LUTHER EINE ENT D E C KU N G S R E IS E
GNADE – CHRISTUS – GLAUBE – BIBEL
Was bedeuten die vier „Soli“ für uns heute?
LUTHER ZUM AUSPROBIEREN
Seinen SchlüsselBibeltexten auf der Spur
500
JAHRE REFORMATION
EDITORIAL
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER Martin Luther wiederzuentdecken, ist ein spannendes Projekt. Meine erste Begegnung mit ihm liegt schon über dreißig Jahre zurück. Damals besuchte ich den Konfirmandenunterricht in meiner schwäbischen Heimat und habe mich als Teenager gefragt: Warum musste Luther in seinem Katechismus eigentlich alles und jedes kommentieren?! Denn das bedeutete für uns Konfirmanden, dass wir sehr viel auswendig lernen mussten. Die zehn Gebote zum Beispiel waren an sich ja schön klar und gut lernbar. Aber Luthers Erklärungen dazu wirkten für uns wie endlose Aneinanderreihungen von Verben, die nur schwer in unseren Kopf wollten. Kleine Kostprobe gefällig? Luthers Erklärung zum zweiten Gebot: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern ihn in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.“ Da kann einem schon mal der Kopf rauchen … Erst als Erwachsene wurde mir bewusst, wie sinnvoll und wichtig Luthers Anliegen war: Noch mal neu und in einer für die Zeitgenossen verständlichen Sprache zu formulieren, worum es
eigentlich beim Glauben geht. Klar zu trennen: Was ist für Gott wirklich wichtig – und was ist nur kirchliche Tradition? Und dann zu fragen: Und was heißt das jetzt für uns? Weil diese Frage heute noch genauso aktuell ist, haben sich unsere Autorinnen und Autoren für dieses Magazin auf die Spur von Luthers wichtigsten Gedanken und Erkenntnissen gemacht und sich gefragt: Was bedeutet das für uns, dass alleine die Gnade, alleine die Bibel, alleine der Glaube, alleine Christus im Mittelpunkt steht? Bei all dem Leistungsdruck, den ich oft in meinem Alltag spüre - oder mir selbst mache - möchte ich, genau wie Luther, Gottes Gnade in diesem Reformationsjahr noch einmal neu entdecken und erfahren. Wir feiern ab dem 31. Oktober 2016 an ein Jahr lang das Reformationsjubiläum, weil Luther vor 500 Jahren Unglaubliches bewegt und verändert hat. Und wir lassen uns von ihm neu inspirieren zu fragen: Wie kann unser Glaube und unsere Kirche jetzt, hier und heute erneuert werden? In diesem Sinne wünsche ich Ihnen spannende Neu-Entdeckungen!
Was ist für Gott wirklich wichtig – und was ist nur kirchliche Tradition?
Ihre Melanie Carstens
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INHALTSVERZEICHNIS
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INHALT
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Was bedeuten die vier „Soli“ für Sie heute?
Luther neu entdeckt
Alleine die Bibel, der Glaube, die Gnade und Christus: Vier persönliche Zugänge zu den reformatorischen Kernanliegen.
500 Jahre Reformation – was genau feiern wir da eigentlich?
WISSEN: WER LUTHER WAR UND WAS ER WOLLTE 6 Angeberwissen zu Luther 8 Luthers Leben 10 Luthers Welt
Ein kleiner Ausflug ins 16. Jahrhundert von Fabian Vogt
12 Luthers Schlüsselmomente Von Gunter Schmitt
14 Was bedeuten die
vier „Soli“ für Sie heute? Persönliche Statements von Ansgar Hörsting, Ilse Junkermann, Erhard Berneburg und Annegret Puttkammer
20 Luther neu entdeckt
Eine persönliche Entdeckungsreise von Christina Brudereck
24 Vier Soli für ein Halleluja! Von Jürgen Mette
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LUTHER
28 Was begeistert Sie an Luther?
Die Reformationsbotschafterin Margot Käßmann im Interview
30 Die Weggefährten von Doktor Martinus Von Ulrich Wendel
32 Katharina – die starke Frau
an Luthers Seite Die Autorin Eleonore Dehnerdt im Interview
35 Kennen Sie Luther?
Ein kleiner Test zum großen Reformator. Nach Andreas Malessa
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Was begeistert Sie an Luther?
Luther zum Ausprobieren
Luther auf der Spur
Was die Reformationsbotschafterin Margot Käßmann an Luther schätzt und für welche Prägung unserer Kirche sie ihm am dankbarsten ist.
Machen Sie sich mit auf die Spur der Bibeltexte, die für Luther zentral bedeutsam geworden sind.
Lassen Sie sich von Martin Luther auf eine Entdeckungsreise durch Mitteldeutschland einladen.
GLAUBEN: WIE LUTHER UNS HEUTE NOCH INSPIRIERT
KULTUR: AUF DEN SPUREN LUTHERS
38 Was hat Luther uns gebracht?
54 Welche Bibelübersetzung
62 Luther selber machen
56 Lutherische Klarheit und
64 Luther auf der Spur
60 Wie bekomme ich
70 Reformation zum Mitsingen
Von Andre Demut
40 Glauben auf den Punkt gebracht
Andreas Klotz über die Erfolgsgeschichte des Kleinen Katechismus
43 Wie man beten soll Peter Zimmerling
44 Luther zum Ausprobieren
Seinen zentralen Bibeltexten auf der Spur. Von Harald Börner
52 Ein Luther von heute?
Martin Dreyer im Interview
passt für mich? Von Ulrich Wendel
reformierte Vielstimmigkeit Von Sabrina Müller
einen gnädigen Gott? Von Carsten Hokema
Anregungen und Tipps zum Reformationsjahr
Eine Entdeckungsreise durch Mitteldeutschland. Von Ulrich Mang
Melanie Eckmann über das Luther Pop-Oratorium
72 „Sie glauben es nicht, sie sängen es denn“ Von Til von Dombois
74 Buch- und Medientipps 80 Das ist los in Wittenberg
… und andere Veranstaltungen im Reformationsjahr
3 Editorial 83 Impressum
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WISSEN
VIER SOLI FÜR EIN HALLELUJA! Zu Luthers Zeit war das Maß voll und die Zeit reif für grundlegende Veränderungen in der Kirche. Und wie ist das heute? Brauchen wir eine zweite Reformation? Eine Diagnose von Jürgen Mette.
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LUTHER
W
ie krank muss Kirche eigentlich sein, dass sie fiebert und Abwehrkräfte entwickelt? Wie lädiert muss der „Leib Christi“ sein, dass man den Notarzt ruft? Wie viel Reformstau muss aufgelaufen sein, dass man einen Reformer anheuert? Und wie reformresistent muss Kirche sein, dass sie den Reformer so lange deformiert, bis er resigniert? Es war nicht der Zustand der spätmittelalterlichen Kirche im Allgemeinen, der Luther auf den Plan gerufen hat. Die römische Kirche hatte in früheren und späteren Zeiten nicht mehr und nicht weniger Deutungs- und Gestaltungskraft, wie zur Zeit Luthers. Es gab also keine akuten Skandale und keine chronischen Fehlentwicklungen, die so etwas wie eine interne Revision nötig gemacht hätten. Ein solch mächtig aufgestellter und weltweit agierender Monopolist für Glaubensfragen verfügt über eine berechenbare Schwerkraft, über eine zuverlässige Zähigkeit, die nicht jedem Modetrend hinterherläuft, sondern in sich ruht. Mit allen Stärken und allen Fehlentwicklungen.
Bildnachweis: © straylight/shutterstock
Die Zeit war reif
Die aktuelle Situation der Kirche Die Zeiten haben sich geändert, wir freuen uns an einer lebhaften und lebendigen Kirche, aber der geistliche Befund der Erben Luthers, die Diagnose des Systems Kirche verlangt auch heute nach einer gründlichen Reha. Und zwar ambulant, nicht stationär. Umhergehend, im laufenden Betrieb, im Weitermachen. Die Kirche heilt im Vollzug ihres Auftrages. Sie dient und wird gesund. Oder sie verlautbart und bleibt harmlos. Kein anderer hat uns die Diagnose des kranken Leibes Kirche so „ans Herz“ gelegt, wie Eberhard Jüngel anlässlich der EKD-Synode von 1999 in Leipzig: „Wenn die Kirche ein Herz hätte, ein Herz, das noch schlägt, dann würden Evangelisation und Mission den Rhythmus des Herzens der Kirche in hohem Maße bestimmen. Und Defizite bei der missionarischen Tätigkeit der christlichen Kirche, Mängel beim Evangelisieren würden sofort zu schweren Herzrhythmusstörungen führen… Wer an einem gesunden Kreislauf des kirchlichen Lebens interessiert ist, muss deshalb auch an Mission und Evangelisation interessiert sein“. Soweit die Diagnose, der Befund einer von kardiologischen Funktionsstörungen geplagten Kirche. Sie hat es am Herzen, weil es nur selten durchs Herz geht, wie damals in der jungen Kirche in Jerusalem1. Was man bisher gegen diese Gefäßerkrankung getan hat, klingt eher nach „sola structura“. Was ist bezahlbar, was muss weg, was muss fusioniert werden? Kräfte bündeln – das muss sein. Kirche der Freiheit statt moralische Besserungsanstalt.
Kirche verändert sich nur, wenn Menschen sich verändern, die sie repräsentieren.
Als aber einige Kirchenmänner des 16. Jahrhunderts auf die abstruse Idee kamen, mit geistlichen Emissionswerten zu handeln, also eine Art Abgashandel fürs Gewissen zu betreiben – auch Ablasshandel genannt, da war es Zeit, aufzustehen. Der Klerus herrschte pompös, das Volk buckelte ärmlich. Oben viel Textil, unten kein Text. Die Leute konnten nicht lesen, und die gebildete Minderheit hatte ohne Lateinkenntnisse keinen Zugang zur Bibel. Das Maß war unerträglich voll, die Zeit war reif, es musste etwas passieren. In diesem kulturellen Klima erlebt ein unscheinbarer Klosterbruder namens Martin seine ganz persönliche Krise. Ein trotziger Zweifler, ein blitzgescheiter Denker, ein emotionaler Wüstling, ein von der Gnade erfasster Mahner und Rufer, der vor keinem Kaiser und Papst in die Knie ging, weil er vor Gott auf den Knien lag, steht auf und stellt sich quer. Er signiert, schreibt, statt zu resignieren. Luthers ganz persönliche Krise und das, was dann in der Reformation losbrach, wurde später in den vier sogenannten Exklusivpartikeln kompakt definiert: sola gratia, sola scriptura, sola fide und solus christus. Das war und bleibt das Heilmittel für eine kränkelnde Kirche, für einen müden Leib, der seine geistliche Zeugungskraft verloren hatte. Seitdem lebt die Kirche vital und kreativ, orientiert an Christus. Oder sie degeneriert spirituell verarmt vor sich hin, orientiert an dem, was nicht geht. Eine von Jesus entflammte Kirche kann wieder glauben, dass sie möglicherweise ihre beste Zeit noch vor sich hat.
Eine zweite Reformation? Braucht die Kirche eine zweite Reformation? Nein! Sie braucht Millionen von reformierten Herzen. Menschen, die die Barmherzigkeit Gottes verkörpern, verleiblichen, und somit Kirche zu einem „glühenden Backofen“ (Luther) der Liebe Gottes machen. Und weil wir Kirche sind, geht es um eine spirituelle Reha jedes Einzelnen. (We can`t go to church for we are the church!)2 Kirche verändert sich nur, wenn Menschen sich verändern, die sie repräsentieren. Und so könnte die Therapie in vier Schritten verordnet werden. Wir leben von der Gnade! Gnade ist die lebenswendende Gabe Gottes schlechthin. Unser Leben ist und bleibt trotz aller Mühe um ein vorbildliches Zeugnis ein ungedeckter Fehlbetrag, der nur durch Gnade gelöscht werden kann. Ich bin aus Gnade entschuldet worden. Wer aus der Gnade lebt, wird barmherzig
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GLAUBEN
LUTHER ZUM AUSPROBIEREN
ZENTRALEN BIBELTEXTEN AUF DER SPUR Beim intensiven Lesen der Bibel machte Martin Luther revolutionäre Entdeckungen. Diese neuen Erkenntnisse veränderten nicht nur sein persönliches Verhältnis zu Gott – sondern unsere ganze Welt. Machen Sie sich mit auf die Spur einiger Bibeltexte, die für Luther zentral bedeutsam geworden sind.
Bildnachweis: © Tamara Menzi/unsplash.com
Ob alleine, mit Ihrem Hauskreis oder Bibelkreis: Nehmen Sie Ihre Bibel zur Hand und lesen Sie selbst nach, welche Texte Luther die Augen öffneten.
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LUTHER
EINHEIT 1 Die Gnade „ist nämlich ein beständig währendes Tun oder eine Übung, in welcher wir durch Gottes Geist gezogen und getrieben werden, damit wir (…) denken und tun, was Gott angenehm ist und ihm gefällt“ Martin Luther „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist“ Psalm 51,12
GOTTES GERICHT – DAS ENDE? PSALM 51 Was David getan hatte, können Sie in 2. Samuel 11,1–12,25 nachlesen. Dieses Gebet nun, Psalm 51, beeindruckt: Ihm ist bewusst, dass er schuldig geworden ist. Er sucht keine Ausflüchte. „Schuld“ bzw. „Sünde“ (Vers 3 und öfter) trennt von Gott. Mit „in Sünden empfangen“ (Vers 7) ist nicht der Geschlechtsverkehr gemeint. Der Mensch ist in seinem innersten Wesen ein Sünder von Anfang an (Hiob 14,4; 25,4-6). Das wirkt sich vielfältig aus, in gesellschaftlichen Zusammenhängen und in persönlichen Beziehungen. Welche konkreten Beispiele fallen Ihnen dazu ein? Gott nimmt nicht hin, wenn Menschen ihn missachten und anderen Schlimmes antun. Auch König David hat dafür keine Sonderrechte. Seine Sündenerkenntnis beinhaltet Selbsterkenntnis (Vers 5-6), und diese lässt die eigene Beziehung zu Gott erkennen (vgl. Lukas 5,8). Gott als Richter verurteilt Sünde und zieht den Schuldigen zur Rechenschaft (Vers 6). Der verdienten Strafe kann David nur entgehen, wenn Gott gnädig ist (Vers 3-4). Vergebung der Sünden (Vers 9-11) heißt: neu anfangen dürfen, neu sein. Das hier benutzte hebräische Wort für „erschaffen“ (Vers 12) bezeichnet ausschließlich Gottes schöpferisches Handeln, so wie bei der Schöpfung der Welt. Gott schafft eine neue Kreatur (2. Korinther 5,17). – Ein neues Herz, ein neuer Geist: Was könnte das in Ihrer Lebenslage bedeuten?
Was Luther dazu meinte: Der junge Luther empfand den Abstand zwischen dem heiligen, gerechten, richtenden Gott und sich selbst als unüberbrückbar. Die Frage nach dem gnädigen, vergebenden Gott wurde für ihn zentral. „In seiner Vorlesung über Psalm 51 hat Luther den schuldigen und verlorenen Menschen als das eigentliche Thema der Theologie bezeichnet“ (Lohse). Luther meinte zu Psalm 51: „Dies ist nun der vornehmsten [= wichtigsten] Lehrpsalmen einer, darin David uns recht lehrt, was Sünde sei, wo sie herkomme, was sie schadet, wie man sie los wird.“
Zum Weiterdenken: Welche Anregung davon wollen Sie weiterverfolgen?
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