Österreichische Post AG / MZ20Z042169M econova Verlags GmbH, Hunoldstraße 20, 6020 Innsbruck
97
2020
MAGAZIN
5,90 €
SEIT 1924
diewildenkaiser.com
NG
Dahinter steckt mein heimisches Wirtshaus*, das seit Generationen glückliche Gäste begrüßt. DIE GANZE GESCHICHTE AUF WWW.JA-ZU.TIROL
* stellvertretend für ein Tiroler Unternehmen
U TÄRK ZUR S . IATIVE TSCHAFT IT IN EINE R WIR IROLE DER T
U
rsula und Ilse, die im Jahr 1924 beliebtesten Mädchennamen, sind inzwischen aus der Mode gekommen. Auch der damals eingeführte österreichische Schilling existiert als Währung nicht mehr. Kein Fall für das Geschichtsbuch ist hingegen die Zeitschrift „Tirol“, die seit 96 Jahren ununterbrochen besteht.
F ü r d i e To u r i s m u s w e r b u n g
ist dieses ursprünglich vom „Tiroler Landesverkehrsamt“ herausgegebene Medium entstanden, um Tirol mit seiner Natur, seiner Kunst und Kultur, seinen wirtschaftlichen Stärken, aber auch seinen herausragenden Persönlichkeiten zu präsentieren. Rund 1.000 reich bebilderte Artikel sind seit 1924 erschienen, die unser Land in seiner Vielschichtigkeit dokumentieren und gleichzeitig die einhergehende Veränderung festhalten.
EDITORIAL
© LAND TIROL / BLICKFANG
EDITORIAL
3
EIN STÜCK TIROL M i t d e r n u n vorliegenden Ausgabe
ist die Herausgabe dieses Mediums an das Tiroler Verlagshaus eco.nova übergegangen. Meine besten Wünsche begleiten die Arbeit des neuen Teams, das schon bisher in seinen Magazinen regelmäßig über Menschen in Tirol, die als Vorreiter erfolgreich sind, berichtet hat. Auch um Anstoß zu geben, an sich selbst zu glauben und gemeinsam nach vorne zu schauen – gerade jetzt in der für alle schwierigen Corona-Zeit ist das von größter Bedeutung. I c h f r e u e m i c h , dass der Fortbe-
stand dieses Magazins gesichert ist. So ist es weiterhin möglich, „die Schatzkammern des Landes in Wort und Bild den Landsleuten und der Außenwelt zur Beachtung aufzuschließen“, wie im Vorwort eines alten Tirol-Heftes nachzulesen ist. „Tirol“ bringt uns Tirol auch in Zukunft näher.
S pät e s t e n s beim Inhaltsverzeich-
nis wird klar, dass die Autorinnen und Autoren allesamt ausgewiesene Tirol-Kenner sind und mit viel Leidenschaft Tiroler Themen auf den Grund gehen. In den vergangenen Jahrzehnten, fast 50 Jahre lang, hat Herausgeber Peter Baeck mit vorbildhaftem Einsatz die Zeitschrift zu einem Stück Tirol gemacht.
I h r G ü n t h e r P l at t e r Landeshauptmann von Tirol
EINZIGARTIG BESONDERS ELEGANT
LIEBE LESERINNEN UND LESER!
T
irolerIn zu sein, heißt für viele von uns vermutlich, ein bisschen eine gespaltene Persönlichkeit zu entwickeln. Auf der einen Seite steht dieser seit frühester Kindheit vermittelte, oft überbordende Patriotismus, dieses „Dem Land die Treue“, das Bewusstsein, auf einem unheimlich privilegierten Flecken Erde beheimatet zu sein. Und andererseits ein Unbehagen darüber, wie rasant sich das Land verändert: positiv wie negativ – und damit verbunden die bange Frage: Wohin gehen wir und ist das der richtige Weg dorthin? Was zurückbleibt, ist eine diffuse Sehnsucht nach etwas Anderem, Neuem, vielleicht auch Altem, oder, wie es die Musikerin Carmen Lenz in einer unserer Geschichten ausdrückt: „Etwas, das die Leute kennen, das sie mit Heimat verbinden und das doch nicht altbacken ist. Heimat 2.0 sozusagen.“ W i r h a b e n die Suche nach dieser
IHR GOLDSCHMIED SEIT 1764 Maria-Theresien-St. 8 | Innsbruck www.norz.gold
Heimat 2.0 aufgenommen und werden sie fortsetzen. Oft stellt sich dabei heraus, dass jene Themen, die das Tirol-Magazin bei seiner Gründung 1924 im Fokus hatte, immer noch Gültigkeit haben: Natur, Kultur, Mensch und Leben waren damals schon die Eckpfeiler, in deren Mitte sich das Magazin positionierte. Das zu ändern, dazu sehen wir auch nach fast 100 Jahren keinen Anlass. Im Gegenteil. All dies hat weiter seine Gültigkeit. Ganz Tirol_Magazin
besonders sind es dabei die Menschen, die das Land prägen, die uns interessieren. Die dürfen und sollen auch ruhig ein bisschen aus der Reihe tanzen, besonders und einzigartig sein in ihrem Denken und Tun. Und sie müssen keineswegs gebürtige Tirolerinnen und Tiroler sein. D i e L at t e , die uns der frühere
Herausgeber Peter Baeck und seine Autorinnen und Autoren gelegt haben, ist hoch. Aber wir sind der festen Überzeugung, dass am Ende nur Qualität bestehen wird, und arbeiten daher im Sinne unserer Vorgänger weiter. Anders vielleicht, etwas moderner in der Erscheinung, aber mit nicht minder hohen Ansprüchen. Dazu gehört auch, am gedruckten Wort und Bild festzuhalten. Wir wollen einen bleibenden Wert schaffen, nicht flüchtige Blogs, die innerhalb weniger Stunden in Vergessenheit geraten, weil sie längst von neuen überholt wurden. Und aus demselben Grund wird es auch in Tirol gedruckt, selbst wenn wir das im Ausland deutlich billiger haben könnten. I n d i e s e m S i n n e : Genießen Sie die
erste Ausgabe des neuen Tirol-Magazins, die 97. insgesamt, blättern Sie, lesen Sie! Das gesamte Team wünscht Ihnen einen wunderbaren Winter!
Gönnen Sie sich eine Auszeit ...
... in Ihrem Kosmetikinstitut Aurora im Herzen von Innsbruck Die Zeit fordert. Doch wir möchten einen langsamen Takt einkehren lassen. In lichtdurchfluteten Räumen Gelassenheit und Ruhe spürbar machen und Ihnen unsere ganze ungeteilte Aufmerksamkeit und Zeit zum Entschleunigen schenken. Gönnen Sie sich diese Auszeit für sich. Für Ergebnisse, die sofort begeistern – und ein Gefühl von Schönheit, das Ihre ganze Aura erfüllt.
World's Best Beauty Salon
10_Cool Climbing
Peter Ortner‘s passion for air and ice
2 4 _ T h e Fa s c i n at i o n o f A va l a n c h e s
Living with and from the permanent danger
6 INHALT
INHALT
CONTENT Nature
34_Tyrolean Ski History
Pioneers in the white rapture
Culture
5 6 _ T h e L a s t H o m e l a n d Pa i n t e r
How Hans Salcher became an artist 64_Plague and Goitre
7 4 _ T h e U n c a n n y Ta n n h e i m
Cursed virgins and hidden treasures 84_Tyrolean
Looking into the soul through language
People
94_An Eventful Life
Felix Mitterer and his story 102_Ora et labora
In seclusion and silence: life in a silent order 114_Wurst Case
Sebastian Arman is an invisible hit-maker
Life
1 2 6 _ A L i t t l e B i t o f C u lt u r e
The wonderful world of doughnuts 1 4 0 _ F r e s h ly ta p p e d
The Tyrolean answer to Corona 154_Homeland 2.0
Folk music gets the blues
1 0 _ K a lt e s Klettern
NATUR
Medical history in boxes and displays
Peter Ortners Leidenschaft für Eis und Luft.
2 4 _ Fa s z i n at i o n L a w i n e
Leben mit und von der permanenten Gefahr. 34_Tiroler Skigeschichte
Pioniere im weißen Rausch.
64_Pest und Kropf
Medizingeschichte in Kisten und Vitrinen.
7 4 _ Ta n n h e i m u n h e i m l i c h
Von verschwünschten Jungfrauen und verborgenen Schätzen. 84_Tirolerisch
Über die Sprache in die Seele schauen.
INHALT
LEBEN
Wie Hans Salcher Künstler wurde.
MENSCH
KULTUR
56_Der letzte H e i m at m a l e r
7
WILLST DU WISSEN, WAS SCHÖNHEIT IST, SO GEH HINAUS IN DIE NATUR, DORT FINDEST DU SIE.
94_Ein bewegtes Leben
126_Ein Stück K u lt u r
Felix Mitterer und seine Geschichte(n).
Das wunderbare Universum der Krapfen.
In Abgeschiedenheit und Stille: das Leben im Schweigeorden.
Tirols Antwort auf Corona.
102_Ora et labora
114_Wurst Case
Sebastian Arman ist unsichtbarer Hitmacher.
140_Frisch gezapft
1 5 4 _ H e i m at 2 . 0
Die Volksmusik kriegt den Blues.
3 _ E d i t o r i a l | 8 _ G a s t k o m m e n ta r | 4 6 _ T i r o l v o n o b e n 92_Aus dem Archiv | 160_kurz & bündig | 162_Impressum
KOMMENTAR
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K o m m e n ta r
LIEBES „NEUES TIROL MAGAZIN“-TEAM! Zunächst Chapeau für Euren Mut, ein greises Medium, das mannigfache Facetten unseres Landes über viele Jahrzehnte widerspiegelte, in Eurer Diktion „anspruchsvoll“ zu reanimieren. Angesichts der unübersehbaren Fülle an „Tirolensien“ sich neu zu positionieren, erscheint ziemlich ambitioniert, doch bei konsequenter formaler und inhaltlicher Alleinstellung durchaus erfolgversprechend.
J e d e n fa l l s w ü r d e ich mich über ein glückliches
Gelingen Eurer Initiative sehr freuen! Gestattet mir nun noch drei – eher schwer erfüllbare – Wünsche, was den genannten Anspruch auf Alleinstellung betrifft, anzufügen:
1 . Ta p p t n i c h t in die Falle einer Unterforderung
Eurer Leserschaft. Kluge Polarisierungen, sorgfältiges Unruhestiften, überraschende Perspektiven in Wort und Bild sind wertvolle und vertrauensbildende Botschaften an ein Publikum, dessen Intelligenz oftmals durch öffentliche Phrasen sowie mediales Convenience Food gering geschätzt oder gar beleidigt wird. Vor diesem Hintergrund möge Euer Blatt auch die LeserInnen ermutigen, selbst zur Feder oder zum Pinsel zu greifen bzw. die Linsen ihrer Kameras weit zu öffnen.
2 . Ta p p t n i c h t in die Falle der ewigen
Wiederkehr stereotypen Selbstlobes und peinlicher Selbstüberhöhung, was unser schönes Land Tirol anlangt. Das milde Herbstlicht wirft lange Schatten,
die auch die Seelen vieler Menschen verdunkeln. Gebt diesen Schattenexistenzen eine Bühne, denn unter ihnen finden sich viele rebellisch-ironische Geister, die ihrem Patriotismus durch Wut und Scham über unser Land ehrlicher als die notorischen Schönredner Ausdruck verleihen.
3 . Ta p p t s c h l i e s s l i c h n i c h t in die Falle des sogenannten Zeitgeistes, denn wer sich mit ihm vermählt, wird – frei nach Sören Kierkegaard – bald als Witwer dastehen. Hinterfragt die zeitgeistige Euphorie über den sogenannten Fortschritt in vielfacher Hinsicht, etwa gerade, wenn es um die Ideologie gnadenloser Digitalisierung geht, gründlich. Solange unsere Hirne und Herzen noch nicht gänzlich von der kalten Macht der Datenmanipulation vorgestanzt und deformiert sind, sollten wir mit aller Kraft Widerstand gegen die Erniedrigung des Menschen zu einer von ökonomisch-politischen Machtapparaten gefühlsund gehirnamputierten Monade leisten. Euer Magazin könnte sich als eine zentrale Plattform der Reflexion über die Frage echten humanistischen Fortschritts im Dialog mit der Natur profilieren. D i e H o f f n u n g , dass Ihr mir angesichts des
nahenden Weihnachtsfestes meine drei kindlichen Wünsche vielleicht doch erfüllt, stirbt jedenfalls zuletzt!
Euer Andreas Braun
Zur Person Dr. Andreas Braun, geboren in Kitzbühel, arbeitete ursprünglich als Jurist im Amt der Tiroler Landesregierung, eher er Chef der Tirol Werbung wurde. Später schuf er als Kommunikationsmanager der Swarovski-Gruppe gemeinsam mit André Heller die Swarovski Kristallwelten. Sein jüngster Streich ist die Gründung der Werkstätte Wattens.
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EIS UND LUFT UND LEIDENSCHAFT
© MARTIN LUGGER
Peter Ortner war schon mal im Kino. Und nicht bloß als Besucher. Im 2012 in Patagonien gedrehten Film „Cerro Torre – Nicht den Hauch einer Chance“ gelang ihm an der Seite seines Kompagnons, des im vergangenen Jahr tödlich verunglückten David Lama, die erste freie Begehung der berüchtigten Kompressor-Route. Im Eis fühlt sich der Allrounder, der am Berg auch gerne abhebt, besonders wohl.
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„DIE MENTALE FITNESS IST AM BERG GENAUSO WICHTIG WIE DIE KÖRPERLICHE.“ Peter Ortner
A l s w i r d e n B e r g s t e i g e r treffen,
kommt er gerade von einer Baustelle und sieht entsprechend aus. Der gelernte Maurer stellt Häuser auf, lernt nebenher für den Baumeister. Heuer hatte er mehr Zeit dafür als gewöhnlich, machte doch die Pandemie alle internationalen Projekte – Peru und Nepal standen am Programm – hinfällig. „Bei Reisewarnungen gibt es keine Versicherung, und dann kannst du das vergessen“, sagt Ortner achselzuckend. Eine fast ironische Feststellung für jemanden, der sich bevorzugt ohne Sicherung in Fels und Eis bewegt. O r t n e r i s t i n Wa r t e s t e l l u n g
und hält sich in den heimischen Bergen und in der Boulderkammer fit. Und bei der Arbeit, die er gerne macht.
© MARTIN LUGGER
P
eter Ortner wuchs auf einem Bauernhof am Eingang des Debanttals auf und erfuhr bereits als Kind in diesem Tal, dem längsten in sich geschlossenen Almtal Österreichs, die Faszination der Bergwelt. Heute ist er immer noch gern dort, auch wenn er den Schwierigkeiten der dortigen Gipfel längst entwachsen ist. Beim Klettern war der Osttiroler mit 17 Jahren eigentlich ein Spätstarter. Ortner ist ein stiller, beinahe introvertierter Zeitgenosse und ein exzellenter Eiskletterer und starker Allrounder, dem nichts fremd ist, was mit dem Berg zu tun hat. Einer, der immer noch nach seinen Grenzen sucht. Ortner geht es darum, seine Leidenschaft auszuüben. Das Rampenlicht und die öffentliche Selbstdarstellung meidet er und hatte auch noch nie einen Manager. Es gibt lediglich ein paar treue Ausrüster.
Eisklettern in Tirol Das winterliche Tirol bietet zahlreiche Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten im Eis zu erproben. Die ersten Schritte im Eis sollten mit einem Profi oder in einem Kurs unternommen werden, denn Eisklettern will gelernt sein. Zu den Top-Eisklettergebieten in Tirol gehört etwa die Salvesenklamm bei Tarrenz, der Bafflfall und der Seigesbachfall im Sellraintal und das Kaunertal mit seinen anspruchsvollen Routen, besonders der 220 Meter hohe Steinbruch-Eisfall und der 160 Meter hohe „Zwirn“. Hervorragend Eisklettern kann man außerdem im Ötztal rund um Längenfeld, im Paznaun, im Pitztal, das mit etwa 45 Routen die meisten in Tirol hat, im Tannheimer Tal, in der Tiroler Zugspitz Arena und im Pinnistal im Stubai. Mit dem Eispark Osttirol befindet sich zudem der größte künstliche Eisklettergarten Österreichs beim Matreier Tauernhaus. Einmal im Jahr findet dort das Eiskletterfestival Osttirol statt.
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Die Dolomiten und die Hohen Tauern bieten Ortner beste Voraussetzungen, um sich auf anspruchsvolle Expeditionen vorbereiten zu können. „Ich habe mich immer zu Hause vorbereitet“, sagt Ortner, der in der Gegend so gut wie jeden Stein kennt. Erstbesteigungen sind hier nicht mehr möglich, allenfalls noch neue, verwegene Routen und Linien. Schwierige Touren erfordern zum einen körperliche Vorbereitung, aber auch mentale. „Es braucht eine gewisse Grundfitness und das Niveau, um die Tour zu schaffen. Der Reiz am Bergsteigen ist für mich, dass es so viele Facetten hat“, sagt Ortner, der am liebsten in kombinierten Wänden unterwegs ist und den Elementen Eis, Schnee und Gestein trotzt. „Als Bergsteiger muss man ein Allrounder sein.“ D i e g l at t e n , fast senkrecht aufra-
genden Wände der Dolomiten seien vor allem technisch reizvoll. Es gibt aber beim Bergsteigen viele andere Faktoren, die zusammenfallen müssen: „Es gilt, den optimalen Zeitpunkt zu erwischen, zu dem die Verhältnisse eine Begehung zulassen. Das Wetter muss genauso passen wie die persönliche Verfassung. Die mentale Fitness ist genauso wichtig wie die körperliche.“ Gefragt, ob man denn als Bergsteiger auch umdrehen können müsse, lacht Peter Ortner leise und meint schließlich: „Umdrehen zu können ist eigentlich das Wichtigste.“ Das sei zudem ein Lernprozess, der Zeit und Erfahrung brauche: „Wenn ich irgendwo Bauchweh habe, ein schlechtes Gefühl, drehe ich um.“ Der Kletterer ist eben nicht nur ein Kopf-, sondern auch ein
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Bauchmensch. „Ich bin beim Free-Solo-Klettern schon zigmal unter einer Wand gesessen, habe mich mit meinem üblichen Ritual vorbereitet und hinaufgesehen. Fühle ich mich gut und habe eine genaue Vorstellung, funktioniert es auch. Taugt es mir dagegen nicht so, stimmt die mentale Fitness nicht und damit fehlt die Leichtigkeit. Dann habe ich kein Problem damit, wieder zurückzugehen“, erzählt Ortner. „Wenn du das nicht kannst, wird es irgendwann danebengehen.“ Ein Risiko, mit dem man als Extrembergsteiger aber auch konfrontiert ist, wenn scheinbar alles passt. So geschehen im vergangenen Jahr, ausgerechnet am vielbegangenen Großglockner. Dort macht Ortner nicht nur sprichwörtlich einen Abflug, der ihm beinahe zum Verhängnis wird. Der Traum vom Fliegen.
Seit einigen Jahren ist Hike & Fly seine große Leidenschaft, die ihm neue Möglichkeiten eröffnet. „Bergsteigen und Fliegen zu kombinieren, davon träumt doch jeder Bergsteiger.“ Seine ersten Geh- bzw. Flugversuche hat Ortner bereits vor zehn Jahren unternommen, danach aber für einige Jahre den Schirm an den Nagel gehängt. „Zwei meiner Kollegen, die mir das Speedgliden beigebracht haben, hat es in dieser Saison zerbröselt. Ich habe mir damals gedacht, wenn ich das jetzt nicht sein lasse, bin ich der nächste“, erinnert sich Ortner. V o r f ü n f J a h r e n hat er wieder
damit angefangen, weil die Schirme extrem leicht geworden sind. Mittlerweile wiegt ein Ultraleichtschirm samt Sitz gerade noch 1,5 Kilogramm. Das erlaubt es Ortner beispielsweise, die in den Lienzer Dolomiten gelegene Hochstadel-Nordwand zu erklettern und vom Gipfel abfliegend pünktlich
zum Mittagessen zu Hause zu landen. Aus einer Tages- wird so eine Halbtagestour. Der Gleitschirm begleitet Ortner auch auf Expeditionen. „In Nepal kann ich so den ganzen Tag für den Aufstieg verwenden und am Abend bei Sonnenuntergang hinunterfliegen“, sagt er, der noch niemanden von einem Abstieg schwärmen gehört hat. Passen die Verhältnisse nicht, müsse man sich dennoch zu Fuß auf den Weg ins Tal machen. Das sei wiederum ein Lernprozess. A m G l o c k n e r , dem höchsten Berg
Österreichs, denkt Ortner vergangenen Sommer jedoch nicht daran, ins Tal zu gehen. „Ich bin zwischen Stüdl- und Nordwestgrat Richtung Südwest gestartet und habe mich super gefühlt“, erinnert er sich. Beim Start bleibt er jedoch mit einem Ski hängen und reißt dadurch unkontrolliert an einer Steuerleine. „Ich bin dann fünfzig Meter unter dem Gipfel in die Wand hineingekracht.“ Und dort, möchte man anfügen, beinahe zerschellt. „Das war wirklich ein Hoppala. Es ist aber eh gut gegangen“, meint der Extrembergsteiger staubtrocken. Ein Unglück kommt bekanntlich selten allein. Kurz nach seiner Bruchlandung liegt Ortner mit einem gebrochenen Oberschenkel auf der Terrasse seines Hauses, als das Handy klingelt. David Lamas Mutter Claudia ruft an. „Ich konnte erst nicht abheben, weil ich gewusst habe, wenn die Claudia anruft, ist das scheiße. Ich habe gespürt, da ist etwas danebengegangen.“ Ortner trauert um seinen Freund und Seilpartner David Lama und beginnt zu grübeln, ob es wert ist, für im Grunde genommen ein Hobby derartige Risiken einzugehen. Peter Ortner kann ohne den Berg, den Fels, das Eis und die Luft unter seinem Schirm nicht sein, macht sich aber keine Illusionen darüber, dass das (Über-) Leben am Berg letztlich nicht nur eine Frage von Können und Glück, sondern auch eine Frage der Wahrscheinlichkeit ist. Tirol_Magazin
Der Handwerker am Berg.
Das Eisklettern bringt sich Peter Ortner mit 18 Jahren selbst bei. „Das hat mir sogar noch besser gefallen als das Klettern am Fels. Ich bin ein Handwerker, deshalb habe ich mir mit dem Eisbeil von Anfang an leicht getan“, so Ortner, der schon so manchen „gefrorenen Eiszapfen“, wie er es nennt, erobert hat. Kalte Winter, in denen sich die zahlreichen talnahen Wasserfälle in Osttirol gut klettern lassen, sind selten. Besonders reizvoll, weil anspruchsvoll, erscheinen ihm Touren, in denen man sowohl im Eis als auch Fels unterwegs ist. E i n e z e i t l a n g klettert Ortner sogar
im Weltcup mit und wird dreimal österreichischer Eisklettermeister. „Beim Eis weißt du nie genau, wie es im Moment des Kletterns sein wird, im Gegensatz zum Fels verändert es sich in Aufbau und Beschaffenheit stark”, weiß Ortner. Blaues Eis sei generell kompakter und stabiler als weißes, wenn es beim Schlag mit dem Eisgerät hohl klinge, sei das kein gutes Zeichen. Gerade im Eis, meint Ortner, seien die Erfahrungswerte sehr wichtig und man müsse sich erst langsam und im gesicherten Bereich herantasten.
K o m b i n i e r e n l ä s s t s i c h aber nicht nur das Klettern in Fels und Eis sowie Hike & Fly, sondern auch Ice Climbing & Fly, wie Peter Ortner vor einigen Jahren beim Eisklettern auf die Weiße Spitze im Defereggental demonstriert hat. Der Alpinist ist einer, der sich auch von Rückschlägen – am Denali erfriert er sich 2017 sechs Zehen, die teilweise amputiert werden müssen – nicht aufhalten lässt, den der Berg fast magisch anzieht. Und so tut Peter Ortner auch weiterhin das, was er tun muss: am Fels, im Eis und in der Luft. Marian_Kröll
btv.at/tourismus
Am Berg und im Tal Damit Gast und Gastgeber zusammenkommen. Wussten Sie, dass die BTV mehr als 700 Hotels, 45 Seilbahnen und 1.000 tourismusnahe Unternehmen zuverlässig betreut? Das funktioniert, weil wir Land und Leute ganz genau kennen und uns mit kommenden Trends frßhzeitig auseinandersetzen.
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ENGLISH
English Summary
AIR, ICE AND PASSION
Peter Ortner has been in the pictures before. And not just as a visitor. In the film “Cerro Torre - Not a Chance in the World”, shot in Patagonia in 2012, he succeeded in making the first free ascent of the notorious compressor route along with his companion, David Lama, who was killed in an accident last year.
P
eter Ortner grew up on a farm at the entrance to the Debanttal and experienced the fascination of the mountain world as a child in that valley. Today he still enjoys being there, even though he has long outgrown the challenges of the local peaks. Ortner is quiet, almost introverted, and an excellent ice climber and strong all-rounder, who knows his way around anything to do with the mountains. The East Tyrolean was a late starter with climbing at 17 years old, but he taught himself ice climbing at 18. “I liked that even more than rock climbing.” Tours with ice and rock seem particularly attractive to him because they are demanding. “With ice you never know exactly what it will be like at the moment of climbing- Unlike rock, it changes a lot in its structure and texture,” Ortner says.
H i k e & F ly has been Ortner’s great passion for sever-
al years. He made his first attempts at flying ten years ago, but then abandoned the paraglider for a few years. “It took two of my colleagues one season and I thought back then that if I didn’t give it up, I would be next”, Ortner remembers. He started again five years ago because paragliders have since become extremely light. This allows Ortner to climb the North Face of Hochstadel, for example, in the Lienz Dolomites, and to land at home in time for lunch when he leaves the summit.
T h e m o u n ta i n e e r is not one who lets setbacks
deter him - he froze six toes on Denali in 2017, some of which had to be amputated. He is almost spiritually drawn to the mountains. And so Peter Ortner continues to do what he has to do. On the rock, on ice and in the air.
Tirol_Magazin
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ALTERNATIVE PERSPEKTIVE Martin Lugger überlässt in der Ausübung seiner Berufung, der Fotografie, nur wenig dem Zufall. Selbstkritisch und mit Hang zur Perfektion rückt er seine vielfältigen Motive ins richtige Licht – unter anderem Eiskletterer Peter Ortner.
Tirol_Magazin
D a s S e l b s t k r i t i s c h e ist und bleibt
untrennbarer Bestandteil von Luggers Zugang zur Materie Fotografie. Vom gefragten Event- und Sportfotografen ent-
© MARIAN KRÖLL
M
artin Lugger hat sich seine erste Spiegelreflexkamera in seiner Studienzeit in Innsbruck gekauft. Anfangs entwickelt er seine Fähigkeiten als Autodidakt weiter, ehe er 2008 die Prüfung zum Fotografenmeister absolviert. Die ersten Aufträge betreffen vorwiegend die Eventfotografie. Die Budgets damals waren klein, die Lehren aus dieser Zeit groß. Später wird Red Bull auf den Lienzer aufmerksam und nimmt ihn als Sportfotografen unter die Fittiche. Von der Akribie und Professionalität, mit der im Mateschitz-Imperium Marketing gemacht wird, hat der Fotograf handwerklich profitiert. Die Fotos, die er beim allerersten Snowkajak-Event gemacht und auf eigene Faust an Red Bull geschickt hatte, sind für Lugger der Türöffner bei Red Bull. Dort verpflichtet man ihn für diverse Sportveranstaltungen. „Damals wurde man schon im Vorhinein super gebrieft und immer dazu animiert, interessante und alternative Perspektiven zu suchen. Außerdem gab es danach ordentliches Feedback, das einen wirklich weiterbringt.”
wickelt er sich konsequent weiter und interessiert sich heute zudem besonders für Menschen und Lifestyle sowie Industrie- und Architekturfotografie. Mit seinen Aufnahmen gelingt es dem Osttiroler, visuelle Akzente zu setzen, die es vermögen, das Ungewöhnliche ins rechte Licht zu rücken und das Gewöhnliche in neuem Licht erscheinen lassen. L u g g e r h at im Zentrum von Lienz
ein Fotostudio eingerichtet. Er ist gut im Geschäft, man vertraut im und weit über die Grenzen des Bezirks hinaus seiner fotografischen Expertise, seinem Blick fürs Detail und seinem Hang zur Perfektion. So zählen diverse internationale und nationale Topplayer zu seinen Kunden, darunter Spar Österreich, Raiffeisen, der Spiegel Verlag, Universal Music, die Austria Power Grid AG, die Bank für Tirol und Vorarlberg, die Falter Verlagsgesellschaft, die Brauunion Österreich, die Deutsche Transalpine Ölleitung GmbH und der Nationalpark Hohe Tauern. Jedenfalls ist Martin Lugger immer für ein großartiges Bild zu haben, für das ihm kein Weg zu weit oder zu mühsam ist. In diesem Magazin stammen die Bilder vom vorherigen Eiskletter-Beitrag von ihm, die eindrucksvoll zeigen, dass es fotografisch kaum Grenzen gibt. w w w. m a r t i n l u g g e r . c o m
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MIT SEINEN AUFNAHMEN GELINGT ES MARTIN LUGGER, VISUELLE AKZENTE ZU SETZEN, DIE ES VERMÖGEN, DAS UNGEWÖHNLICHE INS RECHTE LICHT ZU RÜCKEN.
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FASZINATION LAWINE
© TOM BAUSE
Lawinen werden pathetisch oft als „der weiße Tod“ bezeichnet. Für die Menschen in alpinen Gegenden stellen sie im Winter nahezu eine permanente Gefahr dar. Doch ein kleines Grüppchen von Leuten lebt mit und von der Lawine.
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© JAN-THOMAS FISCHER
J a n -T h o m a s F i s c h e r , B u n d e s f o r s c h u n g s z e n t r u m Wa l d
L
awinen werden gefürchtet. Sie sind eine Gefahr für Skifahrer, Jäger, alpine Siedlungsräume und Infrastruktur. Viel Geld wird darauf verwendet, einen Lawinenabgang zu verhindern oder seine Auswirkungen zu mindern, das Ereignis vorherzusagen, Leute im Umgang mit der Gefahr zu schulen. Eine kleine Gruppe von Menschen lebt daher mit der Lawine und ein bisschen auch von ihr: Die Mitglieder des Lawinenwarndienstes zum Beispiel, oder Forscher, die sich mit der Entstehung von Schneebrettern, Staub-, Nassschneeund sonstigen Arten von Lawinen beschäftigen. Sie alle haben nicht nur großen Respekt vor der Naturgewalt, sondern können sich der Faszination der Lawine nicht ganz entziehen. Der Forscher.
Jan-Thomas Fischer findet man in der Innsbrucker Hofburg. Dort ist das Bundesforschungszentrum Wald, Fachinstitut Naturgefahrenforschung zu Hause. Fischer ist Leiter der Schneeund Lawinenabteilung. Eigentlich hat er Physik studiert, seinen Platz sah er allerdings nicht – oder jedenfalls nicht ausschließlich – mit Messinstrumenten im Labor oder am Computer. Seine Faszination für Schnee und Naturgefahren hat ihn daher dazu gebracht, sich der Erforschung des Phänomens Lawine zu widmen: „Es ist der Spaß, draußen zu sein und mit etwas zu arbeiten, das
man angreifen kann. Und man kommt an Orte, wo man sonst nicht leicht hinkommt. Die Mischung finde ich einzigartig.“ D a s s d i e Fa s z i n at i o n groß sein
Buchtipp lawine. Die entscheidenden Probleme und Gefahrenmuster erkennen Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien, 7., aktualisierte Auflage 2020 Mit diesem Buch haben Tirols oberster Lawinenwarner Rudi Mair und sein Stellvertreter Patrick Nairz vor acht Jahren ein Standardwerk zum Thema Lawine geschaffen. Darin wird sowohl theoretisches Wissen vermittelt, aber auch allen, die im Winter ins Gelände gehen, ein praktischer Leitfaden in die Hände gegeben.
muss, merkt man schon, wenn Fischer auf seinem Laptop herumwerkt: Ein Video von einer Messanordnung nach dem anderen poppt auf, eine Lawinensimulation folgt der vorherigen. Das Forschungsinteresse an seiner Abteilung liegt nicht beim einzelnen Wintersportler, gedacht wird eher in „Katastrophendimensionen“. Fischer: „Unsere Forschungsarbeit liegt hauptsächlich im technischen Bereich. Wir beschäftigen uns damit, wie Lawinen zu den Schutzbauten kommen.“ Der Nutzen dieser Forschung ist handfest: Planer wissen dadurch, ob sie die Gefahrenzonen ändern müssen, und Ingenieurbüros können daraus ableiten, welche Schutzbauten wo errichtet werden, wie stark diese sein müssen und welchem Ereignis sie wahrscheinlich standhalten würden. Die Fragestellungen an die Forschung sind dabei vielfältig, erklärt Fischer: „Da ist einmal die Lawinendynamik. Sobald es sich anfängt zu bewegen: Was tut’s? Wie weit kommt’s? Ein sprichwörtlich ‚heißes Thema‘ ist auch die Temperatur in Lawinen. Was passiert mit dem Schnee, während er sich bewegt?“ All dem wird versucht, in Experimenten im Gelände auf den Grund zu gehen. Dazu wurde zum Beispiel gemeinsam mit Partnern von Universitäten und
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„ES IST DER SPASS, DRAUSSEN ZU SEIN UND MIT ETWAS ZU ARBEITEN, DAS MAN ANGREIFEN KANN.“
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„MAN KANN ALLES MENSCHENMÖGLICHE GETAN HABEN, ABER ES GIBT EIN RESTRISIKO.“ Harald Riedl, Land Tirol
Technikern der Snowball entwickelt. Er wird in eine Lawine geworfen, die Sensoren, mit denen er bestückt ist, liefern wertvolle Daten. Oder die Geschwindigkeiten eines Abganges werden mit dem Radar gemessen. Aus all dem wird schließlich versucht, allgemeingültige Aussagen abzuleiten, erzählt Jan-Thomas Fischer: „Das passiert gleich wie bei Laborexperimenten: Man versucht das in ein Modell zu packen. Und das Modell dann in den Computer, damit man den Anwendern helfen kann.“ Damit möglichst viele auf das Wissen Zugriff haben, arbeitet man auch an Open-Source-Modellen. Der Wa r n e r .
Rudi Mair, den „Lawinen-Rudi“, kennt man in Tirol. Kein Wunder, schließlich geht er heuer auch schon in seinen „31. Lawinenwinter“. Heißt: So lange ist er schon die warnende Stimme des Tiroler Lawinenwarndienstes. Dass aus dem Stubaier kein Mediziner geworden ist, verdankt er einem Sturz in eine Gletscherspalte. Als er nach Stunden aus dieser gerettet wurde, schwor er, „irgendwas mit Schnee“ zu machen. Und so studierte Rudi Mair zuerst Meteorologie, ging in die Antarktis und ans Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Dort erreichte ihn relativ bald ein Anruf aus der Heimat, dass im Lawinenwarndienst Tirol eine Stelle frei sei. Mair: „Die Faszination für das Thema war immer schon da. Und mit
diesem Anruf ist eine Tür für mich aufgegangen.“
A l s o b e g a n n Rudi Mair 1990 beim Lawinenwarndienst des Landes zu arbeiten. Oder eigentlich diesen erst richtig aufzubauen. Damals, so erinnert sich Mair, habe es keine einzige alpine Wetterstation in Tirol gegeben, keinen PC in der Abteilung. Seine Erfahrung als Meteorologe in der Antarktis kam ihm dabei zugute, denn er wusste: Was dort bei –50 Grad funktioniert, muss in Tirol auch gehen. Sein damaliger Chef Raimund Mayr ließ den Jungen schalten und walten. Rudi Mair: „Das war das Faszinierende: Du hast einen ungepflügten Acker, kannst pflügen, säen und ernten. Du kannst das nach deinen Vorstellungen aufbauen.“ H e u t e i s t d a s , was Mair beim La-
winenwarndienst Tirol kreiert hat, oft kopiert und in vielen Staaten Standard. Fad wird es Mair dennoch nicht: „Das Gestalterische freut mich heute noch. Wir waren mit dem Projekt Albina die Ersten, die einen Lawinenlagebericht über Staatsgrenzen hinweg geschaffen haben.“ Und auch sonst könne man ständig etwas verbessern, sich dem Optimum annähern. Mair: „Es ist kein Winter gleich wie der letzte. Das wird nie langweilig.“ So hat sich in den letzten Jahren auch die Kommunikation des Lageberichtes enorm verändert. Früher wurden Tourengeher ausschließlich über Radio informiert, heute bespielen die vier Prognostiker des Tirol_Magazin
Lawinenwarndienstes alle modernen Kanäle: Vom Blog bis Instagram. Auch in der Messtechnik sei das Ende der Lawinensonde noch lange nicht erreicht. Ein paar Lawinenwinter will Rudi Mair noch machen und sich dann zurückziehen: „Den Muppet auf dem Balkon werde ich sicher nicht spielen.“ Der Ausbilder.
Seit 16 Jahren ist Harald Riedl beim Land Tirol für die Ausbildung der Lawinenkommissionen zuständig. Keine kleine Aufgabe, immerhin gibt es 1.350 Kommissionsmitglieder in Tirol in rund 250 Kommissionen. Doch als ehemaliger Bundesheer-Offizier hat Riedl das Ausbilden gelernt. Schon seit 1991 verfügt Tirol über ein vorbildliches Gesetz, das die Tätigkeit der Kommissionen genau regelt. Sie bestehen aus mindestens drei Personen und müssen von der Gemeinde überall dort eingesetzt werden, wo Lawinen den Siedlungsraum, Straßen oder Sportanlagen bedrohen. Ihre Mitglieder beurteilen die jeweilige Lage und veranlassen Maßnahmen zum Schutz. Gebraucht werden sie im Winter also fast überall im Land. E n t g e g e n der landläufigen Meinung
ist die Tätigkeit in einer Lawinenkommission nicht ehrenamtlich. Wer per Bescheid der Gemeinde bestellt wird, kann die Tätigkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen. Man holt sich meist Leute, die bereits
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30 © LAWINENWARNDIENST
NATUR
© PETER PLATTNER
„ES IST KEIN WINTER GLEICH WIE DER LETZTE. DAS WIRD NIE LANGWEILIG.“ R u d i M a i r, T i r o l e r L a w i n e n w a r n d i e n s t
Ahnung von der Materie haben: Bergretter, Skilehrer, Bergführer, Mitarbeiter im Forstdienst. Doch nicht nur, weiß Harald Riedl: „Wenn jemand zum Beispiel ganz besondere Ortskenntnisse hat, weil er seit Jahrzehnten an einem Ort wohnt und einen bestimmten Lawinenstrich ganz genau kennt, dann kann er auch bestellt werden.“ U n d a u c h w e n n es sich um keine
Laien handelt, die hier ans Werk gehen, bietet das Land diesen Menschen doch eine regelmäßige Aus- und Fortbildung. Schon allein, weil die Arbeit sehr verantwortungsvoll ist, will man den Kommissionsmitgliedern möglichst viel Hilfe an die Hand geben. Daher organisiert Riedl Ausbildungen mit Juristinnen und Juristen, Bergführern, Lawinenspezialisten und Hubschrauberpiloten, um die Leute auf das breite Aufgabenspektrum vorzubereiten. Riedl: „Wenn man die Menschen schon zu dieser Tätigkeit ver-
pflichtet, dann muss ihnen auch jemand sagen, was man von ihnen will, was sie dürfen und was es für Konsequenzen haben kann.“ Denn ein Versagen einer Kommission kann straf- und zivilrechtliche Folgen haben. Allerdings hat das Land den Kommissionsmitgliedern ein starkes Reglement mitgegeben, erklärt Riedl: „Wenn sie nach dem Standard arbeiten, haben sie Rechtssicherheit. Die letzte Verurteilung von zwei Mitgliedern einer Lawinenkommission war im Jahr 1979.“ In einem weiteren Fall erfolgte ein Freispruch, bei allen anderen Unglücken wurde das Verfahren bereits durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. P a s s i e r e n k a n n dennoch immer
etwas, weiß Harald Riedl: „Man kann alles Menschenmögliche getan haben, aber es gibt ein Restrisiko. Das ist das, was bleibt. Das ist die Natur.“ Uwe_Schwinghammer Tirol_Magazin
Tipp Den Umgang mit dem Lawinen-VerschüttetenSuchgerät (LVS) lernt man am besten bei einem Lawinenkurs der Alpinen Vereine (Österreichischer Alpenverein, Naturfreunde).
Üben kann man die Verschüttetensuche auch selbstständig auf LVSSuchfeldern oder Parks. Diese befinden sich unter anderem in/am: • Hochfügen • Praxmar • Schmirn • St. Anton • Serfaus-Fiss-Ladis • Galtür/Jamtalhütte • Stubaier Gletscher Einen Trainingspark, wo man Mehrfachverschüttungen in verschiedenen Tiefen üben kann, gibt es zum Beispiel bei der Lizumer Hütte.
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ENGLISH
English Summary
A FASCINATION WITH AVALANCHES
For people living in alpine regions, avalanches are an almost permanent danger in winter. But a small group of people live with and from them.
A
valanches are feared. They are a danger to skiers and hunters and for people and infrastructure in alpine settlements. Plenty of money is spent on preventing avalanches or reducing their impact, predicting an event, and training people to deal with the danger. A small group of people therefore lives with avalanches and, partly, from them. The Researcher.
Jan-Thomas Fischer is Head of the Snow and Avalanche Department at the Federal Forest Research Centre, Institute for Natural Hazard Research. “It’s the fun of being outdoors and working with something you can touch.” T h e r e s e a r c h a c t i v i t i e s in his department do
not lie with the individual winter athlete, but rather in “disaster dimensions”. Fischer: “Our research work is mainly in the technical field. We are concerned with how protective structures deal with avalanches.” The benefits of this research are tangible: planners know whether they need to adjust danger zones, and engineering firms can use this information to determine which protective structures should be erected where, how strong they should be and what kind of event they would probably withstand. The Monitor.
Rudi Mair has been the voice of the Tyrolean avalanche warning service for over 30 years. He first studied meteorology, went to the Antarctic and then to the Alfred Wegener Institute in Bremerhaven. However, he was soon received a call from his home country which told him that there was a vacancy in the Tyrolean Avalanche Warning Service.
R u d i M a i r started working for the country’s av-
alanche warning service in 1990. Today what Mair created at the Tyrolean Avalanche Warning Service is often copied and is standard in many countries. “We were the first to create an avalanche situation report across national borders with the Albina project.” The Instructor.
Harald Riedl has been responsible for training avalanche commissions in the province of Tyrol for 16 years. This is no small task, for there are 1,350 commission members in Tyrol in around 250 commissions. The Tyrol has had an exemplary law which precisely regulates the activities of the commissions since 1991. They must be deployed by the local authority wherever avalanches threaten settlements, roads or sports facilities. Their members assess the respective situation and arrange for protection measures to be taken. In other words, they are used almost everywhere in the country in winter.
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34 NATUR
PIONIERE IM WEISSEN RAUSCH Tirol_Magazin
© ARCHIV TVB ST. ANTON
W
er am Anfang die Skispitze vorne hatte, ist bis heute strittig. War es der Haller Alfons Siber, der Alpinist Julius Pock oder der Kitzbüheler Gastwirt Franz Reisch? Fest steht, dass die genannten Herren Anfang der 1890er-Jahre „norwegische Schneeschuhe“ – so nannte man damals Skier – nach Tirol brachten und erste Touren und Abfahrten damit unternahmen. Erste Befunde zum neuen Sportgerät fielen unterschiedlich aus. Pock etwa stellte 1892 fest, dass „das Abfahren über stark geneigte Hänge, zum Beispiel von 20 bis 35 Grad Neigung und gefrorenem Schnee, nicht harmlos“ sei, weil es in rasender Fahrt dahinginge und man sich, um vor einem Hindernis anzuhalten, nur hinwerfen könne. Reisch hingegen, der im März 1893 mit Skiern das Kitzbüheler Horn bezwungen hatte, verlieh seiner Freude auf derbe Weise Ausdruck. Er soll zu einem Freund gesagt haben: „Sepp, komm her, i muss dir a Watschn gebn, so schön war des.“ Wie auch immer: Der Skilauf war in Tirol angekommen und bald nicht mehr aufzuhalten. 1893 wurde der Akademische Alpenclub Innsbruck gegründet, der zwei Jahre später das erste dokumentierte Skirennen in Tirol mit 15 Teilnehmern abhielt.
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Tirol wäre ohne die Erfindung des Skis vielleicht ein armes Land. Oder jedenfalls ein anderes. Doch folgen wir der Skispur von den Anfängen bis in die jüngste Zeit.
36 stieg und Abfahrt mit den Skiern. Statt zweier kurzer Skistöcke wurde in den Anfangsjahren eine lange dicke Stange verwendet. Man fuhr in „Einstocktechnik“. Die Bretter selbst waren tatsächlich solche. Lange Holzlatten mit einer Halterung für lederne Riemen, mit denen der Schuh festgeschnallt wurde. Erste Blüte, e r s t e s T i e f.
Um die Jahrhundertwende erfuhr der Skisport in Tirol einen ersten Höhepunkt. Am 3. Jänner 1901 wurde am Arlberg der erste Skiclub gegründet, im Jahr darauf folgte Kitzbühel. Zwei
Skimuseen in Tirol Villa Trier Rudi-Matt-Weg 10, St. Anton www.museum-stanton.com Museum Kitzbühel Hinterstadt 32, Kitzbühel www.museum-kitzbuehel.at
© GEMEINDE ST. ANTON
NATUR
S k i fa h r e n , das bedeutete damals An-
zukünftige Zentren des Skilaufs und Winterfremdenverkehrs kristallisierten sich somit bereits heraus. Im Jahr 1902 wurden am Arlberg auch erste Skikurse abgehalten. Damals war’s allerdings noch so, dass ein Deutscher den Tirolern das Skilaufen beibrachte. Im Jänner 1905 schließlich wurden die ersten Tiroler Meisterschaften abgehalten. Sie bestanden aus Abfahrtslauf, Langlauf und Skisprung. Alle drei Disziplinen wurden allerdings von denselben Sportlern bestritten. Eine Kombination, die bis weit in die 1930er-Jahre beibehalten wurde. Im Jahr 1907 wurden in Kitzbühel die ersten gesamtösterreichischen Meisterschaften, bei denen allerdings auch Ausländer startberechtigt waren, ausgetragen. Tatsächlich gewannen sowohl im Skisprung als auch im Dauerlauf keine Österreicher. I m m e r m e h r O r t e gründeten in
den folgenden Jahren Skivereine, immer mehr Rennen wurden ausgerichtet. Als Konsequenz daraus schuf man 1913 den Tiroler Skiverband (TSV). Eine jähe Unterbrechung erfuhr der Skisport allerdings im Jahr darauf mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Jedenfalls im zivilen Bereich, denn mi-
St. Anton entwickelte sich früh zu einem der Tiroler Skizentren.
Tirol_Magazin
litärisch wurden während dieser Zeit viele Männer aus allen Teilen der damaligen Monarchie oft erstmals mit dem Skilauf konfrontiert. Inmitten der globalen Katastrophe hatte diese Massen-Skiausbildung durchaus ihre positiven Auswirkungen: Zahlreiche Heimkehrer machten aus dem Skilauf nach dem Krieg einen Beruf und legten so den Grundstein für den modernen Wintertourismus. Die goldenen 20er- und 30er-Jahre.
Vorerst waren in den ersten Jahren nach 1918 aber nur die negativen Auswirkungen zu spüren: Viele Männer waren gefallen, die wirtschaftliche Lage war triste, Skisport wurde zur Nebensächlichkeit, oft sogar zur Unmöglichkeit. Manfred Mumelter, Lehrer an der Realschule (dem heutigen Gymnasium) an Innsbrucker Adolf-PichlerPlatz, erinnert sich in einer Festschrift an diese Zeit: „Während in den oberen Klassen vor dem Krieg zwei Drittel der Schüler eigene Brettel besaßen, waren [nach dem Krieg, Anmerkung] nur mehr zwei Fünftel Skifahrer, von denen viele keine eigenen Brettel hatten. Kein Sport hat wie der Skisport so unter den Teuerungsverhältnissen gelitten. Die Skikurse entfielen mangels an Teilnehmern.“ D o c h d i e Z e i t e n wurden lang-
sam besser und man schnallte sich in Tirol wieder die Bretteln an. Gleich-
Hannes Schneider, nach dem 1. Weltkrieg Skilehrer, erfand die Arlberg-Technik.
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UM DIE JAHRHUNDERTWENDE ERFUHR DER SKISPORT IN TIROL EINEN ERSTEN HÖHEPUNKT. AM 3. JÄNNER 1901 WURDE AM ARLBERG DER ERSTE SKICLUB GEGRÜNDET, IM JAHR DARAUF FOLGTE KITZBÜHEL.
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Kurzinterview
DREI FRAGEN AN … Olga Pall-Scartezzini, AbfahrtsOlympiasiegerin von Grenoble und Weltmeisterin 1986
Als Sie sich entschlossen, Rennfahrerin zu werden, war das für Frauen eigentlich schon normal oder immer noch eine aussergewöhnliche Berufswahl?
O l g a Pa l l - S c a r t e z z i n i : Das kann man so nicht beantworten. Ich habe diese Berufswahl ursprünglich gar nicht getroffen. Weil Skirennläuferin wird man ja nicht von heute auf morgen. Das ist erst gewachsen. Man fährt Ski, wird immer besser. Mit 15 Jahren hat mich mein Vater gefragt, ob ich weiter zur Schule gehen oder Rennfahren will. Da habe ich das ‚kleinere Übel‘ gewählt und bin Rennläuferin geworden. Die Kombination von Schule und Sport gab es damals ja noch nicht. Sie sind 1968 Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Abfahrtslauf geworden. Zwei Jahre später haben Sie Ihre Karriere beendet. Haben Sie es nie bereut, nicht weitergefahren zu sein? Ich habe vor 1968 schon erlebt,
zeitig schlich sich bereits eine politische Radikalisierung in den Sport ein. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) beschloss 1923 die Aufnahme eines „Arierparagrafen“ in seine Statuten. Demnach war die Aufnahme von jüdischen Mitgliedern verboten. Der SK Arlberg trat daraufhin aus Protest aus ÖSV und TSV aus. Hannes Schneider, der nach dem Krieg eine Karriere als Skilehrer begonnen hatte, schuf zu dieser Zeit die Arlbergtechnik: Stemmbögen, tiefe Hocke, kleine Bögen, gebremst wurde mit den Skikanten. In den späten 1920er-Jahren kam auch eine neue Art des Rennens auf: der Slalom. Am 4. März 1928 erlebte er seine Österreich-Premiere am Arlberg. Gleichzeitig war dies der Geburtstag des berühmten „Kandahar-Cup“. Doch mit der Einführung des Slaloms wuchs auch der Druck, die alte Kombination von Skisprung, Abfahrt und Langlauf aufzugeben. Es sollte allerdings noch über zehn Jahre dauern, bis diese Trennung endgültig vollzogen wurde.
Als Physiotherapeutin sind Sie dem Skiteam verbunden geblieben, 1980 und 1984 waren Sie als Betreuerin bei den Olympischen Spielen mit dabei. Was denken Sie, wenn Sie heute im Fernsehen Skirennen anschauen? Falls Sie überhaupt welche anschauen?
U n d d a n n g a b e s in diesen Jahren noch eine bahnbrechende Neuerung – im wahrsten Sinne des Wortes: Die ersten Seilbahnen wurden gebaut. Am 6. Juli 1928 fuhr die erste Gondel von der Innsbrucker Hungerburg auf die Seegrube, 1929 eröffnete die Hahnenkamm-Seilbahn in Kitzbühel. Vorerst spielten diese für den Wintersport allerdings noch eine untergeordnete Rolle. Ja, man glaubte sogar, sie im Winter wegen der geringen Auslastung zusperren zu müssen. Ein Irrtum, wie man heute weiß. Dennoch bedeutete Skilauf auch damals in vielen Teilen Tirols immer noch: auf Skiern hinauf, auf Skiern herunter. Mit eigener Muskelkraft.
Alle schaue ich mir an, 1. und 2. Durchgang. Ich kann mir bis heute nicht vorstellen, eine Strecke, die ich kaum kenne, mit 150 km/h hinunterzufahren. Aber die Rennläufer trainieren heute ganz anders als wir damals. Die trainieren 150 Prozent, damit sie dann im Rennen 100 Prozent ins Ziel bringen.
Zu Beginn der 1930er-Jahre gab es in Tirol einen ausgesprochenen skiläuferischen Höhepunkt: die Austragung
wie es ist, wenn es nicht läuft. Da hat’s geheißen: Wenn die Pall noch ein Rennen gewinnen will, muss ein Wunder geschehen. Nun, das ist passiert. Aber 1970 habe ich nicht mehr die Erfolge gehabt. Damals haben die meisten Leute die Rennen ja nicht im Fernsehen verfolgt, sondern halt in der Zeitung davon gelesen. Und wie ich daheim auf der Straße gefragt worden bin, ob ich eigentlich noch Rennen fahre, da hab’ ich mir gedacht: Jetzt ist es Zeit, dass ich’s lass. Ich habe dann die Matura nachgeholt, eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht und habe es nie bereut. Und ich leide noch heute mit Sportlern mit, wenn so überhaupt nichts mehr geht.
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Politischer V e r e i n s s p o r t.
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der FIS-Wettkämpfe 1933 in Innsbruck – die Weltmeisterschaften der damaligen Zeit. Doch wie man das bestens kennt, kämpften im Februar dieses Jahres die Organisatoren mit Föhn und einem Wärmeeinbruch. Das Skispringen in Innsbruck und die Abfahrt vom Glungezer brachte man gerade über die Bühne, der Slalom wurde auf die Seegrube verlegt, das Langlaufen nach Seefeld. Klingende Namen gab’s dabei unter den Siegern bei den Alpinen: Toni Seelos und Gustav Lantschner, bei den Damen Inge Wersin-Lantschner. Seelos war es auch, der den Stemmschwung im Slalom durch den Parallelschwung ersetzte.
I m J a h r d a r a u f tauchte der Skisport allerdings in das düstere Tal politischer Auseinandersetzungen ein. Die Nationalsozialistische Partei in Österreich wurde 1934 verboten, dennoch wurden in diesem Jahr bei den Tiroler Skimeisterschaften in Hall Nazilieder gesungen, der Bewerb wurde abgebrochen. Es folgte die Absage zahlreicher Wettkämpfe, die Auflösung etlicher Vereine und schließlich des TSV selbst wegen nationalsozialistischer Betätigung. Dennoch waren Tiroler Skifahrerinnen und Skifahrer in dieser Zeit höchst erfolgreich: Rudi Matt vom Arlberg oder Franz Zingerle aus Axams. Die Brüder Helli und Gustav Lantschner gingen nach den Vorkommnissen in Hall und wegen ihrer Gesinnung nach Bayern und starteten für den Skiverband des Deutschen Reiches.
© STEINLECHNER
Die KandaharRennen zogen die Massen an.
Eine Skiwerkstatt der Wehrmacht während des 2. Weltkrieges in Fulpmes.
G r o s s e H o f f n u n g e n setzte man
„SEPP, KOMM HER, I MUSS DIR A WATSCHN GEBN, SO SCHÖN WAR DES.“ Franz Reisch zu einem Freund nach seiner ersten Skiabfahrt am Kitzbüheler Horn
schließlich in die Olympischen Spiele in Garmisch 1936. Doch dabei wurde den Österreichern das Reglement zum Verhängnis: 1929 war in Österreich die Skilehrerprüfung eingeführt worden, die auch zahlreiche österreichische Skiasse ablegten. Das IOC jedoch verbot die Teilnahme von Skilehrern als Profisportlern an den Spielen. Österreich schickte daraufhin keine Ski-Herrenmannschaft nach Garmisch. A m B e g i n n des Zweiten Weltkrieges
schien man technisch am Ende der Fahnenstange angelangt. So schrieb der Publizist Hubert Mumelter 1939: „Wir sind im Skilauf heute auf dem First einer kaum mehr zu überbietenden Höchstleistung angelangt, und es wird kaum mehr schönere und weitere Sprünge geben, kaum mehr die Zeit im Langlauf wesentlich überboten, kaum mehr noch irrsinnigeres Tempo im Abfahrtsrennen und noch akrobatischeres Können im Torlauf gezeigt werden.“ Ach, wie irrte er. Nur zum Vergleich: Thaddäus Schwabl hatte 1937 das ers-
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te Rennen auf der Kitzbüheler Streif in der Zeit von 03:35,10 gewonnen und einen neuen Streckenrekord aufgestellt. Der derzeitig gültige Rekord liegt bei 01:51,58 und wurde von Fritz Strobl 60 Jahre später gefahren. Z e i ta lt e r d e s Massensports.
Lange Jahre hieß Skifahren: Mit Muskelkraft hinauf, mit Muskelkraft wieder hinunter.
Der Zweite Weltkrieg brachte einen tiefen Einschnitt: Im Winter 1941/42 wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, ihre Skier zur Ausrüstung der Wehrmacht an der Ostfront abzuliefern. Jene Wettkämpfe, die stattfanden, wurden zu Demonstrationen des nationalsozialistischen Durchhaltewillens. Zahlreiche Skiasse der Vorkriegszeit verloren in diesen Jahren ihr Leben. N a c h d e m K r i e g , so schien es, ging die
Geschichte ihren gewohnten Gang. Man schnallte die Bretter an, stieg auf einen Berg und fuhr ihn wieder hinunter. Ein Bild, an dem sich bis in die 1950er-Jahre wenig änderte. Doch fast unbemerkt hatte sich eine technische Neuerung eingeschlichen, die bald den Skilauf zum Massensport werden lassen sollte: Im Jänner 1947 wurde in der Wildschönau der erste Einsessellift Tirols eröffnet, am 25. Dezember desselben Jahres in Westendorf der zweite. Mit dem Bau von immer mehr Liften und Bahnen ging auch eine Trennung von Pistenskifahrern und Tourengehern einher. K n a p p e 2 0 J a h r e s pät e r , 1966,
waren es schon 428 Lifte und Seilbahnen aller Art, die auch konditionell Schwächeren das Skilaufen ermöglichten. Aktuell gibt es laut www.skiresort. at 1.174 Aufstiegshilfen und 3.667 Pistenkilometer in Tirol. Aus den wenigen „wilden Hunden“ der Anfangsjahre wurden in ganz Österreich innerhalb von etwas mehr als 110 Jahren 2,1 Millionen Pistenskifahrer, über 200.000 Snowboarderinnen und -boarder und weit über 500.000 Tourengeher.
Die Olympischen Spiele 1936 in Garmisch fanden ohne österreichische Skiherren statt.
Tirol_Magazin
Uwe_Schwinghammer
MIT A B S T A N D DER BESTE WINTER
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42 NATURE
ENGLISH
English Summary
PIONEERS OF THE WHITE RAPTURE
Tyrol would perhaps be a poor region without the invention of the ski. Or at least a different one.
E
ven now people dispute who had the ski tip in front at the beginning. Was it Alfons Siber from Halle, the alpinist Julius Pock, or the Kitzbühel innkeeper Franz Reisch? What is certain is that these figures brought “Norwegian snowshoes” – as skis were then called - to the Tyrol at the beginning of the 1890s and made the first tours and descents with them. Skiing in the Tyrol experienced its first high point around the turn of the century. The first ski club was founded on the Arlberg on 03 January 1901, followed by Kitzbühel the following year. The first Tyrolean Championships were held in January 1905. I n t h e f o l l o w i n g y e a r s , more and more places
founded ski clubs, and more and more races were organised. However, at least among civilians, skiing was suddenly interrupted with the outbreak of the First World War. However, many men from all parts of the then monarchy encountered skiing for the first time during their military service. And, despite this global catastrophe, the mass ski training did have its positive side effects: many veterans turned skiing into a profession after the war, and thus laid the foundation for modern winter tourism.
I n i t i a l ly o n ly the negative after-effects were felt after 1918, but times slowly improved. The slalom, a new type of ski race, was introduced in the late 1920s. And then, in another ground-breaking innovation in those years, the first cable cars were built. At t h e b e g i n n i n g of the 1930s, Tyrol finally expe-
rienced a real skiing highlight: the 1933 FIS competitions in Innsbruck - the world championships of the time. Subsequently, however, the sport plunged into the dark valley of political conflict. National Socialism
also spread to the ski clubs, and many of them were dissolved. The Second World War also brought about a deep slump. Numerous pre-war skiers lost their lives during these years. A f t e r t h e wa r , it seemed, the wheels of history
returned to their normal track. But almost unnoticed a technical innovation had crept in, which would soon turn skiing into a mass sport. The first single chair lift in the Tyrol was opened in the Wildschönau in January 1947. Today, according to www.skiresort.at, there are 1174 lifts and 3667 kilometres of pistes in the Tyrol. Within a little more than 110 years, the few “wild ones” from the earliest days had turned into 2.1 million piste skiers, over 200,000 snowboarders and well over 500,000 ski tourers throughout Austria.
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sich auch in der Kollektion Tirol wider, die mit den beiden Linien „Tradition“ und „Lifestyle“ die ganze Vielfalt des Landes zum Ausdruck bringt. Die Sortimente unterscheiden sich in Farben, Mustern, Materialien, Schnitten, Funktionen und Markierungen – und dennoch ist jedes Produkt als ein Stück „Marke Tirol“ erkennbar.
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klebern und Schlüsselanhängern begann, ist heute eine etablierte Mode- und Lifestyle-Kollektion mit ganz unterschiedlicher Klientel – vom Urlaubsgast, der sich sein persönliches Stück Tirol als Erinnerung an den Aufenthalt im Herz der Alpen mitnehmen möchte, bis hin zum Tiroler, der seine Liebe zur Heimat auch über die Kleidung oder ein Accessoire zum Ausdruck bringen möchte”, erklärt Claudia Pichler, Geschäftsführerin des Tirol Shops.
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TIROL SHOP
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klares Statement: Mit trendigen Prints und Mustern bekunden sie deutlich, dass das Herz ihres Trägers auch in Sachen Mode für Tirol schlägt. N i c h t n u r M o d e „ M a r k e T i r o l“
Das Sortiment des Tirol Shops umfasst aber nicht nur Bekleidung – auch Mode- und Wohnaccessoires, Naturkosmetik sowie hochwertige Geschenkartikel finden sich in den Geschäften vor Ort oder im Onlineshop. Die Verkaufsräumlichkeiten der beiden Innsbrucker Tirol Shops wurden erst kürzlich einem Facelift unterzogen, die Verbundenheit zur Region zeigt sich auch bei der Einrichtung, denn es kamen fast ausschließlich natürliche Materialien aus den Alpen zum Einsatz. Mit Schafwolle verkleidete Wände, aber auch heimische, naturbelassene Hölzer sowie ein zugleich zeitgemäßes wie zeitloses Design rücken die Stücke der Tirol-Kollektion ins rechte Licht und sorgen für eine behagliche Atmosphäre beim Einkauf. Wa s d e r T i r o l S h o p m i t G r e ta T h u n b e r g z u t u n h at
„Wir wissen, dass es unsere natürlichen Ressourcen bestmöglich zu schützen gilt. Darum versuchen wir so nachhaltig zu denken und zu handeln wie nur möglich – und zwar nicht erst, seit Greta Thunberg fürs Klima kämpft, sondern seit jeher und tatsächlich bis ins kleinste Detail“, sagt die Tirol-Shop-Chefin. „Das fängt an bei der Frage, wo wir unsere Produkte produzieren lassen und wie wir diese verpacken, geht aber natürlich auch über Grundsätze für den Umgang mit unseren Mitarbeitern bis hin zur Innenausstattung unserer Verkaufsräumlichkeiten.“ Wä h l e r i s c h b e i d e r Pa r t n e r wa h l
Bei der Wahl der Tirol-Shop-Partner und -Produzenten haben Qualität, faire Produktionsbedingungen und möglichst kurze Transportwege höchste Priorität. Deshalb wird alles, was technisch und wirtschaftlich möglich ist, in Tirol und im Alpenraum produziert. Es gibt aber auch Produkte, bei denen das nicht möglich ist – hier wird darauf geachtet, dass so viel wie möglich innerhalb Europas produziert wird. 80 % des Lifeststyle-Sortiments kommt aus dem EU-Raum, die T-Shirts beispielsweise werden in Portugal gefertigt, während ein anderer Bestseller – die beliebten Tirol-Mützen – aus Bayern kommt. T i r o l s A n t w o r t a u f „ Fa s t Fa s h i o n “
Neben einigen permanent erhältlichen Klassikern gibt es pro Jahr zwei neue Kollektionen, denn „wir können
und wollen uns dem Diktat der Modeindustrie und Fast Fashion mit teilweise jährlich sechs Kollektionen nicht unterwerfen“, so Pichler. „Unsere Stücke zeichnen sich durch Zeitlosigkeit und Langlebigkeit aus – sie sind gemacht, um lange Freude daran zu haben.“
Tirol Shops Innsbruck Maria-Theresien-Str. 55 6020 Innsbruck Mo.–Fr. von 08.00 bis 18.00 Uhr Sa. von 09.00 bis 13.00 Uhr Burggraben 3 6020 Innsbruck Mo.–Fr. von 10.00 bis 18.00 Uhr Sa. von 10.00 bis 17.00 Uhr
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IN ANDEREN SPHÄREN Aus dem Tal blickt man nach oben. Vom Gipfel aus in weite Fernen. Wenn man in einem Heißluftballon hoch über der Erde schwebt, verändert sich erneut der Blick auf die Welt: Bei einer Reise über das winterliche Tirol werden das System im Chaos und verborgene Zusammenhänge im Gebirge erkennbar – und man versteht, wie klein der Mensch ist.
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SEIT ANBEGINN DER ZEIT TRÄUMT DER MENSCH VOM FLIEGEN. HEUTE ABER SIND DROHNEN UND GOOGLE EARTH TEIL DES ALLTAGS. VERSTEHEN WIR WIRKLICH, WAS WIR VON DORT OBEN SEHEN, WENN WIR NICHT DA SIND?
I n T i r o l ist einem der Blick von oben
dennoch recht vertraut. Doch vom Gipfel schaut man eher in die Ferne statt „auf “ die Welt. Gut, es gibt die Wildspitzbahn im Pitztal, die einen auf 3.440 Meter Höhe bringt. Und riesige Steilwände. Aber wer wagt sich so nah an den Abgrund?
D i e T r a g ö d i e des Ikarus hat uns jedenfalls nicht davon abgehalten, es weiter zu probieren: Es ist kein Zufall, dass der erste Flug der Montgolfière – des ersten Heißluftballons – mit der Aufklärung und der Französischen Revolution einherging. Und Luftfahrtpi-
© DOMINIK GIGLER
D
er Mensch hat sich noch nie mit der Zweibeinerperspektive begnügt. Seit jeher bastelt er an allerlei Geräten, die ihm helfen, seine körperlichen Grenzen zu überwinden: Kutsche, Segelboot, Auto, Drohnentaxi – die Zivilisationsgeschichte lässt sich anhand der Hilfsmittel erzählen, mit denen wir Ziele schneller erreichen oder einen neuen Blick auf die Welt bekommen wollen. Der Inbegriff dieses Höher, Schneller, Weiter ist der Traum vom Fliegen. In der griechischen Mythologie schwangen sich Dädalus und sein Sohn Ikarus mit Kunstflügeln auf – nur, um für ihren Übermut bestraft zu werden. Die Götter wollten sich ihr Privileg, die Draufsicht, nicht streitig machen lassen.
oniere und später Astronauten als Superhelden gefeiert wurden. Frei nach „Star Trek“: „Sie gehen dahin, wo der Mensch nichts verloren hat.“ H e u t e i s t d e r B l i c k von oben für
viele alltäglich: Fliegen ist sicherer als Autofahren. Drohnen sind ein normales Werkzeug. Und wer sich fragt, wie sein Haus von oben aussieht, startet Google Earth auf dem Smartphone. Im Alltag geht jedes Wunder unter. D i e l e t z t e n E n t d e c k e r sind Bal-
Info Wer in den Weidenkorb eines Heißluftballons steigt, muss erstaunlich viel dem Zufall überlassen. Wo es hingeht, etwa. Das ist nämlich abhängig von der Windrichtung in der jeweiligen Luftschicht. Wenigstens den Startplatz kann man sich aussuchen – in Tirol gibt es zahlreiche Anbieter, eine Ballonfahrt kann man fast überall starten. Erstaunlich: Die Fahrten im Winter sind genauso beliebt wie im Sommer.
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lonfahrer und Gleitschirmflieger, die sich von freundlicher Thermik tragen lassen. Die erlebte Draufsicht verändert alles: Der Wind pfeift, und doch ist es still. Das Chaos der Welt ebbt ab – und es entsteht ein Bild der Klarheit. Die Spuren der einzelnen Skifahrer am Hang werden zu einem Gesamtkunstwerk. Plötzlich erkennt man, dass alle Höfe nach einem ähnlichen Muster gebaut sind. Versteht endlich die Vegetationszonen und die Bergkämme, für die man im Tal, wenn man sich nur nach dem Navi richtet, keinen Sinn hat. „Overview Effect“ nennt man die bewusstseinsverändernde Wirkung des Höhenflugs. „Ich fühlte mich nicht wie ein Riese“, sagte Neil Armstrong. „Ich fühlte mich sehr klein.“ Gerade weil wir heute so viele Satelliten- und Drohnenfotos zu sehen bekommen, lohnt es sich herauszufinden, wie es wirklich ist, da oben. Wo l fga n g _ We st e r m e i e r
Wir haben es gemeinsam in der Hand.
» Zamhaltn« heißt gerade jetzt bewusst in der Region kaufen. Starke Regionen machen uns alle krisenfester. Stärken wir also der heimischen Wirtschaft und damit uns selbst den Rücken. Denn indem wir konsequent regional einkaufen, erhalten wir Arbeitsplätze, bleibt die Wertschöpfung im Land, sichern wir nachhaltig und dauerhaft unser aller Lebensqualität. #gemeinsamschaffenwirdas
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IN OTHER SPHERES
You look up from the valley floor. From a summit into the far distance. When you float high above the ground in a hot-air balloon, your view of the world changes again.
M
an has never been content with the perspective from his or her own two legs. People have always tinkered with all kinds of devices that help them to overcome their physical limitations. Carriage, sailboat, car, drone taxi - the history of civilisation can be told by means of the tools with which we attempt to get a new view of the world or reach our destinations in less time. The epitome of this higher, faster, further is the dream of flying. In Greek mythology, Daedalus and his son Icarus soared up with artificial wings only to be punished for their recklessness. The gods did not want to be denied their privilege, the view from the top.
© TOM BAUSE
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ENGLISH
English Summary
T h e s e d ay s the view from above is commonplace
for many people: flying is safer than driving a car. Drones are a common tool. And, if you wonder what your house looks like from above, start Google Earth on your smartphone. Miracles become normal in everyday life. T h e l a s t e x p l o r e r s are the balloonists and para-
glider pilots who are carried on friendly thermals. The experience of the view from above changes everything. The wind whistles, and yet it is quiet. The chaos of the world ebbs away - and a picture of clarity emerges. The tracks of the individual skiers on the slope become a work of art. Suddenly you realise that all the farms are built according to a similar pattern. At last you understand the vegetation zones and the mountain ridges, which your use of a navigation system blinds you to. “Overview Effect” is the name given to the mind-altering effect of altitude flight. “I didn’t feel like a giant,” said Neil Armstrong. “I felt very small.” It is precisely because we see so many satellite and drone photos today that it is worth finding out what it is really like up there. Tirol_Magazin
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Der Maler und Lyriker Hans Salcher erzählt Geschichten. Auf Büttenpapier und in Buchform, mit so wenigen Strichen und Worten wie möglich. Selbst seine Gedichte sind Schrift gewordene Bilder. Der früh verstorbene Lienzer Autor Christoph Zanon schrieb einst über Salcher: „Lest nur, was ein spätes Kind schreiben kann!“
D
a Håns“, erklingt am anderen Ende der Leitung eine Stimme, wenn man bei Hans Salcher anruft. Nachmittags ist der Osttiroler Maler und Lyriker normalerweise in seinem kleinen, feinen Atelier in einem verwinkelten Lienzer Gässchen anzutreffen. In dicken, blauen Lettern an der Wand gegenüber vom Atelier steht KIM LEI geschrieben. Eine Einladung, die wortwörtlich zu verstehen ist. Ist Salcher anwesend, freut er sich fast immer über Besuch. In der kleinen Künstlerwerkstatt mit dem Kachelofen – umgeben von Bildern in Salchers unverkennbarem Stil gehalten – fühlt man sich sodann auch auf Anhieb wohl, ja sogar geborgen.
© MARIAN KRÖLL
B e v o r d i e breite Öffentlichkeit, die Hautevolee und
Mäzene vom Format eines Dietrich Mateschitz auf den Maler aufmerksam wurden, war Salcher ein Suchender, der es nicht immer leicht hatte. Manchmal hat er es sich vielleicht auch schwer gemacht. Seine Gedichte sind stets autobiografisch und erinnern an die japanischen Gedichtformen Haiku und Senryū. „Dichtung ist Wahrheit, und jedes Gedicht ist wahr“, sagt Salcher. Unter dem Titel Wirtshaus schreibt er in seinem bereits 1994 erschienenen, melancholischen Gedichtband „Gedichte“: „So viele/Flaschen in/einem Haus.“ Was es mit dieser nur auf den ersten Blick trivialen Beobachtung, die in Wirklichkeit das Ergebnis tiefer Introspektion ist, auf sich hat, lässt sich dem Vorwort entnehmen. Verfasst
57 KULTUR
„ ICH BIN DER LETZTE HEIMATMALER“
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„DAS BILD IST IN MEINEM INNEREN SCHON FERTIG, BEVOR ICH DEN ERSTEN PINSELSTRICH MACHE. DER STRICH KANN NICHT WERDEN, WENN DAS BILD NICHT BEREITS FERTIG IST.“ Hans Salcher
wurde es vom früh verstorbenen Lienzer Autor Christoph Zanon, der Hans Salcher Freund, Mentor und wohl auch Schutzengel war. Zanon beschreibt darin die Verwandlung des Hans Salcher, seine Metamorphose vom „Abschaum, aus dem die Lebenssonne leuchtete“, dem der Alkohol „tausendfache Kraft vorgegaukelt hat“, hin zu jenem Menschen, der „seiner kranken Mutter beistand und ihr Leiden ertrug, weil er das eigene verwandelt hatte“. Zanon erkannte in allem, was Salcher schrieb, den wachen Verstand des Kindes und die Resignation des Erwachsenen. Wahreres ist über Hans Salcher wohl nie geschrieben worden. Ein zarter Hauch von Melancholie, die in Salchers Werk einer ebenso unverstellten wie entwaffnenden Naivität die Hand gibt, ist dem Künstler auch heute noch zu eigen. Wie der Håns Künstler wurde.
Die Vergangenheit ist längst vorbei. Der Künstler Hans Salcher will sie vergangen bleiben lassen. Das ist sein gutes Recht. Heute blickt er mit einiger Distanz und der Milde des Alters auf die jungen, wilden Jahre zurück: „Die Jugend ist immer wild, und sie muss auch wild bleiben. Der Mensch muss sich, wie im Tierreich, erst die Hörner abstoßen. Wer nichts erlebt hat, kann
auch nichts erzählen. Was will schon einer erzählen, der immer nur am Rockzipfel der Mutter gehangen ist.“ Einer Sucht ist Hans Salcher bis heute treu geblieben: „Kunst als Sucht zu verstehen, ist etwas Schönes.“ Runzelig ist sie geworden, Salchers „Denkerwerkstatt“, aus seinen Augen strahlt aber noch immer eine beinahe jugendliche Neugierde.
Zur Person Prof. Hans Salcher wird 1956 in Bannberg, einem Ortsteil von Assling, als fünftes von sechs Kindern einer Bauernfamilie geboren. Er verdingt sich als Landarbeiter und Mautner, arbeitet im Gebirge. Salcher ist damals mit Leib und Seele Hilfsarbeiter, wie er selbst sagt. Er hilft beim Hausbau, gräbt tiefe Löcher und erfreut sich daran. Bevor er in der Kunst seine Berufung findet, ist Salcher zunächst Lebenskünstler, der die Freiheit liebt. Der tief in seiner Heimat Verwurzelte schöpft Kraft und Zuversicht aus seinem Glauben und trägt manchmal schwer am Neid, den der Erfolg mit sich bringt. Im vergangenen Jahr 2019 wurde Hans Salcher von Bundespräsident Alexander Van der Bellen der Berufstitel Professor verliehen.
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S a l c h e r s W e r d e n als Künstler ist
nicht vorgezeichnet, sondern eher dem Zufall geschuldet. Sein wahres Potenzial erkennt dieser nämlich erst, als italienische Gäste, die an der Mautstelle in Richtung Hochsteinhütte vorbeikommen, an der Salcher jahrelang Dienst tut, mit Begeisterung seine Bilder mitnehmen. Zu jener Zeit als Mautner im Mauthäuschen malt und dichtet Salcher für sich selbst, nicht für ein Publikum. Im Grunde genommen macht er das auch heute noch. Voller Freude sei er damals gewesen, als er gesehen hatte, dass die Italiener seine Kunst mit Sorgfalt, ja beinahe andächtig, wie ein „Poppele“, mitnahmen. Salchers auf das Allernotwendigste reduzierter Stil habe sich ebenso aus der Not ergeben wie der sparsame Einsatz von Farbe – rot, gelb, grün und manchmal auch blau –, der seinen unverwechselbaren Stil geprägt hat. „Der wirkliche Grund war, dass ich früher einfach nicht so viel Farbe hatte und sie mir auch nicht leisten hätte können“, sagt Salcher zur
E i n w e lt o f f e n e r H e i m at m a l e r .
Salcher arbeitet fast täglich an seiner Kunst. Sie ist seine ganz große Leidenschaft. Davon zeugen ganze Stapel von Bildern, die in seinem Atelier nebeneinander aufgeschichtet sind und die er freudig präsentiert. Die Natur und die Menschen sind Salchers liebste Motive. Zuerst malt er Blumen, dann Menschen.
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KULTUR
59 H a n s S a l c h e r hat in seinem Leben die Kunst gesucht und die Kunst hat ihn gefunden. Von ihr kommt er nicht mehr los. „Das Bild ist in meinem Inneren schon fertig, bevor ich den ersten Pinselstrich mache. Der Strich kann nicht werden, wenn das Bild nicht bereits fertig ist“, erklärt Salcher seine Herangehensweise. Seine Gedichte entspringen ebenso der spontanen Eingebung. Er macht sich in seiner Werkstatt gleich Notizen, sobald ihm ein Gedanke kommt, der festgehalten werden will. Salcher will mit seiner Lyrik vor allem Denkanstöße geben: „Man kann das
Gedicht stundenlang im Kopf weiterspielen.“ Es sind die scheinbar alltäglichen Dinge, denen Hans Salcher mit seiner Beobachtungsgabe und seinem von allem Ballast befreiten Ausdruck – wenn auch manchmal sperrig, aber nie dadaistisch – unerwarteten Tiefgang verleiht.
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Geschichte seiner Stilfindung. Heute kann sich Salcher freilich das ganze Farbspektrum leisten, bleibt aber dennoch sich selbst und seinem Stil treu.
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„ WER NICHTS ERLEBT HAT, KANN AUCH NICHTS ERZÄHLEN. WAS WILL SCHON EINER ERZÄHLEN, DER IMMER NUR AM ROCKZIPFEL DER MUTTER GEHANGEN IST.“ Hans Salchner
Salcher vermutet. Seine Kunst ist vielleicht auch deshalb so beliebt, weil sie mit seinem Blick fürs Wesentliche zu tun hat. Salcher abstrahiert ganz spielerisch und intuitiv von all den unzähligen Dingen, die zu übersehen die allermeisten Erwachsenen verlernt haben, und legt An- und Aussichten frei, die uns ansonsten verborgen geblieben wären. Vo r d e m C o r o n av i r u s hat Salcher
Salcher liebt die Natur, und dann kommen schon die Menschen. „Ich habe den Menschen einfach gern, auch im Leben“, sagt er. An den verschiedensten Erscheinungsformen des Menschen arbeitet er sich ab. S a l c h e r i s t t i e f in seiner Heimat
verwurzelt, was sich in seiner Kunst widerspiegelt. Besonders das Leben der Bauern bewegt ihn dazu, Menschen in Tracht zu malen, ebenso wie Bauwerke, welche die bäuerliche Landschaft prägen. So steht unter einer stilisierten Harpfe in dicken Strichen: dahoame.
Viele seiner Bilder zeigen außerdem Skifahrer, Wanderer, Radfahrer, Blumen und selbstverständlich auch Berge. „Ich bin wahrscheinlich der letzte Heimatmaler“, sagt er über sich. Trotz seiner Heimatverbundenheit ist Salcher ein weltoffener Mensch, der mit Vorurteilen, die man sich normalerweise im Laufe des Lebens erwirbt, nichts anfangen kann. „Ich glaube, dass überall der gleiche Mensch ist, der gleich verletzlich, gleich freundlich oder unfreundlich ist“, meint der Künstler. Das mag in manchen Ohren vielleicht naiv klingen, aber womöglich ist es genau, wie Hans Tirol_Magazin
Respekt, gehört er doch aufgrund seiner Herzerkrankung zur Risikogruppe und nimmt deswegen nur fürs Foto seine Maske ab. Das hindert ihn allerdings nicht daran, sich auch in humoristischer Art und Weise mit den sich zumindest zeitweilig verändernden sozialen Gepflogenheiten auseinanderzusetzen. Salcher hält ein Bild in die Kamera und lächelt verschmitzt. „Da schau her. Corona-Weihnachten“, sagt er. Und tatsächlich, mittig im Bild ist eine Krippe zu sehen und an den Bildrändern stehen Maria und Josef … mit mindestens einem Babyochsen Abstand. Nicht weniger lustig ist der Steinbock, der Ski fährt und eine Allegorie für die intensive touristische Bewirtschaftung der Alpen sein könnte. Oder auch nur ein Steinbock, der Ski fährt. Das Erfrischende an Hans Salcher ist, dass er bei aller Anerkennung, die ihm für sein künstlerisches Schaffen zuteil wurde, „da Håns“ geblieben ist.
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62 CULTURE
ENGLISH
English Summary
“I AM THE LAST HOMELAND PAINTER” The painter and poet Hans Salcher tells stories. On handmade paper and in book form, with as few lines and words as possible. Even his poems are pictures that have been transformed into writing.
I
n the afternoon, the East Tyrolean painter and poet Hans Salcher is usually to be found in his studio in a winding Lienz alley. If Salcher is present, he is almost always happy to receive visitors. You feel at home in the small artist’s workshop right away. Salcher’s development as an artist was not planned but was instead the result of luck. His true potential was only recognised when Italian guests passing the toll station in the direction of the Hochsteinhütte, where Salcher had been working for years, enthusiastically took his paintings with them. He was delighted when he saw that the Italians were attracted to his art. Salcher’s style, reduced to the bare essentials, also resulted from necessity - it is the colours red, yellow, green and sometimes blue that characterise his unmistakable style. “The real reason was that I simply could not afford so much paint in the past,” says Salcher about the history of his artistic development. Today, Salcher can certainly afford the entire colour spectrum, but remains true to himself and his style. A c o s m o p o l i ta n homeland pa i n t e r .
Hans Salcher works on his art almost daily. It is his great passion. This is demonstrated by whole piles of pictures which are stacked up next to each other in his studio and which he happily displays. Nature and people are Salcher’s favourite motifs. “I simply love people, also in my life,” he says.
S a l c h e r i s d e e p ly r o o t e d in his homeland, which is reflected in his art. Farming life especially
moves him to paint people in traditional costume, as well as the buildings that shape the rural landscape. “I am probably the last homeland painter,” he says about himself. Despite his attachment to his homeland, Salcher is a cosmopolitan person who cannot stand prejudice. “I believe that people are the same everywhere, equally vulnerable, equally friendly or unfriendly,” the artist says. This may sound naive to some ears, but perhaps the world is precisely as Hans Salcher suspects.
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64 KULTUR
Der pensionierte Arzt Henri Kugener nennt wohl eine der größten Sammlungen an medizingeschichtlichen Objekten sein Eigen.
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65 KULTUR
MEDIZINGESCHICHTE IN KISTEN UND VITRINEN In Depots, Wohnzimmervitrinen und privaten Museen in Tirol stehen Schätze aus der Medizingeschichte, die leider nur selten das Licht der Öffentlichkeit sehen.
66 KULTUR
HENRI KUGENERS GRÖSSTER WUNSCH IST, DASS SEINE SAMMLUNG EINEN WÜRDIGEN, AM BESTEN PERMANENTEN AUSSTELLUNGSPLATZ FINDET: „IM GEISTE STELLE ICH IMMER AUS.“
V
ielen würde es vielleicht komisch oder gar gruselig vorkommen, in Glasvitrinen in der Wohnung Klistierspritzen, anatomische Modelle, Pillendöschen und sogar einen Totenschädel ausgestellt zu haben. Doch nicht so Henri Kugener. Der Luxemburger Arzt hat eine der größten medizingeschichtlichen Sammlungen, die es in Tirol gibt. H e n r i K u g e n e r wurde 1943 in
Luxemburg geboren. Zum Studium der Medizin ging er nach Freiburg, wo er auch seine Frau kennenlernte. Nach dem Studium übersiedelten sie nach Bonn-Euskirchen, wo sie blieben, bis der älteste Sohn in die Schule kam. Zu diesem Zeitpunkt kehrte die Familie nach Luxemburg zurück, Henri Kugener arbeitete als Gynäkologe, seine Frau als Anästhesistin. Das erste Stück, eine Pravaz-Spritze, benannt nach einem französischen Arzt, der als Erfinder der modernen Injektionsspritze gilt, erwarb der junge Arzt um 1973/74. Dann hatten längere Zeit die Kinder Priorität, erzählt Kugener: „Erst später, als etwas Geld über war, habe ich weiter gesammelt.“ U n d s o w u r d e es in seinem Ar-
beitszimmer immer enger und enger. Irgendwann hatte Kugener so viele Exponate beisammen, dass wirklich kein
Buchtipp Silber, Sucht und Seuchen Peter Hörhager, Berenkamp-Verlag, 135 Seiten In diesem Büchlein erzählt Peter Hörhager von den Besuchen und Forschungen des berühmten Paracelsus in Schwaz. Der „Medicus, Alchimist und Rebell“ stellte unter anderem Untersuchungen an den Knappen des Silberbergbaus an. Doch der schmale Band ist viel mehr als das: Er beinhaltet ein Stück Heimatgeschichte aus der Zeit um 1500, als das Schwazer Bürgerspital und die dazugehörige Kirche entstanden, aber auch Pest, Pocken, Aussatz und andere Seuchen grassierten.
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Platz mehr war. Also wurde daraus 2006 das Museum SYBODO, benannt nach dem ersten Arzt der Stadt Luxemburg. Zuletzt umfasste es 19 Vitrinen, verteilt auf zwei Kliniken und ein Rehabilitationszentrum in Kugeners Heimat. Im Jahr 2016 beschlossen er und seine Frau, nun im Ruhestand, zu ihrem Sohn Thomas nach Tirol zu ziehen. Die großen Exponate seiner Sammlung trat der pensionierte Gynäkologe dem städtischen Museum ab, der Rest wanderte in Kisten und blieb ebenfalls in Luxemburg. Doch das ging nicht lange gut, schildert Kugener: „Nach zwei, drei Monaten ohne meine Sammlung bekam ich Depressionen.“ Also wurde die einzig mögliche Medikation angewandt: Die Kisten wurden nach Tirol gebracht. Hier lagern sie zwar großteils in einem Depot, aber Henri Kugener hat sie wenigstens in seiner Nähe. Die erhoffte Heilung trat jedenfalls rasch ein. Pest und K r o p f.
Da Kugener seine Exponate hauptsächlich im deutsch-luxemburgischen Raum erstanden hatte, war bislang das Hauptaugenmerk nicht auf Tirol gelegen. Doch das änderte sich mit seiner Übersiedelung. Seither sind zahlreiche „gute Stücke“ aus dieser geografischen Ecke dazugekommen. Der pensionier-
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KULTUR
museum
Z
war kann der Verein Freundeskreis Pesthaus immer wieder Teile seiner Sammlung medizinhistorischer Objekte öffentlich zeigen, die überwiegende Anzahl der Exponate harrt im Depot aber ebenfalls darauf, irgendwo einen festen Ausstellungsplatz zu finden. Einen Namen für dieses zukünftige Museum gibt es auch schon: Saluteum soll es heißen. Weil das aber noch fehlt, wird einstweilen die Vereinssammlung so genannt. Der aktuelle Vereinsobmann Christian Lechner zeigt sich hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung aber optimistisch: „Aktuell arbeiten wir gemeinsam an der Fertigstellung unseres Schaudepots, das hoffentlich 2021 eröffnet werden kann.“ G e g r ü n d e t w u r d e der Verein 1999 vom damaligen Lan-
dessanitätsdirektor Christoph Neuner und Universitätsprofessor Hartmann Hinterhuber. Das „hehre Ziel“ war, irgendwann ein medizinhistorisches Museum zu schaffen. Material für ein solches gäbe es genug. Inzwischen sind an die 10.000 Objekte zusammengekommen: Vom Elektronenmikroskop bis zum Sanitätskasten aus dem Zweiten Weltkrieg, ja, selbst die Einrichtung einer ganzen Arztpraxis nennt der Verein inzwischen sein Eigen – vielfach gespendet von Krankenhäusern, Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und der Landessanitätsdirektion, aber auch von Privatpersonen. Die Sammlung ist derzeit in zwei Depots auf dem Gelände des Krankenhauses Hall untergebracht. S e i n e n N a m e n hat der Verein von
Paul Weinhart. Der gebürtige Augsburger wurde 1611 damit beauftragt, eine der wiederkehrenden Pestwellen zu bekämpfen. Dazu gründete er vor den Toren der Stadt Innsbruck, in der heutigen Weinhartstraße beim Sillpark, eine Isolierstation, ein Pesthaus. Ihm und vielen Medizinergenerationen seither ist die Arbeit des Freundeskreises besonders gewidmet. w w w. p e s t h a u s . at Tirol_Magazin
„NACH ZWEI, DREI MONATEN OHNE MEINE SAMMLUNG BEKAM ICH DEPRESSIONEN.“ Henri Kugener
te Arzt begann sich außerdem mit dem Verlauf der Pest im Inntal vom 16. bis ins 18. Jahrhundert zu beschäftigen. Allein zwischen 1348 und 1630 erlebte Innsbruck 20 Pestwellen. Wer es sich leisten konnte, flüchtete aufs Land. In der Stadt hingegen ging der Tod um. Dazu gestaltete Kugener gemeinsam mit Felix Gorbach einen Videofilm: „Videofilme geben mir die Möglichkeit, Objekte zu einem Thema zusammenzufassen.“ S o m a n c h e s seiner Sammlerstücke
zur Pest erinnert fatal an heute. Wie heute ein negativer Covid-19-Test als Passierschein gilt, so war es früher eine Bescheinigung – eine sogenannte Fede –, nicht an der Pest erkrankt zu sein. Eine solche besitzt Kugener von Josef Vitelini. Diesem wird vom Bozner Gesundheitsamt bestätigt, die Stadt zu verlassen, „Gott sei Dank frei von jeder Krankheit und dem Verdacht von Pest“. Auch ein Tiroler Brauch rührt – jedenfalls teilweise – aus dieser Zeit: das Räuchern. Glaubte man doch, dass schlechte Gerüche die Krankheit verbreiteten. Daher ging man mit Räucherpfännchen, in denen Kräuter verbrannt wurden, durch die Räume. In den Städten brannten hingegen große Wacholderfeuer, in der Hoffnung, den Gestank und böse Geister – und damit auch die Pest – fernzuhalten. Vergebens, wie man weiß.
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© ANDREAS FRIEDLE
KULTUR
Innsbrucker Bevölkerung rund ums Jahr eine Apotheke zur Verfügung stehen musste. Die Gründung der ältesten noch existierenden Innsbrucker Apotheke, der Stadtapotheke Winkler, geht auf das Jahr 1587 zurück. Mit dem Nachfahren des Gründers, Andreas Winkler, teilt Kugener übrigens die Sammlerleidenschaft. Winkler betreibt ein beeindruckendes, leider nicht öffentlich zugängliches Apothekenmuseum. Es spannt einen Bogen über die Pharmaziegeschichte vom 16. bis ins 21. Jahrhundert. Andreas Winklers Urgroßvater hatte bereits mit dem Sammeln begonnen und vor allem nichts weggeworfen. So existiert der Rechnungsbestand der Apotheke ab 1820 immer noch. Aus diesem sind zum Beispiel interessante Rückschlüsse möglich, welche Medikamente zu welcher Zeit in Verwendung standen. Weitere Infos zum Museum Sybodo unter www.kugener.com.
Uwe_Schwinghammer
Das anatomische Museum Innsbruck
A u c h S t ü c k e befinden sich in Ku-
geners Sammlung, die auf den ersten Blick eigentlich wenig mit Medizin zu tun haben – Ansichtskarten aus Innsbruck und dem Unterinntal von Frauen in Tracht mit einem Kropfband etwa. Doch unter dem Band verbarg sich häufig der Kropf oder eine Operationsnarbe. Kugener: „So hat man mit dem Schmuck aus der Not eine Tugend gemacht.“ Überdies glaubte man lange, der Kropf sei eine Strafe des Himmels für Geizige. Ein Sprüchlein lautet daher: Wer nicht opfert, wird kropfert. Dass der Kropf vom Jodmangel herrührte, entdeckte erst der Schweizer
Arzt Jean-Francois Coindet im 19. Jahrhundert. Innsbrucker Apothekenmuseum.
Auch zur Apothekengeschichte hat Kugener einiges zusammengetragen, meist dokumentiert in alten, bedruckten Medikamentendöschen. Der Betrieb der ersten Apotheke in Innsbruck kann für das Jahr 1288 nachgewiesen werden. Freilich war das damals eine Einrichtung, die noch weit entfernt war von dem, was wir heute kennen. 1326 verordnete der Landesfürst, dass der Tirol_Magazin
Die anatomische Sammlung der Medizinischen Universität Innsbruck kommt einem öffentlichen Museum am nächsten, ist aber leider auch schwer bis gar nicht zugänglich. Sie geht bis auf die Gründung des Lehrstuhls im Jahr 1689 zurück und zeigt im Museum und in Gangvitrinen etwa 1.800 Exponate. Das Museum wurde 2014 neu aufgestellt und gliedert sich in mehrere Abschnitte: Es werden Skelette, Schädel, Feucht- und Trockenpräparate zur Entwicklungsgeschichte gezeigt sowie eine Vielzahl von anatomischen Varietäten. Darüber hinaus beinhaltet die Sammlung nahezu die gesamte Palette der anatomischen Konservierungskunst. www.anatomie-innsbruck.at/ museum
INDUSTRIE IN TIROL So stark ist die Tiroler Industrie. Durch die Coronakrise erleben wir derzeit einen Rückschlag. Die Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tun alles, um die Industrieproduktion möglichst bald wieder auf Normalbetrieb hochzufahren.
€ 523,8 Mio.
Für Forschung und Entwicklung (F&E) haben die Tiroler Unternehmen ihre Ausgaben von 477,2 (2015) auf 523,8 (2017) Millionen Euro gesteigert (aktuellste Zahlen).
28 %
der Tiroler Bruttowertschöpfung werden von produzierenden Betrieben (mit Bauwirtschaft) erbracht.
€ 6,8 Mrd.
Direktexporte
€ 11,7 Mrd.
483 Tiroler Industriebetriebe
€ 41.070
Das durchschnittliche Gehalt von Industriebeschäftigten liegt bei 41.070 Euro und damit weitaus höher als in fast allen anderen Branchen der Tiroler Wirtschaft.
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Lehrbetriebe bilden über 1.333 Lehrlinge aus – in über 60 verschiedenen Lehrberufen.
Produktionswert der Tiroler Industrie 2019. Dieser hat damit um knapp 6 % zugelegt.
42.759 Industrie-Mitarbeiter
1,2 Mrd.
Mehr als 1,2 Milliarden Steuer-Euros zahlten Unternehmen 2019 dem Fiskus. Das ist um 9 % mehr als im Vorjahr. • Die Körperschaftsteuer (KöSt) betrug 648 Mio. Euro (plus 7,9 %). • Die Einkommensteuer stieg auf 585 Mio. Euro (plus 10,54 %).
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ENGLISH
English Summary
THE HISTORY OF MEDICINE IN BOXES AND DISPLAY CASES
There are treasures from the history of medicine in Tyrolean storerooms, living room display cases and private museums which unfortunately rarely see the light of day.
while the rest was put in boxes and also remained in Luxembourg. But he could not bear to live without his collection and soon arranged for it to follow him. S i n c e K u g e n e r had purchased his exhibits mainly
in the German/Luxembourg area, his focus had not been on Tyrol until now. But that changed with his move. Since then numerous “good pieces� have been added to the collection. Kugener has also put together a lot of information on the history of pharmacies. The foundation of the oldest still existing pharmacy in Innsbruck, the Stadtapotheke Winkler, can be dated to 1587. Kugener shares a passion for collecting with the descendant of the founder, Andreas Winkler. Winkler runs an impressive pharmacy museum which is not open to the public. Medicine o n d i s p l ay.
H
enri Kugener was born in Luxembourg in 1943 and today owns one of the largest collections of medical history in Tyrol. The young doctor acquired the first piece of his collection around 1973/74, and at one point he had gathered so many objects that there was no room left. It became the Museum Sybodo in 2006, named after the first doctor in the city of Luxembourg. At the last count, it covered 19 showcases, divided between two clinics and a rehabilitation centre. Kugener and his wife decided to move to Tyrol to live with their son Thomas in 2016. The retired gynaecologist donated the major exhibits in his collection to the municipal museum,
The anatomical collection of the Innsbruck Medical University is the closest thing to a public museum on the topic and goes back to the foundation of the department in 1689. It shows about 1,800 exhibits in the museum and in hallway displays. T h e F r e u n d e s k r e i s Pesthaus association regularly
shows parts of its collection in public. However, most of the exhibits are waiting in the storeroom to find a permanent exhibition space. The association was founded in 1999 with the honourable objective of eventually creating a medical history museum. There is certainly enough material for such a museum. In the meantime, about 10,000 objects have been collected.
Tirol_Magazin
Dein Kurztrip in den Winter.
patscherkofelbahn.at
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TANNHEIM UNHEIMLICH
© ISABELLE BACHER
Verwünschte Jungfrauen, blutgierige Ungeheuer, Salige, Bockreiter, Geisterhunde und allerlei sonstiges, prickelnd gruselig Wundersames prägt das Tannheimer Tal. Sagenhafte Schätze zählen auch dazu. Nach ihnen zu suchen, ist keine allzu gute Idee. Die Geschichten zu erzählen aber schon.
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Schon möglich, dass es irgendwann einmal einem Bewohner des Tales gelungen ist, einen der sagenhaften Schätze zu heben. Überliefert wurde so eine Geschichte aber nicht. Vielleicht, weil das Ende zu langweilig wäre und zu wenig lehrreich.
W
enn das Tannheimer Tal den Mantel der blauhimmlig-sonnigen Postkartenidylle langsam ablegt und die Rote Flüh ihrem Namen alle Ehre macht, weil der Sonnenuntergang diesen markanten Gipfel regelrecht glühen lässt, zeigen die Schatten der Kirchtürme nach Osten. Wie Pfeile. Fast so, als würden sie die Menschen auffordern, das Tal geschwind zu verlassen oder zumindest nach Hause zu gehen und die Türen zu verriegeln. Denn draußen, wo es am Tag noch so klar war und friedlich, beginnt nun eine andere Zeit. Die Zeit einer anderen Welt, in der nicht Bürgermeister, Bergführer oder Schilehrer den Ton angeben, sondern Hexen, Ungeheuer und Geister. Wer nicht weiß, was da in den Felsspalten der Tannheimer Berge lauern kann, der könnte eine Überraschung erleben. Eine, die nicht so schnell vergessen und schon seit Urzeiten mit gruseligem Timbre erzählt wird. W i e j e n e d e s Bogener Ungeheuers.
Keiner kann so recht sagen, wie es aussieht. Vielleicht, weil keiner die Erinnerung mit bildhaften Worten wiederbeleben will. Bekannt ist aber, dass es im Berg lebt, im Bogener Berg, der sich am Weg zum Vilsalpsee erhebt und diesem Weg auf bizarre Weise näherrückt, je dunkler es wird. Eine stattliche Felsspalte bildet den Eingang zur Höhle des Ungeheuers, das dort fast immer friedlich lebt. Fast ist das Zauberwort, denn
nähert sich mit einem Gewitter „ein recht wüst Wetter“, dann wacht das Ungeheuer auf und macht mit dumpfem Geheul und einem Dröhnen auf sich aufmerksam. D e r G e o l o g e und Heimatforscher
Karl Reiser hat das in seinem 1895 erschienenen Buch „Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus“ festgehalten. Selbstverständlich ist das Tannheimer Tal ein Stück Tirol – ein ausnehmend schönes, um genau zu sein –, doch das bayerische Allgäu ist über zwei Talausgänge zu erreichen, „Resttirol“ hingegen nur über einen. Reiser scheinen diese politischen Grenzen auf seiner Schatzsuche nach den Sagen nicht beeindruckt zu haben. Und so wusste er Tirol_Magazin
über den Moment, in dem das Bogener Ungeheuer ungeheuerlich wird, zu berichten, dass die Luft dann regelrecht „rebellisch“ werde, halbgroße Tannen im Handumdrehen aus dem Boden reiße und ein Stück weit durch die Luft trage. Dieser Bericht ist fast schon gnädig harmlos gegenüber jenen, in denen das Ungeheuer in seiner Gewitterwut Dächer im nahen, zu Tannheim gehörenden Weiler Schmieden abdeckt und regelmäßig geladene Fuhrwerke umwirft. Zart besaitete Gemüter sollten die nun folgenden Zeilen überspringen, wird das Bogener Ungeheuer doch auch als drachenartiges Biest beschrieben, das Menschen und Tiere nicht nur raubt, sondern sie tötet, indem es das Blut aus ihren Adern saugt.
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Wenn das Blut in den Adern g e f r i e r t.
Wem das Blut angesichts dessen noch nicht in den Adern gefroren ist, darf sich weiter wagemutig dem Vilsalpsee nähern – dieser alpinen Wasserperle, deren Anziehungskraft aus gutem Grund so stark ist. Wenn die Sonne lacht, versteht sich. Tut sie’s nicht mehr, ist eine gewisse Vorsicht von Vorteil, denn am sonst so entzückenden See gibt es einen Hund. Es ist – man ahnt es – nicht irgendein Hund. Däserpudel
wird er genannt, wobei Pudel ein wenig zu niedlich klingt. Außergewöhnlich riesig ist er, tiefschwarz und er zeigt sich vornehmlich des Nachts. Seinen Namen hat er einer gemütlich klingenden Vorliebe zu verdanken: Mit Däser wird das Gestell bezeichnet, auf dem Holz vor einer Feuerstelle getrocknet wird. Auf einem Däser in einer Hütte am Vilsalpsee fühlte sich dieser Geisterhund pudelwohl und weil jeder so viel Angst vor ihm hatte, wäre niemand über Nacht in der Hütte geblieben. Es ist wohl so, dass er, wie viele andere Geisterhunde auch, einen Schatz bewacht. Der Däserpudel wurde schon
lange nicht mehr gesehen. Vielleicht, weil der Schatz geborgen wurde und es für ihn schlichtweg nichts mehr zu bewachen gibt? Ein schöner Gedanke. So lange zumindest, bis der Pudel wieder auftaucht und verzweifelte Stoßgebete überm Vilsalpsee erklingen. B e t e n s c h e i n t im Tannheimer Tal ganz allgemein ein recht wirksames Mittel zu sein, um einem potenziell unangenehmen Schicksal zu entrinnen. Unweit vom Vilsalpsee auf der Gappenfeldalpe hat das ein Geißenhirte erfahren. Angesichts eines ganz schrecklichen Unwetters hatte er zu beten begonnen, während sein ebenso geißenhirtender Kollege mit bösen, zornigen Flüchen auf das miese Wetter reagierte. Der Fluchende wurde sogleich unter einer gewaltigen Steinlawine begraben, die fast zwingend mit einem Strafgericht Gottes gleichgesetzt werden musste und heute noch in Form einer großen Schutthalde zur Demut mahnt. Denn der Betende blieb unverletzt. Wundersames im sonst so Schrecklichen.
© ISABELLE BACHER
KULTUR
BEI TAGESLICHT BETRACHTET VERNEBELN DIE IDYLLEN DES TANNHEIMER TALES DIE SINNE. WENN ES ABER DÄMMERT, TRETEN SIE UNGENIERT HERVOR – DIE UNGEHEUER, GEISTERHUNDE ODER DIE ÜBER DIE EPOCHEN DEGRADIERTEN SALIGEN.
Tirol_Magazin
Auf nicht minder Wundersames im sonst so Schrecklichen geht auch der Bau einiger Kapellen im Tannheimer Tal zurück. Die Pest war eine Geißel gewesen, die zwei Drittel der Bewoh-
79 D i e S c h e i n t o t e n brachten Unru-
he an den Ort. Es geisterte im kleinen Kirchlein und rundherum wurden Erscheinungen wahrgenommen. Kleine Irrlichter wanderten dort blitzschnell herum und verwirrten die Menschen. Oder es tauchte aus dem Nichts ein riesenhafter Mann mit kurzen Hosen und weißen Strümpfen auf. Als ein Einnehmer, also ein Finanzbeamter, am Weg seine Notdurft verrichtete, erblickte er diesen Riesen und fiel prompt in Ohnmacht. Dass in der St.-Leonhard-Kapelle ein Schatz begraben ist, versteht sich bei der Konzentration an Wunderlichkeiten fast von selbst. Logisch ist auch, dass der eine oder andere Tannheimer danach gegraben hat und – ja, Sie haben es erraten – von einem Pudel vertrieben wurde.
KULTUR
ner des Tales dahinraffte. Weil sie zwei Jungfrauen verschonte, ließen die beiden die Dreifaltigkeitskapelle erbauen. Und auch die Mariahilf-Kapelle im Hauptort des Tales steht direkt mit dem schwarzen Tod in Verbindung, hörte er doch just in dem Moment auf zu wüten, in dem die Kapelle erbaut worden war. Unheilschwangerer sind die Pestgeschichten, die sich rund um die Kapelle zum heiligen Leonhard im Tannheimer Ortsteil Kienzen zugetragen haben. An diesem ersten Gotteshaus des Tales, das im 15. Jahrhundert mitten in der Wiese, aber unweit der vielbegangenen, -berittenen und -befahrenen Hauptstraße errichtet wurde, sind die zahlreichen Pesttoten bestattet worden. Ein Totenvogel soll beim Flug über den immer größer werdenden Friedhof gerufen haben: „Esset meah Knoflach und Bibernell, nach stearbt’s it halb so schnell.“ Tja, nicht bei allen wirkten die Hausmittel, doch sollen auch nicht alle tot gewesen sein, die der Totengräber aus dem nahen Pfronten da unter die Erde brachte. Gegen Lohn tat er dies und wurde wohl pro Leiche bezahlt, weswegen er es nicht so genau nahm mit dem Pulsschlag seiner Klienten.
Jungfrauen hinter weissen Wä n d e n .
Schon möglich, dass es irgendwann einmal einem Bewohner des Tales gelungen ist, einen der sagenhaften Schätze zu heben. Überliefert wurde so eine Geschichte aber nicht. Vielleicht, weil das Ende zu langweilig wäre und zu wenig lehrreich, um es weiterzuerzählen. Hirte findet Schatz, heiratet die Liebste und lebt zufrieden bis ans Ende seiner Tage. Aus dieser Geschichte lässt sich vielleicht ein kleines Märchen für rosapinkverliebte Mädchen stricken. Bestseller wird es keiner. Und Gänsehaut löst das auch nicht aus. Die Geschichte von der Weißen Wand aber schon. Die Weiße Wand ist ein nicht ganz kleiner, aber auch nicht allzu großer Fels südlich von Tannheim und man erzählt sich nicht nur, dass dort ein Schatz begraben ist, sondern auch, dass dort drei verwünschte Jungfrauen leben. Eines Tages machte ein Schafhirte ein Nickerchen am Felsen und erwachte erst, als es schon dunkel war.
Die Schafe waren verschwunden, doch die drei Jungfrauen waren plötzlich da und kitzelten seine Habsucht. Sollte er sie – die Jungfrauen – erlösen, indem er drei wahrlich fürchterliche Prüfungen übersteht, könne er den Schatz sein Eigen nennen. Als Erstes sollte ein Drache mit einem langen Schweif an ihm vorbeiziehen und der Hirte durfte keinesfalls zurückschauen. Die zweite Prüfung bestand daraus, dass der Schafhirte den Eindruck haben sollte, dass Felsen und Berge über ihm einstürzen und ihn erdrücken. Kein Laut solle da über seine Lippen kommen. Die dritte Aufgabe führten die Jungfern nicht weiter aus, weil sie zu entsetzlich war, um sie zu beschreiben. Er aber solle das Entsetzliche aushalten. Nichts Übles werde ihm geschehen, versprachen sie ihm. Und dann, ja dann seien sie erlöst und der Schafhirte bekäme den Schatz. Er schlug ein und bestand die erste Aufgabe mit Bravour. Als dann aber die Felsen und Berge zu donnern und krachen begannen, schrie er laut auf und vorbei war‘s mit dem Schatz. Der Hirte hörte nur noch ein Klimpern und Klingeln,
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WENN DER SONNENUNTERGANG DEN GIPFEL DER ROTEN FLÜH REGELRECHT GLÜHEN LÄSST, ZEIGEN DIE SCHATTEN DER KIRCHTÜRME NACH OSTEN.
und ihre beiden Schwestern gleich mit. Damit löste sie ein Unwetter aus, gigantische Wassermassen stürzten vom Berg herab – und bildeten den Haldensee. E i n e d e r t o l l k ü h n s t e n Geschich-
ten aber ist die jenes jungen Mannes aus dem Tannheimer-Tal, der als Maurer in Holland arbeitete, wo er von der bevorstehenden Hochzeit eines Cousins in Nesselwängle erfuhr. So gerne wollte er dabei sein, dass ihm ein altes Weib seinen sehnlichen Wunsch erfüllte. Sie organisierte ihm einen Luftritt auf einem Geißbock, einen Bockritt im Himmel also, damit er auf schnellstem Weg nach Nesselwängle und rechtzeitig zur Hochzeit kommen konnte. Er schaffte es und hat die Geschichte auch gerne erzählt. als würden unendlich viele Geldstücke wegrollen, und die drei Jungfrauen hörte er jammern und heulen. T j a , d a s m i t d e n Jungfrauen, die
von einem tapferen Kerl erlöst werden wollen, ist so eine Sache. Früher, ganz früher nämlich, waren diese wilden, geheimnisvollen Fräulein eher tolle, weise Frauen. Salige wurden sie genannt. Sie waren die Herrinnen der Tiere und überbrachten den Menschen neues Wissen oder halfen ihnen in der Not. Überall im Alpenraum gibt es sie und überall im Alpenraum wurden sie mit der Zeit degradiert – zu Hexen etwa oder erlösungssüchtigen Jungfrauen. Seit die Herrschaft der Saligen beendet wurde, ist überall und auch im Tannheimer Tal Verlass auf die weniger charmanten
Charakterzüge. Das hat auch seine guten Seiten. Den Haldensee, das zweite Aqua-Idyll des Tales, haben wir schließlich ihnen zu verdanken. Denn dort, wo heute der Haldensee glitzert, stand vor vielen hundert Jahren der größte und schönste Bauernhof weit und breit. Der Bauer selbst war der reichste, er häufte Gold und Silber an und hatte überhaupt keinen Sinn für Gutes oder Frommes. Dieser Sinn fehlte auch seinen drei Töchtern, die sehr schön waren und nicht minder stolz. Selbst als die jüngste der Schwestern erblindete, änderte sich das nicht und nachdem der Bauer starb, spitzte sich das gierige Treiben zu. Die zwei Sehenden wollten die Blinde beim Aufteilen des Erbes betrügen. Als sie das bemerkte, verfluchte die Blinde fuchsteufelswild den Reichtum selbst Tirol_Magazin
M ö g l i c h , dass die eine oder andere
Fromme geschwind die große Tannheimer Pfarrkirche aufsuchte, nachdem sie diese Geschichte gehört hatte. Weil die Pfarrkirche St. Nikolaus in Tannheim die zweitgrößte Landkirche der Diözese Innsbruck ist, wunderschön anzusehen, herrlich barock und dem Himmel sicher ein Stück näher als andere, dürfte sie ein beliebter Zufluchtsort für alle sein, denen all die Gänsehaut-Geschichten zusetzen und die sich nach ein wenig Erlösung sehnen. Diese Erleichterung droht aber geschwind zu schwinden, wenn Ortskundige berichten, dass ein alter Mann eines Nachts an der leeren Pfarrkirche vorbeigegangen ist und plötzlich wundersamen Gesang hörte, der schöner war als alles, was er sein Lebtag hören durfte.
Alexandra_Keller
Tirol. ZurĂźck zu dir. www.tirol.at
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ENGLISH
English Summary
THE UNCANNY TANNHEIM
Cursed virgins, bloodthirsty monsters, the legends of the Salige, buckriders, ghost dogs and all sorts of other tingling, scary, fabulously wonderful things characterise the Tannheim valley. Legendary treasures are also among them.
T
he Tannheim valley slowly sheds its appearance of a postcard idyll and the sunset makes the striking peak Rot Flüh glow as red as its name. The shadows of the church towers lengthen towards the east. Like arrows. Almost as if they were telling people to leave the valley quickly or at least to go home and lock the doors. Because outside, where it was still so clear and peaceful during the day, another time is now beginning. The time of another world, where it is not mayors, mountain guides or ski instructors who set the tone, but witches, monsters and ghosts. Who knows what lurks in the crevices of the Tannheim mountains or who it is howling so mournfully? Terrified screams warn of dangers and surprises for anyone with a balanced state of mind. T h e B o g e n m o n s t e r , for example, who lives in the
Bogen mountain that rises on the way to Vilsalpsee. Mostly peaceful, but in poor weather it attracts attention with a muffled howl and a distant roar that is still bloodcurdling. Or the Däser poodle in Vilsalpsee. It is unusually huge, deep black, and it appears mainly at night. It is likely that he, like many other Ghost Dogs, guards a treasure. It is quite possible that one day one of the inhabitants of the valley succeeded in snaffling one of the legendary treasures. But such a story has never been handed down. S e e n i n d a y l i g h t, the idyllic scenery of the Tan-
nheimer Tal clouds the senses. But when it gets dark, they emerge uninhibitedly - the monsters, ghost dogs or the fading memories of the Salige, in the form of virgins or witches. One of the most daring stories, however, is that of a young man from the Tannheim valley who worked as a bricklayer in Holland. He found out about the upcoming wedding of a cousin in Nesselwängle. He wanted to be there so much that an old woman
fulfilled his wish. She organised - obviously as any good Dutch witch would do – a ride on a billy goat for him, a buckride in the sky, so that he could get to Nesselwängle as quickly as possible and in time for the wedding. He made it and he loved to tell the story afterwards. T h e n e v e r - e n d i n g and yet somehow stimulat-
ing shivers do not disappear until the foggy mists lift and the Tannheim valley returns to its idyllic postcard form. Blue skies and sunshine.
Tirol_Magazin
WIR FEIERN 10 JAHRE & DIE NEUERÖFFNUNG VON
84 MENSCH
Tirol_Magazin
© ANDREAS FRIEDLE
Mit seinem „Großen Wörterbuch der Tiroler Dialekte“ legt Hans Moser eine spannende Momentaufnahme von Dialektwörtern vor, die hierzulande (noch) gebraucht werden. Im Interview spricht er über lautliche Hürden, dialektale Grenzen, städtischen Hochmut und den unvermeidlichen „Oachkatzlschwoaf“.
85 KULTUR
ÜBER DIE SPRACHE IN DIE SEELE SCHAUEN
86 KULTUR
„DIE MENSCHEN SIND FRÜHER AUS IHRER UMGEBUNG JA SCHWER HINAUSGEKOMMEN – UND WENN, DANN NUR FÜR KURZE ZEIT. SOMIT HABEN SICH IN DEN EINZELNEN TÄLERN UND TALSCHAFTEN ALLMÄHLICH SPRACHLICHE EIGENHEITEN GEBILDET.“ Hans Moser
H
ans Moser zupft sich seine „Pfoat“ zurecht, zu der man in Tirol auch ungestraft „Hemat“ sagen darf, und taucht sogleich in die Untiefen der Dialektlandschaft ein, die ihn schon sein ganzes Leben lang fasziniert. In Zusammenarbeit mit dem Autor und Sprachkolumnisten Robert Sedlacek und unterstützt von Gewährsleuten aus allen Regionen Tirols hat der langjährige Rektor der Universität Innsbruck „Das Große Wörterbuch der Tiroler Dialekte“ erarbeitet, das die Herzen von Dialektliebhabern und solchen, die es noch werden wollen, höherschlagen lassen soll. Die akribisch zusammengetragene Wortsammlung geht dabei nicht nur auf die lautlichen Eigenheiten von Dialektbegriffen ein, sondern zeigt auch deren geschichtlichen Ursprung auf. Das Schmökern darin garantiert eine saggrische Gaudi für alle jene, die gern so ratschen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wenn es um das Tirolerische geht, taucht unwillkürlich der Begriff „Oachkatzlschwoaf“ auf, dessen falsche Aussprache angeblich sofort jeden Nichttiroler zu enttarnen vermag. Unter uns: Haben Sie „Oachkatzlschwoaf – abseits von sprachwissenschaftlichen Diskussionen – schon jemals in ein Gespräch einfliessen lassen? H a n s M o s e r : (lacht)
Nein! Aber trotzdem ist das Wort gut gewählt. Es enthält nämlich zweimal den Laut „oa“, der klar macht, dass sich im Dialekt hochdeutsche Diphthonge (Doppellaute aus zwei Vokalen, Anm.) lautlich verändern können. Dann taucht das „ch“ als gutturaler Reibelaut auf, der ja für das Tirolerische als markant gilt. Außerdem wird aus dem „Kätzchen“ ein „Katzl“, was wiederum aufzeigt, dass aus dem „ä“ im Dialekt ein „a“ werden kann. „Oachkatzlschwoaf“ ist also voller spannender Laute, die vor allem unsere deutschen Nachbarn durchaus an ihre Grenzen bringen können.
Wie Sie in Ihrem „Grossen Wörterbuch der Tiroler Dialekte“ ausführen, wäre es falsch, von dem einen Tiroler Dialekt zu sprechen. Der Unterinntaler begreift zwar, was der Oberinntaler sagt, und erkennt auch einen Südtiroler, der wiederum heraushört, wenn er es mit einem Osttiroler zu tun hat. Doch bei bestimmten Wörtern verstehen alle nur noch Bahnhof. Woher rühren diese sprachlichen Barrieren? Das Leben in der bäuerlichen Gesellschaft hat
sich über Jahrhunderte in sehr kleinen Räumen abgespielt. Die Menschen sind früher aus ihrer Umgebung ja schwer hinausgekommen – und wenn, dann nur für kurze Zeit. Somit haben sich in den einzelnen Tälern und Talschaften allmählich sprachliche Eigenheiten gebildet, die auf lange Sicht dazu geführt haben, dass sich die Dialekte in bestimmten Bereichen voneinander unterscheiden. Die Geografie ist mit Sicherheit ausschlaggebend für gewisse Verständnisbarrieren. Beeinflusst wurden diese Barrieren aber auch durch staatliche und kirchliche Grenzen, die sich genauso in der Sprache niedergeschlagen haben. Sie beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit Tiroler Dialekten und ihrer historischen Entwicklung. Was war der Auslöser dafür? Die Zeit bis zur ers-
ten Klasse Volksschule habe ich im Achental verbracht: Das heißt, ich bin in einer dialektalen Umgebung aufgewachsen. Groß geworden bin ich dann in Weissach, einem bäuerlichen Weiler im Westen von Kufstein, wo auch größtenteils Dialekt gesprochen wurde. Da meine Mutter Lehrerin war, haben wir zu Hause aber ein „schöneres“ Deutsch gelernt – also eines, das sich von unserer Sprache auf der Straße unterschieden hat. Mich haben diese sprachlichen Unterschiede von früher Kindheit an interessiert. Während meines Studiums bekam ich die Möglichkeit, am „Tirolischen Sprachatlas“ mitzuarbeiten. Ich
Tirol_Magazin
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bin dann zu Recherchezwecken ins Achental zurückgekehrt, um dort den Achentaler und Brandenberger Dialekt zu untersuchen. Das war der Moment, in dem ich erkannt habe, dass dieses Feld auch historisch unglaublich interessant ist. Losgelassen hat mich dieses Thema seither nicht mehr. Wenn ich Ihnen von einem „Patsch, der in Patschn seinen Patschn flickt“ erzähle, dann wissen Sie, dass ich von einem „ungeschickten Kerl, der in Hausschuhen seinen platten Reifen repariert“ rede. Für einen Nichttiroler muss das doch wie ein Witz klingen. Kann man einen Dialekt überhaupt wie eine Standardsprache erlernen? In der Schweiz gibt es Versuche,
das anhand der „Zürichdeutschen Grammatik“ zu machen. Das hängt damit zusammen, dass der Dialekt in der Schweiz einen anderen Status hat als bei uns. Die romanischsprachigen Schweizer müssen nicht nur Hochdeutsch, sondern auch Zürichdeutsch lernen, weil es völlig befremdlich wäre, in einer informellen Situation Hochdeutsch zu reden. Hier greift man dann auf den Dialekt als Sprache des Alltags zurück. Dieser Versuch in der Schweiz funktioniert auch ganz gut. Deshalb wäre es prinzipiell möglich, einen Dialekt zu erlernen, aber im Normalfall fehlt dafür oft das Motiv. Warum sollte man begrenztere Laut- und Wortformen und die daran geknüpfte Grammatik erlernen, wenn man die weiter gefassten Formen ohnedies beherrscht? Aber spielt der Dialekt nicht auch eine wesentliche Rolle, wenn es um die Identität oder die Verortung geht? Sprich: Ein Nichttiroler könnte das Motiv haben, Tirolerisch zu lernen, um Teil der Gemeinschaft zu werden. Dieses Phänomen gibt es. Wenn sich ein
Mensch mit einem bestimmten Ort identifiziert, dann kommt es schon vor, dass er den Dialekt dieses Ortes sukzessive annimmt. Dazu gehört sicherlich eine gewisse Begabung. Ist diese vorhanden, werden solche Menschen immer schwerer von den Ortsansässigen unterscheidbar werden. Aber es kommt natürlich auch vor, dass jemand nicht willens oder schlichtweg nicht in der Lage ist, einen Dialekt anzunehmen, und deshalb ewig als Fremder erkennbar bleibt. Doch selbst jene Leute, die sich mit der lautlichen Anpassung schwertun, nehmen sicherlich im Laufe der Zeit Wortschatzelemente aus der neuen Sprache auf. Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler hat heuer mit seinem sogenannten „Luader“-Sager für Aufsehen gesorgt. Schade, dass damals Ihr Wörterbuch noch nicht auf dem Markt war: Denn da steht unter „Luader“ Folgendes: Meist weibliche Person, die als böse und durchtrieben angesehen wird (Schimpfwort). Damit ist doch eh alles gesagt.
Kompliment ist „Luader“ natürlich keines. Es kann ja auch in
Dialektbegriffe von A bis Z Mit der [A]damsgabel essen: mit den Fingern essen [b]odnscheich: etwas, das nicht lang genug ist [d]erstunkn und derlogn: völlig unwahr [e]ntn: drüben [F]åckeler: schweinischer Mensch [G]ådalådalalla: Elternschlafzimmerfensterladenoffenhalter [H]idrantenoschtaber: Feuerwehrmann [I]nnat: Kammer [J]ausch: Sprühregen bei Sonnenschein [k]uafuaßet: übermütig [L]oamsiader: langweiliger Mensch [m]ausn: koitieren [N]oatnigl: armer Schlucker [O]xnaug(e): Spiegelei [P]appele: Babynahrung [Q]uetschn: Ziehharmonika [r]itig: mannstoll [S]emperer: Nörgler [T]oagåff: dummer, unbeholfener Kerl [U]mmergång: leicht ansteckende Krankheit [v]ichn: sausen, rennen [w]eiberleitisch: hinter jeder Frau her [z]wider: boshaft, widerwärtig
Ein Begriff mit vielen Bedeutungen: Fetzn • Lumpen • abgerissenes Stück Stoff oder Papier • billiges Kleidungsstück • Nicht Genügend • Alkoholrausch fetzn: urinieren fetzelen: nach Urin riechen dahinfetzn: rasen herunterfetzn: es regnet stark fetznass: völlig durchnässt das fetzt: etwas ist toll fetzln: etwas in kleine Teile zerteilen
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Zusammenhang mit Sachen verwendet werden – wenn man etwa an ein „Luaderzeig“ denkt, dann ist das auch negativ besetzt. Ob der Begriff per se frauenfeindlich ist, weiß ich nicht. Weil man macht damit nicht automatisch alle Frauen zu „Luadern“. Eingesetzt wird der Begriff schließlich, um Personen zu beschreiben, denen eine gewisse Durchtriebenheit innewohnt. Sie schreiben, dass in Städten und in den tiefer gelegenen Haupttälern der dialektale Wortschatz zusehends dahinschmilzt. Wird man in absehbarer Zeit nur mehr am Land und in den Hochtälern auf Dialektsprecher treffen? Ich persönlich glaube es nicht,
wobei es natürlich schwierig ist, dahingehend konkrete Prophezeiungen zu machen. Tatsache ist jedoch, dass immer mehr Worte aus der Standardsprache – und da vor allem aus dem Technik- und Informationsbereich – in den Dialekt einfließen. Es rücken also neue Wörter nach, die dann lediglich lautlich angepasst werden. Dafür verschwinden bestimmte Wortelemente, wodurch der Dialekt zusehends ausgedünnt wird. Interessant dabei ist, dass Dialekte eigentlich eine wesentlich längere Geschichte als die Standardsprache haben. Diese hat sich erst im 16. Jahrhundert entwickelt und ist so gesehen ein relativ junges Phänomen.
Buchtipp „Das Große Wörterbuch der Tiroler Dialekte“ Haymon-Verlag, 24,90 Euro Der 1939 in Thiersee geborene Dialekt-spezialist Hans Moser hat versucht, mit seinem im HaymonVerlag erschienenen Wörterbuch Dialektsprechern aus allen Teilen Tirols auf den Mund zu schauen. Gemeinsam mit dem Wiener Autor und Sprachkolumnisten Robert Sedlacek und unterstützt von Gewährsleuten aus Nord-, Ost- und Südtirol hat der langjährige Rektor der Universität Innsbruck eine dialektale Wortsammlung zusammengetragen, die nicht nur den lautlichen Eigenheiten der Begriffe nachspürt, sondern auch auf deren Bedeutung und Herkunft eingeht. Entstanden ist eine spannende Momentaufnahme des „Tirolerischen“, das so vielfältig und bunt ist wie das Land selbst.
Vielleicht ist es nur ein Gefühl: Aber für so manches Tiroler Kind scheint der Dialekt mittlerweile eine Fremdsprache zu sein. Was früher „guat“ war, ist heute „lecker“ und „Pfiat di“ hört man auch viel seltener als „Tschüss“. Wie kommt’s? Fakt ist, dass die
Sprachwelt von Kindern und Jugendlichen heutzutage längst nicht mehr auf das Dorf beschränkt ist. Der Konsum neuer Medien führt natürlich auch zu einem veränderten Sprachgebrauch: Man findet die dort gehörten Wörter fesch und baut sie bewusst in seine Sprache ein und verdrängt somit natürlich auch den Dialekt. Sie haben Germanistik, Geschichte, Philosophie und Romanistik an der Universität Innsbruck studiert, wo Sie auch jahrelang als Rektor tätig waren. Haben Sie Studenten, die bei Prüfungen in den Dialektmodus verfallen sind, als weniger intelligent eingestuft? Nein, weil dann wäre ich ein schlechter Germanist.
Nur weil jemand im Dialekt spricht, heißt das nicht, dass es ihm an Intelligenz mangelt. Aber in bestimmten Situationen wird man als Dialektsprecher von „Städtern“ sicher mit einer gewissen Form von Hochmut beäugt. Was ich schade finde. Wie kann man Dialekte vor dem Aussterben bewahren? Ganz einfach: Indem man sie spricht.
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ANTON CHRISTIAN VOLKSKUNSTMUSEUM 4.9.2020 – 7.2.2021
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90 CULTURE
ENGLISH
English Summary
LOOKING INTO THE SOUL THROUGH LANGUAGE
With his “Großes Wörterbuch der Tiroler Dialekte” Hans Moser presents an exciting snapshot of dialect words that are (still) used in this country.
H
ans Moser, Rector of the University of Innsbruck for many years, has compiled Das Große Wörterbuch der Tiroler Dialekte (“The Great Dictionary of Tyrolean Dialects”) in cooperation with the author and language columnist Robert Sedlacek and with the support of experts from all regions of Tyrol. This meticulously compiled collection of words not only deals with the phonetic peculiarities of dialect terms, but also shows their historical origins.
As you explain in your “Grosses Wörterbuch der Tiroler Dialekte”, it would be wrong to speak of just a single Tyrolean dialect. The Lower Inn Valley can understand what the Upper Inn Valley says and also recognises a South Tyrolean, who in turn can hear when he is dealing with an East Tyrolean. But with certain words, they have no idea. Where do these language barriers come from? H a n s
M o s e r : Life in rural society has taken place in very limited areas over the centuries. In the past, people used to find it difficult to move away from their surroundings - and if they did, it was only for a short time. Linguistic peculiarities thus gradually developed in the individual valleys and valley communities, which in the long run have led to dialects differing from each other in certain areas. Geography is certainly a determining factor in certain barriers to understanding. However, these barriers have also been influenced by state and church boundaries, which have also been reflected in the language. You write that in cities and in the lower main valleys the vernacular vocabulary is melting away. In the future will you only be able
to meet dialect speakers in the countryside and the high valleys? Personally, I do not believe
that, although it is of course difficult to make accurate predictions about it. The fact is, however, that more and more words from the standard language - and especially from the technical and information fields - are being incorporated into dialect. So new words are being added, which are then merely phonetically adapted. In return, certain word elements disappear, which means that the dialect is becoming increasingly thinner. It is interesting to note that dialects have a much longer history than the standard language. That only developed in the 16th century and is therefore a relatively young phenomenon.
How can dialects be saved from extinction?
Quite simply: by speaking them.
Tirol_Magazin
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KULTUR
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LICHTMALEREIEN AUS DER KULTURSCHATZKAMMER Der Historiker Martin Kofler leitet das in Lienz und Bruneck angesiedelte Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst (TAP), dessen Beiträge zu spezifischen Themen der Visual History künftig regelmäßig im Tirol-Magazin erscheinen werden.
© MARIAN KRÖLL
D
as Tiroler Photoarchiv – kurz TAP – ist ein Ort der kollektiven visuellen Erinnerung, ein kleiner, feiner und stetig wachsender historisch-kultureller Gedächtnisspeicher. Zu verdanken ist das dem Lichtbild, das seit bald 200 Jahren kleine Ausschnitte der Welt für die Nachwelt festhält. Im TAP werden sorgsam komponierte Aufnahmen und vermeintlich weniger wertvolle Schnappschüsse aus vielen Jahrzehnten gleichwertig nach einheitlichen Standards digitalisiert und – keine ganz einfache Aufgabe – mit passenden Schlagworten versehen, so dass sie in der digitalen Datenbank leicht wiedergefunden werden können. Mittlerweile hat sich ein beachtlicher Bestand von jenseits der 600.000 Fotos angehäuft, von denen bislang rund 120.000 digital verfügbar gemacht wurden. Das Archiv in Lienz ist in einer umgenutzten Großraumwohnung aus den 1950er-Jahren untergebracht, was den nostalgischen Charme der alten Fotografien noch einmal würdig rahmt. An
Martin Koflers erstem Arbeitstag im TAP gab es bis auf das wertvolle wie unerlässliche Projektgeld nichts. „Keine Hardware, keine Software, kein Datenbanksystem, keine Website, kein Personal“, so Kofler. Das hat sich mittlerweile freilich grundlegend geändert. Forscher und Kustos.
Historiker Martin Kofler leitet das in Lienz und Bruneck angesiedelte Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst (TAP), das 2011 aus einem EU-Interreg-IVProjekt hervorgegangen ist.
Tirol_Magazin
Historiker Martin Kofler kannte gängige Fotoarchive aus der Nutzer- bzw. Forscherperspektive, hat mittlerweile quasi die Seiten gewechselt und selbst ein Archiv aufgesetzt, das nicht nur kontinuierlich befüllt, sondern auch weiterentwickelt wird. „Ausschlaggebend für die Gründung des TAP war, dass es noch kein gemeinsames Fotoarchiv für Tirol und Südtirol gegeben hat“, sagt Kofler. Konkurrenz für das Tiroler Landesmuseum mit seinen riesigen Fotobeständen ist das TAP nicht, sondern ein Zusatzangebot bzw. mittlerweile auch Kompetenzzentrum für Historische Photographie mit Weiter-
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bildungsangeboten. Die Funde werden bei Ausstellungen, im Netz und über diverse Publikationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
N a c h d e m d a s A r c h i v in den ersten
W e r n a c h e i n e m bestimmten Foto oder Motiv sucht, kann übrigens eine konkrete Anfrage an das TAP richten (m.kofler@tiroler-photoarchiv.at). Die Resultate können bei Bedarf als Scan
Blick auf InnsbruckWilten, um 1900
gegen ein geringes Entgelt erworben werden. Für Aha-Erlebnisse und einen frischen, informierten Blick auf die Vergangenheit ist durch diese Institution jedenfalls gesorgt. Martin Kofler wird uns mit dem TAP in Zukunft regelmäßig interessante Einblicke in die Bestände gewähren und diese versiert in ihren historischen Kontext einbetten.
Marian_Kröll
© ANTON KNEUSSL / TAP
Bestandsjahren mit seinen Strukturen stand, ging man im TAP im Rahmen des Interreg-V-Projekts „Lichtbild“ mit Partnern in Bruneck, Bozen und Innsbruck dazu über, sich auch intensiv der Entwicklung von Leitlinien für den Umgang mit historischen Fotos zu widmen, von dem nicht nur zahlreiche Dorfchronisten im Wirkungskreis des TAP profitieren.
Zu Weihnachten bei der Familie des Bezirkshauptmannes von Schwaz, Anton Kneußl, 1893
Ein Geschenk für schöne Stunden …
TIROLER KÜNSTLER Band IV (2013) Max von Esterle, Lois Anvidalfarei, Erwin Reheis, Christian Hess, Franz Mölk, Theodor von Hörmann, Arthur Salner, Georg Wachter, Werner Scholz, Ingenuin Lechleitner, Eva Schlegel, Claudia Hirtl, Christian Plattner, Alexander Colin, Jakob Anton Bucher, Herbert Szusich, Adolf Guggenberger, Ernst Caramelle, Franz Hellweger, Thomas Walch Band V (2018) Rudolf Katzung, Josef Huber, Alfred Engel, Hans Weber-Tyrol, Kassian Erhart, Mathias Schmid, Friedrich Bopp, Johann Weinhart, Eduard Thöny, Hans Kramer, Alfons Walde als Grafiker, Alois Gabl, Maurizio Bonato, Erich Torggler, Nobert Strolz, Walter Trampusch, Wolfgang Capellari, Leonard Lorenz, Markus Thurner, Engelbert Lap
In der Winterausgabe 1980/81 der Zeitschrift „Tirol“ erschien ein von Volkmar Hauser verfasstes Porträt des Malers und Bildhauers Walter Nagl. Es war der Beginn einer Serie, die mittlerweile 103 Porträts Tiroler Künstlerinnen und Künstler umfasst und – zu je 20 Porträts zusammengefasst – auch in Buchform erschienen ist. Die 1992, 1999 und 2009 erschienenen Bände I, II und III sind leider vergriffen, IV bis V erhältlich.
ca. 300 Seiten, alle Artikel in Deutsch und Englisch, gebunden, Schutzumschlag; Preis: je € 43,– + Versandkosten Erhältlich über: Kunstinitiative Tirol, c/o Dr. Peter Baeck, 6091 Götzens, Unterer Feldweg 30, Tel. 0676/3056225, peter.baeck@baeck.co.at, und im Buchhandel
© IAN EHM / VERLAGSGRUPPE NEWS / PICTUREDESK.COM
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MENSCH
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Schriftsteller Felix Mitterer hat seine Wurzeln am Achensee. Tirol ist ihm auch nach Jahren im Ausland Heimat geblieben und mit seinem Umzug nach Schwaz wieder neu geworden. Kritik an der Gesellschaft steht oft im Fokus seiner Werke, als Pessimisten sieht er sich dennoch nicht. Eher als Realisten. Einen mit Hoffnung.
F
elix Mitterer ist keiner, der mit seiner Meinung hinterm Berg hält. Und seine Meinung zu vielen Dingen ist klar und deutlich. Manches davon verschriftlicht er in seinen Werken, vielfach überspitzt, aber immer mit Tiefsinn und den feinen Spitzen des genauen Beobachters. Es ist ein Blick ins Innerste der Gesellschaft und die hält das nicht immer aus. G e b o r e n w u r d e Felix Mitterer als
13. Kind einer Kleinbäuerin, die ihn als kleinen Bub an die beste Freundin weitergab. Die eine hatte schon genügend Kinder, die andere konnte keine bekommen. Der Kontakt zur leiblichen Mutter war immer da. „Sie war eine wunderbare Frau“, sagt Mitterer. „Ich wusste ja immer, dass sie mich nur aus Not ‚verschenkt‘ hatte. Mein leiblicher Vater verschwand ein Jahr nach meiner Geburt spurlos. 2001 war ich in seinem Heimatort in der heutigen Ukraine, aber auch dort hatte man seit seiner Flucht im Jahr 1943 nichts mehr von ihm gehört.“ Ein Autor und seine Geschichte(n).
Wie kaum jemand sonst versteht es Felix Mitterer, ungewöhnliche Schicksale dramaturgisch penibel in Szene zu
setzen. Sein Blick gilt oft den Außenseitern, den sozial Randständigen und jenen, die den Mut aufbringen, gegen den Strom zu schwimmen. Viele seiner Stücke polarisieren durch ihre kontroversen Themen, Mitterer spielt mit Klischees – mit oft entlarvenden Ergebnissen. „In meinen Büchern stecken all meine Erfahrungen, meine Kindheit, meine Jugend, mein ganzes Leben. Man darf allerdings nicht den Fehler begehen, den Autor mit seinen Figuren zu verwechseln. Der ‚behinderte‘ Bub in meinem ersten Stück ‚Kein Platz für Idioten‘ war ich aber selbst; das merkte ich erst, als ich die Rolle spielte“, erzählte er in einem Interview. Wäre er nicht freier Schriftsteller, wäre er Volksschullehrer geworden. „Wahrscheinlich ein ganz guter.“ Sie beschäftigen sich in Ihren Werken mit den verschiedensten Facetten und den (Un-)Tiefen der Gesellschaft. Was fasziniert Sie an Menschen und der Menschheit?
F e l i x M i t t e r e r : Was sie einander (meist unnötigerweise) antun. Nur selten tun sie einander nichts an, dann bin ich froh.
Muss Literatur den Anspruch auf eine gesellschaftliche Veränderung verfolgen bzw. muss sie generell einen Zweck erfüllen? Die
Literatur an sich muss gar nichts. Aber ob sie will oder nicht, sie erfüllt immer einen „Zweck“. Und wenn man sich „nur“ selber besser kennen lernt oder eine Einsicht gewinnt oder darin bestärkt wird, das ist schon viel. Ich selbst habe immer mit einer Hoffnung auf positive Veränderung geschrieben. Hat sich Ihr eigener Blick auf die Welt mit der steten Beschäftigung mit unterschiedlichsten Menschen verändert? Ich wundere
mich nur (immer mehr), dass die Menschen (noch immer) falschen Propheten nachlaufen. Was halten Sie für die grösste Tugend des Menschseins? Das Auf-
einanderzugehen.
Glauben Sie, dass man aus Erfahrung tatsächlich klug wird? Da
kann ich nur Brecht zitieren: „Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Was in unserem heutigen Fall heißt, man denkt zuerst auf der einen Seite ans Geschäft, man denkt zuerst auf der anderen Seite ans Vergnügen, dann erst an die Konsequenzen. Was sehr unklug ist. Es ist eine alte, traurige Tatsache, dass man aus Erfahrung nicht klug wird. Ein besseres Geschichtsbewusstsein und das Ablegen von Vorurteilen könnte dagegen helfen.
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EIN BEWEGTES LEBEN
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„DORT, WO MAN AUFGEWACHSEN IST, DA IST HEIMAT. MAN SOLL NUR NICHT SEINE HEIMAT ÜBER DIE HEIMAT ANDERER STELLEN, DAS WÄRE (UND WAR ES OFT) FATAL.“ Felix Mitterer
Felix Mitterer Jahrgang 1948, wurde in Achenkirch geboren. Als Sohn einer Kleinbäuerin und eines ukrainischen Flüchtlings wurde er vom Landarbeiterehepaar Mitterer adoptiert und wuchs in Kitzbühel und Kirchberg auf. Er brach seine Schullaufbahn 1966 ab und arbeitete beim Zollamt Innsbruck. In dieser Zeit entstanden seine ersten literarischen Texte. Ab 1970 wurden diese auch veröffentlicht. Seit 1977 ist Mitterer freiberuflicher Schriftsteller, sein erstes Stück „Kein Platz für Idioten“ wurde am 15. September 1977 an der Tiroler Volksbühne Blaas uraufgeführt. Der große Durchbruch kam mit „Die verkaufte Heimat“ 1988/89. Bekannt geworden ist Mitterer durch zahlreiche Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen, Hörspiele und Mundarttexte – allen voran die „PiefkeSaga“, für die er vielfach kritisiert wurde. Mitterer bezeichnet sich selbst als „Tiroler Heimatdichter und Volksautor“, wobei er sich immer wieder mit gesellschaftskritischen Themen auseinandersetzt. Er wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet und lebt nach vielen Jahren in Irland und im österreichischen Weinviertel aktuell in Schwaz.
Felix Mitterer wird oftmals mit der Piefke-Saga gleichgesetzt. Würden Sie diese mit dem Wissen, was dies für Ihr Leben bedeutet, nochmal schreiben? Aber ja.
„Die Piefke-Saga“ war mein Glücksfall. Ziemlich unschuldig und auf Wunsch des Norddeutschen Rundfunks niedergeschrieben, dann jahrelang nicht gedreht, dann doch – und unglaublich viele schauten zu, Diskussion und Nachdenken wurden ausgelöst. So etwas passiert einem Autor nur einmal im Leben, wenn überhaupt – zur rechten Zeit das Richtige schreiben. Die Piefke-Saga hat sich auf eine tragikomische Weise mit dem Verhältnis zwischen deutschen Touristen und einheimischen Tirolern beschäftigt. Das Drehbuch stammt aus den 1990ern. Wie sehen Sie die Situation heute? Nichts
ändert sich wirklich. Man ist nur geschickter geworden. Das hört sich aber mit dem Virus auf. Wer hätte mit sowas gerechnet? Niemand, ich ebenfalls nicht. Wäre mir damals im 4. Teil sowas wie Corona eingefallen, hätte man mich für völlig verrückt gehalten. Was heißt: Die Wirklichkeit übertrifft immer jede Erfindung. Sie haben angekündigt, in einem fünften Teil der Piefke-Saga die Causa Ischgl aufzuarbeiten. Mit
Tirol_Magazin
welchen Gefühlen schauen Sie auf Ischgl? Mit dem gleichen Gefühl, mit
dem ich auf andere touristische „Hochburgen“ schaue. Die „anderen“ waren nämlich sehr froh darüber, dass nur auf Ischgl eingedroschen wurde und sie selbst verschont blieben. Corona hat vor allem dem Tourismus ordentlich zugesetzt. Glauben Sie, braucht Tirol eine neue touristische Erzählung? Die kommt,
wenn auch unfreiwillig und unwillig. Andere – zugegeben – setzten schon vorher auf sanfteren Tourismus. Die sind jetzt im Vorteil, hoffentlich. Sind Sie selbst gerne Tourist? Ich
bin überhaupt kein Tourist, ganz egoistisch eigentlich, denn ich hasse die Umständlichkeit des Wegfahrens und wenn ich die Landessprache nicht beherrsche. Ich bin immer lieber daheim geblieben, mein Leben lang. Eine Zeitlang war ich in Irland daheim. Sie sind vor Kurzem wieder zurück nach Tirol gezogen. Was verbinden Sie mit dem Land und was mit dem gemeinen Tiroler? Ich liebe mein
Land und auch die Menschen in Tirol. Es gibt ganz wunderbare, ganz kluge auch. Man muss nur die Kruste durchdringen. Und: Man kann sich sein Land ja nicht aussuchen, nicht als Mensch, nicht als Marina_Bernardi Autor.
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Bücher
ZUM LESEN Seit 1987 erscheinen Felix Mitterers Stücke und Drehbücher im Haymon Verlag, einzeln sowie gesammelt in bisher fünf Bänden. Zu seinem 70. Geburtstag im Februar 2018 erschien seine Autobiographie „Mein Lebenslauf“, 2020 sein neuer Roman „Keiner von euch“, für den er sich von der faszinierenden Lebensgeschichte Angelo Solimans inspirieren ließ. Das Ferdinand-RaimundStück „Brüderlein fein“ ist in Ausarbeitung. Eine Auswahl.
Märzengrund
Galápagos
Vomperloch
88 Seiten, EUR 9,95
136 Seiten, EUR 9,95
96 Seiten, EUR 9,95
Ein Theaterstück um die wahre Geschichte eines Mannes, der sich in der immer moderner werdenden Welt nicht zurechtfinden konnte und sich von ihr lossagte. Seinen Frieden fand er stattdessen in der Einsamkeit und der Natur. Erschienen 2016.
Von der Sehnsucht nach einem Leben fernab der Zivilisation. Ein Theaterstück über das Leben auf einer unbewohnten Insel. Erschienen 2017.
Das Stück gibt all jenen Deserteuren eine Stimme, die bis heute – meist vergeblich – auf ihre Rehabilitierung warten. Das Deserteursstück ist 2018 erschienen.
Silberberg
Keiner von euch
Mein Lebenslauf
112 Seiten, EUR 9,95
344 Seiten, EUR 24,90
528 Seiten, EUR 29,90
Ein Knappenspiel über Fluch und Segen des Silbers im größten Silberbergwerk des Mittelalters – entstanden im Auftrag der Stadt Schwaz. Erschienen 2019.
Felix Mitterers erster Roman: über das Leben eines Afrikaners am Wiener Hof des 18. Jahrhunderts. Erschienen 2020.
Vom Bauernbub zum gefeierten Volksdichter – Felix Mitterer erzählt sein bewegtes Leben. Erschienen 2018.
Tirol_Magazin
m großen freien Markt gibt es viele Anbieter. A Manchmal so viele, dass es schwierig wird, den passenden für seine Ansprüche zu finden. Unter dem Dach des QHT haben sich an die 300 Betriebe zusammengefunden, um mehr zu bieten, als nur einen Auftrag abzuarbeiten. Sie bieten Qualitätsarbeit mit Gütesiegel. Dazu werden die QHT-Betriebe in regelmäßigen Abständen von externen Experten auf die Einhaltung der hohen Qualitätsstandards überprüft. D a s Q u a l i tät s - H a n d w e r k T i r o l macht jene
Betriebe mit einem Gütesiegel sichtbar, die in allen Phasen der Abwicklung darauf schauen, dass Sie als Kunde mit Qualitätsarbeit zufrieden gestellt werden. Das beginnt beim ersten Kundenkontakt, geht weiter bei der Angebotslegung und führt über die Auswahl von Materialien bis hin zur Erbringung der Arbeitsleistung und der transparenten und fairen Rechnungslegung. Qualitäts-Handwerks-Betriebe Tirol sind auch nach der geleisteten Arbeit noch für Sie da. Wir sind QHT-Betriebe, die in den Dörfern und in den Städten angesiedelt sind, oft schon viele Betriebsjahre hinter sich haben und wissen, worauf es ankommt. N at ü r l i c h h at Q u a l i tät hat auch ihren Preis.
Das weiß jeder, der schon einmal ein vermeintliches „Schnäppchen“ gekauft hat – das sich im Nachhinein nach dem bekannten Motto „Billig gekauft ist teuer gekauft“ als Reinfall herausgestellt hat. QHT-Betriebe bieten Qualität, die besteht. In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Zeit ist es umso wichtiger, dass Sie als Kunde Ihr hart verdientes Geld auch in der heimischen Wirtschaft lassen. Wenn Sie in nächster Zeit ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG / FOTOS: WKT/FRANZ OSS
etwas investieren und kaufen wollen, schauen Sie auf die heimischen Unternehmer. Unsere Betriebe können mindestens das Gleiche wie die großen, international tätigen Konzerne – und eigentlich noch viel mehr, denn unsere heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer sind es, die hier im eigenem Land Steuern zahlen und somit das System, das wir in Österreich genießen dürfen, am Laufen halten. Unsere Tiroler Qualitäts-Handwerks-Betriebe schauen schon bei der Auswahl ihrer benötigten Arbeitsstoffe auf kurze Wege und verarbeiten soweit möglich heimische Rohstoffe. Damit hat Qualitäts-Handwerk auch mit Nachhaltigkeit zu tun, genau jenes Wort, das oft gebraucht, aber zu selten gelebt wird. B l e i b e n S i e u n s t r e u , liebe Kundinnen und
Kunden. Die heimische Wirtschaft braucht jetzt mehr als nur Klatschen auf den Balkonen und Lippenbekenntnisse. Sie braucht mündige Konsumentinnen und Konsumenten, die sich auf kompromisslose Qualität made in Tyrol verlassen können! Ihr Franz Jirka Obmann Verein Q u a l i tät s - H a n d w e r k T i r o l
Michaela Engl, Projektleiterin QHT
Verein „QualitätsHandwerk Tirol – geprüft!“ c/o Sparte Gewerbe und Handwerk Wirtschaftskammer Tirol Wilhelm-Greil-Straße 7 6020 Innsbruck Tel.: 05 90 90 5-1384 info@qht.at www.qht.at www.facebook.com/QualitaetsHandwerkTirol
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So wie das neue TIROL Magazin setzen auch die Tiroler Qualitäts-Handwerks-Betriebe, kurz QHT-Betriebe, auf eine wie man in Tirol sagt „g’standene“ Qualität.
QHT
Auf Tirol schauen
100 PEOPLE
ENGLISH
English Summary
AN EVENTFUL LIFE
Author Felix Mitterer has his roots in the region around the Achensee. Tyrol remained his spiritual abode even after years abroad and, with his move to Schwaz, has become his real home once again. Social criticism is often the focus of his works, yet he does not see himself as a pessimist. Rather as a realist. One with hope.
necessity. My biological father disappeared without a trace a year after my birth. I was in his home town in what is now Ukraine in 2001, but even there, no one had heard from him since he fled in 1943.” F e w k n o w h o w to stage unusual fates with crea-
F
elix Mitterers is not someone who keeps his opinions to himself. And his opinion on many things is clear and unambiguous. Some of these are shared in his works, often exaggerated, but always with the depth and subtle nuances of a close observer. It is a look into the innermost part of society and that does not always hold up to his scrutiny. What fascinates him about people and being human? “What they do to each other (usually unnecessarily). I am happy on the rare occasions that they do nothing to each other,” says Mitterer.
F e l i x M i t t e r e r was born in 1948 as the 13th child to the wife of a small farmer, who passed him on to her best friend when he was a little boy. She already had enough children, and the other woman could not have any. The contact with his biological mother was always there. “She was a wonderful woman,” says Mitterer. “I always knew that she had only ‘given me away’ out of
tive precision like Felix Mitterer. He often focuses on the outsiders, the socially marginalised and those who have the courage to swim against the tide. Many of his plays polarise with their controversial themes. Mitterer plays with clichés - often with revealing results. “My books contain all my experiences, my childhood, my youth, my whole life. You should not make the mistake of confusing the author with his characters but the ‘disabled’ boy in my first play ‘No Room for Idiots’ was myself. I only realised this when I played the role,” he says. Mitterer has become well-known with his numerous plays, scripts, stories, radio plays and works in local dialect - most notably the “Piefke Saga” in the 1990s. He was often criticised for the tragicomical examination of the relationship between German tourists and native Tyroleans. Nevertheless, it was a stroke of luck for him: “I wrote it down pretty innocently at the request of the Norddeutscher Rundfunk, and then it took years for it to be filmed. Once it was released an unbelievable number of people watched it and it triggered discussion and reflection. Something like this happens to an author only once in a lifetime, if at all - to write the right thing at the right time.” Incidentally, he himself is very unwilling to be a tourist and generally avoids it. “I hate the awkwardness of leaving and when I don’t speak the local language. My whole life through I have always preferred to stay at home. For a while I was at home in Ireland.” Felix Mitterer has recently moved to Schwaz. Had he not been a freelance writer, he would have become a primary school teacher. “Probably a pretty good one.”
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h c i Weil
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bin
Š Innsbruck Tourismus / Christof Lackner
be raten
© ANDREAS FRIEDLE
102 MENSCH
DAS LEBEN HINTER DEN KLOSTERMAUERN IST VON STILLE GEPRÄGT: SO VERLANGT ES DAS REGELWERK.
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DER REST IST SCHWEIGEN In Abgeschiedenheit und Stille leben die „Filles du Sacré Cœur“ seit 1912 im Herz-Jesu-Kloster am Haller Stiftsplatz. Dass man die „Töchter des Herzens Jesu“ im Volksmund „Weiße Tauben“ nennt, ist für sie kein Geheimnis, wie Schwester Oberin Marie Raphael verrät. Ja, auch in einem Schweigeorden darf – in Ausnahmefällen – gesprochen werden: Über den Ruf Gottes genauso wie über die Auswüchse der Corona-Pandemie, das World Wide Web und eigenwillige Lebensentscheidungen.
104 MENSCH
„UNSER LEBEN KANN MAN NICHT ERKLÄREN, MAN KANN ES NUR LEBEN.“ Schwester Marie Raphael
D
ie Pausenglocke der Volksschule am Stiftsplatz ist gerade verhallt, da machen sich inmitten der Haller Altstadt Gejohle und Kinderlachen breit. Dass wenige Schritte von diesem lebhaften Geräuschorkan entfernt der Eingang zu einem außergewöhnlichen Ort der Stille liegt, will man da fast nicht glauben. Doch schon öffnet sich – mit modernem Summerton – die Pforte zum „Herz-Jesu-Kloster“, das anno 1912 vom zwei Jahre später ermordeten Thronfolger Franz Ferdinand an die „Société des Filles du Sacré Cœur“ übergeben wurde. Die „Töchter des Herzens Jesu“ in ihren blütenweißen Ordenskleidern bekommt man außerhalb der Klostermauern so gut wie nie zu Gesicht: Andacht, Stille und Zurückgezogenheit bestimmen den Alltag der Klausurschwestern, um die sich so mancher Mythos rankt. Etwa jener, dass sie nie sprechen dürfen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Gehorsam gehört dazu.
Schwester Marie Raphael sitzt im geräumigen Sprechzimmer, das dezente Beichtstuhl-Atmosphäre ausströmt. Ein hölzernes Gitter trennt den klerikalen vom weltlichen Bereich – erst am Ende des Gesprächs wird die gebürtige Schweizerin, die in der Haller Ordensniederlassung seit knapp einem Jahr als Schwester Oberin wirkt, das Gitter kurz für ein paar Fotos öffnen. V e r s c h l o s s e n w i r k t die 66-Jäh-
rige aber auch davor nicht: Packend erzählt sie von ihrer Kindheit in einer
Zur Geschichte Die „Société des Filles du Sacré Cœur“ (Kongregation der Töchter des Herzens Jesu) wurde 1873 in der Nähe von Antwerpen von der in Marseille geborenen Marie de Jésus Deluil-Martiny gegründet. Niederlassungen dieses Klausurordens, der auf Andacht und Stille ausgerichtet ist, gibt es in Schwyz, Marseille, Rom, Venedig, dem kroatischen Lasinja und eben in Hall. Das Kloster befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Haller Damenstifts, das Ferdinand II. 1567 für seine zwei ledigen Schwestern Magdalena und Helena gründete. Damen des Hochadels wurde hier ein sorgenfreies, frommes Leben geboten, der Einzug ans Stift war aber an eine stattliche Mitgift geknüpft. 1783 wurde das Haller Damenstift von Kaiser Joseph II. aufgehoben. In der Folge wurde das Stiftsgebäude als Wohnhaus genutzt, die Kirche profaniert und unter anderem als Stadtspital genutzt. Anno 1912 veranlasste Thronfolger Franz Ferdinand, dass Stiftsgebäude und Kirche an die beschauliche Ordensgemeinschaft übergeben werden, deren Hauptaufgabe im Gebet liegt. Gesprochen wird hier nur das Nötigste: Der Gründerin geschuldet ist die Gemeinschaftssprache Französisch. Im Herz-JesuKloster in Hall leben aktuell neun Schwestern. Da fünf von ihnen vom Kloster in Lasinja kommen, hat sich auch Kroatisch als Gemeinschaftssprache etabliert.
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„normal katholischen“ Familie und von dem Moment, an dem sie das erste Mal den Ruf Gottes spürte. Gerade einmal vier Jahre alt war sie und schon sicher, dass „nur Jesus den Schlüssel zu meinem Herzen haben sollte“. Je älter sie wurde, desto klarer war für sie, dass ihr Weg ins Kloster führen sollte. Die ursprüngliche Idee, in die Mission zu gehen, verwarf sie zugunsten eines Lebens in der Klausur. Als sie mit 18 ihr Köfferchen im St.-Josefs-Klösterle in Schwyz abstellte, spürte sie, „dass ich angekommen bin“. Ihre Eltern – ein Bahnbeamter und eine Schneiderin – waren über ihre Entscheidung jedoch weniger beglückt. „Die Mama war tieftraurig und der Vater hat getobt: Aber beide haben geglaubt, dass ich wieder nach Hause kommen werde, weil es mir im Kloster sicher zu langweilig wird“, sagt Schwester Marie Raphael, die schon damals wusste, dass Mutter und Vater falsch liegen sollten. Ihr Zuhause hat sie seither nicht mehr gesehen, ihre Eltern allerdings schon: Nur mussten diese fortan auf Reisen gehen, um ihre Tochter zumindest ein paar Mal im Jahr zu treffen.
Vo n S c h w y z ging es für Schwester Marie Raphael weiter zu den Klosterniederlassungen nach Marseille, Rom und Kroatien, ehe sie in Hall landete. „Man hat mir gesagt, dass ich hierher muss. Und das habe ich befolgt. Dieser Gehorsam gehört dazu“, erklärt sie mit sanfter Stimme, die tatsächlich nur spärlich zum Einsatz kommt. Ora et labora.
Das Leben hinter den Klostermauern ist von Stille geprägt: So verlangt es
105 MENSCH
Aufgaben auĂ&#x;erhalb des Klosters haben die Schwestern keine, ihr Hauptauftrag ist die Anbetung des Allerheiligsten Altarsakraments, das in der Monstranz in der Herz-Jesu-Basilika ausgestellt ist.
106 MENSCH © ANDREAS FRIEDLE
Gerade einmal vier Jahre alt war Schwester Marie Raphael und schon sicher, dass „nur Jesus den Schlüssel zu meinem Herzen haben sollte“.
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AKTUELLE Neubauprojekte das Regelwerk dieser beschaulichen Ordensgemeinschaft, die 1873 von der in Marseille geborenen Marie de Jésus Deluil-Martiny gegründet wurde. Aufgaben außerhalb des Klosters haben die Schwestern keine, ihr Hauptauftrag ist die Anbetung des Allerheiligsten Altarsakraments, das in der Monstranz in der Herz-Jesu-Basilika ausgestellt ist. Dabei wechseln sich die Schwestern im Halbstundentakt ab, was auch gut ohne Worte funktioniert. „Aber wenn es um die Arbeit geht, wird natürlich gesprochen, allerdings nur das Notwendigste“, sagt Schwester Marie Raphael, deren Tag um fünf Uhr früh beginnt und vom Credo „Ora et labora“ geprägt ist.
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„ B e t e u n d a r b e i t e “ heißt es auch für ihre
acht Mitschwestern, die aus Slowenien, Kroatien, Belgien, der Schweiz und Österreich stammen und – abgesehen von der durchgetakteten Andacht – größtenteils häuslichen Arbeiten nachgehen. Die Ordenskleider werden selbst genäht, auch in der Küche und im Garten gibt es keine Hilfe von außen. Obendrein muss das weitläufige Haus instand gehalten werden. Wie viele Räume es hat, kann Schwester Marie Raphael nicht beantworten. „Keine Ahnung: Aber viele“, schmunzelt die Ordensälteste, die froh ist, dass mit zwei 25-jährigen Schwestern auch die Jugend im Orden Einzug gehalten hat.
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P l at z g ä b e e s hier allerdings für insgesamt
20 Schwestern. Ist es also schwierig, Nachwuchs zu finden? „Das ist von Land zu Land verschieden. Ich war zwölf Jahre lang in Kroatien, wo das Kloster zuletzt mit 24 Schwestern voll war. Aber es gibt auch Länder, wo sich nicht so viele berufen fühlen“, erklärt Schwester Marie Raphael, die durchaus akzeptiert, dass ihr besonderer Lebensweg oft nicht verstanden wird. „Unser Leben kann man nicht erklären, man kann es nur leben“, ist sie überzeugt. Zwischen zwei W e lt e n .
V e r l i e r t m a n nicht den Bezug zur Außen-
welt, wenn das eigene Universum durch Klostermauern begrenzt ist, die man nur in Ausnahmefällen – etwa bei einer Erkrankung – hinter sich lassen kann? Schwester Marie Raphael
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108 MENSCH
MIT DEM „KARMEL ST. JOSEF UND ST. THERESA“ UND DEM KLOSTER VOM „ORDEN DER EWIGEN ANBETUNG“ IN INNSBRUCK GIBT ES IN TIROL NUR NOCH ZWEI WEITERE KONTEMPLATIVE ORDEN.
schüttelt bestimmt den Kopf. „Nein, gar nicht! Wir fühlen uns weder isoliert noch spüren wir einen Abstand zwischen den Menschen und uns. Umgekehrt mag das vielleicht anders sein“, sinniert sie. Und erinnert sich an ihren sechswöchigen Aufenthalt in der Innsbrucker Klinik, wo sie nach einem unglücklichen Sturz im Klostergarten landete. „Im Spital war ich ein Unikum: Die Leute waren ganz aufgeregt, wenn sie mich gesehen haben. Weil ich ‚die aus dem Schweigeorden‘ war. Das war schon etwas eigenartig“, denkt sie an die Momente zurück, in denen dann doch zwei Welten aufeinanderprallten. D a s s m a n s i e und ihre Mitschwes-
tern im Volksmund „Weiße Tauben“ getauft hat, war für Schwester Marie Raphael aber schon vor ihrem Klinikaufenthalt kein Geheimnis. „Angeblich nennt man uns auch Tabernakel-Täubchen. Aber das stört mich nicht weiter: Das hat ja mit unserer Ordenstracht zu tun und ist nicht böse gemeint“, meint sie gnädig. Und kommt noch einmal auf die Frage mit der vermeintlich fernen Außenwelt zurück. „Die Leute läuten an der Klostertür und bringen uns ihre Sorgen her. Manche rufen für Gebetsanliegen auch an. Das passiert fast jeden Tag“, will sie mit der Mär aufräumen, dass das Leben in der Klausur gleichzeitig eine totale Abschottung von dem bedeutet, was Ordensfremde als „Normalität“ bezeichnen.
Geübt in S o c i a l D i s ta n c e .
Aber was ist in Zeiten der nach wie vor bizarr wirkenden Corona-Pandemie schon normal? Die Einschränkung von sozialen Kontakten, der gebotene Rückzug in die eigenen vier Wände und der daran geknüpfte Verzicht auf etwaige Annehmlichkeiten des Lebens haben so manchen schon nach wenigen Wochen aus der Bahn geworfen. Wir sagten Lockdown dazu, im Herz-Jesu-Kloster ist das Alltag – der den Großteil der Menschheit augenscheinlich überfordert. „Diese unglaubliche Stille, die geherrscht hat, war auch für uns ungewöhnlich. Für uns selber hat sich allerdings kaum etwas verändert: Doch als am Ostersonntag Gläubige an der verschlossenen Kirchentür gerüttelt haben, war das schon hart. Die Glocken haben so schön geläutet und niemand durfte zur Messe kommen. Das war entsetzlich“, sagt Schwester Marie Raphael, die sich über jene Menschen wundert, die auch hier noch die Energie fanden, ihr Gegenüber anzufeinden. „Wie kann es sein, dass man böse aufeinander wird, wenn jemand den Mundschutz nicht richtig aufhat“, fragt sie sich. Schließlich gäbe es ja weitaus größere Probleme. „Uns haben die Menschen leidgetan, die ihre Arbeit verloren haben, krank geworden sind oder Kranke in ihrem Umfeld hatten: Es gab mit Sicherheit mehr Leid als Erkenntnis.“ Sagt’s und kommt auf Gott zu sprechen: Tirol_Magazin
„Wer jetzt keinen Glauben hat, der hat auch mehr Angst“, erklärt sie. Furcht schimmert dabei keine durch. B e r ü h r u n g s ä n g s t e mit neuen
Technologien hat Schwester Marie Raphael übrigens auch nicht. „Wenn es notwendig ist, dann geh ich auch ins Internet“, erklärt sie. Denn: „In unseren Regeln steht, dass wir informiert darüber sein müssen, was in der Welt passiert. Sonst wüssten wir ja nicht, wofür wir beten“, stellt sie klar. Die Vorstellung, dass im Schweigeorden gemeinschaftlich durchs Netz gesurft wird, kann man sich aber gleich wieder aus dem Kopf schlagen. Die Schwestern haben keinen uneingeschränkten Internetzugang, sie dürfen tatsächlich nur dann ins World Wide Web, wenn es darum geht, auf dem Laufenden zu bleiben. „Wir würden uns sonst nur blockieren und von unseren Aufgaben ablenken lassen“, erklärt die Schwester Oberin, die ohnedies glaubt, dass die wichtigste Verbindung der Draht zu Gott ist. Deshalb findet sich im gesamten Komplex auch kein Fernseher – weder in den einfachen Zellen noch im Gemeinschaftsraum. „Aber wenn es etwas vom Papst zu sehen gibt, dann schauen wir das auf dem Computer. Und wir haben auch ein paar DVDs mit schönen Dokumentarfilmen“, verrät Schwester Marie Raphael, ehe sie die Tür zum Sprechzimmer wieder hinter sich schließt. Genug der Worte. Die Stille ruft.
C h r i s t i a n e _ Fa s c h i n g
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Foto: Innsbruck Tourismus / Aichner
E I N E K A RT E – U N Z Ä H L I G E M Ö G L I C H K E I T E N
110 PEOPLE
ENGLISH
English Summary
THE REST IS SILENCE
The “Filles du Sacré Coeur” have lived in seclusion and silence in the Herz-Jesu-Kloster on the Stiftsplatz in Hall since 1912. It is no secret to them that the “Daughters of the Sacred Heart of Jesus” are popularly called “White Doves”, as Sister Superior Marie Raphael reveals.
S
ister Marie Raphael sits in the spacious study, which exudes a discreet confessional atmosphere. A wooden grille separates the clerical from the secular area - only at the end of the conversation will the Swiss-born Sister, who has been working as Sister Superior in the Hall branch of the order for almost a year, open the grille briefly for a few photos. B u t t h e 6 6 - y e a r - o l d does not seem to be at all
reticent: she talks engagingly about her childhood in a “normal Catholic” family and about the moment when she first felt God’s call. She was just four years old and already sure that “only Jesus should have the key to my heart”. The older she got, the clearer it became for her that her way should lead to the convent. L i f e b e h i n d the convent walls is characterised by
silence: according to the rules of this contemplative religious community founded in 1873 by Marie de Jésus Deluil-Martiny, who was born in Marseilles. The sisters have no duties outside the convent, their main mission being adoration of the Blessed Sacrament, which is displayed in the monstrance in the Basilica of the Sacred Heart of Jesus. The sisters take turns every half hour, which can be done without speaking. “Of course we speak when it comes to work but we only mention the most necessary things,” says Sister Marie Raphael, whose day begins at five o’clock in the morning and is characterised by the credo “Ora et labora”.
“ P r ay a n d w o r k ” is also the motto for her eight sisters, who come from Slovenia, Croatia, Belgium, Switzerland and Austria and - apart from the regular devotions - do most of their own domestic work. The order’s clothes are sewn by the sisters themselves, and
there is no outside help in the kitchen or in the garden. On top of that, the spacious house must be kept in shape. Sister Marie Raphael is unable to say how many rooms it has. “I don’t know, but there are plenty of them,” smiles the eldest of the order, who is happy that, with two 25-year-old sisters, youth has also entered the convent. H o w e v e r , there would be room for a total of 20 sis-
ters. So, is it difficult to find new blood? “That varies from country to country. I was in Croatia for twelve years and the last I saw the convent was full with 24 sisters. But there are also countries where not so many feel called,” explains Sister Marie Raphael, who accepts that her particular path in life is often not understood. She is convinced: “You cannot explain our life, you can only live it.”
Tirol_Magazin
111 UNIQA TIROL
Erde gut, alles gut
Nur wenn es der Erde gut geht, geht es auch uns gut! Nach diesem Motto agiert UNIQA gleich auf mehreren Ebenen nachhaltig. achhaltigkeit ist bei UNIQA N in allen Unternehmensbereichen fest verankert, von der Unternehmensführung über die Versicherungsprodukte bis hin zu unserem sozialen Engagement“, erklärt Manfred Miglar, UNIQA Landesdirektor Tirol. „Wir haben noch nicht das Ende des Weges erreicht, aber wir gehen ihn Schritt für Schritt.“ V e r s i c h e r n ist per se schon nach-
haltig. Aus diesem Grund hat UNIQA bereits 2019 den Ausstieg aus dem Geschäft mit der Kohle fixiert. Das heißt: keine Finanzierung, kein Neugeschäft und sukzessiver Abbau des noch bestehenden Kohlegeschäfts. Unseren Planeten erhalten, ein gesundes, achtsames Leben führen – das sind die Leitthemen im Nachhaltigkeitsmanagement von UNIQA. Das beginnt bei der Empathie für die Kunden und geht bis hin zu Engagements wie dem UNIQA INF Nachhaltigkeitspreis. U N I QA I N F N a c h h a lt i g k e i t s p r e i s 2 0 2 0
Dem kreativen Spielraum waren bei dem erstmals vergebenen Nachhaltigkeitspreis keine Grenzen gesetzt. Einzige Vorgabe: Die Einreichungen müssen eine nachhaltige Wirkung für die GesellENTGELTLICHE EINSCHALTUNG / FOTOS: ANDREAS FRIEDLE, LANZANASTO
schaft aufweisen. Mehr als 30 aus aller Welt – von Panama über Kanada, UK und Wien bis Tirol – nahmen die Gelegenheit wahr und reichten ein. Als Gewinner wurde das Projekt MERA gekürt. D a s P r o j e k t MEDMICROPLASTICS
von MERA (Mediterranen Education & Research Association) mit Sitz in Graz und Pula versucht die Plastikverschmutzung im Mittelmeer zu reduzieren. Kinder ebenso wie Fachleute aus der Wissenschaft sind daran aktiv beteiligt. FlexSolution
Nachhaltigkeit ist auch ein zukunftsweisendes Thema von UNIQA im Versicherungsbereich. FlexSolution sei hier als Beispiel für eine qualitative Altersvorsorge erwähnt. „Der Fluss der Zeit lässt sich nicht aufhalten. Wir alle werden älter, unterwegs können wir zwar nicht alles beeinflussen. Die finanzielle Absicherung im Alter aber schon. In kurzen Worten würde ich sagen: Eine gute zukunftsorientierte Vorsorge vereint Langfristigkeit, Steuervorteile und Risikoabsicherung bzw. sie verbindet den Auftrieb aus den Kapitalmärkten mit einer Versicherung. Dies alles spiegelt sich in unserem Produkt FlexSolution – fondsgebundene Lebensver-
Igor Richtmann, Leiter Vorsorgemanagement und Spartenbereich der Personenversicherungen, UNIQA
sicherung mit lebenslanger Pension und Zusatzbausteinen wider“, so Igor Richtmann, bei UNIQA Leiter Vorsorgemanagement und Spartenbereich der Personenversicherungen. „Seit heuer bietet UNIQA auch nachhaltige Fonds nach ESG-Kriterien an – mit Österreichischem Umweltzeichen ausgezeichnet. Die ESG-Fonds bieten mit ihren unterschiedlichen Nachhaltigkeitskriterien und Risikoklassen für jeden Anleger die passende Alternative“, ergänzt der Experte. Nachhaltigkeit ist eben bei UNIQA nicht nur ein leeres Wort, sondern wird in allen Unternehmensbereiw w w. u n i � a . at chen gelebt.
Kunst zum Hören
Das Science Center in Innsbruck bringt Interessantes, Wissenswertes und Schönes interaktiv zu Gehör. Ein innovativer Ort, an dem die Neugierde geweckt und zum Lernen und Experimentieren eingeladen werden soll.
iel gibt es im AUDIOVERSUM zu hören und zu V erleben. Schon einmal durch ein Ohr in 3D gesurft oder überdimensionale Haar-Sinneszellen gefühlt? Im Science Center wird Hören zum faszinierenden Abenteuer. Es verbindet Medizin, Technik, Bildung und Kunst. Die Besucher aus dem In- und Ausland sollen auf spielerische Weise mit der Bedeutung des Hörsinns vertraut werden. Das in Europa einzigartige Ausstellungskonzept wird mit wechselnden Sonderausstellungen erweitert: Unter den Rubriken GEHÖRT GEWUSST und GEHÖRT GESEHEN werden interaktive Wissensvermittlung und zeitgenössische Formate angeboten. D a s H ö r e n soll allerdings nicht nur von der wissen-
schaftlichen oder technischen Seite beleuchtet werden, sondern das Thema soll greifbar, spürbar und auch fühlbar gemacht werden. Im AUDIOVERSUM wird mit allen Sinnen gehört. Sowohl die Ausstellungen, die Kunst als auch Shopartikel werden in der akustischen Erlebniswelt hörbar. E i n g u t e s B e i s p i e l dafür ist die Kunst zum Hören
im Foyer des AUDIOVERSUMS im ersten Stock. Die ausgewählten Werke bringen Geräusche zum Ausdruck und erzählen von der Bedeutung unterschiedlicher Begriffe aus der Welt des Hörens. Das Foyer bietet sich dafür besonders an: Ein Raum, der die anatomische Reise ins menschliche Ohr (Hauptausstellung) und die technische Welt der Hörimplantate (MED-EL World) kunstvoll verbinden soll. Gleich ins Auge sticht einem dabei das rot leuchtende ECHO, das auch hörbar ist: Bequem am Hocker Platz genommen, gelangt man mit dem eigenen Smartphone und QR-Code zur Geschich-
te. Wunderbar erzählt von Paul Kraker, der bekannten Stimme des Radiosenders Ö1. Audioguide to go.
Auch die Ausstellungen sollen künftig akustisch vermittelt werden. Jeder Besucher erhält zum Eintrittsticket eine Karte mit QR-Code. Durch Scannen mit dem eigenen Smartphone kann man sich durch die Ausstellung „hören“. Eigene Airpods oder Ähnliches können gerne mitgebracht oder an der Kasse geliehen werden. Den Anfang der „hörbaren“ Ausstellung macht die Sonderausstellung „Wir hören Vinyl – das Schöne an der schwarzen Scheibe“, in der die verschiedenen Aspekte der Kunstform Cover zwischen Musik und optischer Gestaltung beleuchtet werden. Audioversum für zuhause.
Der innovative AUDIOVERSUM-Podcast richtet sich an alle hörbegeisterten Menschen, die verschiedene Hörerfahrungen machen und sich dem Hörgenuss hingeben wollen. Über sämtliche Streamingdienste kann man sich das interaktive Museum auch nach Hause holen. Hörbares für Kinder.
Als österreichweit einziges Ausflugsziel bietet das AUDIOVERSUM die audiodigitale tiptoi-Rallye in seiner Hauptausstellung ABENTEUER HÖREN an. Über Kopfhörer empfangen Kinder und Jugendliche wissenswerte Fakten zu den Exponaten und bekommen dazu Quizfragen gestellt. Insgesamt warten 21 spannende Stationen auf die jungen Besucher. ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG / FOTOS: AUDIOVERSUM/C. DWORSCHAK
„Das Audioversum – eine akustische Erlebniswelt.“ Julia Sparber-Ablinger, Head of AUDIOVERSUM, gibt im Interview persönliche Einblicke und erzählt, was wir in Zukunft im AUDIOVERSUM erwarten können. Was ist Ihr persönliches Highlight im Audioversum? J u l i a S pa r b e r - A b l i n g e r :
Das Audioversum ist insgesamt eine sehr gelungene akustische Erlebniswelt, die seit 2013 besteht. Mein persönliches Highlight ist die neu installierte „Kunst zum Hören“ im 1. Obergeschoss, weil sie aufzeigt, wie gut der menschliche Seh- und Gehörsinn zusammenspielen. Ein Platz zum Verweilen und Reinhören – mit Bildern und Klängen.
Auch ganz neu im AUDIOVERSUM ist der Shop. Was macht den Shop so besonders bzw. unterscheidet ihn von anderen Museumsshops?
Unser Museumsshop HÖR-BAR ist deshalb so besonders, weil unsere Produkte Geschichten erzählen. Wer sich beispielsweise ein Notizbuch oder eine Tasche kauft, bekommt ein Kärtchen mit einem QR-Code dazu. Zuhause beim Auspacken kann man den Code abscannen und in eine schöne Geschichte übers Notizenmachen oder eine lustige über Tascheninhalte reinhören. Jeder Einkauf im Audioversum wird sozusagen mit einer „Gute-Nacht-Geschichte“ belohnt.
Im letzten Jahr wurde unter Ihrer Leitung viel erneuert und weiterentwickelt. Können Sie uns darüber ein wenig berichten. Storytel-
ling ist das neue, wichtige Leitmotiv im Audioversum. Man kann so schön akustisch erzählen und damit auch Wissen vermitteln und unterhalten. Das akustische Storytelling ist unser Alleinstellungsmerkmal, dieses wollen wir künftig verstärkt ausbauen. Mit unseren Podcast-Reihen sowie dem Audioguide to go verfolgen wir nicht nur mediale Trends, sondern
Julia SparberAblinger vor der neu installierten „Kunst zum Hören“.
entsprechen auch unserem wichtigsten Anliegen: Das Bewusstsein für den so wichtigen menschlichen Gehörsinn zu fördern!
Was können wir in Zukunft vom AUDIOVERSUM erwarten? In diesem Tenor soll es weitergehen, die
Ideen gehen uns nicht aus. Als Nächstes darf man sich auf die neue Staffel des Audioversum-Podcasts freuen, Vinyl wird auch hier eine große Rolle spielen. Und ja, auch unsere Mitarbeiter melden sich in einer Folge akustisch zu Wort. Das Audioversum lässt laufend von sich hören!
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Interview
Als Bub hortete Sebastian Arman Kabel und Mikrofone in seiner Schultasche und wollte die Enge Tirols gegen die Weite des Musikuniversums tauschen. Heute ist der Spross einer durchwegs taktvollen Familie ein international gefragter Songwriter und produziert Charterfolge quer durch alle Genres. Wir haben ihn in seinem Tonstudio in Korneuburg besucht.
Š STEFAN FUERTBAUER
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DER UNSICHTBARE HITMACHER
Tirol_Magazin
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Tirol_Magazin
K
napp sechs Jahre ist es her, da stand der heute 37-Jährige müde, frustriert und durstig am Flughafen Wien. Gerade war er von einem Trip nach Los Angeles zurückgekehrt, wo er – zum wiederholten Male – versucht hatte, einen Fuß ins Musikbusiness zu bekommen. Allerdings vergeblich. Das Geld für die gescheiterte Geschäftsreise hatte er sich „aus allen möglichen Ecken zusammengeschnorrt“, wie er erzählt. „Ich hab damals meinen Papa angepumpt und bei der Bank den Überziehungsrahmen größer machen lassen: Weil ich endlich die richtigen Leute kennenlernen wollte, um Songs zu schreiben und Musik zu machen“, sagt Sebastian Arman und nippt an seinem Kaffee.
A n d i e s e m Recht-weit-unten-Tag konnte er von einer aufputschenden Koffeindosis nur träumen. „Ich hatte keinen Cent mehr in der Tasche und konnte mir nicht einmal ein Wasser leisten“, erinnert er sich lachend. Damals war ihm allerdings eher zum Weinen zumute. „In diesem Moment wollte ich echt alles bleiben lassen und Kellner werden. Oder was auch immer. Nur pleite wollte ich nicht mehr sein“, gesteht Arman. Dass es anders kam, hat mit einer bärtigen Diva und einem historischen Sieg nach Punkten zu tun, an dem der Beinahe-Kellner maßgeblich beteiligt war.
Wurst Case s tat t Wo rst C as e .
Zur Person Sebastian Arman (37) wurde in München geboren und zog mit drei Jahren mit seiner Familie nach Innsbruck. Sein Vater Howard ist Dirigent, Komponist und Chorleiter, seine Mutter Stella arbeitet als Sopranistin und Vocal Coach. Schwester Florence ist Singer-Songwriterin, Bruder John ein erfolgreicher Jazz-Gitarrist. Mit Anfang 20 zog Arman von Innsbruck nach Wien, mittlerweile lebt er mit seiner Frau in Korneuburg, wo er auch sein Tonstudio hat. Neben etlichen Song-Contest-Erfolgen hat er auch Hits mit und für Clueso („Sag mir was du willst“), Michael Patrick Kelly („Beautiful Madness“), Alex Vargas („Higher Love“), Alex Clare („Crazy to love you“) oder Kelly Clarkson & John Legend („Run, Run, Run“) geschrieben. Mit seinem schwedischen Partner Joacim Persson betreibt er das international gefragte Projekt „DECCO“, das bislang mehr als 20 Millionen Spotify-Streams verbuchen konnte. Unter dem Pseudonym Sensay ist er nach wie vor Teil der Producer- und DJ-Formation „Wax Wreckaz“ und steht bei der Hip-Hop-Formation „IBK Tribe“ alle heiligen Zeiten auch selbst auf der Bühne.
Am Anfang vom Ende von Sebastian Armans buchstäblicher Durststrecke stand ein Anruf des Produzenten David Bronner, der auf der Suche nach Verstärkung für das Song-Contest-Team rund um Conchita Wurst war. Dass die polarisierende Kunstfigur mit „Rise like a phoenix“ den oftmals belächelten, aber von einem Millionenpublikum verfolgten Liederstreit für sich entscheiden würde, war zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen. „Ich war in erster Linie froh, dass ich endlich ein bisserl was verdienen konnte“, erinnert sich Arman, der nie vergessen wird, wie einfach die Songauswahl für die spätere „Queen of Europe“ war. „Es war vom ersten Moment an klar, dass sie mit dieser Bombast-Nummer ins Rennen gehen muss: Das dramatische Orchesterding hat perfekt zu Conchita gepasst“, analysiert der ESC-Kenner, der den Sieg dann nicht vor Ort in Kopenhagen miterleben konnte. „Ich saß mit einem Freund in einer Bar am Sunset Boulevard, wo wir uns die Show am Handy angeschaut haben. Und irgendwann hab ich mir gedacht: Scheiße, wir gewinnen das!“, dreht Arman die Zeit zu jenem Abend im Mai 2014 zurück, der seine Karriere pushen sollte. D e r r o t - w e i s s - r o t e Sieg blieb
nicht sein einziger ESC-Erfolg: 2017 verhalf Arman dem bulgarischen Teilneh-
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MANCHMAL MUSS MAN RECHT WEIT UNTEN SEIN, UM ZU SEINER MITTE ZU FINDEN. SEBASTIAN ARMAN KANN EIN LIED DAVON SINGEN – NOCH BESSER KÖNNTE ER ES JEDOCH SCHREIBEN.
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„TIROL KLINGT WIE EINE MISCHUNG AUS BLASMUSIK, UNDERGROUND-HIPHOP UND GOA. IRGENDWIE SCHRÄG, ABER AUCH GUT.“ Sebastian Arman
mer Kristian Kostov mit „Beautiful mess“ auf Platz zwei, ein Jahr später landete Cesár Sampson mit seiner Komposition „Nobody but you“ auf Rang drei. Scheint fast so, als hätte da jemand den größten Musikwettbewerb der Welt durchschaut. „Man muss beim Song Contest viel visueller denken als bei einem Radiosong: Es muss Höhepunkte und Drama geben und ein paar Gags, die sich bei den Zuschauern ins Gedächtnis einbrennen“, fachsimpelt der Eurovision-Experte, der dieses Kapitel allerdings nun zu den Akten legen will. Arman: „Ich hab ja schon ein bissl was geschafft und werde diese Erfolge schwer wiederholen können. Außerdem haben meine anderen Projekte darunter gelitten.“ Studio in der S c h u lta s c h e .
An Unterbeschäftigung leidet Sebastian Arman längst nicht mehr. Im Gegenteil. Er ist als Songwriter genauso begehrt wie als Produzent: Mit seinem schwedischen Kollegen Joacim Persson hat er vor einigen Jahren das Projekt „DECCO“ gegründet, das auf internationales Echo stoßen sollte. Stars wie John Legend, Selena Gomez oder Kelly Clarkson ließen sich von dem zwischen Los Angeles, London, Stockholm und Wien pendelnden Duo Hits auf den Leib schneidern. Auch für Tokio Hotel, Lena Meyer-Landrut, Michael Patrick Kelly, Mark Forster oder Nico Santos ist das
österreichisch-schwedische Gespann eine beliebte Anlaufstelle, wenn es darum geht, einen ins Ohr gehenden Song auf Schiene zu bringen. Keine Frage: Die Klaviatur der U-Musik beherrscht Arman aus dem Effeff. D a b e i w a r s e i n W e g eigentlich
auf E-Musik gepolt: Die Klassik wurde dem Sohn britischer Eltern, die nach Innsbruck zogen, als Klein-Sebastian drei Jahre alt war, in die Wiege gelegt. Schließlich ist Vater Howard Dirigent, Komponist und Chorleiter, während sich Mutter Stella als Sopranistin und Vocal Coach verdient macht. Dass der Bub in die seichter anmutende Klangwelt abtauchen wollte, war vor allem dem Herrn Papa nicht ganz recht. „Er hat sich schon erhofft, dass ich in die klassische Richtung gehe“, sagt Arman, der schon im Kindesalter Klavier, Posaune und Trompete spielen lernte. Ansonsten hatte er es mit dem Lernen aber nicht so. „Als meine Mutter einmal zum Elternsprechtag gegangen ist, hat keiner meiner Lehrer gewusst, wer ich bin“, erzählt er – und erklärt seine Unsichtbarkeit mit seiner oft geistigen und manchmal auch körperlichen Abwesenheit. Zuhause gab es dann eine ordentliche Schelte, die noch lauter wurde, als die Inspektion der Schultasche statt Heften und Büchern nur Kabel und Mikrofone zutage brachte. „Da hab ich dann einen richtigen Anschiss kassiert: Und meiner Mutter die Hoffnung genommen, dass aus mir noch einmal was wird“, lacht Arman. Tirol_Magazin
Mit Tirol verbunden.
Angst davor, dass aus ihm nichts werden würde, hatte er selbst eigentlich nicht. Nur was aus ihm werden sollte, war dem kreativen Geist nicht klar. Eine Zeit lang arbeitete er als Grafiker, zwischendurch wollte er aber auch eine Schauspielschule besuchen, dann wieder Fotograf werden oder vielleicht doch Koch. „Mir war immer klar, dass ich etwas Gestalterisches machen will“, sagt Arman, der in seinen Tiroler Jahren aber auch nie die Musik aus den Augen verloren hat.
S c h o n a l s 1 3 - J ä h r i g e r begann er, eigene Songs zu produzieren, beim 1999 gegründeten Hiphop-Trio „IBK Tribe“ stand er dann selbst als Rapper und Sänger auf der Bühne – und tut es noch. „Kurz vor dem Lockdown hatten wir unseren obligatorischen Innsbruck-Gig. Öfter als alle zwei Jahre geht sich der aber leider nicht mehr aus“, erzählt der Soundtüftler, der mit Tirol auch über die Innsbrucker DJ- und Producer-Crew „Wax Wreckaz“ verbunden ist. Da wie dort hat Arman Rampenlichterfahrung gesammelt und die Erkenntnis gewonnen, dass er sich im Hintergrund weitaus wohler fühlt. „Mit meinem Job hab ich alle Freiheiten der Welt. Ich kann arbeiten, mit wem ich will, und nach Lust und Laune meinen Sound ändern. Wenn ich morgen Lust
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U n d w i e h ö r e n sich die Lieder an,
die in der Corona-Hochphase entstanden sind? „Textlich geht’s da viel um Distanz und ums Vermissen: Die Stimmung, die geherrscht hat und noch immer herrscht, spiegelt sich da wider“, sagt Arman, der überzeugt ist, dass die Menschen gerade jetzt ganz gierig nach „muikalisch leichtfüßigen Songs“ sind. Denn: „Es ist eh alles hart und schwer genug.“ Zwischen Sirup und Suppe.
auf Reggae habe und mir übermorgen der Sinn mehr nach Jazz oder Flamenco steht, dann ist das meine Sache“, sagt der Freigeist, der bei der Zusammenarbeit mit so manchem Star erfahren hat, wie „unangenehm“ es sein kann, prominent zu sein. „Als Künstler bekommst du dann nicht nur den Applaus, sondern auch die ganze Kritik und negative Energie ab. Die Leut’ spinnen ja: Sobald ein Mensch in der Öffentlichkeit steht, glauben viele, dass sie sich an ihm entladen können“, sagt er und steuert auf sein Tonstudio zu, das sich praktischerweise im Obergeschoß seines Häuschens in Korneuburg befindet. Als coronabedingt kein Reisen mehr möglich war, hat er sich hier verschanzt und „endlich mal Zeit gehabt, Songs in Ruhe auszuproduzieren“.
„MIR WAR IMMER KLAR, DASS ICH ETWAS GESTALTERISCHES MACHEN WILL.“ Sebastian Arman
Selbst wenn Sebastian Arman schon so manchen Hit gelandet hat, ein Patentrezept für einen Charterfolg hat er dann doch nicht parat. Wobei man sich für einen erfolgreichen Radiosong schon ein paar Regeln merken kann. „Man muss einen Popsong so lange einkochen, bis er wie ein süßer Sirup oder eine g’schmackige Suppe ist – und dabei alles weglassen, was dem Hauptding im Wege steht. Und das sind nun einmal die Stimme und die Melodie“, verrät Arman, der früher oft den Fehler begangen hat, „zu kompliziert“ zu arbeiten. „Wahrscheinlich wollte ich aber einfach nur zeigen, was für ein cooler Musiker ich bin und was ich nicht alles für Akkorde kann“, quittiert er seine künstlerische „Eitelkeit“ mit einem Lächeln. D a s v e r s c h w i n d e t auch nicht, als
er über seine Lieblingsorte in Tirol nachdenkt. „Fix der Piburger See. Und Innsbruck: Nirgendwo auf der Welt kann man so super ausgehen wie hier. Wenn man durch die Bögen rennt und gleich alle kennt, dann ist das einfach cool“, sprudelt es aus Arman, der auf die Frage, wie denn Tirol für ihn klingt, plötzlich ins Stocken gerät. Nach einer kurzen Nachdenkpause hat er dann die Lösung: „Wie eine Mischung aus Blasmusik, Underground-Hip-Hop und Goa. Irgendwie schräg, aber auch gut.“
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ENGLISH
English Summary
THE INVISIBLE HIT-MAKER
Sebastian Arman hoarded cables and microphones in his school bag as a boy and longed to swap the confines of Tyrol for the wider universe of music. Today the offspring of a consistently talented family is an internationally sought-after songwriter and produces chart hits across all genres.
A
lmost six years ago, the now 37-year-old stood tired, frustrated and thirsty at Vienna International Airport. He had just returned from a trip to Los Angeles, where he had tried - once again - to get a foot in the door of the music business. With no success. “I didn’t have a cent in my pocket and couldn’t even afford water,” he remembers. “At that moment I wanted to leave everything behind and become a waiter. Or whatever. I just didn’t want to be broke any more,” Arman says.
T h e b e g i n n i n g of the end of Sebastian Arman’s dry spell was a call from producer David Bronner, who was looking for reinforcements for the song contest team backing Conchita Wurst. At the time nobody believed that the polarising figure would win the often-mocked song contest still watched by millions of people with “Rise like a Phoenix”. The red-white-red victory was not his only Eurovision Song Contest success. Sebastian Arman has long since stopped worrying about lack of work. He is as much in demand as a songwriter as he is as a producer. He founded the project “DECCO” with his Swedish colleague Joacim Persson a few years ago, which met with international acclaim. Stars such as John Legend, Selena Gomez or Kelly Clarkson had hits tailored to their individual tastes by the duo. S e b a s t i a n A r m a n started to produce his own
songs at the age of 13. He then appeared on stage himself as a rapper and singer with the hip hop trio “IBK Tribe”, founded in 1999 - and still does. “Just before the lockdown we had our obligatory Innsbruck gig. Unfortunately, it doesn’t happen more often than every two years,” he says. But he still loves Tyrol. His favourite places? “Definitely the Piburger See. And Innsbruck. Here is the best place in the world to go out. It’s just cool when you run through the arches and know every-
body,” Arman says. He suddenly pauses when asked what Tyrol sounds like to him. After a short think he then finds the answer: “Like a mixture of brass music, underground hip hop and Goa. Somehow weird, but also good.”
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21.03.2021 SCHLAGER OPEN AIR u.a. mit Melissa Naschenweng
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Tiroler Zugspitzbahn A-6632 Ehrwald/Tirol, Obermoos Tel. +43 (0) 5673 - 2309 info@zugspitze.at www.zugspitze.tirol
Wo Österreich draufsteht, ist Qualität drin Tiroler Gastwirte kennzeichnen freiwillig die Herkunft ihrer Lebensmittel.
mmer mehr Menschen fragen sich, woher unsere Lebensmittel kommen und wie sie gewonnen werden. Das Wissen um strenge Tierhaltung und Herstellungsprozesse in Österreich gibt die nötige Sicherheit und ein gutes Gefühl beim Konsum. Darum sagen immer mehr Tiroler Gastwirte in einer freiwilligen Aktion gerne, „wo’s herkommt“, das servierte Schnitzel, der Salat, das Frühstücksei oder das Joghurt. Produkte, die aus Österreich stammen, werden auf der Speisekarte mit einem eigenen Einleger gekennzeichnet. Dieser Schulterschluss zwischen Landwirtschaft, Hotellerie und Gastronomiebetrieben auf Initiative der Agrarmarketing Tirol ist einmalig.
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F ü r d i e W i r t s l e u t e vom Gasthof Kreuz in Rieden
bei Reutte, Barbara und Heinz Saletz, steht außer Frage, dass die Speisen auf der Karte regional oder österreichisch sein sollten. Nicht zuletzt, weil in einem engen Wirtschaftskreislauf Lieferanten gleichzeitig auch Gäste sind. Heinz Saletz: „Wir sind sehr bestrebt, dem eigenen Land treu zu bleiben und unsere Wirtschaft zu fördern. Und das Außerfern ist ja nicht so groß. Da weiß man, wo’s herkommt und dass die Qualität passt.“ So kommt das Wild aus dem Revier unmittelbar in Rieden, die Forelle aus der nahegelegenen Fischzucht, die Kartoffeln stammen vom Mieminger Plateau, jenseits des Fernpasses, der Käse aus Rotholz. Schweinefleisch kommt aus Oberösterreich, die Hühner kommen ebenfalls von dort oder aus Kärnten. Dass das Bewusstsein für regionale Produkte gewachsen ist, merkt Heinz Saletz: „Der Gast fragt schon, wo’s herkommt. Oft brauche ich ja gar keine Speisekarte, die mündliche Empfehlung reicht. Und die Qualität darf ruhig auch ein paar Euro mehr kosten.“ Zu seinen Gästen zählt der traditionelle Gasthof großteils Einheimische. Wobei da wegen der Grenznähe auch Menschen aus dem benachbarten Bayern noch dazugezählt werden, wie Heinz Saletz mit einem Schmunzeln sagt. F ü r d i e F o r e l l e M ü l l e r i n „vom Kreuz“ verrät
Heinz Saletz hier das Rezept. Ein Außerferner Fisch muss es ja nicht unbedingt sein, aber ein Tiroler schon.
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG / FOTOS: NETZWERK KULINARIK/WILDBILD.AT
FORELLE MÜLLERIN 125
Zutaten:
AGRARMARKETING TIROL
1 frische Forelle 250–300 g, Salz, Mehl zum Stauben, Zitrone, Petersilie, Schnittlauch, Liebstöckel, Kresse, Knoblauch, ca. 150 g Butter
Beilage:
Petersilienerdäpfel, Blattsalate
Zubereitung:
» Butter in der Pfanne erhitzen, die mit Salz gewürzte und mehlierte Forelle einlegen und auf beiden Seiten langsam goldbraun braten. » Mit einem Suppenlöffel des Öfteren heiße Butter aus der Pfanne in den Bauch der Forelle schöpfen. » Wenn die Forelle fast fertig gebraten ist, die Kräuter (außer die Kresse) in den Bauchraum legen und wieder mit heißer Butter begießen. » Wenn man Knoblauch wünscht, diesen auch zerkleinert in den Bauchraum und auf die Haut der Forelle geben. » Die Forelle anrichten und mit Kräutern bestreuen. » Zitrone, Kartoffeln, Butter aus der Pfanne und Salat dazu servieren. Gutes Gelingen und Mahlzeit!
#dakommtsher
Ich sag, wo’s herkommt! Transparenz auf meiner Speisekarte ist selbstverständlich.
Da
om
k
Barbara Saletz, Gasthof Kreuz, Rieden
Tirols Wirte stehen für freiwillige Herkunftskennzeichnung. Ein Schulterschluss zwischen Tiroler Wirtschaft und Landwirtschaft. www.dakommtsher.at
mt’s her.
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DAS WUNDERBARE UNIVERSUM DER KRAPFEN Krapfen. Überall löst dieses Wort lukullische Gelüste aus. Überall ein bisschen anders. Sind sie keine Faschingskrapfen, sind sie die Überraschungseier der Tiroler Küche. Mal ist ihr Inneres salzig, mal sauer, mal süß. Mal ist ihr Äußeres schlüpfrig, mal knusprig, mal flaumig. Immer, ja immer sind sie Kalorienbomben. Und immer ist das egal.
S
chon dem Gedanken wohnt ein gewisser Zauber inne. Und der erste Biss löst ein Feuerwerk an Gefühlen aus. Die Erinnerung an die Oma etwa – ihre Küche, die Gerüche. Geheimnisvoll, ja magisch ist sie, die Erinnerungskraft in den Geschmacksknospen. In dem Moment, in dem der Krapfen sie entfesselt, wird die Zeit zurückgedreht und alles irdische Leiden ist vergessen.
„ K r a p f e n z e i t war für mich eine ganz spezielle Festtagszeit. Krapfen gab es bei uns nur im Fasching. Es war ganz wunderbar, wenn die Marmelade an den Mundwinkeln runtergelaufen ist“, sagt Alfons Parth. Schon ist es passiert. Der Ischgler Hotelier, Gourmet und bekennende „heikle Pinkel“ wird selbst für das Gegenüber plötzlich zum kleinen Buben, dessen Nasenspitze mit feinem Zucker „gepudert“ ist und
dessen Grinsen beide Ohren erreicht. „Ja, das Reinbeißen macht Spaß, weil man gespannt ist, wie die Marmelade schmeckt, ob genug drinnen ist oder zu wenig“, lenkt Alfons den Blick auf den Überraschungsmoment, der zu den Krapfen gehört wie die Henne zum Ei. D i e s e Ü b e r r a s c h u n g ist es, die fast
alle Krapfen – süße wie salzige – verbindet. Sie und die Tatsache, dass sie in reichlich heißem Fett herausgebacken werden. Darum können Germ- oder Marillenknödel nur als weit, weit entfernte Verwandte bezeichnet werden. Vielleicht trägt die unvergleichliche Trägheit der mit dem Krapfenduft gefetteten Küchenluft mit dazu bei, dass die Erinnerungen so tief wurzeln können. Auch lange nach dem Genuss wabern Geruchsreste der Krapfenfeste aus versteckten Küchenecken. Und machen wieder Lust. Und wieder. Und wieder. Tirol_Magazin
Ein Stück K u lt u r u n d s e i n e Geschichte.
Dieser himmlische Teufelskreis soll irgendwann in einer Wiener Küche mit einem temperamentvollen Ehekrach begonnen haben. Eine Legende zur Herkunft der Krapfen – den Österreichern ist sie logischerweise die allerliebste – führt zurück zur Wiener Bäckerin Cäcilie Krapf. Hofratsköchin soll sie gewesen sein und weil ihr geniales Schaffen mal im 16., mal im 17., mal im 18. oder 19. Jahrhundert angesiedelt wird, ist die historische Glaubwürdigkeit ein wenig dünn. Doch egal, denn schön ist die Geschichte allemal, soll Cäcilie im Streit mit ihrem Herrn Krapf doch ein Stück Hefeteig geschnappt und schneeballschlachtähnlich nach dem Gatten geworfen haben. Der duckte sich rechtzeitig und der Hefeteigball landete in einem Topf mit siedendem
© ISABELLE BACHER
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Wenn am 11. 11. die Zeit der Faschingskrapfen eingeläutet wird, ist die Welt wieder ein kleines bisschen süßer. Und schöner.
Außer dem Zillertaler Krapfen sind eigentlich kaum Krapfen bekannt, die ihre Herkunftsregion namentlich ehren. Ihr Geheimnis? Der dünne Teig, in dessen zu Taschen geformten Blättern eine Mischung aus Kartoffel, Graukäse, Zwiebel und richtig viel Schnittlauch zu liegen kommt. Alles zusammen darf in heißes Butterschmalz.
Der Krautkrapfen gelangte auf kulinarischen Schmugglerwegen vom Allgäu nach Tirol. Mit Kraut, Speck, Kümmel und Zwiebeln kann an sich schon nichts falsch gemacht werden, um nach Deftigem lüsternde Gaumen zu erfreuen.
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Fett. Und heißa Heureka – der Krapfen war geboren. Cäcilie soll diesen dem Gattenärger entsprungenen Schatz dann verfeinert haben. Zu Cillikugeln, in deren knuspernden Hefeteigherzen eingelegte Früchte den Genuss verzückten. Dass diese Kugeln ab dem 17. Jahrhundert gerne genossen wurden, ist so gut wie verbrieft. In Wien genauso wie in einer anderen Prunkstadt dieser Zeit. I n B e r l i n wird die Erfindung der
Krapfen einem Zuckerbäcker zugeschrieben. Um das Jahr 1750 herum soll er Knuspriges in Kanonenkugelform für Soldaten gebacken haben, die für König Friedrich den Großen kämpften, Kaiserin Maria Theresias in ewiger Feindschaft verbundenen Widersacher. „Berliner“ wurden diese Preußen-Krapfen genannt. In Anlehnung daran heißen die Krapfen in Frankreich „Boule de Berlin“, in Hessen heißen sie „Kräppel“, in England „Jelly Doughnut“ und in Amerika schlicht „Donut“. Die Schweizer nennen die ihren „Zigerkrapfen“ und in China heißen sie „Tiao“. Das Prinzip rockt die Küchen rund um den Globus. Und das schon seit richtig vielen Jahren. I n d e r K u lt u r g e s c h i c h t e der
Krapfen scheint die ganze Welt zu stecken und auch viel große Geschichte. Fast schon unheimlich mutet die Überlieferung über die Krapfenberge an, die beim Wiener Kongress vertilgt wurden. Als die alten europäischen Herrscher-
häuser im Herbst 1814 daran gingen, Napoleon aus ihrer Erinnerung und den Landkarten zu streichen, sollen rund zehn Millionen Krapfen verspeist worden sein. Zehn Millionen. Angesichts dessen blieb dem Kongress gar nichts anderes übrig, als zu tanzen. Sonst wäre Europa in die neue, alte Ordnung gerollt. Der Urkrapfen wurde aber nicht in Wien und auch nicht in Berlin entdeckt. Nein, in einem ägyptischen Grab wurde ein kleiner Kuchen gefunden, der den Krapfen frappierend ähnelte. Die Römer genossen ihr Fettgebäck namens „Globuli“ mit Honig. Der Glanz der ruhmreichen Cäcilie als Namenspatronin wird von humorlosen Sprachwissenschaftlern schmerzlich gestört, die das Wort Krapfen aus dem mittelalterlichen „Chrapho“ oder „Krapfe“ ableiten, mit dem ein Gebäck bezeichnet wurde, das zwei gebogenen Spitzen oder Krallen ähnelte. Sie schützten in der kalten Jahreszeit vor bösen Hexen und Geistern. Auch schön.
A b s o l u t unwidersprochen, fix und immer gültig im Zusammenhang mit Krapfen war, ist und bleibt, dass sie Kalorienbomben sind. Das war auch der Grund dafür, dass Geistliche und Mönche sich im Fasching mit den Krapfen regelrecht vollstopften, um genug Energie für die 40-tägige Fastenzeit zu speichern und ihre immerstrammen Bäuche zu schützen. Ab Aschermittwoch sollten die christlichen Vorratskammern frei von Fleisch, aber auch frei von Eiern und Schmalz sein, was
den ausgelassenen Krapfenspaß zuvor regelrecht anheizte. Den Spaß eben, den jeder kennt, der Faschingskrapfen liebt. D e r s i e l i e b t, wie Alfons Parth, der
als Junge im kargen Paznauntal noch kein „heikler Pinkel“ sein, wohl aber die schlichten kulinarischen Highlights schätzen konnte. Die ersten Schritte in die genussfreudige Welt wurden von den Zaubereien seiner „ersten Frauen“ begleitet. Jenen der Mutter Ella, der einfallsreichen Köchin und Meisterin der Faschingskrapfen. Oder jenen der Großmutter Katharina, die nicht nur den Grundstein für das Hotel der Familie, das „Yscla“, legte, sondern auch als erste emanzipierte Frau in die Geschichte des Tales einging. Sie muss eine Urkraft gewesen sein, geboren 1881 in Galtür. Und nicht zu bremsen. Unverheiratet und wagemutig hatte sie ihr Heimattal verlassen, um erst in Meran zu arbeiten und bald darauf Pächterin der berühmten Stüdlhütte am Großglockner zu werden. Von der auf schwindelerregenden 2.801 Metern gelegenen Hütte ist keine Speisekarte dieser Zeit erhalten geblieben. Wenn es denn eine gab. Doch selbst ohne diese Bestätigung darf, ja muss davon ausgegangen werden, dass Katharina Parth die vielleicht berühmtesten Stückerln der Osttiroler Küche mit Bravour beherrschte. Die Schlipfkrapfen etwa oder die Osttiroler Hochzeitskrapfen. Und sie wird den Brauch miterlebt haben, der vielerorts und in Kals auch heute noch zelebriert wird.
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KRAPFEN. SCHÖNER KANN EIN VERSPRECHEN KAUM SEIN. DENN SCHON IM ERSTEN BISS STECKT EINE GANZE WELT.
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Osttiroler Schlipfkrapfen, die aus einer ganz herrlichen Liebschaft aus Nudelteig und pikanter Kartoffelbreifülle entstehen, fallen insofern aus dem klassischen Krapfenuniversum, da sie in wallendem Wasser gekocht und nicht in heißem Fett gebacken werden. Sei’s drum, den Gaumen kitzeln sie allemal. Und immer wieder.
Der Klassiker schmeckt auch ohne Kirche. Tiroler Kirchtagskrapfen werden gefüllt, wie’s beliebt. Mit Mohn, Dörrbirne, Dörrzwetschke und Honig. Oder mit Preiselbeeren und Kastaniecreme.
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D e r A l l e r h e i l i g e n t a g ist im
Tiroler Großglocknerdorf der „Schnappertag“. Mit einem weißen Hemd bekleidet, mit Hut und durch zerzauste Schaffellmasken unkenntlich, ziehen an jedem 1. November im Jahr junge Burschen durch das Dorf. In ihren Händen halten sie Holzstangen, an deren Ende sich ein Tierkopf befindet – der eines Gockels beispielsweise, eines Widders oder einer Ziege. Mit diesen Köpfen können sie schnappen, ist der Unterkiefer der Köpfchen doch beweglich und die Buben können ihn mit einem Seil zubeißen lassen. Da ziehen sie nun zu den Häusern, wo auf Kommando das Geklapper der tierischen Schnapper beginnt. Dafür werden die Krapfenschnapper mit Geld, Süßigkeiten und – natürlich – mit Krapfen belohnt. Bevor sie weiterziehen, sagen sie „Vergelt’s Gott für die armen Seelen“. Wenn eine Osttiroler Seele K r a p f e n i s s t, ist sie nie arm.
Geht gar nicht. Weil die Osttiroler gleich mehrere Krapfenarten kennen, können sie vielleicht sogar als die glücklichsten Seelen bezeichnet werden. Die berühmtesten sind selbstverständlich die Osttiroler Schlipfkrapfen, die aus einer ganz herrlichen Liebschaft aus Nudelteig und pikanter Kartoffelbreifülle entstehen und insofern aus dem klassischen Krapfenuniversum fallen, da sie in wallendem Wasser gekocht
und nicht in heißem Fett gebacken werden. Dass ihr Name genauso schlüpfrig klingt wie der ihrer Cousinen – der Schlutzkrapfen – liegt daran, dass sie genau so sind – schlüpfrig nämlich –, wenn sie auf dem Teller landen und stets kurz darauf warten, mit reichlich brauner Butter, geriebenem Käse und Schnittlauch verschlungen zu werden. Vo r e i n pa a r J a h r e n hatten die Re-
dakteure des Osttiroler Onlinemagazins Dolomitenstadt in Innsbruck eine WG – gefüllt mit Osttiroler Studenten – besucht, um Osttiroler Schlipfkrapfen zu essen und darüber zu plaudern. Dabei wurden sie alle ein wenig rührselig und stellten unisono fest, dass die Schlipfkrapfen von daheim die besten sind. „Für mich hat dieses Gericht eine große Bedeutung, mit dem ein Stück Osttirol und Familie nach Innsbruck kommt“, hatte damals Lisa aus Heinfels festgestellt, deren Schlipfkrapfen nie so gut gelingen wollen wie die der Oma. J a , d i e O m a s . Sie stecken echt in vie-
len Krapfen drin. Osttiroler Omas eben auch in den Osttiroler Hochzeitskrapfen, für deren Genuss nicht zwingend zwei feierliche Ja-Worte nötig sind, wohl aber leichte Kleidung, auch im Winter, weil‘s dabei heiß wird in der Küche. Diese Krapfen zeichnen sich dadurch aus, süß zu sein, nach Anis zu schmecken und zu knuspern, weil sie in heißem Fett schwimmen müssen, um den Gipfel der Genüsse zu erreichen.
A p r o p o s G i p f e l . Viele richtig hohe
sind es, die den direkten Weg von Osttirol nach Nordtirol regelrecht verstellen, wo die auf Krapfen eingestellte Nase von einem unwiderstehlichen Magneten gelockt wird. Vom Zillertal mit seinen Zillertaler Krapfen. Sonst sind eigentlich kaum Krapfen bekannt, die ihre Herkunftsregion namentlich ehren. Möglicherweise, weil Krapfen eben Krapfen sind, ein so genanntes „Einfache-Leute-Essen“, was heute genau gar nichts mehr aussagt. Die Urzutaten wie Mehl, Eier, Kartoffeln, Käse oder Schmalz sind recht billig geblieben, doch muss jede und jeder recht reich an Zeit sein, der Krapfen wagt. Um die zarten, knusprigen, deftigen und voller Suchtpotenzial steckenden Zillertaler Krapfen herzustellen, jedenfalls. Ihr Geheimnis ist der dünne Teig, in dessen fein portionierten und zu Taschen geformten Blättern eine Mischung aus Kartoffel, Graukäse, Zwiebel und richtig viel Schnittlauch in heißem Butterschmalz zum Jubilieren gebracht wird. Gerne wird erzählt, dass die Zillertaler Bauern dereinst an Samstagabenden gemeinsam Krapfen gegessen haben. D e r a r t i g g e m ü t l i c h e Kachel-
ofen-Mythen stecken genauso in den Krapfen wie die Omas, Mamas, Tanten und ein Stück Dahoam. Dabei verschwimmen die Grenzen auf leichtfüßigste Weise. Wie etwa jene zwischen dem Außerfern und dem bayerischen Allgäu, von wo die Krautkrapfen auf kulinarischen Schmugglerwegen nach
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DASS DER INHALT VIELER KRAPFEN ERST ERSCHMECKT WERDEN MUSS, MACHT SIE ZU DEN ÜBERRASCHUNGSEIERN DER TIROLER KÜCHE.
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ckenform ist wunderschön anzusehen, doch bevor die Krapfen auf die Teller wandern, werden sie noch in viel Schmalz gebraten.
Tirol gelangten. Sie sind so etwas wie eine Fusion aus Nudelteig, kurz Strudel, und dem, was in ihrem Namen steckt: Kraut. Mit Kraut, Speck, Kümmel und Zwiebeln kann an sich schon nichts falsch gemacht werden, um nach Deftigem lüsternde Gaumen zu erfreuen. Im Fall der Krautkrapfen wird diese Mischung kräftig angebraten und als Füllung verwendet – in einem hauchdünn ausgerollten Nudelteig, der erst zu einem Strudel gerollt wird, um ihn dann in kleine, etwa fünf Zentimeter lange Krapfen zu zerteilen. Ihre Schne-
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Absolut unwidersprochen, fix und immer gültig im Zusammenhang mit Krapfen war, ist und bleibt, dass sie Kalorienbomben sind.
„KRAPFEN GAB ES BEI UNS NUR IM FASCHING.“ Alfons Parth
D e r B i s s in die Krautkrapfen mag für viele Tiroler, die keine Ahnung davon haben, wie’s jenseits des Fernpasses schmeckt, überraschend sein. Der Überraschungsmoment, der anderen Krapfen innewohnt, fehlt, selbst wenn er nicht wirklich vermisst wird. Dass der Inhalt vieler Krapfen erst erschmeckt werden muss, macht sie zu den Überraschungseiern der Tiroler Küche. Überraschungen, die Katharina Parth aus Osttirol mit nach Ischgl brachte, die ihr Enkel Alfons lieben lernte und die auch ihr Urenkel Benny Parth zu schätzen weiß: „Das Prinzip ist natürlich ein schönes. Man kann die Leute gut überraschen, weil sie nicht in den Krapfen reinsehen können“, sagt er, der vielfach schon gekrönte und einst jüngste Haubenkoch Österreichs, der in seinem im Familienhotel integrierten Gourmetrestaurant Stüva den Überraschungsmoment immer wieder nutzt. „Ja, Krapfen kommen auf die Karte, wenn’s mich freut“, sagt er. Wenn’s ihn also freut, dann wandelt er das Bekannte ab, zaubert Neues – und überrascht. Indem er beispielsweise flüssige Schokolade in der süßen Variante versteckt, Meeresfrüchte oder Murmeltier und Preiselbeer in der salzigen. Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Auch die Sphären der Molekularküche – Kugeln mit fester Hülle und flüssigem, alle Geschmackssinne reizenden Inhalt – erinnern an die Krapfen. Deren Universum kann also auch spacig sein. Groß ist es allemal und wer’s erfunden hat, ist am Ende total egal. „Krapfen sind wie Heimat. Das sind so die ersten Sachen, die man isst, wenn man von einer längeren Reise heimkommt“, weiß Benny Parth. Dieses Geheimnis kann nicht erklärt werden. Jeder Versuch muss scheitern, wohnt doch schon dem Gedanken an Krapfen ein Zauber inne.
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ZILLERTALER KRAPFEN & KRAUTKRAPFEN Zillertaler Krapfen Zutaten Teig
400 g Roggenmehl 250 ml Milch oder Wasser 10 g Butter etwas griffiges Weizenmehl zum Ausrollen des Teiges
Zuaten Füllung
ca. 500 g Erdäpfel 250 g Gemisch aus Topfen, Graukäse und Ziegerkäse 1 Zwiebel, Schnittlauch, Salz etwas heißes Wasser oder Milch Butterschmalz zum Ausbacken
Krautkrapfen Zutaten
500 g Mehl, 2 Eier 125 ml Wasser, 1 Prise Salz 500 g Sauerkraut 200 g Speck, 1 Zwiebel Salz; Pfeffer Butter/Schmalz
Zubereitung
» Für den Teig die Butter in der heißen Milch auflösen, über das Mehl gießen, zu einem festen Teig zusammenkneten und rasten lassen. » Für die Fülle die Erdäpfel kochen und anschließen passieren. Die klein geschnittene Zwiebel, Salz, Topfen, Graukäse und Ziegerkäse zufügen und mit etwas Milch zu einer sämigen Masse vermengen. » Den Teig zu einer Rolle formen (ca. 5 cm Durchmesser), anschließend kleine Scheiben abschneiden und diese schön dünn und rund austreiben. Die Teigblättchen in der Mitte mit Fülle belegen und zusammenschlagen. Die Ränder gut zudrücken, damit die Fülle nicht auslaufen kann. » Danach die Krapfen in heißem Butterschmalz goldbraun ausbacken.
Zubereitung
» Aus Mehl, Eiern, Wasser und Salz einen Nudelteig herstellen und eine halbe Stunde ruhen lassen. » Das Sauerkraut in ein Sieb geben und die Flüssigkeit auspressen. » Den Speck und die Zwiebel klein würfeln. Den Speck in etwas Butter in einer Pfanne anbraten, dann die Zwiebeln dazugeben und kurz erhitzen. Zum Schluss das Sauerkraut dazugeben, mit Salz und Pfeffer würzen, bei mittlerer Hitze anbraten und anschließend abkühlen lassen. » Den Nudelteig dünn ausrollen, auf eine bemehlte Fläche geben und die Füllung gleichmäßig verteilen, wobei oben und unten ein kleiner Streifen frei bleiben sollte. Den Teig zu einer Rolle aufrollen und in fünf oder sechs Zentimeter große Stücke schneiden. Butter oder Schmalz in einer Pfanne erhitzen und die Krautkrapfen darin auf der Schnittkante anbraten. Vegetarier können den Speck einfach weglassen.
Tipp Wer keine Zeit oder Muße hat, seine Krapfen selbst zu machen, dem empfehlen wir als Alternative jene von der dengg krapfen & knödel manufaktur aus Hall, die Deflorian-Spezialitäten aus Gnadenwald oder die Gaumenfreuden von Knödel Geri aus Reith im Alpbachtal. Die sind bereits fertig und müssen nur noch ins Wasser. Tirol_Magazin
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ENGLISH
English Summary
THE WONDERFUL WORLD OF THE DOUGHNUT
Doughnuts. This word triggers culinary cravings everywhere. A little bit different in each place.
E
ven the thought has a certain magic to it. And the first bite triggers emotional fireworks. The memory of grandmother, for example - her kitchen, the smells. She is mysterious, even magical, the power of memory in the taste buds. The moment the doughnut unleashes its special powers, time is rewound and troubles are forgotten. T h e s t o r y of the doughnut is said to have started
in a Viennese kitchen during a spirited marital row. A legend about the Viennese origins of the doughnut logically most popular with the Austrians - goes back to the baker Cäcilie Krapf. She is said to have been the head cook of the Imperial Council and the historical credibility is a little thin because her ingenious creations are said to date from various periods ranging from the 16th to the 19th century. Nonetheless, the story is a lovely one. Cäcilie is said to have grabbed a piece of yeast dough in a fight with her husband Krapf and threw it at him like a snowball. He ducked in time and the yeast dough ball landed in a pot of boiling fat. And hot eureka - the doughnut was born.
T h e c u lt u r a l development of doughnuts seems to include the whole world and includes a lot of interesting history. An immutable and very valid fact when it comes to doughnuts was, is and remains that they are calorie bombs. This was why clergymen and monks used to stuff themselves with the doughnuts during Carnival to store enough energy for the 40-day fasting period and to protect their impressive bellies. Christian pantries were supposed to be free of meat, but also free of eggs and lard, from Ash Wednesday onwards, which really heated up the fun with doughnuts just before this period.
D o u g h n u t s come in a wide variety of forms in the Tyrol. As doughnuts during the Fasching period. Schlipfkrapfen are a wonderful love affair between pasta dough and savoury mashed potatoes in East Tyrol. Their name sounds like their cousins - the Schlutzkrapfen – and they both slide onto the plate with plenty of browned butter, grated cheese and chives. And then there are the Zillertaler Krapfen (Ziller valley doughnuts), which are so wonderfully tender, crispy and hearty. Their secret is in the thin dough, shaped into pockets and filled with a mixture of potato, grey cheese, onion and a healthy portion of chives. The Krautkrapfen (cabbage doughnuts) were, in a culinary sense, smuggled to the Tyrol from the Allgäu. They are something of a fusion of noodle dough and what is in their name: cabbage. If you want to please a hearty palate, you cannot go wrong with cabbage, bacon, caraway and onions. D o u g h n u t s . The anticipation could hardly be more
appealing. Because the first bite reveals a whole world.
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Wie funktioniert das?
Die wellwasser®-Wasseraufbereitungsanlage wird in die Wasserzuleitung zum Karbonator installiert. Ein Aktivkohlefilter adsorbiert Fehlgeruch, Verfärbungen, unangenehmen Geschmack (z. B. Chlor) und weitere organische Schadstoffe. Eine 0,2 µm (0,0002 mm) dünne Membran hält Schmutzpartikel, Schwebestoffe, Zysten, Schimmelsporen und Bakterien etc. zurück, sodass keine pathogenen Keime getrunken werden können. In einem mit ausgesuchten Kristallen gefüllten Edelstahlgehäuse wird das durchfließende Wasser aktiviert und positiv beeinflusst. Alle Mineralstoffe bleiben erhalten. A u s s e r d e r A n w e n d u n g in der
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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG / FOTOS: WELLWASSER, SHUTTERSTOCK
© TOM BAUSE
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KOSTBARES ZUM KOSTEN Es muss nicht immer Corona sein. Tirol hat, was Biere betrifft, eine ebenso groĂ&#x;e wie regional gut gestreute Bierkultur zu bieten.
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WAR IN FRÜHEREN ZEITEN IN UNSEREN BREITEN DER BIERKONSUM NOCH DEN ORDENSBRÜDERN VORBEHALTEN, WURDE ES SPÄTER ZUM WELTLICHEN ALLERWELTSGETRÄNK, SO DASS BRAUEREIEN IN MANCHEN STÄDTEN UND DÖRFERN ZU DEN GRÖSSTEN ARBEITGEBERN ZÄHLTEN.
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ie Biererzeugung findet in Tirol teils seit Jahrhunderten auf hohem Niveau statt. Zu den alteingesessenen Brauereien sind in den letzten Jahren ausgelöst durch den Boom von Kreativbieren einige vielversprechende Klein- und Kleinstbrauereien dazugekommen. Vo m B r o t zum R e i n h e i t s g e b o t.
Bier begleitet die Menschheit schon seit Jahrtausenden, als Getränk, aber auch als Nahrungsmittel. Für die Anfänge des Bieres muss man wahrscheinlich nach Mesopotamien zurückgehen, wo die rudimentäre Herstellung von Bier – nicht annähernd so planvoll wie heute – irgendwo zwischen Euphrat und Tigris vor rund 6.000 Jahren ihren Anfang genommen haben soll. Per Zufall, durch einen von Hefekulturen angestoßenen Gärungsprozess in einem Gefäß mit Getreidebrei. So ist es zumindest überliefert. D i e k u lt u r g e s c h i c h t l i c h e Be-
deutung des Bieres lässt sich daran bemessen, dass die Sumerer bereits vier verschiedene Methoden der Bierherstellung aus vergorenem Brotteig kannten. Bier findet außerdem im Gilgamesch-Epos, einem der ältesten Werke der Weltliteratur, Erwähnung. Tirol_Magazin
Die Geschichte geht in etwa so: Muttergöttin Aruru stellt nach den Plänen von Himmelsgott An aus Lehm Enkidu her, der zunächst als wildes, menschenähnliches Wesen in der Steppe sein Dasein fristet. Alsdann wird Enkidu zivilisiert. Und zwar durch den Beischlaf mit der Dirne Schamchat, deren körperliche Nähe seine Wahrnehmung geschärft haben soll, und den Genuss von Brot und Bier. „Es wusste Enkidu nicht Brot zu essen, Bier zu trinken hatte er nicht erfahren. Die Dirne öffnete ihren Mund und sprach zu Enkidu: Iss das Brot, Enkidu, das das Leben auszeichnet, trink das Bier, das dem Lande bestimmt ist! Es aß das Brot Enkidu, bis er gesättigt war, das Bier trank er, sieben Krüge. Es löste sich sein Gemüt, er frohlockte, er freute sich im Innersten, sein Gesicht strahlte.“
F(R)ISCHE AUS TIROL
F o r s c h u n g n e u e r e n Datums deu-
tet sogar darauf hin, dass getreidebasierte Alkoholerzeugung sogar noch viel älter sein könnte, nämlich zwischen 11.700 und 13.600 Jahre, und damit sogar Getreide vor dem Brot zur Herstellung von Alkohol diente, der zu rituellen Zwecken getrunken wurde. Bier wurde auch bei den alten Germanen geschätzt, die durch den reichlichen Genuss desselbigen sich ihren Göttern näher wähnten. Wa r i n f r ü h e r e n Zeiten in unse-
ren Breiten der Bierkonsum noch den Ordensbrüdern vorbehalten, die damit unter anderem die karge Fastenzeit zu überbrücken suchten, wurde es später zum weltlichen Allerweltsgetränk, so dass Brauereien in manchen Städten und Dörfern zu den größten Arbeitgebern zählten. Weil die Biere, die früher gebraut wurden, manchmal mit durchaus seltsamen und gesundheitlich nicht immer unbedenklichen Zutaten versetzt waren, war die Einführung des sogenannten deutschen Reinheitsgebots eine gute Sache, welche die Qualität der Biere allerorten befördert haben dürfte.
Angle dir köstliche Saiblinge und Forellen aus Tirol. Der Weg des Bieres Im BrauKunstHaus von Zillertal Bier in Zell am Ziller gehen Besucher seit Sommer 2020 den „Weg des Bieres“ – von den Zutaten über den Brauprozess bis hin zur Abfüllung. Auf einer Ausstellungsfläche von über 5.000 Quadratmeter auf drei Ebenen erwartet Besucher ein multimedial inszenierter Rundgang, der Einblicke in Tirols älteste Privatbrauerei gibt und ein Erlebnis für alle Sinne bietet, bildet doch eine Verkostung der Bierspezialitäten den kulinarischen Abschluss. www.braukunsthaus.at
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144 LEBEN
MIT DEM GLOBALEN CRAFT-BEER-HYPE IN DEN LETZTEN JAHREN SIND AUCH IN TIROL VIELE AMBITIONIERTE NEWCOMER ZU FIXSTERNEN AM BIERHIMMEL GEWORDEN.
G a n z s o w e i t zurück wie andernorts
reicht die Geschichte des Bieres in Tirol zwar nicht, ist aber längst nicht minder interessant. Die Anfänge der Brauerei in Tirol lassen sich nicht so einfach datieren. Es ist jedoch überliefert, dass im Stollen des Auracher Löchl in Kufstein schon vor 600 Jahren bis 1896 bei konstanten 8° Celsius Eis vom Hechtsee und vom Kaisergebirge eingelagert worden sein soll, um das ebenfalls dort gebunkerte Märzenbier über den Sommer hinweg genussfähig zu halten. Bereits 1448 soll beim Auracher Löchl die gleichnamige Bierschenke eröffnet worden sein, die freilich längst Geschichte ist. So wie die ebenfalls in Kufstein gegründete Privatbrauerei Egger, die 1675 als „Pierpreu“ Hans Gwercher erstmals Erwähnung fand, im 19. Jahrhundert in den Besitz der Familie Egger überging und schließlich 1978 die tirolischen Lande gen Unterradlberg verließ. Brauen als Kunst- und Genussform.
Als älteste Privatbrauerei des Landes gilt Zillertal Bier in Zell am Ziller. Die Brauerei befand sich damals, als man vom Erzbistum Salzburg das Recht verliehen bekam, Bier und Branntwein zu erzeugen und auszuschenken, im heutigen Hotel Gasthof Bräu im Ortszentrum. Auf dem sogenannten „Gauderlehen“, dem zur Brauerei gehörigen landwirtschaftlichen Anwesen, wird seitdem das Gauder Fest gefeiert, heute das größte Frühlings- und Trachtenfest Österreichs.
I m Z i l l e r ta l steht aber nicht nur Tirols älteste, sondern zugleich wohl auch innovativste Brauerei, deren Aufschwung erst so richtig mit dem Aufkommen des Fremdenverkehrs nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatte. Bis 2009 wurde noch im Zentrum von Zell am Ziller gebraut, ehe am Ortsrand die heutige Brauerei entstand. Mit dem BrauKunstHaus setzte Zillertal Bier heuer sich und der Biertradition in Tirol ein Denkmal, in dem sich Tiroler Bierkultur auf über 5.000 Quadratmetern mit allen Sinnen erleben lässt und man den Weg des Bieres vom Grundrohstoff bis zur Abfüllung mitgehen und das damit verbundene Wissen und die Tradition erfahren und nicht zuletzt dem Geist des Tales nachspüren kann. Attraktiver und eindrucksvoller wurde der Brauprozess wohl noch nie in Szene gesetzt. Zudem gibt es mit dem Tyroler Imperial Hell ein Bier, das ausschließlich mit der in Tirol angebauten Fisser Imperial Gerste gebraut wird. Bierolensien.
Z u d e n a r r i v i e r t e n Brauereien
gehört zweifellos auch die 1810 von Anna Strele auf dem namensgebenden Schloss Starkenberg gegründete Brauerei Starkenberger. Das Bier aus Tarrenz ist nicht nur gustatorisch empfehlenswert, sondern tritt im alten Gärkeller, der das erste Bierschwimmbad der Welt beherbergt, auf ganz besondere Art in Erscheinung. Bier ist nämlich nicht nur ein vortreffliches Getränk, sondern Biergeläger – so nennt man die Hefe, die Tirol_Magazin
sich bei der Kaltlagerung des Bieres absetzt – auch für seine heilende Wirkung bekannt. Darüber hinaus tut die Kohlensäure der Haut gut. Im Jahr 1727 wurde die Brauerei Huber Bräu im Tiroler St. Johann gegründet, die mit dem wohl österreichweit ungewöhnlichsten Braugasthaus in einem Turm oberhalb des Sudhauses beeindruckt. Dort können in besonderer Atmosphäre die brauereieigenen Spezialitäten verkostet werden. Mit der 1900 gegründeten Brauerei Falkenstein gehört Osttirols einzige größere Brauerei seit 1918 zur Gösser Brauerei AG bzw. Brau Union Österreich AG, die wiederum seit 2003 in den Heineken-Konzern eingegliedert wurde. Heimische Kenner könnten schwören, dass das Gösser aus der Brauerei Falkenstein trotz identischer Rezeptur ganz anders und besser schmecke als jenes aus Göss. Im Außerfern, ganz konkret in der Kleinstadt Vils, wurde bereits im 15. Jahrhundert Bier gebraut, dann längere Zeit nicht mehr und seit 2013 wieder. Mit Hilfe modernster Technik und großer Braukunst entstehen in der Vilser Privatbrauerei allerlei feine regionale Bierspezialitäten. Bier zwischen Tradition u n d I n n o vat i o n .
Mit dem globalen Craft-Beer-Hype in den letzten Jahren sind viele ambitionierte Newcomer zu Fixsternen am heimischen Bierhimmel geworden und haben neben althergebrachten, qualitativ hochstehenden Gasthausbrauereien
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Dem Hopfen seine Natur lassen. Urtypisch Zipfer. Seit 1858 pflegen wir unsere urtypische Brautradition: Wir brauen mit Naturhopfen – mit Hopfen, so wie er am Feld wächst. Unverfälscht und echt. Und genau so schmeckt auch unser Zipfer. Urtypisch eben.
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146 Z u d e n m o d e r n e n Brauern gehört zweifellos Bierol, dessen Jungs seit 2014 mit einer Detailversessenheit daran brauen, die Grenzen dessen, was man gemeinhin Bier zu heißen pflegt, immer weiter zu verschieben. Und zwar durchaus zum Gaudium der Bierliebhaber, die die hochwertigen, frischen und unkonventionellen Biere zu schätzen wissen. Bierol zeigt konkret vor, warum die Craft-Beer-Szene der Bierlandschaft so gut tut. Ein ähnliches Ziel verfolgen der gelernte Brauer Florian Schmisl und Gastronom und Biersommelier Simon
WOVON MAN NICHT REDEN KANN, DAVON SOLL MAN LIEBER KOSTEN.
© TOM BAUSE
LEBEN
dazu beitragen, dass der Bier-Enthusiast in Tirol jedenfalls auf seine Kosten kommt.
Gstrein im Ötztal mit Bäckelar Brewery. Dort entsteht das „Sölsch“. Mit dem schlanken, süffigen und an die Kölsche Brauart angelehnten Bier wollen die Neo-Brauereibesitzer von Sölden aus die Welt – oder zumindest das Ötztal und die anderen Teile Tirols – erobern. Die Positionierung des „Sölsch“ ist gemäß Eigendefinition klar: Obergäriges, leicht hefig, leicht fruchtiges, im Abgang doch herbes, unfiltriertes Sölsch – das süffige Gegenstück zu den hierzulande üblichen, meist untergärigen Bieren. Beispiele wie diese gibt es noch einige mehr im Land, etwa die Brauerei Tuxertal mit dem TUX2180.
D a s N i v e a u ist allgemein hoch in der Tiroler Bierszene, die Zeiten des Einheitsbräus sind lange vorüber. Qualität hat zu allen Zeiten – ob nun Krise oder nicht – Konjunktur. Das war auch schon immer so, wie folgende Anekdote aus den Tiefen der Zeitungsarchive zeigt: Am 9. November 1860 fällen die Innsbrucker Nachrichten ein wenig schmeichelhaftes Urteil über die damalige Qualität der gängigen Biere, wobei ein Bierlokal sich von der schalen Masse abzuheben vermag, und zwar mit einem Rezept, das nicht nur in Tirol vielfach Nachahmer fand: „Herr Kraft hat es sich mehrmals angelegen sein lassen, für sein Etablissement ein eigenes, besseres, als das gewöhnliche Bier brauen zu lassen, allerdings etwas theurer, aber er findet Gäste genug, welche gerne einen Kreuzer mehr bezahlen um ein besseres Bier zu trinken.“ Damals wie heute schien zu gelten, dass sich Qualität bezahlt macht. D a s S c h r e i b e n (und in Ihrem Falle
Lesen) über Bier ist zwar schön, doch das Probieren noch viel schöner. Und in Tirol gibt es in dieser Hinsicht wirklich einiges zu entdecken. Neues neben Althergebrachtem, Unkonventionelles neben Bewährtem. Und alles hat seine Liebhaber. In Anlehnung an Wittgenstein darf es abschließend heißen: Wovon man nicht reden kann, davon soll man lieber kosten. Marian_kröll Tirol_Magazin
147 THERESE MÖLK
Aus Brot wird Hochprozentiges
Am Anfang stand eine clevere Idee: Friedrich und Mathias Mölk, der ehemalige und der aktuelle Leiter der Bäckerei Therese Mölk, dachten, ihr Brot von gestern wäre doch eine ausgezeichnete Basis, einen Gin nach Tiroler Art zu brennen. Gesagt – getan. Und der Erfolg gab ihnen recht. raurig, aber wahr: In Österreich landet jedes fünfte Stück Brot im Abfall. „Wir versuchen bereits in der Bäckerei, durch genaue Planung und modernste Anlagen, Ausschussware zu vermeiden – aber ganz gelingt uns das nicht. Altes Brot oder Ausschussware in die Tonne zu schmeißen oder zu Tierfutter zu verarbeiten, passt nicht zu unserer Firmenphilosophie“, erklärt Mathias Mölk, Leiter der Bäckerei Therese Mölk, die Motivation für die Investition in die eigene 600-Liter-Destillationsanlage.
T
Vo m B r o t z u m P r o s t
Der Prozess ist einfach: Brot von gestern wird verzuckert und vergoren. Dann wird die Maische im Brennkessel erhitzt und der Alkohol daraus destilliert. Aus 100 Kilogramm Brot können in etwa 12,5 Liter hochprozentiger Alkohol gebrannt werden. Dieser wird anschließend zu den nachhaltigen Spirituosen, wie dem von Falstaff mit 92 Punkten ausgezeichneten Herrn Friedrich Gin oder Frau Rosis Ansatzschnaps, weiterverarbeitet. „Durch die neue Brennerei können wir große Mengen an Altbrot wiederverwerten. Das Schöne daran ist, dass die Maischereste wiederum zu einem Brot verarbeitet werden können. So entsteht ein nachhaltiger Kreislauf”, erklärt Friedrich Mölk. D a s S o r t i m e n t an Hochprozentigem aus Brot von
gestern wurde in den letzten Jahren laufend erweiENTGELTLICHE EINSCHALTUNG / FOTOS: PATRICK SARINGER
tert. Toni Rosetti, einer der besten Schnapsbrenner Tirols, unterstützte die Bäckerei Therese Mölk bei der Umsetzung der Ideen. So findet sich mittlerweile auch ein Eier- und Schokolikör, ein hochwertiger Nusslikör oder der einzigartige Vinschgerl Brand, der ausschließlich aus Vinschgerln gebrannt wird, in den Regalen von MPREIS und T&G. Eine neue Linie unter der Marke Brotbrand Tirol umfasst erlesene Spirituosen in den Sorten Birne, Marille, Zirbe oder Haselnuss-Krokant. „Bisher konnten wir auf diese Weise bereits über 100.000 Kilogramm Brot vor der Mülltonne retten“, freut sich Mathias Mölk.
Infos Weitere Informationen zum Unternehmen und den nachhaltigen Spirituosen unter www.therese-moelk.at Die Bäckerei Therese Mölk ist ein 2013 neu errichteter Produktionsbetrieb der Firma MPREIS in Völs bei Innsbruck. Nach der Philosophie „Natur. Handwerk. Zeit. Sonst nichts.“ wird pures Brot ohne künstliche Zusatzstoffe wie anno dazumal gebacken. Jährlich werden in der Bäckerei rund 12.000 Tonnen Brot und Gebäck aufbereitet und an die MPREIS-Supermärkte und Baguette-Brotfachgeschäfte in Tirol, Salzburg, Kärnten, Vorarlberg, Oberösterreich und Südtirol geliefert. Nachhaltigkeit ist ein elementarer Teil der Unternehmensphilosophie. Durch modernste Technologien können 40 Prozent Energie gespart werden, ein eigenes Blockheizkraftwerk wird betrieben und eine Photovoltaikanlage am Dach und an der Fassade fängt jedes Jahr über 800.000 Kilowattstunden Sonne ein. Therese Mölk bäckt zudem nicht für die Tonne und denkt damit weit über den Rand der Bäckerschaufel hinaus.
148 LIFE
ENGLISH
English Summary
A SIGN OF GOOD TASTE
It doesn’t always have to be Corona. When it comes to beer, the Tyrol has a large and regionally varied brewing culture.
T
he history of beer in Tyrol may not go back as far as it does elsewhere, but it is just as interesting. The beginnings of brewing in Tyrol are not particularly easy to date, but records show that ice from the Hechtsee and the Kaisergebirge mountains was stored in the Auracher Löchl tunnel in Kufstein from 600 years ago until 1896. The tunnel was maintained at a constant 8° Celsius to keep the Märzenbier, which was also stored there, enjoyable through the summer. Zillertal Bier in Zell am Ziller is considered the oldest private brewery in the province. When the Archbishopric of Salzburg granted the right to produce and serve beer and brandy, the brewery was in today’s Hotel Gasthof Bräu in the centre of the village. The Gauder Fest, today the largest spring festival and traditional costume festival in Austria, has been celebrated since then on the socalled “Gauderlehen”, the agricultural estate belonging to the brewery. The Zillertal is not only Tyrol’s oldest brewery, but also probably the most innovative. Brewing took place in the centre of Zell am Ziller until 2009 before the current brewery was built on the outskirts of the town. In the summer of 2020 Zillertal Bier erected a monument to itself and to the tradition of brewing in Tyrol with the “BrauKunstHaus”. Here Tyrolean beer culture can be experienced with all the senses in an area of over 5,000 square metres. Visitors can follow the beer’s journey from basic raw materials to the bottling plant. T h e S ta r k e n b e r g e r b r e w e r y, founded in 1810
by Anna Strele in Starkenberg castle, is undoubtedly one of the more established breweries. Because beer is not only good to drink, but also good for the skin, you can bathe in a beer swimming pool there. Many ambitious newcomers have become fixed stars in the local beer firmament with the global craft beer hype of recent years and, alongside traditional, high-quality pub breweries, have helped to ensure that beer enthusiasts in Tyrol get their money’s worth. Tirol_Magazin
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150 LEBEN
Legende Bezirke RE
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Die Adressen der Brauereien finden Sie auf der nächsten Seite
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Tiroler Bier
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Schlachtlbräu
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Vilser Brauerei
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Schloss Starkenberg
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Brauerei Kugler
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Ötztaler Brauhaus
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Kristall Brauerei
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Brauerei Huber
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Zillertal Bier
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Tuxertal Brauerei
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Brauerei Falkenstein
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151 LEBEN
BIERBRAUEREIEN IN TIROL
152 LEBEN
TIROLS BRAUER Bier vom Achensee bis ins Zillertal.
Unterland
Bierbrauer
10
Innsbruck und Umgebung 1
Inneralpbach 431 6236 Alpbach www.kristallbrauerei.com
Tiroler Bier
11
Brauerei Harald Franz Baumgartner Feldstraße 11a 6020 Innsbruck www.tirolerbier.at 2
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Oberland 5
Z i l l e r ta l 13
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Vilser Brauerei
Allgäuerstraße 2 6682 Vils www.vilserprivatbrauerei.at
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Schloss Starkenberg
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Ötztaler Brauhaus
Niederthai 57a 6441 Umhausen www.oetztalerbrauhaus.at
Griesegg 1 6464 Tarrenz www.starkenberger.at 7
Zillertal Bier
Bräuweg 1 6280 Zell am Ziller www.zillertal-bier.at
Schlachtlbräu
Brennerstraße 24 6143 Matrei am Brenner schlachtlbraeu.eatbu.com
Brauerei Huber
Brauweg 2, 6380 St. Johann www.huberbraeu.at
Branger Bräu
Unterperfuß 32 6175 Unterperfuß www.brangeralm.at
Bierol
Sonnendorf 27, 6330 Schwoich www.bierol.at 12
’s 4er Brauerei
Kiechlanger 9b 6060 Hall www.viererbier.at 3
Kristall Brauerei
Brauerei Kugler
Josef-Koch-Straße 1 6460 Imst privatbrauerei-kugler.at
9
Bäckelar Brewery
Untere Gewerbestraße 7 6450 Sölden www.soelsch.com
Tirol_Magazin
Tuxertal Brauerei
Lanersbach 391, 6293 Tux www.tux1280.at Osttirol 15
Brauerei Falkenstein
Brau Union Österreich Pustertaler Straße 40 9900 Lienz www.brauunion.at
153 LEBEN
Hausbrauer Innsbruck und Umgebung
Gasthof Ebner Brennerei & Brauerei Karl-Zanger-Straße 17 6067 Absam www.gasthofebner.at
9
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Klosterbräu Klosterstraße 30 6100 Seefeld www.klosterbraeu.com Oberland
Gasthofbrauerei Heustadl Rinnen 38 6622 Berwang www.hotelthaneller.at
14
Unterland
Achensee
Strickers Dorf-Alm
Braukunst Neidhartinger
Brauhaus Rattenberg
Achenseebier
Holzgau 71 6654 Holzgau www.dorfalm.mbw-tirol.at
Florian-Waldauf-Straße 2 6114 Kolsass www.braukunst.tirol
Bienerstraße 84 6240 Rattenberg www.brauhaus-rattenberg.at
s‘Höf Bräuhaus
Freundsberg 66
Loder Bräu
Schau- und Hausbrauerei Naturparkstraße 81 6213 Eben am Achensee www.achenseebier.at
Höf 19 6675 Tannheim www.hoef-braeuhaus.at
Josef-Heiß-Straße 48 6134 Vomp www.freundsberg66.at
Privatbrauerei Kalvarienweg 5 6344 Walchsee www.walchsee-tirol.at
DAS NIVEAU IST ALLGEMEIN HOCH IN DER TIROLER BIERSZENE, DIE ZEITEN DES EINHEITSBRÄUS SIND LANGE VORÜBER.
Gasthof Mairwirt Dorfstraße 17 6654 Schwendt www.mairwirt.at
Osttirol
Wildauers Haidenhof Wirtshausbrauerei Grafendorferstraße 12 9900 Lienz www.wildauers.tirol
Braugasthof Glocknerblick Arnig 7 9981 Kals am Großglockner www.kals.at/gasthofglocknerblick
QUELLE: WWW.BIERLAND-OESTERREICH.AT
© ANJA KÖHLER
DIE VOLKSMUSIK KRIEGT DEN BLUES Seit gut 30 Jahren gibt es den Begriff der „Neuen Volksmusik“. Doch die Bezeichnung kommt von außen. Die, die in dieses Genre eingereiht werden, lehnen ihn eher ab. Populär ist diese Musikrichtung heute dennoch mehr denn je.
Tirol_Magazin
155
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enn sich Steirische Harmonika und Flamencogitarre, Kontrabass und Volksmusikharfe vereinigen und das alles noch einen Hauch von alpinem Synthie-Pop hat, dann ist das das Herbert Pixner Projekt. Wenn es nach einem volksmusikalischen Symphoniekonzert klingt, ist das schon wieder dieser Pixner. Und wenn es sich nach einem traditionellen Boarischen anhört, dann ist das … erraten, noch einmal Herbert Pixner. Er und seine Band gelten derzeit als das Aushängeschild, wenn es um „Neue Volksmusik“ geht. Blöd nur, dass niemand gerne dieses Etikett umgehängt bekommt. Neue Volksmusik ist quasi ein Genre ohne Proponenten. Jedenfalls offiziell. Revolution in den 1970ern.
Beginnen wir vor dem Anfang: Als Vorläufer der heutigen Bewegung könnte man Werner Pirchner oder Wilfried nennen. Sie wagten es erstmals, klassische Volksmusik neu zu interpretieren. Pirchner veröffentlichte 1973 das „halbe doppelalbum“, Teile davon fanden ein Jahr darauf Eingang in den Film „Der Untergang des Abendlandes“. Darin ironisierte er unter anderem Elemente der Tiroler Folklore, womit er sich die Feindschaft traditioneller, konservativer Kreise zuzog. Nicht viel besser erging es Wilfried (Scheutz). Er hatte 1973 das „Höttinger Vogelfängerlied“ verrockt und auch dem „Kufsteinlied“ einen Hardrock-Anstrich verpasst. Dann wurde es wieder still, bis Hubert von Goisern auftauchte.
Hörempfehlungen
Herbert Pixner Projekt: „Lost Elysion“, 2018
Franui: „Ennui“, 2019
ClariMusi: „umg’rührt“, 2017
Opas Diandl: „X“, 2018
senschaftler und Professor am Mozarteum in Innsbruck, hat sich eingehend mit der Geschichte der „Neuen Volksmusik“ befasst: „Der Begriff wird seit 1992 oder 1993 verwendet und ist durch die Medien aufgekommen.“ Seither hat das Phänomen einen Namen, viele Bands im deutschsprachigen Alpenraum werden und wurden dem neuen Genre zugerechnet: Vom oberösterreichischen Duo Attwenger bis zur bayerischen Biermösl Blosn, von Die Knödel bis zum erwähnten Herbert Pixner Projekt. U n d s i e a l l e haben eines gemein,
weiß Thomas Nußbaumer: „Sie lehnen den Begriff der Neuen Volksmusik ab. Er ist für sie eine Schublade, in die sie nicht gesteckt werden wollen. Man kann das aus ihrer Sicht verstehen, weil die alle sehr individuell waren oder sind.“ D o c h s o u n t e r s c h i e d l i c h ein
Pixner, Opas Diandl, ClariMusi, Titlá, Die Knödel oder Franui auch sind, so gibt es doch etliche Gemeinsamkeiten, erklärt derMusikwissenschaftler: „Sie haben die Vermarktung stark professionalisiert. Festivals wie Glatt&Verkehrt in Österreich oder Alpentöne in der Schweiz spielen für diese Szene eine große Rolle.“ Für den Spezialisten ist auch ganz klar nachvollziehbar, welche Elemente von woher übernommen werden. Oft handle es sich um ein Crossover von Volksmusik, Pop, Jazz und Neuer zeitgenössischer Musik. Ebenfalls wichtig sei die neue, oft auch kritische Auseinandersetzung mit der tradierten Volksmusik. Nußbaumer: „Die volkstümliche Volksmusik wäre dazu sozusagen der Gegenpol.“ Und noch eines: In der traditionellen Volksmusik wurden die Neuen hierzulande lange nicht gerne gesehen. Inzwischen haben sich die Wogen zwar geglättet, doch zuweilen schlagen alte Ressentiments noch durch.
LEBEN
T h o m a s N u s s b a u m e r , Musikwis-
Die Musikbanda Franui aus Osttirol spielt zwar mit Volksmusikinstrumenten, ist aber inzwischen weit entfernt von diesem Genre.
156 Das musste auch Carmen Lenz erfahren. Sie ist Mitglied der fünfköpfigen Formation ClariMusi aus Hatting, die Volksmusik mit stark jazzigem Einschlag spielt. Lenz ist Musiklehrerin und hat eine Diplomarbeit zur „Neuen Volksmusik“ geschrieben. Sie erzählt: „Es hat auch Kritik an uns gegeben aus der traditionellen Volksmusik, weil man das, was wir machen‚ nicht tut‘. Es ist uns nicht oft passiert, aber wenn, dann in Tirol.“ ClariMusi entstand 2005 aus einem „Trainingsprojekt“ für die
ALS VORLÄUFER DER HEUTIGEN BEWEGUNG KÖNNTE MAN WERNER PIRCHNER NENNEN.
Rhythmusgruppe der Hattinger Bigband. Carmen Lenz erinnert sich: „Wir haben angefangen, miteinander zu spielen, und irgendwann hat jemand in einen Landler einen anderen Teil hineingenommen. Das hat eine Eigendynamik bekommen, weg vom Landler mit einem Latin-Teil hin zu Eigenkompositionen. Aber wir sind in der Jazzrichtung geblieben.“ Darum definieren sie sich jetzt auch als Volksjazzer aus Tirol und nicht als „Neue Volksmusiker“. Das sei nicht nur bei ClariMusi so: „Weil sie gerade die Kategorisierung vermeiden wollen, spielen viele Gruppen möglichst viel Crossover, wo sehr viel möglich ist.“ Man könne auch die Gruppen schwer miteinander vergleichen. ClariMusi hebe sich zum Beispiel durch das Drumset ab, sagt Carmen Lenz, die selbst Akkordeon, Klarinette und Klavier spielt. Eine gemeinsame Klammer fällt ihr bei aller Individualität zum Thema aber doch ein: Heimat. „Je globalisierter, komplexer die Welt wird, umso mehr sehnen sich die Leute nach etwas, das sie kennen, das sie mit Heimat verbinden und das doch nicht altbacken ist. Heimat 2.0 sozusagen“, findet sie. Und die könne „Neue Volksmusik“ bieten. Eine Z wa n g s eingemeindung.
© ANJA KÖHLER
LEBEN
Sehnsucht nach H e i m at.
Tirol_Magazin
„Natürlich nicht“ der „Neuen Volksmusik“ rechnen sich auch Franui zu. Andreas Schett, künstlerischer Leiter: „Wir wurden dort eingemeindet, weil wir Volksmusikinstrumente spielen.“ Die Osttiroler „Musicbanda“ existiert seit 1993 in nahezu derselben Besetzung. In den Anfängen seien Franui von der steirischen Gruppe Broadlahn beeindruckt gewesen. Andreas Schett erinnert sich: „Das war eine sehr interessante Zeit, in der vieles aufgebrochen ist. Es hat diverse Felder gegeben, die der Neuen Volksmusik zugerechnet wurden, aber für mich haben Hubert von Goisern und Broadlahn nicht viel
157 LEBEN
„ES HAT AUCH KRITIK AN UNS AUS DER TRADITIONELLEN VOLKSMUSIK GEGEBEN, WEIL MAN DAS, WAS WIR MACHEN ‚NICHT TUT‘.“
gemeinsam.“ Und Franui selbst haben ohnedies einen ganz speziellen Weg genommen. Die zehnköpfige Gruppe hat sich Lieder von Brahms, Schubert, Schumann und Mahler oder Divertimenti von Mozart bis Satie „angeeignet“, in den bekanntesten und größten Konzert- und Opernhäusern Europas gespielt und versteht sich laut Eigendefinition als „Umspannwerk zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik“. Der Volksmusik will man in Zukunft aber weiter auf den Grund gehen. Das, was man heute kenne, sei in Wahrheit in den letzten 150 Jahren entstanden, so Schett. Franui wollen sich auf die Spuren dessen begeben, was davor war, sich also statt der neuen der ganz alten Volksmusik zuwenden. Einen Forschungsansatz lieferte aus traurigem Anlass Alfred Quellmalz. Dieser hatte von 1940 bis 1942 im Auftrag der Nationalsozialisten Südtiroler Liedgut aufgenommen, ehe die Bevölkerung für die Auswanderung aus dem faschistischen Italien optieren und in anderen Teilen Europas angesiedelt werden sollte. Mit dieser Sammlung beschäftigte sich auch schon Thomas Nußbaumer. U n d wä h r e n d s i c h so ziemlich alle
Tiroler Vertreter der „Neuen Volksmusik“ eigentlich nicht dieser zugehörig fühlen, schwappt sie gerade in einer neuen Popularitätswelle übers Land. Andreas Schett: „Es ist gefühlt mindestens die fünfte, die wir erleben.“ Uwe_Schwinghammer
© CLARIMUSI
Carmen Lenz, ClariMusi
ClariMusi bezeichnen sich als Volksjazzer, mit der „Neuen Volksmusik“ wollen sie nichts am Hut haben.
158 LIFE
ENGLISH
English Summary
FOLK MUSIC GETS THE BLUES
The term „new folk music“ has been around for a good 30 years. But the term is used almost exclusively by outsiders.
W
hen Styrian harmonica and flamenco guitar, double bass and folk harp combine and all this still has a touch of alpine synth-pop, then this is the Herbert Pixner Projekt. If it sounds like a folk music symphony concert, then it is Pixner again. And if it sounds like traditional Bavarian dialect, then that is ... Herbert Pixner once more. He and his band are currently regarded as the figureheads when it comes to “new folk music”. Just that nobody likes this label. So new folk music is virtually a genre without proponents. At least officially.
T h o m a s N u s s b a u m e r , musicologist and professor
at the Mozarteum in Innsbruck, has dealt in detail with the history of “New Folk Music”. “The term has been in use since 1992 or 1993 and spread through the media.” Since then, the phenomenon has had a name and many bands in the German-speaking Alpine region are and have been classed as members of the new genre: from
the Upper Austrian duo Attwenger to the Bavarian Biermösl Blasn, from Die Knödel to the aforementioned Herbert Pixner Projekt. And they all have one thing in common, Nußbaumer knows: “They reject the concept of new folk music. They do not want to be crammed into this pigeonhole.” It is often a crossover of folk music, pop, jazz, new contemporary music. Equally important is the new, often critical examination of traditional folk music. This has not always been free of tension. “There has also been criticism of us from traditional folk music, because people ‘don’t do’ what we do,” says Carmen Lenz. She is a member of the five-piece formation ClariMusi from Hatting, who define themselves as folk jazz musicians from Tyrol. Despite all their individuality on the subject, Lenz can think of one common denominator: their homeland. “The more globalised and complex the world becomes, the more people yearn for something they know, something they can associate with home and which is not outdated. Homeland 2.0, so to speak,” she says. And “new folk music” can offer that.
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Die Sache ist ja die: Weihnachtsbäume sind zwar ganz nett, machen aber auch ganz schön Schmutz. Und seien wir ehrlich: Sonderlich nachhaltig sind sie auch nicht, außer sie leben noch und man setzt sie in den Garten. Mit dem Zirbenholzbaum von Building Project aus Ampass gibt’s eine langlebige Alternative, die noch dazu gut ausschaut – schon ohne Deko. Zu haben in verschiedenen Größen ab 40 Zentimetern zum Verschenken bis zu 220 Zentimetern für große Räume, Hotels oder Büros. www.building-project.at
Tirol_Magazin
161 TIPPS
KURZ & BÜNDIG
LESEN
GINSALABIM
Es gibt mittlerweile schier unzählige Ginhersteller – auch in Tirol. Nicht alle Varianten davon schmecken auch. Den London Dry Gin von Tirolikum können wir jedoch gerne empfehlen. Gemacht wird er von Peter und Thomas Kronbichler aus Walchsee, kürzlich hat er Gold bei den World Spirits Awards 2020 gewonnen. Zu Recht, wie wir finden. Zitrusaromen sorgen für eine angenehme Frische, dazu kommen feine Kräuter, der Wacholder darf aber im Vordergrund bleiben. www.tirolikum.at
SPIELERISCH SCHLAUER WERDEN Die Tiroler Landeshauptstadt kann man auf ganz viele verschiedene Arten entdecken – und manchmal muss man dafür gar nicht vor Ort sein. Das neue Innsbruck Spiel beinhaltet 440 Wissens- und Aktionskarten, macht richtig Spaß und vermittelt dazu reichlich Faktenwissen. Ines Graus hat’s illustriert. Erhältlich um 45 Euro in der Wagner’schen in der Museumstraße.
Tirol. Eine Landvermessung in 111 Begriffen. Dominik Prantl Tyrolia Verlag 86 Seiten, EUR 14,95 Humoriges Glossar über das weltweit schönste Bundesland Österreichs.
„Wenn das Leben dir einen Berg gibt, zieh die Wanderschuhe an und geh!“
KOCHEN So schmeckt Tirol. Eva Eder Tyrolia Verlag 192 Seiten EUR 24,95 Kochen und essen mit den Jahreszeiten und regionalen Produkten.
AUF LEISEN SOHLEN
Das Tiroler Traditionsunternehmen Gottstein aus Imst fertigt seit fast 100 Jahren Hausschuhe aus Wolle und Filz. Das mag nun ein wenig altfadrisch klingen, ist aber wirklich super. Wir mögen die Pantoffel „Camping“ aus reiner Schurwolle, die für einen guten Wärmeaustausch sorgen, sodass man auch an warmen Sommertagen nicht an den Füßen schwitzt. Erhältlich um rund 50 Euro unter anderem im Onlineshop unter www.gottstein.at, wo es noch viele andere Modelle gibt – für zuhause, für die Hütte, mit Lammfell, für Kids und alle.
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KURZ & BÜNDIG LET THE SUN SHINE Die Kombination aus sonnigem Gelb und warmem Braun ist die Besonderheit von „Easy Peasy“ von Mindly Ceramics aus Absam. Die handgetöpferte Geschirrkollektion umfasst zwei verschieden große Kaffeebecher, eine Schüssel und einen Dessertteller. Alle Teile werden einzeln gefertigt. Zu haben für 25 bis 29 Euro auf mindly-ceramics.com.
ESSEN
EIN ORT FÜR MÖBELKLASSIKER
Ursprünglich wurde der Keller in den Wetscher Wohngalerien in Fügen im Jahr 1882 als Brauerei gebaut. Als Franz Wetscher den Braukeller und das Wirtshaus 1928 übernahm, nutzte er ihn zur Pflege und Lagerung von Hölzern. Heute beherbergt der Braukeller Ikonen der Designgeschichte und ist Schauplatz für immer wieder wechselnde, spannende Sonderausstellungen. In dieser besonderen Atmosphäre lassen sich die Wurzeln und Geschichte der Firma Wetscher besonders gut erkunden und man kann förmlich spüren, welche Tiefe das Thema Einrichten bei Wetscher hat. www.wetscher.com
Weißes Gold. Unter dem Namen „Essenz der Alpen“ gibt es nebst dem Alpen Fleur de Sel (zarte Salzflocken mit feiner, knuspriger Konsistenz) handgeschöpftes Alpensalz und Zirbensalz. 50-g-Glas um je 4,49 Euro unter essenzderalpen.at
DER ANTI-RITTER Ein Ritter sollte stark, tapfer und edel sein. Das fand Kinderbuchautor und Illustrator Jörg Hilbert zu stereotyp und erfand stattdessen Ritter Rost: schwach, ängstlich … und rostig. In der aktuellen Sonderausstellung im Innsbrucker Zeughaus (schauen Sie sich unbedingt auch die Dauerausstellung an!) tapst der tollpatschige Ritter durchs Museum. Hilberts Zeichnungen sind noch bis 7. März 2021 zu sehen. Infos unter www.tiroler-landesmuseen.at
IMPRESSUM E r s c h e i n u n g s w e i s e : 2 x jährlich _ A u f l a g e p r o M a g a z i n : 25.000 Stück
H e r a u s g e b e r & M e d i e n i n h a b e r : eco.nova Corporate Publishing Senn & Partner KG, 6020 Innsbruck, Tel.: 0512/290088, redaktion@econova.at, www.econova.at _ C h e f r e d a k t i o n : Uwe Schwinghammer _ R e d a k t i o n : Alexandra Keller, Christiane Fasching, Marian Kröll, Marina Bernardi, Wolfgang Westermeier _ M i ta r b e i t : Martin Weissenbrunner, Elisabeth Plattner _ L ay o u t : Tom Binder _ A n z e i g e n v e r k a u f : Ing. Christian Senn, Christoph Loreck, Mag. Sandra Nardin, Matteo Loreck, Mag. Claudia Elzenbaumer _ F o t o r e d a k t i o n : Andreas Friedle, Marian Kröll, Isabelle Bacher, Tom Bause _ Ü b e r s e t z u n g e n : Steve Rout, alpineconcepts _ L e k t o r at : Mag. Christoph Slezak _ D r u c k : RWf Frömelt Hechenleitner GmbH _ U n t e r n e h m e n s g e g e n s ta n d : Die Herstellung, der Verlag und der Vertrieb von Drucksorten aller Art _ C o v e r f o t o : Marian Kröll
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