Milchproduktion und Tierschutz

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MILCHPRODUKTION UND TIERSCHUTZ

HINTERGRUNDFAK TEN

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS


Vorwort des Autors Wer Tiere hält, muss für deren Wohlbefinden und Gesundheit sorgen. Freude an den Tieren ist dafür eine Grundvoraussetzung. Viele Schweizer Milchviehhalter haben das in den vergangenen Jahrzehnten unter Beweis gestellt. In kaum einem anderen Land sind Auslauf- und Weidehaltung von Rindern und Kühen so verbreitet wie hierzulande. Die einheimische Viehzucht geniesst mit Recht einen weltweit guten Ruf. Doch es stehen dunkle Wolken am Horizont. Agrarpolitische und andere Fehlentscheidungen haben zu einem Zusammenbruch des Milch-Produzentenpreises geführt, ohne dass die Konsumenten profitiert hätten oder Bauern durch eine substanzielle Mehrerzeugung die Einkommensverluste hätten auffangen können. Als letztes und schwächstes Glied in der Kette sind davon auch die Tiere betroffen. Die einstmals stolze Viehzucht steht heute der vielkritisierten Fleischproduktion punkto Tierschutzrelevanz in nichts mehr nach. Der vorliegende Bericht listet den tierschützerischen Handlungsbedarf bei Haltung, Fütterung, Tierzucht, dem Management und der Mensch-Tierbeziehung detailliert auf. Nach Meinung des Schweizer Tierschutz STS müssen langfristig gesehen Tierzucht und Agrarpolitik ein Gegenmodell zur weltweit betriebenen industriellen Billigstmilchproduktion verwirklichen. Das Ziel sollte eine Milchviehhaltung sein, welche in überschaubaren Einheiten und Herdengrössen (keine Massenkuhhaltung), mit täglichem Weidegang (keine Betonkuhhaltung) und regelmässigem Auslauf ausserhalb der Vegetationsperiode und mit möglichst geringem Kraftfuttereinsatz bei mittleren Leistungen Milch erzeugt. Die Zuchtziele in der Milchviehzucht müssen die Tiergesundheit und die Langlebigkeit samt langer Nutzungsdauer und hoher Milch-Lebensleistung ins Zentrum stellen (keine Wegwerfkuhhaltung). Dafür sollen Bauern mit einem fairen Milchpreis von einem Franken je Liter entschädigt werden.

Dr. Hansuli Huber, dipl. ing. agr. ETH Geschäftsführer Fachbereich

Inhalt Milchproduktion und Tierschutz 3 Tierschutzprobleme Schweiz 4 Kälber 4 Fehlen von Auslauf und Weide 4 Kein Sozialkontakt 4 Weder Spielen noch Springen 4 Mutterlose Aufzucht 4 Fehlernährung bei Mast 5 Problematischer Mastkälberhandel 5 Töten nach der Geburt 5 Aufzucht- und Mastvieh 6 Mangelnde Liegequalität 6 Kaum freie Bewegung 6 Fehlen von Auslauf und Weide 6 Kühe 6 Eingeschränktes Sozialverhalten 6 Kaum Bewegung und zunehmende weidelose Haltung 6 Elektrischer Kuhtrainer 7 Enthornen 7 Drei hauptsächliche Verursacher der Tierwohl- und Gesundheitsprobleme beim Milchvieh 7 Hohe Milchleistung und artwidrige Ernährung 8 Kurzes Kuhleben 8 Kuhausstellungen und -styling 8 Mensch-Tier-Kontakt 9 Tierschutz bringt Vorteile 9 Umwelt- und Klimaschutz 10 Konkurrenz Mensch und Rind 11 Kraftfutter-Einsatz 11 Antibiotika 12 Forderungen des STS 13 Tabellen 14–16 Herausgeber Schweizer Tierschutz STS Dornacherstrasse 101 Postfach CH-4018 Basel Tel. 061 365 99 99 Fax 061 365 99 90 Postkonto 40-33680-3 sts@tierschutz.com www.tierschutz.com Autor Dr. Hansuli Huber, dipl. ing. agr. ETH Geschäftsführer Fachbereich Schweizer Tierschutz STS Fotos Fotolia, Simon Templar, Colourbox, STS © 2016 Schweizer Tierschutz STS

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Milchproduktion und Tierschutz Während der Fleischkonsum seit Jahr-

In Wahrheit nähert sich die weltweit

besonders tierfreundliche Ställe (BTS)

zehnten in der Kritik steht, verfügt die

betriebene intensive Milchproduktion

und der regelmässige Auslauf ins Freie

Milch über ein ausgezeichnetes Image.

nicht nur in Nordamerika, Ozeanien und

(RAUS) werden bis heute nur stiefmütter-

Zwar werden gewisse negative Phäno-

Europa, sondern auch in China und Indien

lich umgesetzt. Nur gerade 10 % der Di-

mene der weltweiten Milchproduktion,

mehr und mehr einer industriellen Pro-

rektzahlungen werden hier investiert. Die

beispielsweise der boomende Einsatz von

duktion. Die Bedürfnisse der Milchtiere

von der Bundesverfassung explizit gefor-

Kraftfutter, der Trend zur permanenten

und ihres Nachwuchses werden zwecks

derten, wirtschaftlich lohnenden Anreize

Stallhaltung, die Leistungstreiberei oder

Billigstproduktion systematisch missach-

für das Tierwohl richtet der Bundesrat bis

das routinemässige Enthornen durchaus

tet und eine Mensch-Tierbeziehung – sei

heute nicht aus, gelten doch die Beiträge

thematisiert, doch leidet darunter der Ab-

dies Pflege, Beobachten oder Kontakt-

oftmals nicht den Mehraufwand für diese

satz von Milchprodukten in keiner Weise.

nahme – existiert in den riesigen Tierher-

tierfreundlichen Haltungsformen ab.

Die Gewinnung von Schaf- und Ziegen-

den praktisch gar nicht mehr.

Die meisten Länder ausserhalb der

milch, mit der Ausmerzung der männ-

Solche Tendenzen lassen sich zuneh-

Schweiz – mit Ausnahme von Österreich,

lichen Babylämmer und -zicklein, wird

mend auch in der Schweiz feststellen,

Norwegen und Schweden – kennen keine

überhaupt nicht kritisch hinterfragt. Das

die sich bislang vom Ausland durch eine

detaillierten Tierschutzvorschriften zur

zunehmende Erzeugen und Ausmerzen

noch eher bäuerlich geprägte Tierhaltung

Milchviehhaltung. Die EU hat lediglich

unerwünschter männlicher Kälbchen wird

abgehoben hatte. Nach Aufhebung der

zur Kälberhaltung eine Tierschutz-Richt-

paradoxerweise nicht der Milchbranche,

Milchkontingentierung 2009 nutzten die

linie erlassen. Für Milchkühe, -schafe und

sondern der Metzgerschaft zum Problem.

Abnehmer die Situation schamlos aus und

-ziegen fehlen bis heute EU-Tierschutz-

Es muss daher nicht verwundern, dass

liessen die Milchpreise in den Keller pur-

Richtlinien. So sind etwa die dauernde

die in Praxis und Wissenschaft durchaus

zeln. In ihre Hände spielten jene Milch-

Anbindehaltung legal und die reine Stall-

bekannten Tierschutzprobleme bei der

bauern, die ihre Bestände massiv vergrös-

haltung mit hohem Kraftfuttereinsatz

Kuh-, Schaf- und Ziegenmilchproduktion,

serten und die Überschussproduktion an-

verbreitet. Diese Tatsache ist deshalb von

welche in ihrer Schärfe der Fleischerzeu-

kurbelten; statt Mass zu halten und das

grosser Bedeutung für Schweizer Bauern

gung in nichts nachstehen, bei der Milch-

Augenmerk auf Qualität und Nachfrage

und Konsumenten, weil der Bund vor ei-

branche auf wenig Interesse stossen. Aus

zu richten. Eine erhebliche Schuld an der

nigen Jahren den Käseimport stark be-

Sicht des Tierschutzes ist das nicht akzep-

Misere trifft die Agrarpolitik der vergan-

günstigt hat und Inlandprodukte damit

tabel. Dies umso weniger, als mit Bildern

genen Jahre mit der Aufhebung der Milch-

zunehmend unfair konkurrenziert wer-

von grünen Wiesen und glücklichen Kü-

kontingentierung, der Grenzöffnung für

den – ohne dass den Verbrauchern die

hen den Konsumenten suggeriert wird, es

Billigstimporte, der aktiven Förderung des

ökologischen und tierschützerischen Pro-

gebe nichts Natürlicheres und Gesünderes

Strukturwandels und der immer stärkeren

bleme beim Importkäse bewusst gemacht

als Milch – und die zunehmenden Tier-

Bevorzugung von Grossbauern. Die in der

würden.

schutzprobleme konsequent ausgeblen-

Verfassung und im Landwirtschaftsgesetz

det werden.

vorgeschriebene Tierwohl-Förderung für

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Tierschutzprobleme Schweiz Kälber

der Umgang mit Kälbern beim Führen auf

halb Quadratmetern je Tier. Ausgerechnet

die Weide und Zurückholen die Mensch-

die spiel- und bewegungsfreudigen Jung-

Fehlen von Auslauf und Weide

Tierbeziehung sowie die Zutraulichkeit

tiere wachsen deshalb platzmässig extrem

Der Grossteil der Kälber erhält keinen

und Halfterführigkeit der Tiere verbes-

beschränkt auf. Rund 75 % der Mastkälber

Auslauf ins Freie, obwohl freie Bewegung,

sern würden.

– 200 000 Tiere – müssen heute noch derart beengt leben. Und sehr viele zur Auf-

frische Luft und Sonne gerade Jungtieren guttut. Kälber mit Auslauf ins Freie sind

Kein Sozialkontakt

zucht bestimmte Kälber werden gar ein-

erwiesenermassen gesünder und müs-

Die Einzelhaltung von Aufzuchtkälbern

zeln in Iglus gehalten.

sen weniger mediziniert werden. Nur je-

in engen Iglus auf knapp drei Quadratme-

dem vierten der rund 265 000 Mastkälber

tern Fläche ist als Ausnahme zur ansons-

Mutterlose Aufzucht

steht ein Auslauf ins Freie zur Verfügung.

ten geforderten Gruppenhaltung legal. Sie

Seit über hundert Jahren und überall, wo

Mit Ausnahme der Mutterkuhhaltung ist

bringt im Vergleich zur dauernden Stall-

professionell Rinder gezüchtet werden,

die für Rinder natürlichste Haltung – die

haltung Kälbern gesundheitliche Vor-

ob in der Schweiz, der EU, in Nord- und

Weide – bei Kälbern unerklärlicherweise

teile mit frischer Luft, Sonne und weniger

Südamerika oder Asien (Ausnahme Mut-

praktisch nicht mehr anzutreffen. Obwohl

Staub, Schadgas und Keimen in der Luft.

terkuhhaltung) werden Kälber nach der

Die grosse Verbreitung dieser ansonsten

Geburt den Müttern weggenommen. Das

restriktiven Haltungsform hat ihre Ursa-

natürliche Mutter-Kind-Verhalten wird so

che in der Tatsache, dass so die haltungs-

vollständig unterbunden. Dies zu einem

und managementbedingte Verhaltensstö-

Zeitpunkt, wo die individuelle Bindung

rung des gegenseitigen Besaugens von

von Kuh und Kalb noch relativ schwach

Kälbern vermieden wird. Doch ansons-

ist, da beide für ein zweifelsfreies ge-

ten verhindert die Iglu-Einzelhaltung das

ruchliches, optisches und stimmliches

angeborene Sozial- und Bewegungsver-

Erkennen des anderen mehrere Tage be-

halten der jährlich rund 200 000 weib-

nötigen. Wird das Kalb der Mutter erst

lichen, zur Aufzucht bestimmten Kälber

nach einer Woche weggenommen, zeigen

und muss daher als tierschutzwidrig an-

beide Tiere viel stärkere Trennungssym-

gesehen werden.

ptome wie Unruhe, Suchen oder Rufen. Die mutterlose Aufzucht hat ihren Grund

4

Weder Spielen noch Springen

darin, dass so von einer Kuh mehr Milch

Die grundsätzlich tiergerechte Gruppen-

für den menschlichen Gebrauch gewon-

haltung von Kälbern bietet den bis zu 160

nen werden kann. Zudem schreiben die

kg schweren Kälbern lediglich eine äus-

Milch-Hygienevorschriften der Schweiz

serst knapp bemessene Fläche von einein-

die Trennung vor. Durch das Fehlen der

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Mutter und den erzwungenen Verzicht auf

werden manchmal 8, 10, 12 Stunden in

nen Kälbern bei den extremen Hochleis-

das Euter-Saugen neigen Aufzuchtkälber

der Schweiz herumgekarrt, um an einem

tungsmilchvieh-Rassen liefert die Statis-

zu Verhaltensstörungen. Sie besaugen die

Viehmarkt noch einige Franken mehr lö-

tik. Gemäss Tierverkehrsdatenbank (TVD)

Zitzen anderer Kälber oder Jungrinder,

sen zu können. Diese Zustände sind ein

ist die Rate der Totgeburten und der Ver-

was den besaugten Viertel zerstören kann,

klarer Verstoss gegen Artikel 152, 1b, wo-

endung von Kälbern zwischen dem ersten

sodass dieses Tier nicht mehr als Milch-

nach Tiere nach dem Einladen schonend

und dem dritten Alterstag bei der Rasse

kuh taugt. Auf Milchviehbetrieben, wel-

und ohne unnötige Verzögerung zu trans-

Red Holstein zwischen 2010 und 2014 um

che Kälber an den Müttern saugen lassen,

portieren sind. Doch bis heute schauen die

rund 17 % gestiegen (2010: 6.08 % Ab-

findet sich diese sonst sehr häufige Ver-

Behörden hier weg. Kälber werden zwi-

gänge; 2014: 7.05 % Abgänge). Diese Rate

haltensstörung praktisch nicht. Praktiker,

schen Transportfahrzeugen umgeladen,

liegt zudem rund 50 % über dem Durch-

welche muttergebundene Kälberaufzucht

in Händlerstationen zwischengelagert

schnitt aller Rindviehrassen (4.7 %). Auch

betreiben, aber auch neue Studien – etwa

und aussortiert und kommen so in Kon-

die Rate bei der Rasse Holstein liegt mit

des Forschungsinstitutes für biologischen

takt mit vielen Artgenossen verschiedens-

6.5 % gegen 40 % höher als der Durch-

Landbau (FIBL) – zeigen, dass so aufge-

ter Herkunft mit entsprechender Keimbe-

schnitt.

zogene Kälber wesentlich stressresisten-

lastung. Kein Wunder, dass damit die eh

Der Verband Proviande hat die Prob-

ter sind.

labile Gesundheit dieser Jungtiere zusätz-

lematik erkannt und im Herbst 2015 eine

lich geschwächt wird, sodass sie extrem

Branchenlösung verabschiedet: Kälber

Fehlernährung bei Mast

anfällig für Krankheiten werden. Nebst

sollen mindestens 21 Tage auf dem Ge-

Zwar schob die Tierschutzgesetzgebung

der ungenügenden Pflege von neuge-

burtsbetrieb bleiben und dort korrekt be-

schon 1981 der weissen Kalbfleischerzeu-

borenen Kälbern auf den Geburtsbetrie-

treut werden.

gung mit dem Verbot von blutarm ma-

ben sind diese Belastung und das unnö-

Gerade in Milchvieh-Grossbetrieben

chenden Futterrationen theoretisch ei-

tige Durchmischen verschiedenster Her-

wird die nötige Pflege samt korrekter Ko-

nen Riegel vor. Doch es sollte bis 2013

künfte die Hauptgründe, weshalb heute

lostrumversorgung neugeborener männ-

dauern, bis die Behörden für Mastkälber

in der Kälbermast extrem hohe Antibio-

licher Kälber oft kleingeschrieben, was

die Zufütterung von Raufutter wie Heu,

tikamengen eingesetzt werden müssen.

der Widerstandskraft und Gesundheit die-

Gras oder Silage verbindlich vorschrie-

Die gesetzliche Vorgabe, dass Transporte

ser Tiere nicht förderlich ist. Kälbermäs-

ben. Allerdings zeigen Studien, dass der

ohne unnötige Verzögerung durchzufüh-

ter beklagen denn auch, dass oft schwa-

Hämoglobin-Gehalt (Anteil roter Blut-

ren sind, zeigt hier – würde ihr nachge-

che, krankheitsanfällige und kranke Tiere

farbstoff) im Mastkälberblut im Vergleich

lebt – deutlichst die praktische Konse-

in den Handel gelangen würden. Ver-

zu Aufzuchtkälbern oder Kälbern aus

quenz für Tierwohl und -gesundheit.

antwortlich dafür zeichnet insbesondere die Milchbranche, welche die Bauern ei-

Mutterkuhhaltung auch heute noch häufig tief ist. Weiterhin werden Mäster, die

Töten nach der Geburt

nem extrem starken Preis- und Rationa-

ihre Tiere korrekt halten und füttern, für

Die für die Weiterzucht ungeeigneten

lisierungsdruck aussetzt. Männliche Käl-

(rosa-)rötliches Fleisch mit Farbabzügen

Kälber aus extremer Milchleistungszucht

ber einseitiger Milchrassen werden so nur

bestraft. Insbesondere das Gastrogewerbe

sind für die Grossviehmast nahezu und

mehr als Wegwerfware und (arbeits)wirt-

bevorzugt hellrosa-farbenes Kalbfleisch

selbst für die Kälbermast zunehmend un-

schaftliche Belastung angesehen.

und lässt rosa-rötliches Fleisch von na-

geeignet, da sie viel weniger Fleisch an-

Derartige Tendenzen ziehen sich

türlich ernährten Kälbern mehrheitlich

setzen. Alternative Mastformen für solche

durch einen Grossteil der Schweizer Vieh-

links liegen. Gerne wird zu diesem Zweck

Tiere werden bislang in der Schweiz nicht

zucht. Auch Biobetriebe sind betroffen.

auch auf Import-Kalbfleisch zurückge-

praktiziert. Bereits 9000 Kälber im Jahr

Schätzungsweise 20 000 bis 25 000 un-

griffen, das nicht nur von fehlernähr-

werden deshalb heute sehr früh getötet,

erwünschte Biokälbchen werden jedes

ten, sondern im Vergleich zum Schwei-

teilweise auch illegal und unter der von

Jahr weggeben an konventionelle Mast-

zer Standard auch extrem tierschutzwid-

der Verordnung über das Schlachten und

betriebe. Das ethische und wirtschaftliche

rig gehaltenen Tieren stammt.

die Fleischkontrolle VSFK genannten Al-

Problem wird fragwürdigerweise weiter-

terslimite von sieben Tagen. Viele Milch-

gegeben an Nicht-Biobetriebe.

Problematischer Mastkälberhandel

viehbetriebe mit Hochleistungskühen se-

Händler kaufen für die Mast bestimmte

hen männliche Kälber heute nur mehr als

Kälber zu einem Zeitpunkt auf, wo im Kalb

Kostenfaktor: Sie sollen raschmöglichst

der mit der Muttermilch aufgenommene

fort vom Hof; entsprechend schlecht ist

Schutz gegen Erkrankungen am Versie-

oft die Pflege der Neugeborenen.

gen, das eigene Immunsystem aber noch

Einen Hinweis auf ein mögliches Ent-

unterentwickelt ist («Immunloch»). Kälber

sorgen von unerwünschten neugebore-

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Aufzucht- und Mastvieh

das artgemässe Fortbewegungsverhalten.

Fehlen von Auslauf und Weide

In der drangvollen Enge stören sich die

Während rund drei Viertel der Auf-

Mangelnde Liegequalität

Jungtiere immer wieder, jagen liegende

zuchtrinder wenigstens in den Genuss

Anstelle von Einstreu, Sand oder anderen

auf und verdrängen rangniedere unsanft.

von Auslauf und Weide kommen, hat

geeigneten Liegematerialien lässt die Tier-

Ein weiterer Teil der Mast- und vor allem

etwa die Hälfte des Mastviehs keinen Aus-

schutzverordnung auch harte Gummimat-

der Aufzuchtrinder müssen in Anbinde-

lauf ins Freie und muss bis zur Schlach-

ten zu, welche den Ansprüchen von Rin-

haltungen leben. Sie dürfen an 275 Ta-

tung in beengten, kahlen Stallbuchten

dern an einen Liegeplatz nicht entspre-

gen im Jahr permanent an der Krippe fi-

verbringen. Diese Haltungsbedingungen

chen, rasch verschmutzen und glitschig

xiert werden und müssen an den übri-

stehen der seit 1991 in der Schweiz verbo-

werden. In Wahlversuchen werden diese

gen 90 Tagen im Jahr lediglich für eine

tenen Käfighaltung von Hühnern in ihrer

von den Tieren gemieden. Die Einstreu

Stunde etwas freie Bewegung erhalten.

Tierschutzwidrigkeit in nichts nach. Das

wird stets vorgezogen.

Diesen Jungtieren wird nicht nur die

Weiden von Mastvieh, als natürlichste

freie Bewegung, sondern auch das natür-

und klimafreundlichste Haltungsform,

Kaum freie Bewegung

liche Sozial- und Körperpflegeverhalten

wird mit Ausnahme der Mutterkuhhal-

Für die bis zu 500 kg schweren Masttiere

weitgehend vorenthalten. In bestehenden

tung und einzelner Label-Weiderinder-

sind lediglich drei Quadratmeter Lebens-

Ställen ist zudem der Einsatz des elektri-

programme im Grasland Schweiz kaum

raum vorgeschrieben. Dieser Platz reicht

schen Kuhtrainers über dem Rücken der

mehr praktiziert.

nur gerade zum Liegen, nicht aber für

Tiere noch zugelassen.

Kühe Eingeschränktes Sozialverhalten Die seit Anfang der 1980er-Jahre in der Schweiz betriebene Mutterkuhhaltung – heute rund 90 000 Tiere – kommt dem Rinder-Sozialverhalten weitestgehend entgegen. Diese dient allerdings der Fleischerzeugung (Naturabeef). Demgegenüber müssen die rund 600 000 Milchkühe beim Tierwohl teilweise erhebliche Abstriche in Kauf nehmen. Einerseits weil sich nach wie vor zwei von drei Kühen nicht frei in einer Herde bewegen können, sondern angebunden gehalten werden, oft noch unter dem elektrische Kuhtrainer. Andererseits, weil die Kinderauf-

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Drei hauptsächliche Verursacher der Tierwohlund Gesundheitsprobleme beim Milchvieh 1. Mängel in der Haltung (z. B. fehlende Weiden und Ausläufe, verbreitete Einzelhaltung, verwehrtes Sozialleben, Kuhtrainereinsatz, mangelnde Pflege und Tierbeobachtung)

sächlicher Lebensraum umfasst eine Flä-

rischer Draht über dem Rücken der Tiere,

che von gerade mal 110 x 185cm, in dem

der diese beim Koten oder Harnen zwingt,

sie lediglich stehen oder liegen können

einen Schritt zurückzutreten, sodass das

zu 99 % ihrer Lebenszeit. Höchst prob-

Lager weniger verschmutzt. Das eh schon

lematisch ist, dass der gesetzlich vorge-

beengte Leben angebundener Kühe wird

schriebene Minimalauslauf von 90 Mal im

dadurch zusätzlich eingeschränkt und die

Jahr in der Regel nicht gerichtsverwertbar

Fruchtbarkeit der Tiere leidet. Dessen un-

kontrolliert werden kann, wie Vollzugs-

geachtet mehren sich in jüngster Zeit Stim-

behörden zugeben. Ein Bauer, der seine

men von Bauern, die das Kuhtrainer-Ver-

Tiere permanent angebunden hält, hat lei-

bot wieder rückgängig machen möchten.

2. Einseitige Hochleistungszucht (senkt Lebens- und Nutzungsdauer der Kühe, bedingt rasche Remontierung, bedingt hohe ImportkraftfutterDiäten im Grasland Schweiz, erzeugt für die Mast ungeeignete Kälber, bedingt grossen und aktuell tierschutzwidrig betriebenen Tränkerhandel, da Milchviehbetriebe nur mehr Milch produzieren wollen)

der grosse Chancen, dass sein Vergehen

3. Zunehmende Herdengrössen, um mittels Mehrproduktion starken Preisrückgang bei Milch auszugleichen und Einkommen zu halten

nie zur Anzeige und Verurteilung kommt.

Enthornen

Die von der neuen Agrarpolitik stark

Bei den allermeisten in der Schweiz gehal-

begünstigten Schweizer Grossbetriebe

tenen Tieren der Milchvieh-Rinderrassen

halten ihre Kühe aus arbeitswirtschaft-

(Braun- und Fleckvieh) wachsen ebenso

lichen Gründen zwar in Freilaufställen,

wie bei den meisten einheimischen Milch-

doch verzichten immer mehr auf den Wei-

ziegenrassen natürlicherweise Hörner. Al-

degang. Die reine Stallhaltung («Beton-

lerdings gibt es auch hornlose Linien, die

kuhhaltung») nimmt in der Schweiz zu. In

züchterisch bearbeitet wurden. Genetisch

der EU geht man davon aus, dass mit Aus-

hornlose Rassen und Herden sind in der

nahme von Irland Milchkühe in zwan-

Fleischrinder-Mutterkuhhaltung von Be-

zig Jahren weidelos in ausschliesslicher

deutung und im Vormarsch. Heute dürf-

Stallhaltung leben müssen. In den USA

ten über 90 % der Rinder bereits als Käl-

wird das Gros der Kühe schon längere

ber enthornt werden. Im Unterschied zum

zucht, das Kuh-Kalb-Verhältnis, wegfällt

Zeit ohne Weide gehalten. Auch die nun

Ausland ist die Schmerzausschaltung

und die Selektion unter den Kühen durch

in China aufgebauten Riesenmilchvieh-

beim Enthornen gesetzlich vorgeschrie-

den Menschen hoch ist. Aufgrund man-

betriebe mit zehntausenden von Kühen

ben. Zudem sind gewisse Enthornungs-

gelnder Leistung und Krankheiten verlas-

basieren ausschliesslich auf Stallhaltung.

praktiken verboten. Die Hörner spielen

sen viele Tiere frühzeitig die Herde, so-

Dabei hat das Weiden von Kühen bezüg-

bei der Kommunikation, der Festlegung

dass Kuhfreundschaften, die unter natür-

lich Ammoniak- und Klimagasemissionen

der Rangordnung und der Körperpflege

lichen Bedingungen oft ein Leben lang

klare Vorteile gegenüber der Stallhaltung

eine wichtige Rolle bei Rind und Ziege.

halten und vornehmlich zwischen Müt-

und stellt im Grasland Schweiz nicht nur

Das Enthornen stellt eine Anpassung an

tern und Töchtern bestehen, immer wieder

die natürlichste, sondern auch die ökono-

den Menschen (Unfallgefahr) oder ans

getrennt werden. Zudem besteht eine Ten-

misch interessanteste Form der Milcher-

Haltungssystem dar. Praxisuntersuchun-

denz zu immer jüngeren Herden bei einer

zeugung dar. Wahlversuche deuten dar-

durchschnittlichen Anzahl von mittler-

auf hin, dass Kühe Weiden und Ausläufe

weile weniger als drei Laktationen.

gegenüber Ställen vorziehen. Dies wechselt nur bei problematischem Wetter (Re-

Kaum Bewegung und zunehmende

gen verbunden mit Kälte oder Hitze), wo

weidelose Haltung

Tiere Schutz im Stall suchen.

65 % der Milchkühe leben in Anbindeställen, wo die Bewegung per se einge-

Elektrischer Kuhtrainer

schränkt ist. Rund 100 000 von ihnen er-

Noch schätzungsweise 300 000 Kühe sind

halten keinen regelmässigen Auslauf ins

diesem (Quäl-)Instrument ausgeliefert, zu

Freie. Sie werden an 275 Tagen im Jahr

dem eine Studie des Bundesamtes für Ve-

permanent an der Krippe fixiert und er-

terinärwesen schon vor über fünfzehn Jah-

halten an den übrigen 90 Tagen im Jahr

ren zum Schluss kam, dass es nicht mit den

lediglich für eine Stunde etwas freie Be-

Grundsätzen der Tierschutzgesetzgebung

wegung. Diesen Kühen wird nicht nur die

zu vereinbaren und demnach Tierquälerei

freie Bewegung, sondern auch das na-

sei. Doch noch immer ist der Einsatz legal.

türliche Sozial- und Körperpflegeverhal-

Lediglich der Einbau in einen neuen Stall

ten weitgehend vorenthalten. Ihr haupt-

ist verboten. Der Kuhtrainer ist ein elekt-

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gen der ETH Zürich zeigen, dass die Frei-

Lahmheiten und Verhaltensprobleme. Mit

tungsbetriebe, während die Anreize zur

laufstallhaltung auch mit behornten Rin-

steigender Milchleistung werden die Kühe

Weidehaltung stiefmütterlich bleiben.

dern und Kühen möglich ist. Wichtig sind

auch grösser. Dies hat zur Folge, dass Lä-

neben einem guten Mensch-Tier-Verhält-

germasse in Anbinde- und Freilaufstäl-

Kurzes Kuhleben

nis und einem permanent zugänglichen

len heute oftmals zu klein sind und Land-

Aufgrund strenger Selektion auf immer

Auslauf, dass die zur Verfügung gestell-

wirte erhebliche finanzielle Investitionen

höhere Milchleistungen sowie dem Auf-

ten Laufflächen grosszügig dimensioniert

in deren Vergrösserung tätigen müssen.

treten von leistungs-, haltungs- und füt-

sind. Denn behornte Tiere brauchen mehr

Infolge der riesigen Euter können sich

terungsbedingten Krankheiten sinkt die

Raum zum Ausweichen.

solche Kühe kaum mehr artgemäss fort-

Anzahl Laktationen je Kuh ständig. Eine

bewegen, ihr Gang ist oft staksig-breit-

durchschnittliche Braunviehkuh (Fleck-

beinig und ein Galopp unmöglich.

vieh resp. Holstein) wird nur noch 6.7

Hohe Milchleistung und artwidrige

Da die Milchproduktion selbst bei

(6.2 resp. 6.3) Jahre alt und bringt 4.1 (3.8

Durch eine Optimierung der Fütterung so-

bestem Grundfutter (Heu, Gras, Silage)

resp. 3.3) Laktationen mit einer Lebens-

wie die jahrzehntelange Einkreuzung mit

nicht mehr als 6000 bis 7000 kg hergibt,

leistung von 27 100 kg (26 000 kg resp.

Milchrassen steigt die durchschnittliche

benötigen Hochleistungskühe anteilmäs-

26 400 kg) (2008). Zum Vergleich: Vor 50

Milchleistung von Jahr zu Jahr. Während

sig hohe Kraftfuttergaben. Selbst dem

Jahren wurden Kühe im Durchschnitt für

heute ein Zweinutzungsrind, etwa das

Bundesrat ist diese Entwicklung mittler-

sechs Laktationen genutzt und brachten

Original Schweizer Braunvieh im Durch-

weile nicht mehr ganz geheuer. So schrieb

sechs Kälber zur Welt. Auch heute noch

schnitt 6000 kg Milch pro Laktation er-

er in der Botschaft zur Agrarpolitik 2014–

gibt es hie und da Kühe, die zeigen, wel-

zeugt, liefern die milchbetonten Linien

2017: «Der Trend bei der Wiederkäuerfüt-

ches Lebens-Leistungspotential in ihnen

des stark eingekreuzten Brown-Swiss-

terung geht in Richtung eines verstärk-

stecken würde. So sind Tiere bekannt mit

Viehs im Durchschnitt 7000 kg Milch.

ten Kraftfuttereinsatzes. Dadurch droht

15 bis 18 Laktationen und Lebensleistun-

Am extremsten verlief die Milchleistungs-

ein strategischer Wettbewerbsvorteil der

gen von 100 000 bis 120 000 kg Milch!

steigerung beim Holsteinvieh: 1991 6400

Schweizer Milch- und Fleischproduk-

Die hauptsächlichen Abgangsursa-

kg, 2001 7400 kg und 2010 8400 kg je

tion langfristig verloren zu gehen. Wie

chen bei Kühen sind mit 27 % mangelnde

Laktation; Spitzentiere erreichen in der

der Systemvergleich Hohenrain zeigt,

Fruchtbarkeit, 21 % Eutererkrankungen,

Schweiz gar über 12 000 kg. Fütterung

schneidet die Milchproduktion mit gerin-

17 % Klauen-/Gliedmassen-Krankheiten,

und Haltung solcher Hochleistungstiere

gem Kraftfuttereinsatz und hohem Wei-

12 % ungenügende Leistung, 6 % Unfälle,

sind äusserst anspruchsvoll und stellen

deanteil bei den meisten ökologischen In-

5 % Stoffwechselerkrankungen, 5 % Ab-

höchste Anforderungen an Mensch, Stall

dikatoren je Kilogramm Milch besser ab

kalbeprobleme und 7 % Rest (Braunvieh,

und Fütterung. Werden diese nicht er-

als die kraftfutterintensive Stallhaltung.»

2008). Im Nachbarland Deutschland liegt

füllt, treten rasch und gehäuft leistungs-

Leider blieb diese bundesrätliche Einsicht

die durchschnittliche Laktationsrate be-

bedingte Krankheiten auf wie Euterent-

Makulatur. Die Agrarpolitik 2014-2017

reits bei nur mehr 2.5 und in den USA un-

zündungen, Stoffwechselerkrankungen,

fördert geradezu Gross- und Hochleis-

ter 2 Laktationen. Dieser durch mangelnde

Ernährung

Tiergesundheit bedingte Abwärtstrend bei der Nutzungsdauer von Kühen drückt auf Kosten und Ertrag der Milcherzeugung. Mit der einseitigen Hochleistungszucht hat sich auch eine Art «Wegwerfmentalität» breitgemacht. Jedes Jahr müssen wegen der sinkenden Nutzungsdauer mehr weibliche Jungrinder aufgezogen werden, was den wirtschaftlichen Spielraum der Bauern zusätzlich einschränkt. Kuhausstellungen und -styling Diese traditionellen Anlässe sind aus der Züchterszene nicht wegzudenken und ein beliebtes Schaufenster der Tierzucht. Daran ist aus Tierschutzsicht nichts auszusetzen. Hingegen sind gewisse Exzesse, wie ein zunehmend gekünsteltes Sty-

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Tierschutz bringt Vorteile In der Milchviehhaltung leisten Tierschutzmassnahmen einen

wicht fallen jedoch der Milchausfall während der Behandlung

wichtigen Beitrag, um die Produktionskosten im Griff zu haben.

und die geringere Milchleistung der Kühe in der Folge. Bessere

Eine ETH-Modellrechnung ergab, dass bei Beschränkung des

Tiergesundheit bedeutet deshalb nicht nur geringere Tierarzt-

Weidegangs auf die gesetzlichen Vorschriften von nur 90 Mal

kosten, sondern vor allem auch bessere Leistungen, weniger

Auslauf im Jahr der erzielbare Milcherlös um mehrere Rappen

Leistungsausfälle und Abgänge, bessere Ausnützung von Ge-

pro Kilogramm niedriger ausfällt, als wenn die Kühe von Früh-

bäuden und Einrichtungen, niedrigere Futter-, Remontierungs-,

jahr bis Herbst weiden. Der Vollweidebetrieb hat im Vergleich zu

Arbeits- und Pflegekosten.

Betrieben mit Stallhaltung und -fütterung ein Kostensparpoten-

Der Bund hat die gesundheitlichen Auswirkungen von BTS-

zial pro Kuh von mehreren hundert Franken. Weidehaltung und

und RAUS-Haltungen für Rinder und Kühe studieren lassen.

Freilaufställe können die Arbeitszeit reduzieren. Kommt dazu,

Die wichtigsten Ergebnisse waren: Auf den RAUS- und den

dass beim Melken im Freilaufstall mit Melkstand auch die Ar-

BTS+RAUS-Betrieben wurden an den Tieren signifikant weniger

beitsbelastung vermindert wird. Hier finden sich weniger un-

unsauberer Gang oder Lahmheiten beobachtet als auf den Be-

günstige Körperhaltungen und Arbeitsarten als beim Melken

trieben ohne Programm. BTS/RAUS-Betriebe wiesen die tiefs-

im Anbindestall.

ten Häufigkeiten von Verletzungen der Zitzen oder von Vernar-

In- und ausländische Erfahrungen zeigen, dass regelmässi-

bungen an der Zitzenhaut auf und ihre Tiere mussten signifi-

ger Weidegang und Freilaufhaltung Fruchtbarkeit, Tiergesund-

kant weniger oft vom Betriebsleiter oder vom Tierarzt behan-

heit und Langlebigkeit verbessern können. So treten z. B. Klau-

delt werden.

enprobleme, Euterentzündungen und Gliedmassenerkrankun-

Im Gegensatz zur Milch von Kühen mit Kraftfutter-Diäten

gen weniger häufig auf. Hier liegt ein wesentliches Kostenspar-

und reiner Stallhaltung liefern Tiere mit Weidegang Milch und

potenzial, geht man doch davon aus, dass Euterentzündungen

Käse mit mehr Omega-3-Fettsäuen, z. B. Linolsäure. Auch das

und Fruchtbarkeitsstörungen den 40 000 Schweizer Milchbau-

Fleisch von Weiderindern ist ernährungsphysiologisch wertvol-

ern Einbussen von mehreren hundert Millionen Franken jähr-

ler. Das zeigt ein Vergleich der ETH Zürich von Tieren aus Stall-

lich bescheren.

haltung mit Weidetieren. Dieser weist auch nach, dass Fleisch

Tierarztkosten sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die

von Weidemastrindern deutlich zarter ist als von Tieren aus

Tierarzt- und Medikamenterechnungen fallen zwar dem Land-

Stallhaltung-Intensivmast, obwohl Weidetiere viel länger leben

wirt auf und erscheinen in der Buchhaltung. Viel stärker ins Ge-

und mehr Bewegung haben.

ling oder das Versiegeln des Zitzenka-

tensiveren Haltungsformen wie Weide-

tige Beobachtung und Pflege stellen mit

nals sowie das illegale Verabreichen von

mast oder Mutterkuhhaltung wird der

die gesundheitlich und ökonomisch wich-

Schmerzmitteln äusserst fragwürdige Be-

Kontakt zum einzelnen Tier quantitativ

tigsten Schlüsselfaktoren der Tierhaltung

gleiterscheinungen. Zwar sind überlange

oft geringer und der menschliche Zu-

dar – aber auch die von vielen Bauern am

Zwischenmelkzeiten verboten, doch die

gang zum Einzeltier in der Herde gestal-

meisten unterschätzten.

Kontrolle durch Behörden und Veranstal-

tet sich schwieriger. So gehört das Kühe-

Wie wichtig der Faktor Mensch für

ter ist inexistent. An Ausstellungen wer-

putzen mit Bürste und Striegel in vielen

Tierwohl und Tiergesundheit ist, zeigt

den Kühe oft zu völlig veränderten Zeiten

Betrieben längst der Vergangenheit an.

sich an Tränkekälbern auf den Geburts-

gemolken, beispielsweise morgens um ein

Viele Tiere sind sich auch nicht mehr ge-

betrieben beispielsweise bei Durchfaller-

oder zwei Uhr, um an den Präsentationen

wöhnt, zeitweilig angebunden zu stehen

krankungen. Hier finden sich – je nach

tagsüber die Rieseneuter zu generieren.

oder geführt zu werden. Doch weiterhin

Qualität der Tierhaltung – Spannweiten

Dieser tierschutzwidrigen Praxis könnte

müssen Rinder aussortiert, fixiert und ge-

von 10 % bis 100 % je nach Betrieb und bei

nur entgegengewirkt werden, wenn an

führt werden können, ob für eine veteri-

krankheitsbedingten Todesfällen betrof-

Ausstellungen der übliche Melkrhythmus

närmedizinische Untersuchung oder Imp-

fener Tiere Spannweiten von 1 % bis 40 %.

beibehalten würde, d. h. nicht vor vier Uhr

fung, die Klauenpflege, die Umstallung

morgens gemolken würde.

oder den Transport.

Unabhängig

von

ethnologischen

und ökonomischen Vorteilen einer guten

Mensch-Tier-Kontakt

Ob und wie ein Mensch seine Tiere

Mensch-Tier-Beziehung kann die Freude

anspricht und wie diese darauf reagieren,

am Tier für die Menschen auf dem Bau-

Insbesondere durch die zunehmende Tier-

verrät Aussenstehenden viel über die Qua-

ernhof auch sinnstiftend und aufbauend

zahl je Betrieb und durch den Einsatz ar-

lität einer Tierhaltung. Ein positiver Kon-

sein.

beitssparender Einrichtungen, beispiels-

takt führt meist zu ruhigeren, entspann-

weise den Melkroboter, aber auch in ex-

teren und zutraulicheren Tieren. Sorgfäl-

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS

9


portierte in den letzten zehn Jahren nicht nur pflanzliche Lebensmittel für den Menschen, sondern zunehmend auch Kraftfutter für Tiere aus bezüglich Umwelt- und Klimaschutz problematischen Erzeugerregionen. Die Umnutzung von Steppen und anderen natürlichen Grasgebieten könnte zudem ein kurzfristiges Phänomen sein, da der Ackerbau dort meist in Monokulturen und wenig bodenschonend betrieben wird. So ist es absehbar, dass durch Erosion die nur dünne fruchtbare Humusschicht abgetragen wird und die Böden danach weder zu Ackerbau noch zur Viehhaltung mehr gebraucht werden können.

Umwelt- und Klimaschutz

Jährlich geht auf diese Weise die dreifache Fläche unseres Landes an Ackerland weltweit verloren!

Die Schweiz als Ganzes ist «tiermässig»

1 000 Rindern und Schweinen, die welt-

Es ist zu unterscheiden zwischen ei-

nicht überbevölkert, wie ab und zu be-

weit gehalten werden, in der Schweiz le-

ner industriellen Tierproduktion und ei-

hauptet wird. Die 1.3 Mio. Grossviehein-

ben, ist der Einfluss der Schweizer Vieh-

ner bäuerlichen, standortangepassten und

heiten verteilen sich auf 1.1 Mio. ha LW-

haltung auf das Weltklima allerdings be-

artgerechten Tierhaltung, die in erster Li-

Fläche, was einen Besatz von 1.2 GVE/ha

scheiden. Würde man die Nutztierhaltung

nie auf raufutterverzehrende Tiere wie

ergibt. Zum Vergleich: Holland weist 3.5,

hierzulande verbieten, könnte der welt-

Kühe, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde

Dänemark 1.6 und Deutschland 1.1 GVE/

weite CO2-Ausstoss gerade um 0.015 %

setzt und ohne erhebliche Mengen an

ha auf. Trotzdem verursacht die Vieh-

reduziert werden.

Kraftfutter auskommt. Solche naturna-

haltung auch in gewissen Regionen der

Die Klimarelevanz der weltweiten in-

hen Weide-Tierhaltungsformen auf dem

Schweiz eine teilweise starke Umwelt-

dustriellen Tierproduktion, die auf Mas-

Grünland sind eben gerade nicht klima-

Problematik. Betroffen sind Gewässer,

sentierhaltung setzt, ist unbestritten. Be-

relevant, sondern sorgen dafür, dass ver-

Luft und Böden in jenen Kantonen, die in

kannt ist auch die Tatsache, dass beim

mehrt CO2 im Humus des Bodens gespei-

den letzten Jahren trotz bereits bestehen-

Umbruch von Weideland zu Äckern – ob

chert wird.

der, hoher Viehdichte ihre Tierbestände

nun zur menschlichen Ernährung oder zur

Studien an der Forschungsanstalt Re-

weiter aufstockten. Insbesondere im Kan-

Futtermittelproduktion – sowie bei der

ckenholz zu den Umweltwirkungen der

ton Luzern gibt es Regionen mit sehr ho-

synthetischen Herstellung von Stickstoff-

Milchviehhaltung deuten darauf hin,

hen Tiermassierungen und entsprechend

Kunstdünger und dessen Anwendung

dass die weidebasierte Milcherzeugung

viel Anfall von Gülle, ebenso in den Kan-

grosse Mengen an klimarelevantem CO2

eine bessere Ökobilanz aufweist als die

tonen Appenzell Innerrhoden, St. Gallen,

und Lachgas in die Atmosphäre entwei-

reine Stallhaltung; ganz abgesehen da-

Thurgau, Zug, Obwalden, Nidwalden und

chen. Deshalb ist die zunehmende Aus-

von, dass bei regelmässigem Weidegang

Freiburg mit zwei und mehr GVE/ha. Hin-

dehnung der Ackerflächen auf ungeeig-

das Tierwohl und die Tiergesundheit bes-

gegen liegen alle anderen Kantone unter

neten Standorten, etwa zur industriellen

ser sind und der und der Medikamenten-

1.0 GVE/ha. In Regionen mit einem Zuviel

Futtermittelproduktion für Tierfabriken,

einsatz geringer ist. Dieses Beispiel zeigt,

an Nutztieren kann ein Übermass an aus-

extrem klimarelevant.

dass das Tierwohl keinen Gegensatz zur

gebrachtem Hofdünger Grund- und Ober-

Weltweit verursacht die Rodung von

flächengewässer mit Nitrat und Phosphor

Wäldern für Viehweiden und die Umnut-

anreichern oder vermehrt Ammoniak in

zung von natürlichen Gras- und extensi-

die Luft entlassen. Auch Rückstände von

vem Weideland, wie Steppen, Savannen

Human- und Tierarzneimitteln können in

und Pampas, zu Ackerland (u.a. für Soja-

Boden und Wasser gelangen.

und Getreideanbau) ca. 20 % aller Treib-

Man geht davon aus, dass die welt-

hausgasemissionen. Durch den Freihan-

weite Nutztierhaltung für rund 15 % der

del werden die klimarelevante Produktion

von Menschen verursachten CO2-Emissi-

und weltweite Verschiebung von Kraftfut-

onen verantwortlich ist. Da nur eines von

ter für Tiere begünstigt. Die Schweiz im-

10

Ökologie darstellt, wie oft behauptet wird.

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS


Konkurrenz Mensch und Rind Wiederkäuer auf der Weide sind in der

Tierhaltung steht auch nicht zwangsläu-

hingegen fördert Pflanzenwachstum und

Regel keine Nahrungsmittelkonkurren-

fig in Nahrungs- und Ressourcen-Kon-

Erträge und sichert die Bodenfruchtbar-

ten der Menschen, da sie Dauergrünland,

kurrenz zum Menschen. Viele Stand-

keit, denn ohne Dünger wären Böden

beispielsweise im Hügel- und Bergge-

orte weltweit, ob nun Steppen, Hügelzo-

rasch ausgelaugt und die menschliche

biet, nutzen und aus Gräsern und Kräu-

nen und Berggebiete, bieten den dortigen

Ernährung nicht mehr gesichert. Darüber

tern, die der Mensch nicht verdauen kann,

Menschen nur Nahrung und Einkommen

hinaus benötigen Äcker einen regelmäs-

Milch und Fleisch erzeugen. Eine bäuerli-

durch eine angepasste Tierhaltung, wäh-

sigen Wechsel der angebauten Pflanzen

che Tierhaltung mit geregelter Weidewirt-

rend der Ackerbau in diesen Gegenden

in einer Abfolge von vier bis sieben Jah-

schaft und eine naturnahe Bewirtschaf-

unmöglich ist oder nicht nachhaltig be-

ren, da eine jahrelange Monokultur mit

tung mit Bio- und IP-Betrieben sind des-

trieben werden kann.

stets derselben Pflanze, z. B. Weizen oder

halb Teil der Klima-Lösung – und nicht

Aber auch dort, wo Pflanzenbau zur

Kartoffel, den Krankheitsdruck erhöhen

Verursacher, wie es die Massentierhaltung

menschlichen Ernährung betrieben wer-

und die Erträge sinken lassen würde. Zu

darstellt. Gerade die Schweiz mit ihrem

den kann, macht Tierhaltung agrono-

jedem dieser Fruchtwechsel gehört zwin-

hohen Anteil an Wiesen-, Weiden- und

misch gesehen Sinn. Einerseits sind che-

gend eine ein- bis zweijährige Einsaat des

Alpgebieten – weniger als ein Drittel der

mische Düngemittel bei vielen Menschen

Ackers mit Gras und Kräutern zur Rege-

landwirtschaftlich nutzbaren Fläche ist

in unseren Breitengraden verpönt. Bei-

neration. Wer könnte das so auf Äckern

ackerbaufähig – bietet dafür beste Vor-

spielsweise die Stickstoffdünger-Herstel-

anfallende Gras oder Heu besser nutzen

aussetzungen.

lung benötigt hohe Mengen an Energie

als Rinder, Schafe oder Ziegen?

Eine korrekt betriebene, bäuerliche

und setzt viel CO2 frei. Der Dung der Tiere

Kraftfutter-Einsatz Der Einsatz von Getreide, Mais, Soja, Kar-

Mio. Tonnen wurden eingeführt, weitere

mehr gefördert wird, zumal mit den heuti-

toffeln, Rüben und dergleichen in der Tier-

500 000 Tonnen im Inland erzeugt, so-

gen Züchtungen auch der Sojaanbau kli-

haltung ist nicht per se schlecht. So setzt

dass gegen 2 Mio. Tonnen in den Viehtrö-

matisch möglich wäre. Stattdessen haben

etwa das Geflügel Getreide am effizien-

gen landeten. Zwanzig Jahre später wur-

sich die Eiweissimporte verdreifacht, So-

testen aller Nutztiere in Eier oder Fleisch

den nur mehr 350 000 Tonnen importiert.

jaimporte gar verzehnfacht. Die Gründe

um. Bei der Pflanzenproduktion für den

Mittlerweile steigt der Import, insbeson-

dafür sind vielfältig: Leistungssteigerung

menschlichen Verzehr fallen grosse Men-

dere von eiweissreichen Futtermitteln wie

der Nutztiere, Ausdehnung der Milch-

gen an Rückständen an, die insbesondere

Soja, von Jahr zu Jahr und liegt mittler-

und Fleischerzeugung, Reduktion des

vom Schwein, dem geborenen «Abfallver-

weile fast wieder drei Mal höher als vor

Fischmehlanteils in den Rationen (um der

werter» optimal genutzt werden können.

fünfzehn Jahren: bei rund 1 Mio. Ton-

Überfischung der Weltmeere Einhalt zu

Schweine sind selbst in der Lage, jun-

nen! Diese Futtermittel wachsen im Aus-

gebieten), Fütterungsverbot von Fleisch-

ges Gras zu verdauen. Hingegen ist der

land auf einer Fläche von rund 250 000

mehl seit der BSE-Krise, Verbot der Spei-

weltweit steigende Kraftfuttereinsatz bei

Hektaren.

serestefütterung an Schweine seit 2011

Raufutterverzehrern, insbesondere in der

Gerade umgekehrt verlief die Ent-

Milch- und Rindfleischerzeugung, äus-

wicklung beim inländischen Futterge-

serst fragwürdig. Einerseits sind kraftfut-

treide. Hier nahm die erzeugte Menge von

terbetonte Rationen nicht wiederkäuerge-

800 000 Tonnen im Jahr 1995 bis heute

mäss und können zu Gesundheitsstörun-

auf nur mehr 550 000 Tonnen ab. 70 000

gen führen. Andererseits werden heute für

Tonnen davon sind Eiweissfuttermittel.

die Kraftfutterproduktion zur Fütterung

Zwar fragt die Schweiz lediglich 0.3 % der

von Hochleistungskühen riesige Acker-

weltweit gehandelten Sojamenge nach,

flächen weltweit zweckentfremdet.

während alleine die EU und China 60 %,

Vor 40 Jahren erreichten Import und

also 200 Mal mehr am Weltmarkt abräu-

Einsatz von Kraftfutter in der Schweiz

men. Trotzdem ist es bedenklich, dass in

einen absoluten Höchststand. Rund 1.5

der Schweiz der Futtermittelanbau nicht

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS

sowie aktuell relativ tiefe Preise für Importfuttermittel.

11


Antibiotika Der hohe Antibiotika-Einsatz in der Käl-

Betrieb zu Betrieb. So lag die Spannbreite

fektionen und Entzündungen der Atem-

bermast ist beunruhigend. Gemäss Schät-

zwischen dem besten und dem schlech-

wege hervorrufen kann und gegen be-

zungen sollen jährlich 10 Tonnen Anti-

testen Betrieb zwischen 19 % und 333 %

stimmte Antibiotika resistent ist: der so-

biotika verabreicht werden. Jedes zweite

antibiotikabehandelter Kühe einer Herde.

genannte «Krankenhauskeim». Die MRSA-

der 250 000 Mastkälber soll gemäss Tier-

Das Vorkommen von ESBL in Schwei-

Frequenz liegt gemäss Studien bei Mast-

ärzten zumindest einmal in seinem kurzen

zer Rinderherkünften liegt gemäss einer

kälbern in Deutschland und Belgien bei

Leben mit Antibiotika behandelt worden

neueren Studie bei 8.4 % (zum Vergleich:

45 %, in der Schweiz bei 4 %. MRSA wer-

sein. Neuere Studien deuten auf im Durch-

Grossbritannien 35.4 %, Frankreich 4.8 %).

den auf Transporten auf andere Tiere

schnitt 30 Antibiotika-Behandlungstage/

ESBL steht für «Extended-Spectrum Beta-

übertragen. Je mehr Tiere angeliefert wer-

Mastumtrieb hin. Wenn Kälbermäster

Laktamasen» und bezeichnet Enzyme, die

den, desto grösser ist das Risiko. Deshalb

hingegen Kälber aus dem eigenen Betrieb

ein breites Spektrum von Beta-Laktam-

dürfte auch für Kälber-, Rinder- und Kuh-

oder der Region ohne Zwischenhandel in

Antibiotika unwirksam machen. Bakte-

betriebe gelten, was das deutsche Institut

kleineren Gruppen um 20 bis 40 Tiere re-

rien, die diese Enzyme produzieren, wer-

für Risikobewertung unlängst für Schwei-

montieren und mästen, kommen sie im

den dadurch resistent gegenüber wichti-

nemastbetriebe aufgezeigt hat: Je mehr

Durchschnitt mit lediglich etwa zwei An-

gen Wirkstoffen. Jedes zweite untersuchte

Tiere ein Betrieb hielt, desto höher war

tibiotika-Behandlungstagen, also 15 Mal

Schweizer Schlachtrind und jedes vierte

die MRSA-Frequenz. Am geringsten war

weniger, aus.

Schlachtkalb aus Milchviehbetrieben wies

diese auf kleinen sowie geschlossenen Be-

ESBL auf, d.h. ein Mehrfaches des durch-

trieben, d.h. auf Höfen, die ihre Jungtiere

Durchschnitt einmal im Jahr mit Antibio-

schnittlichen

aus eigener Nachzucht remontierten, statt

tika behandelt, wie eine Studie der Uni-

Schweizer Rindern. Als mögliche Gründe

versität Bern zeigt. Bei 40 % dieser Ap-

für diese überdurchschnittlich hohen Re-

plikationen handelt es sich allerdings um

sistenzbefunde wurden die häufigen Eu-

sogenannte «Trockensteller», d.h. Anti-

terbehandlungen in Milchviehbetrieben

biotika, welche bei hochträchtigen Kühen,

genannt. Kälber in diesen Betrieben wür-

die nicht mehr gemolken werden, in die

den via Kontamination von Mist/Fäkalien

Zitzen gespritzt werden, um das Euter vor

und hauptsächlich dem Vertränken anti-

möglichen Infektionen zu schützen. Diese

biotikabehandelter Milch ESBL-Resisten-

Präventionsmassnahme wird seit vie-

zen entwickeln. Ebenfalls eine überdurch-

len Jahren von der Beratung empfohlen,

schnittlich hohe ESBL-Frequenz von 20 %

auch bei völlig gesunden Eutern. Sie trägt

fand sich auf Betrieben mit hohem Tier-

mit dazu bei, dass im internationalen Ver-

zukauf und fleissigem Tierhandel.

In der Schweiz wird jede Milchkuh im

ESBL-Vorkommens

bei

gleich der Antibiotikaeinsatz in Schwei-

Der Methicillin-resistente Staphylo-

zer Milchviehherden relativ hoch ist. Der

coccus aureus (MRSA) ist ein Keim, der

Antibiotikaeinsatz variiert indessen von

beim Menschen unter anderem Wundin-

12

praktisch alle Tiere zuzukaufen.

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS


Forderungen des STS 1. Langfristig müssen nach Meinung des

Tierschutzgesetzgebung verboten. Milch-

5.

STS Tierzucht und Agrarpolitik in der

viehhalter, die Kälber nicht gesetzeskon-

beizubehalten.

Schweiz ein Gegenmodell zur weltweit

form töten oder ihnen die notwendige

betriebenen, industriellen Billigstmilch-

Pflege und Fürsorge verweigern, sind

6. Die Zuchtziele in der Milchviehzucht

produktion in Herden mit hunderten und

nach Ansicht des STS hart zu bestrafen.

müssen die Tiergesundheit und die Lang-

tausenden von einseitigen Hochleistungs-

Der STS ruft die Milchviehhalter auf, aus

lebigkeit samt langer Nutzungsdauer und

milchkühen in ganzjähriger Stallhaltung

ethischen Gründen unerwünschte neuge-

hoher Milch-Lebensleistung ins Zentrum

verwirklichen, statt dieser Entwicklung

borene Kälber nicht zu töten.

Das bisherige Kuhtrainer-Verbot ist

stellen. Die Original Schweizer Braun-

im Ausland immer mehr zu folgen. Aus

Kurz- und mittelfristig kann das Sper-

vieh- und Fleckviehrassen, also die idea-

Sicht des STS sollte das Ziel eine Milch-

masexing die Problematik entschärfen,

len Zweinutzungsrinder, sind verstärkt zu

viehhaltung sein, welche in überschauba-

indem so weniger unerwünschte männ-

fördern. Der Durchschnitt der Kühe sollte

ren Einheiten und Herdengrössen (keine

liche Kälber erzeugt werden. Das Sper-

wieder für mindestens fünf bis sechs Lak-

Massenkuhhaltung!), mit täglichem Wei-

masexing wird seit 2007 angeboten und

tationen genutzt werden. Die Milchvieh-

degang (keine Betonkuhhaltung) und re-

bietet 90 % Sicherheit, dass nur Kuhkälb-

zucht soll auf Nachhaltigkeit basieren, der

gelmässigem Auslauf ausserhalb der Ve-

chen auf die Welt kommen. Das Verfahren

aktuellen Wegwerfmentalität ist eine Ab-

getationsperiode und mit möglichst ge-

ist für die US-Firma «Sexing Technolo-

sage zu erteilen.

ringem Kraftfuttereinsatz bei mittleren

gies», die auch in der Schweiz präsent ist,

Leistungen naturnah und tierfreund-

patentiert. Die Nachfrage nimmt vor al-

7.

lich Milch erzeugt. Als Zuchtziele sollten

lem bei Red Holstein- und Holstein-Züch-

ren aus artgemässer Haltung haben ih-

Nutzungsdauer und Zweinutzung (Milch,

tern zu: 2009/10 20 000 Dosen, 2013/14

ren Preis. Konsumenten müssen bereit

Fleisch) verstärkt verfolgt werden.

50 000 Dosen. Allerdings fallen die hohen

sein, für Schweizer Weide-, Bio- und

Kosten von durchschnittlich über CHF

Label-Milch mehr zu bezahlen und sol-

200 pro Kalb ins Gewicht.

che Herkünfte nachzufragen statt zum

2. Das Töten unerwünschter neugebore-

Milch- und Milchprodukte von Tie-

Billig(import)produkt zu greifen. Von aus-

ner Kälber wirft erhebliche ethische und tierschützerische Fragen auf. Aus Sicht

3. Der Tränkerkälberhandel ist effizien-

schlaggebender Bedeutung für das Über-

des STS ist diese Praxis konsequent abzu-

ter zu gestalten, Kälbermärkte sind abzu-

leben von bäuerlichen Milchvieh-Struk-

lehnen, da alleine arbeits- und betriebs-

schaffen. Der Tierschutzvorschrift, wo-

turen, welche im Unterschied zu Kuh-

wirtschaftliche Argumente kein akzep-

nach Tiere sorgfältig und ohne unnötige

Massentierhaltungen beste Voraussetzun-

tabler Grund sind, um ein gesundes, le-

Verzögerung zu transportieren sind, ist

gen für eine artgemässe Tierhaltung besit-

bensfrohes neugeborenes Kalb zu töten.

konsequent Nachdruck zu verschaffen.

zen, ist ein fairer Milchpreis. Wenn heute

Zudem dürfte den meisten Bauern das

Kälbermäster sollen ihre Tiere direkt und

bei der Milch nur mehr 40 % des Kon-

Wissen und Können für eine korrekte Be-

aus der Region beziehen, wobei die Grup-

sumentenfrankens beim Bauern landen,

täubung und Tötung fehlen. In tierschüt-

pengrösse 30-40 Tiere nicht überschrei-

stimmt etwas nicht. Würde den Bauern

zerischer Hinsicht sind aber auch Prak-

ten sollte.

mit guter Tierhaltung ein Milchpreis von 1 Franken ausbezahlt, müsste ein durch-

tiken wie schlechtes Management (z. B. fehlende oder ungenügende Kolostrum-

4.

Die reine Stallhaltung ist nicht rin-

schnittlicher Milch(produkte)konsument

versorgung, Nabelpflege, Unterbringung

dergemäss. Deshalb ist eine flächende-

im Monat nicht mehr als 15 Franken zu-

etc.) oder gar das Unterlassen von Pflege

ckende Beteiligung am RAUS-Programm

sätzlich ausgeben. So viel müsste uns das

oder tierärztlicher Betreuung bei (uner-

für Kälber, Mastvieh und Kühe anzustre-

Tierwohl wert sein!

wünschten) erkrankten Kälbern, etwa mit

ben. Zusätzlich zu fördern sind Weide-

dem Ziel, diese Tiere eingehen zu lassen,

haltungen, auch für Mastvieh und Kälber.

höchst verwerflich und deshalb von der

Der Bundesrat ist aufgerufen, solche Haltungsformen mit wirtschaftlich lohnenden Beiträgen zu unterstützen, so, wie es die Bundesverfassung fordert. Weiter ist das Schaffen von grosszügigeren Ausläufen und Stallflächen zu subventionieren, um so die Haltung von behornten Kühen wieder zu ermöglichen.

SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS

13


Halter und Bestand von gemolkenen Kühen in der Schweiz

Milchproduktion weltweit, nach Tierart in Mio. Tonnen

Kuhhalter und Kuhbestand nach Grössenklasse Anzahl Kühe

Kuhhalter im Jahr Kuhbestand im Jahr 2011 2012 2013 2011 2012 2013 1-20 16’863 16’082 15’277 207’177 200’046 189’084 20-50 13’356 13’364 13’396 319’490 323’220 325’029 > 50 1’459 1’539 1’611 62’572 67’946 72’496 Total 31’678 30’965 30’284 589’239 591’212 586’609 Es gibt total weniger Tierhalter, aber mehr Tierhalter mit Beständen über 50 Kühen. Die Anzahl Kühe ist ungefähr gleich geblieben, aber es gibt mehr Tiere in Beständen über 50 Kühe. Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS)

Milchart 2010 2011 Kuhmilch 606.1 624.2 Büffelmilch 93.2 97.4 Ziegenmilch 17.8 18.2 Schafmilch 9.9 9.9 Andere 3.1 3.0 Total 730.2 752.6 Die Milchproduktion weltweit wächst.

2012 637.3 100.7 18.3 10.2 3.0 769.5

Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quelle: Bulletin of the International Dairy Federation 2013, World Dairy Situation

Kuhmilchproduktion und -verarbeitung in der Schweiz im Jahr 2013 586'609 Kühe wurden im Jahre 2013 von 30'284 Kuhhaltern gehalten und produzierten total 4.0 Mio. Tonnen Milch Davon wurden 0.55 Mio. Tonnen an Kälber verfüttert und 0.05 Mio. Tonnen gingen in den bäuerlichen Haushalt Die restliche Milch von 3.4 Mio. Tonnen wurde vermarktet 43.4 % dieser Milch wurde zu Käse und Quark verarbeitet, 15.7 % zu Butter 11.9 % zu Konsummilch, 9.5 % zu Dauermilchwaren 8.4 % zu Konsumrahm, 6.4 % zu Joghurt und Spezialitäten und 4.7 % zu anderen Produkten

Milchleistung der Schweizer Herdebuchkühe nach Rasse in der Periode 2012/13 Standardlaktationen von 305 Tagen

Kuhmilchproduktion in den Top 15 Ländern im Jahr 2012 in 1000 Tonnen

Rasse

Milchleistung kg Braunvieh 6'986 Red Holstein 7'844 Holstein 8'426 Swiss Fleckvieh 6'741 Simmental 5'819 Monbéliarde 7'388 Jersey 5'443 Eringer 3'281 Normande 6'783 Grauvieh 4'388 Hinterwälder 3'982 Wasserbüffel 2'883 Pinzgauer 5'666 Evolène 3'087 Andere 6'284 Je nach Rasse liegen die durchschnittlichen Milchleistungen 2883 kg (Wasserbüffel).

Fett Eiweiss % % 4.07 3.39 4.08 3.26 4.00 3.21 4.05 3.26 3.93 3.32 3.77 3.32 5.31 3.85 3.75 3.38 4.06 3.44 3.76 3.23 4.07 3.39 7.40 4.43 3.73 3.30 3.70 3.45 4.24 3.40 zwischen 8426 (Holstein) und

Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quellen: Braunvieh Schweiz, Holstein Switzerland, Schweizerischer Eringerzuchtverband und swissherdbook

14

USA Indien China Brasilien Russian Federation Deutschland Frankreich Neuseeland Türkei Vereinigtes Königreich Pakistan Polen Argentinien Niederlande Ukraine In den USA wird mit Abstand am Milch produziert.

90'865 54'000 37'420 32'304 31'576 30'507 23'983 20'053 15'978 13'884 13'393 12'668 11'815 11'675 11'260 meisten

Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quelle: Food and Agriculture Organisation FAO

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Kuhmilchverarbeitung Schweiz Verarbeitete Milch umgerechnet in 1000 Milchäquivalente 2011 2012 Käse 1'443'145 1'458'231 Quark 16'223 23'214 Konsummilch 415'910 411'721 Rahm 279'259 279'488 Joghurt 113'230 113'263 Übrige Frischmilchprodukte 92'268 97'031 Dauermilchwaren 364'813 367'100 Butter 583'730 588'398 Andere Verwertung, Gewichtsdifferenzen 163'395 132'385 Total 3'471'973 3'470'831 Davon eingeführte Milch (Zone Genf/FL) 26'284 26'643 Total Inlandmilch 3'445'689 3'444'188 Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat)

2013 1'463'090 23'251 408'784 286'420 113'681 106'444 326'734 539'606 160'601 3'428'611 28'898 3'399'713

Jahr Frischkäse inkl. Quark Weichkäse Halbhartkäse Hartkäse Extra Hartkäse Spezialprodukte, Schaf-, Ziegenkäse Total Käse Schmelzkäse, Fertigfondue Total Käse inkl. Schmelzkäse

Verbrauch kg pro Kopf 2013 *2014 6.83 7.07 1.97 1.96 6.26 6.44 3.57 3.58 0.86 0.84 0.14 0.14 19.64 20.03 1.40 1.34 21.04 21.37

Veränderung 2013 / 2014 kg % 0.24 3.5 -0.02 -0.8 0.18 2.9 0.00 0.1 -0.02 -2.4 0.00 1.1 0.39 2.0 -0.06 -4.4 0.33 1.5

* provisorische Zahlen

Konsumentenpreise für Milch und Milcherzeugnisse in CHF Einheit 1l 180 g 2.5 dl

2011 1.54 0.64 1.81

2012 1.55 0.67 1.86

2013 1.60 0.67 1.98

Käse Emmentaler Switzerland AOP Le Gruyère AOP Tilsiter Appenzeller®surchoix Weichkäse Croûte-mixte

100 g 100 g 100 g 100 g 100 g

1.54 1.92 1.42 1.87 2.23

1.49 1.83 1.37 1.77 2.21

1.56 1.82 1.40 1.76 2.25

Vorzugsbutter

100 g

1.71

1.68

1.70

Vollmilch, pasteurisiert Joghurt, mit Aroma Vollrahm

Die Preise für Milch und Milcherzeugnisse stiegen in den letzten Jahren wenig oder nicht an. Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quellen: Bundesamt für Statistik BFS, Erhebungen für den Landesindex der Konsumentenpreise; Bundesamt für Landwirtschaft, Sektion Marktbeobachtung, Marktbericht Milch

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in 1000 Tonnen Europa 210'337 Amerika 181'742 Asien 169'765 Afrika 34'306 Ozeanien 29'604 Welt 625'754 Am meisten Milch wird in Europa, Amerika und Asien produziert. Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quelle: Food and Agriculture Organisation FAO

Quelle: TSM Treuhand GmbH

Käsekonsum in der Schweiz 2013/2014 Produktekategorie

Kuhmilchproduktion in den fünf Kontinenten im Jahr 2012

Pro-Kopf-Verbrauch von Milch und Milchprodukten im Jahr 2012 in kg je Kopf Länder Irland Finnland Australien Grossbritannien Schweden Dänemark Norwegen Spanien Kanada Österreich USA Uruguay Neuseeland Schweiz Brasilien Tschechien Deutschland Italien Frankreich Ungarn Belgien Niederlande Polen Russland China

Konsummilch 139.9 132.4 109.3 106.2 92.1 90.0 86.6 83.2 79.5 77.6 76.4 69.2 67.3 67.0 59.0 58.5 55.0 54.4 54.3 50.6 50.5 49.0 42.2 37.3 15.9

Käse 6.7 23.7 11.8 11.2 19.7 … 17.7 9.3 12.1 19.2 15.2 6.0 6.7 21.1 3.6 16.6 24.3 20.9 26.2 11.5 15.3 19.4 11.4 6.6 0.1

Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quelle: Bulletin of the International Dairy Federation 2013, World Dairy Situation

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5‘/4.2016

Internationaler Handel mit Milchprodukten

Ausfuhr von Käse weltweit im Jahr 2012 in 1000 Tonnen EU 27 Neuseeland USA Australien Belarus Ukraine Schweiz Argentinien Uruguay Andere Total

774 306 260 170 143 68 67 59 47 555 2'449

Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quelle: Bulletin of the International Dairy Federation 2013, World Dairy Situation

Ausfuhr von Schweizer Käse nach Bestimmungsländern im Jahr 2013 in Tonnen, inbegriffen Schmelzkäse, ohne Fertigfondue Europa USA Asien Kanada Ozeanien Lateinamerika Afrika Total Hauptexportländer der Schweiz sind Deutschland, Italien und Frankreich.

51'674 7'656 1'548 1'647 169 128 62 62'884

Einfuhr von Käse nach Herkunftsländern in die Schweiz in Tonnen, inbegriffen Schmelzkäse Herkunftsländer Europa Italien Frankreich Deutschland Niederlande Dänemark Griechenland Österreich Belgien Spanien Portugal Ver. Königreich Schweden Norwegen Luxemburg Europa übrige Total Europa Andere Länder USA Asien Lateinamerika Afrika Kanada Ozeanien Total andere Länder Totaltotal

2005

2008

2011

2014

15 072 10 776 2 870 676 1 001 365 434 2 278 64 105 14 0 0 221 31 658

17 449 11 519 7 229 757 1 383 440 1 080 61 286 121 115 20 0 609 41 069

18 212 13 072 11 276 1 110 1 340 698 1 567 749 382 207 126 10 0 138 48 888

20 253 13 431 13 190 1 495 1 361 1 248 1 208 505 334 299 196 8 1 0 314 53 844

33 0 0 1 0 34 31 692

0 1 0 1 41 069

0 1 0 1 48 888

0 1 0 0 0 1 53 845

Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung (EZV)

Aus: Milchstatistik 2013 (TSM, SMP,SCM, Agristat) Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung (EZV)

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