Der Sterntaler Winter 2015

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Heft 5 | Winter 2015/16

der

Sterntaler Das Magazin vom Sterntalerhof

Sternen-Himmel Der elfj채hrige Nikos und seine Welt nach dem Tod Pferde-St채rken Wie das Sportpferd Royal zum Therapiepferd wurde Trauer-Arbeit Bestatter David Kinelly 체ber seinen Alltag im Beruf

Neue Wege, neue Kraft f체r Annette und Mario und ihre drei Kinder


Vorwort

Dipl.- Ing. Johann Konvicka Architekt und Vorstandsmitglied am Sterntalerhof

Als ich vor 17 Jahren durch die Fernsehmoderatorin Barbara Stöckl Peter Kai und Regina Heimhilcher, die Gründer des Sterntalerhofes, der Verein nannte sich anfänglich „Erde im Wandel“, kennenlernte, war ich von ihrer Vision einer ganzheitlichen Betreuung schwer und unheilbar kranker Kinder samt ihren Familien so beeindruckt, dass ich beschloss, das Projekt zu unterstützen. Seit damals unterstütze ich finanziell und mit meinen Möglichkeiten als Architekt und Ziviltechniker dieses einmalige Projekt, von der ersten Suche nach geeigneten Objekten, dem ersten Standort in Stegersbach, wo die baulichen und allgemeinen Standortvoraussetzungen angesichts der raschen Entwicklung des Sterntalerhofes mit Schwerpunkt Pferdetherapie bald nicht mehr ausreichend waren, bis zum heutigen Standort in Kitzladen. Diese rasche Entwicklung vom Zweipersonenunternehmen zum heutigen Sterntalerhof, einer nun anerkannten Institution mit hochqualifiziertem interdisziplinärem Team und unseren vierbeinigen Spezialisten, den Pferden, zeigt mir, dass meine Entscheidung richtig war.

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Seit 2010 gehöre ich dem Vorstand an. Diese ehrenamtliche Tätigkeit erfüllt mich mit Stolz und Freude. Freude auch deshalb, weil wir ein Team sind, das von gegenseitiger Wertschätzung und hoher Professionalität geprägt ist und jeder mit ganzem Herzen dabei ist. Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit im Vorstand ist, neben der Mitarbeit bei der Entscheidungsfindung für die weitere strategische Ausrichtung und Entwicklung des Sterntalerhofes, die baulichen und funktionalen Voraussetzungen für den Betrieb des Sterntalerhofes mit seiner steten Weiterentwicklung zu schaffen, beziehungsweise vorhandene Strukturen anzupassen. So haben wir heuer einen Zubau zum Gemeinschaftshaus errichtet, um die wachsenden therapeutischen Anforderungen zu berücksichtigen und den Verwaltungsbereich und die PraktikantInnenzimmer in einem eigenen Bereich zusammengefasst. Darüber hinaus versuche ich immer wieder Grätzelfeste oder sonstige Veranstaltungen zu organisieren, um zusätzliche finanzielle Mittel für den Sterntalerhof aufzutreiben. So ist es mir heuer gelungen, bekannte Künstler aus meinem Freundeskreis unter Verzicht auf ihre Gage für eine Benefizveranstaltung, die am 15. September im Odeon-Theater in Wien unter großem Puplikumsinteresse stattfand, zu gewinnen. Ich möchte mein Vorwort nicht schließen, ohne meinen Dank für die wertvolle Arbeit unseren MitarbeiterInnen und unserem Geschäftsführer Mag. Harald Jankovits und meinen Vorstandskollegen für die gute Zusammenarbeit auszudrücken.

ICH FREUE MICH, DIE WEITERE ENTWICKLUNG DES STERNTALERHOFS MITGESTALTEN ZU DÜRFEN UND BIN STOLZ, DEM TEAM STERNTALERHOF ANZUGEHÖREN.


Inhalt

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Aktuell

Pferde

Von Erfolgs- und anderen Rezepten

Vom Sport- zum Therapiepferd:

Und von einem neuen Kurs

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Kinder 6

Die Geschichte von Annette und Mario – und ihren drei Kindern

Gesundheit 16

Streifzüge 10

Portrait eines Bestatters – ein Gespräch mit David Kinelly

der Werdegang von Royal

Kinder- und Jugendpsychologie: Fantasie als wichtige Ressource

Menschen 18

Fünf Fragen an unsere Konsiliarärztin Dr. Ursula Habeler

Schenken hilft 12

Wie man mit einem Packerl gleich zweimal Freude schenkt

IMPRESSUM

SPENDENKONTO

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Ärztebank –

Sterntalerhof – Verein für ganzheitliche Lebensbegleitung

Bank für Ärzte und Freie Berufe AG

Kitzladen 139, 7411 Loipersdorf-Kitzladen, Österreich

IBAN: AT11 1813 0802 5454 0001

E-Mail: begegnung@dersterntaler.at

BIC: BWFBATW1

Konzept & Realisation: Tonality Communications GmbH, 2070 Retz, www.tonality.at

SMS-Spende: +43 664 660 1001

Redaktion: Harald Jankovits (Chefredaktion), Sandra Frank, Nicolas Thal Design: Nicolas Thal, Stephan Zwiauer Fotos: Sterntalerhof, Paul Kranzler, Benjamin Thal, iStockphoto LP Controlling: Karin Mayer Druck: Niederösterreichisches Pressehaus, auf Papier von Norske Skog Bruck GmbH Zur besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Entsprechende Bezeichnungen gelten ausdrücklich für beide Geschlechter.

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www.sterntalerhof.at

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Aktuell

Erfolgs-rezept DACHVERBAND HOSPIZ ÖSTERREICH BESTÄTIGT DEN STERNTALERHOF ALS STATIONÄRES KINDERHOSPIZ Seit über 15 Jahren schenkt der Sterntalerhof Kindern ein Heute, deren Morgen in den Sternen steht. Seit über 15 Jahren verfolgen wir dabei einen ganzheitlichen Ansatz – weit über die medizinische Grundversorgung sterbenskranker Kinder hinaus: Unser Konzept erfasst Körper, Geist und Seele des Kindes, seine Ängste und Bedürfnisse. Es sieht aber immer auch die ganze Familie, die Eltern, die Geschwisterchen. Sie alle befinden sich in einer Ausnahmesituation, sie alle wollen wir am Sterntalerhof begleiten, betreuen und für ihren schwierigen Weg bestmöglich stärken. Mit diesem Ziel haben Peter Kai und Regina Heimhilcher in den späten Neunziger Jahren den Grundstein für das gelegt, was der Sterntalerhof heute ist: In einer großzügigen Anlage arbeitet hier ein interdisziplinäres Team aus 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das im vergangenen Jahr stationär 119 (!) Kinder mit ihren Familien betreut hat. Die Bedeutung, die dem Sterntalerhof heute in Österreich zukommt, wurde jüngst auch von offizieller Seite anerkannt: Im vergangenen Sommer sind wir vom Dachverband Hospiz Österreich als erste Am Sterntalerhof wird keine Familie aus und nach wir vor einzige „spezialisierte pädiatrische finanziellen Gründen abgewiesen. Das ist Hospiz- und Palliativeinrichtung mit dem Angebot nur möglich, wenn Sie uns helfen zu helfen. Stationäres Kinder-Hospiz“ offiziell bestätigt worden. Ihre Spende kommt an – garantiert! Darüber freuen wir uns sehr – nicht nur, weil wir unser Konzept der ganzheitlichen Betreuung dadurch Spendenkonto gewürdigt sehen. Sondern auch, weil es unsere Arbeit honoriert: die Leistung unseres Teams, die Ziele, die es Ärztebank – Bank für Ärzte und Freie Berufe AG sich Woche für Woche neu steckt, die großen HerausIBAN: AT11 1813 0802 5454 0001 forderungen, die es dabei immer wieder bewältigt. BIC: BWFBATW1 Herausforderungen, denen wir uns auch in Zukunft SMS-Spende: +43 664 660 1001 stellen wollen – und dafür brauchen wir heute mehr oder ganz bequem online unter denn je auch Ihre Unterstützung: Es werden von www.sterntalerhof.at Jahr zu Jahr mehr Familien, um die wir uns kümmern müssen. Und eine öffentliche Finanzierung unserer ganzheitlichen Kinderhospiz-Arbeit ist nach wie vor nicht in Sicht.

Spenden hilft!

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WEITERBILDUNG AM STERNTALERHOF

Neuer Kurs gestartet!

SCHENKEN HILFT – Auch dank unseres Partners Auch in diesem Jahr unterstützt uns WinePlus wieder nach Kräften bei der logistischen Abwicklung unserer Sterntaler-Geschenkboxen – und sichert damit Freude: nicht nur beim Beschenkten, sondern auch bei „unseren“ Kindern und Familien, denen der Reinerlös dieser köstlichen Packerln zugute kommt. Dafür möchten wir uns sehr herzlich bedanken! Eine kleine Auswahl präsentieren wir Ihnen auf den Seiten 12 und 13, die Bestellung erfolgt einfach und bequem auf www.sterntalerhof.at/schenken

Die Öffentlichkeit sensibilisieren, Wissen vom Sterntalerhof nach außen tragen – das sind die Ziele unseres Weiterbildungsprogramms. Unser neuer Kurs „Ganzheitliche Kinderhospiz-Arbeit“ wendet sich an KindergartenPädagogInnen, LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, SeelsorgerInnen und andere Berufsgruppen, die mit schwerkranken Kindern und ihren Familien in Berührung kommen können. Im Fokus steht der Erwerb von Wissen zum Umgang mit schwerkranken Kindern – von generellen Bedürfnissen über das Leisten einfacher Hilfestellungen bis hin zum „System Familie“ im Spannungsfeld schwerer, kindlicher Erkrankungen. Der Kurs selbst ist nach modernsten didaktischen Standards entwickelt und beruht auf dem Prinzip des „Blended Learning“: Über eine interaktive Webplattform eignen sich die TeilnehmerInnen theoretisches Wissen an und lernen dabei selbstbestimmt, standortunabhängig und flexibel. Danach vertiefen zwei Praxistage am Sterntalerhof das erworbene Wissen anhand konkreter Fallbeispiele im praxisbezogenen Austausch mit ExpertInnen.

Wenn‘s draußen kalt ist, WÄRMT NICHTS SO GUT WIE EIN

Glühwein mit Früchten ZUTATEN

...UND SO WIRD ER ZUBEREITET:

2 Stück Äpfel 2 Stück Orangen einige Gewürznelken einige Mandeln einige Rosinen 1 Stange Zimt 1 L Rotwein ½ L Wasser nach Geschmack Rum

Die Äpfel und die geschälten Orangen in Stücke schneiden. Gewürznelken, Zimt und Mandeln in einem Topf mit dem Rotwein erhitzen. Etwa 10 bis 15 Minuten ziehen lassen – nicht kochen! Nach Geschmack Rum beigeben und das Getränk mit den Früchten in Gläser füllen.

 Jeden Monat ein neues Rezept erhalten? Abonnieren Sie unseren Newsletter: Online oder ganz einfach mit der Karte im Umschlag!

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Kinder

Die

Kämpfer

Wege finden, wo scheinbar keine sind: Die Geschichte von Annette und Mario – und ihren drei Kindern.

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Désirée spielt gerne Memory. Sprechen kann sie nicht, aber in Memory macht ihr keiner was vor. Sie weiß, wo die Karte mit der Eule liegt. Es ist die zweite Karte von rechts, in der untersten Reihe. Der Rollstuhl steht so, dass sie ihren Arm langsam zum Tisch bewegen kann. Dann streckt sie ihren Finger aus und tippt auf die Karte. Claudia macht’s spannend. Langsam hebt sie die Karte an, alle warten gespannt. Mit einer magischen Bewegung dreht sie die Karte um und – voilà, die Eule, Désirée hat gewonnen. Blitzschnell schießt die Freude in die großen Augen des elfjährigen Mädchens. Claudia lacht. Mario und Annette lachen auch. Es ist schon ihr dritter Sieg heute. Und jeder Sieg tut ihr gut. Seit sie drei Jahre alt ist, kämpft sie gegen Gangliosydose, eine seltene Stoffwechselkrankheit. Es ist ein Kampf gegen einen langsam fortschreitenden Verfall. Ein Kampf gegen Krämpfe und Lähmungen, gegen die verlorene Sprache, gegen starke Schmerzen. Ein Kampf, den sie auf verlorenem Posten kämpft. Und – ihr kleiner Bruder Justin kämpft denselben Kampf, er ist bereits ein Jahr alt, als die Krankheit bei Désirée diagnostiziert wird. OKTOBER 2012 An der Seite der beiden Kinder kämpfen ihre Eltern, Annette und Mario, gemeinsam mit ihrer gesunden älteren Schwester Katharina, sie ist fast schon eine junge Frau. Die Front der Familie ist der Alltag, die Behördengänge, die Krankenhausaufenthalte, die wachen Nächte – die unzähligen kleinen und großen Aufgaben mit zwei schwer kranken und immer kränker werdenden Kindern. Alle fünf sind sie gezeichnet und dennoch – sie wollen sich nicht kampflos ergeben. Der Blick aus ihren großen Augen entschädigt uns für alles, sagt Annette im Erstgespräch mit Claudia vom Sterntalerhof, wir sind so froh, dass wir sie haben. Am Rande der Erschöpfung macht sie sich immer noch Mut. Es werde geforscht, man müsse zuversichtlich sein, alles Menschenmögliche wolle sie für Désirée und Justin tun. Alles Menschenmögliche tut sie bereits. Umso erstaunter wirkt sie, als Claudia sie nach ihren ganz persönlichen Wünschen fragt. Sie selbst hat keine Wünsche.

„Das ist nicht ungewöhnlich“, sagt Claudia Ritter, Trauertherapeutin am Sterntalerhof. „Betroffene Eltern richten ihr ganzes Leben so stark auf ihre Kinder aus, dass sie sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse völlig vergessen.“ Für Annette bemüht sie ihren Vergleich aus dem Flugzeug: „Die Sicherheitsdurchsage im Flieger, sie mahnt die Erwachsenen, die Sauerstoffmasken zuerst sich selbst anzulegen – und dann erst den Kindern.“ Eine einfache Metapher für das System Familie, das nur dann funktionieren kann, wenn es auch den Eltern gut geht. In dieser ersten Woche am Sterntalerhof beginnt das Team, der Familie diese Sauerstoffmasken anzulegen. Es ist eine Woche des Kennenlernens. Menschen stellen sich auf Menschen ein – und auf Tiere. Désirée und Justin lernen die Pferde kennen. Katharina verbringt viel Zeit in der Kunsttherapie. Annette und Mario finden Raum für lange und tiefe Gespräche zu zweit. Es ist aber auch eine Woche kleiner Glücksmomente. Dass Désirée jedes Memory-Spiel gewinnt. Dass sie sogar ein Schlückchen Cola trinkt. Dass Justin hier fast durchschläft. Dass sich Mario beim herbstlichen Waldspaziergang seine durchfrorenen Hände wärmt – an den warmen Händen seiner kleinen Tochter, die Désirée, sie ist ein kleiner Backofen, großes Gelächter und wieder: diese blitzschnelle Freude in ihren Augen. „Kraft tanken“ nennt Claudia das. Kraft, die sie brauchen werden, alle fünf. APRIL 2014 Es ist Frühling, als die Familie eineinhalb Jahre später an den Sterntalerhof zurückkehrt. Die Verzweiflung ist mitgereist. Désirée kann nicht mehr Memory spielen – es sind Marios erste Worte, er sagt sie mit kippender Stimme. Auch das Schlückchen Cola wird nicht mehr möglich sein, eine Magensonde steht im Raum, eine weitere Operation. Die Krankheit zieht die Zange zu, macht den Kampf immer aussichtsloser. Dazu kommt der plötzliche Tod von Annettes Vater. Er hat der Trauer die Tür geöffnet, jetzt umgibt sie die Familie, wächst auf dem Nährboden eines unerwarteten Abschieds und wirft einen langen, dunklen Schatten voraus – auf das was bald sein könnte, mit Désirée und mit Justin. Und doch ist sie immer noch

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Kinder

Ein neuer Ort der Zuflucht: Désirée (mitte), Justin (rechts) und ihre Familie tanken Kraft am Sterntalerhof.

da, die Glut für den Kampf. Am liebsten würde sie alles aus sich herausschreien, sagt Annette zu Claudia. Ein Wunsch, den sie eigentlich nicht wörtlich meint. Dennoch ein Wunsch, den ihr Claudia erfüllen will. Zu zweit verlassen sie den Sterntalerhof an einem sonnigen Nachmittag und spazieren in den nahen Wald. Nur das Rauschen der Blätter in den Bäumen und der Gesang der Vögel untermalen die Gespräche der beiden Frauen. Auf einer kleinen Lichtung steht ein Hochstand für Jäger. Gemeinsam klettern sie hinauf. Hier und jetzt kannst du schreien, sagt Claudia zu Annette. Annette zögert einen kleinen Moment – dann beginnt sie. Zuerst noch verhalten, dann immer lauter. Sie schreit, sie brüllt in den Wald. Es sind Schreie des Zorns, Wutschreie einer Kämpferin. Tränen laufen ihr über die Wangen, dennoch bleibt ihre Stimme fest und kraftvoll. Minutenlang schreit sie einfach weiter. Und dann, irgendwann kippt ihre Stimme, Annette hält inne und – muss plötzlich lachen. Annette, die Kriegerin, die Macherin, die fern ihrer Heimat einen Wald zusammenschreit. Sie lacht über die Skurrilität der Situation, über sich selbst. Befreit hat sie das, wird sie später zu Claudia sagen, ein bisschen zumindest oder – für den Moment. Auch so kann „Kraft tanken“ aussehen, sagt die Trauertherapeutin. „Nicht immer wissen wir, welche Momente das sind und wie wir sie finden. Wichtig ist,

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dass wir einen Rahmen schaffen, in dem sie geschehen können.“ Nur dann kann sie die Familie stärken, Vorsätze schaffen – in einer Zeit, in der gute Vorsätze unmöglich erscheinen: Gemeinsam schöne Momente erleben. Nicht zurückblicken, sondern stärken, was da ist. Und bald wiederkommen. JÄNNER 2015 Der Winter ist mild in diesem Jahr. Der Boden auf dem Waldweg ist aufgeweicht und matschig, dennoch knirschen die Schritte, als hätte es geschneit. Die Familie ist an den Sterntalerhof zurückgekehrt, es ist der dritte Tag, an dem Mario und Annette mit Claudia einen Waldspaziergang unternehmen, während sich das Team am Hof um die beiden schwer kranken Kinder kümmert. Ohnmacht und Traurigkeit liegen in der Winterluft, die Ausweglosigkeit hat dem Kampf das Schwert genommen. Dass Désirée nur noch Wochen oder allenfalls Monate bleiben, ist eine der wenigen Antworten, die Mario und Annette haben. Es bleiben tausend Fragen. Wie es weitergehen soll, wenn das Weitergehen unvorstellbar scheint. Woher sie die Kraft nehmen sollen, für den Abschied von ihrer kleinen Tochter. Und die Kraft für Justin, der sie weiterhin brauchen wird, den sie in seinem Kampf nicht alleine lassen wollen.


UNBEKANNT UND UNHEILBAR: GANGLIOSYDOSE Eine „Laune der Natur“ nannte es ein Arzt. Dass gleich zwei der drei Kinder von Annette und Mario unter Gangliosydose leiden, gilt als weltweiter Einzelfall. Die Krankheit ist so selten, dass selbst die sonst allwissende Wikipedia nur einen kurzen englischsprachigen Artikel zu Tage fördert: knapp 30 Fälle sind international bekannt. Aufgrund eines Gendefekts erkranken die Nervenzellen, weil sie Fettsäuren nicht mehr richtig abbauen können, schwere Zellschäden sind die Folge. Betroffene verlieren nach und nach die Kontrolle über ihre Muskelfunktionen. Ihre Lebenserwartung ist stark verkürzt. Hinter einer kleinen Kurve ist der Waldweg unvermittelt zu Ende. Für wenige Minuten bleiben die drei stehen, in ihr schwieriges Gespräch vertieft. Dann sagt Annette, dass sie noch nicht umdrehen möchte. Gemeinsam gehen sie weiter, wo kein Waldweg mehr ist. Stapfen durch den Morast, bleiben an Ästen hängen, klettern über matschige Böschungen, bis sich hinter einer Gruppe dunkler Tannen plötzlich ein neuer Waldweg auftut. Claudia weiß, dass er zurück zum Sterntalerhof führt. Hier bleibt sie stehen, hält einen Moment inne, lässt ihren Blick schweifen, dem Kiesweg entlang. Mario und Annette sehen sie fragend an. Ob das jetzt hier nicht ein gutes Sinnbild sei, fragt sie die beiden. Der endende Waldweg und dass sie beide einfach weitergegangen seien. Der Matsch, der Dreck, der Sumpf, durch den sie gewatet sind, bis sie irgendwo einen neuen Weg gefunden haben. Die Kraft, die dafür nötig war, die Kraft, die sie beide aber immer wieder gefunden haben – in all den vergangenen Jahren. Die Kraft für den Kampf, der noch nicht zu Ende ist. Der auch nicht zu Ende sein wird, wenn Désirée ihren Kampf verloren hat. „Kraft tanken“. Es wird auch dann wieder möglich sein, am Sterntalerhof. Sie werden trauern. Sie werden weinen und reden und wieder in den Wald gehen. Und sie werden weiterkämpfen – für Justin.

Wie viele andere seltene Krankheiten ist auch Gangliosydose unvorhersehbar, unheilbar und kaum therapierbar. Nicht nur Angehörige, sondern auch Ärzte und Behörden stehen oft vor einem Rätsel: Es gibt wenige Daten über ihre Ursachen und Folgen, nicht nur aber auch, weil tendenziell wenig geforscht wird. Umso wichtiger ist es, den seltenen Krankheiten eine Plattform zu bieten, eine stärkere Allianz , deren Ziel es sein muss, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren. Dieses Ziel hat sich Pro Rare Austria gesetzt. Die Dachorganisation ist Sprachrohr für die vielfältigen Anliegen und gibt allen Betroffenen eine gemeinsame, kräftige Stimme. Pro Rare Austria vertritt die Interessen von Menschen mit seltenen Erkrankungen, indem sie Betroffene und ihre Selbsthilfeorganisationen vernetzt und ein Bewusstsein für das Thema seltene Erkrankungen schafft. Mehr Informationen finden Sie unter www.prorare-austria.org

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Streifzüge

Mein Leben,

der Tod Bestatter schaffen Zeit zum Trauern in der Zeit des Trauerns. Ein Gespräch mit David Kinelly.

David Kinelly hat wenig Zeit für mich. Zweimal verschiebt er kurzfristig den Termin für unser Gespräch. Und auch während wir reden, steht er zwischendurch auf und lässt mich fünfzehn Minuten allein. Trauernde Angehörige gehen vor. Immer. Und vor allem. David ist Bestatter, einer von über sechshundert in Österreich. Ein Beruf, über den ich wenig weiß, mit dem ich selbst noch nie zu tun hatte. Wie man denn Bestatter wird, will ich wissen. Die staatliche Prüfung zur Konzession, sie fällt nur in einem Nebensatz. Viel wichtiger ist David, dass er schon als Kind in den Betrieb hineinge-

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wachsen ist, ein Familienbetrieb, seit über vier Jahrzehnten. Im Jahr 2000 hat er ihn von seinem Vater übernommen und ihn seither sukzessive ausgebaut, neben dem Hauptsitz im südburgenländischen Markt Allhau betreibt er mit seiner Frau und deren Cousin insgesamt vier Zweigstellen in umliegenden Gemeinden. Ich erfahre, dass die Bestatter früher meist auch Tischler waren, was sich auf die Herstellung der Särge zurückführen lässt. Auch David ist noch gelernter Tischler, zimmert selbst aber nicht mehr. Die Zeiten haben sich geändert, Särge werden heute zugekauft. Das Berufsbild des Bestatters hat sich gewandelt, heute liegt der Fokus ganz auf der individuellen Betreuung der Hinterbliebenen. „Sie sind es, die sich in der Zeit des Trauerns befinden. Wir sind es, die dafür sorgen,


dass sie auch Zeit zum Trauern finden.“ definiert es David. Zu manchen Hinterbliebenen fährt er nach Hause, andere besuchen ihn im Büro. Vom ersten Moment an beginnt er dann, die Angehörigen organisatorisch zu entlasten. Von Urkunden, Ämtern und Behörden bis hin zu ersten Gesprächen mit dem Pfarrer trifft David alle notwendigen Vorkehrungen. Daneben versucht er zu erfahren, wer der Verstorbene war, wie er lebte, vielleicht was er besonders mochte und was nicht. „Jeder Sterbefall ist anders“, sagt er nachdenklich „wie auch jeder Mensch anders ist.“ Bestmöglich will er auf den Menschen selbst und auf die individuellen Wünsche der Hinterbliebenen eingehen. Das erfordert Feinsinnigkeit, Gespür und Erfahrung – aber auch technische Möglichkeiten: einen Plotter etwa, mit dem er Leinenbilder für die Aufbahrung herstellt, oder Grafikprogramme, mit denen er ganze Fotobücher herstellt, die den Tag des Abschieds für die Angehörigen festhalten. Ich bin überrascht. DIE DANKBARKEIT ALS LOHN Natürlich gebe es belastende Momente. David weicht nicht aus, als ich die Frage nach dem Tod als ständiger Begleiter im beruflichen Alltag stelle. Etwa, wenn es junge Menschen betreffe – oder gar Kinder. „Auch Bestatter sind nur Menschen, es ist wichtig, den Ausgleich zu finden.“ David findet diesen Ausgleich meist in der Familie und in seinen eigenen beiden Kindern. Manchmal aber auch in seinen Hobbies, wie etwa in der Musik oder in seiner Leidenschaft für Autos – wenn es die Zeit erlaubt. Denn mit der Zeit ist das so eine Sache für einen Bestatter. Sterbefälle kennen keinen Dienstplan. Und trauernde Angehörige gehen vor. Immer. Und vor allem. Rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr muss David bereit sein. So manchen Familienausflug musste er wieder abbrechen. Urlaub ist nur selten und selbst wenn, darf sich das Reiseziel nicht viel weiter als drei Autostunden von Zuhause befinden – damit er jederzeit rasch vor Ort ist, wenn sich Sterbefälle häufen. Dennoch spüre ich, dass David seinen Beruf sehr liebt. „Dieser Moment, wenn sich die Angehörigen am Schluss für unsere Arbeit bedanken“, sagt er stolz, dieser Moment sei etwas Wunderbares,

daraus schöpfe er seine Kraft. Und fügt hinzu, dass auch sein ältester Sohn bereits Interesse an Papas Beruf zu zeigen beginnt. Jetzt, wo wir uns schon ein bisschen besser kennen, gebe ich ihm gegenüber offen zu, dass ich von alldem keine Ahnung hatte. Nie ist mir ein Bestatter bislang begegnet, das „zum Glück“ schlucke ich hinunter. David lächelt – und mahnt mich auch ein bisschen. Es komme immer öfter vor, dass ihm Angehörige völlig unvorbereitet gegenüber stünden. „Dann herrscht oft Chaos inmitten der Trauer“, sagt er matt, „weil niemand weiß, was der Verstorbene wollte, wo sich Urkunden befinden oder – ganz profan: wer die hohen Begräbniskosten bezahlt.“ Das ließe sich leicht umgehen – indem man sich schon zu Lebzeiten mit diesen Themen beschäftigt. Sich vielleicht entsprechend versichert. Und vor allem: mit seinen Lieben darüber spricht. Nicht nur, weil der Bestatter sein Handwerk dann besser verrichten kann. David lächelt leise: „Sondern auch weil der Tod ganz einfach zum Leben gehört.“

Wenn Bestatter wie David Kinelly den trauernden Angehörigen alternative Möglichkeiten zum Trauerkranz aufzeigen, kommt es immer öfter vor, dass auch der Sterntalerhof von den Hinterbliebenen mit einer Kranzspende bedacht wird. Darüber freuen wir uns sehr und möchten uns ganz herzlich bedanken: bei den Hinterbliebenen wie auch bei den Bestattern aus ganz Österreich – im Namen all „unserer“ Familien und Kinder!

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Schenken hilft

Schöne

Bescherung Wie man mit einem Packerl gleich zweimal Freude schenkt. Wein aus Deutsch-Schützen, Kräuterkissen aus Willersdorf oder Blütenhonig aus Wien: jetzt sind sie wieder da, die Sterntaler-Geschenkboxen mit hochwertigen Produkten. Von den köstlichen Schoko-Sterntalern bis hin zur festlichen Weihnachtsbox – eins haben alle Packerln gemeinsam: sie bereiten Freude! Den beschenkten Freunden, der Familie, dem Geschäftspartner. Aber auch den Kindern, den Familien, den Tieren am Sterntalerhof. Weil alle Partner und Ausstatter dieser Geschenke auf ihren Gewinn verzichten! Eine kleine Auswahl haben wir hier zusammengestellt, das komplette Programm finden Sie unter sterntalerhof.at/schenken

STERNTALER Die köstlichen Schoko-Sterntaler aus der Confiserie Heindl in Wien, festlich verpackt in unserer Sterntaler-Geschenkbox. Schon ab sinnvollen 4,40 Euro (3 Stk.)

„FROHE WEIHNACHTEN“ Unser Festpaket mit Sterntaler-Biosirup von GreenSheep aus Wien, einem backfrischen Christstollen vom Meisterkonditor Kaplan aus Bad Tatzmannsdorf, einem Grüner Veltliner Brut von der Sektkellerei Szigeti aus Gols, einer Tafel Bergmilchschokolade von Zotter, zwei handgemachten Sterntaler-Weihnachtssternen und einer Sterntalerhof-Weihnachtskarte. Für sinnvolle 30 Euro. Achtung, Christkindl: Da der Christstollen backfrisch versandt wird, müssen wir ein bisschen planen – bitte bestellen Sie zwei Wochen im Voraus!

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SCHENKEN UND HELFEN? JETZT BEQUEM BESTELLEN UNTER: www.sterntalerhof.at/schenken

„KIND SEIN“ Unsere Box für Kinder enthält das Sterntalerhof-Kinderbuch “Du bist nicht allein” (ausgezeichnet mit dem Burgenländischen Buchpreis!), ein Sterntalerhof-Plüschpferdchen, drei Schoko-Sterntaler, und einen Wochenplaner. Für sinnvolle 24 Euro.

„DANKE SAGEN“ Ein Dankeschön für Genießer: eine Flasche Blaufränkisch Eisenberg DAC vom Weingut Kopfensteiner aus Deutsch Schützen, hausgemachte Spaghetti vom Landhof Werkovits, herrliches Paradeiserchutney von Stekovics, eine Tafel Zotter-Bergmilchschokolade und – die kleinste Sektflasche der Welt! Für sinnvolle 24 Euro.

„LANDAUF, LANDAB“ Unser traditionelles Jausenpackerl mit Vulcano Auersbacher Walnuss-Salami, Nuss-Schmalz von Hausensteiner, Bio-Kräutersalz und einer Flasche frischem Hofstettner-Märzen Bier. Dazu gibt’s köstlichen Nuss-Zwieback, ein Glas Wiener Blütenhonig und feine Kekse-Taler aus Bad Tatzmannsdorf – inkl. stilechtem Holzbrettl und original Trattenbacher Taschenfeitel. Für sinnvolle 30 Euro.

„WOHL FÜHLEN“

KOSTENLOSER VERSAND! Alle Preise der SterntalerGeschenkboxen verstehen sich inklusive Geschenkkarton und Versand innerhalb Österreichs und nach Deutschland. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich bei unseren Partnern DPD und WinePlus!

Unser Entspannungs-Packerl mit duftenden Kostbarkeiten aus dem Bio-Kräutergarten von Elke Piff in Willersdorf: ein Kräuterkissen, zwei Badesalze (Rose und Kräuter), ein Lavendelzauber im Glastiegel und ein Teelicht aus Bio-Bienenwachs inkl. original Sterntalerhof Zündholzschachterl! Für sinnvolle 24 Euro.

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Pferde

Royal, bitte

Schritt! Wie ein Sportpferd zum Therapiepferd wurde. Und warum sich das gelohnt hat. Es gibt Geheimnisse, die Raphael nur Royal anvertraut. Eine Handbewegung genügt und das Pferd senkt den Kopf auf die Höhe des Sechsjährigen. Vorsichtig beugt sich Raphael vor und flüstert Royal all jene Dinge ins Ohr, die er nur mit dem Pferd teilt. Die Handbewegung ist ein gelerntes Kommando. Schon, dass Raphael es gibt und das Pferd reagiert, stärkt sein Vertrauen zum Tier, stärkt den kleinen Raphael auf dem Weg zu sich selbst. Er kennt bereits viele dieser Kommandos. „Royal bitte Schritt“ – und das Pferd setzt sich in Bewegung. „Royal bitte halt“ und es bleibt stehen. Höfliche Kommandos, die dem Tier mit Respekt begegnen. Und Kommandos, die auch Royal erst lernen musste. AUF ZU NEUEN UFERN Eigentlich ist Daniela Schadens achtjähriger Wallach Royal Highness ein Sportpferd, das im Winter trainiert, um im Sommer an

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Turnieren teilzunehmen. Nach wenigen Wochen am Sterntalerhof fällt Daniela auf, wie Royal beginnt, die Stimmung aufzunehmen. Auf Kinder hat er mit seiner unbeschwerten Neugier eine fast magische Anziehungskraft, aber auch im Team kommt die Frage auf, ob das Sportpferd Royal nicht auch ein gutes Therapiepferd wäre. „In Fachkreisen ist das ein umstrittener Ansatz“, lächelt Daniela, Pferdewirtin am Sterntalerhof „das hat mich erst recht angespornt, es zu versuchen.“ An Royals Seite beschreitet sie einen neuen Weg, eine lange Ausbildung, die Daniela und ihr Pferd zur therapeutischen Bodenarbeit brachte – und schließlich zum heilpädagogischen Voltigieren. Das Pferd wertet nicht, es akzeptiert den Menschen wie er oder sie ist. „Dieser einfachen Wahrheit liegt ein großer Teil des Erfolgs zugrunde, den man mit Therapiepferden erzielen kann“, sagt Daniela. Die therapeutische Arbeit selbst stellt jedoch hohe Anforderungen an ein Pferd: neutral muss es sein, zuverlässig und stets bemüht. Royal bringt viele dieser Werte mit – auch von Sportpferden wird ein ausgeglichenes und kooperatives Wesen verlangt. Dennoch muss er viel Neues lernen. Kleine Kinder sind unberechenbarer als erfahrene Reiter. Klappernde Blechbüchsen, flatternde Kleider und andere Utensilien, die in den therapeutischen Fantasiegeschichten rund um das Pferd zum Einsatz kommen, müssen ihm ebenso gut bekannt sein wie Kinderlärm oder plötzliche Unruhe. Und dann sind da noch die zahlreichen freundlichen Kommandos, die irgendwann vom Kind selbst kommen werden und nicht mehr nur von Daniela. „Darüber hinaus sind wir als Besitzer auch die Fitnesstrainer unserer Pferde“, erzählt sie weiter: Auch Royals Rückenmuskulatur will für neue Aufgaben gestärkt werden. An Trainingstagen steht aber immer auch „Ausgleichsarbeit“ am Programm: Dann soll das Pferd den Kopf frei kriegen, einfach mal übermütig auf der Koppel galoppieren und das Leben genießen. „Denn nur wenn es Royal wirklich gut geht“, lächelt Daniela, „kann er die hohen Erwartungen erfüllen, die wir an ein Therapiepferd stellen“. VIELE BUNTE WÄSCHEKLAMMERN „Royal bitte Schritt.“ Raphaels Worte klingen schon etwas kräftiger, nur wer genau hinhört, spürt seine

innere Anspannung. An allen möglichen Stellen des Pferds hat Daniela Wäscheklammern angebracht, jede hat eine andere Farbe. Raphael musste dabei seine Augen schließen. Jetzt hat er sie geöffnet und Royal setzt sich in Bewegung. Noch etwas unsicher sitzt der Sechsjährige auf dem Rücken des mächtigen Pferds. „Als Erste hätt ich gern die Blaue“, sagt Daniela. Raphaels Augen beginnen, den Pferdekörper abzusuchen. Wo ist die blaue Wäscheklammer? Da, am Gurt, direkt vor ihm. Jetzt die gelbe, sie ist schon etwas besser versteckt. Und die grüne, die erreicht er nicht. Nicht, während das Pferd geht, sich bewegt, alles schaukelt. „Royal bitte Halt.“ Das Pferd bleibt stehen. Langsam beugt sich Raphael vor, immer weiter, hält sich fest, sackt wieder zurück. Royal steht ruhig und atmet tief. Noch ein Versuch, jetzt mit beiden Händen – das bedeutet loslassen, langsam loslassen, sich weit vorbeugen und – geschafft! Wie einen Pokal hält Raphael

Spielerisch zu mehr Selbstvertrauen: Daniela Schaden mit Royal, dem Therapiepferd.

die grüne Wäscheklammer in die Höhe. Geschafft, das scheinbar Unschaffbare. Aus Vorsicht wird Zuversicht. Aus Vertrauen erwächst Mut, Mut zu mehr Selbst-Vertrauen. Danke, Royal, Feuertaufe bestanden. Raphael und Daniela mischen eine leckere Belohnung aus Hafer, Ölsaaten und Mineralien. Bis das letzte Körnchen aufgeschleckt ist, bleibt das Kind neben dem Pferd stehen. Dann erst bittet Raphael ein letztes Mal an diesem Tag um Royals Ohr. Nur noch ein kleines Geheimnis, von Kind zu Tier. Aus dem Sportpferd ist ein Co-Therapeut geworden.

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Gesundheit

Nikos‘ Planet Christina Holper ist Fragenstellerin, Zuhörerin, Vermittlerin. Und Kinderpsychologin am Sterntalerhof. Die bösen Bakterien. Sie sind an allem Schuld. An den Schmerzen. An der Traurigkeit von Mama und Papa. An dem langen Schlaf, in dem er war, bevor er hierher kam, an den Sterntalerhof. Nikos sitzt im grünen Zimmer bei Christina Holper. Nach vier schweren Herzoperationen bleiben ihm jetzt nur noch Monate. Er ist elf Jahre alt. Schon gestern hat er mit Christina über die bösen Bakterien gesprochen, und über die vier Operationen. Er hat sich Farben ausgesucht, rot für das Glücklichsein, schwarz für die Traurigkeit, gelb für die Angst. Damit hat er dann eine vorgegebenen Menschenskizze bemalt, seinen eigenen Körper farblich gespiegelt. Die Brust rund um sein Herz bekam ganz viel schwarz für die Traurigkeit. Und all die Narben von den Operationen am Hals, am ganzen Oberkörper, sie bekamen ängstliche, gelbe Markierungen. Präzise Markierungen, exakt in der Skizze platziert. Christina leitet Nikos durch die Stunde und hinterfragt behutsam, was sie sieht. Wo steht das Kind – mit seiner Vorstellung von sich, von seiner Krankheit? Wieviel ist von der Traurigkeit da, wieviel noch vom Glück? Ist ihm bewusst, dass ihm

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Der Sterntaler | Winter 2015/16

kein Ausweg bleibt? Wovor hat Nikos Angst? Und was braucht er jetzt? Helfen ist zuhören, schwierige Fragen stellen, da sein. WAS DENN DANACH KOMMT Nikos spricht gerne mit Christina. Er liebt auch die Pferde am Sterntalerhof und die anderen Tiere. Aber hier bei Christina, in dem grünen Zimmer gegenüber der Küche, gehört die Stunde ihm ganz allein. Er kann Christina von den Dingen erzählen, die er liebt. Von Zügen zum Beispiel. Oder davon, dass er am liebsten Ribiseln mag und Zitronensaft. Er kann wütend werden auf die bösen Bakterien. Und er kann mit ihr über Dinge sprechen, mit denen er Mama und Papa nicht belasten will – über den Tod, oder wie er es nennt: über „schwere Themen“. Über diese schweren Themen will er heute sprechen. Er sitzt auf der Couch, gestützt von Polstern, schwer atmend. Nein, er hat keine Angst vor dem Tod. Wohl aber vor „der Zeit davor“. Vor den Schmerzen. Christina hat sich vorbereitet, hat kurz zuvor von Kunsttherapeutin Susanne erfahren, dass er bei ihr ein Haus


„Kinder trauern bunter, die Fantasie ist eine ihrer ganz großen Ressourcen“, sagt Mag.a Christina Holper. Als erfahrene Psychologin und Pädagogin mit Einfühlungsvermögen bereichert sie das Team am Sterntalerhof seit über zehn Jahren. Kinder wie Eltern entlasten, das ist auch ihr wichtigstes Ziel. Dabei ist sie aber auch Übersetzerin und Sprachrohr – für die Bedürfnisse, Ängste und Wünsche der Kinder.

gezeichnet hat, sein Haus, in dem er mit Mama und Papa und seinen Geschwisterchen lebt. Hier wird sie einhaken. Christina reicht ihm einen Bogen Papier und ein paar Stifte. Und dann – malt Nikos seine Welt nach dem Tod. Einen großen Kreis, der in akribischer Detailarbeit langsam zu einem Planeten wird. Zu seinem Planeten. Zuerst zeichnet er die Berge. Dann entsteht eine Landschaft, fein skizziert und voller Details. Hunde und Katzen leben darin und Hühner mit kleinen Küken. Dazwischen immer wieder Ribiselstauden und Zitronenbäume. Dann kommen die Züge. Sie fahren durch die Landschaft, an den Bergen vorbei, durch Tunnels. Nikos verliert sich ganz in seiner Arbeit, obwohl sie ihm körperlich schwer fällt. Nichts überlässt er dem Zufall, jedes Detail auf seinem Planeten hat seinen festen Platz. Die Stunde naht ihrem Ende, aber Christina will dran bleiben, kommt da noch mehr, das Kind braucht noch Zeit, sie wird sie sich nehmen. Jetzt zeichnet Nikos das Haus. Genau wie vorher bei Susanne, das Haus, in dem er lebt, mit Mama und Papa und seinen Geschwisterchen. Es steht an der Bahnstrecke, wo die Züge fahren,

umgeben von Ribiselstauden und Zitronenbäumen. Und dann, zuallerletzt – zeichnet Nikos ein Stoppschild. Für die bösen Bakterien. Als Christina das Bild später mit seinen Eltern bespricht, nimmt sie die Funktion eines Sprachrohrs ein. Dann ist sie Vermittlerin und Übersetzerin, für all die Ängste und Wünsche und Bedürfnisse eines Elfjährigen. Aber auch die Eltern selbst will sie stützen. Was brauchen sie? Wie geht es ihnen mit der bitteren Gewissheit, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Was ist es, das Christina ihnen sagen kann – zu Nikos‘ schweren Themen? Auch hier ist Helfen wieder zuhören, schwierige Fragen stellen, da sein. Um dann die Familie als Ganzes zu stabilisieren und auf das vorzubereiten, was kommt. Denn es kommt – unweigerlich. Noch während diese Geschichte niedergeschrieben wird, tritt Nikos die Reise zu seinem Planeten an. Er wohnt jetzt in dem Haus neben den Zügen, bei den Ribiselstauden und den Zitronenbäumen. Seine Angst vor „der Zeit davor“ war unbegründet. Und was die bösen Bakterien anbelangt – sie haben auf seinem Planeten keinen Zutritt mehr.

www.sterntalerhof.at

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Menschen

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Fragen

an Dr. Ulrike Habeler, MBA, MSc – Konsiliarärztin am Sterntalerhof WIE VERSTEHEN SIE IHRE ROLLE ALS KONSILIARÄRZTIN FÜR DEN STERNTALERHOF? Als Ärztin liebe ich ein interdisziplinäres Arbeitsumfeld, in dem der Patient immer im Mittelpunkt steht. Am Sterntalerhof steht der Patient mit seinen Angehörigen im Zentrum. Und wir alle, ob Organisationsteam, ÄrztInnen, TherapeutInnen, PädagogInnen, PsychologInnen, Seelsorger, Sozialarbeiterin, Pferdewirtschaftsfacharbeiterin, Moki-Burgenland und die ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen – wir alle arbeiten auf Augenhöhe zusammen: zum Wohl der Patienten und deren Angehörigen. Somit sehe ich mich als Teammitglied, das gerne seinen Beitrag leistet – zum Wohlergehen von Kindern, deren Morgen in den Sternen steht. AUS IHRER SICHT ALS ÄRZTIN – WELCHE BEDEUTUNG HAT DER STERNTALERHOF HEUTE IN ÖSTERREICH? Als Mitarbeiterin des St. Anna Kinderspitals sowie als Aufsichtsrat in der Ronald McDonald Kinderhilfe war es mein größtes Anliegen, nicht nur den Patienten ganzheitlich zu betreuen – sondern auch sein familiäres Umfeld mit all seinen Bedürfnissen, Sorgen, Ängsten und Nöten zu begleiten und zu unterstützen. Der Sterntalerhof hat diese Aufgabe außerhalb einer klinischen Betreuungseinrichtung übernommen, er ist ein „Brückenbauer in den Alltag“ und in Österreich oder besser: in Europa nicht mehr wegzudenken.

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Der Sterntaler | Winter 2015/16

WIE DEFINIEREN SIE „GLÜCK“? Das Glück liegt für mich nicht nur auf dem Rücken der Pferde, wie es täglich am Sterntalerhof erlebbar ist – sondern auch in den Momenten, in denen es mir gelungen ist, meine Mitmenschen glücklich zu machen. WIE GEHEN SIE MIT DEN TRAURIGEN MOMENTEN IHRER ARBEIT UM? Als Ärztin habe ich schon viele traurige Stunden erlebt. Im Team jedoch darf auch die eigene Traurigkeit gezeigt werden – und aus gegenseitiger Wertschätzung erwachsen dann Stärke und Mut zum gemeinsamen Weitergehen. FÜR WELCHES THEMA MÖCHTEN SIE UNSERE GESELLSCHAFT STÄRKER SENSIBILISIEREN? Für die zwei Randgruppen: Jung und Alt, ob gesund oder krank. Für die Jungen, die in den Augen unserer Leistungsgesellschaft noch nichts leisten. Und für die Hochaltrigen, die in den Augen unserer Leistungsgesellschaft nichts mehr leisten.

„Der Sterntalerhof ist ein Brückenbauer in den Alltag.“ Konsiliarärztin Dr. Ulrike Habeler


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