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Heim(at)weh?
KAPITEL 2 • Heim(at)weh? Was ist Heimat? Heimat definieren CD 1
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Teil 1 – Maximilian Ich heiße Maximilian, bin 16 Jahre alt und bin in München geboren. Ich wohne heute noch in München und fühle mich hier total zu Hause. Hier lebt auch meine ganze Familie. Wie auch all’ meine Freunde. Hier gehe ich in die Schule … meine ersten Partys, mein bester Freund, Philipp, wohnt hier, oder Veronika, meine erste Liebe. Hier sind meine ganzen Erinnerungen, also die wichtigen Momente meines Lebens haben hier stattgefunden. Meine Geburtstage, meine Musikgruppe, mein erstes Konzert … Eigentlich kann ich mir gar nicht vorstellen, woanders zu leben … also in Hamburg oder Berlin oder so … nee, das wäre nichts für mich. Ich gehör’ halt echt hier hin, ich bin ein echter Münchner … Heimat ist für mich einfach meine Familie und meine Freunde, Orte, die ich gut kenne, Erinnerungen und Traditionen, die ich mit den Menschen, die ich liebe, jedes Jahr teilen kann. Etwas gemeinsam haben mit den anderen! Teil 2 – Katja Ich heiße Katja, ich bin 17 Jahre alt und wohne seit fast 10 Jahren in Bern in der Schweiz. Ich bin in Krakau also in Polen geboren und bin mit 7 Jahren mit meiner Familie hierher nach Bern gezogen. Ich spreche Polnisch mit meinen Eltern, aber Deutsch mit meinen Geschwistern. Wir fahren jedes Jahr nach Polen, an Weihnachten und an Ostern und im Sommer. Ich habe immer noch viele Freunde und Cousins dort. Ich fühle mich wohl in Bern, aber mein Zuhause, meine Heimat ist immer noch in Polen. Ich würde gern später in Polen leben, falls ich dort eine Arbeit finde. Ich mag die Stadt, die Traditionen … mir fehlen die Sprache und das Essen und die bunten Häuser in Krakau. Meine Wurzeln sind in Polen, da wo meine ganze Familie gelebt hat. Dort ist unsere gemeinsame Geschichte! Teil 3 – Tamara Ich bin Tamara und ich wohne seit 4 Jahren in Wien. Ich komme eigentlich aus Köln, aber ich fühle mich wirklich sehr wohl hier in Wien. Das Leben ist hier sehr angenehm; es gibt viele Parks, viele nette Restaurants und Geschäfte und mein neues Gymnasium ist echt super. Die Lehrer, die Schüler … alles gefällt mir. Nächstes Jahr mach’ ich Matura. Ich glaube, dass man hier gut lebt und es gibt viele Universitäten. Also sind die Chancen auf einen guten Job später ziemlich hoch! In Wien hat man einfach Zukunft! Ich bin zwar Deutsche, aber ich fühle mich schon fast wie eine Österreicherin … Wenn ich Ferien im Ausland mache, vermisse ich Wien manchmal. Mein Haus, mein Zimmer, meinen Hund. Vielleicht ist Wien jetzt meine Heimat, da, wo ich zu Hause bin, mich sicher und geborgen fühle …
Heimat neu! ViDEO
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Neu in Europa
Omar Khir Alanam: Seit drei Jahren bin ich nun schon in Österreich. Und es gibt etwas, das ich euch sagen möchte. Ich möchte euch das schon sagen, seit ich nach meiner Flucht aus Damaskus hier angekommen bin. Was ich euch sagen will, ist nur ein Wort. Ein Wort mit fünf Buchstaben: Danke, dass ihr mir ein zu Hause gebt. Danke, dass ihr mir eine Stimme gebt. Danke, dass ich hier in Frieden und Freiheit leben kann. In Damaskus hatte ich nur drei Möglichkeiten: zu töten, zu sterben oder zu fliehen. Hier in Österreich und in meiner neuen Heimatstadt, Graz, habe ich mehr Hilfsbereitschaft und lächelnde Gesichter gesehen, als ich es je erwartet hätte. Danke, dass ich hier Freunde finden konnte. Danke, dass ich mich hier verlieben konnte. Danke, dass Österreich meine neue Heimat werden konnte. Eine Heimat, die ich beschützen will.
09/09/2019 14:35
IDENTITÉS ET ÉCHANGES
Il mio nome è Cecilia Roselli. Ich bin 19 Jahre alt und wohne eigentlich in Rom, aber seit 3 Jahren wohne ich hier in Bonn am Aloisiuskolleg im Internat. Ich bin, seitdem ich vier bin, auf der deutschen Schule Rom – war ich – obwohl meine Eltern beide Italiener sind, bzw. beide können auch kein Deutsch. Deswegen bin ich zweisprachig aufgewachsen, aber in zwei verschiedenen Inseln – sagen wir – einmal zu Hause und einmal Schule. Ich wollte einfach das endlich erleben, was ich mein Leben lang kannte und gleichzeitig nicht kannte. Es ist ein anderer Lebenstil, was mir manchmal auch fehlt. Ein … die dolce vita … also ein bisschen, ich geh’ um vier Uhr in ein Café und bleibe dort bis sieben Uhr und hab’ nur einen Kaffee getrunken. Man muss zwischen zwei verschiedenen Kulturen einen Treffpunkt finden. Man muss seine eigene Kultur selbstverständlich behalten, aber gleichzeitig auch die andere begegnen. Aber es fehlt auf beiden Seiten ein bisschen was. Hier in Deutschland fehlt mir eben dieses „ich komm’ aus Deutschland“. Ja es ist … letztendlich sehr komisch, weil man hier drei Jahre lang gelebt hat, immer mit den gleichen Mädchen und jetzt muss man „Tschüss“ sagen. Es war eben mein deutsches Haus und meine deutsche Familie und ich glaube das Internat, hier das Ako (Aloisiuskolleg), wird immer einer der schönsten Momente meines Lebens sein; die schönsten drei Jahre meines Lebens sein. Und ich werde es immer in meinen Herzen behalten.
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PROJEKT ViDEO Cécilia Roselli
Renas Azadi
Egal, ob ich Syrer oder Kurde oder Muslim oder Christ oder Jude oder egal was: Ich bin einfach Mensch und ich lebe hier als Mensch. Das gefällt mir am besten also, hier in Deutschland. Ich bin Renas Azadi, ich komme aus Syrien und ich bin seit 21 Monaten in Deutschland. Ich lebe hier mit meiner Familie, also meinem Vater, meiner Mutter und meinem kleinen Bruder. Ich konnte nicht so gut Deutsch, aber da im Betrieb …, weil ich mit mehreren Leuten gearbeitet habe und die waren alle Deutsche, und in der Schule habe ich immer Deutsch gesprochen, deshalb hat sich mein Deutschsprachwissen verbessert. Für mich ist Heimat kein konkreter Ort, sondern nur die Erinnerungen an die schönen Tage, die ich dort erlebt habe: Und hier war ein Ausflug und mein Vater war am Grillen. Und hier habe ich mein ganzes Leben gelebt. Eigentlich gucke ich niemals … Wenn man guckt, wenn man in die alten Fotos guckt, dann wird man immer traurig sein auch. Man kann irgendwo eine neue Heimat finden, wenn man sich integriert, also weiter mit den Leuten in Kontakt kommen. Egal, welche Religion er hat, egal, welche Farbe er hat, egal, welchen Namen er hat: Einfach er ist Mensch, wie ich, zwei Augen, eine Nase, einen Mund. Das ist alles. Am Ende sind alle Menschen gleich.
Fit für das Baccalauréat CD 1
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Manchmal vermisse ich die Berge …
Susanne: Ich heiße Susanne und stamme ursprünglich aus Deutschland. Ich bin in Reutlingen geboren; das ist eine Kleinstadt in Süddeutschland … und auch dort aufgewachsen. Nach dem Schulabschluss habe ich Lust aufs Ausland bekommen, deshalb bin ich nach Frankreich gegangen. Aber auch, um die Sprache besser zu lernen. Am Anfang habe ich mich ziemlich fremd gefühlt. Außerdem hatte ich immer großes Heimweh. Dann bin ich mit einer netten Familie in Kontakt gekommen. Bei ihr habe ich mich geborgen gefühlt. Später habe ich einen Job als Sekretärin angenommen und einen Franzosen geheiratet. Den Kontakt zu Deutschland habe ich in fünfunddreißig Jahren nie ganz abgebrochen. Troztdem sind meine Kinder in Frankreich besser integriert als in Deutschland und haben ihre Zukunft wohl hier. Ich bin stolz, dass ich ihnen als wichtiges Erbe die deutsche und die französische Kultur und Sprache vermitteln konnte. 265
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09/09/2019 14:35
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Heim(at)weh?
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Ich glaube, dass meine eigenen Wurzeln immer noch in Deutschland liegen. Ich vermisse dort vor allem die Landschaft mit den Bergen. Manchmal tut es richtig weh, wenn ich daran denke. Aber meine Familie, Freunde und Kollegen in Frankreich bedeuten für mich auch Heimat. Vielleicht würde ich mich heute eher in Deutschland einsam fühlen. Wer weiß?
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09/09/2019 14:35