Friede, Freude - Pustekuchen! | Astrid Eichler | Leseprobe

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Kapitel 1

Wer ist der Größte? Lukas 22,24-30

Es ist gerade eine ganz besondere Stunde gewesen, irgendwie »mit Gänsehaut«. Die Jünger sind seit drei Jahren mit Jesus unterwegs. Sie haben so viel Erstaunliches mit ihm erlebt, sind begeistert und fühlen sich beschenkt. Sie durften Zeugen von Heilungen und Befreiungen werden. Jesus hat völlig neues Leben bewirkt und sie waren hautnah dabei. Dennoch haben sie vieles noch nicht verstanden. Gerade eben, beim Essen, haben sie ihn deshalb vieles gefragt – seine Antworten haben sie bei Weitem nicht alle verstanden. Aber trotzdem – das war etwas ganz Besonderes, diese Tischgemeinschaft. So nah, so klar und zugleich so rätselhaft. Was hat er nur gemeint? Irgendwie lag ein Schatten über dem Ganzen. Und doch: Es war eine wunderbare Gemeinschaft. Sie haben eben zu Ende gegessen, als sich das Folgende unter ihnen zuträgt: Es kam unter den Jüngern ein Streit darüber auf, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe. Da sagte Jesus zu ihnen: »Die Könige der Welt unterdrücken ihre Völker, und die Tyrannen lassen sich ›Wohltäter des Volkes‹ nennen. Bei euch muss es anders sein! Der Größte unter euch muss wie der Geringste werden und der Führende wie einer, der dient. Wer ist denn größer: wer am Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der am Tisch! Aber ich bin unter euch wie der Diener. Ihr habt mit mir durchgehalten in allen Prüfungen, die ich zu bestehen hatte. Dafür werde ich euch an der Herrschaft beteiligen, die mein Vater mir übertragen hat. Wenn ich meine Herrschaft angetreten habe, werdet ihr an meinem Tisch essen und trinken und über die zwölf Stämme Israels herrschen.« Lukas 22,24-30; GNB

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Sie sind hineingenommen in ein heiliges Geschehen, in eine besondere Stunde inniger Gemeinschaft. Und dann das?! Es kam unter den Jüngern ein Streit darüber auf, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe. »Wie kann man nur?!«, höre ich uns förmlich innerlich aufschreien. »So was Dummes! Das kann doch wohl nicht sein! ›Wer ist der Größte?‹ – diese Frage stellt man doch nicht öffentlich! Die trägt man nur im Herzen – oder etwa nicht?« Wir würden das nie so fragen – so platt, so öffentlich. Nein, so nicht! Aber die Frage kennen wir, wenn wir ehrlich sind, oder?

Das Lebensprinzip des Vergleichens Ist nicht unser ganzes Leben letztlich ein Streit darum, groß zu sein, anerkannt zu werden, »wer« zu sein? Wir sind, was wir bei anderen gelten. Wir gelten bei den anderen, was wir leisten. Wer ist der oder die Größte? Es tobt ein (un)heimlicher Wettstreit! Und dieser Wettstreit ist der Boden für viele Konflikte. Wir sind zutiefst geprägt vom Leistungsprinzip. Da ist es gut, der Größte und die Beste zu sein. Es geht doch schon in der Wiege los. Wenn Mütter sich treffen: »Welches Kind läuft zuerst, spricht zuerst, ist zuerst sauber?« Und in der Schule: »Wer ist die Beste? Wer ist der Schnellste, die Schönste?« Der Wettstreit im Sport, Leistungsvergleiche in Mathematik, Vorspiele in der Musikschule, Kämpfe auf dem Pausenhof. Und das geht immer so weiter, auch im Erwachsenenleben: Konkurrenz in der Firma, das Aufzählen von Erfolgen vor Freunden, das Gerede: »Wer hat das sauberste Haus, das perfekteste Leben, die beste Ehe?« Und in der Gemeinde, kann man da nicht auch was werden und sein? Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, aber diesen Wettstreit braucht es doch! Konkurrenz belebt das Geschäft und manche 16


Menschen würden sich ohne Wettstreit gar nicht bewegen. Das ist doch nötig! Das bringt Bewegung ins Leben! Ja, das ist richtig, wenn wir denn wetteifern um das, was wir schaffen, was wir können, was wir, auch unter schwierigsten Bedingungen, noch hinkriegen. Ja, das stimmt, wenn wir aus dem Ergebnis des Vergleiches nicht auf unser Sein, auf unseren Wert und unsere Würde schließen – dann mag es gut sein mit dem Wettstreit und dem Kampf. Doch wenn dahinter die Frage steht: »Wer ist der Größte, was ist mein Wert, welche Würde habe ich?«, dann stecken zerstörerische Kräfte darin. All das sitzt tief in unserem Wesen – und es ist nicht in dem Moment, in dem wir Christen werden, ausgerottet. Da laufen ganz unbewusst Reflexe ab, mit denen wir uns gut darstellen, groß rauskommen und die Besten sein wollen. Es ist ein oft langer Weg, bis unser Denken und Leben verwandelt wird. Und deshalb sind auch unsere Gemeinden davon gezeichnet, dass wir in diesem Wettstreit stehen, in dem es nicht nur um unser Tun, sondern um unser Sein geht.

Ganz alltäglich Natürlich machen wir das nicht so auffällig wie die Jünger. Wir sind da schon klüger! Ein Beispiel: Wieder einmal ist Gemeindefest. Es wurde ein Küchenteam gesucht, was nicht einfach war, denn eigentlich will niemand mitmachen. Gibt es doch sie, die eine, sie, die alle kennen. Für alle ist klar: Sie ist die Chefin in der Küche. Sie hat das Sagen. Sie ist die Größte. Wenn es morgens losgehen soll, ist sie schon da. Sie hat bereits alles vorbereitet, ja, auch manche Aufgabe von anderen ist schon erledigt. Alles ist perfekt – aber es nimmt allen anderen die Luft. 17


Sie hat einen Plan und jeder, der mitmacht, muss sich ihm fügen. Kann man so jemand Fleißigem widersprechen? O nein! Die ganze Atmosphäre ist davon geprägt, dass hier nur eine etwas zu sagen hat. Alle anderen werden verdrängt – da will keiner mehr mitmachen, verständlicherweise. Die Herrscherin der Küche beschwert sich, dass immer alles an ihr hängt – aber sie genießt es auch. Immerhin ist klar: Sie ist die Größte und einfach unverzichtbar. Ohne sie würde es in der Gemeinde nie etwas Richtiges zu essen und zu trinken geben. Das tut ihr gut. Gleichzeitig ist sie allein in der Küche. So etwas spielt sich jedoch nicht nur in der Küche ab. Da gibt es auch andere Szenarien, nehmen wir zum Beispiel ein Musikteam. Der Leiter hat viele Schulungen besucht und an seinen Fähigkeiten gefeilt. Er ist brillant – aber gleichzeitig kommt niemand mehr mit. Wenn andere spielen, leidet er unter ihrer Unfähigkeit und lässt es sie spüren. Schließlich muss ja klar sein, dass er hier der Beste ist. Einer nach dem anderen steigt aus. Erst kein Schlagzeug mehr, dann keine Bassgitarre. Jetzt sind die Sängerinnen am Gehen. Das haben sie nicht nötig, sich ständig anhören zu müssen, dass sie es nicht richtig machen, nicht gut genug sind. Wenn er der Größte sein will, kann er das haben – soll er es eben allein machen. Und wie viele Konflikte am Arbeitsplatz haben hier ihre Wurzel? Konkurrenz »belebt das Geschäft«, aber sie kann auch kaputt machen. Da gibt es die, die alles richtig machen, damit sie immer gut dastehen. Sie machen es sogar dann richtig, wenn die Anordnung »von oben« völlig irrsinnig ist. Kein vernünftiger Mensch würde es so machen. Das Team überlegt, wie es dem Chef vorschlagen könnte, es anders und besser zu machen. Nur einer bleibt dabei: Es wird gemacht wie angeordnet. Schließlich kann nur das bei der Geschäftsleitung Punkte bringen. Anordnungen erfüllen – auch so kann man groß rauskommen. Beliebtheit bei den Chefs – auch das ist eine Art von Größe. 18


Was steckt dahinter? Da gibt es Geschichten über Geschichten. Und irgendwie steht dahinter immer die Frage: Wer ist der Größte, wer ist die Beste? Da sind die einen, die immer alles machen, immer einsatzbereit, freundlich, einfach stark. Und sie können fast alles. Aber irgendwie fühlt es sich schwierig an. Sie machen es, aber sie zeigen auch ständig, was sie machen, und vermitteln damit den anderen, dass sie es nicht richtig machen. Müssen sie beweisen, wie wichtig sie sind? Wer sich dabei ertappt fühlt oder von anderen darauf angesprochen wird, zieht vielleicht die Konsequenz: »Na, dann mache ich eben nichts mehr!« Schmollender Rückzug – auch das gibt es. Wie gut, wenn wir unser Herz prüfen: Was ist das tiefste Motiv bei dem, was ich tue? Und was ist, wenn mir etwas nicht gelingt, wenn ich nicht anerkannt, sondern kritisiert werde? Macht das etwas mit mir, wenn mich die anderen nicht (mehr) sehen? Was ist, wenn ich nicht den verdienten Lohn, nicht die gewünschte Anerkennung bekomme? Was ist, wenn man mir unlautere Absichten unterstellt, meinen Einsatz nicht würdigt oder gar ignoriert? Wir können dem Wettstreit in unserem Herzen auf die Spur kommen, wenn wir ehrlich vor uns selber werden. Es geht um die zutiefst inneren Motive, Antriebskräfte für unser Tun – oder auch unser Nichttun. Doch nicht nur »die Besten« sind hier angesprochen, denn da sind auch die anderen, die nichts machen, die sich zurückziehen. »Ich kann das nicht!« – »Nein, die anderen können das besser.« Es soll bescheiden wirken, demütig. Aber letztlich ist es nur der Ausdruck von tiefen inneren Verletzungen. »Ich kann es nicht so wie die anderen. Ich habe keine Chance, hier der Größte oder die Beste zu werden. Also lasse ich es lieber gleich bleiben.« Rückzug ist nur die andere Seite des Problems. Stolz und Min19


derwertigkeit – beides lebt letztlich vom Vergleich. Und hier sind wir beim ganz wesentlichen Konfliktstoff angelangt.

Veränderungen bringen vieles ans Licht Man merkt es oft gar nicht – nicht sofort und nicht immer. Es kann lange gut gehen. Solange die Strukturen funktionieren und die Rollen klar verteilt sind, solange ein »Chef« da ist, der anerkannt und akzeptiert ist, läuft alles. Aber wenn es nicht einfach so weitergeht, wenn Veränderungen anstehen, dann gibt es Probleme. Wenn die Mutter außer Haus, der Chef krank ist, der Pastor die Gemeinde verlässt, ändert sich auf einmal vieles. Wie heißt es im Sprichwort? »Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.« Der Konflikt bricht dann auf, wenn die bisherige Hierarchie nicht mehr existiert, vorübergehend oder endgültig. Dann zeigt sich, wie die Beziehungen untereinander wirklich sind und welches Denken die Einzelnen tatsächlich prägt. Die latente, verborgene Konkurrenz wird plötzlich offensichtlich. Bei unserer Geschichte aus dem Neuen Testament ist es so: Für die Jünger steht eine große Veränderung an. Es kommt die Zeit, in der Jesus nicht mehr sichtbar unter ihnen sein wird. Da ist es doch wichtig, vorher zu klären: Wer ist dann der Größte? Wer ist der Größte und Stärkste? So ist es in dieser Welt. Doch Jesus sagt: »So soll es unter euch nicht sein!« Das klingt so einfach! Aber was machen wir mit der Angst, die uns beschleicht, nicht groß genug zu sein? Nicht genug zu gelten, ein Niemand zu sein? Wir werden unruhig und fangen an, die Krallen auszufahren.

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Das eigene Herz Was bin ich, wenn ich nicht (mehr) groß und stark bin? Das ist eine drängende Frage tief in uns drin! Vor Jahren sah ich mich konfrontiert mit diesen Fragen: Was ist, wenn ich nicht mehr predigen kann, wenn die Leute mir nicht mehr so gern zuhören? Was ist, wenn ich nicht mehr auf der Kanzel oder einer Bühne stehe, mein Können nicht mehr beweisen kann? Was ist, wenn mich der Ärger von Kollegen trifft? Bei aller Freude über das, was Gott uns in unserer Gemeinde schenkt: Was wird, wenn es zum Stocken kommt, Konflikte aufbrechen, Zerstörung geschieht? Was wird, wenn eine andere Gemeinde mehr und besser wächst als unsere? Und was wird, wenn ich nicht mehr so anerkannt bin und gut dastehe wie jetzt? Es waren Stunden, in denen ich mein Herz vor Gott ausgebreitet habe. Ich spürte: Ich muss wissen, dass mein Sein vor ihm nicht von meinen Predigten und mein Auftrag zur Gemeindeleitung nicht von meinem Erfolg abhängt. Ich muss wissen, dass Gottes Liebe zu mir nicht von der Qualität und Größe meines Dienstes bestimmt ist. Es war wie eine Art »Konfliktprophylaxe« für mich, mir über diese Dinge klar zu werden. Das sind die Fragen, denen wir uns stellen müssen, wenn wir dem Nährboden für Konflikte in uns auf die Spur kommen wollen: Wo ist unsere Angst vor Misserfolg, vor Versagen? Wo ist unsere Angst, unseren Wert zu verlieren? Diese Ängste gibt es in allen Lebensbereichen und sie wirken zerstörerisch. Sie kriechen aus den vielfachen Vergleichen mit anderen hervor. Und machen uns konfliktanfällig. Letztlich geht es dann gar nicht um den anderen und um das Problem zwischen uns, sondern darum, dass wir uns beweisen müssen, um unseren Wert zu gewinnen oder zu behalten. Hier merken wir, wie sehr das, was in stillen Momenten in un21


serem Herzen vorgeht, bedeutsam für unsere Beziehungen ist. Es kommt mir vor wie das Vorwärmen eines Herdes. Gut, wenn wir die Hitze rausnehmen, bevor etwas anbrennt. In meinem Fall war es eine große Hilfe, dass ich mich diesen Fragen ehrlich gestellt hatte – denn es kam später tatsächlich zum Konflikt (siehe Kapitel 3) – aber ich konnte bestehen. Und bin nicht daran zerbrochen. Ich erlebte, wie wichtig es war, dass ich innerlich wusste, wer ich war und was mir Wert und Würde gab.

Die Alternative Der Größte unter euch muss wie der Geringste werden und der Führende wie einer, der dient. – Das klingt doch so einfach! Aber was heißt das – »gering werden«, »dienen«? Muss ich mich jetzt zusammenreißen, bescheiden werden, die Zähne zusammenbeißen und durch? Ganz nach dem Motto: Das kriegen wir schon irgendwie hin? Oder mich demütig dem Dienen ergeben, mich selbst gering achten und irgendwie loslegen? Weil wir nicht genau wissen, was das heißt, kann es sein, dass vor unseren inneren Augen Zerrbilder entstehen, wohin das führen kann. Mir scheint außerdem, dass es in der Geschichte der Christen eine Pendelbewegung gab und gibt: Da gab es Zeiten, in denen es nur ums Dienen ging. Die Menschen achteten sich gering und schufteten bis zum Umfallen – weit über ihr Maß und ihre Grenzen hinaus. Allein der »Dienst für den Herrn« zählte, und manche sind daran kaputtgegangen. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Pendel meiner Beobachtung nach jedoch in die andere Richtung bewegt: »Dienen? Ich bin doch nicht der Fußabtreter für die anderen. Ich lasse mich nicht ausnutzen. Nein, danke!« Dienen ist nicht »in«. Vielleicht, weil man dabei nicht groß 22


rauskommen kann? Oder man stellt vorsichtig die Frage: »Dienen, ohne krank zu werden – geht das überhaupt? Und wenn ja, wie?«

Das Ende des Kampfes Hier möchte ich auf eine andere Begebenheit mit Jesus und seinen Jüngern schauen: Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging, da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war. Nach der Fußwaschung sagte Jesus: Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. Johannes 13,3-5.14-15

Jesus wusste, wer er war, woher er kam und wohin er ging. Er wusste um Ursprung, Sinn und Ziel seines Lebens. Das machte ihn frei zum Dienst bis zum Äußersten. Daher: Wenn wir wissen, wer wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen – dann müssen wir nicht mehr kämpfen um Ansehen und Größe, um Würde und Wert. Wir haben es weithin vergessen! Gott hat uns zu seinem Ebenbild geschaffen. Etwas Größeres gibt es nicht. Welch eine Würde hat er uns gegeben, Ihnen und mir und jedem Menschen! Wenn wir das doch in unserem Herzen tragen würden! 23


Doch es ist so viel kaputtgegangen. Wir haben so viel verloren, so vieles zerstört. Unsere Geschichten sind gezeichnet von Verletzungen, von Schuld, von Entwürdigung durch eigenes Versagen oder durch Schuld anderer an uns. Und genau deshalb kämpfen wir, wollen uns beweisen. Wir versuchen, unseren Wert und unsere Würde wiederzugewinnen. Genau hier liegt der Unterschied, den Jesus Christus in unserem Leben bewirken will. Im Johannesevangelium heißt es: Wie viele ihn (Jesus) aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden (Johannes 1,12). Mehr geht nicht! Wenn das nicht nur frommes Wissen ist, sondern die tiefste Wirklichkeit unseres Lebens wird: »Ich bin ein Kind Gottes«, dann gibt es keine Größe mehr, um die ich kämpfen müsste. Dann gibt es keine Würde und keinen Wert mehr, den ich erstreiten oder beweisen müsste. Was für eine Freiheit! Unfassbar. Das Geheimnis Jesu ist also, dass er sein Oberkleid ablegen, den Schurz anziehen und den Dienst eines Sklaven verrichten kann – er weiß, dass er der Sohn Gottes ist und dass nichts diese Tatsache verändern kann. Und genau zu dieser Wahrheit und diesem Dienst in aller Freiheit möchte er uns freisetzen. Da geht es um das, was ganz tief in unserem Herzen ist. Sicher ist: Was drin ist, kommt raus! Und wenn in uns das tiefe Wissen ist, woher wir kommen, wer wir sind und wohin wir gehen, dann werden wir uns selbst gering achten und dienen können. Dann müssen wir nicht mehr kämpfen. Dann werden sich viele Konflikte erübrigen oder lösen lassen. Wenn wir aber in unserem Herzen unsere Größe nicht kennen, werden wir immer um Größe kämpfen! Und das kann sehr verschieden aussehen: engagiert bis zum Letzten oder ganz still und zurückgezogen. Immer aber hat es mit einer verborgenen Angst zu tun. Es ist keine Schande, wenn das alles in unserem Herzen ist. Es ist nur großer Schaden, wenn wir damit nicht auf die rich24


tige Art und Weise umgehen! Wenn wir es verdrängen oder verleugnen und nicht vor Jesus bringen. Es geht um unser Herz – wir müssen uns darum kümmern! Unser Herz braucht ein tiefes Wissen um unsere Größe, unseren Wert, unseren Auftrag! Wer weiß, wie groß er ist, der kann sich klein machen. Der oder die kann dann wirklich dienen, ohne Eigennutz, ohne den versteckten Wettstreit. Nur wer hat, kann geben! Wer sich selbst gefunden hat, kann sich verlieren im Dienst für andere. Wer sich selbst hingegen immer noch sucht, wird den Dienst missbrauchen, um sich selbst zu bestätigen. Und genau hier sitzt die Wurzel für Konkurrenz und Konflikte. Vielleicht brauchen wir Vergebung für Momente, wo wir unseren Dienst missbraucht haben, um groß zu sein. Oder wir brauchen Heilung, wo andere unseren Dienst für ihre Zwecke missbraucht haben. Unser Herz braucht Heilung und Wiederherstellung in die Gotteskindschaft hinein, damit wir dienen können! Jesus wusste um seine Größe. Als der Löwe von Juda hat er sich zum Lamm gemacht (vgl. Offenbarung 5).

Es lohnt sich Im Anschluss an die Belehrung der Jünger entwirft Jesus eine große Zukunftsperspektive. Ihr habt mit mir durchgehalten in allen Prüfungen, die ich zu bestehen hatte. Dafür werde ich euch an der Herrschaft beteiligen, die mein Vater mir übertragen hat. Wenn ich meine Herrschaft angetreten habe, werdet ihr an meinem Tisch essen und trinken und über die zwölf Stämme Israels herrschen. Lukas 22,28-30; GNB

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Mir scheint, es gibt einen tiefen Zusammenhang zwischen dem Dienen und dem Regieren. Im Reich Gottes werden letztlich nicht die, die als die Größten gelten, regieren, sondern die, die sich aufgrund ihrer Größe kleingemacht haben. Der Dienst hier ist Vorbereitung auf die Herrschaft dort. Das ist nicht Vertröstung, sondern ein Ruf, aus dem Wettstreit um Geltung vor den Menschen auszusteigen. Das ist die Freiheit zum Dienen, und das ist das Ende von vielen Konflikten.

Zusammenfassung Am Boden vieler Konflikte liegt die Frage: »Wer ist der Größte?« Viele Konflikte werden verursacht durch unseren tiefsten Antrieb, im Wettstreit des Lebens irgendwie unsere Identität zu gewinnen und zu erhalten. Dieser Streit hört nur auf, wenn wir unsere Identität in dem, was Gott uns schenkt, finden. Wer in seinem Selbstwert geheilt ist, wer in sich ein tiefes Wissen um Wert und Würde von Gott trägt, der muss sich im Wettstreit des Lebens seine Identität nicht gegen andere erkämpfen. Aufgrund dieser Erkenntnis wird deutlich, dass die beste Konfliktprophylaxe darin besteht, die eigene Identität fest in Gott zu gründen. Wer seine eigene Würde kennt, für den ist nichts unter seiner Würde – der kann dienen und darin eine große Freiheit empfangen und erleben.

Fragen zum Nachdenken und zum Gespräch » » 26

Welche Konflikte fallen mir ein, in denen es letztlich um diese Frage ging: Wer ist der Größte? Lebe ich in dem Bewusstsein: Ich bin groß, wertvoll und


wichtig, oder bin ich ständig dabei, darum zu kämpfen, jemand zu sein? Was würde sich ändern, wenn ich in der Größe und Bedeutsamkeit, die Gott mir gegeben hat, ruhen könnte? » Habe ich Menschen vor Augen, in denen ich etwas von der Art Jesu erkennen kann und die mich dazu ermutigen, zu dienen? Wie sieht das aus? Was verstehe ich unter Dienst?

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