Hermann ROCKABYE

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HERRMANN

Rockabye

Szene für Sopran und Klarinette

ARNULF HERRMANN

Rockabye

[Wiegenlied (Nachtstück) und Traum]

Szene für Sopran und Klarinette in B (Kontrabassklarinette) (2020)

Partitur in C

EDITION PETERS

L E I P ZI G · L ONDO N · NE W YOR K

Rock-a-bye baby on the tree top. When the wind blows the cradle will rock. When the bough breaks, the cradle will fall. And down will come Baby, cradle and all.

(Erstdruck: Mother Goose’s Melody, London 1765)

Der Text in der deutschen Fassung:

Schlaf schön, mein Kleines hoch oben im Baum, der Wind schaukelt die Wiege wie im süßesten Traum. Wenn die Äste dann brechen, stürzt die Wiege hinab, und das Baby samt Wiege landet im Grab.

Notiz zum Inhalt:

Kinder lieben sie, Eltern singen sie mit nostalgischen Gefühlen, und sie werden über Generationen weitervererbt: Kinderlieder. Doch die Idylle hat einen doppelten Boden: Manche Lieder sind weniger nett, als man es gerne hätte. Böse Kinderlieder zielen direkt auf das Kind, für das gesungen wird. Das Kind soll still sein, schlafen - und zwar schnell. Wer Schlaflieder singt, will seine Ruhe haben. Das Kind ist nicht nur pures Glück, sondern bedeutet auch Einschränkung, Arbeit und Fesselung ans Haus. Diese Seite der Beziehung ist in der aufgeräumten Glättung des Volks- und Kindertümlichen unter die Räder gekommen. Eine schwarze Volksweisheit aus Mecklenburg sagt: Nicht wenn ein’s gestorben ist, sollen wir weinen, sondern wenn ein’s geboren wird. Das Wiegenlied aus dem Volk ist – ganz anders als es uns viele süßliche Varianten glauben machen wollen – nicht kindgemäß. Es ist lakonisch, nicht rührselig. Jeder Zweck, das Kind zur Ruhe zu bringen, ist ihm recht: vom drastischen Ertränken bis hin zum Verheiraten. Das ist jenseits politischer Korrektheit, Vernunft oder zeitgemäßer Pädagogik. Die poetische Kraft wurzelt in der Verzweiflung und weist über sich hinaus in ein altes Land. (Anita Albus)

Die Fallhöhe bei einem so berühmten wie alten (Wiegen-)lied wie Rock-a-bye Baby ist somit auch immens: die Diskrepanz zwischen der scheinbar harmlos schwingenden Melodie und dem tatsächlichen Text könnte nicht größer sein. Ein dunkler Traum, in dem sich Verdrängtes offenbart.

Kompositionsauftrag des rbb

UA am 22.01.2021, Ultraschall Berlin

Sarah Maria Sun, Sopran

Nina Janßen-Deinzer, Klarinette

Eine Inszenierung des Stückes mittels Beleuchtung ist ausdrücklich gewünscht.

Eine einfache konzertante Aufführung ist ebenfalls möglich.

Zusätzliche Instrumente der Sopranistin: 1) Kurbelwerk

Die am Ende des Stückes notierte Walzenmelodie Rock-a-bye-baby entspricht dem Kurbelwerk der Fa. Martoli und steht in Bb (die Tonart ist verbindlich)

Die Modelle anderer Hersteller können von der Notation abweichen. Wichtig sind in diesem Fall Anfang und Ende der Melodiefragmente (Notenhälse aufwärts). Die Notation ist eine ungefähre Näherung. Nur falls es unmöglich ist, z.B. über den Verlag Edition Peters, ein entsprechendes Kurbelwerk zu erhalten, darf der Schluß (und hier ggf. nur die notierte Oberstimme) auf einem Glockenspiel gespielt werden. Die Oktavlage ist dann dem jeweiligen Instrument anzupassen.

Das Kurbelwerk soll auf einem metallenen Gefäß stehen, wie z.B. einer umgedrehten Schüssel oder einem Topf. Die Größe ist variabel. Wichtig dabei ist ein etwas metallisch-verfremdeter Klang der Resonanzen, der aber nicht schrill sein soll. Zudem darf das Kurbelwerk auch verstärkt werden (Kontaktmikrophon am Metallgefäß, evtl. ergänzt durch ein zweites Mikrophon) Bei einer Verstärkung müssen die metallischen Resonanzen am Mischpult ggf. gefiltert werden, so dass sie weich klingen.

2) Ratsche

Als Ratsche sollte eine Gewa Ratchet Orchestra Model (oder ein vergleichbares Modell) verwendet werden. Wichtig ist, daß sie an einer Tischkante fixiert und mit nur einer Hand bedient werden kann (Der Preis der Ratsche liegt bei etwa 35-40 Euro.)

Die Ratsche wird von der Sopranistin gespielt. Sie wird an einem stabilen Gegenstand (z.B. einem Tisch) befestigt und soll sehr secco klingen. Alternativ ist es möglich, die Ratsche in der Hand zu halten. Bei einer sehr halligen Akustik sollen die Holzzungen der Ratsche gleichzeitig mit den Fingern gedämpft werden

Verwendete Zeichen:

Ø = das jeweils maximal mögliche Diminuendo bzw. aus dem Nichts kommend

fi = abdämpfen/Ton unmittelbar beenden (wahlweise mit dem Bogen oder der linken Hand)

[ ] = optionale Varianten, die meist die Verkürzung bzw. Verlängerung von Haltetönen betreffen. Der/die Ausführende darf selbst entscheiden, ob die zusätzliche Zeit für die Atmung benötigt wird.

+ = Slap (Kontrabassklarinette) *)

*) Wenn ein Spieler Schwierigkeiten mit Slaps hat, so sollen statt dessen starke sfz gespielt werden. Das Gleiche gilt auch, wenn eine Folge von mehreren Slaps nicht realisiert werden kann. Einzelne Slaps sollen dann durch sfz ersetzt werden. Ziel ist aber natürlich eine Umsetzung entsprechend der notierten Version.

Mikrointervalle:

µ Viertelton erhöht

B Viertelton erniedrigt

˜ Dreiviertelton erhöht

Bb Dreiviertelton erniedrigt

An manchen Stellen wurden zudem Auf- bzw. Abwärtspfeile über den Mikrotönen notiert. Diese dienen bei engen Umspielungen nur der leichteren Lesbarkeit und geben die Richtung der Bewegung an.

Vibrato = Es darf immer mit leichtem, „natürlichem“ Vibrato gespielt werden. Senza Vibrato oder extremes Vibrato wird extra verlangt.

Crescendi und Decrescendi ohne Zieldynamik, sollen als leichtes An- und Abschwellen innerhalb der notierten Grunddynamik realisiert werden.

Vorzeichen gelten taktweise. An manchen Stellen wurden zusätzliche Vorzeichen notiert.

Die Partitur ist transponierend notiert. Die Kontrabassklarinette klingt 2 Oktaven und eine große Sekunde tiefer als notiert.

Wiegenlied

nonlegato,tastend,sehrzurückgenommen zusichbzw.zueinemKindsingend

DieRatscheimmerheftigundabruptstoppen (imStückvierDauernunterscheiden).Siesollimmerwieein brechenderAstundmöglichstwenigwieeineRatscheklingen.

Klar.:Atemzäsurenselbstwählen. ImmeramEndevonBögen,dieletzteNotedannverkürzen.

(π) etwas breiter

wie tree (einunkonzentriertesAbdriften)

Edition Peters

For more than 200 years, Edition Peters has been synonymous with excellence in classical music publishing. Established in 1800 with the keyboard works of J. S. Bach, by 1802 the company had acquired Beethoven’s First Symphony. In the years following, an active publishing policy enabled the company to expand its catalogue with new works by composers such as Brahms, Grieg and Liszt, followed in the 20th century by Richard Strauss, Arnold Schoenberg and John Cage.

Today, with its offices in Leipzig, London and New York publishing the work of living composers from around the world, Edition Peters maintains its role as a champion of new music. At the same time, the company’s historic and educational catalogues continue to be developed with award-winning critical and pedagogical editions.

Seit über 200 Jahren steht die Edition Peters für höchste Qualität im Bereich klassischer Notenausgaben. Gegründet im Jahr 1800, begann der Verlag seine Tätigkeit mit der Herausgabe von Bachs Musik für Tasteninstrumente. Schon 1802 kamen die Rechte an Beethovens erster Sinfonie hinzu. In der Folgezeit wuchs der Katalog um neue Werke von Komponisten wie Brahms, Grieg und Liszt sowie – im 20. Jahrhundert – Richard Strauss, Arnold Schönberg und John Cage.

Als Verleger zahlreicher zeitgenössischer Komponisten aus aller Welt ist die Edition Peters mit ihren Standorten Leipzig, London und New York auch weiterhin Anwalt neuer Musik. Zugleich wird das Verlagsprogramm im klassischen wie im pädagogischen Bereich kontinuierlich durch vielfach preisgekrönte Ausgaben erweitert.

The offices of Edition Peters in Talstraße, Leipzig Geschäftssitz der Edition Peters in der Leipziger Talstraße
Photo © Irène Zandel

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