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Vorwort
«… adjuvantibus populi laboribus et oblatis …» ( aus einer Bauinschrift in der barocken Kirche von Siviano, Monte Isola, Prov. Brescia)
« Pecunia est nervus rerum» (Cicero)
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Die beiden lateinischen Mottos «[gebaut] mit der Arbeit und den Gaben des Volkes» und « Das Geld ist der Nerv der Dinge» enthalten in nuce das Ziel dieses Buches. Die Inschrift weist direkt an Ort und Stelle darauf hin, dass die « gewöhnlichen» Sakralbauten, insbesondere die Pfarrkirchen, nicht oder nur teilweise auf Weisungen der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten entstanden sind, sondern eben ihre Entstehung vor allem auch dem gewöhnlichen Pfarrvolk verdanken und dass ohne Geld nichts möglich ist. Weitere Beispiele solcher Worte finden sich gelegentlich weniger explizit in schriftlichen Quellen. Darzustellen, was die Sätze konkret bedeuten, wird hier zum ersten Mal zusammenfassend versucht.
Die Studie möchte einen Beitrag zur nach wie vor vernachlässigten Geschichte der mittleren und unteren Schichten im Bereich der Religiosität leisten. Sie bewegt sich rittlings zwischen Sozial- und Kunstgeschichte. Die reine Sozialgeschichte macht in unserer mehr und mehr entchristlichten Welt gerne einen Bogen um alles, was nach Religion riecht, obschon man sich so mindestens für das vorrevolutionäre Europa jede solide historische Erkenntnis verbaut. Kunsthistoriker hingegen finden es meist unter ihrer Würde, sich ausführlich mit solch schnöden Fragen wie der Organisation, der Geldaufbringung, der Fronarbeit und anderen niederen Dingen des Baus abzugeben. In aller Regel beschränken sie sich ausserdem auf die heutzutage zu Touristenmagneten gewordenen Spitzenwerke der Architektur.
So muss man sich die Quellen zur folgenden Darstellung oft recht mühsam zusammensuchen. Am günstigsten sind die Voraussetzungen dazu in der Schweiz ( vgl. im einzelnen Unterkapitel 1.3), weshalb sich die Untersuchung auf diesen Raum beschränkt, genauer auf den katholischen, denn protestantische Beispiele sind vergleichsweise sehr selten. Weitere Länder extensiv zu behandeln hätte ferner ins Uferlose geführt, einzig in Unterkapitel 1.4 wurde eine Übersicht der Dichte des barocken Sakralbaus in den Ländern rund um die Schweiz versucht. Für die gemachte Einschränkung spricht auch, dass die obrigkeitlichen Eingriffe, sei es von weltlicher oder geistlicher Seite, ins Kirchenbauwesen vergleichsweise schwach waren, was eine Sicht der Dinge « von unten» begünstigt. Zeitlich umfasst die Studie, nachdem im 16. Jahrhundert allgemein wenig gebaut wurde, im Wesentlichen das Barockzeitalter, das in der Schweiz baulich lange dauerte und vom Ende des 16. Jahrhundert bis ins beginnende 19. hineinreicht.
Zu danken habe ich in erster Linie Karl Vocelka in Wien. Er erteilte die Erlaubnis, einen schon vor 25 Jahren erschienenen zwanzigseitigen Aufsatz in dem von ihm begründeten und herausgegebenen « Frühneuzeit-Info» ( Jg. 6, 1995, S. 151–171) weitgehend hier wiederzuverwerten, selbstverständlich mit wesentlichen Ergänzungen, Erweiterungen und Aktualisierungen. Dieser Aufsatz fiel nämlich seinerzeit etwas zwischen Tisch und Bank, weil er mit schweizerischem Material erarbeitet, jedoch in Österreich publiziert worden war. Jedenfalls wurde die Thematik in der Folge nie generell weiter aufgegriffen. Unter den Kunsthistorikern schulde ich namentlich Brigitte und Peter Kurmann-Schwarz Dank für verschiedene Hilfestellungen. Das Team der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte ( GSK), insbesondere Frau Stephanie Ehrsam, stellte viel Material online zur Verfügung. Für Ratschläge zum Unterkapitel über das Mittelalter als Vorspann danke ich Beat Kümin und Christian Hesse. Weitere Auskünfte und Hinweise gaben dankenswerterweise Rolf De Kegel, Cornel Dora, Urban Fink, Albert Fischer, Silvan Freddi, Norbert Furrer, Jörg Garms, André Holenstein, Johannes Huber, Roland Inauen, Herbert Karner, Benjamin Leven, Markus Ries, Martin Scheutz, Kathrin Utz Tremp. Dem « non-digital-native» half Ursin Beeli geduldig bei ungewohnten Computerproblemen. Wendelin Brühwiler, Harald Liehr, Sonja Peschutter und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlags Schwabe danke ich für die angenehme Zusammenarbeit.
Die Arbeit am vorliegenden Werk wurde gegen Ende 2020 unter der Fuchtel der zweiten Corona-Welle begonnen. Das brachte ungewohnte Erschwerungen mit sich, besonders wegen der stark eingeschränkten Bibliotheksbenutzung. Die online zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zum Thema waren ziemlich beschränkt; von der hier benutzten Literatur war kaum etwas online greifbar. Immerhin ist nun die wichtige Quelle der « Kunstdenkmäler der Schweiz» vollständig digitalisiert. In dieser Situation habe ich darauf verzichtet, entlegene Literatur, besonders über die Schweiz hinaus, mit Mühe und Kosten herbeizuschaffen. Doch bot – wenig erwartet – die Pandemie auch Vorteile. Wenn man neben den gewöhnlichen Obliegenheiten nicht den ganzen Tag rezeptiv, sei es mit den eigenen Bibliotheksbeständen oder im Internet, verbringen will, so bietet das Schreiben eine angenehme Abwechslung, zumal es auch von den aktuellen gesundheitlichen Problemen etwas ablenkt. Auch wird man sich dabei bewusst, auf welch hohem Niveau wir leiden: Beim Durchackern des sakralen Baubestands stösst man wiederholt auf Kapellen, die als Bitte oder Dank um Verschonung von der Pest entstanden sind. Unseren Vorfahren blieb tatsächlich in solch schlimmen Zeiten allein der Appell an die höheren Mächte übrig. Dankbar müssen wir daher die Leistungen der medizinischen Forschung von heute anerkennen. Gleichzeitig muss dieser Fortschritt auch wieder relativiert werden. Die Leute lebten im Barockzeitalter weit abgeschlossener und Ansteckungen konnten sich daher längst nicht so rasend schnell und allgemein verbreiten wie im heutigen Zeitalter der uneingeschränkten Mobilität und totalen Globalisierung. Auch die Ursachenforschung der gegenwärtig grassierenden Virenerkrankungen legt es nahe, sich wieder einmal darauf zu besinnen, dass frühere Zeiten nicht durchwegs schlechter waren.