingespart. Wenn die Aufnahme mit dem Aufnahmeknopf gestartet und gestoppt wird, dann springt der Positionsanzeiger nach der Aufnahme an den Beginn der gerade gemachten Aufnahme. Das führt dazu, dass die nächste Aufnahme die vorige überschreibt. In der Regel ist es aber wünschenswert, wie bei einem Tonbandgerät die nächste Aufnahme an das Ende der vorherigen Aufnahme anzuhängen. Hierzu gibt es verschiedene Tricks, wie dieses Verhalten erreicht werden kann. Am elegantesten ist es, wenn ein DAW-Controller wie z. B. eine MackieControl zur Verfügung steht. Damit kann eine laufende Aufnahme durch erneutes Drücken der Aufnahmetaste gestoppt und der Aufnahmezeiger an das Ende der Aufnahme gesetzt werden. Wer keinen Controller zur Verfügung hat, kann ein ähnliches Verhalten mit der Computertastatur erreichen. Wird die Aufnahme mit der Kommataste gestoppt, springt der Aufnahmezeiger kurz hinter das Ende
Für das Schneiden des Projekts sollte zunächst ein zweites Projekt angelegt werden, das als Zielprojekt für das Endergebnis dient. Der einfachste Weg dazu ist, das Projekt mit „Datei > Speichern unter“ unter einem neuen Namen zu speichern und dann alle Takes aus diesem Zielprojekt zu löschen. Da in Samplitude Music Studio die Objekte (Takes) eines Projekts nicht direkt die Audiodaten enthalten, sondern nur auf die gesondert gespeicherten Audiodaten verweisen, wird für Kopien eines Projekts, die mit „Speichern unter“ erzeugt werden, nahezu kein Speicherplatz benötigt. Daher ist es durchaus zweckmäßig, Zwischenstände durch zusätzliche Kopien des Projekts zu sichern. Nun können beide Projekte gleichzeitig geöffnet werden. Der besseren Übersicht wegen empfiehlt es sich, die Projekte untereinander anzuordnen. Dazu fassen wir eines der Projekte an seinem Tab und ziehen es auf das Richtungskreuz, das nach dem Lösen des Tabs in der Mitte des Fensters erscheint. Nun können die gewünschten Takes einfach durch Kopieren aus dem Originalprojekt in das Zielprojekt eingefügt werden. Es ist dabei möglich, den gleichen Take mehrfach einzufügen. Damit beim Verschieben eines Objekts nachfolgende Objekte mitverschoben werden,
wählen wir als Objektmodus „Objekte auf allen Spuren verbinden“ entweder in der Werkzeugleiste oder über das Menü („Bearbeiten > Objektmodus“) aus. Der eigentliche Schnittvorgang geschieht nun in mehreren Schritten. Zunächst werden die beiden an einem Schnitt beteiligten Objekte grob zugeschnitten, sodass das Ende des ersten Objekts kurz hinter den Schnitt eingestellt wird und der Anfang des zweiten Objekts ungefähr auf den Punkt, an dem geschnitten werden soll. Dies kann entweder mit den Anfassern im unteren Objektbereich geschehen oder durch Trennen der Objekte an den gewünschten Stellen und Löschen der nicht mehr benötigten Teilobjekte. Nun schieben wir die beiden Objekte übereinander. Samplitude Music Studio fügt dann automatisch ein Crossfade am Beginn des zweiten Objekts ein. Der voreingestellte Wert von 35 Millisekunden ist ein guter Ausgangswert. Ein harter Schnitt ohne Crossfade ist (außer in einem Bereich absoluter Stille) nicht sinnvoll, da dieser immer zu hören sein wird. Auch zu Zeiten analoger Tonbandgeräte wurde eine Art Crossfade für den Schnitt verwendet. Das Band wurde nicht gerade, sondern in einem 45°-Winkel geschnitten, wodurch automatisch ein Crossfade entstand, dessen Länge je nach Bandgeschwindigkeit zwischen 10 und 20 Millisekunden lag. Um die optimale Position für den Schnitt zu finden, ist etwas Probieren notwendig. Dabei ist es zweckmäßig, eine deutlich höhere Zoomstufe zu wählen. Um schnell und effektiv zu arbeiten, bietet es sich an, zunächst drei Zoomstufen für das Zielprojekt anzulegen. Diese können über die Tasten 4, 5 und 6 auf dem Ziffernblock schnell abgerufen werden. Eine Stufe sollte einen Projektüberblick ermöglichen.
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Wenn eine große Zoomeinstellung (Bereich < 1 Sekunde) gewählt wird, kann man den Schnitt (gelb markiert) sehr feinfühlig bearbeiten.
Eine zweite Stufe sollte einen Ausschnitt von ca. fünf bis zehn Sekunden definieren, die ein grobes Positionieren des Schnitts ermöglicht. Die dritte Stufe sollte sehr kurz, unterhalb von einer Sekunde, definiert werden. Dies sorgt dafür, dass das Projekt beim Abspielen nicht scrollt, sodass der Schnitt immer sichtbar bleibt. Nun kann der Schnitt durch Verschieben des zweiten Objekts, durch Verändern des Beginns des zweiten Objekts und durch Ändern der Crossfade-Dauer optimal angepasst werden. Am einfachsten geht das, wenn man vorher einen Bereich von ca. zwei bis drei Sekunden Dauer genau über den Schnitt legt. Dann wird beim Drücken der Leertaste genau dieser Bereich um den Schnitt abgespielt.
Mischen Erst wenn das gesamte Projekt fertig geschnitten ist, sollte man ans Mischen gehen. Hier ist es zweckmäßig, in mehreren Schritten vorzugehen. Zunächst sollte man nur mit Hilfe des Mixers einen statischen Mix erzeugen. Dazu werden die einzelnen Spuren im Panorama platziert und auch eine Grundlautstärke für jeden Kanal festgelegt. Gerade bei Aufnahmen von klassischer Musik sollte die Dynamik der Instrumente schon bei der Aufnahme so ausgewogen sein, dass eine nachträgliche Ver-
erscheint alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren
Die mit der Lautstärkeautomation aufgezeichneten Bewegungen des Spurfaders werden als gelbe Kurve angezeigt. Die Kurve kann direkt mit der Maus bearbeitet werden.
änderung an einzelnen Spuren nur ausnahmsweise erforderlich ist. Wenn solche individuellen Änderungen an der Lautstärke doch erforderlich sein sollten, dann bietet die Software dafür mehrere Möglichkeiten an. Zunächst muss die Lautstärkeautomation für die jeweiligen Spuren aktiviert werden. Die eleganteste Möglichkeit, die Lautstärke einzelner Spuren an bestimmten Stellen zu ändern, ist, die Änderungen während der Wiedergabe direkt aufzuzeichnen. Diese Aufgabe wird mit Hilfe der Touch-Einstellung der jeweiligen Spuren aktiviert. Wenn ein DAW-Controller zur Verfügung steht, kann dies direkt über den Fader geschehen. Aber auch mit der Maus durchgeführte Änderungen im Mixer werden so aufgezeichnet. Auf die gleiche Weise können auch Automationen für andere Parameter wie Pan, Aux und den Equilizer erzeugt werden. Jedoch sollte von diesen Möglichkeiten bei klassischer Musik nur sparsam Gebrauch gemacht werden, da sich ansonsten schnell ein unnatürliches und unruhiges Klangbild ergibt.
zenter Hall mit einer relativ kurzen Nachhallzeit gut geeignet, damit sich das Ergebnis wie ein Ensemble und nicht wie eine Sammlung einzelner Instrumente anhört. Zu viel Hall wirkt jedoch schnell künstlich. Das von Samplitude Music Studio mitgelieferte Hall-Plugin ist einfach, ohne viele Einstellungen, klingt aber durchaus ansprechend. Oft führt es zu einem besseren Ergebnis, den Nachhall statt als Inserteffekt mit einem Aux-Kanal zu realisieren. So kann eine sehr feinfühlige Beimischung des Halls erfolgen. Außerdem kann das Frequenzspektrum des Nachhalls dann mit Hilfe eines nachgeschalteten Equalizers angepasst werden. Dies führt meist zu natürlicheren Ergebnissen als der Klangregler des Halleffekts. Um den Hörgewohnheiten moderner Aufnahmen zu entsprechen, kann als eine der letzten Stufen (als Inserteffekt im Masterkanal) noch ein dezenter Kompressor eingesetzt werden. Dadurch klingt die Aufnahme druckvoller. Doch auch hier gilt wie bei allen Effekten: nicht übertreiben. ))
Effekte hinzufügen Auch der Einsatz von Effekten wie Nachhall und Kompressoren muss mit Augenmaß erfolgen. Gerade bei Aufnahmen mit vielen individuellen Mikrofonen ist ein de-
Jürgen Simon ist Cellist im Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder). Er entwickelte ein Orchesterverwaltungsprogramm für sein Orchester.
Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger Behschnitt Ständige Mitarbeiter: Jürgen Simon und Bernd Dahlhaus Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler