60 60
EDITORIAL „Dieser Skolast ist der letzte, den das Büro herausbringt!“ Neben Statutenänderungen, Grundsatzdiskussionen, Auflösungsanträgen und Austrittsdrohungen gehört dieser Satz zu den Klassikern der sh.asus-Geschichte, die sich in bestimmten Aspekten und in unbestimmten Abständen zu wiederholen scheint. So ist auch die vorliegende „Jubiläumsnummer“ keineswegs die erste dieser Art – gab es doch bereits zum 10., 30., 50. und zum 55. eine jeweils „runde“ Ausgabe des traditionell unregelmäßig erscheinenden Skolasten. Dennoch fördert die vorliegende Ausgabe „60:60“ nicht nur alte Geschichten zutage, sondern sie gibt auch einige Blicke frei auf das, was kommen mag; wobei: auch alte Geschichten werden immer wieder neu, wenn sie einem neuen Publikum erzählt werden. In diesem Sinne möge auch dieser Skolast genügend Fahrt aufnehmen, um zahlreiche alte und neue Leserinnen und Leser zu erreichen. Und möge sich abermals bewahrheiten, womit der fahrende Skolast bereits in den 1960er Jahren für sich selbst warb – nämlich: „dass jeder Millionste Erdenbürger den Skolast lesen würde“.
ImPREssum skolast nummer/o 1 - 61. Jahrgang 2016 Zeitschrift der Südtiroler HochschülerInnenschaft (sh.asus) rivista dell‘associazione universitaria sudtirolese Kapuzinergasse 2A via dei cappuccini - Bozen Bolzano - 0471 974614 - www.asus.sh - bz@asus.sh Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes / direttore responsabile - Günther Pallaver Redaktion / redazione - Martin Fink, Stephan Illmer, Michaela Rizzolli, Andrej Werth Layout / grafica - Verena Massl Druck / stampa - Athesia Druck Bz
Eintragung beim Landesgericht Bozen / registrato presso il tribunale di Bolzano Erlass vom 18.06.1956 - Auflage / tiratura 1.000
60 60
Inhaltsverzeichnis „Jetzt müssen wir die Messer wetzen!“ S. 8 Leo Hillebrand
`68: Südtirol in Bewegung S. 14
Birgit Eschgfäller
Studientagung 1969 S. 22 Gerhard Mumelter
Gegen den Strom schwimmen S. 26 Reinhold Marsoner
Oskar Peterlini über das Verhältnis JG/SH S. 32 Martin Fink, Stephan Illmer
Manuel Raffin über das Verhältnis JG/SH S. 38 Martin Fink
Günther Pallaver im Gespräch S. 40 Martin Fink, Stephan Illmer
Jes, we can? S. 47 Martin Fink
Kriegsdienstverweigerung: S. 50 Ein unbequemes Grundrecht Thomas Benedikter
Aktion Frosch S. 54 Norbert Dall’O
Wie das –Innen zur S. 60 Hochschülerschaft kam… Martha Verdorfer
Der Umweg ist das Ziel S. 68 Hans Karl Peterlini
Brav, Braver, am … S. 88 Anita Rossi
SH Bologna S. 92 Ricardo Luis Henville
Links, zwei, drei. Rechts, zwei, drei… S. 94 Julian Irschara
Gesellschaftspolitisches Engagement S. 96 Diego Poggio
Übergangsjahre S. 102 Verena Frei
Bildungsförderung ist Investition S. 106 in die Zukunft! Rolanda Tschugguel
SH.asus – 60 Jahre Vordenkerrolle S. 112 Fabian Frener
SH.asus – 60 Jahre Querdenken S. 114 Philipp Achammer
Die Zukunft der universitären Bildung S. 116 im 21. Jahrhundert Karlheinz Töchterle
Fundstücke aus 61 Jahren SH S. 122 Martin Fink
Autor/innen dieser Ausgabe 1 Leo Hillebrand,
Jahrgang 1964, lebt in Prissian und Bozen. Lehrer am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium
in Bozen. Zahlreiche Publikationen zu den Bereichen Medien- und Vereinsgeschichte.
2 Birgit Eschgfäller,
Lehrtätigkeit am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium Meran im Fachbereich
Humanwissenschaften und Philosophie, derzeit Ausbildung zur Gestaltberaterin an der
Gestaltakademie Bozen, Studium in Salzburg von 2005-2010 (Lehramt Psychologie,
Philosophie und Geschichte); Diplomarbeit in Geschichte: Südtirol in Bewegung:
die 68er, Analyse der unterschiedlichen Facetten des kulturellen und gesellschaftlichen
Aufbruchs der 60er und 70er Jahre im internationalen Kontext (2010).
3 Gerhard Mumelter
war 1969-70 Kulturreferent der SH. Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender der
Südtiroler Autorenvereinigung. Gründungsmitglied der Arge/Kunst-Museumgalerie und
anderer Kulturinitiativen. Herausgeber zweier Anthologien Südtiroler Literatur
und des Buches „Feuernacht“ - Südtirols Bombenjahre (mit E. Baumgartner u.
Hans Mayr.) Autor eines Buches über die Hutterer. Stellvertretender Chefredakteur
beim Sender Bozen der RAI. GM arbeitete 15 Jahre als Italienkorrespondent deutsch-
sprachiger Medien in Rom (Standard, Süddeutsche, ORF, Deutsche Welle u.a.)
4 Reinhold Marsoner,
Jahrgang 1952, von 1974 bis 1976 im Vorstand der Innsbrucker SH, studierte BWL, war
15 Jahre lang leitender Redakteur der „Dolomiten“ bzw. „Zett“ und dann 25 Jahre lang
Direktor der Messe Bozen.
8 Martin Fink,
landete über die SH Innsbruck im Bozner Büro. Dank gelegentlicher Abstecher ins
SH-Archiv und (erfolgloser) Aufräumversuche desselben entwickelte er sich zum
profunden Kenner der Vereinsgeschichte.
9 Thomas Benedikter, Mitbegründer und Leiter der „Südtiroler Kriegsdienstverweigerer“, 1983/84 mit Eduard
Demetz erster Zivildiener bei der SH in Bozen.
10 Norbert Dall’Ò,
Jahrgang 1957 aus Lana, war 1981-1982 Verbindungsmann der SH in Wien, wo er
Soziologie studierte. Heute schreibt er als Chefreporter für ff-Das Südtiroler Wochen-
magazin und lebt in St. Lorenzen.
11 Martha Verdorfer,
aktives SH Mitglied während der gesamten Zeit des Studiums in Innsbruck von 1981
bis 1989, in dieser Zeit auch für einige Jahre in der Redaktion des skolast und natürlich
auch Mitglied der SH-Frauengruppe in Innsbruck. Als Nicht-mehr-Studentin punktuelle
Zusammenarbeit mit der SH/ASUS bzw. dem skolast zu meist zeithistorischen Themen.
12 Hans Karl Peterlini,
langjähriger Journalist und Chefredakteur Südtiroler Medien („ff“, „südtirol profil“,
„südtirol 24h“), hat sich in zahlreichen Publikationen intensiv mit der Südtiroler Zeit-
geschichte und u.a. mit der Geschichte der Südtiroler Universitätsdebatte befasst, siehe
die Herausgabe des Bandes „Universitas est“, an den sich auch dieser Beitrag anlehnt.
13 Anita Rossi
war 1995-1996 im sh.asus-Büro hauptamtlich angestellt. Heute ist sie freischaffende
Journalistin, arbeitet vorwiegend im Radio- und Fernsehbereich.
14 Ricardo Luis Henville,
26 anni, laureato in Studi Internazionali ,è stato all‘asus Bologna dal 2010 al 2013.
15 Verena Frei,
arbeitete von 2004 bis 2013 im SH-Büro und kümmerte sich als Geschäftsführerin um
die Finanzen und Außenstellen des Vereins. Heute leitet sie das Büro der Südtiroler
Grünen.
16 Diego Poggio
war 2005 als SH-Umweltaktivist in der Frizzi Au. Der studierte Philosoph war haupt-
amtlicher Mitarbeiter der SH und Gründungsmitglied der Umweltgruppe Bozen. Er ist
Oberschullehrer für Philosophie und Geschichte.
17 Julian Irschara,
geb. 1993, studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität
Wien und bekleidet seit März 2016 das Amt des Vorsitzenden der dortigen SH-Außenstelle.
18 Rolanda Tschugguel
stammt aus Bozen. Sie hat nach der Handelsoberschule Erziehungswissenschaften in
Kombination mit Psychologie und Völkerkunde in Wien studiert. Nach ihrer Rückkehr
nach Bozen begann sie ihre berufliche Karriere als Studienberaterin bei der sh.asus.
Heute leitet sie geschäftsführend die Landesabteilung Bildungsförderung.
„JETzT müssEn wIR DIE mEssER wETzEn!“ Die sh in der heißen Phase der südtirol-Politik In den Jahren vor 1960 wurde das „Los
Gschnitzer im Rahmen der Studientitel-
von Trient“ zur offiziellen Maxime der
verhandlungen die SH-Vertreter Franz von
Südtiroler Volkspartei. Daneben erhielten
Walther und Richard Thurner unvermittelt
politische Zirkel Auftrieb, die mit der Rea-
auf, als Studentenvertreter eine illega-
lisierung einer Landesautonomie nicht zu-
le Organisation im Sinne des Südtiroler
frieden waren, sondern einzig in der Loslö-
Freiheitskampfes zu bilden. Die verdutz-
sung von Italien ein sinnvolles politisches
ten Bozner zogen sich mit Hinweis auf
Ziel erkannten. Ihre Strategien implizierten
die unwägbaren Risiken aus der Affäre.1
auch die Anwendung von Gewalt. Logische Ansprechpartner für diese Kreise, etwa
Am deutlichsten vernehmbar war das
was die Planung und Durchführung von
politische Rumoren in der nach dem
Attentaten anbelangte, waren in erster Li-
Studientitelabkommen rasch wachsen-
nie junge Männer. Innerhalb der Südtiroler
den Südtiroler Hochschulenklave Inns-
Hochschülerschaft setzte man sich nicht
bruck. Bereits im Oktober 1956 stellte
nur aus diesem Grund früh mit der Thema-
Skolast-Schriftleiter
tik auseinander. Zum ersten Mal gewisser-
gegenüber Richard Thurner fest, die SH
maßen offiziell konfrontiert sah sich die
werde sich wohl oder übel auf eine Ra-
SH-Spitze mit Radikalisierungstendenzen
dikalisierung der Südtirol-Politik ein-
im Rahmen der Studientitelverhandlun-
stellen müssen und folgerte: „Die Zu-
gen im April 1956 in Wien. Dort war nach
sammensetzung des neuen Vorstandes
Abschluss des Staatsvertrages auch in Sa-
wird ziemlich wichtig sein. Es wird viel-
chen Südtirol-Politik einiges in Bewegung
leicht nächstes Jahr nicht ganz leicht
geraten. So forderte Staatssekretär Franz
sein, die Leute zusammenzuhalten.“2
1 2
8
Interview Franz von Walther, 3.12.2010, Bozen. Rainer Seberich an Richard Thurner, 23.10.1956, in: Privatarchiv Rainer Seberich, S. 4.
Rainer
Seberich
Nordtirol entwickelte sich in der zwei-
reich sein konnten, bestätigt Franz von
ten Hälfte der 50er-Jahre beim Versuch,
Walther. Im Rahmen eines Vortrages von
SH-Mitglieder in die Front des „Befreiungs-
Franz Gschnitzer hätten Teile der Zuhörer
ausschusses für Südtirol“ (BAS) zu integ-
in Anspielung auf das Verhältnis Südtirols
rieren, eindeutig zum Hauptexerzierfeld.
zu Österreich plötzlich „Zypern, Zypern“
Wilfried Wörndle erinnert sich an die ein-
skandiert – auf der Mittelmeerinsel hatte
schlägige Vortragstätigkeit der BAS-Sym-
Erzbischof Makarios eben den Anschluss
pathisanten. Einmal habe ein Referent im
an Griechenland verlangt.4 Er habe dem
Innsbrucker
ebenfalls
Bauernbund-
wesenden,
saal bei den
des Deutschen
anwesenden
nur
SH-Vorstän-
s c h r ä n k t
den deutliche
mächtigen
Verstimmung
Sohn des Alto
ausgelöst,
Adige-Heraus
als
die
gebers Servilio
Südtiroler
Cavazzani,
Studenten
Albino,
ohne
Um-
„ g e m ä ß i g t e“
schweife auf-
V a r i a n t e
forderte, die
des Gschnitzer-
„Gefährdung
Vortrages
er
an-
einge-
eine
des Deutschtums in Südtirol“ systematisch
vermittelt, um einen Hetzartikel im itali-
mit Zahlenmaterial zu dokumentieren. Im
enischen Blatt zu verhindern.5 Eine Rolle
Rahmen eines weiteren Vortrags im „Mond-
bei der versuchten Indoktrination der SH
schein“ versuchte das rührige BAS-Mitglied
und ihrer Mitglieder spielten auch die Ver-
Otto Molden die anwesenden Südtiroler
anstaltungen des „Europäischen Forums
mit der Frage anzustacheln, ob sie nicht
Alpach“, zu denen im Sommer regelmäßig
der Auffassung seien, die Mehrheitsver-
Südtiroler Studenten eingeladen wurden.
hältnisse in Bezug auf die Sprachgruppen
Paul Stacul war zusammen mit Max Liebl
in Südtirol würden sich binnen 30 Jahren
1955 bei einem Vortrag von Otto Molden
umdrehen. Wörndle trat dieser Auffassung
zugegen, wo dieser ganz offen die These
mit dem Verweis auf die 1945 wieder ein-
aufstellte, erst ab einer Zahl von mindes-
geführte deutsche Schule entgegen, die
tens zehn Toten würde die internationa-
Garant für die Stabilität der Sprachgrup-
le Resonanz entsprechend sein, um die
pe sei. Dass Bestrebungen, die Südtiroler
Südtirol-Frage vor die UNO zu bringen.6
3
Studenten aufzuwiegeln, durchaus erfolg-
3 4 5 6 7
Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. Vgl. Zypern als Vorbild, in: Dolomiten, 8.8.2011, S. 6. Interview Franz von Walther, 3.12.2010, Bozen. Interview Paul Stacul, 15.11.2010, Bozen. Quelle: Günter Regensberger.
9
Kontroverse Positionen Obwohl mit dem liberalen, bis 1957 am-
Der Übergang 1957/1958 bildete in
tierenden Vorstand die Zeichen klar gegen
dieser
eine Radikalisierung standen, regten sich
eine Zäsur: Im Dezember schieden von
im Verein Gegenstimmen. Während der
Walther und Seberich aus dem Vorstand
Vollversammlung im Dezember 1956 gab
aus, mithin jene Exponenten, die sich
es eine kontroverse Debatte zur Linie in
einer Radikalisierung am konsequentesten
der Südtirol-Frage.8 Es gab bereits zu die-
entgegengestellt hatten. Speziell von
sem Zeitpunkt eine erhebliche Zahl an Mit-
Walther,
Hinsicht
der
auch
über
vereinsintern
seine
Verwandt-
gliedern, wel-
schaft,
etwa
che die Linie
dem
SVP-
des
Politiker
Vorstan-
und
des nicht teil-
Anwalt Roland
ten und von
Riz, über In-
der
formationen
Notwen-
digkeit
einer
zu Intentionen
verschärften
und Aktivitä-
Gangart über-
ten
zeugt waren.
ter Kreise aus
Im Südtiroler
erster
„Wendejahr“
verfügte,
1957 waren in
konnte einer
Sigmundskron
„Logik
auch Studen-
G e w a l t “
militanHand
der
ten zugegen. Das spätere Vorstandsmit-
nichts abgewinnen.11 Die beiden agier-
glied Bruno Hosp etwa trug das Spruchband
ten fortan aus der zweiten Reihe und
„Tirol den Tirolern. Weniger Worte – mehr
übten lediglich einen mittelbaren Ein-
Taten“.9 Als einer der Weggefährten des
fluss auf das Vereinsgeschehen aus.
BAS-Aktivisten Luis Amplatz sollte Hosp
Vier Monate später verstarb der „Men-
einer der entschlossensten Befürworter
tor“ des Vereins, Josef Ferrari,12 auch
für eine offensiver auftretende SH werden.
er einer Politik markiger Parolen stets
Er wandte sich offen gegen die Mäßigungs-
abhold. Diese drei Personen hatten bei
appelle von Walthers, ja, brüskierte diesen,
vielen, durchaus auch radikaler einge-
indem er des Öfteren in Schützentracht
stellten Studenten beträchtliches An-
vor versammelter Runde aufkreuzte und
sehen genossen und somit über ein ge-
demonstrativ das Protestlied vom bayeri-
wisses
schen Schützen Jennerwein anstimmte.10
das dem Verein nun abhanden kam.
Integrationspotenzial
verfügt,
8 Vgl. Franz von Walther an Rainer Seberich, 21.1.1957, in: Privatarchiv Rainer Seberich, S. 1. 9 Hans Karl Peterlini, Südtiroler Bombenjahre. Von Blut und Tränen zum Happy End?, Bozen 2005, S. 61. 10 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein. 11 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein; zur Haltung von Walthers vgl. Brigitta Willeit, „Nur Verhandlungen führen zum Erfolg“, in: Dolomiten, 16.6.2011, S. 18. 12 Vgl. In Memoriam, in: Der Fahrende Skolast 1958/2, S. 7; Konrad Neulichedl, Hochwürden Josef Ferrari, ebenda, 1958/4, S. 1 f.; Rainer Seberich, Südtiroler Schulgeschichte. Muttersprachlicher Unterricht unter fremdem Gesetz, Bozen 2000, S. 119 ff.; Hellmuth Ladurner, Vater Courage und sein Kind, in: Der Schlern 2008/4, S. 164–177. 13 Quelle: Hugo Seyr.
10
Radikalisierte Vereinsmitglieder Die Zeichen einer Radikalisierung innerhalb
träge und berichtete „von den Ereignissen
der SH mehrten sich. Als eine Art Seismo-
aus unserer Heimat“.18 Ab dem Sommer-
graph der Lage galt das beliebte Lokal „Kofler
semester
Buschn“ in der Bozner Museumsstraße. Im
das Amt des Verbindungsmannes und ließ
Gegensatz zum Dableiberstammtisch „Roter
es sich angelegen sein, die Mitglieder über
Adler“ unter den Lauben, traditionell Treff-
ein dichtes Veranstaltungsprogramm für
punkt der „Völkischen“, konnte man dort
die Südtirol-Frage zu „sensibilisieren“.19
1959
bekleidete
Kamelger
zunehmend auch SH-Mitglieder antreffen, die hitzig über Maßnahmen zur „Befreiung“
Als weiterer Vertreter eines „nationalen
Südtirols diskutierten.14 Ebenso ein Grad-
Erwachens“ innerhalb der SH galt Hans
messer der Situation war der Umstand, dass
Silbernagl. Der gleichermaßen leutselige
sich nun zunehmend SH-Mitglieder schlagen-
wie offenherzige Student erlebte seine
den Studentenverbindungen anschlossen.
Initiation bei einer ironisch intendier-
Dort kamen die Studenten mitunter mit
ten
eindeutig rechtsextremem Gedankengut in
Siegesdenkmal durch Luis Amplatz, bei der
Kontakt.15 Mitglied einer schlagenden Ver-
er zusammen mit seinem Studienkollegen
bindung war Josef Kamelger. Der in Wien
Ekkehard Straudi Schmiere stand.20 Als die
studierende Pusterer kann als Exempel
Stieler-Gruppe verhaftet wurde, verhörte
für ein sukzessive radikalisiertes Vereins-
die Polizei auch Silbernagl und Straudi.21 Die
mitglied gelten. Zusammen mit seinem
beiden Bozner gewannen zwischenzeitlich
Kommilitonen Franz Agstner hatte er
innerhalb der Hochschulgruppe Innsbruck
zunächst das Brixner Kassianeum be-
als Kultur- bzw. Sportreferent Einfluss. Mehr
sucht und sich 1953 gegen den von
als seine Funktion beunruhigte Silbernag-
Bischof Gargitter forcierten Bürgermeister-
ls Kritiker die joviale Art, mit der er Mitstu-
kandidaten Natale Dander und die „Weiße-
denten von sich einnehmen konnte. Mit
Turm-Liste“ engagiert. Für Aufsehen sorgten
deftigen Sagern wie „Jetzt müssen wir die
die beiden, als sie 1957 im Pustertal eine
Messer wetzen!“22 gewann er zunehmen-
Mauer mit der Parole „Wir Südtiroler fordern
den Einfluss auf wichtige Vereinsmitglieder
unsere Rechte und bleiben nicht länger Itali-
wie Hugo Gamper. Die von-Walther-Fraktion
ens Knechte“ beschmierten.16 Daraufhin von
befürchtete einen Schneeball-Effekt, galt
der Universität Padua verwiesen, entzog sich
der angehende Anwalt seinerseits doch als
Kamelger strafrechtlicher Konsequenzen (Er
einer der überzeugendsten Redner der SH.
war überdies mit dem Vorwurf konfrontiert,
Präsident Günter Regensberger, sich der
dem Maresciallo von Niederdorf anony-
Gefahr des Verbalradikalismus Silbernagls
me Schmähbriefe geschrieben zu haben.17)
für den Verein und den Betroffenen selbst
durch Flucht nach Österreich, wo er unter
bewusst, versuchte ihn durch gezielte In-
anderem sein Studium wieder aufnahm. In
volvierung in die Vereinstätigkeit von allfäl-
der SH Wien organisierte er zunächst Vor-
ligen politischen Initiativen abzulenken.23
„Kranzniederlegung“
am
Bozner
14 Interview Paul Stacul, 15.11.2010, Bozen. 15 Vgl. Manuel Fasser, Ein Tirol – zwei Welten. Das politische Erbe der Feuernacht, Innsbruck 2009, S. 95; Heinz- Rudolf Othmerding, Sozialistische Minderheitenpolitik am Beispiel Südtirol von den Anfängen des Konflikts bis heute, Phil. Diss. Hamburg 1984, S. 882. 16 Interview Mathias Frei, 22.11.2010, Bozen. 17 Interview Paul Stacul, 15.11.2010, Bozen. 18 Raimund Senoner, Wien (Hochschulrundschau), in: Der Fahrende Skolast 1959/1, S. 7. 19 ebd., S. 9. 20 Hans Karl Peterlini, Südtiroler Bombenjahre. Von Blut und Tränen zum Happy End?, Bozen 2005, S. 60 f. 21 Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. 22 Interview Franz von Walther, 3.12.2010, Bozen. 23 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein.
11
„Erzwungene“ Mäßigung? Letztlich blieben die Aktivitäten von SH-Mit-
hätten die Südtiroler auch mit deutlichen
gliedern wie Kamelger oder Silbernagl
Schwierigkeiten bei der Anerkennung ih-
Episoden ohne große Folgewirkungen. Zu
rer österreichischen Studientitel rechnen
viele Gründe sprachen gegen ein südtirol-
müssen.26 Wenn es letztlich gelang, den
politisches Engagement des Vereins.Unab-
Verein aus den Turbulenzen rund um
hängig, ob deren Befürworter an Tauben
die
wie Wörndle oder von Walther herantraten
das allerdings auch mit der Einstellung
oder an Falken wie Günter Regensberger,
der „Aktivisten“ zu tun. Während die
die Reaktion war immer dieselbe: Dem
Stieler-Gruppe durchaus auf die Rekrutie-
einzelnen Mitglied sei es selbst überlas-
rung junger Studenten abzielte, aber rasch
sen, wie es sich zum Südtirol-Problem
zerschlagen wurde, gab es innerhalb des
stelle; der Verein als Ganzes könne sich
Südtiroler Arms des BAS das ungeschriebe-
aber auf keinen Fall exponieren.24 Die
ne Gesetz, keine Bildungsbürger, Studen-
Zurückhaltung der Vorstände hatte gute
ten oder Akademiker als aktive Kräfte in die
Gründe: Es gab deutliche Hinweise, dass
Organisation aufzunehmen. In einer kurio-
italienische Behörden die Aktivitäten der
sen Mischung aus sozialem Ressentiment
SH-Mitglieder systematisch überwachten.
und platten Zuschreibungen vertraten die
Die SH-Führung fürchtete unmittelbare
„Volkstumskämpfer“ die Auffassung, „Stu-
Konsequenzen, falls man ihr hätte ge-
dierte“ brächten weder hinreichend Tapfer-
setzeswidrige
nachweisen
keit noch Charakterstärke für den „Einsatz
können. Konkret hegte sie Bedenken, die
an der Front“ mit. So sind letztlich keine
Behörden könnten den Mitgliedern die
Versuche bekannt, SH-Mitglieder direkt
Pässe abnehmen oder sie nicht mehr nach
für den bewaffneten Kampf anzuwerben.
Handlungen
„Feuernacht“
herauszuhalten,
hat
Italien einreisen lassen.25 Wäre die SH als Organisation in ein schiefes Licht geraten,
24 Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. 25 Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. 26 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein.
12
Leo Hillebrand
13
Die 68er: Südtirol in Bewegung! Und die SH am Ruder? Wenn ich an meine Studienzeit in Salz-
Protestzyklus gesehen werden, sondern
burg denke, so war dort die SH-Bude un-
eher als Startschuss dazu. Man kann in
ser Fixpunkt, ein Anker auf unserer Reise,
Südtirol vielmehr von einem schleichen-
Südtirol im Mikrokosmos mit allem was
den Wandel bis Ende der 1970er, als von
dazugehört (Wattturnieren, Marende mit
einer tosenden Revolution sprechen. Den-
Speck und Schüttelbrot, Heimatdebat-
noch ist es berechtigt, die Zäsur auf das
ten, politischen Diskussionen aber auch
Jahr 1968 zu legen: Es fanden nämlich in
dem ein oder anderen SH-Fest). Dement-
diesem Jahr auch in Südtirol vermehrt klas-
sprechend eine kleine Südtiroler Familie,
sische Aktionsformen der 68er-Bewegung,
die auch „weit weg“ von der Heimat ein
wie Sit-ins, Go-ins oder Provokationen,
gewisses Sicherheitsgefühl vermittelte.
statt. In Bozen wurden als Protest gegen das hierarchische Schulsystem mehre-
Entsprach dieses Idyll in der Ferne, das
re Schulen besetzt und auch auf Meran
auch heute noch viele Südtiroler Studie-
griffen die Proteste über. Es gab verschie-
rende sehr schätzen, auch dem Selbstver-
dene Störaktionen, wie die Explosion
ständnis der SH von 1968? Oder war sie der
eines Molotowcocktails in einem Beicht-
Nährboden für die Veränderung, der Rück-
stuhl im Bozner Dom oder die Vertrei-
halt für die „Revolte“ – möglicherweise
bung des Unterrichtsministers Luigi Gui
hielt sie gar die Revolte zurück? Und: Wie
bei einer Rede.1 In Villnöß wurde eine
sah die Revolte in Südtirol überhaupt aus?
Theatervorstellung in Form eines Go-ins gestört und in eine Diskussion überführt.2
„1968“ in Südtirol kann nicht auf das Ka-
Die SH definierte in diesem Jahr ihre Aus-
lenderjahr reduziert und genauso wenig
richtung neu, indem sie eine kritischere
als Höhepunkt eines sich steigernden
Haltung in Bezug auf gesellschaftliche
1 2
14
Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, die 68er. Analyse der unterschiedlichen Facetten des kulturellen und gesellschaftlichen Aufbruchs der 60er und 70er im Vergleich zum internationalen Kontext, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Salzburg 2010, S. 209–223, sowie Alto Adige, 22.4.1968, S. 1. Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 189–192.
und politische Diskurse einnahm und die
Ein weiteres Spezifikum der Bewegung in
Athesia boykottierte. Zudem veranstal-
Südtirol war, dass sie sich themen- und
teten die „brücke“ -Herausgeber bei der
nicht akteursspezifisch formierte. Ohne
Studientagung in Innsbruck ein Teach-in
konkreten Anlass kam es in Südtirol nur
zur Pressesituation in Südtirol. Auch die
selten zu Aktionismus, die zentralen
Demonstration gegen die Siegesfeiern
Themen
vom 4. November in Bozen sorgte für
wurden hingegen auch in Südtirol über-
großes Aufsehen. Die „brücke“ titelte:
nommen. Auch bei uns protestierte man
3
4
„Einmal im Jahr ist Maskerade für alle: Für Leute in zivil ist dafür der Fasching da – für den Staat der 4. November“
vom
internationalen
„1968“
gegen den Vietnamkrieg7 und viele trugen die Mao-Bibel in der Hosentasche.8 Ein inhaltlich für die Südtiroler Bewegung sehr spezifisches Thema war die Neuperspektivierung
der
Sprachgruppenprob-
und rief zu Gegenveranstaltungen mit
lematik mit SH-Kontroversen: So warnte
Antikriegsliedern
endeten
etwa Paul Zanon9 in Bezug auf die italie-
mit gewalttätigen Übergriffen und der
nischen Hochschüler in Südtirol vor einem
Verhaftung
Experimentierfeld des kulturellen Aus-
auf.
einiger
Diese
Demonstranten.
5
tausches, eine Haltung, die viel Kritik erDas heißt, auch in Südtirol gab es im Jahr
zeugte und die SH in eine Krise stürzte.10
1968 mehr Protest von Seiten der Gesellschaft, als es im Jahr davor oder da-
Der Bezug zu „1968“ wird in diesem Bereich
nach der Fall war. An den internationalen
in Form des verwendeten Vokabulars deut-
Kontext lehnten sich dabei besonders die
lich: So wurden beispielsweise intereth-
übernommenen Aktionsformen an, die
nische Bewegungen als „Klassenkämpfe“
sich hierzulande verstärkt auf den sprach-
definiert und auch hierzulande sprach man
lichen Bereich konzentrierten und auf ge-
von „Machtapparat“ und „Establishment“.11
sellschaftliche Verständigung abzielten. Zahlreiche Diskussionen auf verschiede-
Ähnliche Überschneidungen aber auch
nen Tagungen der SH, in denen immer
Verschiebungen lassen sich in anderen
wieder Konsens anstatt des offenen Zer-
Themenfeldern beobachten: Während in
würfnisses mit der politischen Führung
Deutschland die „Axel-Springer-Presse“
angestrebt wurde, geben Zeugnis davon.
zum erklärten Erzfeind wurde, waren in
6
3 In dieser kritischen und sprachgruppenübergreifenden Zeitschrift druckten die Autoren Alexander Langer, Siegfried Stuffer und Josef Schmid ihre geplanten Aktionen ab, übten Kritik an der Situation in Südtirol und wollten vor allem die internationalen Proteste auch auf die Situation in Südtirol übertragen. 4 Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 147–154, sowie die brücke, Bozen Juni/Juli 1968, Nr.8/9, S. 2. 5 Vgl. ebd. S. 128–144, sowie: Gegen Krieg und Siegesfeiern, Alto Adige, 2.11.1968, S. 10. 6 Studientagung 1968, 1.Teil, Zum Selbstverständnis der Südtiroler. Problematik einer Standortbestimmung in nationaler, kultureller, politischer und historischer Hinsicht, Grillhof (Vill bei Innsbruck), 16.–20.4.1968. 7 Vgl. Südtiroler Landesarchiv Bozen, Sammlung Toni Serafini. 8 Interview mit Franz Pichler am 16.2.2010 (Tonbandaufzeichnung). 9 Paul Zanon war 1970 Vorsitzender der SH. 10 Vgl. o.A.: Nochmals: Kartoffel oder Spaghetti oder Canederli, in: Skolast, 1970/3, S. 37f. 11 Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 100–110, sowie S. 128–144.
15
Südtirol die „Ebner-Presse“ und vor allem die „Dolomiten“ Zielscheiben der Kritik. Deutlich wird dies etwa in einer „Skolast“-Ausgabe von 1968: „(…) Nur gut, dass Südtirols Studenten weit weg sind! So kann in Südtirol geschehen, was Klein
Der Bezug zum Springer-Verlag, wel-
Axel beliebt.“ Diese polemische Haltung
cher besonders in der BRD Katalysator
wird schließlich noch durch eine Karika-
für den Studentenprotest war, macht
tur des „neuen Betätigungsfeldes eines
deutlich, dass der internationale Kontext
Sprengstoffattentäters“ unterstrichen.12
nicht von Südtirol weggedacht werden kann. Obwohl der Athesia-Verlag eine noch größere Monopolstellung innehatte als der Springerkonzern, löste diese Tatsache in der Provinz jedoch keine vergleichbare
Massenmobilisierung
aus.
Protestierte man in anderen Ländern gegen den Kapitalismus oder den Kommunismus, war es in Südtirol das Einparteiensystem der SVP, das man kritisierte. Demonstriert wurde gegen den Nationalismus auf Seiten der Italiener und der Südtiroler. Zum ersten Mal formierten sich in Südtirol politische Alternativen und interethnische Gruppierungen,
die
der
Lagerbildung
trotzten. Angestrebt wurde damit auch bei uns eine gesellschaftliche Öffnung.14 Die 68er in Südtirol haben folglich einiges der internationalen Bewegung reflektiert, anderes ausgeblendet, aber auch Neues generiert. Die SH war dabei u.a. wesentlich, weil sie das einzige verbindende Element zwischen den im Ausland studierenden Südtirolern darstellte und dadurch Impulse gab. Dementsprechend Karikatur im Skolast 1968/3: Neues Betätigungs-
wichtig war ihre Rolle auch für das Aufbe-
feld eines Sprengstoffattentäters.
gehren der Studierenden in der Provinz.
13
12 Karikatur und Zitat: an (Pseudonym): Es gibt in Südtirol, in: Skolast, 1968/3, S. 20. 13 Skolast, 1968/3, S. 20. 14 Vgl. Perkmann: Haare abschneiden im Walther-Haus, in: die brücke, 1968/13, S. 9f.
16
Ihre Funktion als kritisches Ferment der
Nach meiner Zeit als Vorsitzender kam
Südtiroler Gesellschaft nahm die SH al-
ein anderer politischer Wind in die SH.
lerdings erst ab Mitte der 60er Jahre ein.
Ich gehörte zur Gruppe der Konservati-
Sie änderte ihren Kurs, indem sie sich
ven und in der Folge verlagerte sich der
von der engen Bindung an die SVP lös-
Vorsitz in das sozialistische Lager. (…)“.16
te. Während der bis 1966 gewählte Vorsitzende, Alois Durnwalder, noch an den
Auch immer schärfere Kommentare in den
„gesunden Gemeinschaftssinn“ der Stu-
„Dolomiten“, die sehr bald eine ablehnen-
dierenden
plädierte
de Haltung der SH gegenüber einnahm,
nun der Pressereferent und spätere Her-
bestätigen den Wandel.17 Für Alexander
ausgeber der „brücke“, Siegfried Stuffer,
Langer passierte in dieser Hinsicht jedoch
für einen „geistigen Individualismus“.
noch zu wenig. Er forderte, dass sich die SH
appelliert
hatte,
15
noch mehr aus der bequemen Hörigkeit von Durnwalder selbst charakterisierte 2010
Oben befreien solle, um die Ansichten der
verschiedene
Studenten von unten vertreten zu können.
Entwicklungsphasen
der
Vereinigung:
„Es ist immer so, dass es eine Gründungsphase und eine Folgephase gibt. Nachdem der See gefüllt wird, benötigt es immer wieder Personen, die einen Stein ins Wasser werfen, damit der Sauerstoff in Bewegung kommt. (…)
Dadurch müsste die SH jedoch „eine bereits ersessene Stellung ´im System´ aufgeben und sich dem Apparat dialektisch entgegenstellen, statt ihn gegen die sonst vielleicht rebellischen
Studenten
abzusichern“.18
Zunächst agierte die SH jedoch innerhalb des Systems und diskutierte über Revolution, wie bei der Studientagung 1968. Dazu wurden internationale Referenten, wie etwa der Redakteur der
15 Vgl. Notdurfter: Spalte des Pressereferenten, in: Skolast, 1968/4, S. 2. 16 Frei, Senfter: „Es gibt immer etwas zu protestieren“, Interview mit Alois Durnwalder, in: Skolast 2010/1, S. 80–85. 17 Notdurfter: Spalte des Pressereferenten, in: Skolast, 1968/4, S. 2. 18 Langer: Gedanken zur „Kulturpolitik“ der SH, in: Skolast, 1968/1, S. 4.
17
Marburger Blätter19, und erstmals auch
Nach der „Konsolidierungsphase“, wie
dezidiert „Links-Kreise“ wie die „brücke“
sie u.a. Durnwalder beschreibt, gab es in
geladen. Der Begriff „Links“ wurde in
der SH also zunächst nur eine politische
diesem Zusammenhang als eine „Form
Neuorientierung. Ein Jahr später sah die
der Radikalisierung, der Opposition, des
Situation schon anders aus: Bei der Studien-
Andersseinwollens,
durchbrechen-
tagung 1969 zum Thema „Kultur“ kam es
der Ärger“ ausgelegt, wie Hans Notdurf-
zu einem einschneidenden Bruch mit den
ter, der Pressereferent, schreibt. Bisher
Machtträgern im Land. Der Grund für den
sei seiner Ansicht nach die Haltung der
Protest in diesem Bereich zementierte sich
SH insgesamt zu tolerant und nachgie-
in der Vergangenheitsorientierung der Po-
big gewesen. Dadurch hätte die Verei-
litik und dementsprechend auch in den da-
nigung auf Referenten verzichtet und
nach ausgerichteten kulturellen Veranstal-
es hingenommen, wenn Landespoliti-
tungen. Zudem gab es in diesem Bereich
ker, wie Kulturassessor Anton Zelger,
klare Feindbilder, wozu besonders der
1968 den „Skolast“ als „Gift für das Volk“ bezeichneten.20
Kulturlandesrat Anton Zelger gehörte.22 In
Trotzdem würde die SH weiterhin für ein
polemisch: „Das kulturelle Image Südtirols
„Weiterschreiten auf evolutivem Wege“
ist am Nullpunkt angelangt.“ Und weiter:
eintreten, wie Otto Saurer, der Vorsit-
„Die Verdummung des Volkes“ schreite rüs-
zende von 1967, es formulierte, im Ge-
tig voran und das „ekelhafte Südtirol-Kli-
gensatz zur Forderung nach einer revo-
schee, angesiedelt zwischen dem mächtigen
lutionären Vorgehensweise von Siegfried
Barte des Andrä Hofer und den Lederhosen
Stuffer.
Diese unterschiedlichen Posi-
der fidelen Schuhplattler, macht sich im
tionierungen innerhalb der SH führten
In- und Ausland breit.“ Ziel der Studien-
zur Entstehung von zwei Lagern. Neben
tagung war es dem entgegenzuwirken,
die konservative Linie der vorangehenden
um sich so den noch geltenden Worten
Vorstände trat eine Reihe von Studenten
des verstorbenen Schulamtsleiters Hoch-
mit progressiver Orientierung, Revolution
würden Josef Ferrari entgegenzustellen,
erfolgte dadurch jedoch noch keine.
der bereits festgestellt hatte: „Nicht als
21
ein
der Eröffnungsrede zur Tagung zeichnete Gerhard Mumelter, der Kulturreferent der SH, die Situation der Kultur in Südtirol sehr
19 Vgl. o.A.: Zusammenfassung der Diskussion, in: Sondernummer zur XII. Studientagung 1968, 2.Teil, S. 18f. 20 Vgl. Notdurfter: Spalte des Pressereferenten, in: Skolast, 1968/4, S .2. 21 Vgl. Skolast Untersuchung: Heime Dokumentation, in: Skolast, 1968/5, S. 41–43. 22 Vgl. Sondernummer des Skolast zur XIII. Studientagung 1969: Kunst und Kultur in Südtirol, Brixen.
18
Anklage, sondern als notwendige Erkenntnis
tischen
sei es gesagt, dass das Organ für das Geisti-
und das Schulproblem trat ungewollt in
ge in unserem Volke stark verkümmert ist.“
den Hintergrund. Die Presse berichtete
23
Auseinandersetzung
geworden
zwar darüber, doch blieb eine größere SoVermehrt wurde die Forderung nach politischer
Aktion,
einer
lidarisierung mit den Studierenden aus.27
„außerparlanach
Im Anschluss daran folgte das „Politische
So
Dokument der Studenten nach dem Hun-
wurde in einer weiteren Ausgabe des
gerstreik“ als eine Reflexion der Ereignisse.
„Skolast“ unter anderem die Gründung
Interessant ist auch hier das Vokabular, das
neuer Arbeitskreise gefordert, die sich
sich an den internationalen Kontext an-
mit aktuellen Themen befassen soll-
lehnt, so ist darin etwa zu lesen, dass „po-
ten,
litische Diskriminierung und Unterdrückung
mentarischen
Opposition“,
und
engerem Kontakt zur Basis laut.
24
wie
der
Oberschülerbewegung.
25
[…] notwendig zum System“ gehören würTatsächlich waren es die Oberschüler, die
den. Aus ihrer Sicht hätten sie mit ihren Ak-
in Südtirol in Dissens zum herrschenden
tionen die Gegenseite entlarvt, der sich die
System gingen und sich verstärkt grup-
Schüler nicht geschlagen geben wollten.28
pierten. Sie waren es, die die internationalen Aktionsformen übernahmen und
Neben der Oberschulbewegung war das
damit auch auf sich aufmerksam machten.
Fehlen der Universität in der Zeit zwischen 1965 und 1974 eines der zentralen Dis-
Beispielgebend dafür waren die Ereig-
kussionsthemen.29 Für Gottfried Solderer
nisse am Klassischen Lyzeum „Walther
war dieser Umstand eine der Ursachen
von der Vogelweide“ von 1971.
Nach
für die schwache gesellschaftliche Posi-
dem Ausschluss zweier Maturanten auf-
tion der SH, weil der Student im Ausland
grund ihrer politischen Aktivität (lotta
den Bezug und das Interesse zu seinem
continua) spitzten sich die Ereignisse der-
Heimatland verlieren würde. Zurückge-
art zu, dass es nach einem Hungerstreik,
kommen sei er schließlich ein Privilegier-
dem Miteinbeziehen der SH und dem
ter unter Privilegierten und habe kein In-
Hinzuziehen der Presse bei einem Sit-in
teresse daran für jene Schichten Partei zu
zu einem Bombenanschlag von faschis-
ergreifen, aus denen er vielleicht selbst
tischer Seite auf die Demonstrierenden
stamme. Als Opposition laufe er jedoch
kam. Die Vorfälle waren so zu einer poli-
Gefahr zu verhungern. Somit würde die
26
23 Mumelter: Kunst und Kultur. Die Studientagung 1969, in: Skolast, 1969/3, S.25. 24 Vgl. Mair, Hofer: Die Südtiroler Hochschülerschaft heute, in: Skolast 1970/3, S. 35f. 25 Alton: Hochschülerschaft, in: Skolast, 1971/1, S. 4. 26 Vgl. Südtiroler Landesarchiv Bozen, Sammlung Toni Serafini: Flugblatt Anfang Juni, Eine Gruppe von Studenten, „Solidarität mit den Studenten der 3. Klasse des klassischen Lyzeum“, 9.6.1971. 27 Vgl. Alton: die Unruhen an den Oberschulen, in: Skolast, 1971/4, S. 18. 28 Südtiroler Landesarchiv Bozen, Sammlung Toni Serafini: Klasse 3b/Sailergymnasium, „Politisches Dokument der Studenten nach dem Hungerstreik“, Bozen 17.9.1971. 29 Vgl. Ladurner: Der Streit beginnt, Streiflichter zur SH von 1965–74, in: Sondernummer 1985, S. 10f.
19
kritische Intelligenz fehlen, die in ande-
einheimischer Produktionen und Auf-
ren Ländern die „Impulse zur Überwindung
führungen. Mundartgedichte, die die
der Widersprüche unseres Gesellschaftssys-
Schönheiten Südtirols anpriesen, wurden
tems geliefert hat und noch immer liefert“.30
zu solchen mit kritischen Inhalten umfunktioniert, die Missstände anprangerten.33
Der Frage nach der Existenzberechtigung einer Hochschülerschaft ohne Hochschule
Auch Hans Heiss sieht im „Mut zum radika-
und ohne Hochschüler im Lande, hielt Hell-
len Dissens“ das charakteristische Merk-
muth Ladurner, einer der Skolastautoren,
mal des „deutschen 1968“ in Südtirol. Er
folgende Verdienste der SH entgegen: „Die
betont, dass sich einige wenige wagten,
Leistung der SH besteht darin, trotz größ-
„in einer ethnisch homologisierten Gesell-
ter Widerstände mehrere Jahre lang die
schaft als ´Verräter´“ aufzutreten, „um
Diskussion vorangetrieben zu haben, […]
damit das demokratische Grundprinzip
Die Südtiroler Hochschülerschaft hatte die Konzepte geliefert. Gehandelt wurde anderswo und ohne Konzept.“ Die SH habe rückblickend die Rolle zu
Tatsache sei heute zu Unrecht vergessen.34 Diese These gilt es zu bekräftigen, denn der Dissens erwirkte eine Öffnung und Pluralisierung
in
allen
gesellschaftli-
chen Bereichen, wodurch auch in Süd-
sein,
tirol durch die 68er ein Wertewandel
Schutt beiseite zu räumen; der Ab-
eingeläutet wurde, von dem wir noch
bau wird von anderen durchgeführt.“31
heute profitieren. Wenn durch die politi-
übernommen:
„Vorläufer
des ´Nein!´ zu implementieren“ und diese
schen Errungenschaften jener Jahre die Was die SH aber vor allem zu einer der
Autonomiebestimmungen
wichtigsten Trägergruppen der 68er in
erweitert wurden, so wurde durch die 68er
Südtirol macht, ist, dass sie über Jah-
Bewegung die individuelle Autonomie
re hinweg die Rolle eines Sprachrohrs
vergrößert und eine Liberalisierung der
für wesentliche Anliegen der Studenten
Gesellschaft vorangetrieben. Es wurden
übernahm. Sie machte Gesellschafts-
Entwicklungen in Gang gesetzt, die noch
kritik auch in Südtirol salonfähig. Beson-
bis in die Gegenwart wirken und durchaus
ders ihr Medium, der „Skolast“, spielte
ausbaufähig bleiben. Und dazu leisteten
dabei eine zentrale Rolle. In ihm wurden
SH und „Skolast“ einen wesentlichen Bei-
zahlreiche kritische Karikaturen abge-
trag. Das heißt, auch wenn die SH vielleicht
druckt und auch für den literarischen
in Bezug auf „1968“ in Südtirol nicht im-
Wandel war er wesentlich: Bemerkens-
mer das Ruder in der Hand hatte und den
wert war etwa N.C. Kaser32 als einer der
Kurs vorgab, so war sie doch das Medium,
Exponenten in diesem Bereich, der eine
das von unterschiedlichen Seiten immer
radikale Abrechnung mit der damaligen
wieder genützt werden konnte und vor
literarischen Landschaft vollzog. Aber
allem kritischen Geistern eine Stimme gab.
des
Landes
auch andere junge Literaten füllten Sparten mit Rezensionen und Kritik
Birgit Eschgfäller
30 Solderer: Liebst Südtirol magst ruhig sein, deine Studenten leben im Innrain, in: Skolast, 1971/1, S. 7. 31 Ladurner: Der Streit beginnt, Streiflichter zur SH von 1965–74, in: Sondernummer 1985, S. 10f. 32 Südtiroler Dichter (1947–1978) und Mitbegründer der Neuen Südtiroler Literatur der Nachkriegszeit. 33 Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 182–189. 34 Vgl. Heiss: Bewegte Gesellschaft, in: Arbeitsgruppe für Regionalgeschichte (Hrsg.), 1999, S. 57–100, S. 98.
20
Skolast 1968/3, S. 19.
21
Skolast-Sondernummer zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, Rückseite.
sTuDIEnTAgung 1969 vor 45 Jahren hat die südtiroler hochschülerschaft die erste Anthologie neuer Südtiroler Literatur veröffentlicht. das gehörte sicher nicht zu ihrem unmittelbaren Aufgabenbereich, hat sich aber so ergeben.
22
1969 habe ich das Amt des Kulturreferen-
Schwarzweiß-Programmen, lediglich das
ten der SH übernommen. Die damalige
Blatt für deutsche Leser im Alto Adige zeigte
kulturpolitische Situation in Südtirol ist für
Interesse für zeitgemäße kulturpolitische
einen heutigen Studenten kaum nachvoll-
Anliegen. Es gab in Südtirol weder eine
ziehbar. Die Szene wurde fast ausschließ-
zeitgenössische Kunst- noch Literatursze-
lich von traditioneller Volkskultur geprägt.
ne und kaum Galerien. „Das Kulturklima“,
Der Sender Bozen verfügte nur über sehr
so beschrieb Eva Eccel treffend die Situa-
beschränkte
tion der 70er Jahre, „war von einer Selbst-
Sendezeiten
mit
einigen
darstellung der eigenen Tradition getragen,
wären am besten nie geboren und meinet-
eine Auseinandersetzung mit den Themen
wegen könnten sie noch heute ins heimat-
der Gegenwart wird verdrängt. In der Kon-
liche Gras beißen, um nicht weiteres Unheil
frontation mit Italien hat sich das Land kul-
anzurichten“, wetterte der junge Brune-
turell in einen luftleeren Raum manövriert,
cker Autor in seiner nur wenige Tage nach
in dem sein geistiges Potential verharrt
dem Woodstock-Festival gehaltenen Rede.
und nur wenig lebendige Impulse erhält.“ Das genügte damals, um einen Sturm der Mein Ziel als Kulturreferent war es,
Entrüstung auszulösen. Der 22-jährige
Bewegung in diese festgefahrene Situa-
erhielt Morddrohungen, die Hochschü-
tion zu bringen. Diesem Anliegen sollte
lerschaft geriet ins Visier der Dolomiten
die jährliche Studientagung dienen, die
und wurde massiv angegriffen. Der kon-
dem Thema „Kunst und Kultur in Südtirol“
servative Flügel der Organisation forder-
gewidmet war und Aufbruchstimmung
te den Rücktritt des Vorstands. Wer et-
signalisieren sollte. Das tat sie freilich zur
was bewegen wollte, benötigte damals
Genüge. Denn die mittlerweile berühmte
ein dickes Fell. Das mediale Echo auf Ka-
Brandrede, die der junge Autor Norbert
sers Rede dauerte mehrere Wochen, der
Conrad Kaser im August 1969 in der
Rest der Tagung mit ihren interessanten
Cusanus-Akademie hielt und die heftige
Referaten ging in den Polemiken unter.
Polemiken auslöste, ist in die jüngere Literaturgeschichte des Landes eingegangen.
Nur wenige Wochen später begegneten sich
„99 Prozent unserer Südtiroler Literaten
Südtirols jüngere Autoren bei dem von der
Skolast-Sondernummer zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, S. 17.
23
Presseecho zur Studientagung 1969. Skolast-Sondernummer zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, S. 32.
24
SH organisierten Literarischen Colloquium in Bozen zum ersten Mal. Joseph Zoderer trat dabei erstmals öffentlich in Südtirol auf, Kaser hielt seine erste Lesung in Bozen. Auch hier gab es erregte Diskussionen. Die ebenfalls für 1969 vorgesehene erste Anthologie erschien erst 1970. Die Schwierigkeiten bei der Suche nach passenden Autoren, bei Auswahl, Drucklegung, Korrekturen und Auslieferung des 1500 Lire kostenden Bandes überforderten damals auch einen hochmotivierten SH-Kulturreferenten wie mich. Zu Beginn waren kaum mehr als zehn Leute bekannt, von denen man wusste, dass sie literarische Texte in der Schublade aufbewahrten. Dann tauchten neue Namen auf, und mit ihnen weitere Hinweise. 24 waren es nach einem Jahr. Kaser war in dem Sammelband mit 24 Gedichten vertreten. Für den früh verstorbenen Schriftsteller war es die umfangreichste Veröffentlichung zu Lebzeiten. Erst nach seinem Tod erschienen aus dem Nachlass zwei Bände, die den Autor über Jahre zu einer unangepassten Symbolfigur werden ließen. Über die literarische Qualität der Anthologie, der 13 Jahre später eine zweite folgte, lässt sich rückblickend diskutieren. Nicht aber darüber, dass sie einen Neubeginn nach Jahren des Stillstands bedeutete. Das schon bald vergriffene Buch verdeutlichte, dass der Aufbruch ins Neue mehr als nur ein zufälliges Zusammentreffen war. „Südtirol wird eine Literatur haben. Wie gut, dass es niemand weiß“, hatte Kaser in seiner Rede prophezeit, die als Zäsur im kulturellen Leben Südtirols gilt. Als kritische und fortschrittliche Kraft hatte die Hochschülerschaft damals wesentlichen Anteil an der kulturellen Erneuerung des Landes. Darauf kann sie auch nach 45 Jahren noch stolz sein. Die Hochschülerschaft nimmt Stellung, Skolast-Sondernummer
gerhard mumelter
zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, S. 33.
25
Gegen den Strom schwimmen SH-Episoden in den Siebzigern Sie ist heute weit weg, die Zeit, als die Jugend nicht nur studierte sondern durchaus auch protestierte – gegen den „Mief von 1000 Jahren unter den Talaren“, gegen den Vietnamkrieg und die USA, gegen die „intolerante, antikommunistische Haltung der SVP“, gegen Magna-
Hungerstreik sehr wohl zu ermöglichen und
selbst im ehrwürdigen Gymnasium der Franziskaner wehte damals ein laues Protestlüftchen durch die Gänge.
go, Zelger und die Athesia. Mittendrin
So bestreikte meine Klasse 1969 die Haus-
damals, wie es mir meine freilich nur
aufgaben und konfrontierte den Pater
mehr bruchstückhaft vorhandene Erin-
Direktor mit einem seitenlangen „Forde-
nerung sagt, die Südtiroler Hochschü-
rungskatalog“. Söhne von Stadtpatriziern
lerschaft, große Teile ihrer Führungs-
genauso wie die einfacher Bergbauern.
spitze und meist auch ihre Vorsitzenden.
Und zu Hause hing der Haussegen schief, weil ich die Wahl Willi Brandts zum Kanzler
Irgendwie lag etwas in der Luft, das man
der Bundesrepublik Deutschland begrüßte.
später mit den 68ern identifizieren würde;
26
in Deutschland etwas früher als hinterm
Dennoch sollte und wollte ich nicht dem
Alpenhauptkamm, an den großen Unis
scheinbar allgemeinen Trend des „gegen
heftiger und massiver als an den kleinen;
alles und jeden“ folgen, der mich unüber-
der „voto politico“, monatelang besetz-
sehbar und anschaulich an der Rampe der
te Hörsäle, Krawalle vielerorts; Studieren
Alma Mater Rudolfensis am Universitäts-
glich oft auch – vor allem in Italien – einem
ring 1 in Wien am ersten Studientag im
Hindernislauf zwischen Bürokratie, Streiks,
Oktober 1971 empfing: Gereckte Fäuste
Besetzungen und ähnlichem mehr. Im
und stilisierte Hammer und Sicheln in
staatlichen Gymnasium „Walther von der
einem Meer von Plakat- und Hinweis-
Vogelweide“ versuchten die Jahrgangskol-
ständern, dazu die Aufforderung „jeden
legen für zwei nicht zur Matura zugelassene
Freitag um 15 Uhr“ an Demonstratio-
Mitschüler diesen die Zulassung mit einem
nen teilzunehmen, zu denen Trotzkisten,
Gruppen revolutionärer Marxisten und
gegen „Intoleranz und Irrationalität der
was weiß ich noch für martialisch be-
herrschenden Klasse“ agierte und ganz ge-
zeichnete Studentengruppen aufriefen.
nerell den Kommunisten näher zu stehen
Für mich war schlagartig klar, dass ich
schien als etwa der die deutschen Süd-
nicht zum Protestieren, sondern doch
tiroler fast vollständig vertretenden SVP.
eher des Studieren wegens nach Wien gekommen war! Und sicher auch nicht,
Also beschloss ich, gegen den Strom
um, wie so mancher Kollege das tat, Nach-
zu
mittage lang auf der „Bude“ zu „karten“.
gesinnten stellte ich mich 1975 den
schwimmen.
Mit
einigen
Gleich-
Wahlen zum SH-Vorstand in Innsbruck Und so verliefen die ersten Jahre meines Studiums weitab von Protesten und Diskussionen. Die Übersiedlung nach Innsbruck 1974 aber brachte die Wende. Deutlich näher
und hoffte, dass einen die „schweigende Mehrheit“, die man hinter sich wähnte, dorthin entsenden würde.
der Heimat erwachte das „Zoon politikon“
Dass diese nicht nur schweigend sondern
in mir, der politische Mensch. Und dem ge-
weitgehend immun gegenüber jeglicher
fiel nicht, was da „seine Vertreter“ in der
politischer aber auch institutioneller Tätig-
Südtiroler Studentenorganisation so zum
keit sein würde, damit hatten wir nicht ge-
Besten gaben. Ich war überzeugt, dass es
rechnet. Und erst ein in letzter Minute von
der Südtiroler Studentenschaft im Allge-
uns eingerichteter Shuttledienst für alle
meinen, jener in Innsbruck im Besonde-
Freunde und deren Freunde und Bekann-
ren nicht gerecht wurde, wenn die SH im
te zur Bude und damit zur Wahlurne sollte
Gleichschritt nach links marschierte, sich
dann die Wende bringen, so dass mit dem
in Aufrufen auf der „Seite von Bauern, Ar-
Einzug einiger „bürgerlicher“ Vorstände
beitern, Lehrern und Kulturschaffenden für
die Innsbrucker SH-Spitze plötzlich deut-
mehr Demokratie in Südtirol einsetzte“,
lich pluralistischer war, als die SH-Obersten
27
sich dies wünschen mochten. Und so wur-
Während die einen in ihren schlimmsten
de in den Sitzungen zwar weiter viel de-
Befürchtungen übertroffen werden soll-
battiert, etwa ob die strikte Trennung der
ten, mussten die anderen anerkennen,
Sprachgruppen in Südtirol, wie sie das
dass man einen solchen Sozialismus nun
1972 verabschiedete Paket festgeschrie-
wirklich nicht wollte. Einen Vorgeschmack
ben hatte, nicht eher ethnische Käfige
bekamen wir schon bei der Einreise an der
schaffe, oder ob es nicht höchst an der Zeit
Grenze, als wir mit unserem Bus für die paar
für eine Universität in Bozen sei. Aber man
Meter vom österreichischen Grenzbalken
gab sich auch mehr dem Praktischen hin.
bis ins mit Stacheldraht gekennzeichnete tschechische Territorium mehrere Stunden
So war ohne Zweifel der Höhepunkt meines
brauchten, obwohl kaum Verkehr herrschte.
nur kurzen, zweijährigen aktiven Engagements in der SH Innsbruck die Organisation
Einige kurze Backflashes vom Prag der frü-
eines Balles der Südtiroler Hochschüler in
hen Siebziger: Beleuchtet waren des Nachts
Innsbruck. Im damals noch existierenden
nur die Hauptstraßen, während die Straßen
Hotel Greif gaben sich ein Großteil der
ganzer Stadtteile im Dunkeln lagen; Taxis
politischen Führungsspitze von Gesamt-
gab es zwar zuhauf, aber sie fuhren nicht,
tirol,
weil deren Fahrer keine Lust hatten; in den
Professoren,
Referat-S-Leiterin und
hundete
die
unvergessliche
Viktoria Studenten
Stadlmayer
Restaurants gab es zwar schöne Menükar-
die
ten, aber die angebotenen Speisen gab
Ehre.
es fast alle nicht. „Wir haben nur das...!“ Der Mühe Lohn war – neben einem zwei-
Im ehrwürdigen Grand Hotel am Wenzel-
fellos aus unserer Sicht „aufgebesserten
splatz gab es nur dann und wann heißes
Image“ – die finanzielle Basis für eine
Wasser, denn den kaputten Boiler hatte
Reise in das schöne Prag, wo ja weni-
niemand Lust zu reparieren, und wenn in
ge Jahre zuvor sowjetische Panzer den
der Disko im Keller das Bier ausgegangen
„Prager Frühling“ hinweg gefegt hatten.
war, musste man es selbst im Parterre holen, wo es noch reichlich floss. Denn das
Der Ort war bewusst gewählt, denn „bürgerliche“ wie „linke“ Kollegen waren neugierig auf den „real existierenden Sozialismus.“
28
Bierholen im Stock darüber sah die Arbeitsplatzbeschreibung des Discokellners nicht vor. Und den in der „Bruderrepublik Tschechoslowakei“ auf Urlaub weilenden Mitgliedern einer DDR-Studentengruppe mussten wir erklären, dass im Westen nicht nur die Reichen studieren dürften. Eine
kleine Ahnung davon, was Diktatur und
Gericht zu vertreten. Nicht lange freilich,
Regime bedeuteten, bekamen wir, als ein
denn eines Tages holten sie ihn ab und
Mitglied derselben Studentengruppe mir
sperrten ihn zu Schwerverbrechern in die
heimlich bedeutete, in meinen Äußerun-
Zelle bevor er wegen staatsfeindlicher Be-
gen etwas vorsichtiger zu sein, denn ein,
tätigung zu mehreren Jahren Arbeitslager
wenn nicht zwei Spitzel wären mit Sicher-
verurteilt wurde. Und er erzählte uns unter
heit in ihrer Gruppe. Natürlich tat das alles
Tränen, was er dabei alles erleben muss-
unserer Unterhaltung während der Rei-
te. Die Brutalität der Schergen des Regi-
se keinen Abbruch, die trotz oder wegen
mes, das Dumpfe ihrer sinnlosen Befehle,
der einen oder anderen kleinen Stichelei
die menschenverachtende Erniedrigung!
untereinander zum vollen Erfolg wurde.
Und als er entlassen worden war, durfte er
Wir waren froh, dem real existierenden Sozialismus über die Schulter geschaut zu haben, ja, nach einem Ausflug zur nahegelegenen
seinen Beruf nicht mehr ausüben; seinen guten Sprachkenntnissen und wohl weil man ihn nach der ihm zuteil gewordenen „Umerziehung“ als „geheilt“ einstufte, setzte man ihn als Fremdenführer ein. Die Fröhlichkeit der Gruppe im Gastgarten der Burg war der Betroffenheit gewichen.
Burg Karlstein, der zu Stein gewordenen Geschichte der Rolle Böhmens im Heiligen
Und weil wir uns mit ihm solidarisch zei-
Römischen Reich Deutscher Nation am letz-
gen wollten, kramten wir Kinder des
ten Tag unserer Reise sogar in deren hölli-
Wohlstandes und der Freiheit auf der
schen Schlund geblickt haben zu dürfen!
Rückfahrt nach Prag und dann in die Heimat unsere letzten Schillinge, D-Mark
Vom tschechoslowakischen Fremdenver-
und Lire und Kronen reichlich zusam-
kehrsamt war uns ein Führer beigestellt
men und überreichten ihm einen gut ge-
worden, ein netter, etwa 60jähriger, ergrau-
füllten Hut – voller Westgeld, was seine
ter, freundlicher und exzellent Deutsch
Augen wieder zum Leuchten brachte.
sprechender Mann. Er erzählte uns nach einigen gemeinsamen Gläschen köstlichen
Nun, anschaulicher und authentischer hät-
böhmischen Weins sozusagen in vino veri-
te uns der real existierende Sozialismus
tas sein Schicksal: Er war vor dem Prager
nicht vor Augen geführt werden können.
Frühling Rechtsanwalt in Prag gewesen
Das wussten wir jetzt alle – ausnahmslos!
und hatte sich angeboten, Angeklagte aus der Regierung Alexander Dubčecks vor
Reinhold Marsoner
29
Karikatur zur Wahl Peterlinis zum JG-Chef, Skolast 1977/1, S. 20.
OSKAR PETERLINI ÜBER DAS VERHÄLTNIS JG/SH Im Skolast 1977/1 erschien ein Interview mit dem damaligen Landesjugendreferenten Oskar Peterlini zum Spannungsverhältnis zwischen der Jungen Generation in der SVP und der SH. Knapp 40 Jahre danach haben wir mit ihm über dieses Verhältnis aus seiner heutigen Sicht gesprochen. Herr Peterlini, wir haben Ihnen Ihr
ich auf die kritischen Fragen eigentlich gar
Interview von 1977 vorgelegt – welche
nicht so ungeschickt geantwortet hatte.
Reaktion hat dieses hervorgerufen? Das Interview war nämlich an mich als
30
Als ich das Interview nach nunmehr fast 40
damals neugewählten Jugendchef in der
Jahren gelesen habe, konnte ich nicht an-
Volkspartei gerichtet, nahm aber Aussagen
ders als lauthals darüber lachen. Doch war
gegen die SH zum Anlass, die mein Vorgän-
ich auch ein bisschen stolz darüber, dass
ger Hans Benedikter gemacht hatte. Die
sollte ich nun rechtfertigen. Das habe ich
die im Skolast-Interview zitiert werden. Sie
auch getan. Mit meinem Interview habe
hat auch die damalige Politik beeinflusst.
ich aber auch das Eis gebrochen, weil vorher jede Gesprächsbereitschaft abgelehnt
Eine der prägnantesten Aussagen dazu
worden war.
machte Senator Peter Brugger. Trotz seiner Anti-Paket-Haltung hat Brugger
Trotzdem zeigt es ganz deutlich die Span-
immer eine gemäßigte Linie gefahren,
nung auf. Die SH war damals – vor allem
die Autonomie-Politik der SVP vertei-
von Hans Benedikter und Werner Frick –
digt und die Selbstbestimmung als nicht
als Linksorganisation bezeichnet worden.
gangbar angesehen, mit einer Ausnahme:
Zugleich hat die Volkspartei eine konservative und streng antikommunistische Haltung gefahren. Das muss man in den damaligen geschichtlichen Rahmen einordnen. Im Osten herrschte ein totalitärer Kommunismus und in Italien wuchs die Bereitschaft zur Öffnung gegenüber dem Partito Comunista Italiano (PCI). Diese war ge-
Wenn Italien von den Kommunisten übernommen würde, dann hätte die Stunde geschlagen, das Selbstbestimmungsrecht zu verlangen.
kennzeichnet von dem „großen Handschlag“
Denn da sah er, Brugger, die Gefahr, dass
zwischen dem PCI-Sekretär Enrico Berlin-
Autonomie und Minderheitenrechte un-
guer und dem Präsidenten der Democrazia
terdrückt würden. Tatsächlich war der
Cristiana (DC) Aldo Moro, im Juni 1977.
Kommunismus, wie er damals in Russland praktiziert worden ist, minderheitenfeindlich und autoritär. Berlinguer
Können Sie das für unsere jüngeren Leser
wollte sich eh davon distanzieren, aber
näher erläutern?
die Angst beruhigte das nicht. Der Sowjetkommunismus war nicht das, was Karl Marx
Gerne: Die DC herrschte damals seit 30 Jah-
und andere mit der Befreiung und Vertretung
ren unangefochten, hatte aber die Verfol-
der Arbeitermassen, der sozialen Gerech-
gung des PCI im Rücken. Dieser war 1976
tigkeit und der Gleichheit erträumt hatten.
imstande, knapp an das Ergebnis der DC heranzukommen, welche die Gefahr im Na-
Es ist dann aber nicht dazu gekommen. Die
cken spürte, überholt zu werden. Bei einer
USA befürchteten einen Verlust des NATO-
späteren Europawahl war das auch der Fall.
Landes Italien an den Osten, die Sowjets ein
Der sogenannte „sorpasso“, die Überho-
Abrücken der italienischen Kommunisten von
lung, bei Parlamentswahlen hätte Italien in
Moskau und eine Annäherung an die USA,
die Hände des PCI gebracht. Die Angst vor
die radikalen Linkskräfte in Italien eine Auf-
dem verpönten Russland-Kommunismus
weichung des Kommunismus. Auf dem Altar
kommt auch in den Aussagen meines Vor-
des angestrebten historischen Kompromis-
gängers Hans Benedikter zum Ausdruck,
ses wurde 1978 Aldo Moro selbst geopfert.
31
Peterlini (uunten rechts) in Erwartung der Wahl, JG-Landeskongress am 20. November 19761
In der SH hat es nach der Präsidentschaft
te. Die JG wurde allerdings eine kräftige,
von Luis Durnwalder (1966), beginnend
kritische Stimme innerhalb der SVP. Wir
mit seinem Nachfolger Otto Saurer, eine
haben uns auch erfolgreich für die Ju-
Wende in der Ausrichtung des Vereins
gend durchgesetzt. Man denke nur an das
gegeben. Wurde die JG als Reaktion da-
Jugendförderungsgesetz, aus dem heute
rauf gegründet, dass die linken Kräfte
die gesamte Jugendarbeit finanziert wird.
in der SH die Oberhand über die konservativen Kräfte bekommen haben?
Aber außerhalb hat es keine oppositionelle Meinung gegeben. Auch hier muss ich
Die JG wurde gegründet, um die damalige
rückblickend sagen, gottseidank hat es die
Politik auch für die Zukunft abzusichern.
SH gegeben! Kritik tut immer gut und hilft,
Und wir Jungen wollten diese mitgestal-
die eigene Politik ständig zu überprüfen.
ten und auf die Anliegen der Jugend und
Aber auch die SVP-Jugend war nicht so
der Zukunft ausrichten. Die Volkspartei
konform, wie man sie gerne haben wollte.
war zu der Zeit ein monolithischer Block.
Schon Hans Benedikter war 1970 gegen
Es hat zwar Abspaltungen gegeben, wie
den Willen der damaligen Führung zum
z.B. anfangs der 70er Jahre jene von Hans
Jugendchef gewählt worden. Als er mich
Dietl. Diese erfolgte aber aus ganz ande-
dann 1972 als Landesjugendsekretär vor-
ren Gründen, nämlich weil er, Dietl, trotz
schlug, löste er heftige Diskussionen aus,
der Paketannahme im Parlament gegen
sowohl in der Landesjugendleitung als
das neue Autonomiestatut gestimmt hat-
auch in der Parteileitung. Es gab große Be-
1 Quelle: Oskar Peterlini.
32
denken, dass ich als „Langer-Schüler“ (in
vorgeworfen hat, und dass zum Schluss
der Oberschule) eine falsche Ideologie ein-
die
eigene
Identität
verloren
ginge.
schleusen könnte. Die größten Vorbehalte brachte eine einflussreiche Persönlichkeit
Wie stark war diese Befürchtung begrün-
in einem langen Brief an die Parteileitung
det, wie hat sie sich realisiert?
vor, in dem ich in den bedenklichsten Farben beschrieben wurde. Er erinnerte unter
Die Befürchtung war begründet, wenn
anderem daran, dass ich an den Studen-
man das Schicksal anderer Minderhei-
tenprotesten gegen den Ausschluss von
ten betrachtet. Aber dank des kulturellen
Mitschülern von der Matura beteiligt war.
Selbstbewusstseins hat sich das glatte Gegenteil entwickelt. Ich kann mich noch
Die Partei- und die Landesjugend-Leitung
gut an die Vorbehalte erinnern, vor allem
waren mutiger als gedacht und haben mich
uns Unterlandlern gegenüber. Bei einer
trotz dieser schwerwiegenden Warnung
Versammlung im Ahrntal sagte mir einst
genommen. Ich habe dann meine eigene
ein Bauer: „Jo jo, es Unterlandler, jo na, do
Linie eingebracht, aber doch im Geiste je-
konn man olls vergessen, ihr seids ja eh
ner Zeit. Im Geiste jener Zeit hieß, dass man
lei mehr olles Italiener do unten und die
die Werte der Freiheit, der Kultur und Spra-
meisten können jo gor nimmer Deitsch.“
che und der Minderheitenrechte vertrat.
Ich habe ihm geantwortet: Es stimmt, dass
Damals war diese Volkstumspolitik noch von der Angst geprägt, die Minderheit könnte die eigene Kultur und Sprache verlieren.
es schwierig ist. Wir bieten im Sommer für die deutschen (!) Schüler sogar Deutschkurse an, weil die deutsche Sprache effektiv Gefahr lief verloren zu gehen und die Kinder in den Pausen immer mehr italienisch redeten. Aber das hat sich radikal geändert. Die deutsche Volksgruppe hat sich im Unterland und in Südtirol als der
Es war die gleiche Zeit, in der Kulturlan-
stärkere kulturelle Träger erwiesen. Das
desrat Toni Zelger den umstrittenen Satz
zeigt sich auch darin, dass die Italiener
geprägt hatte: „Je besser wir trennen,
sich verstärkt in das deutsche Vereins- und
desto besser verstehen wir uns.“ Er wur-
Dorfleben einbringen und dass die deut-
de scharf dafür kritisiert. Allerdings sollte
sche Gemeinschaft, mit ihrem starken so-
man auch verstehen, welche Sorge da-
zialen Netzwerk, auch sozialpolitisch stär-
mit zum Ausdruck kam, nämlich die Sor-
ker geworden ist und nicht umgekehrt. Im
ge, dass eine kleine Minderheit in einem
Unterland, in dem die Italiener schon seit
fremden Staat langsam, langsam assimi-
Jahrhunderten leben, kann man das auch
liert würde, oder, wie man damals [in An-
bei den vielen italienischen Schreibnamen
lehnung an die Situation im französischen
von überzeugten Südtirolern erkennen.
Elsass, Anm. d. Red.] sagte, „verelsässert“ werden könnte. Zelger befürchtete, dass
Die Autonomie hat diese Entwicklung
sich die Jugendlichen zuerst in den Schul-
gekräftigt. Und deshalb bin ich überzeugt,
höfen mit den Italienern vermischen,
dass die Zeit gereift ist, sich ohne Angst
dann heiraten und dann „Krautwalsch“
zu öffnen.
reden würden, wie man uns im Unterland
33
Bei den Parlamentswahlen in den vergan-
Auftrag, den ich von allen Volksgruppen
genen Jahren standen Sie, Herr Peterlini,
erhalten hatte, als eine große Bereiche-
für alle Volksgruppen!
rung und hoffe, dass dies auch in Zukunft jemandem gelingt. Einfach nur bei den
Ja, interessanterweise war dann ausgerech-
Italienern mit italienischen Plakaten Stim-
net ich es, der vor fast 40 Jahren eine eher
men zu holen, wie es sonst geschieht, finde
zurückhaltende Linie vertreten hatte, der
ich nicht ganz ehrlich. Besonders Bozen als
für eine Öffnung eingetreten ist. Ich wurde
Landeshauptstadt sollte das Experiment
2001 als gemeinsamer Kandidat von der
aufgreifen. Dann würde die Stadt regierba-
SVP und dem Mitte-Links Bündnis für den
rer und das Zusammenleben fruchtbarer.
Wahlkreis Bozen Unterland für den Senat aufgestellt. Der Wahlkampf war ein Wag-
Wie war damals die Wahrnehmung der
nis und eine Herausforderung. Niemand
SH? Wurde sie als richtige politische Grö-
konnte voraussehen, wie so eine Kandida-
ße wahrgenommen bzw. hat sie gewis-
tur aufgenommen werde, ob besonders die
sermaßen eine „außerparlamentarische
Italiener mich akzeptieren würden. Die Be-
Fraktion“ gebildet?
völkerung im Wahlkreis ist zu zwei Drittel italienisch. Ich wurde glänzend gewählt,
Ja, das kann man so sagen, weil es auf
von Italienern, Deutschen und Ladinern,
der Partei-Ebene keine kritische alter-
dreimal mit durchschlagendem Erfolg, bis
native
zu meinem freiwilligen Ausstieg. Das war
gegeben hat. Deshalb hat die Studenten-
eine bahnbrechende Neuerung. Dabei
organisation – was ich heute mehr als
habe ich bei italienischen Versammlungen
richtig finde – diese Rolle wahrgenommen.
Stimme
zur
Mehrheits-Politik
oft hart diskutiert, aber niemals eine für die Südtiroler wichtige Position aufgegeben.
Damals
Ich konnte den Wahlkreis der Rechten von
Benedikter kritisiert, dass in der SH ein
Alleanza Nazionale entreißen. Ich empfand
Überhang an Stimmen aus dem Links-
die Begegnungen im Wahlkampf und den
lager zum Ausdruck kam. Beim Interview
vor
40
Peterlini beim JG-Landeskongress am 20. November 1976 im Waltherhaus Bozen.2 2 Quelle: Oskar Peterlini.
34
Jahren
hatte
Hans
mit mir rechtfertigte das der Fragestel-
im Skolasten geschrieben haben – die
ler damit, dass es sich dabei nur um die
Notwendigkeit erkannt, gegen die mo-
Artikelschreiber im Skolasten handeln
nolithische Einheitsmeinung in Südtirol
würde, und dass damit nicht unbedingt die
vorzugehen und diesen Block aufzubre-
Linie der SH charakterisiert werden könne.
chen. Es gehört zum Privileg der Jugend,
Diese
Florian
dergleichen auch in überspitzter Form zu
Kronbichler aufs Korn. In einem Artikel,
tun. Rückblickend bin ich für jede kritische
der auf der gleichen Seite mit meinem
Stimme dankbar, die zu einer lebendigen
damaligen Interview erschien, meinte er
Demokratie beigetragen hat und heute
sinngemäß:
beiträgt. Es ist nicht gesund für ein Land,
Rechtfertigung
nahm
„Was jammerts denn, dass ihr von denen beschuldigt werdet? Seids doch stolz darauf!“
wenn nur eine Meinung vorherrscht und wenn andere Meinungen nicht zugelassen oder an die Wand gedrückt werden. Vor allem in den 1970er Jahren waren viele JG-Mitglieder auch gleichzeitig SH-Mit-
Ich finde diese Aussage Kronbichlers
glieder und auch bei der SH bzw. den Au-
besonders treffend.
ßenstellen aktiv. Wie war das bei Ihnen?
Heute stellt es sich so dar, als ob es da-
Ich hab zu dieser Zeit studiert. Weil sich
mals Riesenkonfrontationen und Gräben
mein Studium durch die politische Tätigkeit
zwischen den Lagern JG und SH gegeben
verzögert hat, habe ich dann auch darauf
hätte? War es damals vielleicht auch so,
verzichtet, wieder als JG-Chef zu kandi-
dass bewusst überspitzt und polarisiert
dieren und habe dann, gottseidank, mein
wurde, um zu provozieren?
Studium abgeschlossen. Ich war – glaube ich – bei der SH auch eingeschrieben,
Stand man sich wirklich so unversöhnlich
aber nicht aktiv, weil ich ja bei der Jungen
gegenüber oder gab es doch viele Schnitt-
Generation war. Ein bisschen gegenseitige
punkte und gemeinsame Anliegen, bei
Eifersucht gab es damals schon. Es ging
denen man zusammengearbeitet hat? Die
darum, wer den größeren Zuspruch der
Jugendanliegen vertraten wir gemeinsam,
Jugend bekommt. Wir waren sehr aktiv,
später auch im Jugendring. Es gab aber
praktisch Tag und Nacht unterwegs. Heute
schon einen politischen Trennungsstrich.
macht man Politik hauptsächlich mit Inter-
Wahrscheinlich haben viele Studenten –
views, mit Fernsehauftritten und Medien-
oder mindestens diejenigen, die aktiver
mitteilungen. Damals lief weniger über die
35
Medien, man ist von Dorf zu Dorf gegangen
Er schrieb damals einen Brief an die Par-
und hat sich den Fragen der Bevölkerung
teileitung, in dem er die Befürchtung aus-
bzw. der jungen Leute gestellt. Ich bin, wie
drückte, dass wir damit die Katholische Ju-
auch meine Vorgänger und Nachfolger, prak-
gend aushöhlen würden – was aber nicht
tisch in jedem Dorf Südtirols aufgetreten.
die Absicht war! Magnago hat mich dann
Zu meiner Zeit hatten wir 15.000 Mitglieder
zu sich geholt und mir gesagt, „Jo, passts
in der JG und eine entsprechende politische
da a bissl auf“. Ich war selbst auch bei der
Durchschlagskraft. Als ich 1976 zum JG-Chef
Katholischen Jugend, war Jungscharfüh-
gewählt worden bin – übrigens in ehrenhaf-
rer und hatte darin kein Problem gesehen.
ter Konkurrenz zu Werner Frick – waren der
Aber dieses Konkurrenzdenken war sicher-
Walthersaal und der Balkon gerammelt voll
lich einer der Gründe fürs Aufeinander-
– so erfolgreich war unsere Organisation.
prallen JG-SH: Wer kriegt die Jugend? Und
Dass das die anderen Organisationen gestört hat, war verständlich. Dazu gehörte nicht nur die SH. Auch der Bischof äußerte seine Sorge.
wir haben sie damals wirklich gekriegt. Und Sie sind dann auch in den Landtag gewählt worden? Ja, zuerst 1972 Hans Benedikter ins Parlament, und ich 1978 als Jüngster in den Landtag. Von den 21 Volkspartei-
Peterlini mit Landeshauptmann Silvius Magnago, Veranstaltung zu 20 Jahre Sigmundskron, 17. November 1977.3
3 Quelle: Oskar Peterlini.
36
lern bin ich an elfter Stelle gelandet und
hat, eine fachgerechte Beratung findet.
habe dabei einige große Namen wie
Aber zweitens würde ich eine kritische
z.B. den Landesrat Zelger hinter mir ge-
politische Stimme nicht gerne vermissen.
lassen – so effizient war die JG damals.
Es ist das Privileg der Jugend, auch einmal über die Schnur zu schlagen und scharf
Wie sehen Sie das Vergangene aus heuti-
in bestehende Strukturen einzugreifen
ger Sicht?
und zu kritisieren. Das getruen sich viele nicht mehr, wenn sie auf ihren Beruf, ihre
Es gibt ja jetzt zig andere Verbände
Karriere oder auf eine mögliche Unter-
und Organisationen im Jugendbereich.
stützung Rücksicht nehmen müssen. Und
Damals war die einzige studentische
dieses Privileg der studierenden Jugend
Alternative zur SH die Gruppe von
und diese kritische Stimme braucht Süd-
Christian Waldner, die „JES“. Aber das habe
tirol. Deswegen wünsche ich euch, dass
ich, trotz meiner engen Freundschaft, nicht
beide Seelen der SH weiterhin voll auf-
so goutiert, da war ich eher verschlossen,
leben und sich entfalten mögen: sei es die
mir war die Organisation zu rechts.
sachliche Beratung und Hilfe, als auch die kritische gesellschaftspolitische Stimme,
Ich sehe die Rolle einer Studenten-
die Südtirol auch in dieser Zeit unbedingt
organisation
hauptsächlich
braucht, in der es immer noch eine ganz
in zweierlei Hinsicht: Einmal und in
starke Partei und eine total zersplitterte
erster Linie: Die sachliche Vertretung
Opposition gibt. Neue Gedanken und neue
und Beratung der Studenten. Das macht
Zukunftsvorstellungen und Werte können
ihr in einer ausgezeichneten Weise, in
nur von der Jugend kommen. Diese müs-
einem gut ausgerüsteten Büro und mit
sen mutig vertreten werden, so wie es die
qualifiziertem Personal. Das ist sehr
SH auch damals gemacht hat, auch wenn
wichtig, da ein junger Mensch, der sich
ich nicht immer damit einverstanden war.
heute
im Studium orientieren will, und verschiedene Schwierigkeiten und Fragen
Danke für das Gespräch.
37
Als man noch per Telegramm miteinander kommunizierte… 1
MANUEL RAFFIN ÜBER DAS VERHÄLTNIS JG/SH 35 Jahre später waren die früheren Reibereien kein Thema mehr. Wir haben nach dem Inteview mit Peterlini auch mit dem ehemaligen JG-Chef Manuel Raffin gesprochen. Wie hat sich zur Zeit deines JG-Vorsitzes
Ideen weitergebracht und realisiert wer-
die Zusammenarbeit mit der SH gestaltet?
den. Auch mit der Südtiroler Hochschüler-
Gab es von Seiten der SVP-JG Vorbehalte
Innenschaft haben wir uns öfters zu
gegenüber einer solchen Zusammen-
verschiedenen
arbeit, und wenn ja, aus welchen Gründen?
Die Zusammenarbeit war sehr gut. Es
Themen
ausgetauscht.
gab inhaltlich zu verschiedenen PunkIch war von 2010 bis 2014 Landesju-
ten keine Differenzen. In meiner Zeit
gendreferent der SVP Jugend. In dieser
als Vorsitzender gab es auch intern in
Zeit haben wir verschiedene jugendpoli-
der JG keine Vorbehalte einer solchen
tische Themen auf das Parkett gebracht.
Zusammenarbeit mit der SH. Im Gegen-
Wir
Stamm-
teil wir versuchten den Kontakt mit der
tischrunden, Themenabende und haben
SH aufrechtzuerhalten, zu intensivieren
uns kritisch zu Themen geäußert. Zudem
und bei Themen, die wir teilen, mitei-
haben wir uns ständig mit Vertretern und
nander aufzutreten, wie zum Beispiel
Entscheidungsträgern getroffen, um un-
bei den Themen Studientitelanerken-
sere Vorstellungen und Ideen weiterzu-
nung, die Berufsberatung, das Abo+,
bringen. So konnten einige Themen und
die Zweisprachigkeit und viele mehr.
organisierten
Aktionen,
1 SH-Archiv, Südtiroler Landesarchiv
38
Umgekehrt gefragt:
Hast du damals
und Anliegen aller Studenten einsetzt und
bei den Treffen mit den SH-Vertreter-
diese Aufgabe nimmt die SH sehr gut wahr.
Innen
Ressentiments
deiner
gegenüber
Jugendorganisation
verspürt?
Wie siehst du die aktuelle und künftige
Zusammenarbeit
zwischen
JG
Nein, überhaupt nicht. Wir hatten im-
und SH? Derzeit bekommt man sich
mer
ja nicht mehr so oft zu Gesicht...
ein
offenes
Ohr
und
konnten
uns auch bei Fragen oder Anregungen bei der SH melden und konnten
Seit April 2014 gibt es eine neue
Themen
JG-Führung. Wir haben uns damals oft
gemeinsam
weiterbringen.
zu verschiedenen Themen und uns unter Entgegen ihrem österreichischen Pen-
anderem auch mit dem EU-Abgeordneten
dant, der ÖH, versteht sich die SH nicht
Herbert Dorfmann getroffen. Auch eine
als Vorfeldorganisation politischer Par-
gemeinsame Pressekonferenz über die
teien. Wird die SH, aus Perspektive des
Berufsberatung haben wir damals mit dem
Parteimitgliedes Manuel Raffin, ihrem
SH-Vorsitzenden Stephan Kerschbaumer
Anspruch gerecht, die Interessenvertre-
organisiert. Wie die aktuelle Zusammen-
tung aller Studierender - unabhängig von
arbeit mit der SH aussieht, kann ich nicht
deren politischen Einstellung - zu sein?
beurteilen, da ich nicht mehr zum Führungsteam gehöre. Meiner Meinung nach
Die SH ist die starke Stimme der Studie-
sollte die JG verstärkt – auch zum Wohle
renden und das soll sie meiner Meinung
aller SchülerInnen und Studierenden – mit
auch bleiben, unabhängig von der poli-
der SH zusammenarbeiten und zu verschie-
tischen Einstellung. Sie ist die Lobby der
denen Themen gemeinsame Aktionen
Studierenden, die sich für die Interessen
organisieren oder Ideen weiterbringen.
Manuel Raffin (l.) mit Stephan Kerschbaumer (SH-Vorsitzender 2011-2013)
39
SH-Ausschusssitzung 1979 1
Günther Pallaver IM GESPRÄCH Der Politologe Günther Pallaver war von 1977 bis 1979 Vorsitzender der SH und prägte dabei eine Epoche der SH-Geschichte. Zudem fungierte er als Aufsichtsrat und presserechtlich Verantwortlicher für den Skolasten - nicht zu vergessen seine zahlreichen Auftritte als Moderator und Vortragender bei Veranstaltungen. Wir haben mit der „SH-Allzweckwaffe“ geratscht. Zur Wahl zum Vorsitzenden: Pallaver: Damals hat es in Innsbruck
nehmen könnte, und ich glaube, ich bin
einen Arbeitskreis Literatur gegeben.
wegen einer Stimme zum SH-Vorsitzenden
Und wir wollten die verstaubte Literatur-
gewählt worden. Nach dreißig Jahren kann
szene in Südtirol etwas aufmöbeln. Bei die-
man es ja sagen: wir haben noch schnell
sem Arbeitskreis waren auch Hans Heiss,
zwei, drei Ortsgruppen (z.B. in Turin und
Peppi Tinkhauser und einige andere. Und
in Mailand) gegründet, damit wir eine
über den Arbeitskreis bin ich dann zur SH
Mehrheit erreichen. Die Wahl habe ich
gekommen, da war ich schon das zweite
jedenfalls gewonnen – beim zweiten Mal
Jahr an der Uni. Es hat auch schon ziemliche
bin ich dann haushoch gewählt worden.
Auseinandersetzungen gegeben zwischen den „Linken“ und den „Rechten“. Dann
Zur Arbeit als SH-Vorsitzender
ist die Renate Mumelter SH-Vorsitzende
Pallaver: Bei uns war jeden Freitag Sitzung.
geworden, 1976, und hat mich gefragt, ob
Da ist immer ewig lang diskutiert worden
ich nicht ein Referat übernehmen möchte.
und es gab immer was zu tun. Ich hatte kei-
Renate hat nach dem ersten Jahr nicht
ne Zeit mehr zu studieren, da ist an jedem
mehr weitergemacht als Vorsitzende. So
Tag etwas gewesen. Man musste immer
haben sie mich gefragt, ob ich das über-
Präsenz zeigen.
1 Quelle: Günther Pallaver
40
Es hat aber auch die lukullischen Seiten ge-
ne. Dann haben wir gesagt: „Mehr als vier
geben – wir sind auch viel herumgefahren.
Wochenstunden im Jahr, das geht nie.
In den steirischen Herbst sind wir gefahren,
Zwei Lehrveranstaltungen, maximal.“ Die
dann nach Italien hinunter – Florenz,
haben sich gar nicht ausgekannt (lacht).
Padua, Bologna – sind wir die Ortsgruppen besuchen gegangen. In den
Aber ich muss auch sagen, das Kulturasses-
zwei
habe
sorat und speziell Landesrat Anton Zelger
ich keine einzige Prüfung abgelegt.
waren, bei allen Konflikten und Kontrover-
Jahren
als
Vorsitzender
sen, auch sehr loyal mit uns. Über die SH-Finanzen Pallaver: Als Vorsitzender habe ich ein-
Zu den Lagern „Links“ und „Rechts“ in
mal im Jahr alle Außenstellen besucht.
der SH
Die wichtigste Fahrt war aber jene nach
Pallaver: Mit dem Vorsitzenden Otto Saurer
Wien, weil da ist es ums Kleingeld ge-
(Vorsitzender 1966–67) gab es den ersten
gangen beim Herrn vom Ministerium. Das
Bruch, ein leichter, aber es war schon ein
Kulturinstitut hat uns die Räumlichkeiten
Bruch mit der Vergangenheit. Es hat mit
im Waltherhaus gegeben und etwas das
ihm, Hellmuth Ladurner (1968), und Sepp
Land für die italienischen Außenstellen,
Kusstatscher (1973–74) eine Öffnung ge-
die Hauptförderung gab es aber von Wien.
geben. Es hat dann in der SH wirklich harte Auseinandersetzungen gegeben. Das war
Über die Stipendien
natürlich die Zeit: 1976, die KPI hat in Ita-
Pallaver: Die Stipendien des Landes wur-
lien einen großen Wahlerfolg erzielt, und
den erst gegen Ende der 1970er einge-
auch die sozialdemokratischen Parteien in
führt. Das war eine große Umstellung. Bis
Südtirol sind stärker geworden, also es hat
dahin hatte das Südtiroler Kulturinstitut
da eine Aufbruchstimmung gegeben. Im
die
Stipendiengelder
Zuge dieser Stimmung hat sich die SH auch
verteilt und die SH-Ortsgruppen fungier-
stark positioniert. Sie war so eine Sam-
ten als Zuarbeiter. Jeder einzelne Antrag
melpartei der Linken, von den Sozialde-
wurde vom Leiter des Kulturinstitutes,
mokraten bis zur außerparlamentarischen
Josef Waldthaler, geprüft. Er hat sich zwar
Linken, es hat auch einige Liberale gege-
immer lamentiert, aber letztlich war er
ben, also ein großes Sammelbecken gegen
immer sehr milde mit jenen, die nach
den Konservatismus, gegen die Südtiroler
x-Jahren immer noch nicht fertig waren
Volkspartei. Es hat da sehr harte ideologi-
und wieder um ein Stipendium angesucht
sche Auseinandersetzungen gegeben. Es
haben. Er war eigentlich ein Partisan auf
hat so eine Art Glocke gegeben, darunter
der Seite der Studierenden. Er pflegte z.B.
hast Du keine Luft bekommen, um es sym-
bei Studenten aus dem Bauernstand zu
bolisch auszudrücken und alles was ein
fragen: „Wo ist denn der Hof, Sonnenseite
bisschen außerhalb der Norm gewesen ist,
oder Schattenseite?“
ist sofort kritisiert geworden.
österreichischen
„Ja schattenseitig.“ „Ja dann geben wir es ihm noch einmal.“
Wir haben natürlich auch Themen aufge-
Es hat damals wirklich Leute gegeben, die
griffen, die damals tabu gewesen sind:
30 Semester studiert haben, weil es ja
Wir haben uns eingesetzt für die Univer-
fast keinen Leistungsnachweis gebraucht
sität und haben dafür ständig eine über
hat. Als das Land die Zuständigkeit be-
die Rübe bekommen. Als in Österreich das
kam, wollte man von uns wissen, was als
Gleichstellungsgesetz für die deutsch-
Leistungsnachweis verlangt werden kön-
und ladinischsprachigen Südtiroler auf
41
bestimmten
Verwaltungsgebieten
ver-
Das Gegenlager war natürlich die Volks-
abschiedet wurde, haben wir uns einge-
partei, die junge Generation. Die haben
setzt, dass auch die italienischsprachigen
das Motto von der CSU übernommen, also
Südtiroler gleichgestellt werden. Ich bin mit meinen Kollegen nach Wien zum Parlament gefahren, wir wollten auch mit Bundeskanzler Bruno Kreisky sprechen, sind aber nur bis zum Sekretär gekommen. Wir haben eine Kampagne gemacht
„Freiheit statt Sozialismus“. Wir haben das sofort umgewandelt in „Freizeit statt Sozialismus“.
und Unterschriften gesammelt. Ich glau-
Ich kann mich noch gut an unser Treffen
be, der ehemalige Bundespräsident Heinz
mit der KPI erinnern: Eine Delegation mit
Fischer hat damals auch unterschrieben
Armando Cossutta an der Spitze ist zu uns
für uns. Jedenfalls, das waren so unsere
ins Waltherhaus gekommen und da sind
Themen, vor allem eine kulturelle Öffnung
wir schon am Anfang ein wenig skeptisch
war wichtig für uns.
geworden, weil er gesagt hat: „Das Südtirol-Problem wird sich lösen, auf biologische Weise.“ Das hat uns nicht gefallen. Minderheitenrechte standen natürlich für uns außer Frage und dass da einer kommt und sagt, das wird sich durch die Vermischung der Ehen von selbst lösen, das ist uns stark aufgestoßen. Jedenfalls war das die Zeit des starken Antikommunismus, die JG hat ja ihre ganze Politik auf den Antikommunismus aufgebaut gehabt und nachdem die Delegation bei uns gewesen war, hat es gegen uns eine massive Kampagne gegeben, vor allem von Seiten der Dolomiten. Wir haben natürlich keine Möglichkeit gehabt, unsere Stimme gleichgewichtig zu erheben, weil wir kaum einen Zugang zur Öffentlichkeit gehabt haben, außer über die RAI und das Deutsche Blatt beim Alto Adige. Die RAI hat uns sehr privilegiert behandelt, da haben auch einige Ex-SHler gearbeitet, wie Gottfried Solderer, Gerhard Mumelter oder Gerd Staffler. Dann haben wir überlegt, ob es nicht möglich sei, unsere Meinung über einen offenen Brief kund zu tun, wo wir sagen: „Es kann nicht sein,
SH-Karikatur im „Profil“, April 1979.
42
dass andere Meinungen so niedergemacht
werden.“ Dann haben wir einen Brief auf-
vor das Kurhaus in Meran gestellt und den
gesetzt und ihn von möglichst vielen un-
Brief allen in die Hand gedrückt, die zur
terschreiben lassen, die ein gewisses Pres-
Landesversammlung gegangen sind. Den
tige gehabt haben, und daraus entstand
Brief haben wir zusätzlich in den größten
dann irgendwie so ein Schneeballeffekt.
Zentren Südtirols verteilt.
Auf diesem Weg haben wir Leute erreicht wie den Otto Saurer, den Hans Widmann,
Bei unserer Presseschau haben wir dann
Claus Gatterer und andere, die unterschrie-
gemerkt, dass wir in Italien, Österreich
ben haben, und das war natürlich wichtig.
und Deutschland praktisch in jeder großen
Das einzig wirklich strategisch Durchdach-
Zeitung vorgekommen sind. Die Tageszei-
te, was wir gemacht haben war, dass wir
tung Dolomiten hingegen hat wochenlang
die Landesversammlung der Volkspartei
gar nichts geschrieben, weil auch Volks-
abgewartet haben, weil wir wussten, da
parteiler den Brief unterschrieben hat-
haben wir ausländische Journalisten da.
ten. Und das war unser Glück, denn dann
Wir haben also den Brief vervielfältigt, uns
hat es auch innerhalb der Volkspartei eine
„Brief der 83“, Skolast 1978/3, Cover.
43
Arch. Zeno
ABRAM
Architekt
Josef
PERKMANN
Gewerkschafter
Dr. Günther
ANDERGASSEN
Schulleiter
Fritz
PESENDORFER
ÖH-Vorsitzender
Dr. Werner v. AUFSCHNAITER
Landesbeamter
Franz
PICHLER
Maler
Elisabeth
Journalistin
Karl
PLATTNER
Maler
Dr. Siegfried BAUR
Schuldirektor
Robert
PÖDER
Journalist
Dr. Luis
Oberschullehrer
Krista
POSCH
Rundfunksprecherin
Dr. Alexander BRENNER-KNOLL Oberschullehrer
Arch. Paul
PREIMS
Architekt
Dr. Oktavia
BRUGGER
Journalistin
Alrun
PRÜNSTER
Malerin/Soziologin
Dr. Hansjörg
DELL‘ANTONIO
PSENNER
Assistent d. Österr. Akademie
BAUMGARTNER BENEDIKTER
Landesbeamter
Dr. Roland
Dr. Siegfried DE RACHWILTZ
Autor
der Wissenschaften
Willi
ERSCHBAUMER
Landtagsabgeordneter
Dr. Oskar
PUTZER
Universitätsassistent
Walter
FILL
Journalist
Dr. Konrad
RABENSTEINER
Autor
Dr. Eduard
FLEISCHMANN
Universitätsassistent
Klaus
RAINER
Regisseur
Alfred
FREI
Parteisekretär
Birgid
RAUEN
Autorin
Arch. Walter
GADNER
Architekt
Klaus
REIDER
Gewerkschafter
Arch. Paul
GAMPER
Architekt
Robert
RIENZNER
RAI-Angestellter
Prof. Claus
GATTERER
Publizist
Dr. Otto
SAURER
Vize-Direktor des Insituts
Jörg
HOFER
Maler
für Geförderten Wohnbau
Dr. Elisabeth HÖGLINGER
Oberschullehrerin
Matthias
SCHÖNWEGER
Maler/Autor
Michael
Bildhauer
Dr. Rainer
SEBERICH
Schuldirektor
Dr. Reinhold HUBER
Arzt
Dr. Max
SILLER
Universitätsassistent
Dr. Reinhold JANEK
Mittelschullehrer
Benno
SIMMA
Gewerkschafter
Albert
JANUTH
Parteisekretär
Dr. Anton
SITZMANN
Bibliothekar
Dr. Egmont
JENNY
Landtagsabgeordneter
Gottfried
SOLDERER
Journalist
Norbert C.
KASER
Autor
Gerd
STAFFLER
Journalist
Roland
KRISTANELL
Autor
Luis Stefan
STECHER
Maler/Autor
Dr. Florian
KRONBICHLER
Beamter
Dr. Leopold
STEURER
Oberschullehrer
Dr. Hellmuth LADURNER
Landesbeamter
Emil
STOCKER
Parteisekretär
Dr. Franz
HÖLLRIGL
Oberschullehrer/Gewerkschafter
Josef
STRICKER
Arbeiterpriester
Dr. Hartmuth LINDENMEYER
Pastor
Hubert
STUPPNER
Musiker
Franco
MARINI
Regisseur
Dr. Walter
TAPPEINER
Oberschullehrer
Gottfried
MASONER
Maler/Musikkritiker
Dr. Arno
TEUTSCH
Bankgewerkschafter
Albert
MAYR
Musiker
Markus
VALLAZZA
Maler
Dr. Renate
MEYER
Biologin
Arch. Roland VENERI
Architekt
Gerhard
MUMELTER
Mittelschullehrer/Journalist
Dr. Otto
VINATZER
Rechtsanwalt
Gudio A.
MUSS
Bildhauer
Oswald
WALDNER
Autor
Dr. Konrad
NEULICHEDL
RAI-Angestellter
Karin
WELPONER
Malerin
Dr. Fritz
NEUMAIR
Arzt
Hans
WIDMANN
Gewerkschafter
Dr. Siegfried NITZ
Oberschullehrer
Dr. Hans
WIELANDER
Oberschullehrer
Heidrun
OBEREGGER
Malerin
Dr. Otto
WUNDERER
Oberschullehrer
Trude
OBEREGGER
Malerin
Joseph
ZODERER
Autor/Journalist
Volker
OBEREGGER
Musiker
Arch. Oswald ZÖGGELER
Kurt
PARDELLER
RAI-Angestellter
LANTHALER
Architekt
Unterzeichner des Briefes der 83, Skolast 1978/3, S. 16.
44
Reflexionsphase gegeben. Zum Beispiel
Zur Funktion des Skolasten
sagte Erich Achmüller: „Wir können nicht
Pallaver: Der Skolast war früher ein ganz
die SH verlieren, weil wir dann die kultu-
wichtiges Organ. Ich kann mich erinnern,
rellen Eliten verlieren, man muss mit denen
dass jede Ausgabe vom Skolasten von
reden.“ Das war einfach ein Prozess und
der Wiener Presse rezensiert wurde, weil
das hat dann auch ein bisschen die ganze
es ja auch sonst außer der Tageszeitung
Sache gedämpft, also im Sinne von diesen
Dolomiten kaum etwas gegeben hat. Da
Auseinandersetzungen und die JG hat dann
hat es schon Polemiken gegeben, wenn ein
auch irgendwann einmal Ruhe gegeben.
Interview mit einem Oppositionspolitiker
gemacht wurde, heute eigentlich völlig un-
wir ja auch zusammen zur Schule gegan-
denkbar so etwas.
gen. Bei aller Aggression politischer Art hat es daher immer einen zivilen Umgang
Wir sind dann vom Pluralismus zu eher
gegeben. Wie ich beim Deutschen Blatt
harten linken Positionen übergegangen
des Alto Adige angefangen habe, rufe ich
und die Volkspartei hat Angst gehabt, dass
zum ersten Mal Luis Durnwalder an und als
ihnen die Eliten entgleisen. Das hat natür-
ich meinen Namen nannte, sagte er:
lich Spannungen erzeugt und Konflikte, die
„Ah, wir sind in derselben Ahnengalerie“.
sich in der der medialen Berichterstattung
„Wie?“ frage ich.
niedergeschlagen haben. Die Dolomiten
„SH-Vorsitzende!“.
hat uns jede Woche eins ausgewischt. Mein Vater war ein guter Freund vom alten
Über die Rolle der SH heute
Toni Ebner. Ich bin am Freitag immer nach
Pallaver: Ich glaube nach wie vor, dass die
Hause gekommen. An der Ecke des Tisches
SH eine wichtige Einrichtung ist. Nicht nur
hat mein Vater immer die Dolomiten auf-
ein Verein wie viele andere Vereine, weil sie
gestapelt und die entsprechenden Passa-
trotzdem ein Netzwerk ist, wo die Studen-
gen angezeichnet gehabt. Er hat nie etwas
ten und Studentinnen einen Bezugspunkt
gesagt, aber immer nur gezeigt: Da! Er war
haben und wo auch durch den Skolast neue
solidarisch mit mir, auch wenn er sicher
Themen aufgegriffen werden. Natürlich ist
nicht immer alles gut geheißen hat, was ich
die mediale Landschaft heutzutage völlig
gemacht habe, trotz seiner Freundschaft
eine andere, aber man sieht, dass Studie-
mit dem Ebner.
rende immer wieder Impulse von außen ins Land bringen.
Zum Berufsleben danach Pallaver: Ich bin gewissermaßen privile-
Nach wie vor ist es natürlich wichtig, dass
giert, weil ich an der Uni Innsbruck einen
die SH ihre Dienstleistung erbringt. Was
Job habe. Seilschaften hat es damals schon
würden Studenten tun, wenn es keine Or-
gegeben und unsereins hat es natürlich et-
ganisation wie die SH geben würde? Man
was schwerer gehabt als jene, die beim an-
müsste zum Land gehen, um zu fragen.
deren Haufen gewesen sind. Zum Teil sind
Aber das ist ja ein ganz anderer Service.
Karikatur im Skolast 1975/1, S.26.
45
Dolomiten 28./29. April 1979, S.5.
JES, WE CAN? Als konservative und europäische Antwort auf die links-revolutionäre Studentenbewegung wurde 1974 die JES gegründet. JES steht für „Junge europäische Studen-
nahe und fungierte quasi als Studenten-
teninitiative“. Gleich im Folgejahr zog
organisation der JG und wurde auch ent-
sie mit vier Mandaten in den Zentralaus-
sprechend von den Dolomiten gefördert.1
schuss der ÖH ein und konnte in Folge ihre Mandatszahl von Wahl zu Wahl steigern.
Im Zuge des sogenannten „Gleichstel-
Ende der 1970er formierte sich unter dem
lungsgesetzes“ in Österreich wurden An-
Namen JES-Südtirol (kurz: JES-S) eine eige-
fang 1979 die deutsch- und ladinischspra-
ne Südtiroler Gruppe. Sie sah sich vor al-
chigen Südtiroler/innen den Österreicher/
lem als Opposition zur SH, in der damals
innen gleichgestellt. Konkrete Anwen-
die „linken Kräfte“ den Ton angaben und
dung fand dies im passiven Wahlrecht
mehrmals hintereinander bei den Vorsit-
bei den ÖH-Wahlen, bei der die JES auch
zendenwahlen ihre Kandidaten gegenüber
prompt den sicheren dritten Listenplatz
den
durchset-
(die JES stand damals bei sieben Man-
zen konnten. Die JES-S stand der SVP sehr
daten) für einen Südtiroler reservierte.
„rechten-konservativen“
1 Siehe hierzu auch die Interviews mit Günther Pallaver und Oskar Peterlini in diesem Skolast.
46
Von Seiten der SH, der Südtiroler Links-
dabei nicht immer nur die Interessen seiner
opposition
Mitglieder und schon gar nicht die der ge-
und
dem
SVP-Kammerwurde
samten Südtiroler Hochschüler vertritt, ist
hingegen gefordert, die Gleichstellung
eine altbekannte Tatsache. Daß aber der
auch auf die in Südtirol lebenden Itali-
Vorsitzende Günther Pallaver aus Unkennt-
ener auszudehnen, was natürlich nicht
nis oder aus einem anderen Grund heraus
nach dem Geschmack der Dolomiten war.2
bestimmte, für den SH-Vorstand sicherlich
abgeordneten
Hugo
Gamper,
„Der Josef Rampold hat sich das auf die Fahnen geschrieben, dass man alles Linke ausmerzen sollte – das war Zeitgeist.“ Toni Ebner3 Dort hatte die JES-Südtirol in Bezug auf die SH natürlich ein Heimspiel, zudem war Toni Ebner jun. einer der prominentesten
Vertreter
der
JES-S.
Anfang Februar 1979 veröffentlichte das „Tagblatt der Südtiroler“ eine Pressemitteilung des damaligen SH-Vorsitzenden Günther Pallaver. Darin wies dieser darauf hin, dass es nicht die JES gewesen sei, die sich für die Gleichstellung der Südtiroler eingesetzt habe. Vielmehr habe sich die gewählte Führung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) immer für die Belange der Südtiroler Studenten in Österreich eingesetzt und sei dabei nicht selten jedoch auf eine Obstruktionspolitik der JES gestoßen. (…) Wir können uns deshalb des Eindrucks nicht erwehren, daß die JES, ausgerechnet immer zu Wahlzeiten an den Hochschulen, ein besonderes Interesse an Südtiroler Studenten zeigt. Die
Entgegnung
der
Redaktion
(un-
ter dem Kürzel ch) nahm vier Mal so
unangenehme Tatsachen verschweigt, ist schon ein starkes Stück. Die Junge Europäische Studenteninitiative (JES) hat sich nämlich seit Jahren mit den Problemen der Südtiroler Studenten in Österreich befaßt. Um dann weiter die Verfehlungen der SH aufzuzählen, z.B: Es wird dem SH-Chef nicht entfallen sein, daß bei dem fundierten Vortrag von Dr. Otto Keimel [damaliger österr. Nationalrat, Anm.d.V.] zum Thema „Die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol“ die Vertreter der zur Zeit schaltenden und waltenden Mehrheit innerhalb der SH sehr unangenehm aufgefallen sind. Mit Schürzen und Knospen bekleidet (…) setzte man sich demonstrativ auf die Pulte und störte den Vortrag mit sinnlosem Gelächter und stampfen mit den Knospen, es war eine wahre Lektion demokratischer Reife, die von den SH-Funktionären geboten wurde. Und am Schluss des Artikels: Es ist nicht verwunderlich, daß die SH-Führung nach den vielen Schnitzern in letzter Zeit für bestimmte wichtige Gesprächspartner heute in Südtirol nicht mehr akzeptabel ist.4
„Die Südtiroler HochschülerInnenschaft war natürlich lange Zeit ein rotes Tuch (…) auch bei den Dolomiten.“ Toni Ebner
viel Raum ein wie die Aussendung Pallavers und liest sich, als ob sie direkt
Eine weitere Spitze gegen die SH brach-
von der JES-Südtirol stammen würde:
ten die Dolomiten Ende April, als sie
Daß der Vorstand der Südtiroler Hochschü-
die
Südtiroler
lerschaft einen eigenen Weg gehen will und
die
ÖH-Wahlen
2 3 4
JES-Kandidaten mit
Bild
für
vorstellten.
Dolomiten 25. Jänner 1979, S.7. Alle Zitate von Toni Ebner stammen aus der „Anekdotenrunde“ anlässlich der 60-Jahr-Feier der sh.asus am 11. September 2015 auf Schloss Maretsch. Dolomiten 10./11. Februar 1979, S.3.
47
Die JES-Kandidaten werden wie folgt
deutsche Volksgruppe untragbar, daß man
zitiert: Wir können mit gutem Recht behaup-
durch die Errichtung einer UNIVERSITÄT IN
ten, daß die große Mehrheit unserer Kol-
BOZEN die italienische Zuwanderung fördert.6
legen – im Gegensatz zur SH-Spitze – das Gleichstellungsgesetz für gut befindet. Die
Die Entgegnungen des SH-Vorsitzenden
SH (Südtiroler Hochschülerschaft), die sich
Pallaver
anmaßt, für „alle“ Südtiroler Studenten
Innsbruck druckte die Dolomiten später
zu sprechen, repräsentiert in Wirklich-
zwar ab, allerdings wiederum mit einem
keit nicht einmal 20 Prozent der in ganz
Kommentar der Schriftleitung versehen.
Österreich
studierenden
und
der
SH-Hochschulgruppe
Südtiroler.5 Erwähnenswert ist sicherlich auch, dass
Auch in der Universitätsfrage unterschie-
– trotz aller Querelen und Streitigkeiten –
den sich die Standpunkte. Im Werbeblatt
die Mitglieder der JES-S lange Zeit auch
JES
SPITZENTEAM,
Mitglieder der SH waren. Konservative(re)
worin die Kandidaten für die ÖH-Wahl
Positionen wurden beispielsweise auch
1979 vorgestellt wurden, gibt es als
in der LUPE genannte Gruppe vertreten
1. Programmpunkt eine klare Stellung-
(Gegenpart zur EULE). Diese konnte
nahme gegen eine Universität in Bozen:
durchaus auch vereinsintern punkten
DEIN
SÜDTIROLER
und 1977 und 1979 in der größten Wir SÜDTIROLER IN DER JES stellen uns auch
Außenstelle,
ganz entschieden gegen die Aussagen der
Verbindungsmann bzw. 1979 mit Martha
Südtiroler in der Studentengruppe FORUM,
Stocker die Verbindungsfrau stellen.
der
SH-Innsbruck,
den
wonach sie sich für eine Universität in Bozen einsetzen. Es ist nämlich für die
Ergebnis der ÖH Wahlen im Alto Adige, Deutsches Blatt, 19. Mai 1979, S. 13.
Auch bei den Wahlen für den Gesamt-
Dolomiten 8.5.1979.
5 Dolomiten 28./29. April, S.5. 6 Werbeblatt „JES DEIN SÜDTIROLER SPITZENTEAM“, Südtiroler Landesarchiv.
48
Alto Adige, Deutsches Blatt, 5. Juli 1981, S.13
ausschuss des Vereins wurden in diesen
Innerhalb der SH wurde dieser Austritt
Jahren jeweils 4/5 Vertreter/innen der
scharf kritisiert, wenn auch der Vorsit-
LUPE nach Bozen gewählt und konnten
zende Markus Mayr im Skolast bagatel-
sich dort einbringen. Die JES-S hinge-
lisierte: Noch nie ist um den Austritt von
gen konnte lediglich 1979 ein einziges
fünf Personen (es ist nicht der erste in
Mandat für den Vereinsausschuss in
der Geschichte der SH) aus unserer Or-
Bozen erringen, trat danach aber vereins-
ganisation so viel Geschrei entstanden.
intern
In einer Stellungnahme des SH-Aus-
nicht
mehr
in
Erscheinung.
schusses wurde bemängelt, dass diese
„Ich habe keine Probleme zu sagen, ich war mal massiv gegen die SH und ich muss ganz offen sagen, ich bin heute massiv für die SH.“ Toni Ebner
Aufsplitterung die Position der einzelnen Studenten schwächen und eine wirksame Vertretungsarbeit erschweren würde.8 Der Schlusssatz in der Stellungnahme ist auch heute noch aktuell und zeichnet auch das Wesen der nunmehrigen sh.asus aus: Die Südtiroler Studenten werden erkennen, daß nur eine unabhängige,
Auf der „SH-Wahlvollversammlung“, wie
pluralistisch
es damals hieß, am 2. Juni in Innsbruck,
kratischen Prinzipien aufgebaute und
gab dann die JES-Südtirol ihren Austritt
voll
aus der SH bekannt und kündigte an, eine
sation in der Lage sein kann, ein Min-
selbständige Gruppe aufbauen zu wollen.
destmaß an Vertretung studentischer
Ziel war, das de-facto Alleinvertretungs-
Interessen, wie es die ÖH an den öster-
recht der SH zu eliminieren und gleichzeitig
reichischen Hochschulen erfüllt, auch
am Topf der Fördermittel mitzunaschen.7
in unserem Lande selbst zu sichern.9
„Ziel der SH war immer, etwas für die Südtiroler Studenten zu tun – und ich glaube, das hat sich durchgesetzt.“
verfaßte,
funktionsfähige
nach
demo-
Sammelorgani-
Martin Fink
Toni Ebner 7 8 9
Piger, Klaus und Gudauner Karl: Stellungnahme der „LUPE“ zum Austritt der JES-Südtirol aus der Südtiroler Hochschülerschaft, in SKOLAST 2, 1981, S. 32-34. Mayr, Markus: Bericht des Vorsitzenden, in: SKOLAST 2, 1981, S. 29-32. Strobl, Albert (Ausschussvorsitzender): Stellungnahme des Ausschusses der Südtiroler Hochschülerschaft zum Austritt der JES aus der SH, 4. Juli 1981, Südtiroler Landesarchiv.
49
SKOLAST, 1994 3/4, Cover.
Kriegsdienstverweigerung. Ein unbequemes Grundrecht: Es war ein gesetzlich geregeltes Grundrecht: die Weigerung, den vom Staat verordneten Militärdienst an der Waffe anzutreten und stattdessen einen alternativen Zivildienst abzuleisten. Auch im SH-Büro leisteten viele junge Studenten ihren Zivildienst ab.
50
Jahrelang hatte sich in Italien eine seltsa-
zunächst das Grundrecht anzuerkennen.
me Allianz aus Radikalen, evangelischen
Erst 1977 wurde dieses Gesetz praktisch
Waldensern, Zeugen Jehovas und Begrün-
anwendbar. Heute mutet dies wie graue
dern des Movimento Nonviolento um Aldo
Vorzeit an, doch ist die „Wehrpflicht“ in
Capitini für dieses Grundrecht eingesetzt
Italien erst mit 1.1.2005 abgeschafft wor-
und Haftstrafen in Kauf genommen. Erst
den, womit auch Militärdienstverweige-
1972, mit dem Gesetz Nr. 772, erlaubte
rung und ziviler Ersatzdienst entfielen. Das
der italienische Staat die Ableistung eines
wiederum stellte Tausende von sozialen
Ersatzdienstes in sozialen Organisationen,
Organisationen aller Art vor das Problem,
später, auch mit einem eigenen Gesetz, in
auf den kostenlosen Einsatz von
der Entwicklungszusammenarbeit, ohne
dienstleistenden verzichten zu müssen.
Zivil-
Bis 2005 waren alle Jungmänner von
zu erwarten gewesen. Doch die amtlich
Amts wegen zum einjährigen Kasernen-
attestierte Tauglichkeit wurde nicht nur
dienst verpflichtet. Zu diesem Zweck
von den Jungmännern als Männlichkeits-
hatten sie – meist als Schüler – die amt-
nachweis groß gefeiert, sondern auch in
liche „Tauglichkeitsprüfung“ zu beste-
der Öffentlichkeit unkritisch bewertet. Von
hen. Tausende Südtiroler erinnern sich
politischer Seite wurde die Kriegsdienst-
noch lebendig an den Tag, als sie mit
verweigerung in Südtirol weder befürwortet
gerade
Kommission
noch gefördert. Es gab keine Kampagnen,
ihre Wehrfähigkeit beweisen mussten.
nicht einmal normale Informationsarbeit
18
Jahren
einer
Eine Prozedur, die sich mit einem Blick aufs ärztliche Zeugnis, einem Kreislauftest und einem Griff an die Weichteile erschöpfte. So wenig reichte, um seine Eignung als Kanonenfutter nachzuweisen. Auch in Italien hat noch kein „Wehrdienstanwärter“ darlegen müssen, warum er bereit war, für den Staat Gleichaltrige anderer
Staatsangehörigkeit
umzubringen.
der offiziellen Verbände, den organisierten Stumpfsinn in einer italienischen Kaserne abzulehnen und stattdessen einen sozial nützlichen Dienst bei einer Organisation im Land zu absolvieren. Kriegsdienstverweigerer wurden belächelt oder abgelehnt.
„Das Militär hat noch keinem Burschen geschadet“, sagten Väter, die den 2. Weltkrieg erlebt oder an der Front gekämpft hatten. DOLOMITEN-Kolumnist und Wehrmachts-
Gerade unter Südtirolern als ethnischer
soldat Josef Rampold versuchte noch in
Minderheit wäre ohnehin mehr Skepsis und
den 1980er Jahren, Südtiroler Kriegsdienst-
Distanz gegenüber dem italienischen Militär
verweigerer moralisch fertig zu machen.
51
Aufkleber der Südtiroler Kriegsdienstverweigerer, 1980er Jahre.
Doch einige Einzelkämpfer wie Max von
auch
Hartungen und Edi Wieser machten ab
die Ablehnung der NATO-Nachrüstung,
1977 auf das Recht auf zivilen Ersatz-
die grundsätzliche Kritik der atomaren
dienst aufmerksam, Martin Schweiggl
Konfrontation der Blöcke. Vielen jungen
informierte darüber im SKOLAST. Die
Leuten
SH war behilflich bei der Abfassung
Militärdienst als Akt der Vorbereitung
der Gesuche und bemühte sich um die
von Kriegshandlungen ethisch nicht zu
Schaffung von mehr Zivildienststellen
rechtfertigen war. Vielmehr wurde vie-
im Land. Eduard Demetz, später Musi-
len klar, dass der Drill hunderttausender
ker und Komponist, und ich waren die
Jugendlicher auch militärisch keinen Sinn
ersten Zivildiener bei der SH. So richtig
machte, wo doch jeder künftige Krieg
bekannt machte diese Alternative der
zwischen Atommächten nur von Gene-
Verein „Südtiroler Kriegsdienstverweigerer“,
rälen und Technikern an den Schalthe-
den einige Mitstreiter und ich 1983 grün-
beln der Atomwaffen entschieden würde.
deten. In jenem Jahr verweigerten 183
In Südtirol blieb die Friedensbewegung politisch schwach und hatte außer bei den Grünen und der radikalen Linken kaum Rückhalt.
Südtiroler den Dienst an der Waffe, mit langsam steigender Tendenz. Dies war nicht selbstverständlich, denn der Zivildienst dauerte immerhin acht Monate länger als der Militärdienst und bedeutete oft anspruchsvolle Sozialarbeit und längere Unterbrechung des Studiums.
durch
ging
die
Friedensbewegung,
damals
auf,
dass
der
1989 erklärte das Verfassungsgericht die acht Monate längere Dienstpflicht
52
Starken Auftrieb erfuhr die Kriegsdienst-
im Zivildienst für verfassungswidrig.
verweigerung in den 1980er Jahren
Da Zivildienstleistende nun gleich lang
ihren Dienst zu versehen hatten wie
aber streng unter Kontrolle des Verteidi-
die Soldaten, nämlich ein Jahr, stieg das
gungsministeriums behielt. So erhielten
Interesse auch aus ganz praktischen
die Zivildiener nach Ableistung des
Gründen sprunghaft an. Die verfügbaren
Dienstes einen dem Soldaten-Entlas-
Zivildienststellen wurden knapp, auch
sungsschein fast identischen „Foglio di
in Südtirol. Der Antrag auf Verweigerung
congedo“, der sie obendrein verpflichtete,
war zu einer reinen Formalität geworden.
im Kriegsfall für Dienste im Rahmen er
Der Zivildienst war sozial nützlich und
Militärlogistik bereitzustehen. Gegen diese
lehrreich, doch das politisch-moralische
Unterordnung unter militärische Inter-
Grundmotiv des Widerstands gegen den
essen auch als Zivildiener protestierten
staatlichen Zwangsdienst an der Waffe
wir Südtiroler Kriegsdienstverweigerer
trat mehr und mehr in den Hintergrund.
im Frühjahr 1984 mit einem demonstra-
Die Friedensbewegung verebbte mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems, während sich die Militärpflicht noch bis 2005 hielt.
tiven Akt zivilen Ungehorsams: in Lana
1998 wurde das Recht auf Kriegsdienst-
ist die Kriegsdienstverweigerung fast
verweigerung
Gewissensgründen
schon Geschichte geworden. Nicht so in
mit einem neuen Gesetz zum persönli-
den meisten Ländern außerhalb Europas,
chen Grundrecht im Gegensatz zum alten
wo Millionen junger Menschen jährlich zum
Gesetz Nr.772 von 1972, das den Zivil-
Dienst an der Waffe gezwungen werden.
aus
verbrannten wir öffentlich unsere Entlassungsscheine und wurden dafür prompt vom
fast
gleichaltrigen
Staatsanwalt
Guido Rispoli angeklagt, aber in zweiter Instanz freigesprochen. Mit dem Berufsheer, jetzt in Europa allgemeiner Standard,
dienst als eine Art Zugeständnis des Staats definiert hatte, die Kriegsdienstverweigerer
Thomas Benedikter
53
Südtiroler Studenten und Künstler (unter anderen erkennt man Franz Pichler, Matthias Schönweger, Egon Moroder Rusina und Jakob De Chirico) anlässlich der Eröffnung der von der SH veranstalteten Südtiroler Kulturtage 1981 im Palais Pallfy in Wien. Der Autor dieser Zeilen ist der Vierte von rechts.
AKTION FROSCH Am 20. November 1981 stürmten Polizisten die Wiener SH-Bude, 65 Südtiroler Studenten verbrachten die Nacht hinter Gittern. Rückblende auf eine kleine Episode, die großen Eindruck hinterließ. Damals war die Welt rot-schwarz. Hier
Richtig war dies freilich bloß, was die Füh-
die Linken, dort die Rechten. Dass es
rungsspitze der SH betraf. Die Mehrheit
auch so etwas wie eine Mitte gab, hat-
der Studenten – in Wien waren so an die
te sich noch nicht herumgesprochen,
500 Südtiroler inskribiert – war damals
und die wenigen Blauen, die hier und
nicht anders als heute: Man interessier-
dort auftauchten, sahen wir bloß als
te sich weder für Politik und schon gar
Schickimicki-Variante am rechten Spek-
nicht für irgendwelche Ideologien. Man
trum. Alles was nicht links war, war also
kam meist nur dann in die Bude, wenn der
rechts. Ganz einfach. Die Innsbrucker SH
Fahrkostenbeitrag ausbezahlt wurde. Die
zum Beispiel war – in unseren Augen –
ideologische Tätigkeit der SH-Führung
rechts, Wien war links. Wir waren links.
bestand also im Wesentlichen darin, die
1 Quelle: Norbert Dall‘O
54
Neuankömmlinge
zur
Bezahlung
der
Nächte um die Ohren schlagen, während er
SH-Mitgliedschaft zu überreden (was fast
Dienst schieben muss. Jedenfalls: Er schaut
immer gelang) und sie zu den SH-Veran-
böse – und ich lache. Alle, die an der Tür
staltungen einzuladen (weit schwieriger).
stehen und der komischen Szene beiwohnen, lachen sich krumm: „Uns verhaften? Ja
Die am besten besuchte Veranstaltung
warum denn – und vor allem: Wie denn?“
des Jahres war das Erstsemestrigenfest. Im Jahr 1981, als ich „Verbindungsmann
Die Beamten ziehen ab – wir feten weiter.
der SH in Wien“ war (so lautete damals
Aber nicht mehr lange. Nach wenigen
die offizielle Bezeichnung), fand das
Minuten schaut einer aus dem Fenster und
Fest am 20. November statt. Der Ort: die
sagt: „Hey Leute, die Schwarzspanierstraße
SH-Bude in der Schwarzspanierstraße.
ist voller Bullenautos!“ Bevor wir reali-
Es sollte eine Nacht werden, an die sich alle Beteiligten bis heute erinnern sollten.
sieren, was da abgeht, wird bereits die Budentür aufgebrochen. Dutzende Polizisten – offenbar handelt es sich um Beamte einer Spezialeinheit – stürmen herein. Einer packt mich an den Haaren und
Die Chronik der Ereignisse: In der Bude
am Hemd und zerrt mich hinaus, die
wird getrunken, gegessen, getanzt. Es sind
Treppen hinunter, rein in eines der
so an die 80 Leute gekommen, bei den
dort
meisten handelt es sich um Erstsemestri-
zeuge. Den anderen geht es genauso.
ge. Besondere Vorkommnisse: keine. Ge-
Passanten stehen am Rande der Straße und
gen 22 Uhr klingelt es. Vor der Tür stehen
staunen über das Tohuwabohu. Es muss
zwei Polizisten, ein kleiner und ein etwas
ganz danach ausgesehen haben, als würde
größerer. Der kleinere, ich glaube mich zu
weiß Gott welch gefährliche terroristische
erinnern, dass er sich als Inspektor Fröschl
Zelle
vorstellte, sagt, wir sollten die Musik leiser
Rote Armee Fraktion und Brigate Rosse
drehen. Klaro, sagen wir und verabschie-
waren damals durchaus noch ein Thema.
parkenden
grünen
ausgehoben.
Zur
Einsatzfahr-
Erinnerung:
den die Beamten. Nach rund einer Stunde – offenbar hatten wir vergessen, die Musik
Wir werden in die Rossauer Kaserne gefah-
leiser zu drehen – klingelt es wieder. Wie-
ren. Erst dort erfahre ich das Ergebnis der Ak-
der stehen die beiden Beamten vor der Tür
tion: 65 verhaftete Südtiroler Studenten. Der
– diesmal ist der Tonfall rauer: „Wenn die
Grund für die Verhaftung bleibt uns allen
Musik nicht sofort leiser gedreht wird, las-
schleierhaft. Ich werde als „Rädelsführer“
sen wir euch alle verhaften!“
identifiziert und in einer Einzelzelle inhaftiert. Bevor ich dort allein gelassen
Was dann passierte, lässt sich nur aus
werde, lerne ich die „Standardprozedur“
einem sehr subjektiven Blickwinkel rekon-
im Umgang mit Halunken kennen: nackt
struieren. So weit ich mich erinnern kann,
ausziehen und Körpervisitation über sich
hatte ich bereits einige Bier intus, weshalb
ergehen lassen. Die anderen verbringen
ich die Drohung nicht als solche, sondern
die Nacht in der Kapelle der Kaserne.
als humorvolle Einlage interpretierte. Ich sehe Inspektor Fröschl heute noch vor
Irgendwann in der Früh werde ich zum
mir stehen, wie er grimmig dreinblickt.
Verhör gebracht. Die Beamten stellen
Vielleicht wollte er endlich Feierabend
Fragen, die für mich keinen Sinn erge-
machen, vielleicht gingen ihm diese lang-
ben. Ich habe aber den Eindruck, sie
haarigen Bengel auf den Sack, die sich die
haben bereits realisiert, völlig überzo-
55
Aus dem „Lockbuch“ der SH Bude Wien.
56
gen gehandelt zu haben. Obwohl sie nach
man uns so etwas zugetraut hat. Magnago,
der Verhaftung die Bude gründlich auf
die SVP sowieso und vor allem der damalige
den Kopf gestellt haben, fanden sie we-
Kulturassessor Anton Zelger („Je besser wir
der Drogen noch sonst etwas Verdäch-
trennen, desto besser verstehen wir uns“)
tiges. Kurios: Etwa zehn von uns sind der
waren tatsächlich Dornen in den Augen
Verhaftung entgangen, indem sie sich auf
der linken SH – wie sich ja auch im Skolast
dem Klo versteckten oder im allgemei-
der damaligen Jahre nachlesen lässt.
nen Getümmel das Weite gesucht haben. Wien war damals ein politisch interessanIm Lauf des Vormittags trudeln einige der
tes, komisches Pflaster: Wir studierten so-
Verhafteten in der Bude ein. Wir schrei-
zusagen im politischen Paradies. Wien war
ben eine Pressemitteilung, versuchen,
die rote Hauptstadt einer roten Republik.
nach Hause zu telefonieren. Damals gab
Bundeskanzler war Bruno Kreisky, der eine
es weder Handys noch Internet, deshalb
Mordsgaudi hatte, hin und wieder seine
dauert es ein Weilchen, bis die Nach-
revolutionäre Ader herauszuhängen, etwa
richt bis nach Südtirol durchsickerte.
indem er Palästinenserführer Yasser Arafat und den libyschen „Revolutionsführer“
Glaubte die Polizei, wir würden in jener
Muammar al-Gaddafi in Wien zu Gast hatte.
Nacht eine Aktion planen? Fakt ist, am Abend des 21. November wurde am Wie-
Wie sich die Zeiten ändern: 1981 hat-
ner Rathausplatz der Christbaum aufge-
te die SPÖ in Wien 57,2 Prozent und re-
stellt. Und da er in diesem Jahr von Südtirol
gierte allein. Bürgermeister war Leopold
spendiert wurde, war Landeshauptmann
Gratz, Helmut Zilk war Kulturstadtrat. Bei
Silvius Magnago angereist. Die SH-Spitze
den traditionellen Aufmärschen am 1.
war zum Fest im Rathaus eingeladen.
Mai spazierten wir SH-ler inmitten einer
So viel ich weiß, hat niemand von uns an ir-
kunterbunten roten Großfamilie mit: vor-
gendeine Aktion gedacht. Allerdings war es
ne die Obergenossen der SPÖ, in unseren
lustig, mit dem Gedanken zu spielen, dass
Augen „die Bonzen“, irgendwo im hinteren
57
Aus dem „Lockbuch“ der SH Bude Wien.
Bereich die KP-ler, Maoisten, Trotzkisten,
Hemd und mit dem Gefühl im Bauch, so et-
Anarchos, Schwule, Lesben und andere
was wie ein revolutionärer Held zu sein, der
mehr oder weniger ernste Spaßmacher.
gerade d en Klauen eines Polizeiregimes
Dass es acht Jahre später die Berliner Mauer,
entkommen ist. Der Festsaal ist voll ele-
diese symbolische Demarkierungslinie
gant gekleideter Menschen. Als man mich
zwischen links und rechts, zwischen Sozia-
zum Rednerpult geleitet, legt sich plötz-
lismus und Kapitalismus, nicht mehr geben
lich eine bleiernde Stille über den Saal.
sollte, sprengte unsere Vorstellungskraft. Keine Ahnung, was ich gesagt habe. Ich Inzwischen geben in Wien andere Farben
weiß nur, dass Silvius Magnago, der in
den Ton an. Aus Genossen sind Kameraden
der ersten Reihe neben Bürgermeister
geworden, die mehrheitlich FPÖ wählen
Gratz saß, diesen verdatterten, nervö-
und Heinz-Christian Strache supertoll fin-
sen, langhaarigen Studenten der Sozio-
den. Der blaue Norbert Hofer hat bei der
logie, der irgendetwas Unverständliches
Bundespräsidentenwahl in Wien (!) mehr
herunterpalavert, entgeistert anblickte:
Stimmen erhalten als der rote Robert Hundstorfer. Aus dem Blickwinkel des Jahres 1981 war für uns ein Atomkrieg wahrscheinlicher als ein solches Szenarium. Am Abend des 21. November 1981, als
58
„Das also sind unsere Südtiroler Studenten“, dürfte er sich gedacht haben.
nach einer Nacht in der Rossauer Kaser-
Wie die Sache ausging? Bürgermeister
ne alle wieder in Freiheit gesetzt waren,
Gratz entschuldigte sich offiziell bei uns,
mache ich mich auf den Weg ins Rathaus
Kulturstadtrat Zilk lud alle Verhafte-
– immer noch mit demselben zerrissenen
ten als Entschädigung zum Abendessen.
Inspektor Fröschl wurde, so erzählte
abstruses Märchen über diese linke Brut
man uns jedenfalls, abgemahnt und ir-
aufzutischen, dass man eine Spezialein-
gendwohin versetzt, wo er keine weitere
heit in die Schwarzspanierstraße schickte.
Schäden anrichten konnte. Ich hab mich manchmal gefragt, welchen Liebend gern hätten wir „die Verhaftung“
Wirbel so eine Geschichte heute, in der Zeit
politisch verwertet: Die Geschichte von
der Handys, von Internet und der medialen
den bösen Bullen, die von rechten Politi-
Echtzeit-Kommunikation verursachen wür-
kern geschickt werden, um linke Studenten
de: „65 Südtiroler verhaftet!“ Mit fetzigen
einzuschüchtern, hätte perfekt in unsere
Bildern, Interviews, parlamentarischen An-
Klischees gepasst. Aber nicht mal die radi-
fragen und verzweifelten Eltern, die gegen
kalsten Genossen, von denen es in der Wie-
die Peiniger ihrer Kinder vor Gericht ziehen.
ner SH gar einige gab, vermochten solch
Von jenem 20. November 1981 gibt es –
abenteuerliche Theorien ernst zu neh-
so viel ich weiß –, kein einziges Foto, in
men. Auch heute, 35 Jahre später, habe ich
den Dolomiten erschien einige Tage spä-
nur eine Erklärung für das Unerklärliche:
ter ein kleiner Bericht. Und meine Eltern
dass eben einem Polizeibeamten die
erfuhren erst davon, als wir über diesen
sprichwörtlichen Rösser durchgegangen
Aufreger schon wieder lachen konnten.
sind, und dass es ihm tatsächlich gelang, dem Einsatzkommando ein dermaßen
Norbert Dall’Ò
Dolomiten, 23.11.1981, S.5.
59
Cover Skolast 2010/2.
Wie das -Innen zur Hochschülerschaft kam ... zum Gendering einer Traditionsorganisation
60
Der erste skolast, den ich gelesen
Damals wurde der skolast allen Maturant-
habe, war die Nummer 4 im Jahr 1978,
Innen zugeschickt und die Freundin
ein
blau-weißem
meiner älteren Schwester war eben
Cover und dem schlichten Titel „frauen“
im Maturajahr, an sie war er adressiert,
–
Klein-
ich war 16 Jahre alt. Dieser skolast lag
schreibung, auf dem Adressenpickerl
zufällig auf unserem Küchentisch; ich fing
stand aber noch ganz ungeniert „Frl.“
an darin zu blättern und war fasziniert.
dünnes ganz
Heft
mit
avantgardistisch
in
Da ich das Exemplar heute noch besitze
In der Folge sind noch mehrere Frauen-
und meine Unterstreichungen und Kom-
skolaste erschienen: Der zweite im April
mentare an den Seitenrändern ansehen
1984, in dem es vor allem um Arbeits-
kann, fällt es mir umso leichter, mich an
welten von Frauen ging; ein dritter zwei
die damalige Faszination zu erinnern.
Jahre später zum 8. März 1986, der ausschließlich von Frauen gestaltet wurde
Trotz der Thematik waren die männlichen
und deutlich umfangreicher war als seine
Autoren in der Überzahl: Die meisten mei-
beiden Vorgänger. Dieser Frauenskolast
ner Unterstreichungen und Ausrufezei-
wurde am 8. März mit einem Frauenfest
chen finden sich beim Aufsatz von Arno
im Bozner Kolpinghaus vorgestellt; ein
Teutsch „Ansatz zu einer Diskussion über
tolles Fest mit viel Aufbruchstimmung.
die Problematik der Frauenerwerbstätigkeit in Südtirol.“ Auch der Text von Marlies Gasser „Die Frau in einer von Männern
Pionierinnen
beherrschten Gesellschaft“, in dem es u.a.
Für die SH als Organisation waren es vor
um die geschlechtsspezifische Erziehung
allem die 1980er Jahre, in denen sie auch
ging, beeindruckte mich, den Ausrufezei-
auf institutioneller Ebene begann, sich in
chen am Rande nach zu beurteilen, sehr.
der Geschlechterfrage nicht nur zu po-
Da las ich Dinge, über die ich noch kaum
sitionieren, sondern Zeichen zu setzen.
gehört hatte! Was ich da las, erschien mir sofort einleuchtend und drückte
Von ihrer Geschichte her hatte die Süd-
vieles aus, was ich bereits empfunden,
tiroler Hochschülerschaft ja eher eine
wofür ich aber noch keinen Ausdruck
männliche Tradition. Wenn man die ers-
gefunden hatte – ein Schlüsselerlebnis.
ten Skolastnummern durchblättert, dann finden sich fast ausschließlich männ-
Die Südtiroler Hochschülerschaft (das -Innen gab es da noch lange nicht) nahm, wie bei einigen anderen gesellschaftspolitischen Themen, auch in der Frauenfrage eine Vorreiterrolle ein
liche Autoren und auch die Ämter innerhalb der Organisation – zumindest in der Zentrale in Bozen – waren fest in männlicher Hand. Was ja auch kein Wunder war, lag der Anteil der Frauen unter den Studierenden in Südtirol noch in den 1970er Jahren bei knapp einem Viertel.
– zumindest innerhalb der deutschspra-
1976
chigen BewohnerInnen des Landes. Es
ter,
gab zu dieser Zeit zwar auch schon die
eine Frau als Vorsitzende der SH, da-
Südtiroler Volkszeitung, zeitweise mit ei-
nach waren es wieder für zehn Jah-
ner eigenen Frauenseite, aber dieser erste
re Männer, die den Vorsitz innehatten.
Frauenskolast war ein Zeichen dafür, dass
Die ersten Anfänge einer autonomen Frauenpolitik innerhalb der SH reichen ins Studienjahr 1979/80 zurück.
man gerade innerhalb der SH relevante gesellschaftspolitische
Themen
früh-
zeitig erkannte und sich in einer gründlichen Weise damit auseinandersetzte.
gab nach
es
mit
zwanzig
Renate Jahren,
Mumelerstmals
61
Damals wurde erstmals innerhalb des Vorstandes in Bozen ein Frauenreferat ins Leben gerufen, getragen von Brunhilde Platzer, Zita Marsoner und Luise Wörnhart. Auch in Innsbruck und Wien entstanden in der Folge Frauengruppen, wobei die „Wienerinnen“ am Anfang eher skeptisch waren und offenbar wenig Lust auf allzu viel Südtirolbindung hatten. Das SH-Frauenreferat berichtete dann in seinem Jahresbericht 1979/80 über die Tätigkeit, so etwa den Kontakt mit anderen Frauengruppen im Lande (AIED, Unione Donne Italiane (UDI), Südtiroler Volkszeitung und Südtiroler Kulturzentrum) und schloss mit der Aussage, das Ziel sei es gewesen, Frauen für die SH zu sensibilisieren. Ob das gelungen sei, dazu eher vorsichtig: „Wir wagen es nicht zu behaupten, dass gerade wegen des Frauenreferates heuer mehrere Frauen im SH-Ausschuss sitzen, aber es freut uns.“ Etwas offensiver dann im Programm für 1980/81: Man wolle einen Beitrag leisten „um die Themen des Feminismus aus den Frauenkollektiven zu tragen und die Gesellschaft (und, mit Erlaubnis, auch die SH) zur Auseinandersetzung zu zwingen.“ Und dafür wurde auch einiges getan: So wurden insgesamt drei Seminare – immer im kleinen Vortragssaal des Waltherhauses – organisiert, in denen es Referate und Diskussionen zu frauenspezifischen Themen gab. „EXTRA“, 5. März 1993.
62
Am 8.11.1980 gab es ein Seminar zum Thema „Die Präsenz der Frau in der Südtiroler Schule“, in dem sowohl die zahlenmäßige Präsenz und vor allem die Verteilung der Frauen auf die verschiedenen Schultypen und Schulstufen unter die Lupe genommen wurden. Außerdem gab es ein Referat über die Darstellung der Frauen in den Schulbüchern an Südtirols Schulen. Im Februar 1981 folgte dann ein Seminar über „Die Frau in der Arbeitswelt“ und gleich im März eines zum Thema „Frau und Familie in Südtirol.“ Hier wurden Grundsteine gelegt.
Feministische Kollektive Ab Mitte der 1980er Jahren kamen die Frauen verstärkt zum Zug und sie kamen gleich zu mehreren: 1985/86 wurde die SH erstmals von einem Vorstandskollektiv geleitet, nach außen repräsentiert von Ramona Gruberi und Michaela Ralser. Dass es sich nicht nur um eine personelle Veränderung handelte, sondern diese ebenso mit einer inhaltlichen Schwerpunktsetzung verbunden war, zeigte sich an den Themen, die in diesen Jahren zusätzlich zur traditionellen Agenda der SH ins Zentrum rückten. So übernahm die SH 1985 eine führende Rolle in der Debatte um ein Frauenhaus-Gesetz für Südtirol. Studentinnen, die im deutschsprachigen Ausland die Realität der Frauenhäuser kennengelernt hatten, brachten ihre Erfahrungen ein. Es war in erster Linie Michaela Ralser, die hier Pionierarbeit leistete. Gemeinsam mit anderen Frauen(organisationen) in Südtirol (besonders jene vom AIED) und den Landtagsabgeordneten Andreina Emeri (Alternative Liste für ein anderes
Südtirol/Lista
alternativa
per
„EXTRA“, 5. März 1993.
63
un altro Sudtirolo), die im Sommer 1985 verstarb, und Grazia Barbiero (PCI/KPI), wurde ein Gesetzesvorschlag zur Errichtung eines Frauenhausdienstes in Südtirol ausgearbeitet. Das Landesgesetz vom 6. November 1989 war das erste Gesetz in Italien, das einen solchen Dienst für Frauen, die Gewalt ausgesetzt waren, etablierte und die SH-Frauen hatten dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Ab 1988 war es für einige Jahre das Thema der studierenden Mütter, das die SH ziemlich intensiv beschäftigte. Nach
dem
ersten
Vorstandskollektiv
von 1985/86 folgten wiederum drei männliche Vorsitzende, bis 1989/90 wieder ein Kollektiv zum Zug kam, dem Claudia Gaßlitter und Melitta Pitschl einen markanten Stempel aufdrückten. Sehr bald nannten sie sich feministisches Vorstandskollektiv und rückten genderspezifische Themen unübersehbar in den Fokus ihres Engagements. Kein Wunder, dass die offizielle Umbenennung in Südtiroler HochschülerInnenschaft in ihre Amtszeit fiel. Die sprachliche Anpassung war nur eine logische Konsequenz der geänderten Realitäten – auch innerhalb der SH. Im März 1990 fand im Bozner Kolpinghaus eine Tagung statt. Thema: „Frau und Krankheit. Spielraum und/oder Engpass.“ Die Teilnahme an der Tagung war ausschließlich Frauen vorbehalten. Dieser Separatismus – innerhalb der Frauenbewegung eine vertraute und begründete Praxis – stieß im Lande auf empörtes Unverständnis. Als Beispiel für viele sei der damalige ff-Journalist Hans Karl
„EXTRA“, 12. März 1993.
64
Peterlini zitiert: „Glaubt man ihren männlichen Kollegen, sind sie immer so, die autonomen Frauen in der Hochschülerschaft: die meisten Studentinnen in Innsbruck, Pädagogik oder Psychologie, wo die Lehre, wie man es als Frau vermeidet, auf Männer sympathisch zu wirken, zum Prüfungsstoff gehören muss. Denn sympathisch sein, wäre bereits eine Unterwerfung unter den potentiellen Täter. Ja nicht nett sein!“ (ff 1990/24, S. 56) Die Tagung war trotz des Männerausschlusses gut besucht. Ihre Ergebnisse wurden in einem skolast im Dezember 1990 publiziert. Es folgten weitere Tagungen zu feministischen Themen: Im März 1992 zum Thema „Opfermythen und Geschlechterverhältnisse“, im September 1993 eine mit dem Titel „Von der GESETZten Wirklichkeit ARBEITender Frauen“ und im September 1994 eine zum Thema „Frauenhaus. Zwischen Autonomie und Anpassung“. Dabei ging es vor allem um die Erfahrungen des MeFlor in der FF, ? März 1993.
raner Frauenhauses, das erste, welches in Südtirol auf der Grundlage des Gesetzes von 1989 organisiert war. Einerseits garantierte die darin zugesicherte 100%ige Finanzierung das längerfristige Funktionieren des Frauenhauses, andererseits wurde das Frauenhaus im Gesetz als Sozialprojekt definiert, das den Frauen helfen sollte „ihre größten Probleme zu überwinden und sich in der Gesellschaft wieder zurechtzufinden.“ Für die Frauen, die in diesem Projekt engagiert waren, ging es aber vor allem auch um Gesellschaftskritik und -veränderung. Es ging darum, gesellschaftliche Ursachen für die Gewalt gegen Frauen zu benennen und zu bekämpfen. Die Ergebnisse dieser Tagungen wurden jeweils im skolast veröffentlicht.
65
Institutionalisierung Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre
schiedet, in dem auch die SH (allerdings
war die SH zweifellos ein Brennpunkt für
nur in den ersten beiden Amtsperioden
feministische Aktivitäten in Südtirol. In
1990 –1994 und 1994 – 1998) vertreten
diesen Zeitraum fallen auch die Bemühun-
war. 1991 verabschiedete das italienische
gen innerhalb der SH ein Frauennetzwerk
Parlament das Gesetz 125 über die positi-
zu gründen, welches vor allem bildungspo-
ven Maßnahmen zur Förderung von Frau-
litische Fragen aus der Geschlechterper-
en. Darauf beriefen sich die Frauen der
spektive aufgreifen und entwickeln wollte.
SH, als sie von der Landesregierung mehr Geld und eine bezahlte Stelle für das ge-
Es waren dies allgemein die Jahre der
plante Frauennetzwerk innerhalb der SH
Institutionalisierungsdebatte, in der es
forderten. Denn in der bisherigen Form
darum ging, wie sich Fraueninteressen
„war das immer wieder nur punktuelle
organisieren sollten, um mehr Anerken-
Aufblitzen von Frauenschwerpunktarbeit,
nung und Kontinuität zu bekommen. Da-
nicht aber ein Kontinuum in Gruppen und
bei gab es vereinfacht gesagt jene, die
mit interessierten Frauen“ eine unbefrie-
durch eine Institutionalisierung mehr
digende Realität, wie Melitta Pitschl im
Sichtbarkeit und politisches Gewicht er-
skolast 1992/2 formulierte. Deshalb ent-
hofften, während die anderen darin auch
schlossen sich die Frauen ein „Autonomes
eine Gefahr für die Autonomie und Unab-
Frauennetzwerk in der SH programmatisch
hängigkeit der Frauenbewegung sahen.
auszuformulieren und dessen Verankerung zu versuchen.“ (Pitschl im skolast 1992/2)
66
1989 wurde in Südtirol, entsprechend der
Daraus wurde aber nichts. Den Grund da-
europäischen und nationalen Richtlinien,
für sahen Pitschl und Gaßlitter vor allem
das Gesetz zur Errichtung eines Landes-
im SH-internen Widerstand. Gaßlitter
beirates für Chancengleichheit verab-
im gleichen skolast: „Das Projekt für das
Cover Skolast 1978/4.
Cover Skolast 1984/2.
‚Frauennetzwerk‘ wurde in der Folge der
Auf die Südtiroler Hochschülerschaft passt
sich überschlagenden Verleumdungen und
diese Wesensform jedoch nicht.“ Dies
Anschuldigungen auf Eis gelegt. (…) Leider
schreibt Thomas Ohnewein im Vorwort zum
schrecken manche ‚Erobererpersönlichkei-
Findbuch des SH-Bestandes im Südtiroler
ten‘ vor keinem Mittel der Abwehr zurück,
Landesarchiv. Ich kann ihm nur zustimmen:
wenn Frauen ihre starken Seiten zeigen.“
Die Geschichte der SH zeigt, dass immer
Autonome Frauenpolitik ist in der SH also
wieder über den bildungspolitischen Hori-
auch auf starken Gegenwind gestoßen.
zont hinaus gedacht und interveniert wurde. Das ist ein gutes Zeichen für die Lebendigkeit einer Organisation. Das Interesse
In Bewegung
an frauenpolitischen Themen hat seit Mit-
1955 gegründet, gehört die SH zu den
te der 1990er Jahre deutlich nachgelassen
Traditionsvereinen im Lande. Es gibt wahr-
– zumindest was die Quantität der Publi-
scheinlich kaum eine Organisation, die
kationen bzw. der Veranstaltungen betrifft.
einerseits eine so klare Kontinuität in ihren Tätigkeitsfeldern aufweist wie die SH
2010 ist wieder, diesmal gar eine skolastin,
(Bildungspolitik, Stipendien, Studientitel-
erschienen. Das Thema: „Das mit dem
anerkennung als ständige Begleiter)
Tschänder“ und „der Versuch einer Standort-
und sich dennoch immer wandlungsfähig
bestimmung der (post/trans/etc.-)gender
und offen für neue Fragestellungen ge-
orientierten, queeren, feministischen Theorie
zeigt hat.
und Praxis, der feministischen Bewusstseinsarbeit in der mitteleuropäischen Provinz
„Institutionen verkörpern allzu oft ver-
und dort ganz speziell im universitären
knöcherten Bürokratismus und sind Sinn-
Umfeld
bild eines starren Verwaltungsapparates.
Ein
im
Jahr
spannendes
2010.“ Heft,
(Editorial)
eher
theore-
tisch orientiert und den Blick weit über die Südtiroler Provinz hinaus gerichtet. Seitdem sind auch schon wieder sechs Jahre vergangen. Man/frau darf gespannt sein, wie sich das -Innen innerhalb der SH in Zukunft artikulieren wird. Martha Verdorfer
Cover Skolast 1986/1.
67
DER umwEg IsT DAs zIEL Bildungs- und meinungsbildungsprozesse am Beispiel einer hochschuldebatte – politische und studentische Abwehrkämpfe, verirrungen und Aufbrüche in der vor- und Frühgeschichte der Freien universität Bozen.1 Das Gasthaus, in dem am 15. April 1955
Walther ein erster regulärer Präsident
die Südtiroler Hochschülerschaft (noch
gewählt wurde. An der Vollversamm-
ohne Binnen-I) gegründet wurde, gibt es
lung nahmen 63 Mitglieder teil, eine gar
nicht mehr, es verkörperte mit seinem
nicht so schwache Beteiligung, wenn be-
feudal-bäuerlichen Interieur so etwas wie
dacht wird, dass es damals nicht mehr als
die Altbozner Wirtshausherrlichkeit zwi-
rund 300 Studierende aus Südtirol gab.
schen Bürgerlichkeit und Bauernjoppe. Erster provisorischer Präsident (so hieß
Eher als von einer Basisbewegung muss
das damals noch) war Paul Stacul, der
zu diesem Zeitpunkt von einer Initiati-
aber schon bald einrücken musste und
ve von oben gesprochen werden. Die
von Alfred Pichler wieder nur proviso-
Lage der Südtiroler Jugend war ein Jahr-
risch ersetzt wurde, bis mit Franz von
zehnt nach Kriegsende eher von Re-
1
68
Dieser Beitrag orientiert sich weitgehend an der Aufarbeitung der Südtiroler Universitätsgeschichte in: Peterlini, Hans Karl (Hrsg.) (2007): Universitas est. Essays zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol vom Mittelalter bis zur Freien Universität Bozen / Saggi sulla storia della formazione in Tirolo/Alto Adige dal Medioevo alla Libera Università di Bolzano / Essays on the history of educa tion in Tyrol and South Tyrol from the Middle Age to the Free University of Bozen-Bolzano / Articui sun la storia dla formazion tl Tirol/Südtirol dala Eté Mesana fino a la Université Ledia de Bulsan . Bozen-Bolzano-Bulsan: Raetia 2007; es werden vor allem Teile der Beiträge „Das Trojanische Pferd“ (S. 163–189) und „Rebellenjahr“ (S.201–254) verwendet und auf Gegenwartsdiskurse fokussiert.
signation
Perspektivenlosigkeit
musste.
Bildungsbeflügelung,
Universität Padua standen im Geruch
Aufbrüche artikulierten sich vor allem
einer ethnischen Mission, um „einen neu-
in
Gegenbewegungen
en Keim der Italianität – diesmal basierend
zu der in zermürbenden Autonomiever-
auf den kulturellen Motiven – in ein Gebiet
handlungen selbst zermürbten politischen
zu senken, das an Italienischem nicht mehr
Führung. So dürfte die Zahl jener, die sich
besaß (und besitzt) als den Namen“, so die
bald
Paduaner Uni-Zeitschrift „il bò“ 1956.2
geprägt
und als
von
patriotischen
im
Befreiungsausschuss
Südtirol
Die Brixner Sommerkurse der
(BAS) zu einer zunehmend gewaltbereiten Untergrundbewegung zusammenfanden,
Sofern überhaupt von bildungspolitischen
nicht kleiner gewesen sein als die gesam-
Strategien in Südtirol die Rede sein konnte,
te Südtiroler Studentenschaft. Der Bedeu-
waren sie auf das Notwendigste und
tungsverlust der Landwirtschaft zog der
Dringendste gerichtet – Haushaltungs-
bäuerlichen Jugend regelrecht den Boden
schulen für die zuvor von sekundärer
unter den Füßen weg, erste Abwanderun-
Schulbildung
gen nach Österreich und Deutschland tru-
Mädchen der Land- und Bergbevölkerung,
gen zu jener „Volk in Not“-Stimmung bei,
Kurse für die wenig ausgebildete werk-
die sich bald in einem schärferen, von An-
tätige
schlägen begleiteten politischen Kurs ent-
organisation gab es, nachdem der frühere
laden sollte. Studieren war ein Luxus für
„Bund
Privilegierte entweder von der Herkunft
eingegangen war, de facto nicht mehr.
her oder weil sie in den Genuss vorwiegend
Impulse für eine Neuorganisation gin-
klerikaler Nachwuchsförderung kamen.
gen von Schulamtsleiter Josef Ferrari aus
völlig
Bevölkerung. der
ausgeschlossenen
Eine
Südtiroler
Hochschul-
Hochschüler“
und waren eher vom Lehrkräftemangel in Eine Südtiroler Universität war zu diesem
der deutschen Schule und der fehlenden
Zeitpunkt nicht nur kein politisches
Anerkennung von Studientiteln aus dem
Ziel, sondern ein Schreckgespenst, das
deutschsprachigen
es zu verscheuchen galt. Pläne für die
Eine erste aktive Auseinandersetzung mit
Gründung
wurden
Hochschulfragen waren 1954 die „Mera-
von italienischen Regierungsstellen und
ner Hochschulwochen“. Damit sollte dem
Bildungsrepräsentanten wenig vertrau-
Werben und der Sogkraft italienischer
ensbildend als Initiativen einer „Koloni-
Universitäten eine deutschsprachige Ini-
sation von hoher Kultur“ oder „geistiger
tiative entgegengesetzt werden. Der An-
Kolonisation“ bezeichnet – Reizworte, die
stoß kam vom Südtiroler Kulturinstitut,
nach Faschismus und bei anhaltender
eine erste Initiative war 1955 die Grün-
Zuwanderung Abwehrreaktionen auslösen
dung der SH als landespolitisches Projekt.
einer
Universität
Ausland
motiviert.
2 il bò. Organo degli studenti dell’Università di Padova, 30.4.1956, zit. n. Dolomiten, 1.9.1956.
69
In der festgefahrenen Verhandlung um
italienischer
Universitäten
bekämpft.5
die von Rom verweigerte Studientitelan-
Eine autonome Regelung der Stipendien-
erkennung kam durch die SH ein frisches
vergabe wurde zweimal rückverwiesen,
Element ins Spiel. Die Lage war festgefah-
weil darin auch Studien im deutschspra-
ren, die SVP wollte alle Gespräche abbre-
chigen Ausland berücksichtigt wurden.
chen, die SH trat dagegen unkonventionell
Die Bevorzugung von Innsbruck durch
dafür ein, einen Kompromiss anzunehmen
Südtiroler Studierende sei „offenkundig
und weitere Forderungen zu stellen. Sie
gegen den Staat, dessen Bürger sie sind,
begann mit jenen sprachlichen Formeln
und gegen unsere Universitäten gerich-
zu verhandeln, die man in Rom verstand:
tet“.6 Im Südtiroler Landtag wurde die
„Die Südtiroler Hochschüler in ihrer Stel-
Universität Innsbruck auch von einem
lung zwischen zwei großen Kulturen sind
moderaten Abgeordneten wie dem Sozial-
nicht nur berechtigt, sondern europäisch
demokraten Decio Molignoni als „Tempel
gesehen sogar verpflichtet, ihre kultu-
des Tiroler Irredentismus“ bezeichnet.7
rellen Güter, nämlich Sprache und Überlieferung, nicht bloß zu wahren, sondern
Entsprechend misstrauisch wurden Vor-
auch zu fördern. Andererseits fühlen sie
schläge für eine Universität in Bozen von
sich als Europäer ebenso verpflichtet, mit
der SVP und der Hochschülerschaft aufge-
rückhaltloser Aufgeschlossenheit die kul-
nommen. Molignoni schlug eine Sprachen-
turellen Werte Italiens aufzunehmen.“
fakultät für Italienisch und Deutsch vor,
3
der ebenfalls moderate DC-Abgeordnete Im Februar 1956 erschien, initiiert von
Alcide Berloffa eine Fakultät für Wirt-
Franz von Walther und Rainer Seberich, die
schaftswissenschaften.
erste Ausgabe des „fahrenden Skolasten“,
die italienische Politik dagegen, dass der
von einer gesellschaftspolitischen Aus-
Volkswohnbau – als wichtiges Instrument
richtung aber konnte keine Rede sein.
der Italianisierungspolitik – an die Landes-
Die SH bot sich als Mitveranstalterin bei
verwaltung übergehen könnte,8 lösten die
den Meraner Hochschulwochen an, orga-
Universitätspläne umgekehrt Vorstellun-
nisierte Ferienreisen, half bei der Grün-
gen einer „geistigen Industriezone“ aus.9
Stemmte
sich
dung von Hochschulgruppen und der Beschaffung der „Buden“, sorgte sich um
Das Misstrauen schlug auch auf Hochschul-
die – von Rom für ausländische Studien
initiativen von deutscher Seite durch. Als
lange verwehrte – Stipendienfrage und
zu den Meraner Hochschulwochen 1958
um die Vergabe von Kulturbeiträgen.
der österreichische Außenminister Bruno
4
Kreisky geladen war und LandeshauptDie wenig minderheitenfreundliche Hal-
mann Alois Pupp eine Rede halten sollte,
tung der römischen Regierungen ermög-
wünschte SVP-Obmann Silvius Magnago
lichte kaum Öffnung. Die Wettbewerbe
vorher Einsicht in das Manuskript. Dabei
für Stammrollenlehrer wurden von staat-
waren die Hochschulwochen in dieser
licher Seite boykottiert und von Rektoren
Phase alles andere als systemkritisch aus-
3 4 5 6 7 8 9
70
Seberich, Rainer (2000): Südtiroler Schulgeschichte. Muttersprachlicher Unterricht unter fremdem Gesetz. Bozen: Edition Raetia: S. 241 f. http://asus.sh/de/about/history. Seberich 2000, S. 242 ff. Dolomiten vom 1.9.1956, vgl. Widmann, Franz (1998): Es stand nicht gut um Südtirol. 1945–1972. Von der Resignation zur Selbstbehauptung. Aufzeichnungen der politischen Wende. Bozen: Raetia: S. 209. Alto Adige, 20.10.1955. Widmann 1998: S. 436. 5.11.1955 und 10.11.1955.
Skolast 1974/2, Cover.
gerichtet: 1959 sprach Peter Platter über
ich sehe aber auch keine Notwendigkeit
die „Katholische Jugend und Südtirol“,
dafür, wenigstens besteht diese nicht für
Friedl Volgger über „Jugend und Volkstums-
die Südtiroler. Diese wissen nämlich um
gedanke zwischen 1. und 2. Weltkrieg“,
den Wert der Begegnung mit einer Kultur
Bischof Joseph Gargitter über „Kirche und
in deren Mutterland und sind mit den Stu-
Jugenderziehung“, Toni Ebner über „Europa“.
dientitelabkommen, einige Lücken ausgenommen, sehr zufrieden. Beide Kulturen
Die Universitätsdebatte war letztlich ein
in r e i n e r Form [Hervorhebung im Origi-
Monolog. Vorschläge, Initiativen, Forde-
nal] kennenzulernen, scheint mir die Auf-
rungen von italienischer Seite, kategori-
gabe der Studenten in Südtirol. Bei einer
sche Abwehr auf deutscher Seite. 1960
Universität in Südtirol fürchte ich aber, daß
sah ein Zehnjahresplan die Errichtung von
ein Mischprodukt herauskommen würde,
Universitäten in all jenen Regionen Itali-
das nicht Fisch und nicht Fleisch ist.“11
ens vor, die noch keine Hochschule hatten – es waren dies Kalabrien und Basilicata,
Vision und Zeit passten nicht zusammen:
Für die SH
In der Vision einer Bozner Universität lock-
kappte Rainer Seberich jeden Dialogfaden:
te zwar ein Bildungsversprechen im be-
„Ich sehe keine Möglichkeit, wie die Grün-
schworenen europäischen Geist, zugleicht
dung einer doppelsprachigen Universität
steckte in der Rhetorik und dahinterste-
in Bozen durchgeführt werden könnte,
henden Strategie noch zu viel von der bis
Aosta und Trentino-Südtirol.
10
10 Vgl. Alto Adige, 19.11.1960. 11 Skolast 1959/6, S. 8.
71
dahin erfahrenen Majorisierungspolitik.
Hochschülerschaft, nun auch durch Rainer
Einerseits
Innenministeri-
Seberich, um eine „sachliche Argumenta-
um Trachtenaufmärsche, das Hissen der
tionsebene“; einen neuerlichen Vorstoß
weiß-roten Tiroler Fahne, die Feiern zum
1963 wies die SH aber weiterhin als „ge-
Andreas-Hofer-Sonntag 1960, drohte mit
förderte geistige Unterwanderung“ zurück:
der Ausweisung ehemaliger Deutschland-
„Eine Universität Bozen wird so lange nicht
optanten durch Verweigerung oder Ent-
unsere Zustimmung finden, als wir ernst-
12
zug der italienischen Staatsbürgerschaft.
lich befürchten müssen, daß sie als ein
Andererseits füllten Professoren und In-
politisches Instrument gegen unsere Inter-
tellektuelle ganze Seiten in den italieni-
essen missbraucht wird. Erst wenn wir mit
schen Tageszeitungen mit Vorschlägen zu
guten Gründen annehmen können, daß sie
einer Bozner Universität.
Und zugleich
auch unsere Kultur fördert, sind wir bereit,
war die Universität Innsbruck eine star-
an ihren europäischen Geist zu glauben.“17
verbot
das
13
ke Operationsbasis für die Nordtiroler Unterstützung
der
Südtirol-Anschläge.
In vorsichtiger Dosierung begann die Dis-
Hier rekrutierten Dozenten und Intellek-
kussion in der Südtiroler Studentenschaft
tuelle von extrem rechts (Norbert Bur-
Fuß zu fassen. Christoph Pan ging 1965 im
ger) bis hin zu Widerständlern gegen das
„Skolast“ zwar davon aus, dass „die Grün-
NS-Regime (Wolfgang Pfaundler, Helmut
dung einer Universität in Bozen vorwiegend
Heuberger) gleichermaßen das Boden-
als ein gegen unsere Volksgruppe gerichte-
personal für die Südtirol-Anschläge.
tes Politikum“ empfunden werde, stellte
14
aber eine solche Betrachtung zugleich inMit der Bombenserie, die sich bis zur Feu-
frage.18 Erstmals wurden von Südtiroler Sei-
ernacht im Juni 1961 steigerte, endete die
te „bereichernde“ Aspekte einer Universität
Uni-Debatte jäh. Innenminister Mario Scelba
in Südtirol angesprochen, so die „bedeu-
machte noch einmal den Vorschlag einer
tende positive Ausstrahlung auf das wirt-
Universität in Südtirol, um der Gewalt eine
schaftliche, soziale und kulturelle Leben
Stätte der geistigen Auseinandersetzung
ihrer Umgebung“. Deshalb sei die „katego-
entgegenzustellen, doch konnte kaum et-
risch ablehnende Haltung“ möglicherweise
was anderes erblickt werden als der neu-
nicht mehr sinnvoll. Pan schlug die Bildung
erliche Versuch einer „beschleunigten
einer zweisprachigen Europa-Universität
Integration Südtirols in Italien“, wie Kultur-
nach dem Modell von Freiburg/Fribourg in
politiker Anton Zelger noch ein Jahrzehnt
der Schweiz vor, wo er damals studierte.
später gemahnte.
15
Scelba kündigte die
Unigründung in einem Atemzug mit den
Eine andere Überlegung galt der mögli-
Polizeimaßnahmen gegen den Terror an.
chen Verschlechterung der Studientitelan-
16
erkennung aufgrund der Attentate, die ab Wie ein Kerzenlicht flackerte die Vision
den frühen 60er-Jahren zu erschwerenden
einer Südtiroler Universität immer wieder
Ein- und Ausreisebestimmungen geführt
kurz auf, um sofort wieder ausgeblasen
hatten. Möglicherweise sei es im Falle ei-
zwar. Zwar bemühte sich die Südtiroler
ner „Anerkennungssperre für die im Aus-
12 Vgl. Peterlini 2016: v.a. 42–118. 13 Vgl. Alto Adige, u.a. 11.2., 17.2., 18.2., 4.3., 9.3.1961. 14 Peterlini, Hans Karl (2016): Feuernacht. Südtirols Bombenjahre. Hintergründe – Schicksale – Bewertungen. 2. Auflage. Bozen: Raetia: S. 109. 15 Anton Zelger bei einem Vortrag 1970 in Innsbruck, Nachrichtenagentur Italia. 16 Vgl. Dolomiten, 23.6.1961. 17 Skolast 1963/2, S. 4. 18 Vgl. Skolast 1965/3, S. 13 f.
72
Skolast 1974/2, S.7.
land studierenden Südtiroler“ ratsam, eine
Eine Entwicklung in der Nachbarschaft
19
Universität im eigenen Lande zu gründen.
weckte zumindest Neugier: Das 1962 in
Die Skolast-Autorin Beatrix Lutteri ver-
Trient gegründete „Istituto Universita-
warf ihre Idee schon im nächsten Atemzug:
rio Superiore di Scienze Sociali“, aus
Wenn Italien wirklich so hart vorgehen soll-
dem dann die Fakultät für Soziologie
te, stünde zwangsläufig auch eine Universi-
hervorging, wurde zum ersten Baustein
tät in Südtirol unter Italianisierungsdruck.
der Trentiner Universität. Hatte die SVP
Nur eine Verbesserung der Beziehungen
zunächst aufgeatmet, weil der staatli-
innerhalb der Europäischen Wirtschafts-
che Druck auf eine regionale Universi-
gemeinschaft (EWG) und mit Österreich
tät damit ein Ventil gefunden hatte und
könnte neue Voraussetzungen schaffen.
20
das Thema einer Südtiroler Uni erledigt
Rechtswissenschaften,
schien, wurde Trient nun zu einem Ka-
Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, tech-
talysator der Hochschuldebatte auch in
nische
Dolmetscherausbildung,
Südtirol. Den Gegnern der Universität
europäische Studien, postgraduelle Spezi-
diente Trient als Abschreckung, weil das
alisierungskurse für Deutsch, Französisch
Soziologiestudium in Trient zum Kristal-
und Englisch – die konkreten Vorschläge
lisierungspunkt für die 1968er-Bewe-
wichen wenig von den vielen bis dahin
gung wurde. „Heute ist diese Fakultät
von italienischer Regierungsseite entwi-
für ‚Soziologie‘ eine Keimzelle für Pro-
ckelten Ideen ab. Die Quelle aber war nun
testierer der extremen Linken bis zu den
die eigene Südtiroler Studentenschaft.
Anarchisten“, schrieb im Februar 1970
Vergleichende Fächer,
19 Vgl. Skolast 1966/1/2, S. 19f. 20 Ebd.
73
der
aufstrebende
SVP-Jungpolitiker
Hans Benedikter in den von Hans Dietl gegründeten Südtiroler Nachrichten“.
weil das unmöglich ist.“ - „Man soll doch nicht immer großspurig
21
von ‚doppelsprachiger Universität‘ als
Bezeichnend daran ist, dass sich da-
‚Brücke‘ zwischen zwei ‚Kulturräumen‘
rin
Argumente
faseln. Das ist ein allgemeines Gewäsch.“
Südtiroler
- „Mit all dem Geld, das dieser Aufwand
Universitätsdebatte fast bis in die Ge-
einer ‚Universität auf Sparflamme‘ in
genwart bestimmend bleiben werden:
Bozen kostet, können die Hochschüler
- „Denn die ‚Universität‘ in Trient ist
unseres Landes, Deutsche und Italiener,
keine Universität. […] Soll der Trientiner
ohne große Sorgen an den größten und
oder – im Falle der ‚Universität Bozen‘
besten Universitäten Italiens,
- der Bozner, in seiner Vaterstadt, die
reichs oder Deutschlands studieren.
ja nicht gerade ein großer Anziehungs-
Damit ist der Kulturaustausch viel
punkt ist, schon als Student versauern?“
besser gewährleistet.“
schon
nahezu
wiederfinden,
die
alle
für
die
Öster-
- „Vom jungen Arbeiter nimmt man heute an, daß ihn nicht nur die geringeren
Zum anderen aber dient Trient auch als
Arbeitsmöglichkeiten in der Heimat
Argument für eine Uni: Südtirol dürfe
oder die besseren Verdienstmöglich-
nicht den Anschluss verlieren und müsse
keiten im Ausland zur Arbeit in anderen
aufpassen, dass seine jungen Talente zum
Ländern bewegen, sondern mindestens
Studium nicht ausgerechnet nach Trient
in gleichem Maße der Wille, etwas von
abwandern. In der Südtiroler Hochschüler-
der Welt zu sehen, mehr ‚Schliff‘ zu
schaft, die um 1965 einen politischen
bekommen,
werden
Wechsel vollzog (der sich im schrittwei-
und damit nicht nur seine fachlichen,
sen Übergang des Vorsitzes von Luis
sondern
menschlichen
Durnwalder und Heinz Zanon auf Pepi
Fähigkeiten zu erweitern und seine
Zelger und Otto Saurer ausdrückte), be-
Rührigkeit und Initiative anzuregen.
gann es zu brodeln. Auf einer eigenen
Der Universitätsstudent aber soll bis 25
Studientagung zum Thema „Universität“
Jahre in seinem Elternhaus in Trient
in Dietenheim/Bruneck 1966 untersuchte
oder in Bozen hocken, von der Welt
Hartmann Peter Hinterhuber, auch er einer
nichts
der jungen Wilden, die Möglichkeit, dass
gewandter
auch
sehen
seine
und
zu
ein
billiges
Doktorat erwerben.“
sich eine österreichische oder deutsche
- „Wir wollen aber keine Universität auf
Universität in Südtirol mit einer Zweig-
Sparflamme und uns nützen Akademiker
stelle niederlassen könnte. Als Vorbild
nichts, die auf einer solchen Sparflamme
nannte er die John-Hopkins-University
gargekocht würden. Gerade für die
in Bologna.22 Dass solche Ideen nicht
Minderheit ist das wichtig. Wenn wir
nur verwegen waren, zeigte das Inte-
uns behaupten wollen, müssen wir
resse von – den Quäkern nahestehen-
mehr leisten als die anderen. Dazu
den – Professoren aus Birmingham, die
müssen unsere jungen Akademiker
sich intensiv mit einer Universitätsgrün-
hinaus in die großen Zentren. Eine
dung in Südtirol als Modellversuch für
richtige,
die
gute,
leistungsfähige
Uni
versität bekommen wir nicht, einfach
Aussöhnung
ethnischer
Konflikte
durch Bildungsinstitutionen befassten.23
21 Südtiroler Nachrichten, 28.2.1970. 22 Skolast, Sondernummer zur X. Studientagung „Ziele und Möglichkeiten einer Kulturpolitik für Südtirol“, 1966. 23 Informationen von Egmont und Eva Jenny sowie Rainer Seberich im September / Oktober 2007; vgl. Seberich 2000, S. 354.
74
Skolast 1974/3, S.8.
Promotor
einer
Universität
tes auf Struktur und Führung der Uni
war auch der spätere Oppositionsabge-
sei kaum einzuschränken, sodass auch
ordnete Hans Lunger. Dieser ging von ei-
eine zweisprachig gedachte Einrichtung
ner Analyse des Einzugsgebietes aus und
letztlich ins Italienische kippen werde.25
hielt den Standort Südtirol für möglich.
Eine zweite Entwicklung verknüpfte die
Die „Dolomiten“ druckten Lungers Ex-
Hochschulfrage – wie dann noch einmal
pertise auf einer ganzen Seite ab, wenn-
vor der tatsächlichen Gründung in den
gleich sie vorbeugend erklärten, sich
1990er Jahren – mit der Not um die Lehrer-
mit dem Inhalt nicht zu identifizieren
ausbildung. Durch die Einführung der Ein-
und gern auch Gegenmeinungen abzu-
heitsmittelschule in Italien 196326 wurde
drucken, was sich in der Folge lebhaft
der eklatante „Mangel an qualifizierten
ereignete.
Für Lunger waren die poli-
Lehrpersonen“ in Südtirol offensichtlich.27
tischen Bedenken gegen den national-
Schullandesrat Zelger wandte sich an die
staatlichen Missbrauch einer Universität
Universitäten Padua und Innsbruck, um
berechtigt, müssten aber im Zuge der Pa-
diese für eine gemeinsame Hochschulini-
ketverhandlungen durch kluge und weit-
tiative zu gewinnen. Nun wurden auch die
sichtige Lösungen überwunden werden.
beargwöhnten Sommerkurse der Univer-
24
Südtiroler
sität Padua in einem neuen Licht gesehen Für einen breiten Umschwung in der
– als mögliche Sonderkurse für die berufs-
Studentenschaft war es noch zu früh.
begleitende Ausbildung von Lehrkräften.
Kurz vor Lungers Offensive hatte eine
Rektor Enrico Opocher sprach zur Eröff-
Arbeitsgruppe der SH eine „Europäische
nung der „Corsi estivi e corsi di cultura per
Universität in Südtirol“ als nicht zielfüh-
insegnanti supplenti in Bressanone“ von
rend betrachtet. Der Einfluss des Staa-
einem „neuen Klima“.28 Der neue Brixner
24 Beiträge Lungers in Skolast 1967/3 und Dolomiten, 2.10.1967; Reaktionen darauf in Dolomiten 3.10., 5.10., 6.10., 9.10.1967. 25 Skolast 1967/2, zit. n. Ladurner 1993. 26 Das Gesetz wurde am 31.12.1962 verabschiedet und trat am 31.1.1963 durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Republik in Kraft. 27 Alto Adige, Blatt für deutsche Leser, 25.1.1970. 28 Annuario dell’Università di Padova 1971, S. 3 ff.
75
Bürgermeister Zeno Giacomuzzi sprach
„Paket“ von 1969 stellte einen entschei-
dankbare Grußworte, Silvius Magnago,
denden Schritt zur autonomiepolitischen
Anton Zelger und der deutsche Schul-
Absicherung Südtirols dar, der bis dahin
amtsleiter David Kofler nahmen an der Ze-
gebundene Energien für neuen Schwung
remonie teil. Schon die ersten Kurse wur-
und neue Selbstwahrnehmung frei mach-
den von 353 Hilfslehrkräften besucht.
te. Mit der üblichen Verspätung schwappte
29
auch der Geist der Studentenrevolten von Öffnung und Vorsicht hielten sich die
1968 über den Alpenhauptkamm, ein ju-
Waage. Rainer Seberich erinnert sich an
gendliches Bedürfnis nach Neuerung, nach
konstruktive Gespräche mit den SVP-Poli-
Emanzipation, nach Abstand von Tradition
tikern Karl Mitterdorfer und Hans Rubner.
und Väterkultur suchte Raum und The-
Von dieser – vorübergehenden – Öffnung
men. Die Universität wurde zum Streitfall.
zeugt auch ein Briefwechsel zwischen Peter Brugger und Hans Dietl, beide Ex-
Zu einem ersten Bruch war es in der SH
ponenten
SVP-Flü-
schon 1966 gekommen, als der Uni-
gels. Brugger überlegte „eine geistes-
ablehnende Vorsitzende Luis Durnwalder –
wissenschaftliche Fakultät in deutscher
nach einer turbulenten Interimsära – vom
Sprache für unsere
zukünftigen Mittel-
öffnungsbereiten Otto Saurer abgelöst
schullehrer in Südtirol anzustreben, und
wurde. Mit dem seinerzeit noch religiös in-
zwar über die zu errichtende Universität
spirierten Jungaktivisten Alexander Langer
Trient“,
war ein weiterer Protagonist späterer
Padua
des
wobei
patriotischen
auch
eingebunden
die
Universität
werden
sollte.
30
Jahrzehnte im Spiel. Langer ironisierte den Wechsel in der SH im „Skolast“ als
Diese Perspektive einer von auswärti-
Beginn einer neuen „Epoche von Otto I.“31
gen Universitäten getragenen Fakultät in Südtirol war innovativ und bedeu-
Vieles kam plötzlich in Bewegung. So lud
tete zugleich, dass die SVP einer zwei-
der Bischof um 1967 eine Gruppe um den
sprachigen „Volluniversität“ im eigenen
neuen SH-Vorsitzenden Saurer zu einer
Lande abschwören konnte. Die ange-
Aussprache mit dem Thema: Braucht Süd-
dachte pädagogische Fakultät kam nicht
tirol eine Universität? Joseph Gargitter
zustande, wohl aber setzte die SVP
legte sich selbst nicht fest, aber allein dass
weiterhin auf die Zusammenarbeit mit
er die Meinung der Hochschüler zu hören
Padua und Innsbruck, was später zum
wünschte, deutet auf sein Interesse an der
Studium des Italienischen Rechts in der
Frage. Bei dem Treffen war auch Langer
Tiroler Landeshauptstadt führen sollte.
dabei, der eine katholische Studentenorganisation vorschlug, worauf Saurer
Zwischen der Suche nach begrenzten
meinte, die SH sei eigentlich schon katho-
pragmatischen Lösungen und dem Wunsch
lisch genug. Um 1966 wurde Langer von
einer neuen Generation nach kulturellem
den „Dolomiten“ sogar beauftragt, eine
Aufbruch tat sich eine Kluft auf. Das Schlüs-
eigene – von der SH auch als Konkurrenz
seljahr ist wohl nicht zufällig 1970: Das
beargwöhnte – „Beilage des Hochschü-
29 Nachrichtenagentur Italia, 22.7.1970. 30 Archiv Hans Dietl. 31 Vgl. Skolast 1966/9/10, S. 36 f; zur religiösen Motivation Langers vgl. seine Aufsätze über die Marianische Studentenkongregation vom 1.11.1961 und über die Fastenzeit vom 1.3.1962 auf www.alexanderlanger.org unter „Schriften – Lebensstile“. 32 Information von Otto Saurer, 13.9.2007. 33 Leitartikel von Pepi Zelger über den „konkurrierenden Skolastikus“ in Skolast 1966/7/8, S. 3.
76
lers“ zu betreuen, eine Zeit lang schrieb
Egger, mochte mit der aufbegehrenden
er zusammen mit Saurer dafür.
Wenige
Jugend trotzdem nicht ganz brechen. Bei
Jahre später sollte die SH dann aus der
der Eröffnung der Hochschulwochen 1969
Sicht Langers zu wenig weit links stehen.
kündigte er eine Erneuerung für das kom-
Mit dem Wechsel von der Durnwalder-
mende Jahr an.34 Diese aber hatte gera-
zur Saurer-Ära war die SH war zum ersten
de Freude daran gefunden, die Borsten zu
Mal seit ihrem Bestehen kein berechen-
zeigen: Auf der Studientagung 1969 hielt
barer Partner mehr. Zwar verstanden sich
Norbert C. Kaser seine berühmt-berüchtigte
Saurer und Durnwalder bald wieder recht
Rede
gut, aber schon bald klafften die Brüche
Literatur, deren heilige Kühe zu schlachten
neu auf. Unter den nächsten zwei Vorsit-
seien. Die „Dolomiten“ reagierten empört.
zenden Hellmuth Ladurner und Hansjörg
Eine erbetene Aussprache mit der SH lehn-
Dell’Antonio boykottierte die SH 1968
te Chefredakteur Toni Ebner sen. ab, wor-
und 1969 die aus ihrer Sicht zu regi-
auf SH-Vorsitzender Hansjörg Dell’Antonio
mehörigen
hart konterte: „Wie lange will man noch
Meraner
33
Hochschulwochen.
über
Südtirols
Blut-und-Boden-
eine derartige Pressediktatur dulden?“35 Der Präsident des Kulturinstitutes, Fritz
Skolast 1975/1, Cover.
34 Vgl. Dolomiten, 6./7.9.1969. 35 Stellungnahme von Hansjörg Dell’Antonio im Namen des Vorstandes der Südtiroler Hochschülerschaft zur Berichterstattung der Dolomiten, September 1969.
77
Wie sehr es in der Hochschülerschaft drun-
on Vorsitzender bleibt oder sein Nachfol-
ter und drüber ging, zeigte auch ein Diskussi-
ger sich von diesem nicht mit Nachdruck
onsabend zum Südtirol-Paket im November
abhebt“.39 Die Stellungnahme des in Ve-
1969. Die Magnago- und Paket-kritischen
rona studierenden Bernhard Pirchers gibt
„Dolomiten“
wohlwollend
die Heftigkeit der Auseinandersetzung
die kritischen Stimmen, da in der SVP
wieder: „Nach Abschluß meines Studiums
„die Selbstkritik ja unterblieben“ sei.36
werde ich sicherlich nicht all die schönen
vermerkten
Lieder der Burschenschaften und der verDell’Antonio nannte die Universität eine
schiedenen Verbindungen kennen und
Lücke im Paket. Saurer, wie Luis Durnwalder
ich werde mich auch sicherlich nicht so zu
1969 unter den Paketgegnern einge-
der deutschen Herrennation hingezogen
reiht, sprach von Öffnungen in der Uni-
und zugehörig fühlen, wie dies vielleicht
versitätsfrage. Langer plädierte bereits
bei dir und anderen der Fall sein wird.“40
im Namen einer „alternativen Linken“ für die Universität als „Ort der Begegnung
Waren die Unterschiede beim Wech-
der Volksgruppen, an dem die Südtiroler
sel von der Durnwalder- zur Saurer-Ära
einen Anschluß an das Staatsleben und
noch verwischt und ausheilbar gewe-
die ansässigen Italiener einen solchen an
sen, kam es nun zum ideologischen
die örtlichen Gegebenheiten finden sol-
Bruch. Die Gruppe von Studierenden
len, ohne gegenseitige Übervorteilung“.37
um Hellmuth Ladurner und Gottfried Solderer positionierte sich klar links.
Welten stießen da aufeinander, auch
Ladurner forderte in dem auf Paul Zanons
in
Grundsatzartikel
der
Hochschülerschaft.
„Kartoffel,
folgenden
„Skolast“
Spaghetti oder Canederli“ überschrieb
demonstrativ und ironisch eine „Schüt-
Paul Zanon – mit dem die konservative
zen-Universität“ zur Wahrung von Väter-
Studentenschaft nach dem Abtritt seines
glaube, Heimatliebe, Zucht und Ordnung.41
Bruders Heinz wieder an die Spitze gekommen war – als SH-Vorsitzender 1970
Auf der einen Seite mauerte die Gruppe
einen Grundsatzartikel zur Universitäts-
um Zanon weiterhin gegen eine zwei-
frage: Eine Universität in Südtirol riskiere
sprachige Universität, auf der anderen
alle Übel des italienischen Universitäts-
Seite wurde genau diese zur zentralen
systems zu reproduzieren und zu einer
Forderung der Rebellen in der SH, so
„Serienproduktionsstätte für Doktoren“
Ladurner: „Hier bietet sich nur eine Lösung
zu verkommen. Zanon stellte die kultu-
an: eine Hochschule, an der beide Landes-
relle Verteidigung der Südtiroler Min-
sprachen paritätisch vertreten sind und
derheit über die Universitätsfrage. Eine
deren Pflichtvorlesungen in jeweils einer
Universität in Bozen werde die „Dege-
der beiden Landessprachen (ohne Paral-
nerierung der Muttersprache“ fördern.38
lelvorlesungen in der anderen) gehalten werden. Das heißt, der Student muß beide
Der Reihe nach drohten SH-Mitglieder
Sprachen beherrschen, will er im Studium
mit Austritt oder Rücktritt, „solange Zan-
fortkommen. Die Prüfungen müssen in der
36 Dolomiten, 18./19.11.1969. 37 Zit. n. Stocker, Emil: Abschließender Bericht der Universitätskommission der SH. In: „Skolast“, Sondernummer zur XIV. Studientagung „Hochschule in Südtirol – für Südtirol?“ S. 197. 38 Skolast 1970/1/2. 39 Skolast 1970/3. 40 Skolast 1970/3. 41 Skolast 1970/3.
78
SH-Uni-Dossier, November 1995, S.9.
79
Sprache der Vorlesung abgelegt werden.
schen Fakultäten in Trient und einer geis-
Nur diese Lösung nimmt auf die kulturelle
teswissenschaftlichen Fakultät in Bozen
Struktur des Landes Rücksicht und läßt
mit deutscher und italienischer Abtei-
sich in sie harmonisch einfügen.“
Eben-
lung“ für möglich, etwa nach dem Muster
so exponierte sich Hanns Egger, indem er
Nürnberg-Erlangen. Ein anderes denkbares
das gängigste Argument der Gegner auf-
Modell schien ihm eine Südtiroler Uni, die
zuspießen versuchte: „Auf ein besonders
von Innsbruck und Padua als gleichberech-
tückisches Gegenargument möchte ich
tigte Partner getragen werde, wofür aber
noch eingehen, nämlich daß die Südtiro-
ein bilaterales Abkommen zwischen Öster-
ler, die vom Lande kommen, doch einmal
reich und Italien nötig sei. Auf keinen Fall
die Möglichkeit haben sollen, ihren Ho-
dulde die SVP „eine geistige Industriezone“.
42
rizont zu erweitern und in die Welt hinauszukommen. Eine Universität in Bozen
Eine institutionelle Plattform für die
würde ihnen das nicht bieten können.
Bildungsdiskurse wurde im „Forum für
Wenn das so wäre, dann müßten heute
Bildung und Wissenschaft“ angestrebt,
alle Südtiroler Akademiker einen welt-
gemeinsam gegründet von SH und Kultur-
weiten Horizont besitzen, denn sie haben
institut. Vorsitzender war Otto Saurer (von
alle außerhalb von Bozen studiert. Zwei-
der SH berufen), sein Vize Hanns Egger
tens könnte man gleich folgende Gegen-
(vom Kulturinstitut berufen), drittes Mit-
frage stellen: Warum sollen denn nur die,
glied war Gerhard Mumelter. Beigezogen
die auf die Universität kommen, etwas von
wurden auch die Studenten Gottfried
dem Welthorizont mitbekommen, und wa-
Solderer und Hellmuth Ladurner. Tatsäch-
rum sollte, nachdem es sich doch um Tau-
lich gelang es, Max Horkheimer zu den
sende handelt, von dieser Öffnung nicht
Meraner Hochschulwochen einzuladen.
auch in Bozen etwas zu finden sein?“
Über die Kritischen Theorie kam er auch auf
43
die Manipulation durch Medien zu sprechen. Über Monate hinweg drohte die SH aus-
Entsprechend sauer reagierten die „Dolo-
einanderzubrechen. Die linken Studen-
miten“: „Nach links abgewichen“, war das
ten erwogen die Gründung einer alter-
Etikette für die neuen Hochschulwochen.
nativen
Hochschülerschaft.
Interessant
ist die Haltung der „Dolomiten“, die im
In der SH legte Emil Stocker einen Be-
Frühjahr 1970 noch beide Seiten fair zu
schlussantrag für eine zweisprachige Uni
Wort kommen ließen und – meist mit
vor, der mit zehn Jastimmen, sechs Enthal-
dem Hinweis auf die Bedeutung jugend-
tungen und vier Gegenstimmen denkbar
licher Kritik – auch die Argumente der
knapp eine formale Mehrheit erhielt. Ein
linken Studentenschaft sachlich ausführ-
Gegenantrag von Hermann Raffeiner sah
ten. Selbst Kulturlandesrat Zelger warf
nur die Errichtung einer pädagogischen
bei einem Vortrag in Innsbruck nicht alle
Fakultät vor und unterstellte gleichzeitig
Türen zu: „In der Frage der Errichtung ei-
den italienischen Forderungen nach ei-
ner Universität in Bozen ist es nicht güns-
ner zweisprachigen Universität fehlendes
tig, wenn man eine Vogel-Strauß-Politik
Einfühlungsvermögen für die Südtiroler
So hielt er eine „regionale
Belange. Dieser Antrag scheiterte am um-
Universität mit zwei oder drei italieni-
gekehrten Verhältnis von Enthaltungen45
betreibt.“
44
42 Dolomiten, 6./7.5.1970. 43 Promemoria für die „Unterkommission zur Erarbeitung von Richtlinien in der Universitätsfrage“, 10.4.1970. 44 Nachrichtenagentur Italia, 8.7.1970. 45 Beide Resolutionen stammen vom 28.9.1970.
80
und Gegenstimmen – zehn Ja, sechs Nein,
die Grundsatzartikel von Universitäts-
vier Enthaltungen. Damit hatte sich SH zu
befürwortern in die Dokumentation der
einer Position durchgerungen, die es der
Unterkommission
SVP schwerer als bisher machte, eine zwei-
Jahresende tagte die Kommission vier-
sprachige Universität pauschal abzulehnen.
mal, entfaltete aber darüber hinaus eine
Hansjörg Kucera befand in der „Tiroler
intensive Erhebungsarbeit zu den Mög-
Tageszeitung“, „daß es kindisch sei (so wie
lichkeiten
es die ‚Dolomiten‘ getan haben), die Uni-
Auch der Arbeitskreis Südtiroler Mittel-
versität deshalb abzulehnen, weil die Idee
schullehrer und die Südtiroler Lehrerge-
von italienischer Seite ausgegangen ist
werkschaft erhöhten ihren Druck, da die
und von dieser Seite unterstützt wird, wes-
Supplentenproblematik brennend sei.48
halb sie nur für die Italiener geschaffen
Im Februar 1971 nahm schließlich am
würde und nicht für die Südtiroler“.46
Rande der Pressekonferenz zu seinem Fas-
einer
aufgenommen.
Bis
Universitätsgründung.
tenhirtenbrief auch Bischof Joseph GargitErneut machte es sich Anton Zelger
ter positiv zu einer Universität Stellung.49
weniger leicht, als sein späterer Ruf glauben machen würde. Die erste Sitzung zu
Erstmals standen damit intensiv Bildungs-
der von ihm einberufenen Unterkommis-
und Entwicklungsfragen des Landes auf
sion für die Hochschulfrage eröffnete er
der Tagesordnung der SVP – ein Themen-
mit dem Wunsch, „leidenschaftslos das
wechsel von der Volkstums- zur Bildungs-
Für und Wider einer Universitätsgründung
politik, wenngleich die Volkstumsfrage
zu prüfen“. Seine eigene Haltung umriss
noch lange nachwirken sollte. In der von
er mit Bezug auf seine schon im Landtag
Zelger eingesetzten Unterkommission kam
eingenommene Position: „a) über die
es zu zwei auseinanderstrebenden Positi-
Errichtung einer rein italienischen Uni-
onen. Schulinspektor Karl Seebacher, der
versität könne überhaupt nicht geredet
die Kommission bei Abwesenheit Zelgers
werden; b) ein Gespräch hinsichtlich
geleitet hatte, legte eine Entschließung
Errichtung jeder anderen Form einer
vor, die sich für die schrittweise Verwirkli-
Universität bleibe offen; man müsse
chung einer Hochschule aussprach, wobei
sich aber Klarheit über die Gründungs-
unmittelbar mit einer „Forschungsstätte
idee verschaffen; c) außer Diskussion
auf Hochschulebene für den Lehrernach-
bleibe der Grundsatz, daß der Stoff in
wuchs“ begonnen werden sollte; das Pa-
deutscher Sprache nur von Professo-
pier wurde mit sechs Ja- bei vier Nein-
ren deutscher Muttersprache vorgetra-
stimmen
gen werden könne; d) die Errichtung
Zelger legte eine eigene Resolution vor,
einer Universität dürfe nicht ohne Befra-
die mit fünf Nein- bei vier Jastimmen ab-
gen der Bevölkerung bzw. Entscheidung
gelehnt wurde.50 In seiner Vorlage lehnte
der
der Schullandesrat die Schaffung einer
politischen
Vertreter
erfolgen.“47
mehrheitlich
eigenständigen
verabschiedet,
Universität
ausdrück-
Dies schloss nicht einmal eine „dop-
lich ab, zum einen wegen der Gefahr des
pelsprachige“ Universität aus. Bewusst
Provinzialismus, zum anderen wegen der
wurden als Diskussionsgrundlage auch
Risiken von Instituten, die vom deutschen
46 Zit. n. Nachrichtenagentur Italia, 25.11.1970. 47 Protokoll vom 13.3.1970. 48 Vgl. Schreiben Lehrergewerkschaft der Cisl vom 12.12.1970. 49 Nachrichtenagentur Italia, 24.2.1971. 50 Vgl. Skolast 1971/1.
81
Kulturraum völlig losgelöst seien. So sah
Rückzugsgefechten verschwendet, in schö-
die Zelger-Resolution lediglich die Errich-
nen profunden Abhandlungen wie jener
tung eines Pädagogischen Institutes ohne
von Max Haller über die „Gesellschaftliche
Lehrbetrieb sowie die Ausschöpfung von
Funktion einer Hochschule“. „Übrig blieb“,
Kooperationsmöglichkeiten der Univer-
so Hellmuth Ladurner in einem 1993 ver-
sitäten Innsbruck und Padua in Südtirol
fassten Rückblick, „eine kleine Schar Un-
vor, unter der Bedingung, dass die Zusam-
verbesserlicher
menarbeit international abgesichert sei.
und verbrannte Erde: keine Basis für eine
Der bildungspolitische Putsch in der Un-
weiterführende, vertiefende Erörterung
terkommission, wiewohl letztlich nur in
des Problems.“ Die Universitätsdebatte,
Feinheiten artikuliert, fand ein jähes Ende
so hoffnungsvoll frech und institutionell
in der Landesschulkommission. In dieser
seriös sie 1970 begonnen hatte, steck-
waren die Mehrheitsverhältnisse schlicht
te schon 1971 wieder in der Sackgasse.
umgekehrt:
Die
(Utopisten,
Idealisten)
Seebacher-Resolution
wurde mit 16 gegen 6 Stimmen abgelehnt,
Noch aber bäumten sich die „Unverbesser-
das Zelger-Dokument mit 16 gegen 6 Stim-
lichen“ auf: Die SH ließ vom Thema nicht ab.
men angenommen. Damit war die Frage
Das „Forum für Bildung und Wissenschaft“
entschieden: Der SVP-Parteiausschuss be-
nahm seine Hochschultagung auch im Sep-
schloss am 19. April 1971, dass „die Nach-
tember 1971 wieder auf, umbenannt in
wuchsförderung der Südtiroler [...] allein
„Südtiroler Forumsgespräche“ Das Motto
die Errichtung einer eigenen Universität
der Tagung war „Bessere Bildungschancen
Die
für alle“.53 Um die Bevölkerung für die Idee
Zelger-Vorlage wurde mit dem Vorschlag
einer Universität zu gewinnen, wurde ein
ergänzt, im „Lande Einrichtungen zu schaf-
„Verein für die Errichtung einer Hochschu-
fen, welche die Ausbildung von Werkstu-
le in Südtirol“ angedacht.54 Und mit dem
denten gewährleisten und die Fortbildung
Vorsitzenden Sepp Kußtatscher griff die SH
der Lehrkräfte im allgemeinen steigern“.
1974 das Thema neu auf, als hätte es nie
Es war die Geburtsstunde des Südtiro-
einen Rückschlag gegeben. Für die Eröff-
ler Bildungszentrums und der Werkstu-
nungsrede wurde Sergio Los von der Uni-
dentenkurse in Zusammenarbeit mit den
versität Venedig über die „Krise der Univer-
Universitäten Innsbruck und Padua, mit
sität und mögliche Auswege“ gewonnen,
der nun in Wochenend- und Abendkursen
als Referenten kamen Paolo Prodi von der
universitäre Abschlüsse für einige Jahr-
Universität Trient, Rainer Seberich (mitt-
gänge von Südtirolern möglich wurden.
lerweile für die Südtiroler Mittelschulge-
zur Zeit nicht rechtfertigen“ könne.
51
werkschaft tätig) und Peter Seidel von der Für die Universitätsdebatte war es ein klei-
Universität Innsbruck ins Waltherhaus. Mut
ner Tod. Zynisch formulierte es Hellmuth
gemacht hatte den Hochschülern auch ein
Ladurner: „‚Kartoffel‘ und ‚canederli‘ ha-
neues Staatsgesetz, von dem bei künftigen
ben sie erschlagen und ‚spaghetti‘ haben
universitären Strukturen ein Mitsprache-
sie erwürgt.“
recht für Region und Land erhofft wurde.55
52
Von da an hätten sich die
Befürworter der Universität nur noch in
51 Resolution SVP-Parteiausschuss, 19.4.1971. 52 Ladurner 1993, S. 158. 53 Bessere Bildungschancen für alle. Entwurf eines Bildungsprogrammes. Südtiroler Forumsgespräche 1971. Forum für Bildung und Wissenschaft (Hg.).2. unveränderte Auflage. Bozen 1971. 54 Strukturprobleme des Südtiroler Bildungswesens. Forumsgespräche 73. Forum für Bildung und Wissenschaft: Bozen 1973. 55 Vgl. Haller, Max: Gesellschaftliche Funktion einer Hochschule in Bozen. In: Skolast 1976/2.
82
SH-Uni-Dossier, November 1995, S.32.
Die SVP bekräftigte – auf eine sehr heftige
auch alle italienischen Manöver der Ver-
Intervention von Alfons Benedikter hin –
gangenheit aus dem Weg. Er schlug ein
noch vor Tagungsbeginn ihr Nein zu einer
„regionales Universitätssystem“ mit zwei
Universität und lehnte eine Teilnahme
völlig gleichberechtigten Sitzen vor, Trient
ab. Anton Zelger, der das Eröffnungsrefe-
und Bozen. Während in Trient Soziologie,
rat zugesagt hatte, musste auf Weisung
Wirtschaft, Naturwissenschaften und Ma-
der Partei wieder absagen.56 Die Tagung
thematik ausgebaut würden, könne Bo-
begann mit einer politischen Überra-
zen die Geisteswissenschaften (Literatur,
schung. Der Rektor der Universität Trient
Geschichte, Philologie, Pädagogik) und
Paolo Prodi – aufgrund seines Studiums in
die Rechtswissenschaften übernehmen.
Deutschland auch in der Lage, eine neue
Ob die Sitze unabhängig voneinander sein
Gesprächsbasis mit den Südtirolern zu fin-
sollten oder zu einer einzigen Alma Mater
den – räumte alle Ängste und Vorbehalte,
mit rotierendem Rektorat zwischen Bozen
56 Information Sepp Kußtatscher, 29.6.2007.
83
und Trient und zwischen den Sprachgrup-
SVP – über seinen Schatten springen.
pen zusammenwachsen sollten, ließ er
Eindringlich schilderte Berichterstatter
offen – alles sei gestaltbar. Unverzicht-
Rampold, wie zuerst ein Student „und
bar seien „die Zweisprachigkeit in einem
danach noch entschiedener Baron von
umfassenden Sinne, auch in Trient“ und
Unterrichter vom Südtiroler Bildungs-
die Durchlässigkeit von und zu österrei-
zentrum“ vor der Bedrohung der Mutter-
chischen und deutschen Universitäten mit
sprache durch eine gemischte Universität
einer
Rundum-Studientitelanerkennung.
Trient-Bozen gewarnt hätten.“58 Trotz
Gegenüber den Avancen früherer italieni-
der Angriffe durch die „Dolomiten“ und
scher Bildungspolitiker und Professoren
des Fernbleibens der SVP hinterließ die
war es eine Einladung zur Kooperation auf
Studientagung der SH einen starken Ein-
gleicher Ebene, verbunden mit einem Wink
druck. „Auf der Anklagebank saß die SVP“,
mit dem Zaunpfahl: Wenn Südtirol sich
schrieb das „Katholische Sonntagsblatt“.
nicht entscheide, müsse Trient die Chancen des neuen Universitätsgesetzes allein
Tatsächlich war die Universität nicht
nutzen, möglicherweise auch mit einer
mehr das historische Schreckgespenst.
Öffnung für die deutschsprachige Welt.57
In einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Erziehungswissenschaften
Vom „trojanischen Pferd“ oder der Univer-
der Universität Innsbruck im Jahre 1974
sität als geistiges Kolonisationsprojekt war
wurden
in Prodis Rede nichts mehr übrig geblieben.
Schüler auch zu den Südtiroler Univer-
Wo früher von „Durchdringung“ die Rede
sitätsplänen befragt. 80 Prozent der
war, sprach er von gleichen Rechten, von
deutschsprachigen und 90 Prozent der
Ausgleich der Interessen und gegensei-
italienischsprachigen
tiger Neugierde; wo einst die Absicht zu
sich für die Errichtung einer Universität
spüren war, die Südtiroler vom deutsch-
in Südtirol aus. Die „Dolomiten“ kriti-
sprachigen Ausland abzuhalten zugunsten
sierten die Fragestellung als „suggestiv“
eines Studiums an einer italienischen und
(„überspitzt: Willst du eine goldene Uhr –
nur pro forma zweisprachigen Universi-
oder nicht?“) und taten das Ergebnis ab.59
Eltern
der
1959
Eltern
geborenen
sprachen
tät, war jetzt von einer Offensive in Richtung deutscher Universitäten die Rede,
Die Umfrageergebnisse mögen, unabhän-
mit internationaler und besonders deut-
gig von der Qualität der Erhebung, doch
scher und österreichischer Beteiligung
mit Öffnungstendenzen in der Bevölkerung
am Professorenkollegium. Die „Dolomi-
zu tun haben, die politisch nicht erkannt
ten“ stellten zu Prodis Überlegungen die
wurden. Mit viel Biss und Ironie versuchte
Frage, ob sich da die SVP möglicherwei-
das neugegründete „Kulturzentrum“ (als
se eine Chance vergebe – „oder kämpft
Kontrastprogramm zum Kulturinstitut) die
sie etwa gegen ein trojanisches Pferd“.
festgefahrene politische Abwehrhaltung
Der Berichterstatter war Josef Rampold,
aufzubrechen. Als der SVP-Parlamentari-
aber so wenig er an Prodis Vortrag aus-
er Hugo Gamper in einem Interview mit
zusetzen fand („mit großer Eloquenz
dem „L’Adige“ 1975 sagte, „non siamo
und Überzeugungskraft vorgetragen“),
maturi per l’Università“, entwarf Christian
so wenig konnte er – wie wohl auch die
Pardeller ein Plakat mit einem Edelweiß
57 Rede auf der 17. Studientagung der Südtiroler Hochschülerschaft, 26.–28.9.1974. 58 Dolomiten, 28./29.9.1974. 59 Dolomiten, 28./29.9.1974.
84
und einer fiktiven Fortsetzung des Inter-
83 Südtiroler Intellektuellen, Künstlern
views: „Wir Südtiroler sind nicht reif für
und Freiberuflern unterzeichnet wurde.
eine Universität“. „Und morgen?“, fragte
Unter den Unterzeichnern befanden sich
Pardeller weiter. „Sind wir zu dumm?“60
prominente und auch anerkannte Südtiro-
Der nächste Streich war ein großer roter
ler wie der Historiker Claus Gatterer und
Tiroler Adler mit Magnago-Kopf und Kral-
der Künstler Karl Plattner sowie der in der
len, die Südtirol festhalten: „Durch die
SVP nach oben strebende Otto Saurer.63
Errichtung einer Universität in Bozen würden sich auch in Südtirol neue Ideen breit
Manches brach auf, wurde neu dis-
machen. Wir können es uns nicht leis-
kutiert – aber am Ende stand unver-
ten, dadurch die Macht der SVP in Gefahr
rückbar das Nein der SVP. 1981 nahm
zu bringen. Deshalb keine Universität“.
Silvius Magnago in einem achtseitigen Dokument im Namen der SVP-Landeslei-
Die in bürokratischen Hindernissen und
tung zu dem im „Paket“ vorgesehenen,
neuen
„Interuniversitären
politischen
Vorbehalten
abge-
Vertrag
zwischen
bremste Autonomiedurchführung ließ die
Österreich und Italien“ Stellung. Selbst
alten Ängste zurückkehren, verdichtet im
wenn der Autonomen Provinz Bozen
berühmt-berüchtigten
eine Zuständigkeit im Universitätswesen
Zelger-Satz
„Je
klarer wir trennen, desto besser verste-
zuerkannt
werden
würde,
befand
hen wir uns“. Christoph Pan, der sich als
Magnago, könne „sie damit nichts anfan-
Student 1965 proaktiv für die Uni enga-
gen, weil in Südtirol keine Universität
giert hatte, liquidierte als Leiter des Wirt-
besteht und auch nicht erwünscht ist“.64
schafts- und Sozialinstitutes und Dozent in Innsbruck 1975 jegliche Universitätsidee
Als 1988 in der SVP mit der Designierung
mit Berufung auf Magnagos ablehnendes
Durnwalders zum Landeshauptmann der
Machtwort.61 Die SVP-Jugend positionier-
Generationswechsel
te sich klar gegen eine Universität und
ging dies nicht schmerzfrei: Magnago
warb unter Studierenden dafür, die linke
hatte seinen Rückzug lange aufgescho-
SH wieder auf einen mehrheitsfähigen
ben, 1988 verzichtete er zwar auf die
Kurs zu bringen.62 1978 zog der Konflikt
Landeshauptmannschaft, blieb aber Par-
noch breitere Kreise: Die SH-Führung traf
teiobmann. Im Tauziehen um das Ressort
sich im Februar offiziell mit einer Dele-
für Schule und Kultur behielt Bruno Hosp
gation der Kommunistischen Partei Itali-
vom patriotischen Parteiflügel die Ober-
ens, die eine Studienreise nach Südtirol
hand über den SVP-Arbeitnehmer Otto
unternommen hatte, worauf die SVP-
Saurer. Neu im Landtag war auch der ehe-
Jugend der Hochschülerschaft Nähe zu
malige SH-Vorsitzende Sepp Kußtatscher.
den Kommunisten vorwarf. SH-Vorsit-
Martha Stocker wurde – zunächst im
zender Günther Pallaver, selbst aus der
vorpolitischen Feld – zu einer der wich-
SVP-Jugend gekommen, reagierte selbst-
tigsten Ansprechpartnerinnen für die
bewusst: Er verfasste einen offenen Brief
Themenbereiche
„an den Landeshauptmann und an den
Keine Rebellin, wohl aber eine traditions-
Landesrat für Schule und Kultur“, der von
und
vollzogen
Schule
geschichtsbewusste
und
wurde,
Kultur.
Reformerin:
60 Vgl. Barbiero 2000: Vent’anni di cultura antagonista nei manifesti del Südtiroler Kulturzentrum: S. 16. 61 Vgl. Pan 1975: Hochschulpolitik in Südtirol aus bildungssoziologischer Perspektive. 62 Schreiben Frick vom 2.4.1976, Skolast 1976/2. 63 Skolast 1978/3. 64 Stellungnahme von Silvius Magnago im Namen der SVP-Landesleitung, 8.1.1982.
85
SH-Uni-Dossier, November 1995, S. 16.
Sie genoss das Vertrauen von Silvius
Benedikter an, für Wirtschafts- und Ausbil-
Magnago und Anton Zelger, eine ihrer
dungsfragen setzte er auf solide Beamte
größten
deren
in der eigenen Verwaltung – vor allem auf
Optionsaus-
Friedrich Schmidl im Wirtschaftsressort
Leistungen
Widerstand stellung
gegen
1989
war die
besänftigt
es, zu
haben.
und Werner Stuflesser im Statistikamt des Landes. Beide waren von der Notwendig-
Durnwalder selbst demonstrierte von
keit einer Universität überzeugt: „Meine
Anfang an Wille zur Macht und Lust auf
besten Kommilitonen sind nach dem
Öffnung. An seiner Antrittsrede als neuer
Studium im Ausland alle nicht mehr nach
Landeshauptmann hatten mehrere Hände
Südtirol zurückgekommen, dadurch haben
und Köpfe mitgeschrieben, um Moder-
wir die besten Köpfe verloren“ (Stuflesser).
nisierung zu signalisieren. Autonomie-
„Der
politisch sensible Teile vertraute er Hans
hinter jenem von Portugal“ (Schmidl).65
Südtiroler
65 Information Friedrich Schmidl, Gespräche im Dezember 2006 und Oktober 2007.
86
Akademikeranteil
lag
In Durnwalders Rede fanden sich homöo-
erlich-konservative SH-Vorsitzende, nun
pathische Spuren dieser Einsichten, die
einen diskreten strategischen Ratgeber.
dem
angehenden
nicht
ganz
mochten.
Landeshauptmann
bewusst war
von
sein
Die
Südtiroler
HochschülerInnenschaft
„Forschungs-
der 1990er Jahre, wiewohl mittlerweile
einrichtungen“ die Rede, um mit dem
mit Binnen-I versehen, stand in der nun
„Strukturwandel“ Schritt zu halten, vom
real
„wissenschaftlich
Nach-
abseits, zweifelnd, skeptisch und we-
wuchs“, von „neuen Akzenten“ und
nig bedeutsam. Die aktive Rolle hatten
der Erweiterung der „kulturellen Infra-
– in unsichtbaren und sichtbaren Rollen
strukturen“,
„weiter-
– die Kommilitonen aus der Pionierzeit,
führenden Bildungsgängen“. So diffus
wobei es ausgerechnet dem Uni-Gegner
dies auch war, so zeigen sich darin doch
Durnwalder zufiel, das Projekt mit breiten
die Umrisse der späteren Europäischen
Schultern durch eine skeptische Partei
Akademie und der ersten Fachhoch-
zu rempeln. Eine seltsame Universitäts-
schulkonzepte. Die Worte „Universität“
geschichte, in der gerade die Repräsen-
und „akademische Ausbildung“ wurden
tanz der Studierenden nie so richtig ins
weiterhin
aber
Spiel kam: Als sie gegen die Uni war, stand
Zeilen.
sie auf der Seite der Mehrheit, als sie
unsichtbar
Es
gewesen
gebildeten
schließlich
gemieden, zwischen
von
standen den
werdenden
Universitätsgründung
dafür war, rannte sie gegen Wände, und als Durnwalders Öffnung war anfangs vor
die Uni tatsächlich gegründet wurde, fand
allem Stil und Gestus, die inhaltlichen
dies ohne HochschülerInnenschaft statt.
Perspektiven in der Universitätsfrage exis-
Generationenübergreifend lässt es sich
tierten zunächst vor allem in den Köpfen
freilich auch so sehen, dass die Schwanz-
seiner Berater und Einflüsterer. Einen ers-
schläge der Vergangenheit ihre eigene
ten Vorstoß von Sepp Kußtatscher wies er
Vision einholten: Die Freie Universität Bo-
empört zurück. Nach und nach aber sog er
zen ist ein lange verhütetes, schließlich
die Idee einer Universitätsgründung in sich
spätgeborenes Kind auch der Südtiroler
auf, den Auftrag zu einer ersten Machbar-
Studierendenbewegung, aber als es end-
keitsstudie bekam die Europäische Aka-
lich zur Welt kam, entpuppten sich die
demie, die eigentlich zur
Verhinderung
Großväter als Samenspender, während
der Universität gegründet worden war.
die Jungen die Elternschaft leugneten.
In Otto Saurer, dem ehemaligen linken Kontrahenten fand der seinerzeitige bäu-
Hans Karl Peterlini
87
Brav, braver, am … 20 Jahre später: Die Diskussion um die „hauseigene Uni“* Eine Warnung vorweg: Dies ist ein
zu erarbeiten, mit den Forderungen und
Text über Sorge und Ernüchterung.
Wünschen aus unseren Reihen. Alexander Langer hatte sich in diesem Sommer ver-
1995 saß ich regelmäßig im sh.asus-Büro
abschiedet, und wir fühlten uns geknickt
im Dachgeschoß des Bozner Waltherhau-
und in die Verantwortung genommen.
ses, gebeugt über Unigründungs-Entwür-
Damals, zwei Jahre vor der eigentlichen
fen und Pressemitteilungen zum Thema.
Gründung der Freien Universität Bozen,
Zusammen mit anderen MitstreiterInnen
dämmerte erst wenigen, dass es kein Zu-
aus der Südtiroler HochschülerInnen-
rück mehr geben würde. Trotz heftiger
schaft, allen voran Klaus Pancheri und
Kritik aus Politik und Gesellschaft rechts
Barbara Rottensteiner, waren wir dabei,
wie links. Während die einen, ganz volks-
ein dickes rotes Heft, das „Uni-Dossier“,
tumspolitisch, die Abnabelung von der
* Stand Ende April 2016 - Mittlerweile wurden Änderungen für den Studienplan ab 2017/18 beschlossen.
88
Alma Mater Innsbruck beklagten und
sprachige Universität mit Anziehungskraft
sich vor einer Kulturvermischung und
für Studierende von auswärts, mit inter-
Italianisierung durch die Uni fürchteten,
nationalem Lehrpersonal, Anspruch und
sahen die anderen in der Südtiroler Uni-
ebensolcher Vernetzung. Diese Uni hätte
gründung umgekehrt die Gefahr einer
demokratiepolitisch ein wichtiger Schritt
geistigen Nabelschau. Auch innerhalb
in Richtung Öffnung des Südtiroler Hori-
der Südtiroler HochschülerInnenschaft
zonts darstellen sollen – eine „Unitopia“,
war die Skepsis groß. Die Organisation
wie
hatte sich gerade zu einem neuen Sta-
einem
tut durchgerungen und
ich
damals
stellvertretend
ff-Gastkommentar
in
ironisierte.
sich mit dem
Zusatz asus den italienischen Studieren-
21 Jahre sind seitdem vergangen, die Dis-
den geöffnet, und nichts klang engstirni-
kussion hat Staub angesetzt, inzwischen
ger als eine „hauseigene Uni“. Doch die
hat sich die Freie Universität Bozen allen
Debatte der 1980er Jahre für oder gegen
Unkenrufen zum Trotz verwurzelt und
eine Uni wandelte sich zunehmend in
entwickelt, von den anfänglichen zwei
eine Diskussion über „welche Uni“, denn
Fakultäten zu einer Einrichtung mit fünf
eine Uni in Südtirol wurde geradezu ge-
Fakultäten,
setzlich verordnet, durch die italienische
und
Hochschulreform 1990 (Ruberti-Gesetz).
Sprachkompetenz
Das Geschütz, das medial aufgefahren
geschichte). Die Internationalisierung
wurde, war deshalb nicht minder schwer.
fand tatsächlich statt, das Modell der
An der Festung Universität Bozen schieden sich also die Geister.
zwei
über
20
Studiengängen
Forschungszentren und
für
(für
Regional-
Dreisprachigkeit funktioniert. Mit einer großen Ausnahme:
Bildungswissen-
schaften. Dabei ist gerade diese Fakultät der Stein, der alles ins Rollen brachte und eine Universitätsgründung hierzu-
Selbst sh.asus-intern wurde einiges Por-
lande ermöglichte. Nur wenige erinnern
zellan zerschlagen, doch der Vorstand ei-
sich heute, doch die Uni war kein Wunsch-
nigte sich im Herbst 1995 auf eine Linie,
kind, sie wurde den SüdtirolerInnen erst
die in der Folge gebetsmühlenartig an
durch die Lex Ruberti aufgezwungen, die
die Öffentlichkeit getragen wurde: In der
für künftige GrundschullehrerInnen und
Vorstellung der Südtiroler Studierenden
KindergärtnerInnen erstmals einen Voll-
konnte es nur eine unabhängige Bildungs-
studiengang in Erziehungswissenschaften
stätte mit europäischer Ausrichtung in
vorsah. Ich wage zu behaupten: Ohne die
Rechtsstruktur und Inhalt sein, eine mehr-
heutige Lehrerinnenausbildung in Brixen
89
SH-Uni-Dossier, November 1995, S. 36.
90
politischen Kontext kaum durchzuboxen
gendeAnzahl von Pflichtprüfungen in der
gewesen. Dennoch wurde sie für einige Ak-
anderen Sprache – Klammer zu. Was bei
teure, darunter den Altlandeshauptmann,
den Studentinnen und Absolventinnen
erstaunlich rasch zum Prestigeobjekt.
der Brixner Bildungswissenschaften noch
Soviel zur Vorgeschichte, und jetzt kom-
schwerwiegender auffällt als die unzu-
me ich zur Sorge und Ernüchterung.
längliche Kommunikationsfähigkeit ist
Das Versprechen einer mehrsprachigen, weltoffenen Universität wurde im Fall der Uni Brixen nicht eingelöst,
die Unfähigkeit zur Abstraktion und zum Argumentieren, eine gewisse Infantilisierung und Rückwärtsgewandtheit, ein schmerzender Konformismus, der Hang zu Vereinfachungen, das Wiederkauen alter Gedankenkäfige, das Verkriechen
die damalige Forderung der sh.asus nach
in die eigene kuschelige Hirnhöhle, ein
Orientierungswissen
Fachwissen,
absolutes Desinteresse für die Zeitläu-
nach Pluralismus statt Homogenisierung,
fe, für das was um uns herum geschieht.
statt
nicht erfüllt. Warum ich mir dieses Urteil erdreiste?
Mein
Anschauungsmaterial
Was ist passiert? Wo drückt der Schuh?
– die künftigen Lehrerinnen und Kinder-
War es die Henne oder das Ei? Ist es, weil
gärtnerinnen - sitzt mir seit Jahren im Zug
wir Inzucht betrieben haben und es kaum
Brixen-Bozen gegenüber, pendelt täg-
Zufluss von auswärtigen Studierenden bei
lich zwischen Elternhaus und Uni. Stets
den heimischen Bildungswissenschaften
in Gruppen auftretend, redet es viel und
gibt, keine Konfrontation mit dem Ande-
gern über seinen studentischen Alltag.
ren, keine geistigen Grenzüberschreitun-
Auch habe ich als Kommissarin für die
gen durch Förderung von Studienjahren
Zweisprachigkeitsprüfung in den letzten
im Ausland? Hapert es am Rüstzeug, das
zweieinhalb Jahren die Arbeiten einer
Südtiroler MaturantInnen mitbekommen?
großen Menge Studentinnen der heimi-
Ist es, weil es in Brixen ein „Bildungsmo-
schen Bildungswissenschaften korrigie-
nopol“ gibt und junge Leute gezwungen
ren dürfen, ihre Sprachkompetenz in der
werden, daheim zu studieren, wenn sie
sogenannten Mutter- und Zweitsprache
später in der Südtiroler Schule arbeiten
in mündlichen Gesprächen abgeklopft.
möchten? Führt die fehlende Abnabelung
Seitdem bin ich bestürzt und empfinde
von Zuhause dazu? Die Tatsache, dass
das Ergebnis als Ohrfeige für unser Bil-
diese Studierenden weder WG-erprobt
dungssystem. Die dürftigen Sprachkom-
sind noch Selbstständigkeit üben dür-
petenzen sind nur ein Detail am Rande.
fen? Oder sind all diese Erklärungsversu-
Klammer auf: Mehrsprachig ist die Aus-
che nur ein verzweifeltes Kratzen an der
bildung der Lehrerinnen und Kinder-
Oberfläche des Problems? Vielleicht wird
gärtnerinnen jedenfalls nicht. Es gibt,
es Zeit, die Diskussion um die „hauseige-
dem Südtiroler Minderheitenschutz sei
ne“ Uni nach 20 Jahren neu anzuzetteln.
Dank, drei nach Sprachgruppen getrennte Abteilungen und eine zu vernachlässi-
Anita Rossi
91
SH Bologna Sono pronto, mi lascio la porta di casa
tamento la sta tirando per le lunghe,
alle spalle.
ha deciso di rinviare ancora una volta il
giorno
della
firma
sul
contratto.
Non vedo più le montagne, non ci penso troppo. Il treno che mi sta portando
Uno dei ragazzi con cui andrò a vivere è di
a Bologna è pieno di giovani universita-
Appiano, conosce l‘asus. „Visto che non hai
ri carichi di energia e di idee. Il mondo
un posto dove stare, potresti andare là a
è nostro, pensavo. Dobbiamo solo stu-
dormire. Ecco il numero, chiamali e chiedi
diare per poter stare al passo coi tem-
se ti possono ospitare per una settimana“.
pi, non rifare gli errori dei nostri padri e
Varco il cancello di via Gozzadini 13, ad
preparare un futuro migliore per quelli
aspettarmi ci sono Gabriele e Luca, storici
che verranno. Poi il percorso si fa via più
membri della sede bolognese che si trova-
insidioso, ma questa è un‘altra storia.
vano in casa da qualche giorno in attesa, anche loro, di poter entrare nella loro nuo-
92
Mancano due settimane ad ottobre e
va casa. La stessa sera mi portano con loro
non sono ancora sicuro di dove andrò
in Piazza Verdi. Penso di aver conosciuto
ad abitare. Il proprietario dell‘appar-
10 persone in un‘ora. Che bella Bologna!
Quello che sarebbe dovuto diventare il
gli studenti delle altre sedi. Quante grig-
mio affittuario ci comunica che aveva tro-
liate, gite sui colli e cene che abbiamo
vato un compratore. „Non affitto più, non
fatto! Erano veri e propri appuntamenti
se ne fa più niente“. Incredulo e spaesa-
fissi per moltissimi studenti altoatesini
to non sapevo se sarei potuto tornare
fuorisede nel capoluogo emiliano: una
all‘asus. Ci ero stato una settimana intera e
grande occasione di incontro con ragazzi
non volevo approfittare oltre della loro
provenienti da tutte le regioni italiane.
ospitalità. I miei quasi nuovi coinquilini mi danno un posto dove dormire presso
Nella mia esperienza universitaria ho
delle loro amiche. Per tre settimane passo
avuto sempre un grande punto di riferi-
da un divano all‘altro. Non trovo una siste-
mento nell‘asus. Sono stato fortunato, un
mazione in linea col mio budget di spesa.
privilegiato. Ho incontrato persone dalla
Volevo spaccare il mondo all‘università
Germania, dall‘Austria, persino dall‘Alas-
e riesco a malapena ad andare a lezione.
ka. Avremmo dovuto ospitare solo ragazzi dall‘Alto Adige, ma non vi nascondo
Verso mezzogiorno di una di quelle gior-
che abbiamo fatto qualche strappo alla
nate che tanto si assomigliavano l‘una con
regola. Sono state proprio le eccezioni,
l‘altra, incontro Katy in centro, una delle
a mio avviso, a rafforzare lo spirito soli-
inquiline della villetta. Gabriele le aveva
dale e di fratellanza dell‘associazione.
parlato di me, sapeva che non avevo ancora una casa e si offre di ospitarmi per un po‘.
Benché porti altro nel cuore, non mi dilungherò oltre a raccontarvi delle gior-
Per non farla troppo lunga, di lì a poco
nate e delle tante serate indimenticabili
sarei diventato un membro dell‘asso-
vissute nella villetta di Bologna. Vi dico
ciazione. Mi sono sentito subito par-
solo che non ho mai percepito l‘innega-
te della loro famiglia. Ci dividevamo i
bile distanza che si riscontra, talvolta, tra
compiti in casa, mangiavamo insieme.
ragazzi di madrelingua tedesca e italiana.
Ancora una volta la provincia di Bol-
In Südtirol non è sempre così, checché
zano mi aveva accolto, come nel 1998
se ne dica tra i fan del politically correct.
quando
trasferitomi
da
Cuba
avevo
visto le montagne per la prima volta.
SH Bologna: radici, giovani, solidarietà, futuro. La casa di tutti gli studenti sudtirolesi.
Abbiamo organizzato eventi, concerti e serate in cui venivano a trovarci anche
Ricardo Luis Henville
93
www.salto.bz, aufgerufen am 30.09.2016.
LInks, zwEI, DREI. REchTs, zwEI, DREI... Die sh.asus und die Freiheitlichen – Ein Blick durch die blaue Brille. HochschülerInnenschaft
z.B., war es so dreckig, dass der Freiheitli-
und die Südtiroler Freiheitlichen – in
che Landtagsabgeordnete Sigmar Stocker
der sh.asus-Geschichte
ein Kapitel für
deswegen letzten Herbst gleich zweimal
sich. Irgendetwas scheint die „Blauen“
eine Landtagsanfrage einreichen musste.
schon sehr an unserem Studentenver-
Wahrscheinlich hatte niemand Zeit zum
ein zu faszinieren, würden sie sonst so
Putzen, weil alle beim Demonstrieren
häufig über (und seltener mit) uns kom-
waren3, gegen den Akademikerball oder
munizieren
es
gegen sonst etwas. Und damit wären
weltoffene
wir beim nächsten Punkt, oder besser
Ausrichtung? Die engagierten Studen-
gesagt, dem einzigen Punkt, um den es in
ten? Oder die „schönen“ Außenstellen?
Wirklichkeit geht: Dem kultur-politisch-
Haha nein, eher nicht. Aber Schluss mit
gesellschaftlichen Engagement der Hoch-
dem „Schmäh“, dafür ist eine Studieren-
schülerInnenschaft. Die sh.asus stößt den
denvertretung wie die sh.asus schließlich
Freiheitlichen nicht etwa erst unange-
nicht da. Sie ist dazu da, zu beraten, aus-
nehm auf, seitdem manche Studierenden
schließlich. Aber die Beratung ist schlecht,
das Aufräumen verlernt haben, sondern
weil zu wenig auf die Berufsperspektiven
schon seit langem. Eigentlich schonim-
bedacht , zudem sind die meisten Mitglie-
mer. Denn für die Freiheitlichen steht
der Gutmenschen-Revoluzzer und dreckig
dieser Verein, der sich anmaßt, mehr als
ist es auch! Ja, in der Außenstelle Wien
nur eine bloße Beratungsstelle zu sein,
Die
die
Südtiroler
wollen?
Zweisprachigkeit?
Vielleicht Die
ist
1
2
1 2
94
„Studenten besser beraten“. In: Dolomiten vom 22.06.2013. Pressemitteilungen der Freiheitlichen vom 08.11 und 09.11.2015.
www.die-freiheitlichen.com, aufgerufen am 30.09.2016.
seit jeher im ideologisch linken Licht.
Studierendenvertretung, die für alle (!)
Der Freiheitliche Studentensprecher und
Südtiroler StudentInnen da sein soll,
Ex-Parteisekretär
Demanega,
nicht geeignet.6 Hä? Wahrscheinlich
spielte in seinem Skolastbeitrag „Muss
werfen die Freiheitlichen der sh.asus noch
Studentenvertretung
Diskriminierung vor. Richtig, nämlich eine
Michael
tendenziell
links
sein?“ darauf an, dass die ach so linke
Diskriminierung
Vergangenheit der sh.asus nicht bewäl-
nicht dazu bereit sind, die Grundsätze der
tigt sei. Die heutige HochschülerInnen-
Interethnizität und Antidiskriminierung
schaft gründet laut ihm auf dem Erbe der
anzuerkennen. Ja, dann ist die sh.asus
„Weltverbesserer“ der 1970er Jahre, etwa
wohl schuldig im Sinne der Anklage. Zum
N.C. Kaser, Günther Pallaver oder Alexan-
Glück. Wie soll ein Verein für alle Studie-
der Langer. Ja schon das Statut an sich,
renden ohne diese Grundsätze funktio-
welches die sh.asus als interethnischen,
nieren? Wo bitte sind Menschen, welche
antidiskriminierenden Verein definiert, sei
diese Grundsätze ablehnen, denn wirklich
somit per se zu linksgerichtet und für eine
willkommen? Bei den „Blauen“ vielleicht?
Sobald sich ein Verein von diesen Prinzi-
Und überhaupt: Wenn Herr Demanega über
pien löst, will ich persönlich zumindest –
Vergangenheitsbewältigung sprechen will,
und ich hoffe zutiefst auch viele andere
sollte er doch vielleicht bei der schlagenden,
– kein Teil mehr davon sein. Das hat nichts
deutsch-nationalen Burschenschaft Teutonia,
mehr mit konservativ oder liberal zu tun,
bei der er aktives Mitglied ist, anfangen.
4
5
jener
Menschen,
die
mit rechts oder links. Im 21. Jahrhundert, in einer vor neuen Herausforderungen ste-
Aber naja, für jemanden, der rechts
henden demokratischen Gesellschaft, sind
außen steht, ist halt alles andere zu links.
diese Grundsätze für mich zur Selbstverständlichkeit geworden und unabdingbar.
3 4 5 6
Julian Ischrara
„Öffentliche Förderung der SH einstellen.“ Pressemitteilung der Freiheitlichen vom 02.02.2016. Demanega, Michael: Muss Studierendenvertretung tendenziell links sein? In: Skolast 2010/1, S. 90. Ebenda. „Südtiroler Hochschülerschaft ist nicht offizielle Studentenvertretung!“ Pressemitteilung der Freiheitlichen vom 31.07.2008.
95
Demonstration „Retten wir die Frizzi Au“ am Bozner Kornplatz, September 2005.
Gesellschaftspolitisches Engagement Am Beispiel des umweltpolitischen Aktivismus der Südtiroler HochschülerInnenschaft 1979 erschien ein engagiertes Buch, vor
Zuge einer immer tiefgreifenderen Zer-
allem für jene, die sich Sorgen machten
störung der Natur im 20. Jahrhundert ei-
über den damaligen Zustand der Welt
nen bisher nicht für möglich gehaltenen
und den Folgen aus dem technischen
Höchststand erreicht hat. Dadurch forder-
Fortschritt dieser Jahre. Der Autor die-
te er, dass eine Handlung nicht nur an den
ses Buches mit dem Titel „Das Prinzip
unmittelbar sichtbaren Folgen gemessen
Verantwortung - Versuch einer Ethik für
werden darf, sondern auch die Zukunft
die technologische Zivilisation“ war der
der Menschheit nicht gefährden darf.
Philosoph Hans Jonas. In seinen Untersu-
96
chungen stellte er fest, dass die mensch-
Kernaussage dieses Buches war in An-
liche Macht, angetrieben durch die Kräfte
lehnung an den Kategorischen Imperativ
von Marktwirtschaft und Politik und im
Kants, der sogenannte „ökologische Impe-
rativ“, der richtungsweisend den damali-
scher Verein mit gründlich durchdachten
gen ökologischen Zeitgeist prägte: „Handle
gesellschaftspolitischen und kulturellen
so, dass die Wirkungen deiner Handlun-
Ambitionen verstand man es sogleich,
gen verträglich sind mit der Permanenz
die Natur mit der Kultur, oder umgekehrt,
echten menschlichen Lebens auf Erden.“
die Kultur mit der Natur, zu vereinen. Der Zusammenhang war freilich naheliegend.
Die Wirkungskraft dieses Buches auf die
Und ich meine hier nicht den seit der
damalige studentische Generation ist
Neuzeit in unserem Weltbild anhaftenden
schwer abzuschätzen, es ist aber nahe-
Zusammenhang als Ausdruck eines tradi-
liegend, dass auch und vor allem die
tionsbedachten Naturverständnisses, in
damalige Südtiroler Studentenschaft das
dem man vorrangig um eine bäuerliche
Bewusstsein für den ökologischen Zeit-
und heimatbezogene Kultur besorgt war.
geist diesem Buch entnahm. Wenn es
In der neuen Perspektive wurde der hei-
also allgemein schwierig ist, den genauen
mische Naturschutz nicht mehr weiter
Zeitpunkt eines allgemeinen ökologischen
als bewusst heimatbezogenes Anliegen
Bewusstseins festzuhalten, so erst recht
betrachtet, sondern als radikaler Protes-
innerhalb der Südtiroler HochschülerIn-
takt, als gesellschaftliche Tathandlung
nenschaft. Leichter ist es da schon, ökologi-
und kultureller Aufbruch in einem, um
sche Betrachtungen und Untersuchungen
gemeinsam mit dem Naturbewusstsein
im Zusammenhang mit umweltpoliti-
das „gesellschaftliche“ Natur- und beson-
schen Fragen in den Texten der Zeitschrift
ders das Kulturverhältnis zu verändern.
der Südtiroler HochschülerInnenschaft,
Liest man heute den Skolast der frühen 80er Jahre, in der Zeit der frühen Ökologiebewegung also, dann fällt sofort auf, dass ein anderes „Naturverhältnis“ immer auf die Einbeziehung der Perspektive auf das ökonomische und gesellschaftliche Ganze bezogen war.
dem
Skolast,
ausfindig
zu
machen.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass man bereits ab den achtziger Jahren auch für Südtirol vom Beginn einer Umweltpolitik sprechen kann – im institutionalisierten Sinne. In Übereinstimmung mit der umweltpolitischen Entwicklung in diesen Jahren seitens der lokalen Bevölkerung aber auch der politischen Behörden wurde ebenfalls in der Südtiroler HochschülerInnenschaft auf ökologische
Alle Aspekte des sozialen Gefüges stan-
Achtsamkeit Wert gelegt. Als studenti-
den in diesen Jahren im Angesicht der
97
ökologischen Herausforderung auf den
denen man nun scheinbar ausgeliefert
Prüfstand. Freilich spielte da auch die
war. Diesem arroganten Umgang lag nicht
kapitalismuskritische Geisteshaltung ge-
nur die Auffassung zugrunde, dass alles
legen mit, und nicht wenige unter den
nur eine Frage des Geldes sei, sondern vor
Studierenden fanden wahrscheinlich in
allem, dass die Natur, also Wälder, Auen,
der umweltpolitischen Bewegung einen
Flüsse, usw., nur unter Nützlichkeitserwä-
günstigen Anlass zur politischen und
gungen ihren Geltungsanspruch hatten,
kulturellen Veränderung auf allen Ebe-
d. h. in ihrer ökonomischen Ausbeutung
nen der Gesellschaft hindurch. Und im
in Form von Forstwirtschaft, Wasserkraft,
Übrigen wurde just zu Beginn der 80er
Tourismus, usw. sich bewähren konnten.
Jahre, im April 1981, eine Ausgabe des Skolast oder des fahrenden Skolast, wie die
Bei der Aufgabe, den verlogenen Fort-
Zeitschrift anno dazumal noch hieß, zum
schritt im Umgang mit den natürli-
Thema „Ökologie“ veröffentlicht, die sich
chen Ressourcen zu verklären, kam den
maßgeblich mit den Problematiken der
ökologischen
technischen Umweltbelastung und den
des 21. Jahrhunderts einen neue, Per-
Möglichkeiten eines ökologischen Bewusst-
spektiven
seins und Widerstandes auseinandersetzte.
zu. Nicht nur die Umwelt- und Natur-
Handlungen
erweiternde
schutzverbände Freilich, ein ungeschriebenes dictum der Umweltpolitik besagt, dass sie zum gesellschaftlichen Wohlergehen und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen soll. Die 90er Jahre haben zwar nicht die Kurzsichtigkeiten der Jahre zuvor geheilt, aber dafür die Offensichtlichkeiten und Missstände in der Umweltund Naturschutzpolitik vor Augen geführt. Jahrzehnte des verantwortungslosen und geringschätzigen Umgangs mit natürlichen
98
hatten
zu
Beginn
Vorreiterrolle das
erkannt.
Die Südtiroler HochschülerInnenschaft stellte im Jahr 2005 die gesellschaftspolitische Aufgabe aufs Neue und radikaler in den umweltpolitischen Raum: Sie führte eine breite Debatte über Wachstum, Naturverständnis und Nachhaltigkeit.
Lebensressourcen haben in der Folgeper-
Und sie kam zu dem Schluss: Ökologi-
sönliche Machtdarstellungen und Profit-
sche Anliegen sollten zur generationalen
gier im Umgang mit den Naturressourcen
Bewusstseinsbildung beitragen und öf-
zu standhaften Wirklichkeiten erkoren,
fentlich zum Ausdruck gebracht werden.
Die Südtiroler HochschülerInnenschaft
letzten zehn bis zwanzig Jahre boten
als gesellschaftspolitischer Verein ver-
vielfach Gelegenheit, trotz des gesell-
stand in ihrer kritischen Vorreiterrolle
schaftlichen Ressentiments vor politischer
erneut die Bedeutung des immanenten
Anmaßung und politisch-wirtschaftlichem
Zusammenhanges von politischer Ver-
Größenwahn, oder gerade deswegen, ak-
antwortung und ökologischer Achtsam-
tiv am Umweltgeschehen teilzunehmen.
keit. Dabei ging es nicht nur um den
Am Widerstand gegen die arroganten
Aspekt des respektvollen Umgangs mit
Launen
natürlichen Lebensräumen, sondern auch und vor allem um die Herstellung von gesellschaftlichen Beziehungen, kulturellen Bewusstseinszuständen und der Vorstellung von gesellschaftlicher Partizipation und politischer Veränderung. Schließlich war es das Wiederaufflackern eines Natur- und Kulturkampfes, das uns in aufgebrachter Stimmung zusammen mit vielen anderen Südtiroler Vereinen im Herbst 2005, im 50jährigen Bestehen des Vereins, in die Frizzi Au südlich von
der
Berufspolitik,
sozusagen.
Gewohnt, alles von der kritischen Seite her zu sehen und anzugehen, empfanden wir damals entrückende Betroffenheit beim Vorgehen der Landesregierung, in der Frizzi Au ein Fahrsicherheitszentrum, besser bekannt als Safety Park, aus dem scheinbaren „Nichts“ zu stampfen.
Bozen gedrängt hatte. Und das eben in einer Heftigkeit, wie es von der zwischen
So wurde die Frizzi Au zum Symbol-
demonstrativer Gelassenheit und stiller
kampf
Aufgebrachtheit verharrenden Bevölke-
sche Anmaßung und für die Erhal-
rung nicht erwartet wurde. Freilich, die
tung der Natur: Für uns entsprach das
gegen
die
wirtschafts-politi-
99
vermeintliche „Nichts“ der natürlichen
nierten „Wirtschaftens“, einer durch und
Beschaffenheit, oder mit anderen Wor-
durch ökonomisierten Politik, aufgetreten
ten, der natura naturata von Spinoza.
ist. Im Übrigen muss man sagen, dass weit mehr Leute als man glaubt hinter dem be-
100
Im Bewusstsein, dass der Mensch seit je-
dauerlichen Gedanken stehen, dass die
her versucht hat, die Natur nach seinem
sich selbst belassene Natur zur Landschaft
Zweck zu gebrauchen, ist jede Kultur doch
„gepflegt“, geformt und gestaltet werden
erst dadurch entstanden, dass der Mensch
muss. Die Frizzi Au war ein naturbelasse-
sich an die natürlichen Gegebenheiten
nes Areal und sie hätte es bleiben können
einer Region angepasst hat. Daraus kann
und müssen. Ein Refugium für Vögel und
man schließen, dass Natur und Kultur eins
Reptilien, Erholungsplatz für Menschen.
sind. In Südtirol ist daraus das Genussland
Alles spricht dafür, dass der Mensch nicht
entstanden. Doch steht diese Verbin-
lassen kann was naturgemäß entstanden
dung auch für Geschäftemacherei, Macht-
ist. So wurde aus der Frizzi Au ein Fre-
bestrebungen, persönliche Wichtigtuerei
vel für die Ewigkeit. Die Ausbeutung der
und schlussendlich taucht dabei immer
Natur hat der Verseuchung durch die
wieder das ungute Gefühl auf, dass da
Macht und die Gier den Vorschub gege-
noch mehr dahinter steckt: zum Beispiel,
ben. In Übereinstimmung mit unseren
Vetternwirtschaft vom Feinsten und wirt-
Überzeugungen, dass es in der Frizzi Au
schafts-politischer Lobbyismus in lokaler
kein umweltschonendes Geschäft gäbe,
Version. Und in der Frizzi Au ließ nun alles
das nicht auf den Gedanken käme, eine
vermuten, dass der angeblich naturgemä-
verlogene Werbemaschinerie in Gang
ße Mensch zum zerstörerischen Zivilisator
zu setzen mit dem Thema, das Leben zu
im Namen eines eigennützigen und raffi-
retten (im Sinne des lebensrettenden
AktivistInnen in der Frizzi Au, Herbst 2005.
Sicherheitsparks – Safety-Park und auf
sitzung des Dachverbandes besiegelt. Der
Kosten der Natur), engagierten wir uns von
studentische Verein, der sich selbst nach
der Südtiroler HochschülerInnenschaft
außen hin immer auch als Verein mit ge-
in gesellschaftspolitischer Opposition.
sellschaftspolitischer Relevanz verstanden
Somit wurde der Standort in der Frizzi
hat, hatte nun einen neuen Aufschwung er-
Au unnachgiebig und in der Gewissheit,
lebt. Nach der Frizzi Au gehörte eine Zeit
im Recht zu sein, besetzt. Diese Haltung
lang der umweltpolitische Aktivismus zur
war durch die unzweifelhafte Deutlichkeit,
alltäglichen Agenda der Südtiroler Hoch-
dem gesellschaftlichen und ökologischen
schülerInnenschaft. Der weitere Protest
Bewusstseinswandel dieser Tage neuen
beispielsweise gegen den Brennerbasis-
Ausdruck zu verleihen, gekennzeichnet.
tunnel oder dem Transitverkehr im Pustertal
Die Folge war, dass die Vorstellung der
verhalf somit der Südtiroler Hochschüle-
Südtiroler HochschülerInnenschaft, die ja
rInnenschaft, über den eingeschlagenen
durchaus dem damaligen Zeitgeist des Ver-
pragmatischen Weg, zu einem gestärkten
einswesens entsprach, als Mitgliedsverein
ökologischen Bewusstseinswandel zu fin-
in den Dachverband für Natur- und Um-
den und nach außen hin eine klare gesell-
weltschutz eingegliedert zu werden, kur-
schaftspolitische Position zu beziehen.
zerhand akzeptiert wurde. Der formale Akt der Aufnahme wurde bei einer Ausschuss-
Diego Poggio
101
Verena Frei im SH-Büro im Waltherhaus 2007.
Übergangsjahre Mit den Worten „Eine Wirtschaftlerin, gut, als Übergangslösung!“ war mein Einstieg in die Südtiroler HochschülerInnenschaft besiegelt, Bewerbungsgespräch bestanden. Obwohl ich bereits einige Jahre in Inns-
Erst später lernte ich auch die anderen Ve-
bruck studiert hatte, kannte ich diese histo-
teranen kennen, die, die sich mit Themen
risch für Südtirol so wichtige Organisation
wie Studientitelanerkennung, Reisefrei-
leider nicht wirklich. Ich hatte es nämlich
heit und dem Recht auf ein Studium in deut-
ganz ohne fremde Hilfe geschafft, mich an
scher Sprache beschäftigt hatten. Für die
der Uni zu inskribieren und das Innsbru-
jungen SHlerInnen waren diese allerdings
cker Nachtleben interessierte mich doch
weniger interessant, zu wenig links, zu we-
etwas mehr als die Südtiroler Bildungspo-
nig Kampfgeist und so ganz skandalfrei.
litik. Aber was nicht war, sollte noch werden, das SH-Fieber packte mich schnell.
Manch eineR meiner WeggefährtInnen spürte die Last, dass die Studis nach der
Bald erfuhr ich, dass beinahe alles was
Bolognareform, so gar nix mehr bewegen
in Südtirol Rang und Namen hat, mal ir-
konnten und wenn, dann sowieso nur in
gendeine Position in der SH innehatte.
Wien oder Berlin, maximal noch in Bo-
Auch lernte ich die heiligen SHler kennen,
102
logna. Dafür waren ich und glücklicherweise noch ein paar andere aber viel zu pragmatisch, weshalb wir uns – zum Miss-
die die uns lehrten weiterzumachen was gut
fallen einiger – allzu gerne wieder mit ei-
war, die, die Gigger rupften, die 83 die für die
nem Ausbau der Beratungstätigkeit und
Meinungsfreiheit kämpften und die Frauen.
der lokalen Bildungspolitik beschäftigten.
Schnell wurde das Scheckgespenst „Servicestelle SH“ an die Wand gemalt.
studenten, der regelmäßig mit SWOT-
Dass man sich beispielswese mit JG-Vor-
Thema UniBZ näher auseinandersetzen.
Analysen und Vorschlägen für die Südtiroler Bildungspolitik im Büro auftauchte, musste sich wohl oder übel die gesamte SH mit dem
sitzenden trifft, gemeinsame Ziele verfolgt und dann auch noch bei einem Bierchen
Obwohl manche die gute alte SH-Taktik
freundschaftlich zusammensitzt, entrüste-
einsetzten und das Thema aussitzen woll-
te mach eineN doch mehr als die knapper
ten, wurden die Kontakte zur Uni und ihren
werdenden Mittel für Studienbeihilfen.
Studierenden stets enger und mit „Kritik
Noch schlimmer als die Treffen mit nicht
aus Liebe“1 versuchte man etwas zu bewe-
ganz so linken Parteien und Vereinigun-
gen. Schließlich pflegte die SH enge Kon-
gen war allerdings die als Kuschelkurs
takte zur Verwaltung, saß in Unigremien
verschriene Annäherung an die UniBz.
und wirkte an der Neuregelung der Heimplatzvergabe und bei der Neugestaltung
Während man sich in Bozen die Frage stell-
des Uniplatzes mit. Außerdem arbeitete
te, wie man der Tatsache gerecht werden
man mit den uniinternen Studentenorga-
sollte, dass die Studierenden an der UniBZ
nisationen zusammen, organisierte ein
mittlerweile einen großen Teil der „Südtiro-
Willkommensprogramm für Erstsemest-
ler Studierenden“ ausmachte, war man in
ler, Ausstellungen, Pizzaabende mit der
den Vereinssitzen jenseits von Brenner und
Uni-Führungsriege und Diskussionsaben-
Salurn weiterhin der Meinung, dass diese
de, die unter anderem die Rolle einer Stu-
sowieso keine „echte“ Uni sei und deshalb
dierendenvertretung zum Inhalt hatten.
ruhig ihr eigenes Süppchen kochen sollte. Als dann aber dank rasant ansteigender Naja, spätestens seit Einführung der Leis-
Mitgliederzahlen den Studis der UniBZ
tungsstipendien, die zum Großteil an die
(zumeist Bundesdeutsche und Wirtschaft-
Studierenden der UniBZ gingen und auch
ler) eine Stimme im Ausschuss der SH
dank eines bundesdeutschen Wirtschafts-
gegeben wurde, war für mancheN der
1 Hauptenbuchner, Andreas: Kritik aus Liebe, in: Skolast 2010/1, S. 98.
103
Feind endgültig ins Boot geholt worden
Aus der SH wurde eine gute Service-
und es wurde der Untergang des politi-
stelle, Politik und Verwaltung nah-
schen Erbes der heiligen SHler prophezeit.
men die SHler ernst und bezogen sie
Als ich 2005 zu SH kam, war der ehemalige SH-Vorsitzende und SH-Freund Otto Saurer noch zuständiger Landesrat. Dieser vertrat in Verhandlungen gern die Meinung „die SH werd schun wissen“ und beendete sie mit den Worten „iatz moch mor an Kompromiss“. Dank
in
Entscheidungsprozesse
ein.
Dass trotzdem noch weiter am kulturellen und gesellschaftspolitischen Erbe gearbeitet wurde, konnten manche nicht glauben.
der vielen Kompromisse und erweiterter
Vermutlich
Kompetenzen nutze man 2007 die Gele-
Podiumsdiskussion,
genheit, vom zu klein gewordenen Büro
die wir organisierten, gezielt gemieden.
haben
sie
deshalb
Lesung,
jede
Tagung…
im Waltherhaus in ein zu groß geratenes Büro in die Kapuzinergasse umzuziehen.
Das Schreckgespenst „Servicestelle SH“ nahm weiter Form an.
Als ich nach acht Jahren im Büro einsehen musste, dass sich gewisse Grundsatzdiskussionen seit 60 Jahren alle paar Jahre wiederholen, spürte ich, dass meine Zeit als Übergangslösung abgelaufen war. Auch das scheinbar nimmer
Dann änderten sich aber die Spitzen in
endende Wirtschaftsstudium hatte ich
Politik und Verwaltung. Die neue (und
mittlerweile abgeschlossen. Und eines
alte) Landesrätin Kasslatter Mur hat-
konnte ich mir sicher sein: Solange es die
te leider keine SH-Vergangenheit und
alljährlichen Landtagsanfragen und Pres-
die
semittelungen
neue
Verwaltungsspitze
verwies
der
Freiheitlichen
gibt
uns sogar einmal (unsanft von italieni-
und man weiterhin im Internet (meist
schen
des
anonym) von ehemaligen WeggenossIn-
Büros. Doch zum Glück sind wir ja nicht
nen geteert und gefedert wird, wird man
nachtragend und arrangierten uns bald.
schon nicht alles falsch gemacht haben.
Schimpfwörtern
begleitet)
Verena Frei
104
105
Bildungsförderung ist Investition in die Zukunft! Eine persönliche Annäherung zu einigen Themen der Bildungsförderung
106
Als ich gefragt wurde, ob ich für die Ju-
informierte über Studienmöglichkeiten,
biläumsausgabe des „skolasts“ einen
Anerkennung der Studientitel, Stipendi-
Beitrag schreiben möchte, erinnerte ich
en usw. Nie hätte ich mir gedacht, dass
mich an den 1993 gemeinsam mit Al-
mich diese Themen noch viele Jahre
exander Larch geschriebenen Artikel mit
und in verschiedenen Rollen und Funk-
dem Titel: „Aggiungi una stella al tuo
tionen begleiten würden: zuerst als
diploma – Was sind europäische Studi-
sh-Angestellte und nach Eintritt in den
entitel wert?“. Damals hatte ich gerade
Landesdienst als Studien- und Berufs-
mein Studium in Wien abgeschlossen,
beraterin, dann als Leiterin des Amtes
suchte in Bozen einen Job, möglichst in
für Ausbildungs- und Berufsberatung
der Beratungsbranche, und fand diesen
bis hin zur geschäftsführenden Direk-
bei der sh.asus als Studienberaterin. Ich
torin der Abteilung Bildungsförderung.
Studientitelanerkennung erhöht die Mobilität der Personen.
Anerkennung von Studientiteln zwischen
Im Artikel von 1993 versuchten wir am
litisch zentrale Rolle ein. Es ermöglicht
Beispiel der Studientitelanerkennung zu
im Vergleich zu anderen Anerkennungs-
verdeutlichen, wie schwer der Vereinigungs-
verfahren einen relativ unkomplizierten
prozess innerhalb Europas vonstattenging.
Weg, um einen in Österreich erworbenen
Es sei daran erinnert, dass Österreich noch
Studientitel in Italien anerkennen zu las-
nicht Mitglied der Europäischen Union war,
sen, vorausgesetzt die Studien sind im so
die Bologna-Reform noch nicht verabschie-
genannten „Notenwechsel“ enthalten. In
det war und nach einem Anerkennungs-
diesem Zusammenhang gab es seit 1993
verfahren innerhalb der Europäischen
eine positive Entwicklung. Während man
Union eine Arbeitsbewilligungen notwen-
sich damals für die Anerkennung eines in
dig war, um beruflich in einem anderen
Österreich erworbenen Studientitels noch
europäischen Land Fuß fassen zu können.
an eine Universität im restlichen Staats-
Wir warfen damals einen durchaus kriti-
gebiet wenden musste, kann das heute
schen Blick auf den Widerspruch zwischen
über die Freie Universität Bozen, welche
dem propagierten freien Personenverkehr
dazu berechtigt ist, gemacht werden. Die
einerseits und den großen Schwierigkeiten
Verhandlungen zur Aktualisierung des
und zahlreichen bürokratischen Hürden,
Notenwechsels wurden bisher von einer
welche Personen bei der konkreten Um-
Kommission geführt und galten immer als
setzung
Anerkennungsverfahren
sehr mühsam. Umso erfreulicher ist es für
begegneten andererseits. In der Zwischen-
mich, dass heuer erstmals in der Geschich-
zeit wurden verschiedene Richtlinien zur
te des Abkommens die Studieninformation
Förderung der Mobilität der Personen in-
Südtirol der Abteilung Bildungsförderung
nerhalb der Union erlassen – erwähnt sei
vom MIUR in die Verhandlungskommis-
die aktuelle Einführung des Europäischen
sion eingeladen wurde, um aufgrund ih-
Berufspasses. Allerdings sind noch heute
res Fachwissens und der Kenntnisse der
die Verfahren zur Anerkennung von Stu-
Verhandlungssprachen mitzuwirken. Die
dientiteln über die so genannte Einzel-
Vorzeichen sind gut für die großen Themen,
nostrifizierung oder jene zur Erlangung
die demnächst in einem neuen, so
der Berufsbefähigungen sehr aufwendig.
genannten „technischen Arbeitstisch“an-
ihrer
Italien und Österreich eine bildungspo-
stehen: nämlich die Anerkennung der neuen Nicht zuletzt aus diesem Grund nimmt das
österreichischen Lehramtsstudien und
bilaterale Abkommen zur gegenseitigen
der Fachhochschulabschlüsse in Italien.
107
Sicherung des Rechtes auf Bildung durch bildung fördernde Maßnahmen
Arbeitswelt bei der Erneuerung der Bil-
Die Sicherung des Rechtes auf Bildung ist
Nicht mehr nur linke Kreise, sondern auch
historischbetrachtet für die bildungs- und
OECD und Internationaler Währungs-
beschäftigungspolitische
fonds
Entwicklung
dungsförderung im Auge zu behalten.
warnen
vor
der
wachsenden
Südtirols von zentraler Bedeutung. Ihr
Ungleichheit in der heutigen Gesellschaft,
kommt aus der Perspektive einer Minder-
da sie eine Gefahr für die Demokratie
heit in einem anderssprachigen Staat eine
darstellen kann. Das Arbeitsförderungsin-
zentrale Schutzfunktion zu. Als ich in den
stitut greift das Thema Ungleichheit in der
80-er Jahren in Wien mit der sh.asus in
Gesellschaft und Zukunft des Wohlfahrts-
Kontakt gekommen bin, waren Schulfür-
staates letzthin vermehrt auf und wird
sorge, Hochschulförderung und Studien-
sich im Herbst diesen Jahres mit der so-
und Berufsberatung bereits gut instituti-
zialen Mobilität auseinandersetzen. Eine
onalisiert. Dem war ja nicht immer so. Mit
Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung
dem Ausbau der Autonomie ab den 70-er
aus dem Jahr 2014 über die soziale
Jahren wurde es für die öffentliche Hand
Gerechtigkeit in den einzelnen EU-Ländern
möglich, bildungsfördernde Maßnahmen
reiht Italien auf der Liste der 28 Länder
für die Bevölkerung Südtirols auszubau-
an 23. Stelle. Angeführt wird die Liste von
en. Die Zuständigkeit des Landes Südtirol
den skandinavischen Ländern, gefolgt von
in den Bereichen Schulfürsorge, Hoch-
den Niederlanden, Luxemburg, Österreich
schulförderung und Berufsberatung hat es
(6. Stelle) und Deutschland. Südtirol wür-
bisher ermöglicht, einen sehr hohen Stan-
de höchstwahrscheinlich eine Position
dard der verschiedenen Dienst-, Sach- und
dazwischen einnehmen – leider haben wir
Geldleistungen zu garantieren und das
keinen vergleichbaren Index, weshalb sich
Bildungsniveau der Bevölkerung zu heben.
nur Vermutungen anstellen lassen. Ein derartiger Index wäre für Südtirol aus meiner
Ziel der Schul- und Hochschulförderung
Perspektive deshalb wichtig, weil sich
ist es nach wie vor, Jugendliche aus sozial
Expertinnen und Experten darin einig sind,
schwachen Familien darin zu unterstützen,
dass Bildungsförderung im weitesten Sinne
den eingeschlagenen Bildungsweg zu
– als Stärkung von Bildung, als Sicherung
realisieren. Die Chance und zugleich
des Zugangs zu Bildung und Beschäftigung
die Herausforderung für die zukünftige
sowie als Förderung lebenslangen Lernens
Entwicklung der Bildungsförderung liegen
– nicht nur bildungspolitisch, sondern auch
darin, das hohe Niveau der Förderungen
sozialpolitisch und volkswirtschaftlich ge-
zur Sicherung des Bildungsstandards zu
sehen wichtig ist. Sie stellt ein Element
halten und sie den neuen gesellschaftli-
dar, um soziale Gerechtigkeit zu fördern.
chen Rahmenbedingungen anzupassen.
Die Schulfürsorge, Hochschulförderung, Studieninformation und nicht zuletzt die
Zugang zu Bildung als ein Garant für soziale Gerechtigkeit.
Ausbildungs- und Berufsberatung arbei-
Aus meiner Sicht ist der soziale Aspekt der
Bildungsförderung in diesem Sinne.
ten als Tätigkeitsbereiche der Abteilung
Bildungsförderung aufgrund des schnellen Wandels in Gesellschaft, Bildungs- und
108
Rolanda Tschugguel
109
110
111
Fabian Frener (Vorsitzender seit 2015) und Franz von Walther (Vorsitzender 1955–1957).1
SH.asus - 60 Jahre VordENKERROLLE Grußworte des Vorsitzenden Fabian Frener Signore e signori, cari amici! Vorrei salutare tut-
hat
ti che sono venuti a festeggiare con noi i 60 anni
mer weiter entwickelt, sich verändert – ihre
sich
in
den
della nostra associazione e ringraziare ognuno
Anliegen
blieben
letzten dabei
Jahrzehnten aber
im-
dieselben.
che ha contribuito a realizzare questo evento. In quest‘occasione vorrei anche ringraziare tutti co-
Wenn man unsere Arbeit betrachtet, wird bald
loro che rendono e hanno reso possibile i successi
auffallen,
dell‘asus.sh col loro lavoro e dedizione costante.
wieder wechselt. Als Studierendenverein bleiben
dass
unsere
Führungsspitze
immer
Mitglieder leider höchstens vier bis fünf Jahre Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe
aktiv – auch 10 jährige Studienkarrieren sind zum
SH-lerInnen, mit 60 Jahren kann es gut sein, dass
Leidwesen unseres Vereins rar geworden. Dieser
beim Durchschnittsbürger einzelne graue Haa-
Umstand ist Problem und Möglichkeit zugleich:
re und vielleicht einige Fältchen sichtbar werden.
Die Südtiroler HochschülerInnenschaft ist somit flexibel und passt sich schnell neuen Gegeben-
Ich habe mir überlegt, ob auch die sh.asus in
heiten und Umständen an, geht immer auf neue
ihren Themen und Auftreten älter oder so-
Themen ein und bleibt am Puls der Zeit. Ein Verein
gar reifer geworden ist. Natürlich die, sh.asus
ehrwürdigen Alters der immer jung bleiben wird.
1 Foto Francesca Tonetti
112
Was vereint jene Studenten die sich im Früh-
muss aber zugeben, dass wir in den letzten Jahren
jahr
jene
mit relativ wenigen gesellschaftspolitischen Ver-
StudentInnen, die im Jahre 2015 mit der
anstaltungen aufgewartet haben. Es besteht zwar
Landesregierung diskutieren, Beratungsstellen orga-
noch Interesse und Bereitschaft zur politischen
nisieren oder mit einer bestimmten Partei streiten?
Diskussion, das allgemeine Engagement der Stu-
Vielleicht hört man manche sagen, dass der heu-
dierenden ist aber nicht ansatzmäßig vergleich-
tige Verein außer dem Namen nur mehr wenig mit
bar mit den politisch aktivsten Zeiten der sh.asus.
1955
zusammenschlossen
und
der Südtiroler Hochschülerschaft von 1955 gemein hat. Dem könnte man natürlich entgegnen, dass sich auch der Name geändert hat. Doch unsere Grundprinzipien sind über die Jahre konstant geblieben: Seit 60 Jahren versuchen wir studentische, soziale und gesellschaftliche Interessen der Südtiroler Studierenden zu vertreten, MaturantInnen und StudentInnen einen Beratungsdienst zu bieten und kulturelle Veranstaltungen in unseren Außenstellen zu fördern. Diese Aufgaben stellen wir uns selbst! Einer meiner Vorgänger, Luis Durnwalder, warnte vor 50 Jahren im Rahmen der 10-Jahres-Feier, dass die Hochschulausbildung nicht eine bloße Berufs-
Wir möchten bewusst machen, dass es zukunftsweisend ist, Südtirol nicht als Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Kulturen anzusehen, sondern als Treffpunkt und Modell einer europäischen Kultur des Miteinanders.
ausbildung sein dürfe. Ich denke, diese Problema-
Ich
glaube,
besonders
bei
solchen
Themati-
tik hat sich seitdem nicht gelöst sondern drastisch
ken hatte die sh.asus schon oft im Laufe unse-
verschlimmert. Wir stehen heute vor Universitäten,
rer Geschichte eine gewisse Vordenkerrolle inne.
in denen StudentInnen nahezu am Fließband abgefertigt werden. Universitäre Bildung ist zu einem
Was bleibt nun nach 60 Jahren? Nach 60 Jahren kon-
Massenprodukt geworden. Verstehen Sie mich nicht
stanter Veränderung unseres Vereins?
falsch: Es freut uns, dass immer mehr junge Menschen ein Hochschulstudium aufnehmen wollen und
Ho adesso 21 anni e certamente non posso im-
aufnehmen können, doch müssen dafür auch die sys-
maginare com‘è veder crescere un associazione
temischen Rahmenbedingungen angepasst werden
come la nostra per più di mezzo secolo. Ma ci res-
– die finanzielle Unterstützung der StudentInnen
ta qualche ruga o qualche capello bianco? L‘ as-
und der Universitäten darf nicht zu kurz kommen!
sociazione sarà sempre giovane, anche quando io avrò 60 anni un altro studente giovane, con nuo-
Auch die sh.asus steht vor neuen Herausforderun-
ve idee e con nuovo impegno e dedizione sarà
gen. Eine direkte Auswirkung haben die veränderten
qui al mio posto per tenere il discorso dei 100
universitären Bedingungen auf unsere politische
anni Südtiroler HochschülerInnenschaft o Asso-
Arbeit. Mir ist es zwar ein persönliches Anliegen,
ciazione degli studenti universitari sudtirolesi.
gute Ideen, fortschrittliche Denkansätze und die konstruktive politische Diskussion zu fördern,
Grazie per la vostra Aufmerksamkeit!
113
1
SH.asus - 60 Jahre QUERDENKEN Grußworte des Landesrates Philipp Achammer Liebe SH-lerinnen und SH-ler, danke zuerst
burtstag gratulieren darf im Namen der Landes-
einmal
Einleitung
regierung, und ich muss zu Beginn feststellen: leider
und Vorstellung – hätte ich mir in dieser
hat die SH in der Landesregierung an Rang verloren.
Form fast nicht verdient, würde ich sagen.
Wir haben nämlich keinen ehemaligen Vorsitzenden
für
diese
wunderbare
mehr an der Spitze der Landesregierung, der mit Lieber Vorsitzender, lieber Fabian, liebe ehemalige
Luis Durnwalder ein ehemaliger Vorsitzender an der
Vorsitzende, erster Präsident der Südtiroler Hoch-
Spitze gestanden ist. Wir haben aber eine ehemalige
schülerschaft, sehr geehrter Bundesminister au-
Bezirksvorsitzende in der Landesregierung, nämlich
ßer Dienst Karlheinz Töchterle, liebe Anwesende,
Martha Stocker. Also dementsprechend: die SH bleibt auch in der Südtiroler Landesregierung präsent.
ich freue mich natürlich, dass ich als junger Landesrat, der gerade einmal halb so alt geworden ist
Ich darf ganz herzlich gratulieren zu diesem sech-
im heurigen Jahr als die SH selber, zum runden Ge-
zigsten Geburtstag, und man sieht heute an der
1 Foto Francesca Tonetti
114
zahlreichen Präsenz, an der angenehmen Präsenz
Ich würde aber eines ganz besonders zum Schluss sagen:
der so Vielen, die SH geprägt haben in sechzig Jah-
60 Jahre Hochschülerschaft heißt: 60 Jahre ein ganz besonderes Lebensgefühl.
ren, dass SH eine bewegte und eine bewegende Geschichte ist; und dass 60 Jahre SH, und das sage ich als Dreißigjähriger, sicherlich mehr ist als 60 Jahre Interessens- und Studentenvertretung. Natürlich ist die Interessenvertretung in 60 Jahren SH immer im
Denn ich glaube, das Lebensgefühl der SH verbin-
Vordergrund gestanden: begonnen mit dem Thema
det heute Abend gerade hier – wer einmal auf einer
Studientitelanerkennung bis hin zur Maturanten-
SH-Bude war oder bei einem SH-Festl wird wissen,
beratung, den Studientagungen, die man organi-
wovon ich spreche (auch als noch nicht abgeschlos-
siert hat, die akademische Anerkennung oder die
sener Student – ich bin ja sozusagen Interessens-
akademische Ausbildung der Lehrpersonen – das
mitglied auch der Südtiroler Hochschülerschaft).
geistige Erbe des Josef Ferrari, des Vize-Schulamtsleiters, mit dem man begonnen hat, der Studienbei-
Ich freue mich aber auf eines ganz besonders: na-
hilfen, die Fabian Frener ganz treffend angespro-
türlich auf die gute Zusammenarbeit; und Fabian
chen hat und die heute natürlich immer noch im
Frener hat in den Mittelpunkt gestellt, dass SH auch
Mittelpunkt stehen und immer noch Thema sind.
in Zukunft bewegen wird; die SH wird mit Sicherheit
Sechzig Jahre SHbedeutet aber auch: 60 Jahre Querdenken.
ungemütlich blieben, wenn es um die Interessen der Südtiroler Studierenden geht; wenn es darum geht zu verteidigen, dass wir beste Rahmenbedingungen für Südtiroler Studierende schaffen – ob in Südtirol oder außerhalb Südtirols; dass wir Chancengleich-
Die Südtiroler Hochschülerschaft hat immer ihren
heit und Chancengerechtigkeit in Ausbildung und
gesellschaftlichen, ihren gesellschaftspolitischen,
Universitätsstudium gewährleisten. Die SH wird
ihren kulturellen Auftrag wahrgenommen; und die-
sich einmischen und wird sich nie vereinnahmen
se Geschichte ist eine ganz ganz besondere bis hin
lassen – das hat sie sich nie und wird sie auch heute
zur Position der SH als außerparlamentarische Op-
nicht tun und auch in Zukunft nicht tun – das wün-
position, die sich entwickelt hat in den 60er- und
sche ich mir ganz besonders; sie wird uns auf die
dann ganz besonders in den 70er-Jahren; in den
Zehen steigen – darüber freuen wir uns auch ganz
70er-Jahren bis hin zum Brief der 83, der ja ganz
besonders in den zuständigen Abteilungen weiter-
besonders in die Geschichte eingegangen ist in der
hin; und sie wird die Chancen wahrnehmen – und
Zeit, als Günther Pallaver Vorsitzender war oder Re-
das hat mir besonders in einem Interview des Vor-
nate Mumelter als erste Vorsitzende der Südtiroler
sitzenden gefallen – die sich neu eröffnet haben.
Hochschülerschaft, bis hin zur Position, die man gegenüber der Universität Bozen eingenommen hat, die
Wenn man in der Interessenvertretung daran denkt,
ja auch eine gemischte Geschichte war, von der Ab-
dass irgendwo vor 50 Jahren die Passkontrollen ein
lehnung bis hin zur konstruktiven Zusammenarbeit.
bedeutendes Thema der SH waren und wir heute die Chancen nutzen können nach 60 Jahren SH,
Sechzig Jahre SH würde ich sagen bedeutet aber auch sechzig Jahre ganz normaler Wahnsinn, denn auch das gehört zur Südtiroler Hochschülerschaft dazu:
die uns Europa bietet und den Studenten bietet,
Momente wo es hin bis zur Existenzbedrohung gegan-
werden wir sagen: die Südtiroler Hochschülerschaft
gen ist, Referenden zur Abschaffung der Südtiroler
bleibt ein fixer Teil von Südtirols Studentenlandschaft,
Hochschülerschaft, in den 90er-Jahren den berühm-
aber vor allem ein fixer Teil auch von Südtirols Gesell-
ten berüchtigten WAS-Artikel, wo es um die Finanzkri-
schaft – das dürfen wir nicht vergessen. Alles alles
se der Südtiroler Hochschülerschaft bis hin wiederum
Gute, und ein schönes Geburtstagsfest heute Abend!
dann nutzen wir diese – das ist eine herausragende Chance von jungen Menschen, die optimistisch in die Zukunft blicken, ihren Horizont erweitern und die Chancen nutzen, die auf dem Tisch liegen. Alles alles Gute zum sechzigsten Geburtstag, viel Erfolg auch in Zukunft – auch zum Hundertsten werden wir vielleicht wieder vorbeischauen und auch dann
fast zur Existenzbedrohung gegangen ist – aber auch das gehört zu einer Studentenorganisation mit dazu.
115
1
Die zukunft der Universitären bildung im 21. jahrundert Grußworte des O. Univ.-Prof. Mag. Dr. Karlheinz Töchterle, ehemaliger Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Herr Landeshauptmann, sehr geehrte Mitglieder
Es ist nicht ganz leicht, in einer so launigen und auch
der Südtiroler Landesregierung, vor allem aber sehr
so dichten Runde jetzt noch Ihre Aufmerksamkeit zu
geehrte Funktionäre und Mitglieder der Südtiro-
gewinnen. Mir wurde das Thema „Die Zukunft der
ler HochschülerInnenschaft (das Binnen-I geht mir
universitären Bildung im 21. Jahrhundert“ gestellt.
schwer über die Zunge, aber ich hab’s geschafft).
Wenn man über diese Zukunft nachdenken möchte, dann muss man natürlich auch ein bisschen über
Ich bedanke mich ganz herzlich, hier zu diesem Fest-
die Vergangenheit reden, das heißt, man muss den
vortrag eingeladen zu sein. Ich bin sehr gerne ge-
Ort ausmachen, wo die universitäre Bildung derzeit
kommen und mich verbindet sehr vieles mit Südtirol.
steht, man muss ihr Wesen zu fassen versuchen, um
1 Foto Flora Brugger
116
dann zu schauen, was von diesem Wesen, was an die-
bezogen sich natürlich nicht nur auf Wirtschaft und
sem Ort bestehen kann, was sich ändern muss und
Politik, sondern auch auf geistige Bereiche, die für
was sich ohnehin ändert. Das versuche ich jetzt also
die Universität wohl noch stärker ins Gewicht fielen.
in der mir vorgegebenen Zeit von zwanzig Minuten.
Die wichtigsten Strömungen, die hier zu nennen sind und die diese Universitätsreform beflügelt ha-
Also: Was ist der Ort, was ist das Wesen uni-
ben, waren zweifellos der deutsche Idealismus und
versitärer
her?
der Neuhumanismus. Der deutsche Idealismus, ge-
Ich kann natürlich jetzt nicht die ganze Universitätsge-
nährt von Philosophen wie Kant oder Hegel, Fich-
schichte aufrollen. Ich möchte nur ein paar wesentliche
te, Schelling und anderen, stellte, beruhend auf
Punkte aus dieser Geschichte in Erinnerung rufen, weil
der platonischen Philosophie, das gebildete Indi-
sie auch heute das Wesen der Universität ausmachen.
viduum in den Mittelpunkt seiner Bemühungen.
Bildung
von
ihrer
Genese
Die moderne Universität hat sich in ihren bedeutendsten
Zügen
wohl
doch
im
deutschen
Sprachraum entwickelt, vor allem in Preußen, und hat dieses Gepräge der Welt weitergegeben.
Wenn man heute in der Welt Universität denkt und Universität baut, dann tut man es vielfach nach diesen Mustern, die im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden und entwickelt worden sind.
Das gebildete Individuum, dessen Bildung nicht darauf beruht, dass es auf etwas hin gebildet wird, sondern darauf, dass seine Persönlichkeit, sein Ich, zu möglichst vollständiger Entfaltung gelangt. Das war der Hauptzweck und das Hauptziel dieser Bildungskonzeption. Also: ein möglichst rundum gebildetes Individuum. Und dazu liefert nun vor allem der Neuhumanismus die entsprechenden Bildungsmittel, die, wie man es
Diese Muster haben natürlich eine Fülle von Kontex-
ganz grob sagen kann, in der griechischen Antike lie-
ten, die teilweise noch gegeben, vielfach aber ver-
gen. Dass das so kam, ist für die Zeit der Aufklärung
gangen sind. Einige Kontexte waren wirtschaftlicher,
und das 18. Jahrhundert durchaus erstaunlich – es
praktischer, ja sogar militärischer Natur: Man sah in
könnte erklärt werden, das würde aber zu weit führen
Deutschland die wirtschaftliche Unterlegenheit ge-
– es war so. Für die Deutschen kamen auch nationale
genüber Frankreich und England im 18. Jahrhundert;
Gründe hinzu, nämlich sich endlich gegenüber den
man sah, vor allem in den napoleonischen Kriegen,
bisher kulturell stets überlegenen Romanen absetzen
die militärische Unterlegenheit. All das waren starke
zu können. Das Ziel und das Ideal dieses Neuhuma-
äußere Impulse, um auch und insbesondere an der
nismus, dieses vor allem deutschen Neuhumanismus,
Bildung anzusetzen, um damit diese Rückstände auf-
war das antike Griechentum, das man idealisiert hat, in
zuholen. Und das ist mit Hilfe der Bildungsreformen
dem man das Menschentum ideal verwirklicht sah und
sowohl im Sekundar- als auch im tertiären Bereich
dem es nun nachzustreben, das es wiederzugewinnen
gelungen: Das deutsche Universitätssystem und auch
galt. Deswegen war im neu konzipierten humanisti-
die deutsche Gesellschaft, Wirtschaft und Wissen-
schen Gymnasium Humboldts Griechisch das eigent-
schaft waren bis zur Katastrophe des Nationalsozialis-
liche Hauptfach, obwohl die meisten Stunden vom La-
mus führend in der Welt. Auch in der Wissenschafts-
teinischen beansprucht wurden – auch das hat seine
sprache war Deutsch bis dorthin und sogar noch ein
Gründe –, aber beide Fächer zusammen halfen eben,
bisschen darüber hinaus dominierend. Erst in den
diese antike Welt wiederzugewinnen, beide Fächer
letzten Jahrzehnten hat Englisch auch als Wissen-
zusammen hatten mehr als 50 Prozent der Stunden
schaftssprache Deutsch und andere Sprachen, etwa
in diesem damaligen humanistischen Gymnasium.
Französisch abgelöst, und ist jetzt die Lingua franca. Die Rahmenbedingungen, die damals herrschten,
Verstärkend dazu kamen andere geistige Bewegun-
117
gen: der Sturm und Drang, die Genieästhetik, die
eine elitäre Adelsethik präferiert hat, hat dagegen den
Romantik mit der „progressiven Universalpoesie“
Selbstzweck und den Eigenwert der Bildung betont,
eines Friedrich Schlegel, der darin das anzustreben-
absolut stimmig im Rahmen seiner Seinsphilosophie.
de Bildungsgut schlechthin sah, mit der Hochbewer-
Dieser Eigenwert, dieser Selbstzweck der Bildung
tung alles Künstlerischen – all das hat dazu geführt,
war dann eben auch ein Kernpunkt der universitären
dass der bürgerliche Bildungskanon wie der univer-
und der gymnasialen Konzepte des 18. und 19. Jahr-
sitäre von diesen Bildungsgütern dominiert wurden.
hunderts. Sie beruhten auf den geistigen Gegebenheiten, die ich jetzt nur ganz grob skizzieren konnte.
Dem allen entsprechend war die Leitwissenschaft dieser damaligen Universität die klassische Philolo-
Die klassische Philologie verlor mit dem Zurückge-
gie. Als klassischer Philologe kann ich natürlich auch
hen des Neuhumanismus im Laufe des frühen 19.
davon sehr gut erzählen und könnte ins Detail gehen.
Jahrhunderts auch ihre Rolle als Leitdisziplin. Sie
Diese Leitwissenschaft hat mit ihrem Studienbetrieb
wurde zuerst abgelöst von anderen Geisteswissen-
auch das Paradigma für das ideale Studium an einer
schaften, vor allem von der Geschichtswissenschaft,
Universität geliefert. Dieser Studienbetrieb hat in sei-
dann aber, vor allem durch den aufkommenden Po-
nem Kern das philologische Seminar gehabt. Friedrich
sitivismus, allmählich von den Naturwissenschaf-
August Wolf, der als der Begründer der modernen klas-
ten, und hier wurden die neuen Leitdisziplinen ge-
sischen Philologie gilt, hat auch dieses philologische
prägt, die allerdings in der Forschungsorganisation
Seminar begründet, zuerst in Halle, später dann an
und auch im Ideal des forschenden Lernens und
der neu geschaffenen Humboldt-Universität in Berlin,
Lehrens den alten Konzepten treu blieben: Auch in
und das Seminar war, was schon der Name sagt: Hier
diesen neuen Disziplinen war das forschende Leh-
wurden die semina (die Samen) gelegt für eine später
ren das zentrale Bildungserlebnis der Universität.
wissenschaftliche Entwicklung. Dieses Seminar war
So ist es bis heute geblieben:
eine Pflanzstätte der Studierenden. Es war geprägt von einer intensiven Interaktion zwischen Lehrenden und Forschenden, und von daher kam auch ein Ideal der Humboldt’schen Universität, nämlich die enge Verbindung von Forschung und Lehre; und auch das Vertrauen darauf, dass jegliche forschende Lehre und jegliche wissenschaftliche Bemühung ein generelles Bildungserlebnis erzeuge. Explizit hat das vor allem Schleiermacher formuliert, ein Mitkämpfer Humboldts in dessen Bildungsbemühungen, und Schleiermacher hat das auf der Basis der platonischen Philosophie gemacht (er war ein großer Platoniker – seine Übersetzung der platonischen Werke wird bis heute benützt); auch hier also steht Platon im Hintergrund. Platon steht noch in einem anderen Zusammenhang
118
Wenn wir heute von idealer Universität schwadronieren, das sage ich jetzt mit Absicht so, dann haben wir immer das Paradigma dieses forschenden Lernens und Lehrens und dieses gemeinsaman-einem-Problem-sich-Abarbeitens, mit dem man sozusagen gemeinsam mit seinen Lehrenden voranschreitet und irgendwann dann selber zum Wissenschaftler wird. Dieses Ideal gab es nie.
mit den Konzeptionen dieser Zeit: Platon selber hat
Ideale gibt es klarerweise in der Realität ohnehin nie
sich vor allem an einem Gegner gerieben, an der So-
(das versteht sich von selbst). Das gab es nie, nicht
phistik. Die Sophistik des späten fünften Jahrhunderts
einmal in den erwähnten Disziplinen, und in anderen
vor Christus in Athen, das war eine erste revolutionä-
schon gar nicht. Sie müssen daran denken, dass diese
re, aufklärerische Bewegung, die den damaligen neu-
Disziplinen, sowohl die klassische Philologie wie auch
en Gegebenheiten, nämlich der Demokratisierung der
die Geschichts- und die Naturwissenschaften, alle aus
Gesellschaft in Athen, Rechnung getragen und ihren
der philosophischen Fakultät entsprungen sind. Und
Adepten versprochen hat: Wenn ihr bei uns in die
diese philosophische Fakultät ist erst im späten 18.
Schule geht, dann werdet ihr euch in dieser neuen de-
Jahrhundert von der Magd, die sie vorher über Jahr-
mokratischen, also aufstiegsorientieren Gesellschaft
hunderte war, zur „Königin“ der Fakultäten geworden,
durchsetzen, dann werdet ihr erfolgreich werden – po-
wie sie Kant bezeichnet. Vorher war sie die Magd der
litisch und ökonomisch. Das heißt, die Sophisten waren
drei „höheren“ Fakultäten Theologie, Jus und Medizin
die ersten, die die Bildung programmatisch und ideo-
gewesen. Diese benötigten die philosophische Fakul-
logisch verzweckt haben. Bildung war immer schon
tät zur Propädeutik, und sie hieß deswegen ja lange
zweckhaft, auch im älteren, adelsbetonten Griechen-
Zeit auch nicht „philosophische“, sondern Artistenfa-
land, aber die Sophisten haben daraus ein Programm
kultät. Nicht, weil man hier irgendwelche Kunststücke
gemacht und haben dieses Programm so stark formu-
lernte, sondern weil sie die septem artes liberales zu
liert, dass sie den Widerspruch Platons evozierten. Und
unterrichten hatte, was eben dann zur Universitätsrei-
Platon, der selber schon auf Grund seiner Herkunft
fe für die drei höheren Fakultäten führte. Aus dieser
Magd wurde also mit Kant und Co. die Königin, und sie
übersieht aber erstens die Tatsache, dass man sich
lieferte dann das Paradigma, in dem wir bis heute so-
den Herausforderungen an die Funktionen und Auf-
zusagen die eigentliche und wahre Universität sehen.
gaben heutiger Universitäten neu stellen muss und hier nicht Ideale des 18. und 19. Jahrhunderts, die
Daneben gab es natürlich immer eine ganz ande-
noch dazu nie Realität waren, in die Zukunft ver-
re Universität und es gibt sie bis heute – das möch-
längern kann; sie übersieht zweitens auch, dass
te ich ausdrücklich ins Bewusstsein rufen, wenn
diese Ideale ja nur für ein ganz schmales Segment
ich jetzt zur Gegenwart und zur Zukunft komme.
überhaupt gültig waren: die drei höheren Fakul-
Die Prägung von damals gilt bis heute als Ideal.
täten waren nie, um Luis Durnwalder zu zitieren,
Für mich war dies faszinierend zu sehen, als ich mich
„lai“ Wissenschaft; sie waren immer – auf wissen-
als Rektor der Universität Innsbruck 2009/2010
schaftlichem Fundament – praktische Ausbildung.
mit der Protestbewegung „Uni brennt“ auseinandersetzte. Diese „Uni brennt“-Bewegung, die
Die Theologie bildete die Priester aus, die juri-
man mit den Attributen „revolutionär“ oder auch
dische Fakultät die diversen juristischen Berufe,
„links“ versehen kann, hat letztlich platonische
den Richter, den Anwalt, den Notar, die Medizin bil-
Ideale vertreten, wohl ohne dass sie es wusste.
dete Ärzte aus. Also: die drei höheren Fakultäten
Ich sagte es ihnen manchmal in den Diskussionen,
waren immer auf „employability“ ausgerichtet,
nämlich: zweckfreie Bildung, kein In-den-Dienst-
so wie es jetzt Bologna wieder verlangt. Das heißt:
Nehmen von Bildung durch irgendwelche Sekun-
die Wissenschaft war immer verzweckt, die Wissenschaft war immer auch dazu da, Menschen für ein praktisches Leben und für eine praktische Tätigkeit auszubilden.
därabsichten, Wissen an sich, all das war in der Programmatik dieser „Uni brennt“-Bewegung. Das heißt:
Wir haben bis heute dieses Ideal ganz stark in unseren Köpfen verankert: Wissenschaft um ihrer selbst willen, Erkenntnis um ihrer selbst willen und nicht für andere Zwecke, und Teilhabe an diesem Erkenntnisprozess, an der Gewinnung neuer Erkenntnisse durch die Studierenden. Wir wissen, dass die Realität heute ganz anders ist:
Das Ideal, dem man hier nachrennt und nachtrauert, war klarerweise nie Realität, und es war für viele Fakultäten nicht einmal je ein Ideal. Insofern ist natürlich die Ausrichtung Bolognas auf die Beschäftigungsfähigkeit plausibel und stimmig, es wird nur dann gefährlich, wenn Wissenschaft ausschließlich unter diesem Aspekt gesehen wird, und wenn sie vor allem ausschließlich ökonomischen Interessen zu dienen hat – das ist klar.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Explosion der Studierendenzahlen. Das Seminar als Idealform
Wissenschaft muss betrieben werden um der Erkennt-
universitären Lehrens und Lernens wird zwar immer
nis willen. Wenn diese Erkenntnis, was häufig der Fall
noch so genannt, ist aber ganz selten der Ort dafür.
und was ein großes Glück für die Wissenschaft ist,
Wir sind heute nicht nur durch die Massenuniversität, aber vor allem durch sie, gefordert, Universität neu zu denken und neu zu konzipieren.
auch Geld bringt, dann soll es uns Recht sein, aber das darf nie der primäre Zweck des Wissenschaftsbetriebs sein. Das wird auch jeder Wissenschaftler so sehen, und er kann gar nicht anders, als dem Erkenntnisdrang zu folgen und am Puls der Erkenntnis zu fühlen und diese Erkenntnis eben weiterzutreiben.
Das geschieht auch. Der stärkste Ausdruck da-
Natürlich hat Bologna, um noch kurz bei diesem Prü-
für ist
die Bologna-Reform: Hier haben eine
gelknaben zu bleiben, schon auch einige Ergebnisse
Fülle von verantwortlichen Politikern in vielen
gezeitigt, die fragwürdig sind und die auch ich kritisiere.
Konferenzen – in Bologna war eine davon und
Vor allem österreichische und deutsche Bildungspoli-
sie hat dem ganzen Prozess den Namen gege-
tiker haben hier übers Ziel geschossen, indem sie ganz
ben – versucht, auf die neuen Herausforderungen
strenge Vorgaben machten für den Bachelor – etwa in
zu reagieren, und bestimmte Vereinbarungen
Österreich, dass er nur sechssemestrig sein dürfe –,
getroffen, die dann von den einzelnen Ländern
und dann haben noch die Studienkommissionen –
unterschiedlich umgesetzt wurden und werden.
inzwischen heißen sie Curriculakommissionen – das ihre draufgelegt, indem sie in diese sechs Semester
Dieser Bologna-Prozess ist inzwischen zum Prü-
mehr hineingepresst haben, als man vorher in einem Di-
gelknaben geworden, zu einer Chiffre für eine fehl-
plomstudium von acht oder zehn Semestern zu lernen
geleitete Universitätspolitik. Die Kritik an Bologna
hatte. Das alles hat zu einer krassen Reglementierung
119
des Studiums, zur sogenannten Verschulung, geführt.
Bei uns ist ja – durch die hervorragenden Berufsausbil-
Ein Übriges hat dazu, was selten beachtet wird, das
dungsmöglichkeiten, die wir haben – die Universität
heute überall grassierende kumulative Prüfungssys-
nicht der alleinige Weg zu einer gelingenden berufli-
tem getan. Man absolviert ein Studium nicht mehr
chen Ausbildung, als der er manchmal hingestellt wird,
wie früher, indem man einfach einmal studiert hat,
vor allem auch von linker Seite in Österreich. Es gibt
sich versucht hat, in ein Fach hineinzuarbeiten und
eine Fülle anderer Wege zu einem gelingenden Leben,
am Schluss dann diese Arbeit und diese Erkenntnis in
zu einer gelingenden beruflichen Ausbildung, und
einer großen Schlussprüfung, in einer großen Schluss-
deswegen muss bei uns auch nicht alles akademisiert
arbeit, nachweist, sondern man addiert nun Prüfung
werden (was manche ja fordern); es muss bei uns auch
um Prüfung und summiert das auch, und am Schluss
nicht jeder, damit er sozusagen für sein Leben ausrei-
hat man dann den Abschluss. Dieses kumulative Prü-
chend ausgestattet ist, durch eine Universität gegan-
fungssystem, dieses Addieren von „Scheinen“, führt
gen sein. Das ist ein wirklicher Fehlschluss, und ich bin
dazu, dass die sogenannte „Verschulung“ und die da-
auch gegen den Akademisierungswahn, der von vielen
für nötige Bürokratie Triumphe feiern, dass nur mehr
Seiten getönt wird, weil ganz klar ist, und das haben
gezählt und gemessen wird. Das Allerschrecklichste
insbesondere die Krisenjahre in letzter Zeit gezeigt,
sind diese ECTS-Punkte (European Credit Transfer
dass z.B. die Jugendarbeitslosigkeit genau in den Län-
System), die Währung, mit der im Bologna-Raum Stu-
dern, wo wir niedere Akademikerquoten haben, aber
dienleistungen verglichen werden. Was messen diese
dafür eine hervorragende außertertiäre Berufsausbil-
Punkte? Sie messen nur Arbeitszeit: Ein ECTS-Punkt
dung, deutlich geringer ist. In Ländern wo das nicht
heißt in Österreich 25 Stunden Arbeit, in Deutschland
der Fall ist, auch wirtschaftlich starken Ländern wie
dreißig Stunden Arbeit, also schon fünf Stunden Un-
etwa Schweden oder Finnland, da haben wir eine sehr
terschied pro Punkt. Wenn man weiß, dass ein Bache-
hohe Jugendarbeitslosigkeit. Und ich weiß, dass Süd-
lorstudium von sechs Semestern mal dreißig Punkten
tirol eine etwas höhere hat als Österreich, aber eine
180 Punkte hat und das mit fünf multipliziert, dann
weitaus niedrigere als anderer Regionen Italiens – ich
ist der Unterschied an Arbeitszeit zwischen einem
nehme an, dass das auch hier ähnlich ist. Also: auch
deutschen und einem österreichischen Studenten
da muss man differenzieren und da würde ich sagen,
nach sechs Semestern neunhundert Stunden. Also:
wir müssen unsere Stärken und unsere Qualitäten in
entweder sind Österreicher viel gescheiter als die
der beruflichen Ausbildung schätzen. Wir dürfen nicht
Deutschen, oder die Deutschen sind viel fleißiger; das
in den Fehler verfallen zu meinen, nur die Universität
zweite, glaube ich, stimmt, das erste bezweifle ich.
führe zu einer erfolgreichen Berufslaufbahn, das wäre völlig falsch gedacht. Für die Universität, und damit
Ich will mit dieser Rechenaufgabe nur den Unsinn
beende ich jetzt diese meine Festrede, wünsche ich
der ECTS-Punkte beleuchten, ich könnte noch vie-
mir, dass sie weiterhin eine Stätte der Erkenntnis
le Scheinwerfer auf diesen Blödsinn werfen. Das
und des Erkenntnisgewinns bleibt, eine Stätte
Trostlose ist, dass der ganze Bologna-Raum diesen
echter Wissenschaft, „lai“ der Wissenschaft, um
Unsinn macht, und noch trostloser ist es, dass eine
wieder Durnwalder zu zitieren. Was heißt das?
Fülle von anderen Gegebenheiten jetzt mit diesen ECTS-Punkten traktiert wird, z.B. Stipendienberechtigung oder (bei uns) Familienbeihilfeberechtigungen etc. Das ist ganz übel und so gibt es einige üble Auswüchse von Bologna, die zurecht kritisiert werden.
Das heißt auch, dass die Universität keine völlige Massenveranstaltung werden kann. Sie muss eine intellektuelle elitäre Institution blei-
Aber ein Grundgedanke von Bologna, die Beschäf-
ben. Wenn sie das nicht ist, ist sie nicht mehr Universi-
tigungsfähigkeit und das Ziel, den Hochschulraum,
tät. Warum nicht? Wissenschaft heißt inzwischen ganz
den Bologna-Raum, der über Europa schon hinaus-
deutlich und unverkennbar, neue Erkenntnisse, und
reicht, einheitlich zu machen, damit die Mobilität
zwar in der weltweiten Konkurrenz, zu gewinnen. Ob
erleichtert wird, und anderes, das alles ist gut. Vor
das nun verwertbare oder nicht sind, das ist zweitran-
allem rechnet Bologna erstmals einfach mit einer
gig – es ist erfreulich, wenn sie dann auch Geld bringen,
anderer Form von Universität, mit einer Universi-
es ist aber zweitrangig; das Ziel ist neue Erkenntnis,
tät, die sich inzwischen unglaublich ausdifferen-
in der Konkurrenz weltweit sich darum Bemühender.
ziert hat, die inzwischen für höhere Bildung in vie-
Und diese Leistung, die kann, will, soll und muss auch
len Ländern nahezu unverzichtbar geworden ist;
gar nicht jeder erbringen, das ist eine Leistung, für die
auch hier haben ja Österreich, Deutschland, die
es eine sehr gute intellektuelle und auch willentliche
Schweiz und wohl auch Südtirol (weil es ja doch nä-
Ausstattung braucht, die nicht jeder hat, und das werfe
her bei unserem Kulturraum ist) eine Sonderstellung.
ich der linken Bildungspolitik sehr vor, dass sie das nicht zu akzeptieren bereit ist. Wobei ich damit kei-
120
2
ne Wertung und auch keine soziale Stufung verbinde;
ich sehe natürlich noch einige Entwicklungsmög-
aber eine intellektuelle Elite ist für mich für Wissen-
lichkeiten, zum Beispiel im Bereich der hochwerti-
schaft und für Universität unabdingbar. Und wenn ich,
gen Berufsausbildung – soviel ich weiß, gibt es hier
und ich habe da inzwischen ja leidvolle Erfahrungen,
noch keine Fachhochschulen (wie in Italien generell
eben sehe, wie sehr das linker Bildungspolitik viel-
nicht), da könnte man also noch etwas überlegen.
fach völlig egal ist, wie sehr es ihnen nur wichtig ist,
Etwas Zweites, was ich glaube, dass es für Süd-
möglichst viele Studierende in die Universitäten zu
tirol
stopfen, aber was dort passiert und welche Qualität
tig wäre, und da und dort wird’s auch versucht:
dort geboten wird, ist ihnen nicht wichtig, wie sehr sie daran interessiert sind, möglichst viele Anforderungen zu senken, um damit hier eben möglichst völlige Gleichheit – und das ist Nivellierung nach unten –, zu erzielen, dann erlaube ich mich hier einfach, manches an der linken Bildungspolitik zu kritisieren, so sehr ich (selber ein Arbeiterkind) weiß, wie wichtig es ist, dass Universität und hohe Bildung allen sozialen Schichten offenstehen muss, und dass alle die gleichen Chancen dafür haben müssen. Aber dann
wie
übrigens
auch
für
Nordtirol
wich-
Man muss die Synergien, die da sind, heben, man muss sie schöpfen, also: Kleingeisterei hat keinen Platz – wir stehen in einer weltweiten Konkurrenz, und dieser Konkurrenz können wir nur standhalten, wenn alle Kräfte an einem Strick ziehen.
haben sie die Verantwortung, die Leistung zu brin-
Ich weiß, dass das nicht leicht ist (ich sehe es auch
gen und an der Erzeugung von Wissen teilzunehmen.
in Innsbruck), aber man muss sich bemühen, die Kräfte zu bündeln und gemeinsam dann ein star-
Darf ich am Schluss noch zwei drei Bemerkungen
ker Standort zu sein. Das ist auch ein Appell und
zu Südtirol selber machen: Südtirol finde ich ist auf
ein Wunsch, dass das in Südtirol gelingen möge.
einem guten Weg im tertiären und im Forschungssektor – Südtirol hat hier einen Rückstand aufzuholen.
Zum Schluss gratuliere ich der jubilierenden SH ganz
Südtirol hat inzwischen einige glänzende Institu-
herzlich zum 60. Geburtstag und wünsche ihr wei-
tionen, die diesen Aufholprozess mittragen, und
terhin viel Kraft, viel Mut und kluge Ideen. Danke.
2 Foto Flora Brugger
121
FundstĂźcke aus 61 Jahren SH Inserat in der FF, 7.-
13. Juli 1990.
Skolast 1971/4, S. 2.
mit Foto von ige zum 30er Ad to Al r de 85. Bericht in , 15. Juni 19 htsfeier 1961 ac hn ei -W der SH
Studienfahrt der SH-Rom Ăźbe
r Tivoli nach Subiaco, 21. Mai
122
1959.
Aus dem SH-Archiv im
Landesarchiv.
Inserat in der FF, 7.-13. Juli
1990.
ucker SH-Bude, 1997.
der Innsbr t den Spargelrisotto auf Silvius Magnago genieĂ&#x;
123
SH-Eule blinzelt aus dem Haus der Kultur.2
Umzüge
Als 1967 das Haus der Kultur „Walther von
gerade einmal 188.000 Lire überweisen
der Vogelweide“ errichtet wurde, übersie-
(was heute in etwa 450 € entsprechen würde).1
delte die SH von der Dr.-Streiter-Gasse 20/II dorthin. Im 4. und letzten Stock belegte man
Der spätere Umzug in die Kapuzinergasse
– direkt gegenüber vom Südtiroler Schüt-
hat offenbar einige Zustellfirmen ver-
zenbund – bis 2007 ein Zweiraumbüro mit
wirrt; Kollege Stephan Illmer staunte nicht
47 Quadratmetern. Dafür war die Miete
schlecht, als er folgende Postsendungen
günstig: 1980 musste die SH monatlich
erhielt:
Adressetikett einer Postsendung.
Hier eine weitere Kostprobe kreativer Adaptionen unseres Vereinsnamens:
Adressetikett einer weiteren Postsendung. 1 Verzeichnis der Mieter im Waltherhaus 1980 ca., SH-Archiv im Südtiroler Landesarchiv (SLA). 2 Cover Skolast 1973/1.
124
Mitgliedschaft Früher war die Mitgliedschaft noch eine
Es folgt eine Reihe von Vorschlägen, was
wesentlich ernstere Angelegenheit als heu-
die sh tun könnte wie z.B.:
te, man trat nicht so einfach in die SH ein und auch ein Austritt wurde mitunter wort-
(…) alle zusammen einmal in einem Kon-
gewaltig begründet. So traf im Sommer
zert (muß ja nicht unbedingt klassische
1979 folgender Brief in der Zentrale ein:
Musik sein, da diese ja nur wenigen gefällt), man könnte sich mit dortigen Sport-
Sehr geehrte Sekretariatsleitung der Süd-
vereinen in Kontakt setzen und dann z.B.
tiroler Hochschülerschaft! Gestern habe
ein Fußballspiel oder Flugballspiel gegen-
ich Ihr Rundschreiben erhalten, in wel-
einander austragen; auch ein gemeinsa-
chem Sie ehemalige Mitglieder darum
mer Pizzaabend (die SH müßte den oder die
bitten, ihren noch ausständigen Mitglieds-
Tische reservieren und vielleicht wäre es
beitrag zu bezahlen. Es tut mir wirklich
nicht schlecht, wenn sie z.B. pro Kopf 1 Bier
Leid, daß Sie ab nun ein Mitglied weniger
bezahlt)3.
haben, aber ich fühle mich mit der SH nicht mehr verbunden. In Bologna, wo ich studiert habe, wurde im letzten Jahr wenig oder gar nichts getan. (…) Ebenfalls gut begründet wurde folgende Austrittserklärung:
Austrittserklärung 1971.4
3 Zuschrift eines ex-Bologna-Mitglieds 31. Juli 1979, SH-Archiv im SLA. 4 SH-Archiv im SLA.
125
Von Präsidenten, VorsitzendeN und Kollektiven
Amtsübergabe 1963 von Hansjörg Kucera (l.) an Josef Ties.5
Amtsübergabe 2008 von Andreas Gschleier (r.) an Markus Gröber.6
In den 60 bzw. mittlerweile 61 Jahren,
NachfolgerIn erfolglos geblieben. In der
die die SH auf dem Buckel hat, standen
SH galt und gilt nämlich der Grundsatz,
ihr fast ebenso viele Vorsitzende vor:
dass einE VorsitzendE erst dann abtre-
Speziell in der ersten Lebenshälfte bis
ten darf, wenn jemand für die Nachfolge
1985 gab es praktisch jedes Jahr einen
gefunden worden ist. Oft genug geschah
Wechsel an der Vereinsspitze, lediglich
dies erst im letzten Moment, direkt bei
Franz von Walther wurde dreimal (1955–
der konstituierenden Ausschusssitzung
1957) hintereinander zum Vorsitzenden
und unter Aufbietung aller erdenkli-
gewählt.
chen
7
Ab 1985 wurden dann Vor-
Überredungskünste.
Sogar
per
standskollektive eingeführt, bei denen
Telefonrundruf war man einmal erfolg-
es oft nur pro forma eine Vereinsspitze
reich…Bis heute standen so insgesamt
(„gesetzliche Vertretung“) gab. Dafür
48 verschiedene Personen dem Verein
konnten nun öfters Leute für eine längere
vor, darunter nur sieben Frauen – viel-
Amtsdauer begeistert werden – vielleicht
leicht waren diese oft weniger eitel bzw.
war aber auch nur die Suche nach eineR
„postengeil“, oder einfach nur vorsichtiger.
7
Dolomitenbericht über die Wahl Alois Durnwalders zum SH-Präsidenten, 23. Dezember 1964.
5 6 7
126
Archiv Hansjörg Kucera. SH-Archiv, Büro Bozen. Ebenfalls dreimal hintereinander an die Spitze des Vereins gewählt wurden Markus Mascelli (1992–1994), Raphael Daum (2000–2002) und Markus Gröber (2008–2010).
Immerhin
haftet
die
Vereinsspitze
scheidende Vorteile mit sich bringen
auch finanziell für alles, was im Verein
würde. Dafür waren einige der 48 Vor-
geschieht: trotz ungezählter Statuten-
sitzenden – wenn man das Statut genau
änderungen brachte man es nie zustande,
nimmt – eigentlich gar nicht korrekt ge-
aus dem ehrenamtlichen Verein (offiziell:
wählt worden. Da aber nie jemand einen
Verein zur Förderung des Gemeinwohls)
Einwand erhob, ist heute alles verjährt.
eine juristische Person zu machen, was
Nur einmal gab es einen Einspruch, 1992,
zumindest in der Haftungsfrage ent-
in dem Jahr des großen „SH-Skandals“:
WAS: Was ist los mit der SH?
Wochenzeitschrift „WAS“, 1. Juni 1992.
In ihrer gesellschaftspolitischen Funktion
Das
widmete sich die SH in den 1980ern ver-
(Norbert Lochmann, David Augscheller,
stärkt dem Thema „Frauen“. Spätestens
Michael Tscholl und Karl Kröss) wollte
ab 1989, als Melitta Pitschl und Claudia
seine
Gasslitter für die Vorstandsarbeit ver-
ließ
antwortlich zeichneten, wurde dies zum
terinnen
alles beherrschenden Thema im Verein
ßen vor. Diese beschwerten sich über
– mit Tagungen, Lesungen, eigenen Sko-
ihre neue Rolle: sie wollten ihre bis-
lastausgaben und einem Frauennetzwerk.
herige Arbeit fortsetzen und weniger
Es liegt in der Natur der Sache, dass nie
als Sekretariat des Vorstandes agieren.
neu
gewählte
eigenen die
Vorstandskollektiv
Akzente
nunmehrigen bei
politischen
setzen
und
BüromitarbeiTreffen
au-
alle Themen gleichzeitig und gleichermaßen vorangebracht werden können
Offensichtlich wurden die Differenzen nie
und so war es auch hier unvermeidlich,
nachhaltig bereinigt, bei der Ausschuss-
dass anderes außen vor blieb. Dies führ-
sitzung vom 29. Feber 1992 trat deshalb
te zu Kritik und als die beiden Frauen im
der erst vor kurzem gewählte Vorstand
Herbst 1991 ihre ehrenamtliche Tätig-
zurück. Ad hoc wählte man einen neuen
keit im Vorstand beendeten und in eine
Vorstand unter dem „Trientner“ Wilfried
bezahlte part-time-Stelle im SH-Büro
Gufler mit Bernhard Hilber und Robert
wechselten, brach der Konflikt offen aus.
Huber. Diese wollten den Kurs ihrer
127
Vorgänger fortsetzen. Da die SH die Förder-
„Der ,rechte Putsch‘ hatte stattgefunden,
gelder von Provinz & Co immer erst im
ohne daß man es gemerkt hatte“,8 wie
Nachhinein erhält, öffnet sich in jedem
prompt das Deutsche Blatt des Alto Adige
Jahr ein Finanzloch. Dieses wird dann
schrieb.
im Laufe des Jahres mit dem Eintreffen der Fördergelder mehr oder weniger
Der Ausschussvorsitzende* Klaus Pancheri
gestopft. Da die SH zudem bei mehreren
hatte jedoch noch ein Ass im Ärmel und
Ämtern um Beiträge angesucht hatte, war
reichte wenige Tage nach der Sitzung,
die Finanzlage öfters unübersichtlich.
am 18. April 1992, einen Rekurs beim
Auf jeden Fall errechnete nun der neue
Aufsichtsrat ein. Dieser stellte Unregel-
Vorstand für das laufende Haushalts-
mäßigkeiten bei der mittlerweile sieben
jahr 1992 einen drohenden Fehlbetrag
Wochen
von fast 97 Millionen Lire und empfahl
wahl fest: Das Statut sah nämlich u.A.
dem
folgenden
vor, dass eine Vorstandwahl nicht ad hoc,
Sitzung zu Ostern eine drastische Aus-
sondern mindestens 20 Tage vor der
gabenreduzierung. Diese sollte über
Sitzung angekündigt und über die Tages-
die Kündigung der vier aktuellen Mit-
ordnung verschickt werden muss. Deshalb
arbeiterinnen
reine
wurde die Vorstandswahl vom Aufsichtsrat
Büroarbeit (ohne Projekte) sollte mit
als ungültig erklärt. Gleiches wurde für alle
einer Vollzeit- und einer Halbzeitstelle
Beschlüsse der vergangenen Ausschuss-
wesentlich
organi-
sitzung festgestellt, da einige Delegierte
siert werden. Den Ausschussmitgliedern
mitgestimmt hatten, obwohl sie gar
wurde die Pistole an die Brust gesetzt:
nicht stimmberechtigt gewesen waren.9
Als Alternative drohte der Vorstand mit
Somit war der vermeintliche Putsch
seinem Rücktritt und stellte gleichzei-
vorerst abgewendet, der Verein aber kurz-
tig jedem einzelnem Mitglied (wegen
fristig kopf- bzw. führungslos geworden.
Ausschuss
bei
der
geschehen.
Die
kostensparender
zurückliegenden
Vorstands-
persönlicher und solidarischer Haftung) eine Haftungssumme von 9,2 Millionen
Wie es der Zufall so will, brachte die
Lire für die aktuellen und anfallenden
Athesia genau im Frühjahr 1992 mit der
Schulden in Aussicht. Der Ausschuss
Wochenzeitschrift „WAS“ ein neues Me-
entschied sich nach längerer Diskussion
dium auf den Markt. Der WAS genügten
mit einer Stimme Mehrheit dafür, so wie
ein paar durchgesickerte Infos, um in
vorgeschlagen das Personal abzubauen…
seiner zweiten Ausgabe eine reißerische Story in bester Bild-Manier zu bringen.
8 Alto Adige, 7. Mai 1992. 9 Protokoll des Aufsichtsrates vom 2. Mai 1992, SH-Archiv, Büro Bozen. * damals wählte der Ausschuss jährlich ein Mitglied, das für Organisation und Ablauf der Ausschusssitzungen zuständig war.
128
Wochenzeitschrift „WAS“, 11. Mai 1992.
Unbeeindruckt von der promt folgenden Gegendarstellung der SH, setzte die WAS eine Woche später noch einen drauf und titelte:
„WAS“, 18. Mai 1992.
In diesem Artikel wird der Kurzzeit-Vorsit-
offensichtlich nur auf einen Knüller aus
zende Gufler öfters zitiert. Später räumte
war und wörtlich gemeint hatte, er [Gufler,
dieser ein, dass er dem Journalisten interne
Anm. d. R.] solle ihm nicht zu viel erzählen,
Unterlagen zugespielt hatte, obwohl dieser
dann könne er schreiben was er wolle.10
10 Protokoll der Ausschusssitzung vom 30. Mai 1992, SH-Archiv, Büro Bozen.
129
Wesentlich sachlicher stellte die FF den Sachverhalt dar:
FF 20/92.
Was vom Putsch und dem Skandal blieb:
an. Die WAS/Athesia musste nach einem gerichtlichen Vergleich Schadensersatz
130
„Die Frauen“ machten ihre Ankündigung
zahlen. Bei der neuerlichen Vorstandswahl
wahr und klagten gegen die WAS. Dieser
gewann ein Kollektiv mit Markus Mascelli,
Klage schloss sich die sh.asus per
Werner Hölzl und Thomas Aichner gegen
Beschluss der folgenden Ausschusssitzung
die erneut angetretene Gruppe um Gufler.
Wenn die Kritisierer kritisiert werden Der Skolast wurde in den Südtiroler Zeitun-
In der letzten Ausgabe beansprucht ein ganz
gen fast immer rezensiert. Besonders die
unfreiwillig geborener Schreiber eine ganze
Dolomiten traten hierbei oftmals als Kritiker
Seite, um bei seinen Lesern Mitleid darüber
in Erscheinung – speziell in den Jahren
auszulösen, daß er geboren wurde – eine Tat-
als im Skolasten die Aufbruchsstimmung
sache, die bei näherer Betrachtung seiner au-
der Jugend stattfand, die Dolomiten aber
genblicklichen Gesinnung eventuell wirklich
noch von erzkonservativen Redakteuren
zu bedauern ist.
dominiert wurde. So wurde im Skolast
(…)
1971/4 unter dem Beitrag „Wir heiraten“
Wahrscheinlich hat der arme Junge kein
ein kritischer Text über die Zwänge
Glück gehabt bei der Suche nach einer Arbeit,
der traditionellen Lebensgestaltung ab-
die ihm gefällt. Im Notfall bliebe aber immer
gedruckt, in dem der Autor unter anderem
noch eine Stelle beim „Skolasten“, denn
die Anklage eines „unfreiwillig geborenen
erstens gibt es eh nur mehr wenige, die die
20-jährigen“ an dessen Eltern beschreibt.
Ausbrüche ihres Geistes in diesem Blatt publizieren, und zweitens braucht man keinen
Unter dem Aufmacher „Notabene zum Sko-
Test zu bestehen, um was in dem „Skolasten“
lasten“ folgte prompt die vernichtende Kri-
zu schreiben.11
tik: Auch die Vertreter/innen des Vereins mussEs werden heute wohl nicht mehr viele sein,
ten einiges über sich ergehen lassen:Bereits
die sich der Belustigung hingeben, im „Sko-
das Gründungs- und Vorstandsmitglied
lasten“, der Zeitschrift e i n i g e r Südtiroler
Rainer Seberich musste sich harsche Kritik
Hochschüler (nicht, wie auf der Titelseite ver-
gefallen lassen, als er später in einer Funk-
merkt: Zeitschrift d e r Südtiroler Hochschü-
tion als Referent für die deutschsprachigen
ler), zu blättern.
Mittel- und Oberschulen am Schulamt auf
(…)
Veranstaltungen der SH auftrat:
Brief an Rainer Seberich 1967, SH-Archiv im SLA. 11 Dolomiten, 28. Dezember 1971.
131
Brief an Florian Kronbichler 1975, SH-Archiv im SLA.
Der streitbare Florian Kronbichler konter-
bescheinigte dem „Flor“, dass niemand
te – einige Jahre später – all seinen Kriti-
so schöne Bettelbriefe schreiben würde,
kern stets geschickt im Skolast, hatte er
wie er. Er wiederum konstatierte dem
– nach eigener Aussage – doch eines bei
Verein zum 50-jährigen im Jahr 2005, dass
der SH gelernt: das Schreiben. Die lang-
er „ordnungsgemäß nicht totzukriegen“ sei.
jährige Sekretärin Rita Mair (1968–1979)
132
Tageszeitung, 10. Juli 2005.
133
Dass früher alles besser war, wusste auch das sh-Urgestein Rita, denn nach ihrem Abgang hat sie auch „nichts Relevantes mehr von der sh gehört“
Tageszeitung, 17. Juli 2005.
134
In späteren Zeiten wurde es dann mo-
intern meist sehr wohl bekannt wa-
dern, seine Kritik unter dem Deck-
ren. Eine günstige Gelegenheit bo-
mantel der Anonymität zu verbreiten,
ten hierfür die Vereinsjubiläen. 1985
wenngleich die Urbheber und -innen
schrieb „dein Zaunpfahl“ zum 30er:
Anonyme Kritik zum Dreißiger, 1985, SH-Archiv im SLA.
135
Als die SH dann 2015 doppelt so alt wurde,
fanden im Gegenzug die Pressemittei-
berichtete erstmals das Online-Nach-
lungen des Vereins meist den direk-
richtenmagazin salto.bz auf seiner Titel-
ten Weg zum digitalen Papierkorb der
seite über die sh.asus. Da sich die SH.asus
Redaktion. Dementsprechend war die
nach Gründung des Portals nicht über-
Überraschung groß, plötzlich einen Auf-
zeugen ließ, sich am Blog zu beteiligen,
macher über die sh.asus zu entdecken.
Aufmacher von salto.bz am 10. August 2015.
Unter dem Pseudonym „le8mani“wurde
diritto allo studio, nel mettersi in rete con
von einem eigens gegründeten Kollektiv
altre rappresentanze studentesche in Ita-
2x3=∞ Le8mani nascono nel 2015 in una città
lie e Austria, nel mettersi in disucssione, nel ricambio generazionale, nelle diversità di vedute, persino nella parità di genere.13
europea – quindi no, non in Sudtirolo. Siamo un collettivo di tre persone, e
In professioneller Manier hatte die Gruppe
siccome l’unione fa la forza, quando scri-
ein tolles Logo und zudem einen Twitter-,
viamo è come se si aggiungessero altre
einen Facebookaccount und einen eigenen
due mani (due per tutte, tutte per due).
Blog angelegt. Doch trotz freundlicher
A volte è una quarta persona a unirsi al
salto-Unterstützung
collettivo: le8mani sono aperte, al fem-
blieb der erhoffte Sturm der Entrüstung
minile, hanno il simbolo dell’infinito ∞.12
und
Sommerloch
aus, nicht einmal der Salurner Lieblingsfeind der sh.asus reagierte. Seitdem ist
Kritik an der sh.asus und speziell an
keinerlei Tätigkeit der „8mani“ mehr er-
der geplanten 60-Jahr-Feier geäußert:
sichtlich; vielleicht sorgt ja dieser Beitrag
L’sh.asus non mostra alcun interesse al
für ein Lebenszeichen?
12 https://leottomani.wordpress.com/kollektiv/, aufgerufen am 12. September 2016. 13 https://www.salto.bz/article/09082015/sh-senza-asus, aufgerufen am 23. August 2016.
136
Totgesagte leben länger Wie Florian Kronbichler in seinem Artikel
raumes anzueignen. (…) Es ist nämlich
zum 50er der sh.asus 2005 schrieb, schaffte
keineswegs so, daß jeder Südtiroler, der
die sh.asus es in all den Jahren nie, eine ih-
ein Hochschulstudium in Italien beginnt,
rer Selbstmorddrohungen wahrzumachen.
jenes geistige Niveau und genügend Rei-
Gelegenheiten dazu gab es wahrlich viele:
fe besitzt, um seine eigene, ursprüngliche kulturelle Prägung gegenüber massiver
Eine der ersten „großen Krisen“ in der
fremdkultureller Einwirkung behaupten
SH gab es gegen Ender der 1960er Jahre.
zu können, geschweige denn, gar sein ei-
Mit Ratifizierung des ersten Notenwech-
genes kulturelles Leben von der fremden
sels zur Studientitelanerkennung und
Kultur befruchten zu lassen und die frem-
dem vorläufigen Abschluss des Verein-
de Kultur selber zu befruchten, wie so oft
saufbaus kam es ab dem Präsidenten
ein wenig großtuerisch behauptet wird.14
Otto Saurer zu einem Umbruch im Verein. Im Geiste der 1968er geschah dieser
Daraufhin folgte vereinsintern ein Sturm
Umbruch vielen zu langsam bzw. war
der Entrüstung, speziell unter den ita-
ihnen dieser zu wenig weitreichend.
lienischen Hochschulgruppen war der Unmut Groß. Im Folgeskolast wurden
Der bereits länger schwelende Konflikt
Zuschriften der Hochschulgruppen aus
hatte sich 1970 zugespitzt: Der damali-
Rom, Padua und Verona veröffentlicht,
ge Vorsitzende Paul Zanon hatte unter
die von vielen Studierenden unterzeich-
dem Titel „kartoffel oder spaghetti oder
net waren. Die Forderungen reichten von
candederli“ einen Leitartikel im Skolast
einer öffentlichen Entschuldigung bis hin
veröffentlicht. Darin argumentierte er,
zum Rücktritt Zanons, wobei gleichzeitig
daß einem jungen Südtiroler unbedingt
der eigene Austritt aus der SH angedroht
empfohlen werden muß, sich akademische
wurde. Der Veroneser Student Bernhard
Bildung an einer Hochschule und an ei-
Pircher forderte ironisch, den 1. Artikel
nem Hochschulort des deutschen Sprach-
des SH-Statutes wie folgt abzuändern:15
Skolast 1970/3, S. 37.
14 Paul Zanon, kartoffel oder spaghetti oder canederli, Skolast 1970/1–2, S. 3–6. 15 Skolast 1970/3, S. 37.
137
Vereinsstruktur 1967.16
In
der
folgenden
außerordentlichen
wie die Dolomiten am darauf folgenden
Ausschusssitzung am 4. Juli wurden die
Montag drauf in einem ausführlichen Ar-
Gegensätze der zwei Lager deutlich: Auf
tikel berichteten. Nach langer Debatte
der einen Seite die „Linken“, die eine
wurde
politische Interessensvertretung wollten,
Ausschuss das Vertrauen ausgesprochen,
und auf der anderen Seite die „Rechten“,
woraufhin von den 32 stimmberechtigten
die die SH als Dachverband für gewerk-
Ausschussmitgliedern etwa ein Drittel
schaftliche Interessensvertretung sahen.
austrat und ihnen etwa 70 Mitglieder
Während die österreichischen Hochschul-
der
schließlich
italienischen
Paul
Zanon
Gruppen
vom
folgten.17
gruppen Zanon verteidigten, fuhren vor allem die italienischen teils schwere An-
Der Verein zählte zu diesem Zeitpunkt
griffe gegen ihn. Im Laufe der Diskussion
1.200 Mitglieder, sodass der Austritt
verhärteten sich die Fronten immer mehr,
verschmerzbar war. Dennoch entschied
16 SH-Archiv im SLA. 17 Dolomiten, 6. Juli 1970, S. 3.
138
man sich in der Folge zu einer Statuten-
Stimmungstest dienen, wie der damali-
reform. Da man sich darin einig scheint,
ge Vorsitzende Christian Alton in seinem
dass sich die SH auch politisch engagie-
Leitartikel im Skolast 1971/3 schrieb.21
ren soll, sollte mit einem neuen Statut dafür gesorgt werden, dass eigene
Das Ergebnis des Referendums war, wie
Organe bzw. Gruppierungen geschaffen
Innenreferent Walter Tappeiner im darauf
werden, um dem Rechnung zu tragen.18
folgenden Skolast darlegte, ziemlich eindeutig. Auch wenn durch den ungünstigen Zeitpunkt die Beteiligung eher gering war, sprach sich mit 87,8% (245 von 279) die überwältigende Mehrheit gegen eine Auflösung aus. Tappeiner meinte hierzu: Das Ergebnis stellt jedenfalls den Auftrag dar weiterzuarbeiten. Vielleicht sollte daher das Schwergewicht mehr auf die Tätigkeit der Standesvertretung als auf eine politische Bestätigung gelegt werden. Es dürfte allerdings schwerfal-
Referendum über die SH-Auflösung 1971.19
len, da eine scharfe Grenze zu ziehen.22
Als wesentliche Änderung in der Organi-
Unter dem Titel Eine bürgerliche Grabrede
sationsform sollten die Stimmrechte im
zum Tode eines bürgerlichen Vereins schrieb
Ausschuss neu verteilt werden. Bislang ge-
ein
schah dies anhand der Mitgliederzahl, die
unter dem Pseudonym Florian Fiedler
proportional in Ausschussdelegierte um-
über das Auflösungsreferendum der SH:
ehemaliges
SH-Auschuss-Mitglied
gewandelt wurde. Um kleine, dafür aber engagierte Hochschulgruppen zu stärken,
Sie stirbt schon seit langem. Gelebt hat
wollte man die Anzahl der Delegierten
sie selten. (…) Nichts hat sie hinterlassen,
anhand der Wahlbeteiligung bei entspre-
was zu würdigen wäre. (…) Unterstütz von
chenden Wahlen an den jeweiligen Hoch-
schwarzen und rosaroten Ministern am
schulorten ermitteln.20 In der Karwoche
Minoritenplatz in Wien, erpreßt und ge-
1971 wurden bei einer Klausurtagung in
fördert von faschistoiden Assessoren im
Sarns zwei Reformvorschläge ausgearbei-
Landhaus in Bozen, (…) Vor einem Jahr
tet,bei der folgenden Ausschusssitzung
sind die Linken ausgetreten (…) der letzte
erhielt jedoch keiner der beiden Vor-
Akt der pervertierten Demokratie sollte das
schläge eine Mehrheit. Vielmehr kam man
Referendum sein, in dem die verbliebenen
überein, über die Zukunft der SH ein Refe-
Rechten sich selbst und ihre Organisati-
rendum über den Fortbestand des Vereins
on funktionsfähig oder auflösungswür-
abzuhalten – auch wenn dies laut Statut
dig beschließen sollten. Wofür immer sie
des Vereins nicht in die Zuständigkeit des
sich entscheiden mögen, das Referendum
Ausschusses fiel, so sollte es dennoch als
selbst beweist, wie tot die SH schon ist.23
18 Skolast 1970/4, S .27–28. 19 SH-Archiv im SLA 20 Skolaste 1971/1 und 1971/2. 21 Skolast, 1971/3, S. 3. 22 Skolast 1971/4, S. 19. 23 Bürgerliche Grabrede für einen bürgerlichen Verein, SH-Archiv im SLA.
139
Fehlt das Moos, ist die Sorge groß Neben den Selbstmorddrohungen stand
Das Kulturheim zeigte sich in der Folge
der Verein auch finanziell gesehen oft
kulant, erst am 31. Juli 1981 flatterte die
vor dem Abgrund – und manches Mal war
2. Mahnung ins Haus: Wir nehmen Bezug
man sogar schon einen Schritt weiter:
auf unsere Mahnung vom 23.1.1981 sowie auf eine Aussprache mit Landesrat Dr.
Am 23. Jänner 1981 trudelte im SH Büro
Anton Zelger, auf welcher Ihre besondere
ein Brief vom Vermieter (der Kulturheim
Lage erörtert wurde. In der Zwischenzeit
Gen.m.b.H.) ein. Betreff: 1. Mahnung. Mit Er-
wurden die Kulturbeiträge zugewiesen und
staunen mußten wir bei Abschluß der Buch-
angeblich auch die Vorschüsse ausgezahlt.
haltung feststellen, daß Sie für 1980 weder
Die Genossenschaft Kulturheim fordert Sie
Miete noch Mietnebenkosten gezahlt haben.
deshalb auf, umgehend mit der Zahlung der geschuldeten Beträge zu beginnen.
Bereits einige Monate zuvor, im September 1980, hatte der Aufsichtsrat in
Erst nach einem weiteren Mahnschreiben
seinem Bericht über das Geschäftsjahr
Ende des Jahres wurden schließlich die
1979/80 festgestellt, daß der mehrma-
Ausstände beglichen. Die beiden Grun-
lige personelle Wechsel im Sekretariat
dübel in der Praxis der Finanzierung der
zu wiederholten Schwierigkeiten bei der
SH – die nachträgliche und nur zu einem
Übernahme und Fortführung der Bücher
Teil erfolgende Erstattung der Kosten –
geführt (hat), sodaß wir dem Verein drin-
blieb allerdings weiterhin bestehen und
gend empfehlen, eine Person dauerhaft mit
bescherte in den Folgejahren dem Verein
der Führung der Buchhaltung zu betrauen.
noch so manchen finanziellen Engpass.24
Offensichtlich
Fort-
So auch 1982/83. Der Bericht des Auf-
gang der Langzeitsekretärin Rita Mair
sichtsrates vermerkt einen Verlust von
(1968–1979) niemand auf die Idee, dass
5,3 Millionen Lire im Geschäftsjahr. Des-
die Büromiete auch weiterhin zu bezah-
halb
len wäre bzw. hatte man die Geldmittel
men vorgeschlagen, um die Finanzen zu
einfach anderweitig eingeplant gehabt.
sanieren, z.B. weniger Veranstaltungen
kam
nach
dem
werden
verschiedene
Maßnah-
24 Schreiben der Kulturheim Gen.m.b.H. vom 23. Jänner, 31. Juli und 16. Dezember 1981, sowie Bericht des Aufsichtsrates vom 25. September 1980, alle Quellen SH-Archiv im SLA.
140
Angebot für einen PC, 1984.27
finanziell mitzuorganisieren, 1984 nur 2
damals war die Leistung
(statt 4) Skolaste zu produzieren, die Auf-
computer“ noch bescheiden, der Preis
wandsentschädigung für den Vorsitzen-
dafür umso stolzer…
der „Mikro-
den zu reduzieren, größeres Bemühen um Spenden und Werbung im Skolast. Abos
Passend dazu fragte sich der bekannte
von Zeitungen und Zeitschriften zu über-
Bozner Rechtsanwalt und Politiker Rudi
denken. N.B: 1984 erschienen 4 Skolaste.
Benedikter
25
in
einem
Skolast-Beitrag:
Brauchen uns die Computer? Und warn1984 wurde auch überlegt, eine super-
te gleichzeitig vor Big Brother im Betrieb
moderne Computeranlage anzuschaffen,
per automatischer Telefonüberwachung.26
25 Bericht des Aufsichtsrates vom 22. September 1983, SH-Archiv im SLA. 26 Skolast, 1984/3, S. 38–39.
141
Doch auch für trivialere Dinge mussten
Veranstaltungen“28 gab und bis weit in die
die knappen Vereinsfinanzen herhalten.
1960er Jahre hinein vereinsinterne Schi-
Während es 1958 mit Hermann Sölva
rennen und Ähnliches veranstaltet wurde,
noch ein „kooptiertes Vorstandsmitglied“,
brachte das Deutsche Blatt des Alto Adige
zuständig u.A. für „für sportliche Angele-
Ende
1984
folgende
Schlagzeile:
genheiten im Referat für gesellschaftliche
Deutsches Blatt im Alto Adige, 22. Dezember 1984.
In der Weihnachtssitzung, in der es bis
nicht im alten Trott weitergehen lasse, wur-
zum heutigen Tag traditionell immer um
de die Montage eines neuen Türschlosses
das Geld bzw. dessen Aufteilung auf die
angeführt. Kulturell wolle man auch wieder
einzelnen Außenstellen geht, wurde 1984
etwas in Gang bringen und – um Körper und
zwischen den Außenstellen um die insge-
Gruppengeist zu stärken – wolle man für ei-
samt zur Verfügung stehenden 7 Millionen
nen Abend die Woche eine Turnhalle mieten.
Liregefeilscht. DasDeutscheBlattberichtete: Hätte der Florentiner nur nichts von der Je weniger Geld, desto höher die Voraus-
Turnhalle gesagt. „Turnhallen und Gesel-
setzungen, an es heranzukommen. Das ist
liges überhaupt sollen sich die Gruppen
immer so. Der Verbindungsmann der Hoch-
selber zahlen. Das darf nicht Anspruch auf
schulgruppe Florenz gibt sich große Mühe,
Zuschüsse erheben“, stellen die beiden Pa-
seine Kollegen aus
duaner grundsätz-
anderen
Universi-
lich klar. (…) Sie,
tätsstädten zu über-
die Paduaner, sei-
zeugen, daß Florenz
en erstens ihrer
heuer unbedingt ei-
viel mehr und hät-
nen etwas höheren
ten „praktisch jede
Beitrag
brauche,
Woche irgend eine
als es der Größe,
Veranstaltung.“
besser gesagt Klein-
Dagegen ließ sich
heit
Gruppe
wenig sagen. Und
eigentlich entsprä-
im übrigen habe
der
che. Die „Bude“ müsse renoviert werden,
Padua schon in Vergangenheit immer den
allzuviele
Florenz-Touristen
höchsten Kostenvoranschlag aller italie-
aus Südtirol würden sie als billige Absteige
nischen Gruppen vorgelegt, rechtfertigte
benutzen und entsprechend abnutzen. Als
ihr Verbindungsmann Markus Kelderer den
Beweis des guten Willens dafür, daß man es
abermals höchsten fürs kommende Jahr.30
ungebetene
27 SH-Archiv im SLA. 28 Neuer Vorstand 1958, Skolast 1958/1, S.3–4. 29 Deutsches Blatt im Alto Adige, 22. Dezember 1984. 30 Deutsches Blatt im Alto Adige, 22. Dezember 1984.
142