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Pflege
Der Pfleger kommt um sieben Uhr morgens. Um diese Zeit ist Günter M. meistens schon eine Stunde wach. Pfleger Tobias muss ihn nicht wecken. M. wäre gerne aufgestanden und auf Toilette gegangen. Aber seit einem Schlaganfall im letzten Jahr ist sein Gang unsicher und er fürchtet an der Schwelle zum Badezimmer zu stürzen. M. ist 82 Jahre alt und auf Hilfe angewiesen. Seit dem Tod seiner Frau lebt er allein und möchte in seiner Wohnung bleiben: „Meine Möbel, meine Bücher, so viele Kleinigkeiten, die mir wichtig sind, das hätte in einem Zimmer im Heim keinen Platz.“
Über die KFW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau) können Kredite oder Zuschüsse zu senioren- und behindertengerechten Umbauten in Häusern und Wohnungen beantragt werden. Zum Beispiel rollstuhlgerechte Übergänge zwischen den Zimmern, Verbreiterung von Türen, Einbau einer barrierefreien Dusche. Die Anträge müssen vor Beginn der Umbaumaßnahmen gestellt und genehmigt werden. In Mietwohnungen muss der Hausherr dem Umbau zustimmen. (www.kfw.de). Auch bei der Krankenkasse kann ein Antrag auf Zuschuss zu Umbaumaßnahmen gestellt werden. Diese Leistung beträgt bis zu 4.000 Euro.
sensor 09/20
Tobias ist Teil des Pflegeteams, das M. täglich zweimal besucht. Am Morgen zum Aufstehen, Toilettengang, Hilfe beim Waschen, Rasieren und Anziehen. Am Abend alles in umgekehrter Reihenfolge. An guten Tagen kann sich M. in seiner Wohnung mithilfe seines Rollators recht gut alleine bewegen. Den hat seine Hausärztin verordnet und die Krankenkasse hat die Kosten, bis auf den Eigenanteil von 10 Euro, übernommen. An schlechten Tagen braucht er aber einen Rollstuhl. Auch den hat er auf Verordnung leihweise erhalten. Seine Einstufung in Pflegegrad 3 erfolgte nach dem Besuch einer Mitarbeiterin vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MKD).
„Fünf Pflegegrade dienen in Deutschland zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit. Einer Person, die auf Unterstützung zur Bewältigung des Alltags angewiesen ist, wird je nach dem Umfang ihrer Pflegebedürftigkeit ein Pflegegrad zuerkannt. Ein Pflegegrad gewährt Anspruch auf Leistungen aus der Pflegekasse. Hierzu muss der Antrag bei der Pflegeversicherung gestellt stellen.“ (www.pflege.de) Unter „pflege.de“ kann durch den „Pflegegrad-Rechner“ das persönliche Ergebnis einer Begutachtung durch den MKD im Voraus abgeschätzt werden.
Sektion Schnabeltasse Der Wunsch der meisten Senioren ist es, zuhause zu leben, auch bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Und am Ende auch daheim sterben zu dürfen.
Was kann die Familie leisten? M.s Tochter ist berufstätig und lebt mit ihrer Familie 60 km entfernt. Nach Klinik- und Reha-Aufenthalt ihres Vaters konnte sie zehn Tage eine berufliche Auszeit nehmen, um sich um ihn zu kümmern und gemeinsam mit ihm seinen künftigen Alltag zu organisieren. Für diese Zeit hatte sie Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Zehn Tage sind nicht viel: Informationen mussten eingeholt werden, Anträge gestellt, reichlich Papierkram war zu bewerkstelligen. Nun kommt sie mindestens einmal die Woche, um „zu erledigen, was sonst liegen bleibt“. M.s Tagesablauf konnte mithilfe der Beratung fürs Erste zu seiner Zufriedenheit geregelt werden. Es ist nun eine Kombination von professioneller Pflege und privater Versorgung. Täglich gegen acht
kommt auch M‘s Nichte, die in Mainz studiert, und bereitet für den Onkel das Frühstück, denn die rechte Hand zeigt Lähmungserscheinungen. Nach dem Frühstück setzt er sich in seinen Sessel im Wohnzimmer. „Radio oder Fernsehen? Oder doch lieber ein Buch?“ Bei schönem Wetter hilft ihm seine Nichte auf den Balkon. „Da sieht man, was draußen vor sich geht.“
Im Falle von M. können 1.298 Euro Pflegesachleistung bzw. 545 Euro Pflegegeld abgerechnet werden. Der Pflegedienst kann also bis zu 1.298 Euro / Monat abrechnen. Ein eventuell verbleibender Rest könnte für die Hilfe durch seine Nichte verwendet werden.