4.2019 Inhalt Das Internet über gute InstrumentallehrerInnen Für Eltern ist es oft schwer, eine Entscheidung bei der Auswahl von InstrumentallehrerInnen zu treffen. Es ist naheliegend, Empfehlungen des Bekanntenkreises zu folgen oder sich im Internet zu informieren. Daher habe auch ich einmal das Internet gefragt: Wie finde ich eine gute Instrumentallehrkraft? Man ist sich einig: Die Instrumentallehrkraft schlechthin gibt es nicht. Allem voran sollte sie jedoch sympathisch sein. Die Chemie muss stimmen, man sollte sich im Unterricht wohlfühlen, über außerunterrichtliche Dinge quatschen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Daneben sollten InstrumentallehrerInnen empathisch, sensibel und gerne auch esoterisch sein, ein Gewinner-Team mit ihren SchülerInnen bilden und immer für sie dasein, ihr Instrument beherrschen, leidenschaftlich spielen und unterrichten, Tricks und effektive Übemethoden vermitteln, technische Probleme erkennen und verbessern, Kommunikationstalent und pädagogisches Feingefühl besitzen, auf Fehler hinweisen, gut erklären können, flexibel sein sowie individuelle Konzepte für ihre SchülerInnen begründet entwickeln können, Fortschritte der SchülerInnen gewährleisten, motivieren und für Spaß sorgen, nach Niederlagen aufbauen, präzise und perfektionistisch sein. Sie sollten selbst konzertierende Musiker mit Banderfahrung sein, gerechte Preise mit kostenlosen Probestunden ohne Knebelverträge anbieten, mit SchülerInnen am musikalischen Ausdruck arbeiten, Mitbestimmung durch die SchülerInnen zulassen und auf deren Wünsche eingehen, bei Wahl und Kauf des Erstinstruments helfen, auf den Wunschstil der SchülerInnen spezialisiert sein, LernpartnerIn sein und sich selbst verzichtbar machen, Gruppen unterrichten können und eventuell Onlineunterricht anbieten, ein Unterrichtswerk empfehlen, humorvoll und geduldig sein, anatomische sowie musiktheoretische und musikgeschichtliche Kenntnisse haben, mindestens 16 Jahre alt sein, Kenntnisse in unterschiedlichen Stilistiken haben und sich selbst regelmäßig weiterbilden. In zwei Dingen ist man sich jedoch uneinig. Man liest: „Diplome sind ein Garant für Kompetenz“, aber auch die Behauptung, man könne sich „als Geigenlehrer ohne Abschluss sehr viel einfacher in die Probleme und Schwierigkeiten der Schüler hineinversetzen“. Neben Fragen zur Qualifikation ergab sich in einem Klavierforum außerdem eine Diskussion zum Thema Lachen im Unterricht. Person 1: „Wichtig ist, dass beide lachen, sich gegenseitig interessiert zuhören und inhaltlich aufeinander zugehen.“ Person 2: „Im Klavierunterricht muss gelacht werden?“ Person 3: „Bei guten Lehrern hatte ich nie was zu lachen.“ Sebastian Herbst
2 APPstrumental „APPstrumente-Unterricht“ an der „MYOUSIC School“ Hamburg
4 Musikschulen und Digitalisierung Wie digitale Transformation den Unterricht verändern wird
7 Ja, bitte! Smartphones im Unterricht
8 Gitarrenklassen mit „SmartMusic“ Digitale Lernplattform im instrumentalen Klassenunterricht
10 Spielen ohne Noten Onlineumfrage zum Thema „Freies Spiel im Klavierunterricht“
Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? info@musikschule-direkt.de
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APPstrumental
Sebastian Herbst
Sebastian von Düring-Weckler im Gespräch über den „APPstrumente-Unterricht“ an der „MYOUSIC School“ Hamburg
Lieber Herr von Düring-Weckler, auf der Webseite Ihrer „MYOUSIC School“ kann man ein interessantes neues Angebot entdecken: den sogenannten „APPstrumente-Unterricht“. Was können wir uns darunter vorstellen und was ist die Idee vom „APPstrumente-Unterricht“?
© MYOUSIC School
Wir alle besitzen Smartphones und verbringen immer mehr Zeit mit ihnen, oft auch einfach zum Zeitvertreib. Allerdings gibt es mittlerweile großartige Möglichkeiten, sich konstruktiv und kreativ mit Apps auf dem Smartphone zu beschäftigen und eine Menge Spaß zu haben. Gleichzeitig möchten sich immer mehr Menschen kreativ mit Musik beschäftigen und ausdrücken, ohne die Zeit zu investieren, ein Instrument zu lernen oder sich das Produzieren von eigener Musik auf dem Computer anzueignen. Genau hier setzt unser „APPstrumente-Unterricht“ an. Zum „APPstrumente-Unterricht“ bringen unsere Schülerinnen und Schüler ihr Smartphone mit, auf dem sie zu Beginn der Stunde (oder vorher) die entsprechende App installieren. Mindestens drei Teilnehmer braucht ein APPstrumente-Kurs. Nachdem sie sich über ein lokales Netzwerk miteinander verbunden haben, über-
Sebastian von Düring-Weckler
nimmt jeder einen Musik-/Beat-Bereich. Unter der Anleitung eines erfahrenen Musiklehrers der MYOUSIC School wird nun gemeinsam live ein Track arrangiert, ausgearbeitet und verfeinert, zum Beispiel mit Filtereffekten oder Ähnlichem. Der Spaß besteht darin, alles im „Live“Betrieb zu tun und nicht vorher üben zu müssen oder sich durch nötige Theorie zu arbeiten. Alles, was unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer wissen müssen, lernen sie nebenbei, während der Track läuft – es wird immer weiter ausgearbeitet.
nen, wie man die Apps bedient, sondern der Spaßfaktor, zusammen mit anderen etwas zu erschaffen. Die Apps sind aber im Grunde alle so ausgelegt, dass man natürlich auch alleine mit viel Spaß kreativ sein kann.
Welche Zielgruppe möchten Sie mit dem „APPstrumente-Unterricht“ ansprechen? Gibt es eine Altersbegrenzung? Und inwiefern können Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „APPstrumente-Unterrichts“ zuhause auch ohne die Gruppe weiterarbeiten?
Der „APPstrumente-Unterricht“ ist eigentlich nicht als Einstieg in ein „richtiges“ Instrument gedacht. Allerdings ist er eine tolle Möglichkeit, die eigene musikalische Kreativität zu entdecken. Für Menschen, die Interesse daran haben, sich intensiver mit dem Musikmachen auseinanderzusetzen oder durch den „APPstrumente-Unterricht“ neugierig geworden sind, bietet dieser Unterricht ganz bestimmt einen schönen Einstieg. Der „APPstrumente-Unterricht“ ist so angelegt, dass Schüler schon nach einer Unterrichtseinheit in der Lage sind, das im Unterricht Erlernte auch alleine oder mit Freunden umzusetzen. Man könnte also eher von einem „APPstrumente-Workshop“ als von kontinuierlichem Unterricht sprechen. Wir bieten den „APPstrumenteUnterricht“ als einmalig buchbaren Termin an. Bei denjenigen Schülern, die öfters kommen, steht in der Regel der Spaß im Vordergrund. Ein wichtiger Faktor bei unserem „APPstrumente-Unterricht“ ist ja das gemeinsame Musikmachen und Krea-
Unser „APPstrumente-Unterricht“ richtet sich vor allem an Musikbegeisterte, die elektronische Musik mögen und (noch) kein Instrument spielen. Für alle, die bereits ein Instrument spielen und Spaß am kreativen erschaffen elektronischer Musik in einer Gemeinschaft haben, ist dieser Unterricht ganz sicher auch ein Highlight. Wichtig ist, dass keine Vorkenntnisse nötig sind. Grundsätzlich gibt es bei unserem „APPstrumente-Unterricht“ keine Altersbeschränkungen. Erfahrungsgemäß spricht dieser Unterricht allerdings eine Klientel zwischen 15 und 35 Jahren an. Der Unterricht ist als Gruppenunterricht angelegt, da wir den Aspekt des Gemeinsam-kreativ-Seins in den Vordergrund stellen wollen. Im Fokus steht nicht das Ler-
Gerne möchte ich Ihr eingeklammertes „noch“ aufgreifen: Ist der „APPstrumenteUnterricht“ als Einstieg in die Musikschule und als Auftakt für das Erlernen eines anderen Instruments konzipiert? Über welchen Zeitraum sollte der Unterricht idealerweise besucht werden?
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„,APPstrumenteUnterricht‘ ist eine tolle Möglichkeit, die eigene musikalische Kreativität zu entdecken.“
tivsein. Aus unserer Erfahrung ist es genau das, was unsere Schülerinnen und Schüler am Spielen eines Instruments so motiviert: Das Zusammenspielen mit anderen! Diesen Spaß wollen wir mit dem „APPstrumente-Unterricht“ vermitteln. Welche Kompetenzen erwerben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „APPstrumente Unterrichts“?
Sie bekommen einen Überblick über die Funktionsweisen der Apps und lernen, diese zu bedienen. Viele Teilnehmer, die vorher noch nie ein Instrument gespielt haben, wissen viele Dinge nicht, die für uns oft schon fast selbstverständlich sind, z. B. wie man zu Musik zählt, was ein 4/4Takt ist und wie gängige Songabläufe aufgebaut sind. Alleine diese Grundlagen sind für viele schon große Aha-Erlebnisse. Sie schaffen einen musikalischen Überblick und ein erweitertes Verständnis für Songs und deren Aufbau. Was brauchen Lehrkräfte Ihrer Meinung nach, um gute APPstrumental-Lehrende zu sein?
Zunächst sollte der Lehrer Erfahrungen im Gruppenunterricht haben. Er sollte sich mit Musiksoftware auskennen und eine Affinität zu neuen Technologien, MusikSoftware und Smartphones haben. Erfahrungen im Bandtraining sind ebenso sinnvoll wie die Fähigkeit, über sein Instrument hinaus auch die Basics anderer Instrumente zu vermitteln, um beispielsweise Beats selbst kreieren zu können. Der Lehrer sollte erfahren im Komponieren und Arrangieren sein und sich möglichst auch
mit Sounddesign auskennen. Nach meiner Erfahrung eignen sich Keyboarder und Produzenten elektronischer Musik besonders gut, um diese Anforderungen zu erfüllen. Steht beim „APPstrumente-Unterricht“ ein bestimmtes Genre im Vordergrund?
Nicht als Konzept, allerdings ergeben sich bei bestimmten Stilistiken wie House oder Chillout meist die größten Überschneidungen, was den Geschmack der Teilnehmer angeht. Grundsätzlich richten wir uns nach den Geschmäckern unserer Schüler. Welche Apps halten Sie für besonders gut geeignet für den „APPstrumenteUnterricht“?
Die Wahl der Apps hängt stark von der Gruppe ab. Grundsätzlich eignen sich alle Apps für unseren Unterricht, die „Ableton link“-fähig sind. Mit diesem Datenstandard ist es möglich, beliebig viele unterschiedliche Apps per WLAN miteinander zu verbinden, damit sie synchron laufen. Die Apps funktionieren mit jedem neueren Smartphone (und iPad) und können ganz einfach aus dem App-Store von Apple oder Google geladen werden. Gibt es Schülerinnen und Schüler an Ihrer Musikschule, die den „APPstrumenteUnterricht“ besuchen und ein weiteres Instrument an Ihrer Musikschule erlernen? Ergeben sich daraus Synergien?
Einige unserer Schüler, die bei uns ein Instrument lernen, haben auch den „APPstrumente-Unterricht“ besucht. Das Musikmachen mal aus einer anderen Perspektive
zu erleben anstatt aus der Sicht des eigenen Instruments hat bei unseren Schülerinnen und Schülern die musikalische Wahrnehmung erweitert. Außerdem ist es für viele Schüler das erste Mal, dass sie sich mit Musiksoftware beschäftigen. Viele dieser Apps lassen sich ja auch wunderbar als Übehilfe nutzen, um mit dem eigenen Instrument dazu zu spielen, eigene Parts oder Riffs aufzunehmen. Auf der Internetpräsenz Ihrer Musikschule schreiben Sie: „Natürlich wirst du beim APPstrumente-Unterrichte nicht lernen, wie du ein echtes Instrument spielst“. Inwiefern ist das Smartphone in Ihren Augen ein Instrument?
Hui, jetzt wird’s philosophisch. Das Smartphone ist sicher kein „echtes“ Instrument wie eine Gitarre oder ein Klavier, denn normalerweise braucht man zum Spielen eines Instruments ja spezifische motorische Fähigkeiten, die am Smartphone meist eher keine große Rolle spielen. Wenn man den Begriff aber etwas erweitert und so definiert, dass alles, womit ich mich auf kreative Weise musikalisch ausdrücken kann, als Instrument bezeichnet werden kann, dann ist das Smartphone aus meiner Sicht schon eine Art Instrument. Wenn ich mir anschaue, was virtuose DJs aus ihren Plattenspielern herauszaubern, würde ich auch einen Plattenspieler als Instrument bezeichnen, obwohl er für die meisten Menschen nur ein Abspielgerät ist. Und bevor die Cajón ihren Siegeszug angetreten hat, hätten viele eine Holzkiste sicherlich auch nicht als Instrument bezeichnet. ((
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Wie digitale Transformation den Unterricht verändern wird
Musikschulen und Digitalisierung
„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden.“ Das sagte Carly Fiorina, Chefin des HardwareHerstellers Hewlett Packard vor zehn Jahren. War der Satz damals in die Zukunft gerichtet, so benennt er heute die Realität: In alle Bereichen des Lebens ziehen digitale Verfahren ein. Und die Entwicklung seit 2009 hat die Erwartungen deutlich übertroffen: Es geht rasend schnell in Richtung umfassender digitaler Transformation.
)) Musikschulen haben erkannt, dass die Digitalisierung auch an ihren Instituten nicht vorbeigeht. Zu groß ist das Risiko, in einigen Jahren als hoffnungslos veraltet zu gelten. Vor allem die Erwartungen der Nutzer, der Lernenden und ihrer Familien, werden die Musikschulen zwingen, digitalisierte Vorgänge einzurichten: Anmeldungen online, digitale Rechnungen, mobile Bezahlwege. Und der Unterricht? MusikpädagogInnen verweisen gerne auf die Verwaltung, die sich mit Digitalisierung beschäftigen sollte. Bestenfalls werden Websites und Präsenzen in den Sozialen Medien als akzeptable digitale Areale angesehen. Vielleicht lässt man gerade noch die Unterstützung beim Lernen der Musiktheorie gelten. Aber, so denken und hoffen viele Lehrende, in der Herzkammer der Musikschule, dem Unterrichten nach altehrwürdigem Meister-Schüler-Prinzip, verbiete sich jegliche Digitalisierung. Hier könne dem Lernenden ausschließlich die stetige persönliche Anwesenheit eines Lehrenden einen Fortschritt bringen. Doch nicht nur auf der Ebene der Verwaltung
und Organisation einer Musikschule wird digitalisiert werden müssen. Auch der Unterricht selbst wird enorme Unterstützung erfahren, wenn man digitale Verfahren angemessen einsetzt. Doch müssen Fragen zur Digitalisierung differenziert betrachtet werden: Einerseits gibt es aktuell einen Hype um das Thema. Der technologische Quantensprung, in dem wir uns mittendrin befinden, ist tatsächlich vergleichbar mit dem Wechsel vom Pferd zur Dampfmaschine oder von der Brieftaube zum Telefon. Andererseits muss vor unkritischer Idealisierung gewarnt werden. Im Moment geht mit der Verherrlichung des Digitalen eine Reduzierung der Diskussion auf einfache Ausstattungsfragen einher. So als ob es ausreichen würde, WLAN einzurichten und jedem Kind ein Tablet in die Hand zu drücken, um digitale Segnungen zu ernten. Erst wenn die Lehrenden die optimalen Unterstützungsmöglichkeiten aus digitalen Geräten und Prozessen gezogen haben, das heißt nach intensiver Konzeptentwicklung und Weiterbildung, kann auf Gewinn gesetzt werden. Es bleibt also die Frage, wie digitale Verfahren dem Unterricht der Musikschulen helfen können.
Digitale Transformation als Ergänzung Verspürt ein Musikfreund den Wunsch, erste Erfahrungen mit einem Musikinstrument zu gewinnen, geht er heute in der Regel nicht in die Musikschule, sondern „ins Internet“. Dort findet er eine Fülle von Erklärvideos, sogenannte Tutorials.
Manfred Grunenberg
Für jedes Musikinstrument und jeden Musikstil gibt es gut gemachte Lehr- und Lernvideos, die dem Interessierten das Instrumentalspiel vermitteln – jedenfalls die Anfänge. Das sollte die Musikschulen beunruhigen, da die InstrumentalanfängerInnen eine ihrer wichtigsten Zielgruppen sind, die nun auch von den Tutorials umworben werden. Mit einem Tutorial kann ich extrem flexibel lernen: Das Wann und Wo lege ich fest, ich kann es beliebig oft ansehen und bestimme selbst das Lerntempo. Viele Erwartungen, die heute in der Gesellschaft ganz selbstverständlich vorliegen, kann das Tutorial erfüllen. Die Angebotsformen der Musikschule kommen demgegenüber schnell ins Hintertreffen. Also braucht man gar keine Lehrenden und keine Musikschule mehr, um ein wenig in die Bedienung eines Musikinstruments einzusteigen? Noch bleibt Zeit, die Musikschulen so vorzubereiten, dass sie in einer digitalen Welt überleben können. Die Musikschule könnte sich zum Beispiel mit eigenen InternetTutorials vorstellen und mit einem Coaching-Angebot ihrer Lehrenden verbinden. Vor allem kann sie mit ihrer Fähigkeit glänzen, auf weiterführende Interessen individuell zu reagieren, viele Musiziergelegenheiten und soziale Zusammenhänge zu bieten. Es geht also in erster Linie um digitale Ergänzungen der herkömmlichen Angebotsformen. Die folgenden fünf Beispiele wollen zum Nachdenken und Experimentieren anregen. Die wichtigste technische Voraussetzung liegt heute bei Lehrenden und Lernenden vor: das Smartphone in der Tasche.
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„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden.“ Wer sich heute für das Erlernen eines Musikinstruments interessiert, geht nicht mehr zwingend in eine Musikschule, sondern zunächst einmal „ins Internet“.
Präsenz, Tele- und Hybridunterricht Müssen sich Lehrkräfte und SchülerInnen wirklich körperlich gegenübersitzen oder -stehen? Könnte der Kontakt auch über Bildschirm, Skype oder ZOOM erfolgen? Mit Ja oder Nein zu antworten, ist zu einfach, denn es gibt viele graduelle Abstufungen: Statt „ganz oder gar nicht“ können sich Lehrende und Lernende gelegentlich über den Bildschirm – zum Beispiel jedes zweite Mal – treffen; oder der Telekontakt kann relativ regelmäßig sein, aber ergänzt durch eine intensive Projektphase. Man kann sich viele Formen vorstellen. Es wäre zweifellos dumm, den persönlichen Unterricht zugunsten des Videounterrichts aus der Ferne abschaffen zu wollen. Aber an manchen Orten, in manchen Situationen kann es helfen, Fahrten, Reisezeiten und Platzprobleme zu reduzieren. Diese Idee ist für (Kreis-)Musikschulen, die große Gebiete bedienen müssen und zu denen Anreisen für die SchülerInnen sehr zeitaufwendig sind, unmittelbar plausibel. ) In Schleswig-Holstein läuft ein faszinierendes Projekt: Für das Landwirtschaftsministerium wird geprüft, ob die Benachteiligung ländlicher Räume im Bereich der kulturellen Bildung durch digitale mobile Dienste und Strukturen verringert werden kann. Die Ergebnisse werden im Herbst 2019 vorliegen (https://musikschulen-sh.de/ momush). ) Die Musikschulen im Ruhrgebiet haben sich vernetzt, um digitale Unterrichtsformen für ihre großstädtische Umgebung
mit hohem Anteil an gemischtkultureller Bevölkerung zu entwickeln (www.ruhrmusikschulen.de). ) Ein sehr erfolgreicher Instrumentalpädagoge mit internationaler Reichweite und verteiltem Schülerkreis konnte aufgrund einer Krankheit nicht reisen. Er setzte seine Lehrtätigkeit digital fort und unterrichtet seither ausschließlich über den Bildschirm. Inzwischen verteidigt er diese Form, unterstreicht deren Vorteile und sieht sich keinesfalls durch räumliche Distanz und technisch vermittelte Lehre behindert.
Hausaufgabenhilfe „Man sollte die Lernenden öfter als einmal wöchentlich sehen“, ist eine Klage, die sich wie ein roter Faden durch die Musikschulen zieht. Man müsste mindestens zweimal pro Woche unterrichten, idealerweise täglich. Dahinter steht der Wunsch, den SchülerInnen jederzeit Hilfe leisten zu können und zu sehen, was sie, womöglich falsch, geübt haben. Dazu gibt es digitale Perspektiven: ) Die entscheidenden Teile der Hausaufgaben werden von den Lehrenden mit dem Smartphone aufgezeichnet und den SchülerInnen per Handy oder Streaming über die Woche zur Verfügung gestellt. ) Die Lernenden nehmen mit dem eigenen Gerät kleine Video-Sekundenaufnahmen der entscheidenden Handhaltung, der Melodie oder der Interpretation auf. Diese Clips helfen ihnen, sich zu Hause beim Üben daran zu erinnern. ) Lehrende erstellen kleine Sammlungen von Sekunden-Videoclips, die sie selbst
mit ihrem Smartphone mit minimalem Aufwand aufgenommen haben. Sie zeigen die entscheidenden Prozesse und Haltungen im Bewegtbild, in kleinen Szenen. Die Lernenden können diese kleine Bibliothek jederzeit konsultieren, insbesondere zu Hause, während sie üben und sich über die gewünschte Haltung oder Interpretation informieren. Der langsame Aufbau einer solchen Clip-Bibliothek ist auch ein gutes Thema für die kollegiale Zusammenarbeit an der Musikschule.
Play-alongs und Streaming Wenn sich die Lehrkräfte einer Musikschule auf Materialien, Stücke und Werke einigen, die sie gemeinsam im Unterricht verwenden, kann ein solcher „Kanon der Materialien“ dazu dienen, bei der Bildung von Ensembles auf ein gemeinsames musikalisches Repertoire zurückzugreifen. Die Musikschule kann geeignete Playbacks für das Spielen im Unterricht und das Üben zu Hause produzieren und zur Verfügung stellen. Die Lernenden können sie über ihr Heim-WLAN direkt vom Server der Musikschule zum Üben streamen. Die urheberrechtlichen Anforderungen sind jedoch zu beachten und sollten überregional vertraglich gelöst werden. Diese Aufgabe sollte vom Verband der Musikschulen übernommen werden.
Animation zum Musikmachen Was können Musikschulen Erwachsenen bieten? Viele haben sich noch nicht für ein bestimmtes Instrument entschieden und
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„Digitale Verfahren werden die analogen Instrumente nicht ersetzen. Sie sind unverzichtbar und konkurrenzlos, auch wenn digitale Prozesse sie massiv unterstützen und ergänzen.“
wollen trotzdem „etwas mit Musik“ machen. Sie scheuen die manuelle Konfrontation mit einem Instrument und möchten sofort, ohne Übephase, eigene Erfahrungen mit der Musik sammeln. Bisher gibt es die bekannten Möglichkeiten wie Bodypercussion, Orff-Instrumente und das Hören von Musik oder, in begrenztem Umfang, das Singen. Wie wäre es mit der Möglichkeit, das Musizieren zunächst mit einer „App“ auszuprobieren, die man ja sowieso auf seinem „mobilen Endgerät“ in der Tasche hat? Das Musizieren mit Smartphone und Tablet verspricht musikalische Erlebnisse in einer steilen Lernkurve. Der Endpunkt der klanglichen Begeisterung ist jedoch meist bald erreicht und der Wunsch wird stärker, auch mit einem herkömmlichen Musikinstrument zu beginnen. Und wer könnte diesen Lernweg besser anregen, organisieren und moderieren als Musiklehrende, die über die anregende Lernumgebung einer Musikschule verfügen?
Integrativ Menschen mit Behinderungen können mit den entsprechenden Apps in faszinierende musikalische Prozesse integriert werden und komplexe Klänge erzeugen, die sie wegen ihrer Einschränkung mit „analogen“ Musikinstrumenten niemals hätten produzieren können. Es ist faszinierend zu beobachten, dass sich musikalisches Talent trotz massiver Mehrfachbehinderungen oft als völlig ungehindert erweist. Die Videos von „Drake Music Scotland“ zeigen überzeugende Beispiele (https://drakemu-
sicscotland.org). Die nützliche Hilfe der digitalen Endgeräte ist bei LehrerInnen im Integrationsbereich unbestritten. Diese fünf Bereiche decken bei Weitem nicht alle Perspektiven ab. Sie zeigen jedoch exemplarisch, wo digitale Prozesse helfen können. Vorsichtig eingesetzt können sie die angemessene Transformation der Musikschulen hin zu digitaler Unterstützung begleiten.
Blick in die Zukunft Zwei Entwicklungen möchte ich nennen, die noch nicht konkret in der Praxis stehen, sich aber schon deutlich abzeichnen: G5 und KI. Der kommende Mobilfunkstandard G5 wird ein schwindelerregendes Tempo in der Datenübertragung ermöglichen. Damit einher geht das Verschwinden der Latenz, der Verzögerung zwischen dem Tastendruck hier und dem ausgelösten Klang im Lautsprecher bei einem beliebig entfernten Musizierpartner. Diese Latenz verhindert heute noch gemeinsames Musizieren z. B. via WLAN, da die Verzögerungen nicht zu beherrschen sind. Das wird sich aber mit dem Einzug des nächsten Standards ändern. Ohne merkliche Latenz – sie wird im Bereich um ein bis drei Mikrosekunden liegen – wird man über Kontinente hinweg in CD-Qualität gemeinsam musizieren können. Es wird technisch und musikalisch vorstellbar, einen Keyboarder, der in Berlin oder Tokio musiziert, in die Präsentation einer Band einzubinden, die gerade in Bielefeld ein Konzert gibt. Man sollte auf solche Ent-
wicklungen vorbereitet sein und sie in unseren Dienst stellen, sobald sie verfügbar sind. KI, künstliche Intelligenz, komponiert heute schon Musik für Aufzüge, Kaufhäuser und Filmproduktionen. Bei komplexer Musik sind die Ergebnisse zwar noch unbefriedigend, werden aber täglich besser. Ein Beispiel: Übungsstücke können mit KI angepasst an jeden einzelnen Lernenden erstellt werden. Schnell den aktuellen Stand des Lernenden und den gewünschten Musikstil eingegeben und schon sprudeln aus der KI-gesteuerten App kurze Übungsstücke hervor, als Klangdatei und als Notenblatt. KI wird die Leistung jeglicher Software auf eine neue Leistungsebene heben und wir können, richtig eingesetzt, ungeahnte Unterstützung erfahren. Aber keine Sorge: Digitale Verfahren werden die analogen Instrumente nicht ersetzen. Sie sind unverzichtbar und konkurrenzlos, auch wenn digitale Prozesse sie massiv unterstützen und ergänzen. Die Unmittelbarkeit der Klangerzeugung, die haptische und taktile Wahrnehmung beim Instrumentalspiel sind von einzigartiger Bedeutung für uns Menschen. Gerade Kinder und Heranwachsende können ihre Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit durch analoges Instrumentalspiel optimal schärfen. Die hochdifferenzierte Interaktion zwischen Mensch und Instrument wird die Grundlage der Musik bleiben. ((
Manfred Grunenberg leitete 20 Jahre die Musikschule der Stadt Bochum und ist derzeit Sprecher der RuhrMusikschulen.
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Ja, bitte!
Philipp Vandré
Smartphones im Unterricht Flexibilität in der Unterrichtsgestaltung, Praxisnähe, ein breites methodisches Handlungsrepertoire sowie die individuelle Förderung von SchülerInnen auch in Kleingruppen sind pädagogische Herausforderungen einer zeitgemäßen Lehre. Für deren erfolgreiche Bewältigung kann der Einsatz von digitalen Medien sehr hilfreich sein. Deshalb sollten wir uns diesen Geräten zuwenden.
)) An der Stuttgarter Musikschule, an der ich Musiktheorie und Komposition unterrichte, stehen mir ein PC mit Drucker, eine Dokumentenkamera, ein eBoard, eine Hifi-Anlage, einige Tablets und WLAN zur Verfügung. Der Einsatz von Clouds und die Vernetzung über Social Media ermöglichen die pädagogische Begleitung meiner SchülerInnen auch über die Unterrichtsstunde hinaus. So weit so gut. Mittlerweile sind auch viele allgemeinbildende Schulen in ähnlicher Weise ausgerüstet, und doch bleiben die technischen Geräte oft ungenutzt. Warum nur?
Gewohnheiten des Alltags Im alltäglichen Umgang mit digitalen Medien erwarten und erleben wir, dass sie uns mit nur wenigen Klicks oder Tipps das Gewünschte präsentieren. Wir begegnen den Geräten vornehmlich als Konsumenten. Dass digitale Medien jedoch ihren pädagogischen Wert erst dann gewinnen, wenn wir sie als gestaltbare Lehrmittel begreifen, ist noch immer weitgehend unbekannt; und die Fähigkeit zu erkennen, welche Potenziale beispielsweise in einer App stecken und in welcher Vielfalt die Geräte auch den Musik- und Instrumentalunterricht bereichern könnten, ist kaum geschult. So bleiben pädagogisch lohnende
Perspektiven noch immer weitgehend unentdeckt.
Eigenverantwortliches Lernen Ich möchte einen Einblick in ein Konzept geben, das ich für meinen Musiktheorieunterricht in Kleingruppen von fünf bis acht SchülerInnen entwickelt habe und das überhaupt erst durch die Bereitstellung von digitalen Medien möglich wurde. Das Konzept ist für eine Arbeitsphase über mehrere Wochen – auch begleitend im Instrumentalunterricht – wie für einen Workshop geeignet. Jede Schülerin und jeder Schüler erhält folgende fünf Aufgaben: 1. Ich wähle ein (musikalisches) Thema, über das ich selbst mehr erfahren und das ich mit den anderen in der Gruppe teilen möchte. 2. Ich sammle zum Thema Texte, Bilder, Videos und Hörbeispiele und arbeite mich in mein Thema ein. 3. Ich wähle aus, was mir für mein Thema (besonders) wichtig erscheint, und fasse das gesammelte Material zusammen. Dabei kann ich auch das Thema selbst nochmals eingrenzen. 4. Ich überlege und entscheide mich, in welchem Format ich mein Thema aufbereiten möchte, z. B. als Podcast, Video, eBook, Minibook, Zeitschrift, Poster, QRCode-Rallye etc. 5. Ich erstelle ein Lernmedium in dem gewählten Format. Die SchülerInnen recherchieren, sammeln und sichten also Materialien mithilfe von Smartphones und Tablets, arbeiten die für sie relevanten Informationen heraus und verankern ihre Erkundungen, indem sie ihr Thema in einem selbst gewählten Medium für andere SchülerInnen aufbereiten. Dabei werden die Arbeitsmaterialien auf Cloud-Servern abgelegt, sodass die
SchülerInnen auch zu Hause stets da weiterarbeiten können, wo sie im Unterricht aufgehört haben.
peer2peer als Mehrwert Jeder Aufgabe folgt eine Reflexionsrunde mit allen SchülerInnen der Gruppe, in der sie sich gegenseitig darüber informieren, womit sie sich gerade beschäftigen, in der sie Fragen stellen können und untereinander Rückmeldung geben. Hier entsteht ein angeregter peer2peer-Austausch, der das eigenverantwortliche Lernen unterstützt und in den die SchülerInnen ihre Erfahrungen und ihr Wissen einbringen. Ich begleite die Runde, indem ich den Rahmen für einen wertschätzenden Austausch setze und erst am Ende ergänzende Informationen, Hilfestellungen oder Anregungen einfließen lasse, wo es sinnvoll erscheint.
Motivation und Lernerfolg Es ist überwältigend, was die Kinder und Jugendlichen in solchen Prozessen einbringen, mit welcher Motivation sie Themen wählen und bearbeiten und dabei gar nicht realisieren, dass sie lernen. Sie schöpfen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, entwickeln Selbstständigkeit im Lernen und wachsen an den Entscheidungsfindungsprozessen. Nicht zuletzt verhaftet sich das Gelernte der gesamten Gruppe in jedem Einzelnen sehr viel tiefer, als es eine frontale Wissensvermittlung jemals könnte. ((
Philipp Vandré ist Musiker, Dozent für Musiktheorie und Komposition an der Stuttgarter Musikschule und Künstlerischer Leiter des Bundeswettbewerbs „Jugend komponiert“.
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Gitarrenklassen mit „SmartMusic“
Jesse Gomes und Ralph Lange
Potenziale einer digitalen Lernplattform im instrumentalen Klassenunterricht
Die Lübecker Musikschule erprobt seit einigen Jahren die digitale Lernplattform „SmartMusic“ aus den USA.1 Seit diesem Jahr wird sie erfolgreich in heterogen besetzten Gitarrenklassen mit benachteiligten Kindern getestet. Die Erfahrungen zeigen, dass die SchülerInnen in den Stunden deutlich mehr Musizieren und Disziplin kein großes Thema mehr ist. Die Lehrenden können ihre Unterrichtskonzeption dadurch besser realisieren und haben mehr Raum für Feedback.
)) In den Gitarrenklassen der Lübecker Musikschule lernen 20 bis 25 SchülerInnen gemeinsam Gitarre. Angeleitet werden sie durch ein bis zwei Lehrende der Musikschule. Das zentrale Medium zur Darstellung der Noten ist die digitale Lernplattform SmartMusic. Das Funktionsprinzip von SmartMusic ist denkbar einfach: Es ist eine Art intelligenter Übebegleiter, der sich auch für Großgruppen eignet. Die Noten werden von einem Laptop mittels eines Beamers auf eine Leinwand projiziert. Die Kinder sitzen mit Blick auf die Leinwand im Raum verteilt und spielen die Noten vom Bildschirm ab. SmartMusic arbeitet mit der klassischen Notenschrift, sodass den SchülerInnen ein universelles Zeichensystem vermittelt wird. Wahlweise lassen sich auch Akkordsymbole oder Tabulaturen einblenden. Wenn ein Stück gestartet wird, bewegt sich ein grüner Cursor im Taktschlag durch die Noten. Dazu erklingt Musik von gut gestalteten Playalongs aus einer Online-Play-along-Bibliothek mit fast 50 000 Titeln. Durch diese Unterstützung behalten die SchülerInnen
stets die Orientierung und können verfolgen, wo sie sich im Notentext befinden. SmartMusic bietet vielfältige Einstellungsmöglichkeiten. Das Tempo lässt sich beliebig verändern, ein Metronom kann hinzugeschaltet werden und auch die Tonhöhe der Stücke kann bei vielen Stücken verändert werden. Die Solostimme und die Begleitmusik kann zu- oder abgeschaltet werden, der Cursor kann verändert werden und das Notenbild lässt sich verbergen. Auch das Auswählen einzelner Takte zu Übezwecken ist möglich.
Die Gitarre erklingt heutzutage in den unterschiedlichsten Kontexten und Stilistiken, z. B. als Soloinstrument, als Melodieinstrument in Ensembles oder als Akkordinstrument mit Begleitfunktion. Für die wichtigsten davon wurden auf der Plattform SmartMusic Stücke konzipiert und mit Play-alongs versehen. Diese ermöglichen den SchülerInnen ein authentisches Klangerlebnis.
Musik und Lernfelder
Durch die Visualisierung der Noten auf einem Bildschirm und gleichzeitigem Klangerlebnis durch die Play-alongs geraten die SchülerInnen umgehend in den Bann der Musik. Auch SchülerInnen, die durch traditionelle Methoden der Arbeit in heterogenen Gruppen bisher nicht gut erreicht werden konnten, sind erfahrungsgemäß auf einmal mit Feuer und Flamme beim Musizieren dabei. Probleme mit Disziplin geraten dadurch völlig in den Hintergrund, wie in allen SmartMusic-Gruppen immer wieder beobachtet werden konnte. Es erscheint fast so, als sei der Bildschirm ein eigenständiger Lernkanal geworden, der die SchülerInnen intensiver anspricht und zum Mitmachen auffordert, als es eine Lehrperson könnte. Dies mag für Lehrende auf den ersten Blick inakzeptabel erscheinen. Auf den zweiten Blick ergeben sich daraus jedoch ganz neue Möglichkeiten der Gestaltung des Unterrichts. Die Lehrperson wird durch SmartMusic von vielen unterstützenden Aufgaben im Lernprozess der Kinder ent-
Für die Gitarrenklassen wurden mehrere hundert Gitarrenstücke in das SmartMusicSystem eingepflegt. Weitere Stücke stammen aus Gitarrenschulen, die bereits in SmartMusic enthalten sind. Meist handelt es sich um kurze ansprechende Titel. Viele der Stücke werden mit Texten zum Mitsingen angezeigt. Dadurch wird das Lernen der Rhythmik über eine sprachliche Ebene ermöglicht. Manche Stücke arbeiten auf einer klanglichen Ebene, bei der es darum geht, die Gitarre als Klangerzeuger zu erleben. Hier geht es dann zum Beispiel darum, die Länge der Vibration des Instruments und der Saiten zu spüren. Die Stücke decken verschiedene Lernfelder ab, die sich in beliebiger Reihenfolge kombinieren lassen. Dazu gehört etwa das Spiel einzelner offenen Saiten, das Lagenspiel oder der Akkordanschlag. Zu jedem Lernbereich sind zahlreiche Stücke hinterlegt, sodass Lehrende pro Lernfeld zahlreiche Variationsmöglichkeiten haben.
Vorteile des Arbeitens mit „SmartMusic“
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Technische Voraussetzungen lastet. Zum Beispiel müssen Lehrende nicht mehr die Noten anzeigen (mittippen), um sicherzustellen, dass die SchülerInnen diesen auch folgen können. Stattdessen können sie ihre Aufmerksamkeit viel stärker auf die SchülerInnen richten, sie beobachten und ihnen zuhören. Dies bietet insbesondere die Gelegenheit für vielfältige Feedbackmöglichkeiten im und nach dem Spiel, setzt aber voraus, dass die Lehrenden die Stücke gut kennen, um nicht selbst auf den Bildschirm starren zu müssen. Die Rolle als Mitspieler, Anfeuerernder oder Zuhörer sind weitere Rollen, in die die Lehrkräfte schlüpfen können.
Differenzierung und Homogenisierung Wenn eine Lehrperson bemerkt, dass SchülerInnen langsamer lernen, stehen ihr mit SmartMusic vielfältige Möglichkeiten zur Bildung didaktischer Reihen zur Verfügung. Dies sind zum Beispiel die Elementarisierung der Stücke, das Hinzufügen diverser Kontrollebenen (z. B. CursorEinstellungen) sowie die Verlangsamung und die Isolierung schwieriger Stellen. Das Gute an SmartMusic ist, dass alle Vereinfachungsprozesse für alle SchülerInnen nachvollziehbar sind und ihnen Spaß machen, weil sie Abwechslung bedeuten und so an die kindliche Neugierde anknüpfen. Auf diese Weise kann die „Problematisierung“ einzelner SchülerInnen im Unterricht vermieden werden. Stücke können jedoch auch systematisch auf höhere Schwierigkeitsstufen getrieben werden, die nur noch die besten Schüle-
„SmartMusic“ läuft aktuell auf Mac, PC und auf dem iPad. In den Gitarrenklassen werden in der Regel Laptops, Beamer und gute Lautsprecher eingesetzt. Die Basisversion von „SmartMusik“ kostet im Jahr ca. 40 Euro und reicht für die Gestaltung einer „SmartMusic“-Klasse aus. Eine webbasierte Version von „SmartMusic“ soll demnächst in Deutschland verfügbar sein.
rInnen bewältigen können. Interessanterweise wird dies von den SchülerInnen oft selbst gewünscht, sodass alle mit Begeisterung dabei sind. Zu den schwierigen Stufen gehört beispielsweise das Auswendigspiel durch Abschalten des Cursors oder des Notenbildes.
Ergebnisse der Arbeit mit „SmartMusic“ Mit SmartMusic wird die Fähigkeit geschult, Stücke von der ersten Stunde an vom Anfang bis zum Ende durchzuspielen. Dies ist eines der zentralen Spielprinzipien in SmartMusic und vielleicht sogar der notierten Musik überhaupt. Gleichzeitig lernen die SchülerInnen das Prima-VistaSpiel. Beim Spiel nach Noten auf Papier werden Spielprozesse in der Regel häufiger abgebrochen als mit SmartMusic. Zudem wird mit SmartMusic Erfolg messbar, da beispielsweise die Tempoeinstellung eines Stücks in den SmartMusic-Klassen stets für alle sichtbar ist und es ein Leichtes ist, mit einer Gitarrenklasse sukzessive höhere Tempi zu probieren. Gleiches gilt für etliche andere Parameter der Musik, z. B. Tongenauigkeit. Das wäre mit traditionellen Methoden zwar auch möglich, wird aber oft nicht systematisch genutzt. Alle, die mit großen heterogenen Gruppen arbeiten, kennen die Schwierigkeit, Anweisungen an eine große Gruppe zu kommunizieren. Häufig werden die Versuche begleitet von zeitraubenden Bemühungen, die entsprechende Aufmerksamkeit der SchülerInnen zu bekommen. Mit Smart-
Music fällt dieses Problem weg. In Klassen, in denen zuvor ca. 50 Prozent der Zeit geredet und erklärt wurde, war durch den Einsatz von SmartMusic eine deutliche Reduzierung des Redeanteils zu Gunsten eines deutlich höheren Musizieranteils von ca. 80 Prozent keine Seltenheit. ((
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vgl. Ingolf Drabon/Ralph Lange: „Digital üben und unterrichten. An Musikschulen in Schwerin und Lübeck wird sehr erfolgreich die Lernsoftware ,SmartMusic’ eingesetzt’, in: üben & musizieren 1/2019, S. 44-48.
Jesse Gomes ist als Lehrer, Studiomusiker und Bühnenmusiker mit unterschiedlichen Ensembles aktiv. Seit 2016 unterrichtet der gebürtige Brasilianer an der Lübecker Musikschule.
Ralph Lange ist Musiker und Leiter der Lübecker Musikschule. Er unterrichtet seit 2015 Einzelschüler und Gruppen erfolgreich mit SmartMusic.
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Spielen ohne Noten
Wolfgang Geiger
Eine quantitative Onlineumfrage unter Klavierlehrkräften zum Thema „Freies Spiel im Klavierunterricht“ Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse einer Masterarbeit vor, die an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar vorgelegt wurde und sich mit dem „Freien Spiel“ im Klavierunterricht beschäftigt. Mit einer quantitativen Onlineumfrage und drei Experteninterviews wurde folgende Forschungsfrage untersucht: Wie gestalten Klavierlehrende an Musikschulen ihren Unterricht in Hinblick auf das „Freie Spiel“ und in welcher Beziehung steht dieses Handeln zu ihrer eigenen instrumentalen Ausbildung?
)) „Schülerinnen und Schüler messen zunächst einmal ihre Lehrer ebenso wie Studenten ihre Hochschullehrer an dem, was sie (nicht) können, eine altbekannte Erfahrung, die vollkommen zu Recht schon immer bestand und heute mehr denn je besteht und nicht kritisiert werden sollte.“1 Was Hans Bäßler von Musiklehrenden an allgemeinbildenden Schulen fordert, kann auch auf Klavierlehrende an Musikschulen übertragen werden. Schülerinnen und Schüler erwarten von ihren Lehrenden, dass sie das Fach beherrschen. Die didaktischen Unterrichtsschritte sind für Lernende nicht immer offensichtlich und so messen sie das Können der Lehrkraft an der künstlerischen Qualität ihres Spiels. Dass Klavierlehrende mit einem Klavier umzugehen wissen, sollte man voraussetzen können. Doch sind sie wirklich auf allen Gebieten ihres Fachs optimal vorbereitet? Die eingangs erwähnte Umfrage richtete sich an Klavierlehrkräfte an Musikschulen in ganz Deutschland und umfasste 38 Fragen folgender Themenbereiche: soziodemografische Angaben, eigene Lernbiografie, Selbsteinschätzung eigener Fähigkeiten, Inhalte des eigenen Studiums, Präferenzen der Lernenden sowie Fragen zur Musikschularbeit. Insgesamt konnten 564 Frage-
bögen (493 vollständig und 71 größtenteils vollständig) zur Analyse herangezogen werden.
Schulpraktisches Klavierspiel
bezüglich Improvisation und dem Spielen nach Gehör nicht ganz so selbstbewusst. Nicht jede Klavierlehrkraft hat sich vor dem Studium mit Improvisation beschäftigt und somit stehen die Ausbildungsinstitute in der Pflicht, Lehrende auf die Herausforderungen des improvisierenden Musizierens vorzubereiten. An deutschen Musikhochschulen wird zwar eine Fülle an Fächern wie Improvisation und Jazz/Rock/ Pop-Klavier angeboten werden. Wie Tabelle 3 jedoch zeigt, ist der Pflichtteil im Angebot der Hochschulen noch zu gering und sollte vor allem in der Improvisationsdidaktik erhöht werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Improvisation führt zu einer Vielzahl an Begrifflichkeiten. Eine einheitliche Begriffsdefinition gibt es nicht. Das Fach „Schulpraktisches Klavierspiel“ konnte nach einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung als inhaltlicher Anker aller Kompetenzen des improvisierenden Musizierens (im Gegensatz zum reproduzierenden Musizieren) konstituiert werden.2 Die Teilbereiche des Fachs umfassen u. a. „Liedbegleitung“, Improvisieren – „Improvisation“ und „Vom-Blatt-/Partiturein eigenständiges Fach? spiel“ und versuchen, möglichst viele Felder klavierpraktischer Kompetenzen zu Für die Idee, ein eigenes Fach für improvierschließen. Diese Objektivierung ermögsierendes Musizieren zu etablieren, wurden lichte auch präzisere Fragestellungen in der Onlineumfrage. Die Ergebnisse zeigen, dass die Klavierlehrkräfte in Deutschland je nach eigenen Fähigkeiten die Vermittlung von Kompetenzen improvisierenden Musizierens in ihren Tabelle 1: Selbsteinschätzung der Kompetenzen Unterricht integrieren und eine eher positive Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten haben (Tab. 1).3 Während offenbar der Umgang mit Akkorden sowie das gleichzeitige Singen und Klavierspielen weniger Probleme bereiten, ist die Tabelle 2: Regelmäßiger Bestandteil im Unterricht eigene Wahrnehmung
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im Rahmen der Masterarbeit vier Annahmen formuliert: ) Das Spielen nach Gehör wird hauptsächlich in den ersten Jahren des Klavierunterrichts in der Unterstufe praktiziert und in der Mittel- und Oberstufe vernachlässigt. ) Spielen nach Akkorden (bzw. improvisierende Liedbegleitung) hängt stark von der Kompetenz der Lehrenden und den Wünschen der Lernenden ab. ) Die Improvisation ist nur Mittel zum Zweck, damit das zu erlernende Zielstück besser begreifbar gemacht werden kann. ) Das gleichzeitige Singen und Spielen findet kaum statt und könnte mehr gefördert werden. Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, dass in der Arbeit an Musikschulen und ähnlichen Institutionen das improvisierende Musizieren keinen großen Raum einnimmt (Tab. 2). Jazz/Rock/Pop-Klavier ist als eigene Sparte am präsentesten. Es hat sich auch gezeigt, dass das Spielen nach Gehör tatsächlich nicht regelmäßiger Bestandteil des Unterrichts ist und wahrscheinlich nur im Anfangsunterricht eingesetzt wird. Der Umgang mit Akkorden wird hingegen wider Erwarten relativ häufig im Unterricht eingesetzt. Die längerfristige Beschäftigung mit improvisatorischen Ansätzen im Unterricht erfolgt aber kaum und bleibt vermutlich Mittel zum Zweck für zu bewältigende klaviertechnische Aufgaben. Folgende Aussage von Wolfgang Brunner aus dem Jahr 1996 erscheint daher noch immer aktuell: „Die Wertschätzung der Improvisation als ein theoretisch mögliches, hohes Ideal des Musizierens scheint sich in der Praxis mit Berührungsängsten und äußeren Hindernissen […] die Waage zu halten.“4 So wird zwar das gleichzeitige Singen und Klavierspielen von den Lehr-
Tabelle 3: Studienangebote an Hochschulen
kräften in ihrer Selbsteinschätzung sehr gut gemeistert (Tab 1.), aber im Unterricht kaum eingesetzt (Tab. 2).
Chancen des improvisierenden Musizierens Neben den quantitativen Erhebungen wurden Experteninterviews mit Mathias Weis aus Würzburg und Andreas Eschen aus Berlin geführt. Durch ihre individuellen Lernbiografien und ihre aktuelle Berufssituation eignen sie sich hervorragend, um die Diskussion mit ihren Beiträgen zu bereichern. Beide sind Musikschullehrer und Lehrbeauftragte für „Schulpraktisches Klavierspiel“ an einer Hochschule und befinden sich damit im direkten Spannungsfeld der vorliegenden Thematik.
Beide stellen klar: Auch wenn „ein Teilbereich“ im Klavierunterricht vorhanden ist, „gibt es das Fach [in der Musikschule] nicht“. Da aber die Nachfrage das Angebot regle, müssten sich die Musikschulen auf besondere Anforderungen einstellen. Mathias Weis sieht die Musikschule als Chance, da „die kontinuierliche Beschäftigung mit dieser Thematik über einen längeren Zeitraum sinnvoller ist“. Eine weitere Problematik sei die Wahrnehmung der Ergänzungsfächer. Musik werde in Deutschland „eher als Freizeitbeschäftigung“ angesehen, was dazu führe, dass zusätzliche Fächer wie Musiktheorie, aber auch das „etablierte Jazzpiano nicht als Zweit- oder Ergänzungsfach gewählt“ werden. Es gebe meistens nur Klavierunterricht, der diese Inhalte zusätzlich umfasst.
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4.2019
Welche Möglichkeiten gibt es also, den klassischen Klavierunterricht durch schulpraktisches Klavierspiel zu ergänzen? Nach Weis kann „ein harmonisches Verständnis“ für die gespielte Literatur geschaffen werden. Mithilfe von Akkordsymbolen könnten beim Spiel eines „Chopin-Préludes wunderbar musikalische Begleitmuster in der linken Hand“ aufgezeigt oder eigene Begleitungen bei einem klassischen Variationssatz erfunden werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die verschiedenen Fachdisziplinen ineinandergreifen und Synergieeffekte bilden. Für den klassischen Klavierunterricht bedeute das, dass das Spielen von Kinderliedern nach Gehör nicht nur „fester Bestandteil des Anfangsunterrichts“ sein sollte, sondern auch später systematisch fortgesetzt werden müsste. Die Erarbeitung von Jazz- und Popsongs sei ein großer Motivationsschub für viele Lernende und könne „in den normalen Klavierunterricht integriert“ werden. Sinnvoller wäre es aber, wenn die Lernenden die Gelegenheit hätten, in einer Band zu spielen. Die freie Improvisation komme neben einfachen Formen im Anfangsunterricht „niemals zu größerer musikalischer Differenziertheit“. Obwohl es also eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, improvisierendes Musizieren in den Klavierunterricht einzubinden, machen die Ergebnisse der Umfrage jedoch sehr deutlich, dass das nicht immer gelingt. Dass improvisierendes Musizieren in den Unterricht gehört, ist offenbar fachlicher Konsens, aber vielleicht fehlt es noch an einer konsequenten Didaktik, die vor allem in den Ausbildungsinstituten als Pflicht eingeführt werden müsste …
Das Helsinki Pianostudio Als Anregung sollen hier die Arbeiten des finnischen Klavierpädagogen Jyrki Tenni5 vorgestellt werden. Jyrki Tenni hat zahlreiche Literatur zu Liedbegleitung und Klavierimprovisation veröffentlicht und während seiner Zeit an der Sibelius-Akademie in Helsinki neue fortschrittliche Lernmethoden entwickelt, die er in seinem Helsinki Pianostudio umsetzt.
erscheint alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren
In der vorherrschenden Unterrichtsform des Gruppenunterrichts hat je nach Gruppengröße jede Person ihr eigenes E-Piano, das mit Kopfhörern versehen und mit dem E-Piano der Lehrperson verbunden ist. Die Lehrperson kann dadurch zwischen den verschiedenen Klavieren hin- und herschalten und je nach Situation eingreifen bzw. weiterführende Aufgaben stellen. Eine Unterrichtstunde beginnt beispielsweise mit einem fünfminütigen Warm-up zu Hörvermögen, technischen Fähigkeiten oder Begleitfähigkeiten, worauf sich zehn Minuten anschließen, um die Hausaufgaben mit einem Partner durchzugehen. Dabei spielt eine Person die Melodie, die andere die Begleitung. Je nach Können greift die Lehrperson ein, gibt Tipps und Hilfestellungen, damit im nächsten Schritt jedes Paar seine „Tagesversion“ vortragen kann. Jeder Vortrag wird von allen Gruppenmitgliedern in einer positiven Atmosphäre gewürdigt und mit konstruktiver Kritik bewertet, bevor ein neues Lied mit einer neuen Begleitung – in der Regel über das Gehör – eingeführt wird. Der Schwierigkeitsgrad ist im Anfängerkurs sehr niedrig gehalten. Das bedeutet z. B., dass entweder die Begleitung mit zwei Händen oder das Spielen einer Melodie mit einer Hand gefordert wird und die Anzahl der Akkorde auf zwei beschränkt bleibt. Erst nachdem das neu zu lernende Thema auditiv eingeübt wurde, kann die Aufgabe weiter anhand des Notenbildes erarbeitet werden. Oberstes Ziel, so Tenni, sei, dass die Schülerinnen und Schüler das Klassenzimmer verlassen und sich selbstbewusst mit der Übungsaufgabe befassen können. Sollten beim Üben daheim Schwierigkeiten auftreten, können die Begleitmuster zu Übungszwecken auch auf Youtube gefunden werden.
Ausblick Die Übertragung von Jyrki Tennis Konzept auf Deutschland wäre eine Chance, das improvisatorische klavierbezogene Handeln mehr in den Mittelpunkt des fachlichen Diskurses zu stellen. Die Erweiterung des Konzepts auf jüngere Schü-
lerinnen und Schüler könnte die Musikschularbeit enorm bereichern, ist aber gleichzeitig eine große didaktische Herausforderung. Die Erfolgsgeschichte des Fachs „Schulpraktisches Klavierspiel“ oder der Arbeit von Jyrki Tenni beruht unter anderem auch darauf, dass die Lernenden in diesen Fällen entweder Musikstudierende oder ältere Menschen sind, die mit genauen Zielvorstellungen, Wünschen und musikalischen Vorerfahrungen an die Materie herantreten. Kinder und Jugendliche entwickeln diese Form von Selbstmanagement erst noch und müssen daher von der Lehrperson begleitet, aber vor allem auch inspiriert werden. Improvisierendes Musizieren braucht klare Vorstellungen, eine solide Klaviertechnik, musiktheoretisches Wissen, ein gutes Hörvermögen, stabile rhythmische Kompetenzen und einen starken Willen. Institutionell könnte ein eigenständiges improvisatorisches Klavierfach einige vernachlässigte Bereiche auffangen und einen anderen fachlichen didaktischen Schwerpunkt setzen. ((
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Hochschule für Musik Weimar: 10 Jahre Bundeswettbewerb Schulpraktisches Klavierspiel Grotrian-Steinweg, Weimar 2002, S. 4. 2 vgl. Benjamin Seipel: Das Klavier in der Schule. Musikalische Lernbiographie, pianistische Ausbildung und pädagogisches Handeln von Musiklehrenden, Köln 2013. 3 Bei den Fragen (mit dem Buchstaben Q nummeriert) mit Bewertungsskala wurde ein gewichteter Mittelwert berechnet, der von „-2“ bis „+2“ reicht. Dabei wurde unabhängig von der Fragestellung die positivste Einstellung zum improvisierenden Musizieren mit dem Wert „+2“ und die negativste Ausrichtung mit dem Wert „-2“ gewichtet. 4 Wolfgang Brunner: „Improvisieren wozu? Zur instrumentaldidaktischen Relevanz historischer Improvisationsfunktionen“, in: üben & musizieren 4/1996, S. 29. 5 Ralph Abelein/Jyrki Tenni: Liedbegleitung und Klavierimprovisation. Stilsicher Songs begleiten, Melodien passend harmonisieren, kreativ über Akkordfolgen improvisieren, Innsbruck 2014.
Wolfgang Geiger studiert im Master Musiktheorie und unterrichtet „Schulpraktisches Klavierspiel“ an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar.
Redaktion: Sebastian Herbst und Rüdiger Behschnitt Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler