Skolast 60:60 (2016|1)

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EDITORIAL „Dieser Skolast ist der letzte, den das Büro herausbringt!“ Neben Statutenänderungen, Grundsatzdiskussionen, Auflösungsanträgen und Austrittsdrohungen gehört dieser Satz zu den Klassikern der sh.asus-Geschichte, die sich in bestimmten Aspekten und in unbestimmten Abständen zu wiederholen scheint. So ist auch die vorliegende „Jubiläumsnummer“ keineswegs die erste dieser Art – gab es doch bereits zum 10., 30., 50. und zum 55. eine jeweils „runde“ Ausgabe des traditionell unregelmäßig erscheinenden Skolasten. Dennoch fördert die vorliegende Ausgabe „60:60“ nicht nur alte Geschichten zutage, sondern sie gibt auch einige Blicke frei auf das, was kommen mag; wobei: auch alte Geschichten werden immer wieder neu, wenn sie einem neuen Publikum erzählt werden. In diesem Sinne möge auch dieser Skolast genügend Fahrt aufnehmen, um zahlreiche alte und neue Leserinnen und Leser zu erreichen. Und möge sich abermals bewahrheiten, womit der fahrende Skolast bereits in den 1960er Jahren für sich selbst warb – nämlich: „dass jeder Millionste Erdenbürger den Skolast lesen würde“.


ImPREssum skolast nummer/o 1 - 61. Jahrgang 2016 Zeitschrift der Südtiroler HochschülerInnenschaft (sh.asus) rivista dell‘associazione universitaria sudtirolese Kapuzinergasse 2A via dei cappuccini - Bozen Bolzano - 0471 974614 - www.asus.sh - bz@asus.sh Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes / direttore responsabile - Günther Pallaver Redaktion / redazione - Martin Fink, Stephan Illmer, Michaela Rizzolli, Andrej Werth Layout / grafica - Verena Massl Druck / stampa - Athesia Druck Bz

Eintragung beim Landesgericht Bozen / registrato presso il tribunale di Bolzano Erlass vom 18.06.1956 - Auflage / tiratura 1.000

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Inhaltsverzeichnis „Jetzt müssen wir die Messer wetzen!“ S. 8 Leo Hillebrand

`68: Südtirol in Bewegung S. 14

Birgit Eschgfäller

Studientagung 1969 S. 22 Gerhard Mumelter

Gegen den Strom schwimmen S. 26 Reinhold Marsoner

Oskar Peterlini über das Verhältnis JG/SH S. 32 Martin Fink, Stephan Illmer

Manuel Raffin über das Verhältnis JG/SH S. 38 Martin Fink

Günther Pallaver im Gespräch S. 40 Martin Fink, Stephan Illmer

Jes, we can? S. 47 Martin Fink

Kriegsdienstverweigerung: S. 50 Ein unbequemes Grundrecht Thomas Benedikter

Aktion Frosch S. 54 Norbert Dall’O

Wie das –Innen zur S. 60 Hochschülerschaft kam… Martha Verdorfer


Der Umweg ist das Ziel S. 68 Hans Karl Peterlini

Brav, Braver, am … S. 88 Anita Rossi

SH Bologna S. 92 Ricardo Luis Henville

Links, zwei, drei. Rechts, zwei, drei… S. 94 Julian Irschara

Gesellschaftspolitisches Engagement S. 96 Diego Poggio

Übergangsjahre S. 102 Verena Frei

Bildungsförderung ist Investition S. 106 in die Zukunft! Rolanda Tschugguel

SH.asus – 60 Jahre Vordenkerrolle S. 112 Fabian Frener

SH.asus – 60 Jahre Querdenken S. 114 Philipp Achammer

Die Zukunft der universitären Bildung S. 116 im 21. Jahrhundert Karlheinz Töchterle

Fundstücke aus 61 Jahren SH S. 122 Martin Fink


Autor/innen dieser Ausgabe 1 Leo Hillebrand,

Jahrgang 1964, lebt in Prissian und Bozen. Lehrer am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium

in Bozen. Zahlreiche Publikationen zu den Bereichen Medien- und Vereinsgeschichte.

2 Birgit Eschgfäller,

Lehrtätigkeit am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium Meran im Fachbereich

Humanwissenschaften und Philosophie, derzeit Ausbildung zur Gestaltberaterin an der

Gestaltakademie Bozen, Studium in Salzburg von 2005-2010 (Lehramt Psychologie,

Philosophie und Geschichte); Diplomarbeit in Geschichte: Südtirol in Bewegung:

die 68er, Analyse der unterschiedlichen Facetten des kulturellen und gesellschaftlichen

Aufbruchs der 60er und 70er Jahre im internationalen Kontext (2010).

3 Gerhard Mumelter

war 1969-70 Kulturreferent der SH. Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender der

Südtiroler Autorenvereinigung. Gründungsmitglied der Arge/Kunst-Museumgalerie und

anderer Kulturinitiativen. Herausgeber zweier Anthologien Südtiroler Literatur

und des Buches „Feuernacht“ - Südtirols Bombenjahre (mit E. Baumgartner u.

Hans Mayr.) Autor eines Buches über die Hutterer. Stellvertretender Chefredakteur

beim Sender Bozen der RAI. GM arbeitete 15 Jahre als Italienkorrespondent deutsch-

sprachiger Medien in Rom (Standard, Süddeutsche, ORF, Deutsche Welle u.a.)

4 Reinhold Marsoner,

Jahrgang 1952, von 1974 bis 1976 im Vorstand der Innsbrucker SH, studierte BWL, war

15 Jahre lang leitender Redakteur der „Dolomiten“ bzw. „Zett“ und dann 25 Jahre lang

Direktor der Messe Bozen.

8 Martin Fink,

landete über die SH Innsbruck im Bozner Büro. Dank gelegentlicher Abstecher ins

SH-Archiv und (erfolgloser) Aufräumversuche desselben entwickelte er sich zum

profunden Kenner der Vereinsgeschichte.

9 Thomas Benedikter, Mitbegründer und Leiter der „Südtiroler Kriegsdienstverweigerer“, 1983/84 mit Eduard

Demetz erster Zivildiener bei der SH in Bozen.

10 Norbert Dall’Ò,

Jahrgang 1957 aus Lana, war 1981-1982 Verbindungsmann der SH in Wien, wo er

Soziologie studierte. Heute schreibt er als Chefreporter für ff-Das Südtiroler Wochen-

magazin und lebt in St. Lorenzen.


11 Martha Verdorfer,

aktives SH Mitglied während der gesamten Zeit des Studiums in Innsbruck von 1981

bis 1989, in dieser Zeit auch für einige Jahre in der Redaktion des skolast und natürlich

auch Mitglied der SH-Frauengruppe in Innsbruck. Als Nicht-mehr-Studentin punktuelle

Zusammenarbeit mit der SH/ASUS bzw. dem skolast zu meist zeithistorischen Themen.

12 Hans Karl Peterlini,

langjähriger Journalist und Chefredakteur Südtiroler Medien („ff“, „südtirol profil“,

„südtirol 24h“), hat sich in zahlreichen Publikationen intensiv mit der Südtiroler Zeit-

geschichte und u.a. mit der Geschichte der Südtiroler Universitätsdebatte befasst, siehe

die Herausgabe des Bandes „Universitas est“, an den sich auch dieser Beitrag anlehnt.

13 Anita Rossi

war 1995-1996 im sh.asus-Büro hauptamtlich angestellt. Heute ist sie freischaffende

Journalistin, arbeitet vorwiegend im Radio- und Fernsehbereich.

14 Ricardo Luis Henville,

26 anni, laureato in Studi Internazionali ,è stato all‘asus Bologna dal 2010 al 2013.

15 Verena Frei,

arbeitete von 2004 bis 2013 im SH-Büro und kümmerte sich als Geschäftsführerin um

die Finanzen und Außenstellen des Vereins. Heute leitet sie das Büro der Südtiroler

Grünen.

16 Diego Poggio

war 2005 als SH-Umweltaktivist in der Frizzi Au. Der studierte Philosoph war haupt-

amtlicher Mitarbeiter der SH und Gründungsmitglied der Umweltgruppe Bozen. Er ist

Oberschullehrer für Philosophie und Geschichte.

17 Julian Irschara,

geb. 1993, studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität

Wien und bekleidet seit März 2016 das Amt des Vorsitzenden der dortigen SH-Außenstelle.

18 Rolanda Tschugguel

stammt aus Bozen. Sie hat nach der Handelsoberschule Erziehungswissenschaften in

Kombination mit Psychologie und Völkerkunde in Wien studiert. Nach ihrer Rückkehr

nach Bozen begann sie ihre berufliche Karriere als Studienberaterin bei der sh.asus.

Heute leitet sie geschäftsführend die Landesabteilung Bildungsförderung.


„JETzT müssEn wIR DIE mEssER wETzEn!“ Die sh in der heißen Phase der südtirol-Politik In den Jahren vor 1960 wurde das „Los

Gschnitzer im Rahmen der Studientitel-

von Trient“ zur offiziellen Maxime der

verhandlungen die SH-Vertreter Franz von

Südtiroler Volkspartei. Daneben erhielten

Walther und Richard Thurner unvermittelt

politische Zirkel Auftrieb, die mit der Rea-

auf, als Studentenvertreter eine illega-

lisierung einer Landesautonomie nicht zu-

le Organisation im Sinne des Südtiroler

frieden waren, sondern einzig in der Loslö-

Freiheitskampfes zu bilden. Die verdutz-

sung von Italien ein sinnvolles politisches

ten Bozner zogen sich mit Hinweis auf

Ziel erkannten. Ihre Strategien implizierten

die unwägbaren Risiken aus der Affäre.1

auch die Anwendung von Gewalt. Logische Ansprechpartner für diese Kreise, etwa

Am deutlichsten vernehmbar war das

was die Planung und Durchführung von

politische Rumoren in der nach dem

Attentaten anbelangte, waren in erster Li-

Studientitelabkommen rasch wachsen-

nie junge Männer. Innerhalb der Südtiroler

den Südtiroler Hochschulenklave Inns-

Hochschülerschaft setzte man sich nicht

bruck. Bereits im Oktober 1956 stellte

nur aus diesem Grund früh mit der Thema-

Skolast-Schriftleiter

tik auseinander. Zum ersten Mal gewisser-

gegenüber Richard Thurner fest, die SH

maßen offiziell konfrontiert sah sich die

werde sich wohl oder übel auf eine Ra-

SH-Spitze mit Radikalisierungstendenzen

dikalisierung der Südtirol-Politik ein-

im Rahmen der Studientitelverhandlun-

stellen müssen und folgerte: „Die Zu-

gen im April 1956 in Wien. Dort war nach

sammensetzung des neuen Vorstandes

Abschluss des Staatsvertrages auch in Sa-

wird ziemlich wichtig sein. Es wird viel-

chen Südtirol-Politik einiges in Bewegung

leicht nächstes Jahr nicht ganz leicht

geraten. So forderte Staatssekretär Franz

sein, die Leute zusammenzuhalten.“2

1 2

8

Interview Franz von Walther, 3.12.2010, Bozen. Rainer Seberich an Richard Thurner, 23.10.1956, in: Privatarchiv Rainer Seberich, S. 4.

Rainer

Seberich


Nordtirol entwickelte sich in der zwei-

reich sein konnten, bestätigt Franz von

ten Hälfte der 50er-Jahre beim Versuch,

Walther. Im Rahmen eines Vortrages von

SH-Mitglieder in die Front des „Befreiungs-

Franz Gschnitzer hätten Teile der Zuhörer

ausschusses für Südtirol“ (BAS) zu integ-

in Anspielung auf das Verhältnis Südtirols

rieren, eindeutig zum Hauptexerzierfeld.

zu Österreich plötzlich „Zypern, Zypern“

Wilfried Wörndle erinnert sich an die ein-

skandiert – auf der Mittelmeerinsel hatte

schlägige Vortragstätigkeit der BAS-Sym-

Erzbischof Makarios eben den Anschluss

pathisanten. Einmal habe ein Referent im

an Griechenland verlangt.4 Er habe dem

Innsbrucker

ebenfalls

Bauernbund-

wesenden,

saal bei den

des Deutschen

anwesenden

nur

SH-Vorstän-

s c h r ä n k t

den deutliche

mächtigen

Verstimmung

Sohn des Alto

ausgelöst,

Adige-Heraus

als

die

gebers Servilio

Südtiroler

Cavazzani,

Studenten

Albino,

ohne

Um-

„ g e m ä ß i g t e“

schweife auf-

V a r i a n t e

forderte, die

des Gschnitzer-

„Gefährdung

Vortrages

er

an-

einge-

eine

des Deutschtums in Südtirol“ systematisch

vermittelt, um einen Hetzartikel im itali-

mit Zahlenmaterial zu dokumentieren. Im

enischen Blatt zu verhindern.5 Eine Rolle

Rahmen eines weiteren Vortrags im „Mond-

bei der versuchten Indoktrination der SH

schein“ versuchte das rührige BAS-Mitglied

und ihrer Mitglieder spielten auch die Ver-

Otto Molden die anwesenden Südtiroler

anstaltungen des „Europäischen Forums

mit der Frage anzustacheln, ob sie nicht

Alpach“, zu denen im Sommer regelmäßig

der Auffassung seien, die Mehrheitsver-

Südtiroler Studenten eingeladen wurden.

hältnisse in Bezug auf die Sprachgruppen

Paul Stacul war zusammen mit Max Liebl

in Südtirol würden sich binnen 30 Jahren

1955 bei einem Vortrag von Otto Molden

umdrehen. Wörndle trat dieser Auffassung

zugegen, wo dieser ganz offen die These

mit dem Verweis auf die 1945 wieder ein-

aufstellte, erst ab einer Zahl von mindes-

geführte deutsche Schule entgegen, die

tens zehn Toten würde die internationa-

Garant für die Stabilität der Sprachgrup-

le Resonanz entsprechend sein, um die

pe sei. Dass Bestrebungen, die Südtiroler

Südtirol-Frage vor die UNO zu bringen.6

3

Studenten aufzuwiegeln, durchaus erfolg-

3 4 5 6 7

Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. Vgl. Zypern als Vorbild, in: Dolomiten, 8.8.2011, S. 6. Interview Franz von Walther, 3.12.2010, Bozen. Interview Paul Stacul, 15.11.2010, Bozen. Quelle: Günter Regensberger.

9


Kontroverse Positionen Obwohl mit dem liberalen, bis 1957 am-

Der Übergang 1957/1958 bildete in

tierenden Vorstand die Zeichen klar gegen

dieser

eine Radikalisierung standen, regten sich

eine Zäsur: Im Dezember schieden von

im Verein Gegenstimmen. Während der

Walther und Seberich aus dem Vorstand

Vollversammlung im Dezember 1956 gab

aus, mithin jene Exponenten, die sich

es eine kontroverse Debatte zur Linie in

einer Radikalisierung am konsequentesten

der Südtirol-Frage.8 Es gab bereits zu die-

entgegengestellt hatten. Speziell von

sem Zeitpunkt eine erhebliche Zahl an Mit-

Walther,

Hinsicht

der

auch

über

vereinsintern

seine

Verwandt-

gliedern, wel-

schaft,

etwa

che die Linie

dem

SVP-

des

Politiker

Vorstan-

und

des nicht teil-

Anwalt Roland

ten und von

Riz, über In-

der

formationen

Notwen-

digkeit

einer

zu Intentionen

verschärften

und Aktivitä-

Gangart über-

ten

zeugt waren.

ter Kreise aus

Im Südtiroler

erster

„Wendejahr“

verfügte,

1957 waren in

konnte einer

Sigmundskron

„Logik

auch Studen-

G e w a l t “

militanHand

der

ten zugegen. Das spätere Vorstandsmit-

nichts abgewinnen.11 Die beiden agier-

glied Bruno Hosp etwa trug das Spruchband

ten fortan aus der zweiten Reihe und

„Tirol den Tirolern. Weniger Worte – mehr

übten lediglich einen mittelbaren Ein-

Taten“.9 Als einer der Weggefährten des

fluss auf das Vereinsgeschehen aus.

BAS-Aktivisten Luis Amplatz sollte Hosp

Vier Monate später verstarb der „Men-

einer der entschlossensten Befürworter

tor“ des Vereins, Josef Ferrari,12 auch

für eine offensiver auftretende SH werden.

er einer Politik markiger Parolen stets

Er wandte sich offen gegen die Mäßigungs-

abhold. Diese drei Personen hatten bei

appelle von Walthers, ja, brüskierte diesen,

vielen, durchaus auch radikaler einge-

indem er des Öfteren in Schützentracht

stellten Studenten beträchtliches An-

vor versammelter Runde aufkreuzte und

sehen genossen und somit über ein ge-

demonstrativ das Protestlied vom bayeri-

wisses

schen Schützen Jennerwein anstimmte.10

das dem Verein nun abhanden kam.

Integrationspotenzial

verfügt,

8 Vgl. Franz von Walther an Rainer Seberich, 21.1.1957, in: Privatarchiv Rainer Seberich, S. 1. 9 Hans Karl Peterlini, Südtiroler Bombenjahre. Von Blut und Tränen zum Happy End?, Bozen 2005, S. 61. 10 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein. 11 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein; zur Haltung von Walthers vgl. Brigitta Willeit, „Nur Verhandlungen führen zum Erfolg“, in: Dolomiten, 16.6.2011, S. 18. 12 Vgl. In Memoriam, in: Der Fahrende Skolast 1958/2, S. 7; Konrad Neulichedl, Hochwürden Josef Ferrari, ebenda, 1958/4, S. 1 f.; Rainer Seberich, Südtiroler Schulgeschichte. Muttersprachlicher Unterricht unter fremdem Gesetz, Bozen 2000, S. 119 ff.; Hellmuth Ladurner, Vater Courage und sein Kind, in: Der Schlern 2008/4, S. 164–177. 13 Quelle: Hugo Seyr.

10


Radikalisierte Vereinsmitglieder Die Zeichen einer Radikalisierung innerhalb

träge und berichtete „von den Ereignissen

der SH mehrten sich. Als eine Art Seismo-

aus unserer Heimat“.18 Ab dem Sommer-

graph der Lage galt das beliebte Lokal „Kofler

semester

Buschn“ in der Bozner Museumsstraße. Im

das Amt des Verbindungsmannes und ließ

Gegensatz zum Dableiberstammtisch „Roter

es sich angelegen sein, die Mitglieder über

Adler“ unter den Lauben, traditionell Treff-

ein dichtes Veranstaltungsprogramm für

punkt der „Völkischen“, konnte man dort

die Südtirol-Frage zu „sensibilisieren“.19

1959

bekleidete

Kamelger

zunehmend auch SH-Mitglieder antreffen, die hitzig über Maßnahmen zur „Befreiung“

Als weiterer Vertreter eines „nationalen

Südtirols diskutierten.14 Ebenso ein Grad-

Erwachens“ innerhalb der SH galt Hans

messer der Situation war der Umstand, dass

Silbernagl. Der gleichermaßen leutselige

sich nun zunehmend SH-Mitglieder schlagen-

wie offenherzige Student erlebte seine

den Studentenverbindungen anschlossen.

Initiation bei einer ironisch intendier-

Dort kamen die Studenten mitunter mit

ten

eindeutig rechtsextremem Gedankengut in

Siegesdenkmal durch Luis Amplatz, bei der

Kontakt.15 Mitglied einer schlagenden Ver-

er zusammen mit seinem Studienkollegen

bindung war Josef Kamelger. Der in Wien

Ekkehard Straudi Schmiere stand.20 Als die

studierende Pusterer kann als Exempel

Stieler-Gruppe verhaftet wurde, verhörte

für ein sukzessive radikalisiertes Vereins-

die Polizei auch Silbernagl und Straudi.21 Die

mitglied gelten. Zusammen mit seinem

beiden Bozner gewannen zwischenzeitlich

Kommilitonen Franz Agstner hatte er

innerhalb der Hochschulgruppe Innsbruck

zunächst das Brixner Kassianeum be-

als Kultur- bzw. Sportreferent Einfluss. Mehr

sucht und sich 1953 gegen den von

als seine Funktion beunruhigte Silbernag-

Bischof Gargitter forcierten Bürgermeister-

ls Kritiker die joviale Art, mit der er Mitstu-

kandidaten Natale Dander und die „Weiße-

denten von sich einnehmen konnte. Mit

Turm-Liste“ engagiert. Für Aufsehen sorgten

deftigen Sagern wie „Jetzt müssen wir die

die beiden, als sie 1957 im Pustertal eine

Messer wetzen!“22 gewann er zunehmen-

Mauer mit der Parole „Wir Südtiroler fordern

den Einfluss auf wichtige Vereinsmitglieder

unsere Rechte und bleiben nicht länger Itali-

wie Hugo Gamper. Die von-Walther-Fraktion

ens Knechte“ beschmierten.16 Daraufhin von

befürchtete einen Schneeball-Effekt, galt

der Universität Padua verwiesen, entzog sich

der angehende Anwalt seinerseits doch als

Kamelger strafrechtlicher Konsequenzen (Er

einer der überzeugendsten Redner der SH.

war überdies mit dem Vorwurf konfrontiert,

Präsident Günter Regensberger, sich der

dem Maresciallo von Niederdorf anony-

Gefahr des Verbalradikalismus Silbernagls

me Schmähbriefe geschrieben zu haben.17)

für den Verein und den Betroffenen selbst

durch Flucht nach Österreich, wo er unter

bewusst, versuchte ihn durch gezielte In-

anderem sein Studium wieder aufnahm. In

volvierung in die Vereinstätigkeit von allfäl-

der SH Wien organisierte er zunächst Vor-

ligen politischen Initiativen abzulenken.23

„Kranzniederlegung“

am

Bozner

14 Interview Paul Stacul, 15.11.2010, Bozen. 15 Vgl. Manuel Fasser, Ein Tirol – zwei Welten. Das politische Erbe der Feuernacht, Innsbruck 2009, S. 95; Heinz- Rudolf Othmerding, Sozialistische Minderheitenpolitik am Beispiel Südtirol von den Anfängen des Konflikts bis heute, Phil. Diss. Hamburg 1984, S. 882. 16 Interview Mathias Frei, 22.11.2010, Bozen. 17 Interview Paul Stacul, 15.11.2010, Bozen. 18 Raimund Senoner, Wien (Hochschulrundschau), in: Der Fahrende Skolast 1959/1, S. 7. 19 ebd., S. 9. 20 Hans Karl Peterlini, Südtiroler Bombenjahre. Von Blut und Tränen zum Happy End?, Bozen 2005, S. 60 f. 21 Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. 22 Interview Franz von Walther, 3.12.2010, Bozen. 23 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein.

11


„Erzwungene“ Mäßigung? Letztlich blieben die Aktivitäten von SH-Mit-

hätten die Südtiroler auch mit deutlichen

gliedern wie Kamelger oder Silbernagl

Schwierigkeiten bei der Anerkennung ih-

Episoden ohne große Folgewirkungen. Zu

rer österreichischen Studientitel rechnen

viele Gründe sprachen gegen ein südtirol-

müssen.26 Wenn es letztlich gelang, den

politisches Engagement des Vereins.Unab-

Verein aus den Turbulenzen rund um

hängig, ob deren Befürworter an Tauben

die

wie Wörndle oder von Walther herantraten

das allerdings auch mit der Einstellung

oder an Falken wie Günter Regensberger,

der „Aktivisten“ zu tun. Während die

die Reaktion war immer dieselbe: Dem

Stieler-Gruppe durchaus auf die Rekrutie-

einzelnen Mitglied sei es selbst überlas-

rung junger Studenten abzielte, aber rasch

sen, wie es sich zum Südtirol-Problem

zerschlagen wurde, gab es innerhalb des

stelle; der Verein als Ganzes könne sich

Südtiroler Arms des BAS das ungeschriebe-

aber auf keinen Fall exponieren.24 Die

ne Gesetz, keine Bildungsbürger, Studen-

Zurückhaltung der Vorstände hatte gute

ten oder Akademiker als aktive Kräfte in die

Gründe: Es gab deutliche Hinweise, dass

Organisation aufzunehmen. In einer kurio-

italienische Behörden die Aktivitäten der

sen Mischung aus sozialem Ressentiment

SH-Mitglieder systematisch überwachten.

und platten Zuschreibungen vertraten die

Die SH-Führung fürchtete unmittelbare

„Volkstumskämpfer“ die Auffassung, „Stu-

Konsequenzen, falls man ihr hätte ge-

dierte“ brächten weder hinreichend Tapfer-

setzeswidrige

nachweisen

keit noch Charakterstärke für den „Einsatz

können. Konkret hegte sie Bedenken, die

an der Front“ mit. So sind letztlich keine

Behörden könnten den Mitgliedern die

Versuche bekannt, SH-Mitglieder direkt

Pässe abnehmen oder sie nicht mehr nach

für den bewaffneten Kampf anzuwerben.

Handlungen

„Feuernacht“

herauszuhalten,

hat

Italien einreisen lassen.25 Wäre die SH als Organisation in ein schiefes Licht geraten,

24 Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. 25 Interview Wilfried Wörndle, 10.12.2010, Bozen. 26 Interview Günter Regensberger, 6.12.2010, Sarnthein.

12

Leo Hillebrand


13


Die 68er: Südtirol in Bewegung! Und die SH am Ruder? Wenn ich an meine Studienzeit in Salz-

Protestzyklus gesehen werden, sondern

burg denke, so war dort die SH-Bude un-

eher als Startschuss dazu. Man kann in

ser Fixpunkt, ein Anker auf unserer Reise,

Südtirol vielmehr von einem schleichen-

Südtirol im Mikrokosmos mit allem was

den Wandel bis Ende der 1970er, als von

dazugehört (Wattturnieren, Marende mit

einer tosenden Revolution sprechen. Den-

Speck und Schüttelbrot, Heimatdebat-

noch ist es berechtigt, die Zäsur auf das

ten, politischen Diskussionen aber auch

Jahr 1968 zu legen: Es fanden nämlich in

dem ein oder anderen SH-Fest). Dement-

diesem Jahr auch in Südtirol vermehrt klas-

sprechend eine kleine Südtiroler Familie,

sische Aktionsformen der 68er-Bewegung,

die auch „weit weg“ von der Heimat ein

wie Sit-ins, Go-ins oder Provokationen,

gewisses Sicherheitsgefühl vermittelte.

statt. In Bozen wurden als Protest gegen das hierarchische Schulsystem mehre-

Entsprach dieses Idyll in der Ferne, das

re Schulen besetzt und auch auf Meran

auch heute noch viele Südtiroler Studie-

griffen die Proteste über. Es gab verschie-

rende sehr schätzen, auch dem Selbstver-

dene Störaktionen, wie die Explosion

ständnis der SH von 1968? Oder war sie der

eines Molotowcocktails in einem Beicht-

Nährboden für die Veränderung, der Rück-

stuhl im Bozner Dom oder die Vertrei-

halt für die „Revolte“ – möglicherweise

bung des Unterrichtsministers Luigi Gui

hielt sie gar die Revolte zurück? Und: Wie

bei einer Rede.1 In Villnöß wurde eine

sah die Revolte in Südtirol überhaupt aus?

Theatervorstellung in Form eines Go-ins gestört und in eine Diskussion überführt.2

„1968“ in Südtirol kann nicht auf das Ka-

Die SH definierte in diesem Jahr ihre Aus-

lenderjahr reduziert und genauso wenig

richtung neu, indem sie eine kritischere

als Höhepunkt eines sich steigernden

Haltung in Bezug auf gesellschaftliche

1 2

14

Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, die 68er. Analyse der unterschiedlichen Facetten des kulturellen und gesellschaftlichen Aufbruchs der 60er und 70er im Vergleich zum internationalen Kontext, unveröffentlichte phil. Diplomarbeit, Universität Salzburg 2010, S. 209–223, sowie Alto Adige, 22.4.1968, S. 1. Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 189–192.


und politische Diskurse einnahm und die

Ein weiteres Spezifikum der Bewegung in

Athesia boykottierte. Zudem veranstal-

Südtirol war, dass sie sich themen- und

teten die „brücke“ -Herausgeber bei der

nicht akteursspezifisch formierte. Ohne

Studientagung in Innsbruck ein Teach-in

konkreten Anlass kam es in Südtirol nur

zur Pressesituation in Südtirol. Auch die

selten zu Aktionismus, die zentralen

Demonstration gegen die Siegesfeiern

Themen

vom 4. November in Bozen sorgte für

wurden hingegen auch in Südtirol über-

großes Aufsehen. Die „brücke“ titelte:

nommen. Auch bei uns protestierte man

3

4

„Einmal im Jahr ist Maskerade für alle: Für Leute in zivil ist dafür der Fasching da – für den Staat der 4. November“

vom

internationalen

„1968“

gegen den Vietnamkrieg7 und viele trugen die Mao-Bibel in der Hosentasche.8 Ein inhaltlich für die Südtiroler Bewegung sehr spezifisches Thema war die Neuperspektivierung

der

Sprachgruppenprob-

und rief zu Gegenveranstaltungen mit

lematik mit SH-Kontroversen: So warnte

Antikriegsliedern

endeten

etwa Paul Zanon9 in Bezug auf die italie-

mit gewalttätigen Übergriffen und der

nischen Hochschüler in Südtirol vor einem

Verhaftung

Experimentierfeld des kulturellen Aus-

auf.

einiger

Diese

Demonstranten.

5

tausches, eine Haltung, die viel Kritik erDas heißt, auch in Südtirol gab es im Jahr

zeugte und die SH in eine Krise stürzte.10

1968 mehr Protest von Seiten der Gesellschaft, als es im Jahr davor oder da-

Der Bezug zu „1968“ wird in diesem Bereich

nach der Fall war. An den internationalen

in Form des verwendeten Vokabulars deut-

Kontext lehnten sich dabei besonders die

lich: So wurden beispielsweise intereth-

übernommenen Aktionsformen an, die

nische Bewegungen als „Klassenkämpfe“

sich hierzulande verstärkt auf den sprach-

definiert und auch hierzulande sprach man

lichen Bereich konzentrierten und auf ge-

von „Machtapparat“ und „Establishment“.11

sellschaftliche Verständigung abzielten. Zahlreiche Diskussionen auf verschiede-

Ähnliche Überschneidungen aber auch

nen Tagungen der SH, in denen immer

Verschiebungen lassen sich in anderen

wieder Konsens anstatt des offenen Zer-

Themenfeldern beobachten: Während in

würfnisses mit der politischen Führung

Deutschland die „Axel-Springer-Presse“

angestrebt wurde, geben Zeugnis davon.

zum erklärten Erzfeind wurde, waren in

6

3 In dieser kritischen und sprachgruppenübergreifenden Zeitschrift druckten die Autoren Alexander Langer, Siegfried Stuffer und Josef Schmid ihre geplanten Aktionen ab, übten Kritik an der Situation in Südtirol und wollten vor allem die internationalen Proteste auch auf die Situation in Südtirol übertragen. 4 Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 147–154, sowie die brücke, Bozen Juni/Juli 1968, Nr.8/9, S. 2. 5 Vgl. ebd. S. 128–144, sowie: Gegen Krieg und Siegesfeiern, Alto Adige, 2.11.1968, S. 10. 6 Studientagung 1968, 1.Teil, Zum Selbstverständnis der Südtiroler. Problematik einer Standortbestimmung in nationaler, kultureller, politischer und historischer Hinsicht, Grillhof (Vill bei Innsbruck), 16.–20.4.1968. 7 Vgl. Südtiroler Landesarchiv Bozen, Sammlung Toni Serafini. 8 Interview mit Franz Pichler am 16.2.2010 (Tonbandaufzeichnung). 9 Paul Zanon war 1970 Vorsitzender der SH. 10 Vgl. o.A.: Nochmals: Kartoffel oder Spaghetti oder Canederli, in: Skolast, 1970/3, S. 37f. 11 Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 100–110, sowie S. 128–144.

15


Südtirol die „Ebner-Presse“ und vor allem die „Dolomiten“ Zielscheiben der Kritik. Deutlich wird dies etwa in einer „Skolast“-Ausgabe von 1968: „(…) Nur gut, dass Südtirols Studenten weit weg sind! So kann in Südtirol geschehen, was Klein

Der Bezug zum Springer-Verlag, wel-

Axel beliebt.“ Diese polemische Haltung

cher besonders in der BRD Katalysator

wird schließlich noch durch eine Karika-

für den Studentenprotest war, macht

tur des „neuen Betätigungsfeldes eines

deutlich, dass der internationale Kontext

Sprengstoffattentäters“ unterstrichen.12

nicht von Südtirol weggedacht werden kann. Obwohl der Athesia-Verlag eine noch größere Monopolstellung innehatte als der Springerkonzern, löste diese Tatsache in der Provinz jedoch keine vergleichbare

Massenmobilisierung

aus.

Protestierte man in anderen Ländern gegen den Kapitalismus oder den Kommunismus, war es in Südtirol das Einparteiensystem der SVP, das man kritisierte. Demonstriert wurde gegen den Nationalismus auf Seiten der Italiener und der Südtiroler. Zum ersten Mal formierten sich in Südtirol politische Alternativen und interethnische Gruppierungen,

die

der

Lagerbildung

trotzten. Angestrebt wurde damit auch bei uns eine gesellschaftliche Öffnung.14 Die 68er in Südtirol haben folglich einiges der internationalen Bewegung reflektiert, anderes ausgeblendet, aber auch Neues generiert. Die SH war dabei u.a. wesentlich, weil sie das einzige verbindende Element zwischen den im Ausland studierenden Südtirolern darstellte und dadurch Impulse gab. Dementsprechend Karikatur im Skolast 1968/3: Neues Betätigungs-

wichtig war ihre Rolle auch für das Aufbe-

feld eines Sprengstoffattentäters.

gehren der Studierenden in der Provinz.

13

12 Karikatur und Zitat: an (Pseudonym): Es gibt in Südtirol, in: Skolast, 1968/3, S. 20. 13 Skolast, 1968/3, S. 20. 14 Vgl. Perkmann: Haare abschneiden im Walther-Haus, in: die brücke, 1968/13, S. 9f.

16


Ihre Funktion als kritisches Ferment der

Nach meiner Zeit als Vorsitzender kam

Südtiroler Gesellschaft nahm die SH al-

ein anderer politischer Wind in die SH.

lerdings erst ab Mitte der 60er Jahre ein.

Ich gehörte zur Gruppe der Konservati-

Sie änderte ihren Kurs, indem sie sich

ven und in der Folge verlagerte sich der

von der engen Bindung an die SVP lös-

Vorsitz in das sozialistische Lager. (…)“.16

te. Während der bis 1966 gewählte Vorsitzende, Alois Durnwalder, noch an den

Auch immer schärfere Kommentare in den

„gesunden Gemeinschaftssinn“ der Stu-

„Dolomiten“, die sehr bald eine ablehnen-

dierenden

plädierte

de Haltung der SH gegenüber einnahm,

nun der Pressereferent und spätere Her-

bestätigen den Wandel.17 Für Alexander

ausgeber der „brücke“, Siegfried Stuffer,

Langer passierte in dieser Hinsicht jedoch

für einen „geistigen Individualismus“.

noch zu wenig. Er forderte, dass sich die SH

appelliert

hatte,

15

noch mehr aus der bequemen Hörigkeit von Durnwalder selbst charakterisierte 2010

Oben befreien solle, um die Ansichten der

verschiedene

Studenten von unten vertreten zu können.

Entwicklungsphasen

der

Vereinigung:

„Es ist immer so, dass es eine Gründungsphase und eine Folgephase gibt. Nachdem der See gefüllt wird, benötigt es immer wieder Personen, die einen Stein ins Wasser werfen, damit der Sauerstoff in Bewegung kommt. (…)

Dadurch müsste die SH jedoch „eine bereits ersessene Stellung ´im System´ aufgeben und sich dem Apparat dialektisch entgegenstellen, statt ihn gegen die sonst vielleicht rebellischen

Studenten

abzusichern“.18

Zunächst agierte die SH jedoch innerhalb des Systems und diskutierte über Revolution, wie bei der Studientagung 1968. Dazu wurden internationale Referenten, wie etwa der Redakteur der

15 Vgl. Notdurfter: Spalte des Pressereferenten, in: Skolast, 1968/4, S. 2. 16 Frei, Senfter: „Es gibt immer etwas zu protestieren“, Interview mit Alois Durnwalder, in: Skolast 2010/1, S. 80–85. 17 Notdurfter: Spalte des Pressereferenten, in: Skolast, 1968/4, S. 2. 18 Langer: Gedanken zur „Kulturpolitik“ der SH, in: Skolast, 1968/1, S. 4.

17


Marburger Blätter19, und erstmals auch

Nach der „Konsolidierungsphase“, wie

dezidiert „Links-Kreise“ wie die „brücke“

sie u.a. Durnwalder beschreibt, gab es in

geladen. Der Begriff „Links“ wurde in

der SH also zunächst nur eine politische

diesem Zusammenhang als eine „Form

Neuorientierung. Ein Jahr später sah die

der Radikalisierung, der Opposition, des

Situation schon anders aus: Bei der Studien-

Andersseinwollens,

durchbrechen-

tagung 1969 zum Thema „Kultur“ kam es

der Ärger“ ausgelegt, wie Hans Notdurf-

zu einem einschneidenden Bruch mit den

ter, der Pressereferent, schreibt. Bisher

Machtträgern im Land. Der Grund für den

sei seiner Ansicht nach die Haltung der

Protest in diesem Bereich zementierte sich

SH insgesamt zu tolerant und nachgie-

in der Vergangenheitsorientierung der Po-

big gewesen. Dadurch hätte die Verei-

litik und dementsprechend auch in den da-

nigung auf Referenten verzichtet und

nach ausgerichteten kulturellen Veranstal-

es hingenommen, wenn Landespoliti-

tungen. Zudem gab es in diesem Bereich

ker, wie Kulturassessor Anton Zelger,

klare Feindbilder, wozu besonders der

1968 den „Skolast“ als „Gift für das Volk“ bezeichneten.20

Kulturlandesrat Anton Zelger gehörte.22 In

Trotzdem würde die SH weiterhin für ein

polemisch: „Das kulturelle Image Südtirols

„Weiterschreiten auf evolutivem Wege“

ist am Nullpunkt angelangt.“ Und weiter:

eintreten, wie Otto Saurer, der Vorsit-

„Die Verdummung des Volkes“ schreite rüs-

zende von 1967, es formulierte, im Ge-

tig voran und das „ekelhafte Südtirol-Kli-

gensatz zur Forderung nach einer revo-

schee, angesiedelt zwischen dem mächtigen

lutionären Vorgehensweise von Siegfried

Barte des Andrä Hofer und den Lederhosen

Stuffer.

Diese unterschiedlichen Posi-

der fidelen Schuhplattler, macht sich im

tionierungen innerhalb der SH führten

In- und Ausland breit.“ Ziel der Studien-

zur Entstehung von zwei Lagern. Neben

tagung war es dem entgegenzuwirken,

die konservative Linie der vorangehenden

um sich so den noch geltenden Worten

Vorstände trat eine Reihe von Studenten

des verstorbenen Schulamtsleiters Hoch-

mit progressiver Orientierung, Revolution

würden Josef Ferrari entgegenzustellen,

erfolgte dadurch jedoch noch keine.

der bereits festgestellt hatte: „Nicht als

21

ein

der Eröffnungsrede zur Tagung zeichnete Gerhard Mumelter, der Kulturreferent der SH, die Situation der Kultur in Südtirol sehr

19 Vgl. o.A.: Zusammenfassung der Diskussion, in: Sondernummer zur XII. Studientagung 1968, 2.Teil, S. 18f. 20 Vgl. Notdurfter: Spalte des Pressereferenten, in: Skolast, 1968/4, S .2. 21 Vgl. Skolast Untersuchung: Heime Dokumentation, in: Skolast, 1968/5, S. 41–43. 22 Vgl. Sondernummer des Skolast zur XIII. Studientagung 1969: Kunst und Kultur in Südtirol, Brixen.

18


Anklage, sondern als notwendige Erkenntnis

tischen

sei es gesagt, dass das Organ für das Geisti-

und das Schulproblem trat ungewollt in

ge in unserem Volke stark verkümmert ist.“

den Hintergrund. Die Presse berichtete

23

Auseinandersetzung

geworden

zwar darüber, doch blieb eine größere SoVermehrt wurde die Forderung nach politischer

Aktion,

einer

lidarisierung mit den Studierenden aus.27

„außerparlanach

Im Anschluss daran folgte das „Politische

So

Dokument der Studenten nach dem Hun-

wurde in einer weiteren Ausgabe des

gerstreik“ als eine Reflexion der Ereignisse.

„Skolast“ unter anderem die Gründung

Interessant ist auch hier das Vokabular, das

neuer Arbeitskreise gefordert, die sich

sich an den internationalen Kontext an-

mit aktuellen Themen befassen soll-

lehnt, so ist darin etwa zu lesen, dass „po-

ten,

litische Diskriminierung und Unterdrückung

mentarischen

Opposition“,

und

engerem Kontakt zur Basis laut.

24

wie

der

Oberschülerbewegung.

25

[…] notwendig zum System“ gehören würTatsächlich waren es die Oberschüler, die

den. Aus ihrer Sicht hätten sie mit ihren Ak-

in Südtirol in Dissens zum herrschenden

tionen die Gegenseite entlarvt, der sich die

System gingen und sich verstärkt grup-

Schüler nicht geschlagen geben wollten.28

pierten. Sie waren es, die die internationalen Aktionsformen übernahmen und

Neben der Oberschulbewegung war das

damit auch auf sich aufmerksam machten.

Fehlen der Universität in der Zeit zwischen 1965 und 1974 eines der zentralen Dis-

Beispielgebend dafür waren die Ereig-

kussionsthemen.29 Für Gottfried Solderer

nisse am Klassischen Lyzeum „Walther

war dieser Umstand eine der Ursachen

von der Vogelweide“ von 1971.

Nach

für die schwache gesellschaftliche Posi-

dem Ausschluss zweier Maturanten auf-

tion der SH, weil der Student im Ausland

grund ihrer politischen Aktivität (lotta

den Bezug und das Interesse zu seinem

continua) spitzten sich die Ereignisse der-

Heimatland verlieren würde. Zurückge-

art zu, dass es nach einem Hungerstreik,

kommen sei er schließlich ein Privilegier-

dem Miteinbeziehen der SH und dem

ter unter Privilegierten und habe kein In-

Hinzuziehen der Presse bei einem Sit-in

teresse daran für jene Schichten Partei zu

zu einem Bombenanschlag von faschis-

ergreifen, aus denen er vielleicht selbst

tischer Seite auf die Demonstrierenden

stamme. Als Opposition laufe er jedoch

kam. Die Vorfälle waren so zu einer poli-

Gefahr zu verhungern. Somit würde die

26

23 Mumelter: Kunst und Kultur. Die Studientagung 1969, in: Skolast, 1969/3, S.25. 24 Vgl. Mair, Hofer: Die Südtiroler Hochschülerschaft heute, in: Skolast 1970/3, S. 35f. 25 Alton: Hochschülerschaft, in: Skolast, 1971/1, S. 4. 26 Vgl. Südtiroler Landesarchiv Bozen, Sammlung Toni Serafini: Flugblatt Anfang Juni, Eine Gruppe von Studenten, „Solidarität mit den Studenten der 3. Klasse des klassischen Lyzeum“, 9.6.1971. 27 Vgl. Alton: die Unruhen an den Oberschulen, in: Skolast, 1971/4, S. 18. 28 Südtiroler Landesarchiv Bozen, Sammlung Toni Serafini: Klasse 3b/Sailergymnasium, „Politisches Dokument der Studenten nach dem Hungerstreik“, Bozen 17.9.1971. 29 Vgl. Ladurner: Der Streit beginnt, Streiflichter zur SH von 1965–74, in: Sondernummer 1985, S. 10f.

19


kritische Intelligenz fehlen, die in ande-

einheimischer Produktionen und Auf-

ren Ländern die „Impulse zur Überwindung

führungen. Mundartgedichte, die die

der Widersprüche unseres Gesellschaftssys-

Schönheiten Südtirols anpriesen, wurden

tems geliefert hat und noch immer liefert“.30

zu solchen mit kritischen Inhalten umfunktioniert, die Missstände anprangerten.33

Der Frage nach der Existenzberechtigung einer Hochschülerschaft ohne Hochschule

Auch Hans Heiss sieht im „Mut zum radika-

und ohne Hochschüler im Lande, hielt Hell-

len Dissens“ das charakteristische Merk-

muth Ladurner, einer der Skolastautoren,

mal des „deutschen 1968“ in Südtirol. Er

folgende Verdienste der SH entgegen: „Die

betont, dass sich einige wenige wagten,

Leistung der SH besteht darin, trotz größ-

„in einer ethnisch homologisierten Gesell-

ter Widerstände mehrere Jahre lang die

schaft als ´Verräter´“ aufzutreten, „um

Diskussion vorangetrieben zu haben, […]

damit das demokratische Grundprinzip

Die Südtiroler Hochschülerschaft hatte die Konzepte geliefert. Gehandelt wurde anderswo und ohne Konzept.“ Die SH habe rückblickend die Rolle zu

Tatsache sei heute zu Unrecht vergessen.34 Diese These gilt es zu bekräftigen, denn der Dissens erwirkte eine Öffnung und Pluralisierung

in

allen

gesellschaftli-

chen Bereichen, wodurch auch in Süd-

sein,

tirol durch die 68er ein Wertewandel

Schutt beiseite zu räumen; der Ab-

eingeläutet wurde, von dem wir noch

bau wird von anderen durchgeführt.“31

heute profitieren. Wenn durch die politi-

übernommen:

„Vorläufer

des ´Nein!´ zu implementieren“ und diese

schen Errungenschaften jener Jahre die Was die SH aber vor allem zu einer der

Autonomiebestimmungen

wichtigsten Trägergruppen der 68er in

erweitert wurden, so wurde durch die 68er

Südtirol macht, ist, dass sie über Jah-

Bewegung die individuelle Autonomie

re hinweg die Rolle eines Sprachrohrs

vergrößert und eine Liberalisierung der

für wesentliche Anliegen der Studenten

Gesellschaft vorangetrieben. Es wurden

übernahm. Sie machte Gesellschafts-

Entwicklungen in Gang gesetzt, die noch

kritik auch in Südtirol salonfähig. Beson-

bis in die Gegenwart wirken und durchaus

ders ihr Medium, der „Skolast“, spielte

ausbaufähig bleiben. Und dazu leisteten

dabei eine zentrale Rolle. In ihm wurden

SH und „Skolast“ einen wesentlichen Bei-

zahlreiche kritische Karikaturen abge-

trag. Das heißt, auch wenn die SH vielleicht

druckt und auch für den literarischen

in Bezug auf „1968“ in Südtirol nicht im-

Wandel war er wesentlich: Bemerkens-

mer das Ruder in der Hand hatte und den

wert war etwa N.C. Kaser32 als einer der

Kurs vorgab, so war sie doch das Medium,

Exponenten in diesem Bereich, der eine

das von unterschiedlichen Seiten immer

radikale Abrechnung mit der damaligen

wieder genützt werden konnte und vor

literarischen Landschaft vollzog. Aber

allem kritischen Geistern eine Stimme gab.

des

Landes

auch andere junge Literaten füllten Sparten mit Rezensionen und Kritik

Birgit Eschgfäller

30 Solderer: Liebst Südtirol magst ruhig sein, deine Studenten leben im Innrain, in: Skolast, 1971/1, S. 7. 31 Ladurner: Der Streit beginnt, Streiflichter zur SH von 1965–74, in: Sondernummer 1985, S. 10f. 32 Südtiroler Dichter (1947–1978) und Mitbegründer der Neuen Südtiroler Literatur der Nachkriegszeit. 33 Vgl. Eschgfäller, Südtirol in Bewegung, 2010, S. 182–189. 34 Vgl. Heiss: Bewegte Gesellschaft, in: Arbeitsgruppe für Regionalgeschichte (Hrsg.), 1999, S. 57–100, S. 98.

20


Skolast 1968/3, S. 19.

21


Skolast-Sondernummer zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, Rückseite.

sTuDIEnTAgung 1969 vor 45 Jahren hat die südtiroler hochschülerschaft die erste Anthologie neuer Südtiroler Literatur veröffentlicht. das gehörte sicher nicht zu ihrem unmittelbaren Aufgabenbereich, hat sich aber so ergeben.

22

1969 habe ich das Amt des Kulturreferen-

Schwarzweiß-Programmen, lediglich das

ten der SH übernommen. Die damalige

Blatt für deutsche Leser im Alto Adige zeigte

kulturpolitische Situation in Südtirol ist für

Interesse für zeitgemäße kulturpolitische

einen heutigen Studenten kaum nachvoll-

Anliegen. Es gab in Südtirol weder eine

ziehbar. Die Szene wurde fast ausschließ-

zeitgenössische Kunst- noch Literatursze-

lich von traditioneller Volkskultur geprägt.

ne und kaum Galerien. „Das Kulturklima“,

Der Sender Bozen verfügte nur über sehr

so beschrieb Eva Eccel treffend die Situa-

beschränkte

tion der 70er Jahre, „war von einer Selbst-

Sendezeiten

mit

einigen


darstellung der eigenen Tradition getragen,

wären am besten nie geboren und meinet-

eine Auseinandersetzung mit den Themen

wegen könnten sie noch heute ins heimat-

der Gegenwart wird verdrängt. In der Kon-

liche Gras beißen, um nicht weiteres Unheil

frontation mit Italien hat sich das Land kul-

anzurichten“, wetterte der junge Brune-

turell in einen luftleeren Raum manövriert,

cker Autor in seiner nur wenige Tage nach

in dem sein geistiges Potential verharrt

dem Woodstock-Festival gehaltenen Rede.

und nur wenig lebendige Impulse erhält.“ Das genügte damals, um einen Sturm der Mein Ziel als Kulturreferent war es,

Entrüstung auszulösen. Der 22-jährige

Bewegung in diese festgefahrene Situa-

erhielt Morddrohungen, die Hochschü-

tion zu bringen. Diesem Anliegen sollte

lerschaft geriet ins Visier der Dolomiten

die jährliche Studientagung dienen, die

und wurde massiv angegriffen. Der kon-

dem Thema „Kunst und Kultur in Südtirol“

servative Flügel der Organisation forder-

gewidmet war und Aufbruchstimmung

te den Rücktritt des Vorstands. Wer et-

signalisieren sollte. Das tat sie freilich zur

was bewegen wollte, benötigte damals

Genüge. Denn die mittlerweile berühmte

ein dickes Fell. Das mediale Echo auf Ka-

Brandrede, die der junge Autor Norbert

sers Rede dauerte mehrere Wochen, der

Conrad Kaser im August 1969 in der

Rest der Tagung mit ihren interessanten

Cusanus-Akademie hielt und die heftige

Referaten ging in den Polemiken unter.

Polemiken auslöste, ist in die jüngere Literaturgeschichte des Landes eingegangen.

Nur wenige Wochen später begegneten sich

„99 Prozent unserer Südtiroler Literaten

Südtirols jüngere Autoren bei dem von der

Skolast-Sondernummer zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, S. 17.

23


Presseecho zur Studientagung 1969. Skolast-Sondernummer zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, S. 32.

24


SH organisierten Literarischen Colloquium in Bozen zum ersten Mal. Joseph Zoderer trat dabei erstmals öffentlich in Südtirol auf, Kaser hielt seine erste Lesung in Bozen. Auch hier gab es erregte Diskussionen. Die ebenfalls für 1969 vorgesehene erste Anthologie erschien erst 1970. Die Schwierigkeiten bei der Suche nach passenden Autoren, bei Auswahl, Drucklegung, Korrekturen und Auslieferung des 1500 Lire kostenden Bandes überforderten damals auch einen hochmotivierten SH-Kulturreferenten wie mich. Zu Beginn waren kaum mehr als zehn Leute bekannt, von denen man wusste, dass sie literarische Texte in der Schublade aufbewahrten. Dann tauchten neue Namen auf, und mit ihnen weitere Hinweise. 24 waren es nach einem Jahr. Kaser war in dem Sammelband mit 24 Gedichten vertreten. Für den früh verstorbenen Schriftsteller war es die umfangreichste Veröffentlichung zu Lebzeiten. Erst nach seinem Tod erschienen aus dem Nachlass zwei Bände, die den Autor über Jahre zu einer unangepassten Symbolfigur werden ließen. Über die literarische Qualität der Anthologie, der 13 Jahre später eine zweite folgte, lässt sich rückblickend diskutieren. Nicht aber darüber, dass sie einen Neubeginn nach Jahren des Stillstands bedeutete. Das schon bald vergriffene Buch verdeutlichte, dass der Aufbruch ins Neue mehr als nur ein zufälliges Zusammentreffen war. „Südtirol wird eine Literatur haben. Wie gut, dass es niemand weiß“, hatte Kaser in seiner Rede prophezeit, die als Zäsur im kulturellen Leben Südtirols gilt. Als kritische und fortschrittliche Kraft hatte die Hochschülerschaft damals wesentlichen Anteil an der kulturellen Erneuerung des Landes. Darauf kann sie auch nach 45 Jahren noch stolz sein. Die Hochschülerschaft nimmt Stellung, Skolast-Sondernummer

gerhard mumelter

zur XIII. Studientagung der SH „Kunst und Kultur“, 1969, S. 33.

25


Gegen den Strom schwimmen SH-Episoden in den Siebzigern Sie ist heute weit weg, die Zeit, als die Jugend nicht nur studierte sondern durchaus auch protestierte – gegen den „Mief von 1000 Jahren unter den Talaren“, gegen den Vietnamkrieg und die USA, gegen die „intolerante, antikommunistische Haltung der SVP“, gegen Magna-

Hungerstreik sehr wohl zu ermöglichen und

selbst im ehrwürdigen Gymnasium der Franziskaner wehte damals ein laues Protestlüftchen durch die Gänge.

go, Zelger und die Athesia. Mittendrin

So bestreikte meine Klasse 1969 die Haus-

damals, wie es mir meine freilich nur

aufgaben und konfrontierte den Pater

mehr bruchstückhaft vorhandene Erin-

Direktor mit einem seitenlangen „Forde-

nerung sagt, die Südtiroler Hochschü-

rungskatalog“. Söhne von Stadtpatriziern

lerschaft, große Teile ihrer Führungs-

genauso wie die einfacher Bergbauern.

spitze und meist auch ihre Vorsitzenden.

Und zu Hause hing der Haussegen schief, weil ich die Wahl Willi Brandts zum Kanzler

Irgendwie lag etwas in der Luft, das man

der Bundesrepublik Deutschland begrüßte.

später mit den 68ern identifizieren würde;

26

in Deutschland etwas früher als hinterm

Dennoch sollte und wollte ich nicht dem

Alpenhauptkamm, an den großen Unis

scheinbar allgemeinen Trend des „gegen

heftiger und massiver als an den kleinen;

alles und jeden“ folgen, der mich unüber-

der „voto politico“, monatelang besetz-

sehbar und anschaulich an der Rampe der

te Hörsäle, Krawalle vielerorts; Studieren

Alma Mater Rudolfensis am Universitäts-

glich oft auch – vor allem in Italien – einem

ring 1 in Wien am ersten Studientag im

Hindernislauf zwischen Bürokratie, Streiks,

Oktober 1971 empfing: Gereckte Fäuste

Besetzungen und ähnlichem mehr. Im

und stilisierte Hammer und Sicheln in

staatlichen Gymnasium „Walther von der

einem Meer von Plakat- und Hinweis-

Vogelweide“ versuchten die Jahrgangskol-

ständern, dazu die Aufforderung „jeden

legen für zwei nicht zur Matura zugelassene

Freitag um 15 Uhr“ an Demonstratio-

Mitschüler diesen die Zulassung mit einem

nen teilzunehmen, zu denen Trotzkisten,


Gruppen revolutionärer Marxisten und

gegen „Intoleranz und Irrationalität der

was weiß ich noch für martialisch be-

herrschenden Klasse“ agierte und ganz ge-

zeichnete Studentengruppen aufriefen.

nerell den Kommunisten näher zu stehen

Für mich war schlagartig klar, dass ich

schien als etwa der die deutschen Süd-

nicht zum Protestieren, sondern doch

tiroler fast vollständig vertretenden SVP.

eher des Studieren wegens nach Wien gekommen war! Und sicher auch nicht,

Also beschloss ich, gegen den Strom

um, wie so mancher Kollege das tat, Nach-

zu

mittage lang auf der „Bude“ zu „karten“.

gesinnten stellte ich mich 1975 den

schwimmen.

Mit

einigen

Gleich-

Wahlen zum SH-Vorstand in Innsbruck Und so verliefen die ersten Jahre meines Studiums weitab von Protesten und Diskussionen. Die Übersiedlung nach Innsbruck 1974 aber brachte die Wende. Deutlich näher

und hoffte, dass einen die „schweigende Mehrheit“, die man hinter sich wähnte, dorthin entsenden würde.

der Heimat erwachte das „Zoon politikon“

Dass diese nicht nur schweigend sondern

in mir, der politische Mensch. Und dem ge-

weitgehend immun gegenüber jeglicher

fiel nicht, was da „seine Vertreter“ in der

politischer aber auch institutioneller Tätig-

Südtiroler Studentenorganisation so zum

keit sein würde, damit hatten wir nicht ge-

Besten gaben. Ich war überzeugt, dass es

rechnet. Und erst ein in letzter Minute von

der Südtiroler Studentenschaft im Allge-

uns eingerichteter Shuttledienst für alle

meinen, jener in Innsbruck im Besonde-

Freunde und deren Freunde und Bekann-

ren nicht gerecht wurde, wenn die SH im

te zur Bude und damit zur Wahlurne sollte

Gleichschritt nach links marschierte, sich

dann die Wende bringen, so dass mit dem

in Aufrufen auf der „Seite von Bauern, Ar-

Einzug einiger „bürgerlicher“ Vorstände

beitern, Lehrern und Kulturschaffenden für

die Innsbrucker SH-Spitze plötzlich deut-

mehr Demokratie in Südtirol einsetzte“,

lich pluralistischer war, als die SH-Obersten

27


sich dies wünschen mochten. Und so wur-

Während die einen in ihren schlimmsten

de in den Sitzungen zwar weiter viel de-

Befürchtungen übertroffen werden soll-

battiert, etwa ob die strikte Trennung der

ten, mussten die anderen anerkennen,

Sprachgruppen in Südtirol, wie sie das

dass man einen solchen Sozialismus nun

1972 verabschiedete Paket festgeschrie-

wirklich nicht wollte. Einen Vorgeschmack

ben hatte, nicht eher ethnische Käfige

bekamen wir schon bei der Einreise an der

schaffe, oder ob es nicht höchst an der Zeit

Grenze, als wir mit unserem Bus für die paar

für eine Universität in Bozen sei. Aber man

Meter vom österreichischen Grenzbalken

gab sich auch mehr dem Praktischen hin.

bis ins mit Stacheldraht gekennzeichnete tschechische Territorium mehrere Stunden

So war ohne Zweifel der Höhepunkt meines

brauchten, obwohl kaum Verkehr herrschte.

nur kurzen, zweijährigen aktiven Engagements in der SH Innsbruck die Organisation

Einige kurze Backflashes vom Prag der frü-

eines Balles der Südtiroler Hochschüler in

hen Siebziger: Beleuchtet waren des Nachts

Innsbruck. Im damals noch existierenden

nur die Hauptstraßen, während die Straßen

Hotel Greif gaben sich ein Großteil der

ganzer Stadtteile im Dunkeln lagen; Taxis

politischen Führungsspitze von Gesamt-

gab es zwar zuhauf, aber sie fuhren nicht,

tirol,

weil deren Fahrer keine Lust hatten; in den

Professoren,

Referat-S-Leiterin und

hundete

die

unvergessliche

Viktoria Studenten

Stadlmayer

Restaurants gab es zwar schöne Menükar-

die

ten, aber die angebotenen Speisen gab

Ehre.

es fast alle nicht. „Wir haben nur das...!“ Der Mühe Lohn war – neben einem zwei-

Im ehrwürdigen Grand Hotel am Wenzel-

fellos aus unserer Sicht „aufgebesserten

splatz gab es nur dann und wann heißes

Image“ – die finanzielle Basis für eine

Wasser, denn den kaputten Boiler hatte

Reise in das schöne Prag, wo ja weni-

niemand Lust zu reparieren, und wenn in

ge Jahre zuvor sowjetische Panzer den

der Disko im Keller das Bier ausgegangen

„Prager Frühling“ hinweg gefegt hatten.

war, musste man es selbst im Parterre holen, wo es noch reichlich floss. Denn das

Der Ort war bewusst gewählt, denn „bürgerliche“ wie „linke“ Kollegen waren neugierig auf den „real existierenden Sozialismus.“

28

Bierholen im Stock darüber sah die Arbeitsplatzbeschreibung des Discokellners nicht vor. Und den in der „Bruderrepublik Tschechoslowakei“ auf Urlaub weilenden Mitgliedern einer DDR-Studentengruppe mussten wir erklären, dass im Westen nicht nur die Reichen studieren dürften. Eine


kleine Ahnung davon, was Diktatur und

Gericht zu vertreten. Nicht lange freilich,

Regime bedeuteten, bekamen wir, als ein

denn eines Tages holten sie ihn ab und

Mitglied derselben Studentengruppe mir

sperrten ihn zu Schwerverbrechern in die

heimlich bedeutete, in meinen Äußerun-

Zelle bevor er wegen staatsfeindlicher Be-

gen etwas vorsichtiger zu sein, denn ein,

tätigung zu mehreren Jahren Arbeitslager

wenn nicht zwei Spitzel wären mit Sicher-

verurteilt wurde. Und er erzählte uns unter

heit in ihrer Gruppe. Natürlich tat das alles

Tränen, was er dabei alles erleben muss-

unserer Unterhaltung während der Rei-

te. Die Brutalität der Schergen des Regi-

se keinen Abbruch, die trotz oder wegen

mes, das Dumpfe ihrer sinnlosen Befehle,

der einen oder anderen kleinen Stichelei

die menschenverachtende Erniedrigung!

untereinander zum vollen Erfolg wurde.

Und als er entlassen worden war, durfte er

Wir waren froh, dem real existierenden Sozialismus über die Schulter geschaut zu haben, ja, nach einem Ausflug zur nahegelegenen

seinen Beruf nicht mehr ausüben; seinen guten Sprachkenntnissen und wohl weil man ihn nach der ihm zuteil gewordenen „Umerziehung“ als „geheilt“ einstufte, setzte man ihn als Fremdenführer ein. Die Fröhlichkeit der Gruppe im Gastgarten der Burg war der Betroffenheit gewichen.

Burg Karlstein, der zu Stein gewordenen Geschichte der Rolle Böhmens im Heiligen

Und weil wir uns mit ihm solidarisch zei-

Römischen Reich Deutscher Nation am letz-

gen wollten, kramten wir Kinder des

ten Tag unserer Reise sogar in deren hölli-

Wohlstandes und der Freiheit auf der

schen Schlund geblickt haben zu dürfen!

Rückfahrt nach Prag und dann in die Heimat unsere letzten Schillinge, D-Mark

Vom tschechoslowakischen Fremdenver-

und Lire und Kronen reichlich zusam-

kehrsamt war uns ein Führer beigestellt

men und überreichten ihm einen gut ge-

worden, ein netter, etwa 60jähriger, ergrau-

füllten Hut – voller Westgeld, was seine

ter, freundlicher und exzellent Deutsch

Augen wieder zum Leuchten brachte.

sprechender Mann. Er erzählte uns nach einigen gemeinsamen Gläschen köstlichen

Nun, anschaulicher und authentischer hät-

böhmischen Weins sozusagen in vino veri-

te uns der real existierende Sozialismus

tas sein Schicksal: Er war vor dem Prager

nicht vor Augen geführt werden können.

Frühling Rechtsanwalt in Prag gewesen

Das wussten wir jetzt alle – ausnahmslos!

und hatte sich angeboten, Angeklagte aus der Regierung Alexander Dubčecks vor

Reinhold Marsoner

29


Karikatur zur Wahl Peterlinis zum JG-Chef, Skolast 1977/1, S. 20.

OSKAR PETERLINI ÜBER DAS VERHÄLTNIS JG/SH Im Skolast 1977/1 erschien ein Interview mit dem damaligen Landesjugendreferenten Oskar Peterlini zum Spannungsverhältnis zwischen der Jungen Generation in der SVP und der SH. Knapp 40 Jahre danach haben wir mit ihm über dieses Verhältnis aus seiner heutigen Sicht gesprochen. Herr Peterlini, wir haben Ihnen Ihr

ich auf die kritischen Fragen eigentlich gar

Interview von 1977 vorgelegt – welche

nicht so ungeschickt geantwortet hatte.

Reaktion hat dieses hervorgerufen? Das Interview war nämlich an mich als

30

Als ich das Interview nach nunmehr fast 40

damals neugewählten Jugendchef in der

Jahren gelesen habe, konnte ich nicht an-

Volkspartei gerichtet, nahm aber Aussagen

ders als lauthals darüber lachen. Doch war

gegen die SH zum Anlass, die mein Vorgän-

ich auch ein bisschen stolz darüber, dass

ger Hans Benedikter gemacht hatte. Die


sollte ich nun rechtfertigen. Das habe ich

die im Skolast-Interview zitiert werden. Sie

auch getan. Mit meinem Interview habe

hat auch die damalige Politik beeinflusst.

ich aber auch das Eis gebrochen, weil vorher jede Gesprächsbereitschaft abgelehnt

Eine der prägnantesten Aussagen dazu

worden war.

machte Senator Peter Brugger. Trotz seiner Anti-Paket-Haltung hat Brugger

Trotzdem zeigt es ganz deutlich die Span-

immer eine gemäßigte Linie gefahren,

nung auf. Die SH war damals – vor allem

die Autonomie-Politik der SVP vertei-

von Hans Benedikter und Werner Frick –

digt und die Selbstbestimmung als nicht

als Linksorganisation bezeichnet worden.

gangbar angesehen, mit einer Ausnahme:

Zugleich hat die Volkspartei eine konservative und streng antikommunistische Haltung gefahren. Das muss man in den damaligen geschichtlichen Rahmen einordnen. Im Osten herrschte ein totalitärer Kommunismus und in Italien wuchs die Bereitschaft zur Öffnung gegenüber dem Partito Comunista Italiano (PCI). Diese war ge-

Wenn Italien von den Kommunisten übernommen würde, dann hätte die Stunde geschlagen, das Selbstbestimmungsrecht zu verlangen.

kennzeichnet von dem „großen Handschlag“

Denn da sah er, Brugger, die Gefahr, dass

zwischen dem PCI-Sekretär Enrico Berlin-

Autonomie und Minderheitenrechte un-

guer und dem Präsidenten der Democrazia

terdrückt würden. Tatsächlich war der

Cristiana (DC) Aldo Moro, im Juni 1977.

Kommunismus, wie er damals in Russland praktiziert worden ist, minderheitenfeindlich und autoritär. Berlinguer

Können Sie das für unsere jüngeren Leser

wollte sich eh davon distanzieren, aber

näher erläutern?

die Angst beruhigte das nicht. Der Sowjetkommunismus war nicht das, was Karl Marx

Gerne: Die DC herrschte damals seit 30 Jah-

und andere mit der Befreiung und Vertretung

ren unangefochten, hatte aber die Verfol-

der Arbeitermassen, der sozialen Gerech-

gung des PCI im Rücken. Dieser war 1976

tigkeit und der Gleichheit erträumt hatten.

imstande, knapp an das Ergebnis der DC heranzukommen, welche die Gefahr im Na-

Es ist dann aber nicht dazu gekommen. Die

cken spürte, überholt zu werden. Bei einer

USA befürchteten einen Verlust des NATO-

späteren Europawahl war das auch der Fall.

Landes Italien an den Osten, die Sowjets ein

Der sogenannte „sorpasso“, die Überho-

Abrücken der italienischen Kommunisten von

lung, bei Parlamentswahlen hätte Italien in

Moskau und eine Annäherung an die USA,

die Hände des PCI gebracht. Die Angst vor

die radikalen Linkskräfte in Italien eine Auf-

dem verpönten Russland-Kommunismus

weichung des Kommunismus. Auf dem Altar

kommt auch in den Aussagen meines Vor-

des angestrebten historischen Kompromis-

gängers Hans Benedikter zum Ausdruck,

ses wurde 1978 Aldo Moro selbst geopfert.

31


Peterlini (uunten rechts) in Erwartung der Wahl, JG-Landeskongress am 20. November 19761

In der SH hat es nach der Präsidentschaft

te. Die JG wurde allerdings eine kräftige,

von Luis Durnwalder (1966), beginnend

kritische Stimme innerhalb der SVP. Wir

mit seinem Nachfolger Otto Saurer, eine

haben uns auch erfolgreich für die Ju-

Wende in der Ausrichtung des Vereins

gend durchgesetzt. Man denke nur an das

gegeben. Wurde die JG als Reaktion da-

Jugendförderungsgesetz, aus dem heute

rauf gegründet, dass die linken Kräfte

die gesamte Jugendarbeit finanziert wird.

in der SH die Oberhand über die konservativen Kräfte bekommen haben?

Aber außerhalb hat es keine oppositionelle Meinung gegeben. Auch hier muss ich

Die JG wurde gegründet, um die damalige

rückblickend sagen, gottseidank hat es die

Politik auch für die Zukunft abzusichern.

SH gegeben! Kritik tut immer gut und hilft,

Und wir Jungen wollten diese mitgestal-

die eigene Politik ständig zu überprüfen.

ten und auf die Anliegen der Jugend und

Aber auch die SVP-Jugend war nicht so

der Zukunft ausrichten. Die Volkspartei

konform, wie man sie gerne haben wollte.

war zu der Zeit ein monolithischer Block.

Schon Hans Benedikter war 1970 gegen

Es hat zwar Abspaltungen gegeben, wie

den Willen der damaligen Führung zum

z.B. anfangs der 70er Jahre jene von Hans

Jugendchef gewählt worden. Als er mich

Dietl. Diese erfolgte aber aus ganz ande-

dann 1972 als Landesjugendsekretär vor-

ren Gründen, nämlich weil er, Dietl, trotz

schlug, löste er heftige Diskussionen aus,

der Paketannahme im Parlament gegen

sowohl in der Landesjugendleitung als

das neue Autonomiestatut gestimmt hat-

auch in der Parteileitung. Es gab große Be-

1 Quelle: Oskar Peterlini.

32


denken, dass ich als „Langer-Schüler“ (in

vorgeworfen hat, und dass zum Schluss

der Oberschule) eine falsche Ideologie ein-

die

eigene

Identität

verloren

ginge.

schleusen könnte. Die größten Vorbehalte brachte eine einflussreiche Persönlichkeit

Wie stark war diese Befürchtung begrün-

in einem langen Brief an die Parteileitung

det, wie hat sie sich realisiert?

vor, in dem ich in den bedenklichsten Farben beschrieben wurde. Er erinnerte unter

Die Befürchtung war begründet, wenn

anderem daran, dass ich an den Studen-

man das Schicksal anderer Minderhei-

tenprotesten gegen den Ausschluss von

ten betrachtet. Aber dank des kulturellen

Mitschülern von der Matura beteiligt war.

Selbstbewusstseins hat sich das glatte Gegenteil entwickelt. Ich kann mich noch

Die Partei- und die Landesjugend-Leitung

gut an die Vorbehalte erinnern, vor allem

waren mutiger als gedacht und haben mich

uns Unterlandlern gegenüber. Bei einer

trotz dieser schwerwiegenden Warnung

Versammlung im Ahrntal sagte mir einst

genommen. Ich habe dann meine eigene

ein Bauer: „Jo jo, es Unterlandler, jo na, do

Linie eingebracht, aber doch im Geiste je-

konn man olls vergessen, ihr seids ja eh

ner Zeit. Im Geiste jener Zeit hieß, dass man

lei mehr olles Italiener do unten und die

die Werte der Freiheit, der Kultur und Spra-

meisten können jo gor nimmer Deitsch.“

che und der Minderheitenrechte vertrat.

Ich habe ihm geantwortet: Es stimmt, dass

Damals war diese Volkstumspolitik noch von der Angst geprägt, die Minderheit könnte die eigene Kultur und Sprache verlieren.

es schwierig ist. Wir bieten im Sommer für die deutschen (!) Schüler sogar Deutschkurse an, weil die deutsche Sprache effektiv Gefahr lief verloren zu gehen und die Kinder in den Pausen immer mehr italienisch redeten. Aber das hat sich radikal geändert. Die deutsche Volksgruppe hat sich im Unterland und in Südtirol als der

Es war die gleiche Zeit, in der Kulturlan-

stärkere kulturelle Träger erwiesen. Das

desrat Toni Zelger den umstrittenen Satz

zeigt sich auch darin, dass die Italiener

geprägt hatte: „Je besser wir trennen,

sich verstärkt in das deutsche Vereins- und

desto besser verstehen wir uns.“ Er wur-

Dorfleben einbringen und dass die deut-

de scharf dafür kritisiert. Allerdings sollte

sche Gemeinschaft, mit ihrem starken so-

man auch verstehen, welche Sorge da-

zialen Netzwerk, auch sozialpolitisch stär-

mit zum Ausdruck kam, nämlich die Sor-

ker geworden ist und nicht umgekehrt. Im

ge, dass eine kleine Minderheit in einem

Unterland, in dem die Italiener schon seit

fremden Staat langsam, langsam assimi-

Jahrhunderten leben, kann man das auch

liert würde, oder, wie man damals [in An-

bei den vielen italienischen Schreibnamen

lehnung an die Situation im französischen

von überzeugten Südtirolern erkennen.

Elsass, Anm. d. Red.] sagte, „verelsässert“ werden könnte. Zelger befürchtete, dass

Die Autonomie hat diese Entwicklung

sich die Jugendlichen zuerst in den Schul-

gekräftigt. Und deshalb bin ich überzeugt,

höfen mit den Italienern vermischen,

dass die Zeit gereift ist, sich ohne Angst

dann heiraten und dann „Krautwalsch“

zu öffnen.

reden würden, wie man uns im Unterland

33


Bei den Parlamentswahlen in den vergan-

Auftrag, den ich von allen Volksgruppen

genen Jahren standen Sie, Herr Peterlini,

erhalten hatte, als eine große Bereiche-

für alle Volksgruppen!

rung und hoffe, dass dies auch in Zukunft jemandem gelingt. Einfach nur bei den

Ja, interessanterweise war dann ausgerech-

Italienern mit italienischen Plakaten Stim-

net ich es, der vor fast 40 Jahren eine eher

men zu holen, wie es sonst geschieht, finde

zurückhaltende Linie vertreten hatte, der

ich nicht ganz ehrlich. Besonders Bozen als

für eine Öffnung eingetreten ist. Ich wurde

Landeshauptstadt sollte das Experiment

2001 als gemeinsamer Kandidat von der

aufgreifen. Dann würde die Stadt regierba-

SVP und dem Mitte-Links Bündnis für den

rer und das Zusammenleben fruchtbarer.

Wahlkreis Bozen Unterland für den Senat aufgestellt. Der Wahlkampf war ein Wag-

Wie war damals die Wahrnehmung der

nis und eine Herausforderung. Niemand

SH? Wurde sie als richtige politische Grö-

konnte voraussehen, wie so eine Kandida-

ße wahrgenommen bzw. hat sie gewis-

tur aufgenommen werde, ob besonders die

sermaßen eine „außerparlamentarische

Italiener mich akzeptieren würden. Die Be-

Fraktion“ gebildet?

völkerung im Wahlkreis ist zu zwei Drittel italienisch. Ich wurde glänzend gewählt,

Ja, das kann man so sagen, weil es auf

von Italienern, Deutschen und Ladinern,

der Partei-Ebene keine kritische alter-

dreimal mit durchschlagendem Erfolg, bis

native

zu meinem freiwilligen Ausstieg. Das war

gegeben hat. Deshalb hat die Studenten-

eine bahnbrechende Neuerung. Dabei

organisation – was ich heute mehr als

habe ich bei italienischen Versammlungen

richtig finde – diese Rolle wahrgenommen.

Stimme

zur

Mehrheits-Politik

oft hart diskutiert, aber niemals eine für die Südtiroler wichtige Position aufgegeben.

Damals

Ich konnte den Wahlkreis der Rechten von

Benedikter kritisiert, dass in der SH ein

Alleanza Nazionale entreißen. Ich empfand

Überhang an Stimmen aus dem Links-

die Begegnungen im Wahlkampf und den

lager zum Ausdruck kam. Beim Interview

vor

40

Peterlini beim JG-Landeskongress am 20. November 1976 im Waltherhaus Bozen.2 2 Quelle: Oskar Peterlini.

34

Jahren

hatte

Hans


mit mir rechtfertigte das der Fragestel-

im Skolasten geschrieben haben – die

ler damit, dass es sich dabei nur um die

Notwendigkeit erkannt, gegen die mo-

Artikelschreiber im Skolasten handeln

nolithische Einheitsmeinung in Südtirol

würde, und dass damit nicht unbedingt die

vorzugehen und diesen Block aufzubre-

Linie der SH charakterisiert werden könne.

chen. Es gehört zum Privileg der Jugend,

Diese

Florian

dergleichen auch in überspitzter Form zu

Kronbichler aufs Korn. In einem Artikel,

tun. Rückblickend bin ich für jede kritische

der auf der gleichen Seite mit meinem

Stimme dankbar, die zu einer lebendigen

damaligen Interview erschien, meinte er

Demokratie beigetragen hat und heute

sinngemäß:

beiträgt. Es ist nicht gesund für ein Land,

Rechtfertigung

nahm

„Was jammerts denn, dass ihr von denen beschuldigt werdet? Seids doch stolz darauf!“

wenn nur eine Meinung vorherrscht und wenn andere Meinungen nicht zugelassen oder an die Wand gedrückt werden. Vor allem in den 1970er Jahren waren viele JG-Mitglieder auch gleichzeitig SH-Mit-

Ich finde diese Aussage Kronbichlers

glieder und auch bei der SH bzw. den Au-

besonders treffend.

ßenstellen aktiv. Wie war das bei Ihnen?

Heute stellt es sich so dar, als ob es da-

Ich hab zu dieser Zeit studiert. Weil sich

mals Riesenkonfrontationen und Gräben

mein Studium durch die politische Tätigkeit

zwischen den Lagern JG und SH gegeben

verzögert hat, habe ich dann auch darauf

hätte? War es damals vielleicht auch so,

verzichtet, wieder als JG-Chef zu kandi-

dass bewusst überspitzt und polarisiert

dieren und habe dann, gottseidank, mein

wurde, um zu provozieren?

Studium abgeschlossen. Ich war – glaube ich – bei der SH auch eingeschrieben,

Stand man sich wirklich so unversöhnlich

aber nicht aktiv, weil ich ja bei der Jungen

gegenüber oder gab es doch viele Schnitt-

Generation war. Ein bisschen gegenseitige

punkte und gemeinsame Anliegen, bei

Eifersucht gab es damals schon. Es ging

denen man zusammengearbeitet hat? Die

darum, wer den größeren Zuspruch der

Jugendanliegen vertraten wir gemeinsam,

Jugend bekommt. Wir waren sehr aktiv,

später auch im Jugendring. Es gab aber

praktisch Tag und Nacht unterwegs. Heute

schon einen politischen Trennungsstrich.

macht man Politik hauptsächlich mit Inter-

Wahrscheinlich haben viele Studenten –

views, mit Fernsehauftritten und Medien-

oder mindestens diejenigen, die aktiver

mitteilungen. Damals lief weniger über die

35


Medien, man ist von Dorf zu Dorf gegangen

Er schrieb damals einen Brief an die Par-

und hat sich den Fragen der Bevölkerung

teileitung, in dem er die Befürchtung aus-

bzw. der jungen Leute gestellt. Ich bin, wie

drückte, dass wir damit die Katholische Ju-

auch meine Vorgänger und Nachfolger, prak-

gend aushöhlen würden – was aber nicht

tisch in jedem Dorf Südtirols aufgetreten.

die Absicht war! Magnago hat mich dann

Zu meiner Zeit hatten wir 15.000 Mitglieder

zu sich geholt und mir gesagt, „Jo, passts

in der JG und eine entsprechende politische

da a bissl auf“. Ich war selbst auch bei der

Durchschlagskraft. Als ich 1976 zum JG-Chef

Katholischen Jugend, war Jungscharfüh-

gewählt worden bin – übrigens in ehrenhaf-

rer und hatte darin kein Problem gesehen.

ter Konkurrenz zu Werner Frick – waren der

Aber dieses Konkurrenzdenken war sicher-

Walthersaal und der Balkon gerammelt voll

lich einer der Gründe fürs Aufeinander-

– so erfolgreich war unsere Organisation.

prallen JG-SH: Wer kriegt die Jugend? Und

Dass das die anderen Organisationen gestört hat, war verständlich. Dazu gehörte nicht nur die SH. Auch der Bischof äußerte seine Sorge.

wir haben sie damals wirklich gekriegt. Und Sie sind dann auch in den Landtag gewählt worden? Ja, zuerst 1972 Hans Benedikter ins Parlament, und ich 1978 als Jüngster in den Landtag. Von den 21 Volkspartei-

Peterlini mit Landeshauptmann Silvius Magnago, Veranstaltung zu 20 Jahre Sigmundskron, 17. November 1977.3

3 Quelle: Oskar Peterlini.

36


lern bin ich an elfter Stelle gelandet und

hat, eine fachgerechte Beratung findet.

habe dabei einige große Namen wie

Aber zweitens würde ich eine kritische

z.B. den Landesrat Zelger hinter mir ge-

politische Stimme nicht gerne vermissen.

lassen – so effizient war die JG damals.

Es ist das Privileg der Jugend, auch einmal über die Schnur zu schlagen und scharf

Wie sehen Sie das Vergangene aus heuti-

in bestehende Strukturen einzugreifen

ger Sicht?

und zu kritisieren. Das getruen sich viele nicht mehr, wenn sie auf ihren Beruf, ihre

Es gibt ja jetzt zig andere Verbände

Karriere oder auf eine mögliche Unter-

und Organisationen im Jugendbereich.

stützung Rücksicht nehmen müssen. Und

Damals war die einzige studentische

dieses Privileg der studierenden Jugend

Alternative zur SH die Gruppe von

und diese kritische Stimme braucht Süd-

Christian Waldner, die „JES“. Aber das habe

tirol. Deswegen wünsche ich euch, dass

ich, trotz meiner engen Freundschaft, nicht

beide Seelen der SH weiterhin voll auf-

so goutiert, da war ich eher verschlossen,

leben und sich entfalten mögen: sei es die

mir war die Organisation zu rechts.

sachliche Beratung und Hilfe, als auch die kritische gesellschaftspolitische Stimme,

Ich sehe die Rolle einer Studenten-

die Südtirol auch in dieser Zeit unbedingt

organisation

hauptsächlich

braucht, in der es immer noch eine ganz

in zweierlei Hinsicht: Einmal und in

starke Partei und eine total zersplitterte

erster Linie: Die sachliche Vertretung

Opposition gibt. Neue Gedanken und neue

und Beratung der Studenten. Das macht

Zukunftsvorstellungen und Werte können

ihr in einer ausgezeichneten Weise, in

nur von der Jugend kommen. Diese müs-

einem gut ausgerüsteten Büro und mit

sen mutig vertreten werden, so wie es die

qualifiziertem Personal. Das ist sehr

SH auch damals gemacht hat, auch wenn

wichtig, da ein junger Mensch, der sich

ich nicht immer damit einverstanden war.

heute

im Studium orientieren will, und verschiedene Schwierigkeiten und Fragen

Danke für das Gespräch.

37


Als man noch per Telegramm miteinander kommunizierte… 1

MANUEL RAFFIN ÜBER DAS VERHÄLTNIS JG/SH 35 Jahre später waren die früheren Reibereien kein Thema mehr. Wir haben nach dem Inteview mit Peterlini auch mit dem ehemaligen JG-Chef Manuel Raffin gesprochen. Wie hat sich zur Zeit deines JG-Vorsitzes

Ideen weitergebracht und realisiert wer-

die Zusammenarbeit mit der SH gestaltet?

den. Auch mit der Südtiroler Hochschüler-

Gab es von Seiten der SVP-JG Vorbehalte

Innenschaft haben wir uns öfters zu

gegenüber einer solchen Zusammen-

verschiedenen

arbeit, und wenn ja, aus welchen Gründen?

Die Zusammenarbeit war sehr gut. Es

Themen

ausgetauscht.

gab inhaltlich zu verschiedenen PunkIch war von 2010 bis 2014 Landesju-

ten keine Differenzen. In meiner Zeit

gendreferent der SVP Jugend. In dieser

als Vorsitzender gab es auch intern in

Zeit haben wir verschiedene jugendpoli-

der JG keine Vorbehalte einer solchen

tische Themen auf das Parkett gebracht.

Zusammenarbeit mit der SH. Im Gegen-

Wir

Stamm-

teil wir versuchten den Kontakt mit der

tischrunden, Themenabende und haben

SH aufrechtzuerhalten, zu intensivieren

uns kritisch zu Themen geäußert. Zudem

und bei Themen, die wir teilen, mitei-

haben wir uns ständig mit Vertretern und

nander aufzutreten, wie zum Beispiel

Entscheidungsträgern getroffen, um un-

bei den Themen Studientitelanerken-

sere Vorstellungen und Ideen weiterzu-

nung, die Berufsberatung, das Abo+,

bringen. So konnten einige Themen und

die Zweisprachigkeit und viele mehr.

organisierten

Aktionen,

1 SH-Archiv, Südtiroler Landesarchiv

38


Umgekehrt gefragt:

Hast du damals

und Anliegen aller Studenten einsetzt und

bei den Treffen mit den SH-Vertreter-

diese Aufgabe nimmt die SH sehr gut wahr.

Innen

Ressentiments

deiner

gegenüber

Jugendorganisation

verspürt?

Wie siehst du die aktuelle und künftige

Zusammenarbeit

zwischen

JG

Nein, überhaupt nicht. Wir hatten im-

und SH? Derzeit bekommt man sich

mer

ja nicht mehr so oft zu Gesicht...

ein

offenes

Ohr

und

konnten

uns auch bei Fragen oder Anregungen bei der SH melden und konnten

Seit April 2014 gibt es eine neue

Themen

JG-Führung. Wir haben uns damals oft

gemeinsam

weiterbringen.

zu verschiedenen Themen und uns unter Entgegen ihrem österreichischen Pen-

anderem auch mit dem EU-Abgeordneten

dant, der ÖH, versteht sich die SH nicht

Herbert Dorfmann getroffen. Auch eine

als Vorfeldorganisation politischer Par-

gemeinsame Pressekonferenz über die

teien. Wird die SH, aus Perspektive des

Berufsberatung haben wir damals mit dem

Parteimitgliedes Manuel Raffin, ihrem

SH-Vorsitzenden Stephan Kerschbaumer

Anspruch gerecht, die Interessenvertre-

organisiert. Wie die aktuelle Zusammen-

tung aller Studierender - unabhängig von

arbeit mit der SH aussieht, kann ich nicht

deren politischen Einstellung - zu sein?

beurteilen, da ich nicht mehr zum Führungsteam gehöre. Meiner Meinung nach

Die SH ist die starke Stimme der Studie-

sollte die JG verstärkt – auch zum Wohle

renden und das soll sie meiner Meinung

aller SchülerInnen und Studierenden – mit

auch bleiben, unabhängig von der poli-

der SH zusammenarbeiten und zu verschie-

tischen Einstellung. Sie ist die Lobby der

denen Themen gemeinsame Aktionen

Studierenden, die sich für die Interessen

organisieren oder Ideen weiterbringen.

Manuel Raffin (l.) mit Stephan Kerschbaumer (SH-Vorsitzender 2011-2013)

39


SH-Ausschusssitzung 1979 1

Günther Pallaver IM GESPRÄCH Der Politologe Günther Pallaver war von 1977 bis 1979 Vorsitzender der SH und prägte dabei eine Epoche der SH-Geschichte. Zudem fungierte er als Aufsichtsrat und presserechtlich Verantwortlicher für den Skolasten - nicht zu vergessen seine zahlreichen Auftritte als Moderator und Vortragender bei Veranstaltungen. Wir haben mit der „SH-Allzweckwaffe“ geratscht. Zur Wahl zum Vorsitzenden: Pallaver: Damals hat es in Innsbruck

nehmen könnte, und ich glaube, ich bin

einen Arbeitskreis Literatur gegeben.

wegen einer Stimme zum SH-Vorsitzenden

Und wir wollten die verstaubte Literatur-

gewählt worden. Nach dreißig Jahren kann

szene in Südtirol etwas aufmöbeln. Bei die-

man es ja sagen: wir haben noch schnell

sem Arbeitskreis waren auch Hans Heiss,

zwei, drei Ortsgruppen (z.B. in Turin und

Peppi Tinkhauser und einige andere. Und

in Mailand) gegründet, damit wir eine

über den Arbeitskreis bin ich dann zur SH

Mehrheit erreichen. Die Wahl habe ich

gekommen, da war ich schon das zweite

jedenfalls gewonnen – beim zweiten Mal

Jahr an der Uni. Es hat auch schon ziemliche

bin ich dann haushoch gewählt worden.

Auseinandersetzungen gegeben zwischen den „Linken“ und den „Rechten“. Dann

Zur Arbeit als SH-Vorsitzender

ist die Renate Mumelter SH-Vorsitzende

Pallaver: Bei uns war jeden Freitag Sitzung.

geworden, 1976, und hat mich gefragt, ob

Da ist immer ewig lang diskutiert worden

ich nicht ein Referat übernehmen möchte.

und es gab immer was zu tun. Ich hatte kei-

Renate hat nach dem ersten Jahr nicht

ne Zeit mehr zu studieren, da ist an jedem

mehr weitergemacht als Vorsitzende. So

Tag etwas gewesen. Man musste immer

haben sie mich gefragt, ob ich das über-

Präsenz zeigen.

1 Quelle: Günther Pallaver

40


Es hat aber auch die lukullischen Seiten ge-

ne. Dann haben wir gesagt: „Mehr als vier

geben – wir sind auch viel herumgefahren.

Wochenstunden im Jahr, das geht nie.

In den steirischen Herbst sind wir gefahren,

Zwei Lehrveranstaltungen, maximal.“ Die

dann nach Italien hinunter – Florenz,

haben sich gar nicht ausgekannt (lacht).

Padua, Bologna – sind wir die Ortsgruppen besuchen gegangen. In den

Aber ich muss auch sagen, das Kulturasses-

zwei

habe

sorat und speziell Landesrat Anton Zelger

ich keine einzige Prüfung abgelegt.

waren, bei allen Konflikten und Kontrover-

Jahren

als

Vorsitzender

sen, auch sehr loyal mit uns. Über die SH-Finanzen Pallaver: Als Vorsitzender habe ich ein-

Zu den Lagern „Links“ und „Rechts“ in

mal im Jahr alle Außenstellen besucht.

der SH

Die wichtigste Fahrt war aber jene nach

Pallaver: Mit dem Vorsitzenden Otto Saurer

Wien, weil da ist es ums Kleingeld ge-

(Vorsitzender 1966–67) gab es den ersten

gangen beim Herrn vom Ministerium. Das

Bruch, ein leichter, aber es war schon ein

Kulturinstitut hat uns die Räumlichkeiten

Bruch mit der Vergangenheit. Es hat mit

im Waltherhaus gegeben und etwas das

ihm, Hellmuth Ladurner (1968), und Sepp

Land für die italienischen Außenstellen,

Kusstatscher (1973–74) eine Öffnung ge-

die Hauptförderung gab es aber von Wien.

geben. Es hat dann in der SH wirklich harte Auseinandersetzungen gegeben. Das war

Über die Stipendien

natürlich die Zeit: 1976, die KPI hat in Ita-

Pallaver: Die Stipendien des Landes wur-

lien einen großen Wahlerfolg erzielt, und

den erst gegen Ende der 1970er einge-

auch die sozialdemokratischen Parteien in

führt. Das war eine große Umstellung. Bis

Südtirol sind stärker geworden, also es hat

dahin hatte das Südtiroler Kulturinstitut

da eine Aufbruchstimmung gegeben. Im

die

Stipendiengelder

Zuge dieser Stimmung hat sich die SH auch

verteilt und die SH-Ortsgruppen fungier-

stark positioniert. Sie war so eine Sam-

ten als Zuarbeiter. Jeder einzelne Antrag

melpartei der Linken, von den Sozialde-

wurde vom Leiter des Kulturinstitutes,

mokraten bis zur außerparlamentarischen

Josef Waldthaler, geprüft. Er hat sich zwar

Linken, es hat auch einige Liberale gege-

immer lamentiert, aber letztlich war er

ben, also ein großes Sammelbecken gegen

immer sehr milde mit jenen, die nach

den Konservatismus, gegen die Südtiroler

x-Jahren immer noch nicht fertig waren

Volkspartei. Es hat da sehr harte ideologi-

und wieder um ein Stipendium angesucht

sche Auseinandersetzungen gegeben. Es

haben. Er war eigentlich ein Partisan auf

hat so eine Art Glocke gegeben, darunter

der Seite der Studierenden. Er pflegte z.B.

hast Du keine Luft bekommen, um es sym-

bei Studenten aus dem Bauernstand zu

bolisch auszudrücken und alles was ein

fragen: „Wo ist denn der Hof, Sonnenseite

bisschen außerhalb der Norm gewesen ist,

oder Schattenseite?“

ist sofort kritisiert geworden.

österreichischen

„Ja schattenseitig.“ „Ja dann geben wir es ihm noch einmal.“

Wir haben natürlich auch Themen aufge-

Es hat damals wirklich Leute gegeben, die

griffen, die damals tabu gewesen sind:

30 Semester studiert haben, weil es ja

Wir haben uns eingesetzt für die Univer-

fast keinen Leistungsnachweis gebraucht

sität und haben dafür ständig eine über

hat. Als das Land die Zuständigkeit be-

die Rübe bekommen. Als in Österreich das

kam, wollte man von uns wissen, was als

Gleichstellungsgesetz für die deutsch-

Leistungsnachweis verlangt werden kön-

und ladinischsprachigen Südtiroler auf

41


bestimmten

Verwaltungsgebieten

ver-

Das Gegenlager war natürlich die Volks-

abschiedet wurde, haben wir uns einge-

partei, die junge Generation. Die haben

setzt, dass auch die italienischsprachigen

das Motto von der CSU übernommen, also

Südtiroler gleichgestellt werden. Ich bin mit meinen Kollegen nach Wien zum Parlament gefahren, wir wollten auch mit Bundeskanzler Bruno Kreisky sprechen, sind aber nur bis zum Sekretär gekommen. Wir haben eine Kampagne gemacht

„Freiheit statt Sozialismus“. Wir haben das sofort umgewandelt in „Freizeit statt Sozialismus“.

und Unterschriften gesammelt. Ich glau-

Ich kann mich noch gut an unser Treffen

be, der ehemalige Bundespräsident Heinz

mit der KPI erinnern: Eine Delegation mit

Fischer hat damals auch unterschrieben

Armando Cossutta an der Spitze ist zu uns

für uns. Jedenfalls, das waren so unsere

ins Waltherhaus gekommen und da sind

Themen, vor allem eine kulturelle Öffnung

wir schon am Anfang ein wenig skeptisch

war wichtig für uns.

geworden, weil er gesagt hat: „Das Südtirol-Problem wird sich lösen, auf biologische Weise.“ Das hat uns nicht gefallen. Minderheitenrechte standen natürlich für uns außer Frage und dass da einer kommt und sagt, das wird sich durch die Vermischung der Ehen von selbst lösen, das ist uns stark aufgestoßen. Jedenfalls war das die Zeit des starken Antikommunismus, die JG hat ja ihre ganze Politik auf den Antikommunismus aufgebaut gehabt und nachdem die Delegation bei uns gewesen war, hat es gegen uns eine massive Kampagne gegeben, vor allem von Seiten der Dolomiten. Wir haben natürlich keine Möglichkeit gehabt, unsere Stimme gleichgewichtig zu erheben, weil wir kaum einen Zugang zur Öffentlichkeit gehabt haben, außer über die RAI und das Deutsche Blatt beim Alto Adige. Die RAI hat uns sehr privilegiert behandelt, da haben auch einige Ex-SHler gearbeitet, wie Gottfried Solderer, Gerhard Mumelter oder Gerd Staffler. Dann haben wir überlegt, ob es nicht möglich sei, unsere Meinung über einen offenen Brief kund zu tun, wo wir sagen: „Es kann nicht sein,

SH-Karikatur im „Profil“, April 1979.

42

dass andere Meinungen so niedergemacht


werden.“ Dann haben wir einen Brief auf-

vor das Kurhaus in Meran gestellt und den

gesetzt und ihn von möglichst vielen un-

Brief allen in die Hand gedrückt, die zur

terschreiben lassen, die ein gewisses Pres-

Landesversammlung gegangen sind. Den

tige gehabt haben, und daraus entstand

Brief haben wir zusätzlich in den größten

dann irgendwie so ein Schneeballeffekt.

Zentren Südtirols verteilt.

Auf diesem Weg haben wir Leute erreicht wie den Otto Saurer, den Hans Widmann,

Bei unserer Presseschau haben wir dann

Claus Gatterer und andere, die unterschrie-

gemerkt, dass wir in Italien, Österreich

ben haben, und das war natürlich wichtig.

und Deutschland praktisch in jeder großen

Das einzig wirklich strategisch Durchdach-

Zeitung vorgekommen sind. Die Tageszei-

te, was wir gemacht haben war, dass wir

tung Dolomiten hingegen hat wochenlang

die Landesversammlung der Volkspartei

gar nichts geschrieben, weil auch Volks-

abgewartet haben, weil wir wussten, da

parteiler den Brief unterschrieben hat-

haben wir ausländische Journalisten da.

ten. Und das war unser Glück, denn dann

Wir haben also den Brief vervielfältigt, uns

hat es auch innerhalb der Volkspartei eine

„Brief der 83“, Skolast 1978/3, Cover.

43


Arch. Zeno

ABRAM

Architekt

Josef

PERKMANN

Gewerkschafter

Dr. Günther

ANDERGASSEN

Schulleiter

Fritz

PESENDORFER

ÖH-Vorsitzender

Dr. Werner v. AUFSCHNAITER

Landesbeamter

Franz

PICHLER

Maler

Elisabeth

Journalistin

Karl

PLATTNER

Maler

Dr. Siegfried BAUR

Schuldirektor

Robert

PÖDER

Journalist

Dr. Luis

Oberschullehrer

Krista

POSCH

Rundfunksprecherin

Dr. Alexander BRENNER-KNOLL Oberschullehrer

Arch. Paul

PREIMS

Architekt

Dr. Oktavia

BRUGGER

Journalistin

Alrun

PRÜNSTER

Malerin/Soziologin

Dr. Hansjörg

DELL‘ANTONIO

PSENNER

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der Wissenschaften

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RABENSTEINER

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NEUMAIR

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Oberschullehrer

Dr. Hans

WIELANDER

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OBEREGGER

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OBEREGGER

Malerin

Joseph

ZODERER

Autor/Journalist

Volker

OBEREGGER

Musiker

Arch. Oswald ZÖGGELER

Kurt

PARDELLER

RAI-Angestellter

LANTHALER

Architekt

Unterzeichner des Briefes der 83, Skolast 1978/3, S. 16.

44

Reflexionsphase gegeben. Zum Beispiel

Zur Funktion des Skolasten

sagte Erich Achmüller: „Wir können nicht

Pallaver: Der Skolast war früher ein ganz

die SH verlieren, weil wir dann die kultu-

wichtiges Organ. Ich kann mich erinnern,

rellen Eliten verlieren, man muss mit denen

dass jede Ausgabe vom Skolasten von

reden.“ Das war einfach ein Prozess und

der Wiener Presse rezensiert wurde, weil

das hat dann auch ein bisschen die ganze

es ja auch sonst außer der Tageszeitung

Sache gedämpft, also im Sinne von diesen

Dolomiten kaum etwas gegeben hat. Da

Auseinandersetzungen und die JG hat dann

hat es schon Polemiken gegeben, wenn ein

auch irgendwann einmal Ruhe gegeben.

Interview mit einem Oppositionspolitiker


gemacht wurde, heute eigentlich völlig un-

wir ja auch zusammen zur Schule gegan-

denkbar so etwas.

gen. Bei aller Aggression politischer Art hat es daher immer einen zivilen Umgang

Wir sind dann vom Pluralismus zu eher

gegeben. Wie ich beim Deutschen Blatt

harten linken Positionen übergegangen

des Alto Adige angefangen habe, rufe ich

und die Volkspartei hat Angst gehabt, dass

zum ersten Mal Luis Durnwalder an und als

ihnen die Eliten entgleisen. Das hat natür-

ich meinen Namen nannte, sagte er:

lich Spannungen erzeugt und Konflikte, die

„Ah, wir sind in derselben Ahnengalerie“.

sich in der der medialen Berichterstattung

„Wie?“ frage ich.

niedergeschlagen haben. Die Dolomiten

„SH-Vorsitzende!“.

hat uns jede Woche eins ausgewischt. Mein Vater war ein guter Freund vom alten

Über die Rolle der SH heute

Toni Ebner. Ich bin am Freitag immer nach

Pallaver: Ich glaube nach wie vor, dass die

Hause gekommen. An der Ecke des Tisches

SH eine wichtige Einrichtung ist. Nicht nur

hat mein Vater immer die Dolomiten auf-

ein Verein wie viele andere Vereine, weil sie

gestapelt und die entsprechenden Passa-

trotzdem ein Netzwerk ist, wo die Studen-

gen angezeichnet gehabt. Er hat nie etwas

ten und Studentinnen einen Bezugspunkt

gesagt, aber immer nur gezeigt: Da! Er war

haben und wo auch durch den Skolast neue

solidarisch mit mir, auch wenn er sicher

Themen aufgegriffen werden. Natürlich ist

nicht immer alles gut geheißen hat, was ich

die mediale Landschaft heutzutage völlig

gemacht habe, trotz seiner Freundschaft

eine andere, aber man sieht, dass Studie-

mit dem Ebner.

rende immer wieder Impulse von außen ins Land bringen.

Zum Berufsleben danach Pallaver: Ich bin gewissermaßen privile-

Nach wie vor ist es natürlich wichtig, dass

giert, weil ich an der Uni Innsbruck einen

die SH ihre Dienstleistung erbringt. Was

Job habe. Seilschaften hat es damals schon

würden Studenten tun, wenn es keine Or-

gegeben und unsereins hat es natürlich et-

ganisation wie die SH geben würde? Man

was schwerer gehabt als jene, die beim an-

müsste zum Land gehen, um zu fragen.

deren Haufen gewesen sind. Zum Teil sind

Aber das ist ja ein ganz anderer Service.

Karikatur im Skolast 1975/1, S.26.

45


Dolomiten 28./29. April 1979, S.5.

JES, WE CAN? Als konservative und europäische Antwort auf die links-revolutionäre Studentenbewegung wurde 1974 die JES gegründet. JES steht für „Junge europäische Studen-

nahe und fungierte quasi als Studenten-

teninitiative“. Gleich im Folgejahr zog

organisation der JG und wurde auch ent-

sie mit vier Mandaten in den Zentralaus-

sprechend von den Dolomiten gefördert.1

schuss der ÖH ein und konnte in Folge ihre Mandatszahl von Wahl zu Wahl steigern.

Im Zuge des sogenannten „Gleichstel-

Ende der 1970er formierte sich unter dem

lungsgesetzes“ in Österreich wurden An-

Namen JES-Südtirol (kurz: JES-S) eine eige-

fang 1979 die deutsch- und ladinischspra-

ne Südtiroler Gruppe. Sie sah sich vor al-

chigen Südtiroler/innen den Österreicher/

lem als Opposition zur SH, in der damals

innen gleichgestellt. Konkrete Anwen-

die „linken Kräfte“ den Ton angaben und

dung fand dies im passiven Wahlrecht

mehrmals hintereinander bei den Vorsit-

bei den ÖH-Wahlen, bei der die JES auch

zendenwahlen ihre Kandidaten gegenüber

prompt den sicheren dritten Listenplatz

den

durchset-

(die JES stand damals bei sieben Man-

zen konnten. Die JES-S stand der SVP sehr

daten) für einen Südtiroler reservierte.

„rechten-konservativen“

1 Siehe hierzu auch die Interviews mit Günther Pallaver und Oskar Peterlini in diesem Skolast.

46


Von Seiten der SH, der Südtiroler Links-

dabei nicht immer nur die Interessen seiner

opposition

Mitglieder und schon gar nicht die der ge-

und

dem

SVP-Kammerwurde

samten Südtiroler Hochschüler vertritt, ist

hingegen gefordert, die Gleichstellung

eine altbekannte Tatsache. Daß aber der

auch auf die in Südtirol lebenden Itali-

Vorsitzende Günther Pallaver aus Unkennt-

ener auszudehnen, was natürlich nicht

nis oder aus einem anderen Grund heraus

nach dem Geschmack der Dolomiten war.2

bestimmte, für den SH-Vorstand sicherlich

abgeordneten

Hugo

Gamper,

„Der Josef Rampold hat sich das auf die Fahnen geschrieben, dass man alles Linke ausmerzen sollte – das war Zeitgeist.“ Toni Ebner3 Dort hatte die JES-Südtirol in Bezug auf die SH natürlich ein Heimspiel, zudem war Toni Ebner jun. einer der prominentesten

Vertreter

der

JES-S.

Anfang Februar 1979 veröffentlichte das „Tagblatt der Südtiroler“ eine Pressemitteilung des damaligen SH-Vorsitzenden Günther Pallaver. Darin wies dieser darauf hin, dass es nicht die JES gewesen sei, die sich für die Gleichstellung der Südtiroler eingesetzt habe. Vielmehr habe sich die gewählte Führung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) immer für die Belange der Südtiroler Studenten in Österreich eingesetzt und sei dabei nicht selten jedoch auf eine Obstruktionspolitik der JES gestoßen. (…) Wir können uns deshalb des Eindrucks nicht erwehren, daß die JES, ausgerechnet immer zu Wahlzeiten an den Hochschulen, ein besonderes Interesse an Südtiroler Studenten zeigt. Die

Entgegnung

der

Redaktion

(un-

ter dem Kürzel ch) nahm vier Mal so

unangenehme Tatsachen verschweigt, ist schon ein starkes Stück. Die Junge Europäische Studenteninitiative (JES) hat sich nämlich seit Jahren mit den Problemen der Südtiroler Studenten in Österreich befaßt. Um dann weiter die Verfehlungen der SH aufzuzählen, z.B: Es wird dem SH-Chef nicht entfallen sein, daß bei dem fundierten Vortrag von Dr. Otto Keimel [damaliger österr. Nationalrat, Anm.d.V.] zum Thema „Die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol“ die Vertreter der zur Zeit schaltenden und waltenden Mehrheit innerhalb der SH sehr unangenehm aufgefallen sind. Mit Schürzen und Knospen bekleidet (…) setzte man sich demonstrativ auf die Pulte und störte den Vortrag mit sinnlosem Gelächter und stampfen mit den Knospen, es war eine wahre Lektion demokratischer Reife, die von den SH-Funktionären geboten wurde. Und am Schluss des Artikels: Es ist nicht verwunderlich, daß die SH-Führung nach den vielen Schnitzern in letzter Zeit für bestimmte wichtige Gesprächspartner heute in Südtirol nicht mehr akzeptabel ist.4

„Die Südtiroler HochschülerInnenschaft war natürlich lange Zeit ein rotes Tuch (…) auch bei den Dolomiten.“ Toni Ebner

viel Raum ein wie die Aussendung Pallavers und liest sich, als ob sie direkt

Eine weitere Spitze gegen die SH brach-

von der JES-Südtirol stammen würde:

ten die Dolomiten Ende April, als sie

Daß der Vorstand der Südtiroler Hochschü-

die

Südtiroler

lerschaft einen eigenen Weg gehen will und

die

ÖH-Wahlen

2 3 4

JES-Kandidaten mit

Bild

für

vorstellten.

Dolomiten 25. Jänner 1979, S.7. Alle Zitate von Toni Ebner stammen aus der „Anekdotenrunde“ anlässlich der 60-Jahr-Feier der sh.asus am 11. September 2015 auf Schloss Maretsch. Dolomiten 10./11. Februar 1979, S.3.

47


Die JES-Kandidaten werden wie folgt

deutsche Volksgruppe untragbar, daß man

zitiert: Wir können mit gutem Recht behaup-

durch die Errichtung einer UNIVERSITÄT IN

ten, daß die große Mehrheit unserer Kol-

BOZEN die italienische Zuwanderung fördert.6

legen – im Gegensatz zur SH-Spitze – das Gleichstellungsgesetz für gut befindet. Die

Die Entgegnungen des SH-Vorsitzenden

SH (Südtiroler Hochschülerschaft), die sich

Pallaver

anmaßt, für „alle“ Südtiroler Studenten

Innsbruck druckte die Dolomiten später

zu sprechen, repräsentiert in Wirklich-

zwar ab, allerdings wiederum mit einem

keit nicht einmal 20 Prozent der in ganz

Kommentar der Schriftleitung versehen.

Österreich

studierenden

und

der

SH-Hochschulgruppe

Südtiroler.5 Erwähnenswert ist sicherlich auch, dass

Auch in der Universitätsfrage unterschie-

– trotz aller Querelen und Streitigkeiten –

den sich die Standpunkte. Im Werbeblatt

die Mitglieder der JES-S lange Zeit auch

JES

SPITZENTEAM,

Mitglieder der SH waren. Konservative(re)

worin die Kandidaten für die ÖH-Wahl

Positionen wurden beispielsweise auch

1979 vorgestellt wurden, gibt es als

in der LUPE genannte Gruppe vertreten

1. Programmpunkt eine klare Stellung-

(Gegenpart zur EULE). Diese konnte

nahme gegen eine Universität in Bozen:

durchaus auch vereinsintern punkten

DEIN

SÜDTIROLER

und 1977 und 1979 in der größten Wir SÜDTIROLER IN DER JES stellen uns auch

Außenstelle,

ganz entschieden gegen die Aussagen der

Verbindungsmann bzw. 1979 mit Martha

Südtiroler in der Studentengruppe FORUM,

Stocker die Verbindungsfrau stellen.

der

SH-Innsbruck,

den

wonach sie sich für eine Universität in Bozen einsetzen. Es ist nämlich für die

Ergebnis der ÖH Wahlen im Alto Adige, Deutsches Blatt, 19. Mai 1979, S. 13.

Auch bei den Wahlen für den Gesamt-

Dolomiten 8.5.1979.

5 Dolomiten 28./29. April, S.5. 6 Werbeblatt „JES DEIN SÜDTIROLER SPITZENTEAM“, Südtiroler Landesarchiv.

48


Alto Adige, Deutsches Blatt, 5. Juli 1981, S.13

ausschuss des Vereins wurden in diesen

Innerhalb der SH wurde dieser Austritt

Jahren jeweils 4/5 Vertreter/innen der

scharf kritisiert, wenn auch der Vorsit-

LUPE nach Bozen gewählt und konnten

zende Markus Mayr im Skolast bagatel-

sich dort einbringen. Die JES-S hinge-

lisierte: Noch nie ist um den Austritt von

gen konnte lediglich 1979 ein einziges

fünf Personen (es ist nicht der erste in

Mandat für den Vereinsausschuss in

der Geschichte der SH) aus unserer Or-

Bozen erringen, trat danach aber vereins-

ganisation so viel Geschrei entstanden.

intern

In einer Stellungnahme des SH-Aus-

nicht

mehr

in

Erscheinung.

schusses wurde bemängelt, dass diese

„Ich habe keine Probleme zu sagen, ich war mal massiv gegen die SH und ich muss ganz offen sagen, ich bin heute massiv für die SH.“ Toni Ebner

Aufsplitterung die Position der einzelnen Studenten schwächen und eine wirksame Vertretungsarbeit erschweren würde.8 Der Schlusssatz in der Stellungnahme ist auch heute noch aktuell und zeichnet auch das Wesen der nunmehrigen sh.asus aus: Die Südtiroler Studenten werden erkennen, daß nur eine unabhängige,

Auf der „SH-Wahlvollversammlung“, wie

pluralistisch

es damals hieß, am 2. Juni in Innsbruck,

kratischen Prinzipien aufgebaute und

gab dann die JES-Südtirol ihren Austritt

voll

aus der SH bekannt und kündigte an, eine

sation in der Lage sein kann, ein Min-

selbständige Gruppe aufbauen zu wollen.

destmaß an Vertretung studentischer

Ziel war, das de-facto Alleinvertretungs-

Interessen, wie es die ÖH an den öster-

recht der SH zu eliminieren und gleichzeitig

reichischen Hochschulen erfüllt, auch

am Topf der Fördermittel mitzunaschen.7

in unserem Lande selbst zu sichern.9

„Ziel der SH war immer, etwas für die Südtiroler Studenten zu tun – und ich glaube, das hat sich durchgesetzt.“

verfaßte,

funktionsfähige

nach

demo-

Sammelorgani-

Martin Fink

Toni Ebner 7 8 9

Piger, Klaus und Gudauner Karl: Stellungnahme der „LUPE“ zum Austritt der JES-Südtirol aus der Südtiroler Hochschülerschaft, in SKOLAST 2, 1981, S. 32-34. Mayr, Markus: Bericht des Vorsitzenden, in: SKOLAST 2, 1981, S. 29-32. Strobl, Albert (Ausschussvorsitzender): Stellungnahme des Ausschusses der Südtiroler Hochschülerschaft zum Austritt der JES aus der SH, 4. Juli 1981, Südtiroler Landesarchiv.

49


SKOLAST, 1994 3/4, Cover.

Kriegsdienstverweigerung. Ein unbequemes Grundrecht: Es war ein gesetzlich geregeltes Grundrecht: die Weigerung, den vom Staat verordneten Militärdienst an der Waffe anzutreten und stattdessen einen alternativen Zivildienst abzuleisten. Auch im SH-Büro leisteten viele junge Studenten ihren Zivildienst ab.

50

Jahrelang hatte sich in Italien eine seltsa-

zunächst das Grundrecht anzuerkennen.

me Allianz aus Radikalen, evangelischen

Erst 1977 wurde dieses Gesetz praktisch

Waldensern, Zeugen Jehovas und Begrün-

anwendbar. Heute mutet dies wie graue

dern des Movimento Nonviolento um Aldo

Vorzeit an, doch ist die „Wehrpflicht“ in

Capitini für dieses Grundrecht eingesetzt

Italien erst mit 1.1.2005 abgeschafft wor-

und Haftstrafen in Kauf genommen. Erst

den, womit auch Militärdienstverweige-

1972, mit dem Gesetz Nr. 772, erlaubte

rung und ziviler Ersatzdienst entfielen. Das

der italienische Staat die Ableistung eines

wiederum stellte Tausende von sozialen

Ersatzdienstes in sozialen Organisationen,

Organisationen aller Art vor das Problem,

später, auch mit einem eigenen Gesetz, in

auf den kostenlosen Einsatz von

der Entwicklungszusammenarbeit, ohne

dienstleistenden verzichten zu müssen.

Zivil-


Bis 2005 waren alle Jungmänner von

zu erwarten gewesen. Doch die amtlich

Amts wegen zum einjährigen Kasernen-

attestierte Tauglichkeit wurde nicht nur

dienst verpflichtet. Zu diesem Zweck

von den Jungmännern als Männlichkeits-

hatten sie – meist als Schüler – die amt-

nachweis groß gefeiert, sondern auch in

liche „Tauglichkeitsprüfung“ zu beste-

der Öffentlichkeit unkritisch bewertet. Von

hen. Tausende Südtiroler erinnern sich

politischer Seite wurde die Kriegsdienst-

noch lebendig an den Tag, als sie mit

verweigerung in Südtirol weder befürwortet

gerade

Kommission

noch gefördert. Es gab keine Kampagnen,

ihre Wehrfähigkeit beweisen mussten.

nicht einmal normale Informationsarbeit

18

Jahren

einer

Eine Prozedur, die sich mit einem Blick aufs ärztliche Zeugnis, einem Kreislauftest und einem Griff an die Weichteile erschöpfte. So wenig reichte, um seine Eignung als Kanonenfutter nachzuweisen. Auch in Italien hat noch kein „Wehrdienstanwärter“ darlegen müssen, warum er bereit war, für den Staat Gleichaltrige anderer

Staatsangehörigkeit

umzubringen.

der offiziellen Verbände, den organisierten Stumpfsinn in einer italienischen Kaserne abzulehnen und stattdessen einen sozial nützlichen Dienst bei einer Organisation im Land zu absolvieren. Kriegsdienstverweigerer wurden belächelt oder abgelehnt.

„Das Militär hat noch keinem Burschen geschadet“, sagten Väter, die den 2. Weltkrieg erlebt oder an der Front gekämpft hatten. DOLOMITEN-Kolumnist und Wehrmachts-

Gerade unter Südtirolern als ethnischer

soldat Josef Rampold versuchte noch in

Minderheit wäre ohnehin mehr Skepsis und

den 1980er Jahren, Südtiroler Kriegsdienst-

Distanz gegenüber dem italienischen Militär

verweigerer moralisch fertig zu machen.

51


Aufkleber der Südtiroler Kriegsdienstverweigerer, 1980er Jahre.

Doch einige Einzelkämpfer wie Max von

auch

Hartungen und Edi Wieser machten ab

die Ablehnung der NATO-Nachrüstung,

1977 auf das Recht auf zivilen Ersatz-

die grundsätzliche Kritik der atomaren

dienst aufmerksam, Martin Schweiggl

Konfrontation der Blöcke. Vielen jungen

informierte darüber im SKOLAST. Die

Leuten

SH war behilflich bei der Abfassung

Militärdienst als Akt der Vorbereitung

der Gesuche und bemühte sich um die

von Kriegshandlungen ethisch nicht zu

Schaffung von mehr Zivildienststellen

rechtfertigen war. Vielmehr wurde vie-

im Land. Eduard Demetz, später Musi-

len klar, dass der Drill hunderttausender

ker und Komponist, und ich waren die

Jugendlicher auch militärisch keinen Sinn

ersten Zivildiener bei der SH. So richtig

machte, wo doch jeder künftige Krieg

bekannt machte diese Alternative der

zwischen Atommächten nur von Gene-

Verein „Südtiroler Kriegsdienstverweigerer“,

rälen und Technikern an den Schalthe-

den einige Mitstreiter und ich 1983 grün-

beln der Atomwaffen entschieden würde.

deten. In jenem Jahr verweigerten 183

In Südtirol blieb die Friedensbewegung politisch schwach und hatte außer bei den Grünen und der radikalen Linken kaum Rückhalt.

Südtiroler den Dienst an der Waffe, mit langsam steigender Tendenz. Dies war nicht selbstverständlich, denn der Zivildienst dauerte immerhin acht Monate länger als der Militärdienst und bedeutete oft anspruchsvolle Sozialarbeit und längere Unterbrechung des Studiums.

durch

ging

die

Friedensbewegung,

damals

auf,

dass

der

1989 erklärte das Verfassungsgericht die acht Monate längere Dienstpflicht

52

Starken Auftrieb erfuhr die Kriegsdienst-

im Zivildienst für verfassungswidrig.

verweigerung in den 1980er Jahren

Da Zivildienstleistende nun gleich lang


ihren Dienst zu versehen hatten wie

aber streng unter Kontrolle des Verteidi-

die Soldaten, nämlich ein Jahr, stieg das

gungsministeriums behielt. So erhielten

Interesse auch aus ganz praktischen

die Zivildiener nach Ableistung des

Gründen sprunghaft an. Die verfügbaren

Dienstes einen dem Soldaten-Entlas-

Zivildienststellen wurden knapp, auch

sungsschein fast identischen „Foglio di

in Südtirol. Der Antrag auf Verweigerung

congedo“, der sie obendrein verpflichtete,

war zu einer reinen Formalität geworden.

im Kriegsfall für Dienste im Rahmen er

Der Zivildienst war sozial nützlich und

Militärlogistik bereitzustehen. Gegen diese

lehrreich, doch das politisch-moralische

Unterordnung unter militärische Inter-

Grundmotiv des Widerstands gegen den

essen auch als Zivildiener protestierten

staatlichen Zwangsdienst an der Waffe

wir Südtiroler Kriegsdienstverweigerer

trat mehr und mehr in den Hintergrund.

im Frühjahr 1984 mit einem demonstra-

Die Friedensbewegung verebbte mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems, während sich die Militärpflicht noch bis 2005 hielt.

tiven Akt zivilen Ungehorsams: in Lana

1998 wurde das Recht auf Kriegsdienst-

ist die Kriegsdienstverweigerung fast

verweigerung

Gewissensgründen

schon Geschichte geworden. Nicht so in

mit einem neuen Gesetz zum persönli-

den meisten Ländern außerhalb Europas,

chen Grundrecht im Gegensatz zum alten

wo Millionen junger Menschen jährlich zum

Gesetz Nr.772 von 1972, das den Zivil-

Dienst an der Waffe gezwungen werden.

aus

verbrannten wir öffentlich unsere Entlassungsscheine und wurden dafür prompt vom

fast

gleichaltrigen

Staatsanwalt

Guido Rispoli angeklagt, aber in zweiter Instanz freigesprochen. Mit dem Berufsheer, jetzt in Europa allgemeiner Standard,

dienst als eine Art Zugeständnis des Staats definiert hatte, die Kriegsdienstverweigerer

Thomas Benedikter

53


Südtiroler Studenten und Künstler (unter anderen erkennt man Franz Pichler, Matthias Schönweger, Egon Moroder Rusina und Jakob De Chirico) anlässlich der Eröffnung der von der SH veranstalteten Südtiroler Kulturtage 1981 im Palais Pallfy in Wien. Der Autor dieser Zeilen ist der Vierte von rechts.

AKTION FROSCH Am 20. November 1981 stürmten Polizisten die Wiener SH-Bude, 65 Südtiroler Studenten verbrachten die Nacht hinter Gittern. Rückblende auf eine kleine Episode, die großen Eindruck hinterließ. Damals war die Welt rot-schwarz. Hier

Richtig war dies freilich bloß, was die Füh-

die Linken, dort die Rechten. Dass es

rungsspitze der SH betraf. Die Mehrheit

auch so etwas wie eine Mitte gab, hat-

der Studenten – in Wien waren so an die

te sich noch nicht herumgesprochen,

500 Südtiroler inskribiert – war damals

und die wenigen Blauen, die hier und

nicht anders als heute: Man interessier-

dort auftauchten, sahen wir bloß als

te sich weder für Politik und schon gar

Schickimicki-Variante am rechten Spek-

nicht für irgendwelche Ideologien. Man

trum. Alles was nicht links war, war also

kam meist nur dann in die Bude, wenn der

rechts. Ganz einfach. Die Innsbrucker SH

Fahrkostenbeitrag ausbezahlt wurde. Die

zum Beispiel war – in unseren Augen –

ideologische Tätigkeit der SH-Führung

rechts, Wien war links. Wir waren links.

bestand also im Wesentlichen darin, die

1 Quelle: Norbert Dall‘O

54


Neuankömmlinge

zur

Bezahlung

der

Nächte um die Ohren schlagen, während er

SH-Mitgliedschaft zu überreden (was fast

Dienst schieben muss. Jedenfalls: Er schaut

immer gelang) und sie zu den SH-Veran-

böse – und ich lache. Alle, die an der Tür

staltungen einzuladen (weit schwieriger).

stehen und der komischen Szene beiwohnen, lachen sich krumm: „Uns verhaften? Ja

Die am besten besuchte Veranstaltung

warum denn – und vor allem: Wie denn?“

des Jahres war das Erstsemestrigenfest. Im Jahr 1981, als ich „Verbindungsmann

Die Beamten ziehen ab – wir feten weiter.

der SH in Wien“ war (so lautete damals

Aber nicht mehr lange. Nach wenigen

die offizielle Bezeichnung), fand das

Minuten schaut einer aus dem Fenster und

Fest am 20. November statt. Der Ort: die

sagt: „Hey Leute, die Schwarzspanierstraße

SH-Bude in der Schwarzspanierstraße.

ist voller Bullenautos!“ Bevor wir reali-

Es sollte eine Nacht werden, an die sich alle Beteiligten bis heute erinnern sollten.

sieren, was da abgeht, wird bereits die Budentür aufgebrochen. Dutzende Polizisten – offenbar handelt es sich um Beamte einer Spezialeinheit – stürmen herein. Einer packt mich an den Haaren und

Die Chronik der Ereignisse: In der Bude

am Hemd und zerrt mich hinaus, die

wird getrunken, gegessen, getanzt. Es sind

Treppen hinunter, rein in eines der

so an die 80 Leute gekommen, bei den

dort

meisten handelt es sich um Erstsemestri-

zeuge. Den anderen geht es genauso.

ge. Besondere Vorkommnisse: keine. Ge-

Passanten stehen am Rande der Straße und

gen 22 Uhr klingelt es. Vor der Tür stehen

staunen über das Tohuwabohu. Es muss

zwei Polizisten, ein kleiner und ein etwas

ganz danach ausgesehen haben, als würde

größerer. Der kleinere, ich glaube mich zu

weiß Gott welch gefährliche terroristische

erinnern, dass er sich als Inspektor Fröschl

Zelle

vorstellte, sagt, wir sollten die Musik leiser

Rote Armee Fraktion und Brigate Rosse

drehen. Klaro, sagen wir und verabschie-

waren damals durchaus noch ein Thema.

parkenden

grünen

ausgehoben.

Zur

Einsatzfahr-

Erinnerung:

den die Beamten. Nach rund einer Stunde – offenbar hatten wir vergessen, die Musik

Wir werden in die Rossauer Kaserne gefah-

leiser zu drehen – klingelt es wieder. Wie-

ren. Erst dort erfahre ich das Ergebnis der Ak-

der stehen die beiden Beamten vor der Tür

tion: 65 verhaftete Südtiroler Studenten. Der

– diesmal ist der Tonfall rauer: „Wenn die

Grund für die Verhaftung bleibt uns allen

Musik nicht sofort leiser gedreht wird, las-

schleierhaft. Ich werde als „Rädelsführer“

sen wir euch alle verhaften!“

identifiziert und in einer Einzelzelle inhaftiert. Bevor ich dort allein gelassen

Was dann passierte, lässt sich nur aus

werde, lerne ich die „Standardprozedur“

einem sehr subjektiven Blickwinkel rekon-

im Umgang mit Halunken kennen: nackt

struieren. So weit ich mich erinnern kann,

ausziehen und Körpervisitation über sich

hatte ich bereits einige Bier intus, weshalb

ergehen lassen. Die anderen verbringen

ich die Drohung nicht als solche, sondern

die Nacht in der Kapelle der Kaserne.

als humorvolle Einlage interpretierte. Ich sehe Inspektor Fröschl heute noch vor

Irgendwann in der Früh werde ich zum

mir stehen, wie er grimmig dreinblickt.

Verhör gebracht. Die Beamten stellen

Vielleicht wollte er endlich Feierabend

Fragen, die für mich keinen Sinn erge-

machen, vielleicht gingen ihm diese lang-

ben. Ich habe aber den Eindruck, sie

haarigen Bengel auf den Sack, die sich die

haben bereits realisiert, völlig überzo-

55


Aus dem „Lockbuch“ der SH Bude Wien.

56


gen gehandelt zu haben. Obwohl sie nach

man uns so etwas zugetraut hat. Magnago,

der Verhaftung die Bude gründlich auf

die SVP sowieso und vor allem der damalige

den Kopf gestellt haben, fanden sie we-

Kulturassessor Anton Zelger („Je besser wir

der Drogen noch sonst etwas Verdäch-

trennen, desto besser verstehen wir uns“)

tiges. Kurios: Etwa zehn von uns sind der

waren tatsächlich Dornen in den Augen

Verhaftung entgangen, indem sie sich auf

der linken SH – wie sich ja auch im Skolast

dem Klo versteckten oder im allgemei-

der damaligen Jahre nachlesen lässt.

nen Getümmel das Weite gesucht haben. Wien war damals ein politisch interessanIm Lauf des Vormittags trudeln einige der

tes, komisches Pflaster: Wir studierten so-

Verhafteten in der Bude ein. Wir schrei-

zusagen im politischen Paradies. Wien war

ben eine Pressemitteilung, versuchen,

die rote Hauptstadt einer roten Republik.

nach Hause zu telefonieren. Damals gab

Bundeskanzler war Bruno Kreisky, der eine

es weder Handys noch Internet, deshalb

Mordsgaudi hatte, hin und wieder seine

dauert es ein Weilchen, bis die Nach-

revolutionäre Ader herauszuhängen, etwa

richt bis nach Südtirol durchsickerte.

indem er Palästinenserführer Yasser Arafat und den libyschen „Revolutionsführer“

Glaubte die Polizei, wir würden in jener

Muammar al-Gaddafi in Wien zu Gast hatte.

Nacht eine Aktion planen? Fakt ist, am Abend des 21. November wurde am Wie-

Wie sich die Zeiten ändern: 1981 hat-

ner Rathausplatz der Christbaum aufge-

te die SPÖ in Wien 57,2 Prozent und re-

stellt. Und da er in diesem Jahr von Südtirol

gierte allein. Bürgermeister war Leopold

spendiert wurde, war Landeshauptmann

Gratz, Helmut Zilk war Kulturstadtrat. Bei

Silvius Magnago angereist. Die SH-Spitze

den traditionellen Aufmärschen am 1.

war zum Fest im Rathaus eingeladen.

Mai spazierten wir SH-ler inmitten einer

So viel ich weiß, hat niemand von uns an ir-

kunterbunten roten Großfamilie mit: vor-

gendeine Aktion gedacht. Allerdings war es

ne die Obergenossen der SPÖ, in unseren

lustig, mit dem Gedanken zu spielen, dass

Augen „die Bonzen“, irgendwo im hinteren

57


Aus dem „Lockbuch“ der SH Bude Wien.

Bereich die KP-ler, Maoisten, Trotzkisten,

Hemd und mit dem Gefühl im Bauch, so et-

Anarchos, Schwule, Lesben und andere

was wie ein revolutionärer Held zu sein, der

mehr oder weniger ernste Spaßmacher.

gerade d en Klauen eines Polizeiregimes

Dass es acht Jahre später die Berliner Mauer,

entkommen ist. Der Festsaal ist voll ele-

diese symbolische Demarkierungslinie

gant gekleideter Menschen. Als man mich

zwischen links und rechts, zwischen Sozia-

zum Rednerpult geleitet, legt sich plötz-

lismus und Kapitalismus, nicht mehr geben

lich eine bleiernde Stille über den Saal.

sollte, sprengte unsere Vorstellungskraft. Keine Ahnung, was ich gesagt habe. Ich Inzwischen geben in Wien andere Farben

weiß nur, dass Silvius Magnago, der in

den Ton an. Aus Genossen sind Kameraden

der ersten Reihe neben Bürgermeister

geworden, die mehrheitlich FPÖ wählen

Gratz saß, diesen verdatterten, nervö-

und Heinz-Christian Strache supertoll fin-

sen, langhaarigen Studenten der Sozio-

den. Der blaue Norbert Hofer hat bei der

logie, der irgendetwas Unverständliches

Bundespräsidentenwahl in Wien (!) mehr

herunterpalavert, entgeistert anblickte:

Stimmen erhalten als der rote Robert Hundstorfer. Aus dem Blickwinkel des Jahres 1981 war für uns ein Atomkrieg wahrscheinlicher als ein solches Szenarium. Am Abend des 21. November 1981, als

58

„Das also sind unsere Südtiroler Studenten“, dürfte er sich gedacht haben.

nach einer Nacht in der Rossauer Kaser-

Wie die Sache ausging? Bürgermeister

ne alle wieder in Freiheit gesetzt waren,

Gratz entschuldigte sich offiziell bei uns,

mache ich mich auf den Weg ins Rathaus

Kulturstadtrat Zilk lud alle Verhafte-

– immer noch mit demselben zerrissenen

ten als Entschädigung zum Abendessen.


Inspektor Fröschl wurde, so erzählte

abstruses Märchen über diese linke Brut

man uns jedenfalls, abgemahnt und ir-

aufzutischen, dass man eine Spezialein-

gendwohin versetzt, wo er keine weitere

heit in die Schwarzspanierstraße schickte.

Schäden anrichten konnte. Ich hab mich manchmal gefragt, welchen Liebend gern hätten wir „die Verhaftung“

Wirbel so eine Geschichte heute, in der Zeit

politisch verwertet: Die Geschichte von

der Handys, von Internet und der medialen

den bösen Bullen, die von rechten Politi-

Echtzeit-Kommunikation verursachen wür-

kern geschickt werden, um linke Studenten

de: „65 Südtiroler verhaftet!“ Mit fetzigen

einzuschüchtern, hätte perfekt in unsere

Bildern, Interviews, parlamentarischen An-

Klischees gepasst. Aber nicht mal die radi-

fragen und verzweifelten Eltern, die gegen

kalsten Genossen, von denen es in der Wie-

die Peiniger ihrer Kinder vor Gericht ziehen.

ner SH gar einige gab, vermochten solch

Von jenem 20. November 1981 gibt es –

abenteuerliche Theorien ernst zu neh-

so viel ich weiß –, kein einziges Foto, in

men. Auch heute, 35 Jahre später, habe ich

den Dolomiten erschien einige Tage spä-

nur eine Erklärung für das Unerklärliche:

ter ein kleiner Bericht. Und meine Eltern

dass eben einem Polizeibeamten die

erfuhren erst davon, als wir über diesen

sprichwörtlichen Rösser durchgegangen

Aufreger schon wieder lachen konnten.

sind, und dass es ihm tatsächlich gelang, dem Einsatzkommando ein dermaßen

Norbert Dall’Ò

Dolomiten, 23.11.1981, S.5.

59


Cover Skolast 2010/2.

Wie das -Innen zur Hochschülerschaft kam ... zum Gendering einer Traditionsorganisation

60

Der erste skolast, den ich gelesen

Damals wurde der skolast allen Maturant-

habe, war die Nummer 4 im Jahr 1978,

Innen zugeschickt und die Freundin

ein

blau-weißem

meiner älteren Schwester war eben

Cover und dem schlichten Titel „frauen“

im Maturajahr, an sie war er adressiert,

Klein-

ich war 16 Jahre alt. Dieser skolast lag

schreibung, auf dem Adressenpickerl

zufällig auf unserem Küchentisch; ich fing

stand aber noch ganz ungeniert „Frl.“

an darin zu blättern und war fasziniert.

dünnes ganz

Heft

mit

avantgardistisch

in


Da ich das Exemplar heute noch besitze

In der Folge sind noch mehrere Frauen-

und meine Unterstreichungen und Kom-

skolaste erschienen: Der zweite im April

mentare an den Seitenrändern ansehen

1984, in dem es vor allem um Arbeits-

kann, fällt es mir umso leichter, mich an

welten von Frauen ging; ein dritter zwei

die damalige Faszination zu erinnern.

Jahre später zum 8. März 1986, der ausschließlich von Frauen gestaltet wurde

Trotz der Thematik waren die männlichen

und deutlich umfangreicher war als seine

Autoren in der Überzahl: Die meisten mei-

beiden Vorgänger. Dieser Frauenskolast

ner Unterstreichungen und Ausrufezei-

wurde am 8. März mit einem Frauenfest

chen finden sich beim Aufsatz von Arno

im Bozner Kolpinghaus vorgestellt; ein

Teutsch „Ansatz zu einer Diskussion über

tolles Fest mit viel Aufbruchstimmung.

die Problematik der Frauenerwerbstätigkeit in Südtirol.“ Auch der Text von Marlies Gasser „Die Frau in einer von Männern

Pionierinnen

beherrschten Gesellschaft“, in dem es u.a.

Für die SH als Organisation waren es vor

um die geschlechtsspezifische Erziehung

allem die 1980er Jahre, in denen sie auch

ging, beeindruckte mich, den Ausrufezei-

auf institutioneller Ebene begann, sich in

chen am Rande nach zu beurteilen, sehr.

der Geschlechterfrage nicht nur zu po-

Da las ich Dinge, über die ich noch kaum

sitionieren, sondern Zeichen zu setzen.

gehört hatte! Was ich da las, erschien mir sofort einleuchtend und drückte

Von ihrer Geschichte her hatte die Süd-

vieles aus, was ich bereits empfunden,

tiroler Hochschülerschaft ja eher eine

wofür ich aber noch keinen Ausdruck

männliche Tradition. Wenn man die ers-

gefunden hatte – ein Schlüsselerlebnis.

ten Skolastnummern durchblättert, dann finden sich fast ausschließlich männ-

Die Südtiroler Hochschülerschaft (das -Innen gab es da noch lange nicht) nahm, wie bei einigen anderen gesellschaftspolitischen Themen, auch in der Frauenfrage eine Vorreiterrolle ein

liche Autoren und auch die Ämter innerhalb der Organisation – zumindest in der Zentrale in Bozen – waren fest in männlicher Hand. Was ja auch kein Wunder war, lag der Anteil der Frauen unter den Studierenden in Südtirol noch in den 1970er Jahren bei knapp einem Viertel.

– zumindest innerhalb der deutschspra-

1976

chigen BewohnerInnen des Landes. Es

ter,

gab zu dieser Zeit zwar auch schon die

eine Frau als Vorsitzende der SH, da-

Südtiroler Volkszeitung, zeitweise mit ei-

nach waren es wieder für zehn Jah-

ner eigenen Frauenseite, aber dieser erste

re Männer, die den Vorsitz innehatten.

Frauenskolast war ein Zeichen dafür, dass

Die ersten Anfänge einer autonomen Frauenpolitik innerhalb der SH reichen ins Studienjahr 1979/80 zurück.

man gerade innerhalb der SH relevante gesellschaftspolitische

Themen

früh-

zeitig erkannte und sich in einer gründlichen Weise damit auseinandersetzte.

gab nach

es

mit

zwanzig

Renate Jahren,

Mumelerstmals

61


Damals wurde erstmals innerhalb des Vorstandes in Bozen ein Frauenreferat ins Leben gerufen, getragen von Brunhilde Platzer, Zita Marsoner und Luise Wörnhart. Auch in Innsbruck und Wien entstanden in der Folge Frauengruppen, wobei die „Wienerinnen“ am Anfang eher skeptisch waren und offenbar wenig Lust auf allzu viel Südtirolbindung hatten. Das SH-Frauenreferat berichtete dann in seinem Jahresbericht 1979/80 über die Tätigkeit, so etwa den Kontakt mit anderen Frauengruppen im Lande (AIED, Unione Donne Italiane (UDI), Südtiroler Volkszeitung und Südtiroler Kulturzentrum) und schloss mit der Aussage, das Ziel sei es gewesen, Frauen für die SH zu sensibilisieren. Ob das gelungen sei, dazu eher vorsichtig: „Wir wagen es nicht zu behaupten, dass gerade wegen des Frauenreferates heuer mehrere Frauen im SH-Ausschuss sitzen, aber es freut uns.“ Etwas offensiver dann im Programm für 1980/81: Man wolle einen Beitrag leisten „um die Themen des Feminismus aus den Frauenkollektiven zu tragen und die Gesellschaft (und, mit Erlaubnis, auch die SH) zur Auseinandersetzung zu zwingen.“ Und dafür wurde auch einiges getan: So wurden insgesamt drei Seminare – immer im kleinen Vortragssaal des Waltherhauses – organisiert, in denen es Referate und Diskussionen zu frauenspezifischen Themen gab. „EXTRA“, 5. März 1993.

62


Am 8.11.1980 gab es ein Seminar zum Thema „Die Präsenz der Frau in der Südtiroler Schule“, in dem sowohl die zahlenmäßige Präsenz und vor allem die Verteilung der Frauen auf die verschiedenen Schultypen und Schulstufen unter die Lupe genommen wurden. Außerdem gab es ein Referat über die Darstellung der Frauen in den Schulbüchern an Südtirols Schulen. Im Februar 1981 folgte dann ein Seminar über „Die Frau in der Arbeitswelt“ und gleich im März eines zum Thema „Frau und Familie in Südtirol.“ Hier wurden Grundsteine gelegt.

Feministische Kollektive Ab Mitte der 1980er Jahren kamen die Frauen verstärkt zum Zug und sie kamen gleich zu mehreren: 1985/86 wurde die SH erstmals von einem Vorstandskollektiv geleitet, nach außen repräsentiert von Ramona Gruberi und Michaela Ralser. Dass es sich nicht nur um eine personelle Veränderung handelte, sondern diese ebenso mit einer inhaltlichen Schwerpunktsetzung verbunden war, zeigte sich an den Themen, die in diesen Jahren zusätzlich zur traditionellen Agenda der SH ins Zentrum rückten. So übernahm die SH 1985 eine führende Rolle in der Debatte um ein Frauenhaus-Gesetz für Südtirol. Studentinnen, die im deutschsprachigen Ausland die Realität der Frauenhäuser kennengelernt hatten, brachten ihre Erfahrungen ein. Es war in erster Linie Michaela Ralser, die hier Pionierarbeit leistete. Gemeinsam mit anderen Frauen(organisationen) in Südtirol (besonders jene vom AIED) und den Landtagsabgeordneten Andreina Emeri (Alternative Liste für ein anderes

Südtirol/Lista

alternativa

per

„EXTRA“, 5. März 1993.

63


un altro Sudtirolo), die im Sommer 1985 verstarb, und Grazia Barbiero (PCI/KPI), wurde ein Gesetzesvorschlag zur Errichtung eines Frauenhausdienstes in Südtirol ausgearbeitet. Das Landesgesetz vom 6. November 1989 war das erste Gesetz in Italien, das einen solchen Dienst für Frauen, die Gewalt ausgesetzt waren, etablierte und die SH-Frauen hatten dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Ab 1988 war es für einige Jahre das Thema der studierenden Mütter, das die SH ziemlich intensiv beschäftigte. Nach

dem

ersten

Vorstandskollektiv

von 1985/86 folgten wiederum drei männliche Vorsitzende, bis 1989/90 wieder ein Kollektiv zum Zug kam, dem Claudia Gaßlitter und Melitta Pitschl einen markanten Stempel aufdrückten. Sehr bald nannten sie sich feministisches Vorstandskollektiv und rückten genderspezifische Themen unübersehbar in den Fokus ihres Engagements. Kein Wunder, dass die offizielle Umbenennung in Südtiroler HochschülerInnenschaft in ihre Amtszeit fiel. Die sprachliche Anpassung war nur eine logische Konsequenz der geänderten Realitäten – auch innerhalb der SH. Im März 1990 fand im Bozner Kolpinghaus eine Tagung statt. Thema: „Frau und Krankheit. Spielraum und/oder Engpass.“ Die Teilnahme an der Tagung war ausschließlich Frauen vorbehalten. Dieser Separatismus – innerhalb der Frauenbewegung eine vertraute und begründete Praxis – stieß im Lande auf empörtes Unverständnis. Als Beispiel für viele sei der damalige ff-Journalist Hans Karl

„EXTRA“, 12. März 1993.

64


Peterlini zitiert: „Glaubt man ihren männlichen Kollegen, sind sie immer so, die autonomen Frauen in der Hochschülerschaft: die meisten Studentinnen in Innsbruck, Pädagogik oder Psychologie, wo die Lehre, wie man es als Frau vermeidet, auf Männer sympathisch zu wirken, zum Prüfungsstoff gehören muss. Denn sympathisch sein, wäre bereits eine Unterwerfung unter den potentiellen Täter. Ja nicht nett sein!“ (ff 1990/24, S. 56) Die Tagung war trotz des Männerausschlusses gut besucht. Ihre Ergebnisse wurden in einem skolast im Dezember 1990 publiziert. Es folgten weitere Tagungen zu feministischen Themen: Im März 1992 zum Thema „Opfermythen und Geschlechterverhältnisse“, im September 1993 eine mit dem Titel „Von der GESETZten Wirklichkeit ARBEITender Frauen“ und im September 1994 eine zum Thema „Frauenhaus. Zwischen Autonomie und Anpassung“. Dabei ging es vor allem um die Erfahrungen des MeFlor in der FF, ? März 1993.

raner Frauenhauses, das erste, welches in Südtirol auf der Grundlage des Gesetzes von 1989 organisiert war. Einerseits garantierte die darin zugesicherte 100%ige Finanzierung das längerfristige Funktionieren des Frauenhauses, andererseits wurde das Frauenhaus im Gesetz als Sozialprojekt definiert, das den Frauen helfen sollte „ihre größten Probleme zu überwinden und sich in der Gesellschaft wieder zurechtzufinden.“ Für die Frauen, die in diesem Projekt engagiert waren, ging es aber vor allem auch um Gesellschaftskritik und -veränderung. Es ging darum, gesellschaftliche Ursachen für die Gewalt gegen Frauen zu benennen und zu bekämpfen. Die Ergebnisse dieser Tagungen wurden jeweils im skolast veröffentlicht.

65


Institutionalisierung Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre

schiedet, in dem auch die SH (allerdings

war die SH zweifellos ein Brennpunkt für

nur in den ersten beiden Amtsperioden

feministische Aktivitäten in Südtirol. In

1990 –1994 und 1994 – 1998) vertreten

diesen Zeitraum fallen auch die Bemühun-

war. 1991 verabschiedete das italienische

gen innerhalb der SH ein Frauennetzwerk

Parlament das Gesetz 125 über die positi-

zu gründen, welches vor allem bildungspo-

ven Maßnahmen zur Förderung von Frau-

litische Fragen aus der Geschlechterper-

en. Darauf beriefen sich die Frauen der

spektive aufgreifen und entwickeln wollte.

SH, als sie von der Landesregierung mehr Geld und eine bezahlte Stelle für das ge-

Es waren dies allgemein die Jahre der

plante Frauennetzwerk innerhalb der SH

Institutionalisierungsdebatte, in der es

forderten. Denn in der bisherigen Form

darum ging, wie sich Fraueninteressen

„war das immer wieder nur punktuelle

organisieren sollten, um mehr Anerken-

Aufblitzen von Frauenschwerpunktarbeit,

nung und Kontinuität zu bekommen. Da-

nicht aber ein Kontinuum in Gruppen und

bei gab es vereinfacht gesagt jene, die

mit interessierten Frauen“ eine unbefrie-

durch eine Institutionalisierung mehr

digende Realität, wie Melitta Pitschl im

Sichtbarkeit und politisches Gewicht er-

skolast 1992/2 formulierte. Deshalb ent-

hofften, während die anderen darin auch

schlossen sich die Frauen ein „Autonomes

eine Gefahr für die Autonomie und Unab-

Frauennetzwerk in der SH programmatisch

hängigkeit der Frauenbewegung sahen.

auszuformulieren und dessen Verankerung zu versuchen.“ (Pitschl im skolast 1992/2)

66

1989 wurde in Südtirol, entsprechend der

Daraus wurde aber nichts. Den Grund da-

europäischen und nationalen Richtlinien,

für sahen Pitschl und Gaßlitter vor allem

das Gesetz zur Errichtung eines Landes-

im SH-internen Widerstand. Gaßlitter

beirates für Chancengleichheit verab-

im gleichen skolast: „Das Projekt für das

Cover Skolast 1978/4.

Cover Skolast 1984/2.


‚Frauennetzwerk‘ wurde in der Folge der

Auf die Südtiroler Hochschülerschaft passt

sich überschlagenden Verleumdungen und

diese Wesensform jedoch nicht.“ Dies

Anschuldigungen auf Eis gelegt. (…) Leider

schreibt Thomas Ohnewein im Vorwort zum

schrecken manche ‚Erobererpersönlichkei-

Findbuch des SH-Bestandes im Südtiroler

ten‘ vor keinem Mittel der Abwehr zurück,

Landesarchiv. Ich kann ihm nur zustimmen:

wenn Frauen ihre starken Seiten zeigen.“

Die Geschichte der SH zeigt, dass immer

Autonome Frauenpolitik ist in der SH also

wieder über den bildungspolitischen Hori-

auch auf starken Gegenwind gestoßen.

zont hinaus gedacht und interveniert wurde. Das ist ein gutes Zeichen für die Lebendigkeit einer Organisation. Das Interesse

In Bewegung

an frauenpolitischen Themen hat seit Mit-

1955 gegründet, gehört die SH zu den

te der 1990er Jahre deutlich nachgelassen

Traditionsvereinen im Lande. Es gibt wahr-

– zumindest was die Quantität der Publi-

scheinlich kaum eine Organisation, die

kationen bzw. der Veranstaltungen betrifft.

einerseits eine so klare Kontinuität in ihren Tätigkeitsfeldern aufweist wie die SH

2010 ist wieder, diesmal gar eine skolastin,

(Bildungspolitik, Stipendien, Studientitel-

erschienen. Das Thema: „Das mit dem

anerkennung als ständige Begleiter)

Tschänder“ und „der Versuch einer Standort-

und sich dennoch immer wandlungsfähig

bestimmung der (post/trans/etc.-)gender

und offen für neue Fragestellungen ge-

orientierten, queeren, feministischen Theorie

zeigt hat.

und Praxis, der feministischen Bewusstseinsarbeit in der mitteleuropäischen Provinz

„Institutionen verkörpern allzu oft ver-

und dort ganz speziell im universitären

knöcherten Bürokratismus und sind Sinn-

Umfeld

bild eines starren Verwaltungsapparates.

Ein

im

Jahr

spannendes

2010.“ Heft,

(Editorial)

eher

theore-

tisch orientiert und den Blick weit über die Südtiroler Provinz hinaus gerichtet. Seitdem sind auch schon wieder sechs Jahre vergangen. Man/frau darf gespannt sein, wie sich das -Innen innerhalb der SH in Zukunft artikulieren wird. Martha Verdorfer

Cover Skolast 1986/1.

67


DER umwEg IsT DAs zIEL Bildungs- und meinungsbildungsprozesse am Beispiel einer hochschuldebatte – politische und studentische Abwehrkämpfe, verirrungen und Aufbrüche in der vor- und Frühgeschichte der Freien universität Bozen.1 Das Gasthaus, in dem am 15. April 1955

Walther ein erster regulärer Präsident

die Südtiroler Hochschülerschaft (noch

gewählt wurde. An der Vollversamm-

ohne Binnen-I) gegründet wurde, gibt es

lung nahmen 63 Mitglieder teil, eine gar

nicht mehr, es verkörperte mit seinem

nicht so schwache Beteiligung, wenn be-

feudal-bäuerlichen Interieur so etwas wie

dacht wird, dass es damals nicht mehr als

die Altbozner Wirtshausherrlichkeit zwi-

rund 300 Studierende aus Südtirol gab.

schen Bürgerlichkeit und Bauernjoppe. Erster provisorischer Präsident (so hieß

Eher als von einer Basisbewegung muss

das damals noch) war Paul Stacul, der

zu diesem Zeitpunkt von einer Initiati-

aber schon bald einrücken musste und

ve von oben gesprochen werden. Die

von Alfred Pichler wieder nur proviso-

Lage der Südtiroler Jugend war ein Jahr-

risch ersetzt wurde, bis mit Franz von

zehnt nach Kriegsende eher von Re-

1

68

Dieser Beitrag orientiert sich weitgehend an der Aufarbeitung der Südtiroler Universitätsgeschichte in: Peterlini, Hans Karl (Hrsg.) (2007): Universitas est. Essays zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol vom Mittelalter bis zur Freien Universität Bozen / Saggi sulla storia della formazione in Tirolo/Alto Adige dal Medioevo alla Libera Università di Bolzano / Essays on the history of educa tion in Tyrol and South Tyrol from the Middle Age to the Free University of Bozen-Bolzano / Articui sun la storia dla formazion tl Tirol/Südtirol dala Eté Mesana fino a la Université Ledia de Bulsan . Bozen-Bolzano-Bulsan: Raetia 2007; es werden vor allem Teile der Beiträge „Das Trojanische Pferd“ (S. 163–189) und „Rebellenjahr“ (S.201–254) verwendet und auf Gegenwartsdiskurse fokussiert.


signation

Perspektivenlosigkeit

musste.

Bildungsbeflügelung,

Universität Padua standen im Geruch

Aufbrüche artikulierten sich vor allem

einer ethnischen Mission, um „einen neu-

in

Gegenbewegungen

en Keim der Italianität – diesmal basierend

zu der in zermürbenden Autonomiever-

auf den kulturellen Motiven – in ein Gebiet

handlungen selbst zermürbten politischen

zu senken, das an Italienischem nicht mehr

Führung. So dürfte die Zahl jener, die sich

besaß (und besitzt) als den Namen“, so die

bald

Paduaner Uni-Zeitschrift „il bò“ 1956.2

geprägt

und als

von

patriotischen

im

Befreiungsausschuss

Südtirol

Die Brixner Sommerkurse der

(BAS) zu einer zunehmend gewaltbereiten Untergrundbewegung zusammenfanden,

Sofern überhaupt von bildungspolitischen

nicht kleiner gewesen sein als die gesam-

Strategien in Südtirol die Rede sein konnte,

te Südtiroler Studentenschaft. Der Bedeu-

waren sie auf das Notwendigste und

tungsverlust der Landwirtschaft zog der

Dringendste gerichtet – Haushaltungs-

bäuerlichen Jugend regelrecht den Boden

schulen für die zuvor von sekundärer

unter den Füßen weg, erste Abwanderun-

Schulbildung

gen nach Österreich und Deutschland tru-

Mädchen der Land- und Bergbevölkerung,

gen zu jener „Volk in Not“-Stimmung bei,

Kurse für die wenig ausgebildete werk-

die sich bald in einem schärferen, von An-

tätige

schlägen begleiteten politischen Kurs ent-

organisation gab es, nachdem der frühere

laden sollte. Studieren war ein Luxus für

„Bund

Privilegierte entweder von der Herkunft

eingegangen war, de facto nicht mehr.

her oder weil sie in den Genuss vorwiegend

Impulse für eine Neuorganisation gin-

klerikaler Nachwuchsförderung kamen.

gen von Schulamtsleiter Josef Ferrari aus

völlig

Bevölkerung. der

ausgeschlossenen

Eine

Südtiroler

Hochschul-

Hochschüler“

und waren eher vom Lehrkräftemangel in Eine Südtiroler Universität war zu diesem

der deutschen Schule und der fehlenden

Zeitpunkt nicht nur kein politisches

Anerkennung von Studientiteln aus dem

Ziel, sondern ein Schreckgespenst, das

deutschsprachigen

es zu verscheuchen galt. Pläne für die

Eine erste aktive Auseinandersetzung mit

Gründung

wurden

Hochschulfragen waren 1954 die „Mera-

von italienischen Regierungsstellen und

ner Hochschulwochen“. Damit sollte dem

Bildungsrepräsentanten wenig vertrau-

Werben und der Sogkraft italienischer

ensbildend als Initiativen einer „Koloni-

Universitäten eine deutschsprachige Ini-

sation von hoher Kultur“ oder „geistiger

tiative entgegengesetzt werden. Der An-

Kolonisation“ bezeichnet – Reizworte, die

stoß kam vom Südtiroler Kulturinstitut,

nach Faschismus und bei anhaltender

eine erste Initiative war 1955 die Grün-

Zuwanderung Abwehrreaktionen auslösen

dung der SH als landespolitisches Projekt.

einer

Universität

Ausland

motiviert.

2 il bò. Organo degli studenti dell’Università di Padova, 30.4.1956, zit. n. Dolomiten, 1.9.1956.

69


In der festgefahrenen Verhandlung um

italienischer

Universitäten

bekämpft.5

die von Rom verweigerte Studientitelan-

Eine autonome Regelung der Stipendien-

erkennung kam durch die SH ein frisches

vergabe wurde zweimal rückverwiesen,

Element ins Spiel. Die Lage war festgefah-

weil darin auch Studien im deutschspra-

ren, die SVP wollte alle Gespräche abbre-

chigen Ausland berücksichtigt wurden.

chen, die SH trat dagegen unkonventionell

Die Bevorzugung von Innsbruck durch

dafür ein, einen Kompromiss anzunehmen

Südtiroler Studierende sei „offenkundig

und weitere Forderungen zu stellen. Sie

gegen den Staat, dessen Bürger sie sind,

begann mit jenen sprachlichen Formeln

und gegen unsere Universitäten gerich-

zu verhandeln, die man in Rom verstand:

tet“.6 Im Südtiroler Landtag wurde die

„Die Südtiroler Hochschüler in ihrer Stel-

Universität Innsbruck auch von einem

lung zwischen zwei großen Kulturen sind

moderaten Abgeordneten wie dem Sozial-

nicht nur berechtigt, sondern europäisch

demokraten Decio Molignoni als „Tempel

gesehen sogar verpflichtet, ihre kultu-

des Tiroler Irredentismus“ bezeichnet.7

rellen Güter, nämlich Sprache und Überlieferung, nicht bloß zu wahren, sondern

Entsprechend misstrauisch wurden Vor-

auch zu fördern. Andererseits fühlen sie

schläge für eine Universität in Bozen von

sich als Europäer ebenso verpflichtet, mit

der SVP und der Hochschülerschaft aufge-

rückhaltloser Aufgeschlossenheit die kul-

nommen. Molignoni schlug eine Sprachen-

turellen Werte Italiens aufzunehmen.“

fakultät für Italienisch und Deutsch vor,

3

der ebenfalls moderate DC-Abgeordnete Im Februar 1956 erschien, initiiert von

Alcide Berloffa eine Fakultät für Wirt-

Franz von Walther und Rainer Seberich, die

schaftswissenschaften.

erste Ausgabe des „fahrenden Skolasten“,

die italienische Politik dagegen, dass der

von einer gesellschaftspolitischen Aus-

Volkswohnbau – als wichtiges Instrument

richtung aber konnte keine Rede sein.

der Italianisierungspolitik – an die Landes-

Die SH bot sich als Mitveranstalterin bei

verwaltung übergehen könnte,8 lösten die

den Meraner Hochschulwochen an, orga-

Universitätspläne umgekehrt Vorstellun-

nisierte Ferienreisen, half bei der Grün-

gen einer „geistigen Industriezone“ aus.9

Stemmte

sich

dung von Hochschulgruppen und der Beschaffung der „Buden“, sorgte sich um

Das Misstrauen schlug auch auf Hochschul-

die – von Rom für ausländische Studien

initiativen von deutscher Seite durch. Als

lange verwehrte – Stipendienfrage und

zu den Meraner Hochschulwochen 1958

um die Vergabe von Kulturbeiträgen.

der österreichische Außenminister Bruno

4

Kreisky geladen war und LandeshauptDie wenig minderheitenfreundliche Hal-

mann Alois Pupp eine Rede halten sollte,

tung der römischen Regierungen ermög-

wünschte SVP-Obmann Silvius Magnago

lichte kaum Öffnung. Die Wettbewerbe

vorher Einsicht in das Manuskript. Dabei

für Stammrollenlehrer wurden von staat-

waren die Hochschulwochen in dieser

licher Seite boykottiert und von Rektoren

Phase alles andere als systemkritisch aus-

3 4 5 6 7 8 9

70

Seberich, Rainer (2000): Südtiroler Schulgeschichte. Muttersprachlicher Unterricht unter fremdem Gesetz. Bozen: Edition Raetia: S. 241 f. http://asus.sh/de/about/history. Seberich 2000, S. 242 ff. Dolomiten vom 1.9.1956, vgl. Widmann, Franz (1998): Es stand nicht gut um Südtirol. 1945–1972. Von der Resignation zur Selbstbehauptung. Aufzeichnungen der politischen Wende. Bozen: Raetia: S. 209. Alto Adige, 20.10.1955. Widmann 1998: S. 436. 5.11.1955 und 10.11.1955.


Skolast 1974/2, Cover.

gerichtet: 1959 sprach Peter Platter über

ich sehe aber auch keine Notwendigkeit

die „Katholische Jugend und Südtirol“,

dafür, wenigstens besteht diese nicht für

Friedl Volgger über „Jugend und Volkstums-

die Südtiroler. Diese wissen nämlich um

gedanke zwischen 1. und 2. Weltkrieg“,

den Wert der Begegnung mit einer Kultur

Bischof Joseph Gargitter über „Kirche und

in deren Mutterland und sind mit den Stu-

Jugenderziehung“, Toni Ebner über „Europa“.

dientitelabkommen, einige Lücken ausgenommen, sehr zufrieden. Beide Kulturen

Die Universitätsdebatte war letztlich ein

in r e i n e r Form [Hervorhebung im Origi-

Monolog. Vorschläge, Initiativen, Forde-

nal] kennenzulernen, scheint mir die Auf-

rungen von italienischer Seite, kategori-

gabe der Studenten in Südtirol. Bei einer

sche Abwehr auf deutscher Seite. 1960

Universität in Südtirol fürchte ich aber, daß

sah ein Zehnjahresplan die Errichtung von

ein Mischprodukt herauskommen würde,

Universitäten in all jenen Regionen Itali-

das nicht Fisch und nicht Fleisch ist.“11

ens vor, die noch keine Hochschule hatten – es waren dies Kalabrien und Basilicata,

Vision und Zeit passten nicht zusammen:

Für die SH

In der Vision einer Bozner Universität lock-

kappte Rainer Seberich jeden Dialogfaden:

te zwar ein Bildungsversprechen im be-

„Ich sehe keine Möglichkeit, wie die Grün-

schworenen europäischen Geist, zugleicht

dung einer doppelsprachigen Universität

steckte in der Rhetorik und dahinterste-

in Bozen durchgeführt werden könnte,

henden Strategie noch zu viel von der bis

Aosta und Trentino-Südtirol.

10

10 Vgl. Alto Adige, 19.11.1960. 11 Skolast 1959/6, S. 8.

71


dahin erfahrenen Majorisierungspolitik.

Hochschülerschaft, nun auch durch Rainer

Einerseits

Innenministeri-

Seberich, um eine „sachliche Argumenta-

um Trachtenaufmärsche, das Hissen der

tionsebene“; einen neuerlichen Vorstoß

weiß-roten Tiroler Fahne, die Feiern zum

1963 wies die SH aber weiterhin als „ge-

Andreas-Hofer-Sonntag 1960, drohte mit

förderte geistige Unterwanderung“ zurück:

der Ausweisung ehemaliger Deutschland-

„Eine Universität Bozen wird so lange nicht

optanten durch Verweigerung oder Ent-

unsere Zustimmung finden, als wir ernst-

12

zug der italienischen Staatsbürgerschaft.

lich befürchten müssen, daß sie als ein

Andererseits füllten Professoren und In-

politisches Instrument gegen unsere Inter-

tellektuelle ganze Seiten in den italieni-

essen missbraucht wird. Erst wenn wir mit

schen Tageszeitungen mit Vorschlägen zu

guten Gründen annehmen können, daß sie

einer Bozner Universität.

Und zugleich

auch unsere Kultur fördert, sind wir bereit,

war die Universität Innsbruck eine star-

an ihren europäischen Geist zu glauben.“17

verbot

das

13

ke Operationsbasis für die Nordtiroler Unterstützung

der

Südtirol-Anschläge.

In vorsichtiger Dosierung begann die Dis-

Hier rekrutierten Dozenten und Intellek-

kussion in der Südtiroler Studentenschaft

tuelle von extrem rechts (Norbert Bur-

Fuß zu fassen. Christoph Pan ging 1965 im

ger) bis hin zu Widerständlern gegen das

„Skolast“ zwar davon aus, dass „die Grün-

NS-Regime (Wolfgang Pfaundler, Helmut

dung einer Universität in Bozen vorwiegend

Heuberger) gleichermaßen das Boden-

als ein gegen unsere Volksgruppe gerichte-

personal für die Südtirol-Anschläge.

tes Politikum“ empfunden werde, stellte

14

aber eine solche Betrachtung zugleich inMit der Bombenserie, die sich bis zur Feu-

frage.18 Erstmals wurden von Südtiroler Sei-

ernacht im Juni 1961 steigerte, endete die

te „bereichernde“ Aspekte einer Universität

Uni-Debatte jäh. Innenminister Mario Scelba

in Südtirol angesprochen, so die „bedeu-

machte noch einmal den Vorschlag einer

tende positive Ausstrahlung auf das wirt-

Universität in Südtirol, um der Gewalt eine

schaftliche, soziale und kulturelle Leben

Stätte der geistigen Auseinandersetzung

ihrer Umgebung“. Deshalb sei die „katego-

entgegenzustellen, doch konnte kaum et-

risch ablehnende Haltung“ möglicherweise

was anderes erblickt werden als der neu-

nicht mehr sinnvoll. Pan schlug die Bildung

erliche Versuch einer „beschleunigten

einer zweisprachigen Europa-Universität

Integration Südtirols in Italien“, wie Kultur-

nach dem Modell von Freiburg/Fribourg in

politiker Anton Zelger noch ein Jahrzehnt

der Schweiz vor, wo er damals studierte.

später gemahnte.

15

Scelba kündigte die

Unigründung in einem Atemzug mit den

Eine andere Überlegung galt der mögli-

Polizeimaßnahmen gegen den Terror an.

chen Verschlechterung der Studientitelan-

16

erkennung aufgrund der Attentate, die ab Wie ein Kerzenlicht flackerte die Vision

den frühen 60er-Jahren zu erschwerenden

einer Südtiroler Universität immer wieder

Ein- und Ausreisebestimmungen geführt

kurz auf, um sofort wieder ausgeblasen

hatten. Möglicherweise sei es im Falle ei-

zwar. Zwar bemühte sich die Südtiroler

ner „Anerkennungssperre für die im Aus-

12 Vgl. Peterlini 2016: v.a. 42–118. 13 Vgl. Alto Adige, u.a. 11.2., 17.2., 18.2., 4.3., 9.3.1961. 14 Peterlini, Hans Karl (2016): Feuernacht. Südtirols Bombenjahre. Hintergründe – Schicksale – Bewertungen. 2. Auflage. Bozen: Raetia: S. 109. 15 Anton Zelger bei einem Vortrag 1970 in Innsbruck, Nachrichtenagentur Italia. 16 Vgl. Dolomiten, 23.6.1961. 17 Skolast 1963/2, S. 4. 18 Vgl. Skolast 1965/3, S. 13 f.

72


Skolast 1974/2, S.7.

land studierenden Südtiroler“ ratsam, eine

Eine Entwicklung in der Nachbarschaft

19

Universität im eigenen Lande zu gründen.

weckte zumindest Neugier: Das 1962 in

Die Skolast-Autorin Beatrix Lutteri ver-

Trient gegründete „Istituto Universita-

warf ihre Idee schon im nächsten Atemzug:

rio Superiore di Scienze Sociali“, aus

Wenn Italien wirklich so hart vorgehen soll-

dem dann die Fakultät für Soziologie

te, stünde zwangsläufig auch eine Universi-

hervorging, wurde zum ersten Baustein

tät in Südtirol unter Italianisierungsdruck.

der Trentiner Universität. Hatte die SVP

Nur eine Verbesserung der Beziehungen

zunächst aufgeatmet, weil der staatli-

innerhalb der Europäischen Wirtschafts-

che Druck auf eine regionale Universi-

gemeinschaft (EWG) und mit Österreich

tät damit ein Ventil gefunden hatte und

könnte neue Voraussetzungen schaffen.

20

das Thema einer Südtiroler Uni erledigt

Rechtswissenschaften,

schien, wurde Trient nun zu einem Ka-

Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, tech-

talysator der Hochschuldebatte auch in

nische

Dolmetscherausbildung,

Südtirol. Den Gegnern der Universität

europäische Studien, postgraduelle Spezi-

diente Trient als Abschreckung, weil das

alisierungskurse für Deutsch, Französisch

Soziologiestudium in Trient zum Kristal-

und Englisch – die konkreten Vorschläge

lisierungspunkt für die 1968er-Bewe-

wichen wenig von den vielen bis dahin

gung wurde. „Heute ist diese Fakultät

von italienischer Regierungsseite entwi-

für ‚Soziologie‘ eine Keimzelle für Pro-

ckelten Ideen ab. Die Quelle aber war nun

testierer der extremen Linken bis zu den

die eigene Südtiroler Studentenschaft.

Anarchisten“, schrieb im Februar 1970

Vergleichende Fächer,

19 Vgl. Skolast 1966/1/2, S. 19f. 20 Ebd.

73


der

aufstrebende

SVP-Jungpolitiker

Hans Benedikter in den von Hans Dietl gegründeten Südtiroler Nachrichten“.

weil das unmöglich ist.“ - „Man soll doch nicht immer großspurig

21

von ‚doppelsprachiger Universität‘ als

Bezeichnend daran ist, dass sich da-

‚Brücke‘ zwischen zwei ‚Kulturräumen‘

rin

Argumente

faseln. Das ist ein allgemeines Gewäsch.“

Südtiroler

- „Mit all dem Geld, das dieser Aufwand

Universitätsdebatte fast bis in die Ge-

einer ‚Universität auf Sparflamme‘ in

genwart bestimmend bleiben werden:

Bozen kostet, können die Hochschüler

- „Denn die ‚Universität‘ in Trient ist

unseres Landes, Deutsche und Italiener,

keine Universität. […] Soll der Trientiner

ohne große Sorgen an den größten und

oder – im Falle der ‚Universität Bozen‘

besten Universitäten Italiens,

- der Bozner, in seiner Vaterstadt, die

reichs oder Deutschlands studieren.

ja nicht gerade ein großer Anziehungs-

Damit ist der Kulturaustausch viel

punkt ist, schon als Student versauern?“

besser gewährleistet.“

schon

nahezu

wiederfinden,

die

alle

für

die

Öster-

- „Vom jungen Arbeiter nimmt man heute an, daß ihn nicht nur die geringeren

Zum anderen aber dient Trient auch als

Arbeitsmöglichkeiten in der Heimat

Argument für eine Uni: Südtirol dürfe

oder die besseren Verdienstmöglich-

nicht den Anschluss verlieren und müsse

keiten im Ausland zur Arbeit in anderen

aufpassen, dass seine jungen Talente zum

Ländern bewegen, sondern mindestens

Studium nicht ausgerechnet nach Trient

in gleichem Maße der Wille, etwas von

abwandern. In der Südtiroler Hochschüler-

der Welt zu sehen, mehr ‚Schliff‘ zu

schaft, die um 1965 einen politischen

bekommen,

werden

Wechsel vollzog (der sich im schrittwei-

und damit nicht nur seine fachlichen,

sen Übergang des Vorsitzes von Luis

sondern

menschlichen

Durnwalder und Heinz Zanon auf Pepi

Fähigkeiten zu erweitern und seine

Zelger und Otto Saurer ausdrückte), be-

Rührigkeit und Initiative anzuregen.

gann es zu brodeln. Auf einer eigenen

Der Universitätsstudent aber soll bis 25

Studientagung zum Thema „Universität“

Jahre in seinem Elternhaus in Trient

in Dietenheim/Bruneck 1966 untersuchte

oder in Bozen hocken, von der Welt

Hartmann Peter Hinterhuber, auch er einer

nichts

der jungen Wilden, die Möglichkeit, dass

gewandter

auch

sehen

seine

und

zu

ein

billiges

Doktorat erwerben.“

sich eine österreichische oder deutsche

- „Wir wollen aber keine Universität auf

Universität in Südtirol mit einer Zweig-

Sparflamme und uns nützen Akademiker

stelle niederlassen könnte. Als Vorbild

nichts, die auf einer solchen Sparflamme

nannte er die John-Hopkins-University

gargekocht würden. Gerade für die

in Bologna.22 Dass solche Ideen nicht

Minderheit ist das wichtig. Wenn wir

nur verwegen waren, zeigte das Inte-

uns behaupten wollen, müssen wir

resse von – den Quäkern nahestehen-

mehr leisten als die anderen. Dazu

den – Professoren aus Birmingham, die

müssen unsere jungen Akademiker

sich intensiv mit einer Universitätsgrün-

hinaus in die großen Zentren. Eine

dung in Südtirol als Modellversuch für

richtige,

die

gute,

leistungsfähige

Uni

versität bekommen wir nicht, einfach

Aussöhnung

ethnischer

Konflikte

durch Bildungsinstitutionen befassten.23

21 Südtiroler Nachrichten, 28.2.1970. 22 Skolast, Sondernummer zur X. Studientagung „Ziele und Möglichkeiten einer Kulturpolitik für Südtirol“, 1966. 23 Informationen von Egmont und Eva Jenny sowie Rainer Seberich im September / Oktober 2007; vgl. Seberich 2000, S. 354.

74


Skolast 1974/3, S.8.

Promotor

einer

Universität

tes auf Struktur und Führung der Uni

war auch der spätere Oppositionsabge-

sei kaum einzuschränken, sodass auch

ordnete Hans Lunger. Dieser ging von ei-

eine zweisprachig gedachte Einrichtung

ner Analyse des Einzugsgebietes aus und

letztlich ins Italienische kippen werde.25

hielt den Standort Südtirol für möglich.

Eine zweite Entwicklung verknüpfte die

Die „Dolomiten“ druckten Lungers Ex-

Hochschulfrage – wie dann noch einmal

pertise auf einer ganzen Seite ab, wenn-

vor der tatsächlichen Gründung in den

gleich sie vorbeugend erklärten, sich

1990er Jahren – mit der Not um die Lehrer-

mit dem Inhalt nicht zu identifizieren

ausbildung. Durch die Einführung der Ein-

und gern auch Gegenmeinungen abzu-

heitsmittelschule in Italien 196326 wurde

drucken, was sich in der Folge lebhaft

der eklatante „Mangel an qualifizierten

ereignete.

Für Lunger waren die poli-

Lehrpersonen“ in Südtirol offensichtlich.27

tischen Bedenken gegen den national-

Schullandesrat Zelger wandte sich an die

staatlichen Missbrauch einer Universität

Universitäten Padua und Innsbruck, um

berechtigt, müssten aber im Zuge der Pa-

diese für eine gemeinsame Hochschulini-

ketverhandlungen durch kluge und weit-

tiative zu gewinnen. Nun wurden auch die

sichtige Lösungen überwunden werden.

beargwöhnten Sommerkurse der Univer-

24

Südtiroler

sität Padua in einem neuen Licht gesehen Für einen breiten Umschwung in der

– als mögliche Sonderkurse für die berufs-

Studentenschaft war es noch zu früh.

begleitende Ausbildung von Lehrkräften.

Kurz vor Lungers Offensive hatte eine

Rektor Enrico Opocher sprach zur Eröff-

Arbeitsgruppe der SH eine „Europäische

nung der „Corsi estivi e corsi di cultura per

Universität in Südtirol“ als nicht zielfüh-

insegnanti supplenti in Bressanone“ von

rend betrachtet. Der Einfluss des Staa-

einem „neuen Klima“.28 Der neue Brixner

24 Beiträge Lungers in Skolast 1967/3 und Dolomiten, 2.10.1967; Reaktionen darauf in Dolomiten 3.10., 5.10., 6.10., 9.10.1967. 25 Skolast 1967/2, zit. n. Ladurner 1993. 26 Das Gesetz wurde am 31.12.1962 verabschiedet und trat am 31.1.1963 durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Republik in Kraft. 27 Alto Adige, Blatt für deutsche Leser, 25.1.1970. 28 Annuario dell’Università di Padova 1971, S. 3 ff.

75


Bürgermeister Zeno Giacomuzzi sprach

„Paket“ von 1969 stellte einen entschei-

dankbare Grußworte, Silvius Magnago,

denden Schritt zur autonomiepolitischen

Anton Zelger und der deutsche Schul-

Absicherung Südtirols dar, der bis dahin

amtsleiter David Kofler nahmen an der Ze-

gebundene Energien für neuen Schwung

remonie teil. Schon die ersten Kurse wur-

und neue Selbstwahrnehmung frei mach-

den von 353 Hilfslehrkräften besucht.

te. Mit der üblichen Verspätung schwappte

29

auch der Geist der Studentenrevolten von Öffnung und Vorsicht hielten sich die

1968 über den Alpenhauptkamm, ein ju-

Waage. Rainer Seberich erinnert sich an

gendliches Bedürfnis nach Neuerung, nach

konstruktive Gespräche mit den SVP-Poli-

Emanzipation, nach Abstand von Tradition

tikern Karl Mitterdorfer und Hans Rubner.

und Väterkultur suchte Raum und The-

Von dieser – vorübergehenden – Öffnung

men. Die Universität wurde zum Streitfall.

zeugt auch ein Briefwechsel zwischen Peter Brugger und Hans Dietl, beide Ex-

Zu einem ersten Bruch war es in der SH

ponenten

SVP-Flü-

schon 1966 gekommen, als der Uni-

gels. Brugger überlegte „eine geistes-

ablehnende Vorsitzende Luis Durnwalder –

wissenschaftliche Fakultät in deutscher

nach einer turbulenten Interimsära – vom

Sprache für unsere

zukünftigen Mittel-

öffnungsbereiten Otto Saurer abgelöst

schullehrer in Südtirol anzustreben, und

wurde. Mit dem seinerzeit noch religiös in-

zwar über die zu errichtende Universität

spirierten Jungaktivisten Alexander Langer

Trient“,

war ein weiterer Protagonist späterer

Padua

des

wobei

patriotischen

auch

eingebunden

die

Universität

werden

sollte.

30

Jahrzehnte im Spiel. Langer ironisierte den Wechsel in der SH im „Skolast“ als

Diese Perspektive einer von auswärti-

Beginn einer neuen „Epoche von Otto I.“31

gen Universitäten getragenen Fakultät in Südtirol war innovativ und bedeu-

Vieles kam plötzlich in Bewegung. So lud

tete zugleich, dass die SVP einer zwei-

der Bischof um 1967 eine Gruppe um den

sprachigen „Volluniversität“ im eigenen

neuen SH-Vorsitzenden Saurer zu einer

Lande abschwören konnte. Die ange-

Aussprache mit dem Thema: Braucht Süd-

dachte pädagogische Fakultät kam nicht

tirol eine Universität? Joseph Gargitter

zustande, wohl aber setzte die SVP

legte sich selbst nicht fest, aber allein dass

weiterhin auf die Zusammenarbeit mit

er die Meinung der Hochschüler zu hören

Padua und Innsbruck, was später zum

wünschte, deutet auf sein Interesse an der

Studium des Italienischen Rechts in der

Frage. Bei dem Treffen war auch Langer

Tiroler Landeshauptstadt führen sollte.

dabei, der eine katholische Studentenorganisation vorschlug, worauf Saurer

Zwischen der Suche nach begrenzten

meinte, die SH sei eigentlich schon katho-

pragmatischen Lösungen und dem Wunsch

lisch genug. Um 1966 wurde Langer von

einer neuen Generation nach kulturellem

den „Dolomiten“ sogar beauftragt, eine

Aufbruch tat sich eine Kluft auf. Das Schlüs-

eigene – von der SH auch als Konkurrenz

seljahr ist wohl nicht zufällig 1970: Das

beargwöhnte – „Beilage des Hochschü-

29 Nachrichtenagentur Italia, 22.7.1970. 30 Archiv Hans Dietl. 31 Vgl. Skolast 1966/9/10, S. 36 f; zur religiösen Motivation Langers vgl. seine Aufsätze über die Marianische Studentenkongregation vom 1.11.1961 und über die Fastenzeit vom 1.3.1962 auf www.alexanderlanger.org unter „Schriften – Lebensstile“. 32 Information von Otto Saurer, 13.9.2007. 33 Leitartikel von Pepi Zelger über den „konkurrierenden Skolastikus“ in Skolast 1966/7/8, S. 3.

76


lers“ zu betreuen, eine Zeit lang schrieb

Egger, mochte mit der aufbegehrenden

er zusammen mit Saurer dafür.

Wenige

Jugend trotzdem nicht ganz brechen. Bei

Jahre später sollte die SH dann aus der

der Eröffnung der Hochschulwochen 1969

Sicht Langers zu wenig weit links stehen.

kündigte er eine Erneuerung für das kom-

Mit dem Wechsel von der Durnwalder-

mende Jahr an.34 Diese aber hatte gera-

zur Saurer-Ära war die SH war zum ersten

de Freude daran gefunden, die Borsten zu

Mal seit ihrem Bestehen kein berechen-

zeigen: Auf der Studientagung 1969 hielt

barer Partner mehr. Zwar verstanden sich

Norbert C. Kaser seine berühmt-berüchtigte

Saurer und Durnwalder bald wieder recht

Rede

gut, aber schon bald klafften die Brüche

Literatur, deren heilige Kühe zu schlachten

neu auf. Unter den nächsten zwei Vorsit-

seien. Die „Dolomiten“ reagierten empört.

zenden Hellmuth Ladurner und Hansjörg

Eine erbetene Aussprache mit der SH lehn-

Dell’Antonio boykottierte die SH 1968

te Chefredakteur Toni Ebner sen. ab, wor-

und 1969 die aus ihrer Sicht zu regi-

auf SH-Vorsitzender Hansjörg Dell’Antonio

mehörigen

hart konterte: „Wie lange will man noch

Meraner

33

Hochschulwochen.

über

Südtirols

Blut-und-Boden-

eine derartige Pressediktatur dulden?“35 Der Präsident des Kulturinstitutes, Fritz

Skolast 1975/1, Cover.

34 Vgl. Dolomiten, 6./7.9.1969. 35 Stellungnahme von Hansjörg Dell’Antonio im Namen des Vorstandes der Südtiroler Hochschülerschaft zur Berichterstattung der Dolomiten, September 1969.

77


Wie sehr es in der Hochschülerschaft drun-

on Vorsitzender bleibt oder sein Nachfol-

ter und drüber ging, zeigte auch ein Diskussi-

ger sich von diesem nicht mit Nachdruck

onsabend zum Südtirol-Paket im November

abhebt“.39 Die Stellungnahme des in Ve-

1969. Die Magnago- und Paket-kritischen

rona studierenden Bernhard Pirchers gibt

„Dolomiten“

wohlwollend

die Heftigkeit der Auseinandersetzung

die kritischen Stimmen, da in der SVP

wieder: „Nach Abschluß meines Studiums

„die Selbstkritik ja unterblieben“ sei.36

werde ich sicherlich nicht all die schönen

vermerkten

Lieder der Burschenschaften und der verDell’Antonio nannte die Universität eine

schiedenen Verbindungen kennen und

Lücke im Paket. Saurer, wie Luis Durnwalder

ich werde mich auch sicherlich nicht so zu

1969 unter den Paketgegnern einge-

der deutschen Herrennation hingezogen

reiht, sprach von Öffnungen in der Uni-

und zugehörig fühlen, wie dies vielleicht

versitätsfrage. Langer plädierte bereits

bei dir und anderen der Fall sein wird.“40

im Namen einer „alternativen Linken“ für die Universität als „Ort der Begegnung

Waren die Unterschiede beim Wech-

der Volksgruppen, an dem die Südtiroler

sel von der Durnwalder- zur Saurer-Ära

einen Anschluß an das Staatsleben und

noch verwischt und ausheilbar gewe-

die ansässigen Italiener einen solchen an

sen, kam es nun zum ideologischen

die örtlichen Gegebenheiten finden sol-

Bruch. Die Gruppe von Studierenden

len, ohne gegenseitige Übervorteilung“.37

um Hellmuth Ladurner und Gottfried Solderer positionierte sich klar links.

Welten stießen da aufeinander, auch

Ladurner forderte in dem auf Paul Zanons

in

Grundsatzartikel

der

Hochschülerschaft.

„Kartoffel,

folgenden

„Skolast“

Spaghetti oder Canederli“ überschrieb

demonstrativ und ironisch eine „Schüt-

Paul Zanon – mit dem die konservative

zen-Universität“ zur Wahrung von Väter-

Studentenschaft nach dem Abtritt seines

glaube, Heimatliebe, Zucht und Ordnung.41

Bruders Heinz wieder an die Spitze gekommen war – als SH-Vorsitzender 1970

Auf der einen Seite mauerte die Gruppe

einen Grundsatzartikel zur Universitäts-

um Zanon weiterhin gegen eine zwei-

frage: Eine Universität in Südtirol riskiere

sprachige Universität, auf der anderen

alle Übel des italienischen Universitäts-

Seite wurde genau diese zur zentralen

systems zu reproduzieren und zu einer

Forderung der Rebellen in der SH, so

„Serienproduktionsstätte für Doktoren“

Ladurner: „Hier bietet sich nur eine Lösung

zu verkommen. Zanon stellte die kultu-

an: eine Hochschule, an der beide Landes-

relle Verteidigung der Südtiroler Min-

sprachen paritätisch vertreten sind und

derheit über die Universitätsfrage. Eine

deren Pflichtvorlesungen in jeweils einer

Universität in Bozen werde die „Dege-

der beiden Landessprachen (ohne Paral-

nerierung der Muttersprache“ fördern.38

lelvorlesungen in der anderen) gehalten werden. Das heißt, der Student muß beide

Der Reihe nach drohten SH-Mitglieder

Sprachen beherrschen, will er im Studium

mit Austritt oder Rücktritt, „solange Zan-

fortkommen. Die Prüfungen müssen in der

36 Dolomiten, 18./19.11.1969. 37 Zit. n. Stocker, Emil: Abschließender Bericht der Universitätskommission der SH. In: „Skolast“, Sondernummer zur XIV. Studientagung „Hochschule in Südtirol – für Südtirol?“ S. 197. 38 Skolast 1970/1/2. 39 Skolast 1970/3. 40 Skolast 1970/3. 41 Skolast 1970/3.

78


SH-Uni-Dossier, November 1995, S.9.

79


Sprache der Vorlesung abgelegt werden.

schen Fakultäten in Trient und einer geis-

Nur diese Lösung nimmt auf die kulturelle

teswissenschaftlichen Fakultät in Bozen

Struktur des Landes Rücksicht und läßt

mit deutscher und italienischer Abtei-

sich in sie harmonisch einfügen.“

Eben-

lung“ für möglich, etwa nach dem Muster

so exponierte sich Hanns Egger, indem er

Nürnberg-Erlangen. Ein anderes denkbares

das gängigste Argument der Gegner auf-

Modell schien ihm eine Südtiroler Uni, die

zuspießen versuchte: „Auf ein besonders

von Innsbruck und Padua als gleichberech-

tückisches Gegenargument möchte ich

tigte Partner getragen werde, wofür aber

noch eingehen, nämlich daß die Südtiro-

ein bilaterales Abkommen zwischen Öster-

ler, die vom Lande kommen, doch einmal

reich und Italien nötig sei. Auf keinen Fall

die Möglichkeit haben sollen, ihren Ho-

dulde die SVP „eine geistige Industriezone“.

42

rizont zu erweitern und in die Welt hinauszukommen. Eine Universität in Bozen

Eine institutionelle Plattform für die

würde ihnen das nicht bieten können.

Bildungsdiskurse wurde im „Forum für

Wenn das so wäre, dann müßten heute

Bildung und Wissenschaft“ angestrebt,

alle Südtiroler Akademiker einen welt-

gemeinsam gegründet von SH und Kultur-

weiten Horizont besitzen, denn sie haben

institut. Vorsitzender war Otto Saurer (von

alle außerhalb von Bozen studiert. Zwei-

der SH berufen), sein Vize Hanns Egger

tens könnte man gleich folgende Gegen-

(vom Kulturinstitut berufen), drittes Mit-

frage stellen: Warum sollen denn nur die,

glied war Gerhard Mumelter. Beigezogen

die auf die Universität kommen, etwas von

wurden auch die Studenten Gottfried

dem Welthorizont mitbekommen, und wa-

Solderer und Hellmuth Ladurner. Tatsäch-

rum sollte, nachdem es sich doch um Tau-

lich gelang es, Max Horkheimer zu den

sende handelt, von dieser Öffnung nicht

Meraner Hochschulwochen einzuladen.

auch in Bozen etwas zu finden sein?“

Über die Kritischen Theorie kam er auch auf

43

die Manipulation durch Medien zu sprechen. Über Monate hinweg drohte die SH aus-

Entsprechend sauer reagierten die „Dolo-

einanderzubrechen. Die linken Studen-

miten“: „Nach links abgewichen“, war das

ten erwogen die Gründung einer alter-

Etikette für die neuen Hochschulwochen.

nativen

Hochschülerschaft.

Interessant

ist die Haltung der „Dolomiten“, die im

In der SH legte Emil Stocker einen Be-

Frühjahr 1970 noch beide Seiten fair zu

schlussantrag für eine zweisprachige Uni

Wort kommen ließen und – meist mit

vor, der mit zehn Jastimmen, sechs Enthal-

dem Hinweis auf die Bedeutung jugend-

tungen und vier Gegenstimmen denkbar

licher Kritik – auch die Argumente der

knapp eine formale Mehrheit erhielt. Ein

linken Studentenschaft sachlich ausführ-

Gegenantrag von Hermann Raffeiner sah

ten. Selbst Kulturlandesrat Zelger warf

nur die Errichtung einer pädagogischen

bei einem Vortrag in Innsbruck nicht alle

Fakultät vor und unterstellte gleichzeitig

Türen zu: „In der Frage der Errichtung ei-

den italienischen Forderungen nach ei-

ner Universität in Bozen ist es nicht güns-

ner zweisprachigen Universität fehlendes

tig, wenn man eine Vogel-Strauß-Politik

Einfühlungsvermögen für die Südtiroler

So hielt er eine „regionale

Belange. Dieser Antrag scheiterte am um-

Universität mit zwei oder drei italieni-

gekehrten Verhältnis von Enthaltungen45

betreibt.“

44

42 Dolomiten, 6./7.5.1970. 43 Promemoria für die „Unterkommission zur Erarbeitung von Richtlinien in der Universitätsfrage“, 10.4.1970. 44 Nachrichtenagentur Italia, 8.7.1970. 45 Beide Resolutionen stammen vom 28.9.1970.

80


und Gegenstimmen – zehn Ja, sechs Nein,

die Grundsatzartikel von Universitäts-

vier Enthaltungen. Damit hatte sich SH zu

befürwortern in die Dokumentation der

einer Position durchgerungen, die es der

Unterkommission

SVP schwerer als bisher machte, eine zwei-

Jahresende tagte die Kommission vier-

sprachige Universität pauschal abzulehnen.

mal, entfaltete aber darüber hinaus eine

Hansjörg Kucera befand in der „Tiroler

intensive Erhebungsarbeit zu den Mög-

Tageszeitung“, „daß es kindisch sei (so wie

lichkeiten

es die ‚Dolomiten‘ getan haben), die Uni-

Auch der Arbeitskreis Südtiroler Mittel-

versität deshalb abzulehnen, weil die Idee

schullehrer und die Südtiroler Lehrerge-

von italienischer Seite ausgegangen ist

werkschaft erhöhten ihren Druck, da die

und von dieser Seite unterstützt wird, wes-

Supplentenproblematik brennend sei.48

halb sie nur für die Italiener geschaffen

Im Februar 1971 nahm schließlich am

würde und nicht für die Südtiroler“.46

Rande der Pressekonferenz zu seinem Fas-

einer

aufgenommen.

Bis

Universitätsgründung.

tenhirtenbrief auch Bischof Joseph GargitErneut machte es sich Anton Zelger

ter positiv zu einer Universität Stellung.49

weniger leicht, als sein späterer Ruf glauben machen würde. Die erste Sitzung zu

Erstmals standen damit intensiv Bildungs-

der von ihm einberufenen Unterkommis-

und Entwicklungsfragen des Landes auf

sion für die Hochschulfrage eröffnete er

der Tagesordnung der SVP – ein Themen-

mit dem Wunsch, „leidenschaftslos das

wechsel von der Volkstums- zur Bildungs-

Für und Wider einer Universitätsgründung

politik, wenngleich die Volkstumsfrage

zu prüfen“. Seine eigene Haltung umriss

noch lange nachwirken sollte. In der von

er mit Bezug auf seine schon im Landtag

Zelger eingesetzten Unterkommission kam

eingenommene Position: „a) über die

es zu zwei auseinanderstrebenden Positi-

Errichtung einer rein italienischen Uni-

onen. Schulinspektor Karl Seebacher, der

versität könne überhaupt nicht geredet

die Kommission bei Abwesenheit Zelgers

werden; b) ein Gespräch hinsichtlich

geleitet hatte, legte eine Entschließung

Errichtung jeder anderen Form einer

vor, die sich für die schrittweise Verwirkli-

Universität bleibe offen; man müsse

chung einer Hochschule aussprach, wobei

sich aber Klarheit über die Gründungs-

unmittelbar mit einer „Forschungsstätte

idee verschaffen; c) außer Diskussion

auf Hochschulebene für den Lehrernach-

bleibe der Grundsatz, daß der Stoff in

wuchs“ begonnen werden sollte; das Pa-

deutscher Sprache nur von Professo-

pier wurde mit sechs Ja- bei vier Nein-

ren deutscher Muttersprache vorgetra-

stimmen

gen werden könne; d) die Errichtung

Zelger legte eine eigene Resolution vor,

einer Universität dürfe nicht ohne Befra-

die mit fünf Nein- bei vier Jastimmen ab-

gen der Bevölkerung bzw. Entscheidung

gelehnt wurde.50 In seiner Vorlage lehnte

der

der Schullandesrat die Schaffung einer

politischen

Vertreter

erfolgen.“47

mehrheitlich

eigenständigen

verabschiedet,

Universität

ausdrück-

Dies schloss nicht einmal eine „dop-

lich ab, zum einen wegen der Gefahr des

pelsprachige“ Universität aus. Bewusst

Provinzialismus, zum anderen wegen der

wurden als Diskussionsgrundlage auch

Risiken von Instituten, die vom deutschen

46 Zit. n. Nachrichtenagentur Italia, 25.11.1970. 47 Protokoll vom 13.3.1970. 48 Vgl. Schreiben Lehrergewerkschaft der Cisl vom 12.12.1970. 49 Nachrichtenagentur Italia, 24.2.1971. 50 Vgl. Skolast 1971/1.

81


Kulturraum völlig losgelöst seien. So sah

Rückzugsgefechten verschwendet, in schö-

die Zelger-Resolution lediglich die Errich-

nen profunden Abhandlungen wie jener

tung eines Pädagogischen Institutes ohne

von Max Haller über die „Gesellschaftliche

Lehrbetrieb sowie die Ausschöpfung von

Funktion einer Hochschule“. „Übrig blieb“,

Kooperationsmöglichkeiten der Univer-

so Hellmuth Ladurner in einem 1993 ver-

sitäten Innsbruck und Padua in Südtirol

fassten Rückblick, „eine kleine Schar Un-

vor, unter der Bedingung, dass die Zusam-

verbesserlicher

menarbeit international abgesichert sei.

und verbrannte Erde: keine Basis für eine

Der bildungspolitische Putsch in der Un-

weiterführende, vertiefende Erörterung

terkommission, wiewohl letztlich nur in

des Problems.“ Die Universitätsdebatte,

Feinheiten artikuliert, fand ein jähes Ende

so hoffnungsvoll frech und institutionell

in der Landesschulkommission. In dieser

seriös sie 1970 begonnen hatte, steck-

waren die Mehrheitsverhältnisse schlicht

te schon 1971 wieder in der Sackgasse.

umgekehrt:

Die

(Utopisten,

Idealisten)

Seebacher-Resolution

wurde mit 16 gegen 6 Stimmen abgelehnt,

Noch aber bäumten sich die „Unverbesser-

das Zelger-Dokument mit 16 gegen 6 Stim-

lichen“ auf: Die SH ließ vom Thema nicht ab.

men angenommen. Damit war die Frage

Das „Forum für Bildung und Wissenschaft“

entschieden: Der SVP-Parteiausschuss be-

nahm seine Hochschultagung auch im Sep-

schloss am 19. April 1971, dass „die Nach-

tember 1971 wieder auf, umbenannt in

wuchsförderung der Südtiroler [...] allein

„Südtiroler Forumsgespräche“ Das Motto

die Errichtung einer eigenen Universität

der Tagung war „Bessere Bildungschancen

Die

für alle“.53 Um die Bevölkerung für die Idee

Zelger-Vorlage wurde mit dem Vorschlag

einer Universität zu gewinnen, wurde ein

ergänzt, im „Lande Einrichtungen zu schaf-

„Verein für die Errichtung einer Hochschu-

fen, welche die Ausbildung von Werkstu-

le in Südtirol“ angedacht.54 Und mit dem

denten gewährleisten und die Fortbildung

Vorsitzenden Sepp Kußtatscher griff die SH

der Lehrkräfte im allgemeinen steigern“.

1974 das Thema neu auf, als hätte es nie

Es war die Geburtsstunde des Südtiro-

einen Rückschlag gegeben. Für die Eröff-

ler Bildungszentrums und der Werkstu-

nungsrede wurde Sergio Los von der Uni-

dentenkurse in Zusammenarbeit mit den

versität Venedig über die „Krise der Univer-

Universitäten Innsbruck und Padua, mit

sität und mögliche Auswege“ gewonnen,

der nun in Wochenend- und Abendkursen

als Referenten kamen Paolo Prodi von der

universitäre Abschlüsse für einige Jahr-

Universität Trient, Rainer Seberich (mitt-

gänge von Südtirolern möglich wurden.

lerweile für die Südtiroler Mittelschulge-

zur Zeit nicht rechtfertigen“ könne.

51

werkschaft tätig) und Peter Seidel von der Für die Universitätsdebatte war es ein klei-

Universität Innsbruck ins Waltherhaus. Mut

ner Tod. Zynisch formulierte es Hellmuth

gemacht hatte den Hochschülern auch ein

Ladurner: „‚Kartoffel‘ und ‚canederli‘ ha-

neues Staatsgesetz, von dem bei künftigen

ben sie erschlagen und ‚spaghetti‘ haben

universitären Strukturen ein Mitsprache-

sie erwürgt.“

recht für Region und Land erhofft wurde.55

52

Von da an hätten sich die

Befürworter der Universität nur noch in

51 Resolution SVP-Parteiausschuss, 19.4.1971. 52 Ladurner 1993, S. 158. 53 Bessere Bildungschancen für alle. Entwurf eines Bildungsprogrammes. Südtiroler Forumsgespräche 1971. Forum für Bildung und Wissenschaft (Hg.).2. unveränderte Auflage. Bozen 1971. 54 Strukturprobleme des Südtiroler Bildungswesens. Forumsgespräche 73. Forum für Bildung und Wissenschaft: Bozen 1973. 55 Vgl. Haller, Max: Gesellschaftliche Funktion einer Hochschule in Bozen. In: Skolast 1976/2.

82


SH-Uni-Dossier, November 1995, S.32.

Die SVP bekräftigte – auf eine sehr heftige

auch alle italienischen Manöver der Ver-

Intervention von Alfons Benedikter hin –

gangenheit aus dem Weg. Er schlug ein

noch vor Tagungsbeginn ihr Nein zu einer

„regionales Universitätssystem“ mit zwei

Universität und lehnte eine Teilnahme

völlig gleichberechtigten Sitzen vor, Trient

ab. Anton Zelger, der das Eröffnungsrefe-

und Bozen. Während in Trient Soziologie,

rat zugesagt hatte, musste auf Weisung

Wirtschaft, Naturwissenschaften und Ma-

der Partei wieder absagen.56 Die Tagung

thematik ausgebaut würden, könne Bo-

begann mit einer politischen Überra-

zen die Geisteswissenschaften (Literatur,

schung. Der Rektor der Universität Trient

Geschichte, Philologie, Pädagogik) und

Paolo Prodi – aufgrund seines Studiums in

die Rechtswissenschaften übernehmen.

Deutschland auch in der Lage, eine neue

Ob die Sitze unabhängig voneinander sein

Gesprächsbasis mit den Südtirolern zu fin-

sollten oder zu einer einzigen Alma Mater

den – räumte alle Ängste und Vorbehalte,

mit rotierendem Rektorat zwischen Bozen

56 Information Sepp Kußtatscher, 29.6.2007.

83


und Trient und zwischen den Sprachgrup-

SVP – über seinen Schatten springen.

pen zusammenwachsen sollten, ließ er

Eindringlich schilderte Berichterstatter

offen – alles sei gestaltbar. Unverzicht-

Rampold, wie zuerst ein Student „und

bar seien „die Zweisprachigkeit in einem

danach noch entschiedener Baron von

umfassenden Sinne, auch in Trient“ und

Unterrichter vom Südtiroler Bildungs-

die Durchlässigkeit von und zu österrei-

zentrum“ vor der Bedrohung der Mutter-

chischen und deutschen Universitäten mit

sprache durch eine gemischte Universität

einer

Rundum-Studientitelanerkennung.

Trient-Bozen gewarnt hätten.“58 Trotz

Gegenüber den Avancen früherer italieni-

der Angriffe durch die „Dolomiten“ und

scher Bildungspolitiker und Professoren

des Fernbleibens der SVP hinterließ die

war es eine Einladung zur Kooperation auf

Studientagung der SH einen starken Ein-

gleicher Ebene, verbunden mit einem Wink

druck. „Auf der Anklagebank saß die SVP“,

mit dem Zaunpfahl: Wenn Südtirol sich

schrieb das „Katholische Sonntagsblatt“.

nicht entscheide, müsse Trient die Chancen des neuen Universitätsgesetzes allein

Tatsächlich war die Universität nicht

nutzen, möglicherweise auch mit einer

mehr das historische Schreckgespenst.

Öffnung für die deutschsprachige Welt.57

In einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Erziehungswissenschaften

Vom „trojanischen Pferd“ oder der Univer-

der Universität Innsbruck im Jahre 1974

sität als geistiges Kolonisationsprojekt war

wurden

in Prodis Rede nichts mehr übrig geblieben.

Schüler auch zu den Südtiroler Univer-

Wo früher von „Durchdringung“ die Rede

sitätsplänen befragt. 80 Prozent der

war, sprach er von gleichen Rechten, von

deutschsprachigen und 90 Prozent der

Ausgleich der Interessen und gegensei-

italienischsprachigen

tiger Neugierde; wo einst die Absicht zu

sich für die Errichtung einer Universität

spüren war, die Südtiroler vom deutsch-

in Südtirol aus. Die „Dolomiten“ kriti-

sprachigen Ausland abzuhalten zugunsten

sierten die Fragestellung als „suggestiv“

eines Studiums an einer italienischen und

(„überspitzt: Willst du eine goldene Uhr –

nur pro forma zweisprachigen Universi-

oder nicht?“) und taten das Ergebnis ab.59

Eltern

der

1959

Eltern

geborenen

sprachen

tät, war jetzt von einer Offensive in Richtung deutscher Universitäten die Rede,

Die Umfrageergebnisse mögen, unabhän-

mit internationaler und besonders deut-

gig von der Qualität der Erhebung, doch

scher und österreichischer Beteiligung

mit Öffnungstendenzen in der Bevölkerung

am Professorenkollegium. Die „Dolomi-

zu tun haben, die politisch nicht erkannt

ten“ stellten zu Prodis Überlegungen die

wurden. Mit viel Biss und Ironie versuchte

Frage, ob sich da die SVP möglicherwei-

das neugegründete „Kulturzentrum“ (als

se eine Chance vergebe – „oder kämpft

Kontrastprogramm zum Kulturinstitut) die

sie etwa gegen ein trojanisches Pferd“.

festgefahrene politische Abwehrhaltung

Der Berichterstatter war Josef Rampold,

aufzubrechen. Als der SVP-Parlamentari-

aber so wenig er an Prodis Vortrag aus-

er Hugo Gamper in einem Interview mit

zusetzen fand („mit großer Eloquenz

dem „L’Adige“ 1975 sagte, „non siamo

und Überzeugungskraft vorgetragen“),

maturi per l’Università“, entwarf Christian

so wenig konnte er – wie wohl auch die

Pardeller ein Plakat mit einem Edelweiß

57 Rede auf der 17. Studientagung der Südtiroler Hochschülerschaft, 26.–28.9.1974. 58 Dolomiten, 28./29.9.1974. 59 Dolomiten, 28./29.9.1974.

84


und einer fiktiven Fortsetzung des Inter-

83 Südtiroler Intellektuellen, Künstlern

views: „Wir Südtiroler sind nicht reif für

und Freiberuflern unterzeichnet wurde.

eine Universität“. „Und morgen?“, fragte

Unter den Unterzeichnern befanden sich

Pardeller weiter. „Sind wir zu dumm?“60

prominente und auch anerkannte Südtiro-

Der nächste Streich war ein großer roter

ler wie der Historiker Claus Gatterer und

Tiroler Adler mit Magnago-Kopf und Kral-

der Künstler Karl Plattner sowie der in der

len, die Südtirol festhalten: „Durch die

SVP nach oben strebende Otto Saurer.63

Errichtung einer Universität in Bozen würden sich auch in Südtirol neue Ideen breit

Manches brach auf, wurde neu dis-

machen. Wir können es uns nicht leis-

kutiert – aber am Ende stand unver-

ten, dadurch die Macht der SVP in Gefahr

rückbar das Nein der SVP. 1981 nahm

zu bringen. Deshalb keine Universität“.

Silvius Magnago in einem achtseitigen Dokument im Namen der SVP-Landeslei-

Die in bürokratischen Hindernissen und

tung zu dem im „Paket“ vorgesehenen,

neuen

„Interuniversitären

politischen

Vorbehalten

abge-

Vertrag

zwischen

bremste Autonomiedurchführung ließ die

Österreich und Italien“ Stellung. Selbst

alten Ängste zurückkehren, verdichtet im

wenn der Autonomen Provinz Bozen

berühmt-berüchtigten

eine Zuständigkeit im Universitätswesen

Zelger-Satz

„Je

klarer wir trennen, desto besser verste-

zuerkannt

werden

würde,

befand

hen wir uns“. Christoph Pan, der sich als

Magnago, könne „sie damit nichts anfan-

Student 1965 proaktiv für die Uni enga-

gen, weil in Südtirol keine Universität

giert hatte, liquidierte als Leiter des Wirt-

besteht und auch nicht erwünscht ist“.64

schafts- und Sozialinstitutes und Dozent in Innsbruck 1975 jegliche Universitätsidee

Als 1988 in der SVP mit der Designierung

mit Berufung auf Magnagos ablehnendes

Durnwalders zum Landeshauptmann der

Machtwort.61 Die SVP-Jugend positionier-

Generationswechsel

te sich klar gegen eine Universität und

ging dies nicht schmerzfrei: Magnago

warb unter Studierenden dafür, die linke

hatte seinen Rückzug lange aufgescho-

SH wieder auf einen mehrheitsfähigen

ben, 1988 verzichtete er zwar auf die

Kurs zu bringen.62 1978 zog der Konflikt

Landeshauptmannschaft, blieb aber Par-

noch breitere Kreise: Die SH-Führung traf

teiobmann. Im Tauziehen um das Ressort

sich im Februar offiziell mit einer Dele-

für Schule und Kultur behielt Bruno Hosp

gation der Kommunistischen Partei Itali-

vom patriotischen Parteiflügel die Ober-

ens, die eine Studienreise nach Südtirol

hand über den SVP-Arbeitnehmer Otto

unternommen hatte, worauf die SVP-

Saurer. Neu im Landtag war auch der ehe-

Jugend der Hochschülerschaft Nähe zu

malige SH-Vorsitzende Sepp Kußtatscher.

den Kommunisten vorwarf. SH-Vorsit-

Martha Stocker wurde – zunächst im

zender Günther Pallaver, selbst aus der

vorpolitischen Feld – zu einer der wich-

SVP-Jugend gekommen, reagierte selbst-

tigsten Ansprechpartnerinnen für die

bewusst: Er verfasste einen offenen Brief

Themenbereiche

„an den Landeshauptmann und an den

Keine Rebellin, wohl aber eine traditions-

Landesrat für Schule und Kultur“, der von

und

vollzogen

Schule

geschichtsbewusste

und

wurde,

Kultur.

Reformerin:

60 Vgl. Barbiero 2000: Vent’anni di cultura antagonista nei manifesti del Südtiroler Kulturzentrum: S. 16. 61 Vgl. Pan 1975: Hochschulpolitik in Südtirol aus bildungssoziologischer Perspektive. 62 Schreiben Frick vom 2.4.1976, Skolast 1976/2. 63 Skolast 1978/3. 64 Stellungnahme von Silvius Magnago im Namen der SVP-Landesleitung, 8.1.1982.

85


SH-Uni-Dossier, November 1995, S. 16.

Sie genoss das Vertrauen von Silvius

Benedikter an, für Wirtschafts- und Ausbil-

Magnago und Anton Zelger, eine ihrer

dungsfragen setzte er auf solide Beamte

größten

deren

in der eigenen Verwaltung – vor allem auf

Optionsaus-

Friedrich Schmidl im Wirtschaftsressort

Leistungen

Widerstand stellung

gegen

1989

war die

besänftigt

es, zu

haben.

und Werner Stuflesser im Statistikamt des Landes. Beide waren von der Notwendig-

Durnwalder selbst demonstrierte von

keit einer Universität überzeugt: „Meine

Anfang an Wille zur Macht und Lust auf

besten Kommilitonen sind nach dem

Öffnung. An seiner Antrittsrede als neuer

Studium im Ausland alle nicht mehr nach

Landeshauptmann hatten mehrere Hände

Südtirol zurückgekommen, dadurch haben

und Köpfe mitgeschrieben, um Moder-

wir die besten Köpfe verloren“ (Stuflesser).

nisierung zu signalisieren. Autonomie-

„Der

politisch sensible Teile vertraute er Hans

hinter jenem von Portugal“ (Schmidl).65

Südtiroler

65 Information Friedrich Schmidl, Gespräche im Dezember 2006 und Oktober 2007.

86

Akademikeranteil

lag


In Durnwalders Rede fanden sich homöo-

erlich-konservative SH-Vorsitzende, nun

pathische Spuren dieser Einsichten, die

einen diskreten strategischen Ratgeber.

dem

angehenden

nicht

ganz

mochten.

Landeshauptmann

bewusst war

von

sein

Die

Südtiroler

HochschülerInnenschaft

„Forschungs-

der 1990er Jahre, wiewohl mittlerweile

einrichtungen“ die Rede, um mit dem

mit Binnen-I versehen, stand in der nun

„Strukturwandel“ Schritt zu halten, vom

real

„wissenschaftlich

Nach-

abseits, zweifelnd, skeptisch und we-

wuchs“, von „neuen Akzenten“ und

nig bedeutsam. Die aktive Rolle hatten

der Erweiterung der „kulturellen Infra-

– in unsichtbaren und sichtbaren Rollen

strukturen“,

„weiter-

– die Kommilitonen aus der Pionierzeit,

führenden Bildungsgängen“. So diffus

wobei es ausgerechnet dem Uni-Gegner

dies auch war, so zeigen sich darin doch

Durnwalder zufiel, das Projekt mit breiten

die Umrisse der späteren Europäischen

Schultern durch eine skeptische Partei

Akademie und der ersten Fachhoch-

zu rempeln. Eine seltsame Universitäts-

schulkonzepte. Die Worte „Universität“

geschichte, in der gerade die Repräsen-

und „akademische Ausbildung“ wurden

tanz der Studierenden nie so richtig ins

weiterhin

aber

Spiel kam: Als sie gegen die Uni war, stand

Zeilen.

sie auf der Seite der Mehrheit, als sie

unsichtbar

Es

gewesen

gebildeten

schließlich

gemieden, zwischen

von

standen den

werdenden

Universitätsgründung

dafür war, rannte sie gegen Wände, und als Durnwalders Öffnung war anfangs vor

die Uni tatsächlich gegründet wurde, fand

allem Stil und Gestus, die inhaltlichen

dies ohne HochschülerInnenschaft statt.

Perspektiven in der Universitätsfrage exis-

Generationenübergreifend lässt es sich

tierten zunächst vor allem in den Köpfen

freilich auch so sehen, dass die Schwanz-

seiner Berater und Einflüsterer. Einen ers-

schläge der Vergangenheit ihre eigene

ten Vorstoß von Sepp Kußtatscher wies er

Vision einholten: Die Freie Universität Bo-

empört zurück. Nach und nach aber sog er

zen ist ein lange verhütetes, schließlich

die Idee einer Universitätsgründung in sich

spätgeborenes Kind auch der Südtiroler

auf, den Auftrag zu einer ersten Machbar-

Studierendenbewegung, aber als es end-

keitsstudie bekam die Europäische Aka-

lich zur Welt kam, entpuppten sich die

demie, die eigentlich zur

Verhinderung

Großväter als Samenspender, während

der Universität gegründet worden war.

die Jungen die Elternschaft leugneten.

In Otto Saurer, dem ehemaligen linken Kontrahenten fand der seinerzeitige bäu-

Hans Karl Peterlini

87


Brav, braver, am … 20 Jahre später: Die Diskussion um die „hauseigene Uni“* Eine Warnung vorweg: Dies ist ein

zu erarbeiten, mit den Forderungen und

Text über Sorge und Ernüchterung.

Wünschen aus unseren Reihen. Alexander Langer hatte sich in diesem Sommer ver-

1995 saß ich regelmäßig im sh.asus-Büro

abschiedet, und wir fühlten uns geknickt

im Dachgeschoß des Bozner Waltherhau-

und in die Verantwortung genommen.

ses, gebeugt über Unigründungs-Entwür-

Damals, zwei Jahre vor der eigentlichen

fen und Pressemitteilungen zum Thema.

Gründung der Freien Universität Bozen,

Zusammen mit anderen MitstreiterInnen

dämmerte erst wenigen, dass es kein Zu-

aus der Südtiroler HochschülerInnen-

rück mehr geben würde. Trotz heftiger

schaft, allen voran Klaus Pancheri und

Kritik aus Politik und Gesellschaft rechts

Barbara Rottensteiner, waren wir dabei,

wie links. Während die einen, ganz volks-

ein dickes rotes Heft, das „Uni-Dossier“,

tumspolitisch, die Abnabelung von der

* Stand Ende April 2016 - Mittlerweile wurden Änderungen für den Studienplan ab 2017/18 beschlossen.

88


Alma Mater Innsbruck beklagten und

sprachige Universität mit Anziehungskraft

sich vor einer Kulturvermischung und

für Studierende von auswärts, mit inter-

Italianisierung durch die Uni fürchteten,

nationalem Lehrpersonal, Anspruch und

sahen die anderen in der Südtiroler Uni-

ebensolcher Vernetzung. Diese Uni hätte

gründung umgekehrt die Gefahr einer

demokratiepolitisch ein wichtiger Schritt

geistigen Nabelschau. Auch innerhalb

in Richtung Öffnung des Südtiroler Hori-

der Südtiroler HochschülerInnenschaft

zonts darstellen sollen – eine „Unitopia“,

war die Skepsis groß. Die Organisation

wie

hatte sich gerade zu einem neuen Sta-

einem

tut durchgerungen und

ich

damals

stellvertretend

ff-Gastkommentar

in

ironisierte.

sich mit dem

Zusatz asus den italienischen Studieren-

21 Jahre sind seitdem vergangen, die Dis-

den geöffnet, und nichts klang engstirni-

kussion hat Staub angesetzt, inzwischen

ger als eine „hauseigene Uni“. Doch die

hat sich die Freie Universität Bozen allen

Debatte der 1980er Jahre für oder gegen

Unkenrufen zum Trotz verwurzelt und

eine Uni wandelte sich zunehmend in

entwickelt, von den anfänglichen zwei

eine Diskussion über „welche Uni“, denn

Fakultäten zu einer Einrichtung mit fünf

eine Uni in Südtirol wurde geradezu ge-

Fakultäten,

setzlich verordnet, durch die italienische

und

Hochschulreform 1990 (Ruberti-Gesetz).

Sprachkompetenz

Das Geschütz, das medial aufgefahren

geschichte). Die Internationalisierung

wurde, war deshalb nicht minder schwer.

fand tatsächlich statt, das Modell der

An der Festung Universität Bozen schieden sich also die Geister.

zwei

über

20

Studiengängen

Forschungszentren und

für

(für

Regional-

Dreisprachigkeit funktioniert. Mit einer großen Ausnahme:

Bildungswissen-

schaften. Dabei ist gerade diese Fakultät der Stein, der alles ins Rollen brachte und eine Universitätsgründung hierzu-

Selbst sh.asus-intern wurde einiges Por-

lande ermöglichte. Nur wenige erinnern

zellan zerschlagen, doch der Vorstand ei-

sich heute, doch die Uni war kein Wunsch-

nigte sich im Herbst 1995 auf eine Linie,

kind, sie wurde den SüdtirolerInnen erst

die in der Folge gebetsmühlenartig an

durch die Lex Ruberti aufgezwungen, die

die Öffentlichkeit getragen wurde: In der

für künftige GrundschullehrerInnen und

Vorstellung der Südtiroler Studierenden

KindergärtnerInnen erstmals einen Voll-

konnte es nur eine unabhängige Bildungs-

studiengang in Erziehungswissenschaften

stätte mit europäischer Ausrichtung in

vorsah. Ich wage zu behaupten: Ohne die

Rechtsstruktur und Inhalt sein, eine mehr-

heutige Lehrerinnenausbildung in Brixen

89


SH-Uni-Dossier, November 1995, S. 36.

90


politischen Kontext kaum durchzuboxen

gendeAnzahl von Pflichtprüfungen in der

gewesen. Dennoch wurde sie für einige Ak-

anderen Sprache – Klammer zu. Was bei

teure, darunter den Altlandeshauptmann,

den Studentinnen und Absolventinnen

erstaunlich rasch zum Prestigeobjekt.

der Brixner Bildungswissenschaften noch

Soviel zur Vorgeschichte, und jetzt kom-

schwerwiegender auffällt als die unzu-

me ich zur Sorge und Ernüchterung.

längliche Kommunikationsfähigkeit ist

Das Versprechen einer mehrsprachigen, weltoffenen Universität wurde im Fall der Uni Brixen nicht eingelöst,

die Unfähigkeit zur Abstraktion und zum Argumentieren, eine gewisse Infantilisierung und Rückwärtsgewandtheit, ein schmerzender Konformismus, der Hang zu Vereinfachungen, das Wiederkauen alter Gedankenkäfige, das Verkriechen

die damalige Forderung der sh.asus nach

in die eigene kuschelige Hirnhöhle, ein

Orientierungswissen

Fachwissen,

absolutes Desinteresse für die Zeitläu-

nach Pluralismus statt Homogenisierung,

fe, für das was um uns herum geschieht.

statt

nicht erfüllt. Warum ich mir dieses Urteil erdreiste?

Mein

Anschauungsmaterial

Was ist passiert? Wo drückt der Schuh?

– die künftigen Lehrerinnen und Kinder-

War es die Henne oder das Ei? Ist es, weil

gärtnerinnen - sitzt mir seit Jahren im Zug

wir Inzucht betrieben haben und es kaum

Brixen-Bozen gegenüber, pendelt täg-

Zufluss von auswärtigen Studierenden bei

lich zwischen Elternhaus und Uni. Stets

den heimischen Bildungswissenschaften

in Gruppen auftretend, redet es viel und

gibt, keine Konfrontation mit dem Ande-

gern über seinen studentischen Alltag.

ren, keine geistigen Grenzüberschreitun-

Auch habe ich als Kommissarin für die

gen durch Förderung von Studienjahren

Zweisprachigkeitsprüfung in den letzten

im Ausland? Hapert es am Rüstzeug, das

zweieinhalb Jahren die Arbeiten einer

Südtiroler MaturantInnen mitbekommen?

großen Menge Studentinnen der heimi-

Ist es, weil es in Brixen ein „Bildungsmo-

schen Bildungswissenschaften korrigie-

nopol“ gibt und junge Leute gezwungen

ren dürfen, ihre Sprachkompetenz in der

werden, daheim zu studieren, wenn sie

sogenannten Mutter- und Zweitsprache

später in der Südtiroler Schule arbeiten

in mündlichen Gesprächen abgeklopft.

möchten? Führt die fehlende Abnabelung

Seitdem bin ich bestürzt und empfinde

von Zuhause dazu? Die Tatsache, dass

das Ergebnis als Ohrfeige für unser Bil-

diese Studierenden weder WG-erprobt

dungssystem. Die dürftigen Sprachkom-

sind noch Selbstständigkeit üben dür-

petenzen sind nur ein Detail am Rande.

fen? Oder sind all diese Erklärungsversu-

Klammer auf: Mehrsprachig ist die Aus-

che nur ein verzweifeltes Kratzen an der

bildung der Lehrerinnen und Kinder-

Oberfläche des Problems? Vielleicht wird

gärtnerinnen jedenfalls nicht. Es gibt,

es Zeit, die Diskussion um die „hauseige-

dem Südtiroler Minderheitenschutz sei

ne“ Uni nach 20 Jahren neu anzuzetteln.

Dank, drei nach Sprachgruppen getrennte Abteilungen und eine zu vernachlässi-

Anita Rossi

91


SH Bologna Sono pronto, mi lascio la porta di casa

tamento la sta tirando per le lunghe,

alle spalle.

ha deciso di rinviare ancora una volta il

giorno

della

firma

sul

contratto.

Non vedo più le montagne, non ci penso troppo. Il treno che mi sta portando

Uno dei ragazzi con cui andrò a vivere è di

a Bologna è pieno di giovani universita-

Appiano, conosce l‘asus. „Visto che non hai

ri carichi di energia e di idee. Il mondo

un posto dove stare, potresti andare là a

è nostro, pensavo. Dobbiamo solo stu-

dormire. Ecco il numero, chiamali e chiedi

diare per poter stare al passo coi tem-

se ti possono ospitare per una settimana“.

pi, non rifare gli errori dei nostri padri e

Varco il cancello di via Gozzadini 13, ad

preparare un futuro migliore per quelli

aspettarmi ci sono Gabriele e Luca, storici

che verranno. Poi il percorso si fa via più

membri della sede bolognese che si trova-

insidioso, ma questa è un‘altra storia.

vano in casa da qualche giorno in attesa, anche loro, di poter entrare nella loro nuo-

92

Mancano due settimane ad ottobre e

va casa. La stessa sera mi portano con loro

non sono ancora sicuro di dove andrò

in Piazza Verdi. Penso di aver conosciuto

ad abitare. Il proprietario dell‘appar-

10 persone in un‘ora. Che bella Bologna!


Quello che sarebbe dovuto diventare il

gli studenti delle altre sedi. Quante grig-

mio affittuario ci comunica che aveva tro-

liate, gite sui colli e cene che abbiamo

vato un compratore. „Non affitto più, non

fatto! Erano veri e propri appuntamenti

se ne fa più niente“. Incredulo e spaesa-

fissi per moltissimi studenti altoatesini

to non sapevo se sarei potuto tornare

fuorisede nel capoluogo emiliano: una

all‘asus. Ci ero stato una settimana intera e

grande occasione di incontro con ragazzi

non volevo approfittare oltre della loro

provenienti da tutte le regioni italiane.

ospitalità. I miei quasi nuovi coinquilini mi danno un posto dove dormire presso

Nella mia esperienza universitaria ho

delle loro amiche. Per tre settimane passo

avuto sempre un grande punto di riferi-

da un divano all‘altro. Non trovo una siste-

mento nell‘asus. Sono stato fortunato, un

mazione in linea col mio budget di spesa.

privilegiato. Ho incontrato persone dalla

Volevo spaccare il mondo all‘università

Germania, dall‘Austria, persino dall‘Alas-

e riesco a malapena ad andare a lezione.

ka. Avremmo dovuto ospitare solo ragazzi dall‘Alto Adige, ma non vi nascondo

Verso mezzogiorno di una di quelle gior-

che abbiamo fatto qualche strappo alla

nate che tanto si assomigliavano l‘una con

regola. Sono state proprio le eccezioni,

l‘altra, incontro Katy in centro, una delle

a mio avviso, a rafforzare lo spirito soli-

inquiline della villetta. Gabriele le aveva

dale e di fratellanza dell‘associazione.

parlato di me, sapeva che non avevo ancora una casa e si offre di ospitarmi per un po‘.

Benché porti altro nel cuore, non mi dilungherò oltre a raccontarvi delle gior-

Per non farla troppo lunga, di lì a poco

nate e delle tante serate indimenticabili

sarei diventato un membro dell‘asso-

vissute nella villetta di Bologna. Vi dico

ciazione. Mi sono sentito subito par-

solo che non ho mai percepito l‘innega-

te della loro famiglia. Ci dividevamo i

bile distanza che si riscontra, talvolta, tra

compiti in casa, mangiavamo insieme.

ragazzi di madrelingua tedesca e italiana.

Ancora una volta la provincia di Bol-

In Südtirol non è sempre così, checché

zano mi aveva accolto, come nel 1998

se ne dica tra i fan del politically correct.

quando

trasferitomi

da

Cuba

avevo

visto le montagne per la prima volta.

SH Bologna: radici, giovani, solidarietà, futuro. La casa di tutti gli studenti sudtirolesi.

Abbiamo organizzato eventi, concerti e serate in cui venivano a trovarci anche

Ricardo Luis Henville

93


www.salto.bz, aufgerufen am 30.09.2016.

LInks, zwEI, DREI. REchTs, zwEI, DREI... Die sh.asus und die Freiheitlichen – Ein Blick durch die blaue Brille. HochschülerInnenschaft

z.B., war es so dreckig, dass der Freiheitli-

und die Südtiroler Freiheitlichen – in

che Landtagsabgeordnete Sigmar Stocker

der sh.asus-Geschichte

ein Kapitel für

deswegen letzten Herbst gleich zweimal

sich. Irgendetwas scheint die „Blauen“

eine Landtagsanfrage einreichen musste.

schon sehr an unserem Studentenver-

Wahrscheinlich hatte niemand Zeit zum

ein zu faszinieren, würden sie sonst so

Putzen, weil alle beim Demonstrieren

häufig über (und seltener mit) uns kom-

waren3, gegen den Akademikerball oder

munizieren

es

gegen sonst etwas. Und damit wären

weltoffene

wir beim nächsten Punkt, oder besser

Ausrichtung? Die engagierten Studen-

gesagt, dem einzigen Punkt, um den es in

ten? Oder die „schönen“ Außenstellen?

Wirklichkeit geht: Dem kultur-politisch-

Haha nein, eher nicht. Aber Schluss mit

gesellschaftlichen Engagement der Hoch-

dem „Schmäh“, dafür ist eine Studieren-

schülerInnenschaft. Die sh.asus stößt den

denvertretung wie die sh.asus schließlich

Freiheitlichen nicht etwa erst unange-

nicht da. Sie ist dazu da, zu beraten, aus-

nehm auf, seitdem manche Studierenden

schließlich. Aber die Beratung ist schlecht,

das Aufräumen verlernt haben, sondern

weil zu wenig auf die Berufsperspektiven

schon seit langem. Eigentlich schonim-

bedacht , zudem sind die meisten Mitglie-

mer. Denn für die Freiheitlichen steht

der Gutmenschen-Revoluzzer und dreckig

dieser Verein, der sich anmaßt, mehr als

ist es auch! Ja, in der Außenstelle Wien

nur eine bloße Beratungsstelle zu sein,

Die

die

Südtiroler

wollen?

Zweisprachigkeit?

Vielleicht Die

ist

1

2

1 2

94

„Studenten besser beraten“. In: Dolomiten vom 22.06.2013. Pressemitteilungen der Freiheitlichen vom 08.11 und 09.11.2015.


www.die-freiheitlichen.com, aufgerufen am 30.09.2016.

seit jeher im ideologisch linken Licht.

Studierendenvertretung, die für alle (!)

Der Freiheitliche Studentensprecher und

Südtiroler StudentInnen da sein soll,

Ex-Parteisekretär

Demanega,

nicht geeignet.6 Hä? Wahrscheinlich

spielte in seinem Skolastbeitrag „Muss

werfen die Freiheitlichen der sh.asus noch

Studentenvertretung

Diskriminierung vor. Richtig, nämlich eine

Michael

tendenziell

links

sein?“ darauf an, dass die ach so linke

Diskriminierung

Vergangenheit der sh.asus nicht bewäl-

nicht dazu bereit sind, die Grundsätze der

tigt sei. Die heutige HochschülerInnen-

Interethnizität und Antidiskriminierung

schaft gründet laut ihm auf dem Erbe der

anzuerkennen. Ja, dann ist die sh.asus

„Weltverbesserer“ der 1970er Jahre, etwa

wohl schuldig im Sinne der Anklage. Zum

N.C. Kaser, Günther Pallaver oder Alexan-

Glück. Wie soll ein Verein für alle Studie-

der Langer. Ja schon das Statut an sich,

renden ohne diese Grundsätze funktio-

welches die sh.asus als interethnischen,

nieren? Wo bitte sind Menschen, welche

antidiskriminierenden Verein definiert, sei

diese Grundsätze ablehnen, denn wirklich

somit per se zu linksgerichtet und für eine

willkommen? Bei den „Blauen“ vielleicht?

Sobald sich ein Verein von diesen Prinzi-

Und überhaupt: Wenn Herr Demanega über

pien löst, will ich persönlich zumindest –

Vergangenheitsbewältigung sprechen will,

und ich hoffe zutiefst auch viele andere

sollte er doch vielleicht bei der schlagenden,

– kein Teil mehr davon sein. Das hat nichts

deutsch-nationalen Burschenschaft Teutonia,

mehr mit konservativ oder liberal zu tun,

bei der er aktives Mitglied ist, anfangen.

4

5

jener

Menschen,

die

mit rechts oder links. Im 21. Jahrhundert, in einer vor neuen Herausforderungen ste-

Aber naja, für jemanden, der rechts

henden demokratischen Gesellschaft, sind

außen steht, ist halt alles andere zu links.

diese Grundsätze für mich zur Selbstverständlichkeit geworden und unabdingbar.

3 4 5 6

Julian Ischrara

„Öffentliche Förderung der SH einstellen.“ Pressemitteilung der Freiheitlichen vom 02.02.2016. Demanega, Michael: Muss Studierendenvertretung tendenziell links sein? In: Skolast 2010/1, S. 90. Ebenda. „Südtiroler Hochschülerschaft ist nicht offizielle Studentenvertretung!“ Pressemitteilung der Freiheitlichen vom 31.07.2008.

95


Demonstration „Retten wir die Frizzi Au“ am Bozner Kornplatz, September 2005.

Gesellschaftspolitisches Engagement Am Beispiel des umweltpolitischen Aktivismus der Südtiroler HochschülerInnenschaft 1979 erschien ein engagiertes Buch, vor

Zuge einer immer tiefgreifenderen Zer-

allem für jene, die sich Sorgen machten

störung der Natur im 20. Jahrhundert ei-

über den damaligen Zustand der Welt

nen bisher nicht für möglich gehaltenen

und den Folgen aus dem technischen

Höchststand erreicht hat. Dadurch forder-

Fortschritt dieser Jahre. Der Autor die-

te er, dass eine Handlung nicht nur an den

ses Buches mit dem Titel „Das Prinzip

unmittelbar sichtbaren Folgen gemessen

Verantwortung - Versuch einer Ethik für

werden darf, sondern auch die Zukunft

die technologische Zivilisation“ war der

der Menschheit nicht gefährden darf.

Philosoph Hans Jonas. In seinen Untersu-

96

chungen stellte er fest, dass die mensch-

Kernaussage dieses Buches war in An-

liche Macht, angetrieben durch die Kräfte

lehnung an den Kategorischen Imperativ

von Marktwirtschaft und Politik und im

Kants, der sogenannte „ökologische Impe-


rativ“, der richtungsweisend den damali-

scher Verein mit gründlich durchdachten

gen ökologischen Zeitgeist prägte: „Handle

gesellschaftspolitischen und kulturellen

so, dass die Wirkungen deiner Handlun-

Ambitionen verstand man es sogleich,

gen verträglich sind mit der Permanenz

die Natur mit der Kultur, oder umgekehrt,

echten menschlichen Lebens auf Erden.“

die Kultur mit der Natur, zu vereinen. Der Zusammenhang war freilich naheliegend.

Die Wirkungskraft dieses Buches auf die

Und ich meine hier nicht den seit der

damalige studentische Generation ist

Neuzeit in unserem Weltbild anhaftenden

schwer abzuschätzen, es ist aber nahe-

Zusammenhang als Ausdruck eines tradi-

liegend, dass auch und vor allem die

tionsbedachten Naturverständnisses, in

damalige Südtiroler Studentenschaft das

dem man vorrangig um eine bäuerliche

Bewusstsein für den ökologischen Zeit-

und heimatbezogene Kultur besorgt war.

geist diesem Buch entnahm. Wenn es

In der neuen Perspektive wurde der hei-

also allgemein schwierig ist, den genauen

mische Naturschutz nicht mehr weiter

Zeitpunkt eines allgemeinen ökologischen

als bewusst heimatbezogenes Anliegen

Bewusstseins festzuhalten, so erst recht

betrachtet, sondern als radikaler Protes-

innerhalb der Südtiroler HochschülerIn-

takt, als gesellschaftliche Tathandlung

nenschaft. Leichter ist es da schon, ökologi-

und kultureller Aufbruch in einem, um

sche Betrachtungen und Untersuchungen

gemeinsam mit dem Naturbewusstsein

im Zusammenhang mit umweltpoliti-

das „gesellschaftliche“ Natur- und beson-

schen Fragen in den Texten der Zeitschrift

ders das Kulturverhältnis zu verändern.

der Südtiroler HochschülerInnenschaft,

Liest man heute den Skolast der frühen 80er Jahre, in der Zeit der frühen Ökologiebewegung also, dann fällt sofort auf, dass ein anderes „Naturverhältnis“ immer auf die Einbeziehung der Perspektive auf das ökonomische und gesellschaftliche Ganze bezogen war.

dem

Skolast,

ausfindig

zu

machen.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass man bereits ab den achtziger Jahren auch für Südtirol vom Beginn einer Umweltpolitik sprechen kann – im institutionalisierten Sinne. In Übereinstimmung mit der umweltpolitischen Entwicklung in diesen Jahren seitens der lokalen Bevölkerung aber auch der politischen Behörden wurde ebenfalls in der Südtiroler HochschülerInnenschaft auf ökologische

Alle Aspekte des sozialen Gefüges stan-

Achtsamkeit Wert gelegt. Als studenti-

den in diesen Jahren im Angesicht der

97


ökologischen Herausforderung auf den

denen man nun scheinbar ausgeliefert

Prüfstand. Freilich spielte da auch die

war. Diesem arroganten Umgang lag nicht

kapitalismuskritische Geisteshaltung ge-

nur die Auffassung zugrunde, dass alles

legen mit, und nicht wenige unter den

nur eine Frage des Geldes sei, sondern vor

Studierenden fanden wahrscheinlich in

allem, dass die Natur, also Wälder, Auen,

der umweltpolitischen Bewegung einen

Flüsse, usw., nur unter Nützlichkeitserwä-

günstigen Anlass zur politischen und

gungen ihren Geltungsanspruch hatten,

kulturellen Veränderung auf allen Ebe-

d. h. in ihrer ökonomischen Ausbeutung

nen der Gesellschaft hindurch. Und im

in Form von Forstwirtschaft, Wasserkraft,

Übrigen wurde just zu Beginn der 80er

Tourismus, usw. sich bewähren konnten.

Jahre, im April 1981, eine Ausgabe des Skolast oder des fahrenden Skolast, wie die

Bei der Aufgabe, den verlogenen Fort-

Zeitschrift anno dazumal noch hieß, zum

schritt im Umgang mit den natürli-

Thema „Ökologie“ veröffentlicht, die sich

chen Ressourcen zu verklären, kam den

maßgeblich mit den Problematiken der

ökologischen

technischen Umweltbelastung und den

des 21. Jahrhunderts einen neue, Per-

Möglichkeiten eines ökologischen Bewusst-

spektiven

seins und Widerstandes auseinandersetzte.

zu. Nicht nur die Umwelt- und Natur-

Handlungen

erweiternde

schutzverbände Freilich, ein ungeschriebenes dictum der Umweltpolitik besagt, dass sie zum gesellschaftlichen Wohlergehen und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen soll. Die 90er Jahre haben zwar nicht die Kurzsichtigkeiten der Jahre zuvor geheilt, aber dafür die Offensichtlichkeiten und Missstände in der Umweltund Naturschutzpolitik vor Augen geführt. Jahrzehnte des verantwortungslosen und geringschätzigen Umgangs mit natürlichen

98

hatten

zu

Beginn

Vorreiterrolle das

erkannt.

Die Südtiroler HochschülerInnenschaft stellte im Jahr 2005 die gesellschaftspolitische Aufgabe aufs Neue und radikaler in den umweltpolitischen Raum: Sie führte eine breite Debatte über Wachstum, Naturverständnis und Nachhaltigkeit.

Lebensressourcen haben in der Folgeper-

Und sie kam zu dem Schluss: Ökologi-

sönliche Machtdarstellungen und Profit-

sche Anliegen sollten zur generationalen

gier im Umgang mit den Naturressourcen

Bewusstseinsbildung beitragen und öf-

zu standhaften Wirklichkeiten erkoren,

fentlich zum Ausdruck gebracht werden.


Die Südtiroler HochschülerInnenschaft

letzten zehn bis zwanzig Jahre boten

als gesellschaftspolitischer Verein ver-

vielfach Gelegenheit, trotz des gesell-

stand in ihrer kritischen Vorreiterrolle

schaftlichen Ressentiments vor politischer

erneut die Bedeutung des immanenten

Anmaßung und politisch-wirtschaftlichem

Zusammenhanges von politischer Ver-

Größenwahn, oder gerade deswegen, ak-

antwortung und ökologischer Achtsam-

tiv am Umweltgeschehen teilzunehmen.

keit. Dabei ging es nicht nur um den

Am Widerstand gegen die arroganten

Aspekt des respektvollen Umgangs mit

Launen

natürlichen Lebensräumen, sondern auch und vor allem um die Herstellung von gesellschaftlichen Beziehungen, kulturellen Bewusstseinszuständen und der Vorstellung von gesellschaftlicher Partizipation und politischer Veränderung. Schließlich war es das Wiederaufflackern eines Natur- und Kulturkampfes, das uns in aufgebrachter Stimmung zusammen mit vielen anderen Südtiroler Vereinen im Herbst 2005, im 50jährigen Bestehen des Vereins, in die Frizzi Au südlich von

der

Berufspolitik,

sozusagen.

Gewohnt, alles von der kritischen Seite her zu sehen und anzugehen, empfanden wir damals entrückende Betroffenheit beim Vorgehen der Landesregierung, in der Frizzi Au ein Fahrsicherheitszentrum, besser bekannt als Safety Park, aus dem scheinbaren „Nichts“ zu stampfen.

Bozen gedrängt hatte. Und das eben in einer Heftigkeit, wie es von der zwischen

So wurde die Frizzi Au zum Symbol-

demonstrativer Gelassenheit und stiller

kampf

Aufgebrachtheit verharrenden Bevölke-

sche Anmaßung und für die Erhal-

rung nicht erwartet wurde. Freilich, die

tung der Natur: Für uns entsprach das

gegen

die

wirtschafts-politi-

99


vermeintliche „Nichts“ der natürlichen

nierten „Wirtschaftens“, einer durch und

Beschaffenheit, oder mit anderen Wor-

durch ökonomisierten Politik, aufgetreten

ten, der natura naturata von Spinoza.

ist. Im Übrigen muss man sagen, dass weit mehr Leute als man glaubt hinter dem be-

100

Im Bewusstsein, dass der Mensch seit je-

dauerlichen Gedanken stehen, dass die

her versucht hat, die Natur nach seinem

sich selbst belassene Natur zur Landschaft

Zweck zu gebrauchen, ist jede Kultur doch

„gepflegt“, geformt und gestaltet werden

erst dadurch entstanden, dass der Mensch

muss. Die Frizzi Au war ein naturbelasse-

sich an die natürlichen Gegebenheiten

nes Areal und sie hätte es bleiben können

einer Region angepasst hat. Daraus kann

und müssen. Ein Refugium für Vögel und

man schließen, dass Natur und Kultur eins

Reptilien, Erholungsplatz für Menschen.

sind. In Südtirol ist daraus das Genussland

Alles spricht dafür, dass der Mensch nicht

entstanden. Doch steht diese Verbin-

lassen kann was naturgemäß entstanden

dung auch für Geschäftemacherei, Macht-

ist. So wurde aus der Frizzi Au ein Fre-

bestrebungen, persönliche Wichtigtuerei

vel für die Ewigkeit. Die Ausbeutung der

und schlussendlich taucht dabei immer

Natur hat der Verseuchung durch die

wieder das ungute Gefühl auf, dass da

Macht und die Gier den Vorschub gege-

noch mehr dahinter steckt: zum Beispiel,

ben. In Übereinstimmung mit unseren

Vetternwirtschaft vom Feinsten und wirt-

Überzeugungen, dass es in der Frizzi Au

schafts-politischer Lobbyismus in lokaler

kein umweltschonendes Geschäft gäbe,

Version. Und in der Frizzi Au ließ nun alles

das nicht auf den Gedanken käme, eine

vermuten, dass der angeblich naturgemä-

verlogene Werbemaschinerie in Gang

ße Mensch zum zerstörerischen Zivilisator

zu setzen mit dem Thema, das Leben zu

im Namen eines eigennützigen und raffi-

retten (im Sinne des lebensrettenden


AktivistInnen in der Frizzi Au, Herbst 2005.

Sicherheitsparks – Safety-Park und auf

sitzung des Dachverbandes besiegelt. Der

Kosten der Natur), engagierten wir uns von

studentische Verein, der sich selbst nach

der Südtiroler HochschülerInnenschaft

außen hin immer auch als Verein mit ge-

in gesellschaftspolitischer Opposition.

sellschaftspolitischer Relevanz verstanden

Somit wurde der Standort in der Frizzi

hat, hatte nun einen neuen Aufschwung er-

Au unnachgiebig und in der Gewissheit,

lebt. Nach der Frizzi Au gehörte eine Zeit

im Recht zu sein, besetzt. Diese Haltung

lang der umweltpolitische Aktivismus zur

war durch die unzweifelhafte Deutlichkeit,

alltäglichen Agenda der Südtiroler Hoch-

dem gesellschaftlichen und ökologischen

schülerInnenschaft. Der weitere Protest

Bewusstseinswandel dieser Tage neuen

beispielsweise gegen den Brennerbasis-

Ausdruck zu verleihen, gekennzeichnet.

tunnel oder dem Transitverkehr im Pustertal

Die Folge war, dass die Vorstellung der

verhalf somit der Südtiroler Hochschüle-

Südtiroler HochschülerInnenschaft, die ja

rInnenschaft, über den eingeschlagenen

durchaus dem damaligen Zeitgeist des Ver-

pragmatischen Weg, zu einem gestärkten

einswesens entsprach, als Mitgliedsverein

ökologischen Bewusstseinswandel zu fin-

in den Dachverband für Natur- und Um-

den und nach außen hin eine klare gesell-

weltschutz eingegliedert zu werden, kur-

schaftspolitische Position zu beziehen.

zerhand akzeptiert wurde. Der formale Akt der Aufnahme wurde bei einer Ausschuss-

Diego Poggio

101


Verena Frei im SH-Büro im Waltherhaus 2007.

Übergangsjahre Mit den Worten „Eine Wirtschaftlerin, gut, als Übergangslösung!“ war mein Einstieg in die Südtiroler HochschülerInnenschaft besiegelt, Bewerbungsgespräch bestanden. Obwohl ich bereits einige Jahre in Inns-

Erst später lernte ich auch die anderen Ve-

bruck studiert hatte, kannte ich diese histo-

teranen kennen, die, die sich mit Themen

risch für Südtirol so wichtige Organisation

wie Studientitelanerkennung, Reisefrei-

leider nicht wirklich. Ich hatte es nämlich

heit und dem Recht auf ein Studium in deut-

ganz ohne fremde Hilfe geschafft, mich an

scher Sprache beschäftigt hatten. Für die

der Uni zu inskribieren und das Innsbru-

jungen SHlerInnen waren diese allerdings

cker Nachtleben interessierte mich doch

weniger interessant, zu wenig links, zu we-

etwas mehr als die Südtiroler Bildungspo-

nig Kampfgeist und so ganz skandalfrei.

litik. Aber was nicht war, sollte noch werden, das SH-Fieber packte mich schnell.

Manch eineR meiner WeggefährtInnen spürte die Last, dass die Studis nach der

Bald erfuhr ich, dass beinahe alles was

Bolognareform, so gar nix mehr bewegen

in Südtirol Rang und Namen hat, mal ir-

konnten und wenn, dann sowieso nur in

gendeine Position in der SH innehatte.

Wien oder Berlin, maximal noch in Bo-

Auch lernte ich die heiligen SHler kennen,

102

logna. Dafür waren ich und glücklicherweise noch ein paar andere aber viel zu pragmatisch, weshalb wir uns – zum Miss-

die die uns lehrten weiterzumachen was gut

fallen einiger – allzu gerne wieder mit ei-

war, die, die Gigger rupften, die 83 die für die

nem Ausbau der Beratungstätigkeit und

Meinungsfreiheit kämpften und die Frauen.

der lokalen Bildungspolitik beschäftigten.


Schnell wurde das Scheckgespenst „Servicestelle SH“ an die Wand gemalt.

studenten, der regelmäßig mit SWOT-

Dass man sich beispielswese mit JG-Vor-

Thema UniBZ näher auseinandersetzen.

Analysen und Vorschlägen für die Südtiroler Bildungspolitik im Büro auftauchte, musste sich wohl oder übel die gesamte SH mit dem

sitzenden trifft, gemeinsame Ziele verfolgt und dann auch noch bei einem Bierchen

Obwohl manche die gute alte SH-Taktik

freundschaftlich zusammensitzt, entrüste-

einsetzten und das Thema aussitzen woll-

te mach eineN doch mehr als die knapper

ten, wurden die Kontakte zur Uni und ihren

werdenden Mittel für Studienbeihilfen.

Studierenden stets enger und mit „Kritik

Noch schlimmer als die Treffen mit nicht

aus Liebe“1 versuchte man etwas zu bewe-

ganz so linken Parteien und Vereinigun-

gen. Schließlich pflegte die SH enge Kon-

gen war allerdings die als Kuschelkurs

takte zur Verwaltung, saß in Unigremien

verschriene Annäherung an die UniBz.

und wirkte an der Neuregelung der Heimplatzvergabe und bei der Neugestaltung

Während man sich in Bozen die Frage stell-

des Uniplatzes mit. Außerdem arbeitete

te, wie man der Tatsache gerecht werden

man mit den uniinternen Studentenorga-

sollte, dass die Studierenden an der UniBZ

nisationen zusammen, organisierte ein

mittlerweile einen großen Teil der „Südtiro-

Willkommensprogramm für Erstsemest-

ler Studierenden“ ausmachte, war man in

ler, Ausstellungen, Pizzaabende mit der

den Vereinssitzen jenseits von Brenner und

Uni-Führungsriege und Diskussionsaben-

Salurn weiterhin der Meinung, dass diese

de, die unter anderem die Rolle einer Stu-

sowieso keine „echte“ Uni sei und deshalb

dierendenvertretung zum Inhalt hatten.

ruhig ihr eigenes Süppchen kochen sollte. Als dann aber dank rasant ansteigender Naja, spätestens seit Einführung der Leis-

Mitgliederzahlen den Studis der UniBZ

tungsstipendien, die zum Großteil an die

(zumeist Bundesdeutsche und Wirtschaft-

Studierenden der UniBZ gingen und auch

ler) eine Stimme im Ausschuss der SH

dank eines bundesdeutschen Wirtschafts-

gegeben wurde, war für mancheN der

1 Hauptenbuchner, Andreas: Kritik aus Liebe, in: Skolast 2010/1, S. 98.

103


Feind endgültig ins Boot geholt worden

Aus der SH wurde eine gute Service-

und es wurde der Untergang des politi-

stelle, Politik und Verwaltung nah-

schen Erbes der heiligen SHler prophezeit.

men die SHler ernst und bezogen sie

Als ich 2005 zu SH kam, war der ehemalige SH-Vorsitzende und SH-Freund Otto Saurer noch zuständiger Landesrat. Dieser vertrat in Verhandlungen gern die Meinung „die SH werd schun wissen“ und beendete sie mit den Worten „iatz moch mor an Kompromiss“. Dank

in

Entscheidungsprozesse

ein.

Dass trotzdem noch weiter am kulturellen und gesellschaftspolitischen Erbe gearbeitet wurde, konnten manche nicht glauben.

der vielen Kompromisse und erweiterter

Vermutlich

Kompetenzen nutze man 2007 die Gele-

Podiumsdiskussion,

genheit, vom zu klein gewordenen Büro

die wir organisierten, gezielt gemieden.

haben

sie

deshalb

Lesung,

jede

Tagung…

im Waltherhaus in ein zu groß geratenes Büro in die Kapuzinergasse umzuziehen.

Das Schreckgespenst „Servicestelle SH“ nahm weiter Form an.

Als ich nach acht Jahren im Büro einsehen musste, dass sich gewisse Grundsatzdiskussionen seit 60 Jahren alle paar Jahre wiederholen, spürte ich, dass meine Zeit als Übergangslösung abgelaufen war. Auch das scheinbar nimmer

Dann änderten sich aber die Spitzen in

endende Wirtschaftsstudium hatte ich

Politik und Verwaltung. Die neue (und

mittlerweile abgeschlossen. Und eines

alte) Landesrätin Kasslatter Mur hat-

konnte ich mir sicher sein: Solange es die

te leider keine SH-Vergangenheit und

alljährlichen Landtagsanfragen und Pres-

die

semittelungen

neue

Verwaltungsspitze

verwies

der

Freiheitlichen

gibt

uns sogar einmal (unsanft von italieni-

und man weiterhin im Internet (meist

schen

des

anonym) von ehemaligen WeggenossIn-

Büros. Doch zum Glück sind wir ja nicht

nen geteert und gefedert wird, wird man

nachtragend und arrangierten uns bald.

schon nicht alles falsch gemacht haben.

Schimpfwörtern

begleitet)

Verena Frei

104


105


Bildungsförderung ist Investition in die Zukunft! Eine persönliche Annäherung zu einigen Themen der Bildungsförderung

106

Als ich gefragt wurde, ob ich für die Ju-

informierte über Studienmöglichkeiten,

biläumsausgabe des „skolasts“ einen

Anerkennung der Studientitel, Stipendi-

Beitrag schreiben möchte, erinnerte ich

en usw. Nie hätte ich mir gedacht, dass

mich an den 1993 gemeinsam mit Al-

mich diese Themen noch viele Jahre

exander Larch geschriebenen Artikel mit

und in verschiedenen Rollen und Funk-

dem Titel: „Aggiungi una stella al tuo

tionen begleiten würden: zuerst als

diploma – Was sind europäische Studi-

sh-Angestellte und nach Eintritt in den

entitel wert?“. Damals hatte ich gerade

Landesdienst als Studien- und Berufs-

mein Studium in Wien abgeschlossen,

beraterin, dann als Leiterin des Amtes

suchte in Bozen einen Job, möglichst in

für Ausbildungs- und Berufsberatung

der Beratungsbranche, und fand diesen

bis hin zur geschäftsführenden Direk-

bei der sh.asus als Studienberaterin. Ich

torin der Abteilung Bildungsförderung.


Studientitelanerkennung erhöht die Mobilität der Personen.

Anerkennung von Studientiteln zwischen

Im Artikel von 1993 versuchten wir am

litisch zentrale Rolle ein. Es ermöglicht

Beispiel der Studientitelanerkennung zu

im Vergleich zu anderen Anerkennungs-

verdeutlichen, wie schwer der Vereinigungs-

verfahren einen relativ unkomplizierten

prozess innerhalb Europas vonstattenging.

Weg, um einen in Österreich erworbenen

Es sei daran erinnert, dass Österreich noch

Studientitel in Italien anerkennen zu las-

nicht Mitglied der Europäischen Union war,

sen, vorausgesetzt die Studien sind im so

die Bologna-Reform noch nicht verabschie-

genannten „Notenwechsel“ enthalten. In

det war und nach einem Anerkennungs-

diesem Zusammenhang gab es seit 1993

verfahren innerhalb der Europäischen

eine positive Entwicklung. Während man

Union eine Arbeitsbewilligungen notwen-

sich damals für die Anerkennung eines in

dig war, um beruflich in einem anderen

Österreich erworbenen Studientitels noch

europäischen Land Fuß fassen zu können.

an eine Universität im restlichen Staats-

Wir warfen damals einen durchaus kriti-

gebiet wenden musste, kann das heute

schen Blick auf den Widerspruch zwischen

über die Freie Universität Bozen, welche

dem propagierten freien Personenverkehr

dazu berechtigt ist, gemacht werden. Die

einerseits und den großen Schwierigkeiten

Verhandlungen zur Aktualisierung des

und zahlreichen bürokratischen Hürden,

Notenwechsels wurden bisher von einer

welche Personen bei der konkreten Um-

Kommission geführt und galten immer als

setzung

Anerkennungsverfahren

sehr mühsam. Umso erfreulicher ist es für

begegneten andererseits. In der Zwischen-

mich, dass heuer erstmals in der Geschich-

zeit wurden verschiedene Richtlinien zur

te des Abkommens die Studieninformation

Förderung der Mobilität der Personen in-

Südtirol der Abteilung Bildungsförderung

nerhalb der Union erlassen – erwähnt sei

vom MIUR in die Verhandlungskommis-

die aktuelle Einführung des Europäischen

sion eingeladen wurde, um aufgrund ih-

Berufspasses. Allerdings sind noch heute

res Fachwissens und der Kenntnisse der

die Verfahren zur Anerkennung von Stu-

Verhandlungssprachen mitzuwirken. Die

dientiteln über die so genannte Einzel-

Vorzeichen sind gut für die großen Themen,

nostrifizierung oder jene zur Erlangung

die demnächst in einem neuen, so

der Berufsbefähigungen sehr aufwendig.

genannten „technischen Arbeitstisch“an-

ihrer

Italien und Österreich eine bildungspo-

stehen: nämlich die Anerkennung der neuen Nicht zuletzt aus diesem Grund nimmt das

österreichischen Lehramtsstudien und

bilaterale Abkommen zur gegenseitigen

der Fachhochschulabschlüsse in Italien.

107


Sicherung des Rechtes auf Bildung durch bildung fördernde Maßnahmen

Arbeitswelt bei der Erneuerung der Bil-

Die Sicherung des Rechtes auf Bildung ist

Nicht mehr nur linke Kreise, sondern auch

historischbetrachtet für die bildungs- und

OECD und Internationaler Währungs-

beschäftigungspolitische

fonds

Entwicklung

dungsförderung im Auge zu behalten.

warnen

vor

der

wachsenden

Südtirols von zentraler Bedeutung. Ihr

Ungleichheit in der heutigen Gesellschaft,

kommt aus der Perspektive einer Minder-

da sie eine Gefahr für die Demokratie

heit in einem anderssprachigen Staat eine

darstellen kann. Das Arbeitsförderungsin-

zentrale Schutzfunktion zu. Als ich in den

stitut greift das Thema Ungleichheit in der

80-er Jahren in Wien mit der sh.asus in

Gesellschaft und Zukunft des Wohlfahrts-

Kontakt gekommen bin, waren Schulfür-

staates letzthin vermehrt auf und wird

sorge, Hochschulförderung und Studien-

sich im Herbst diesen Jahres mit der so-

und Berufsberatung bereits gut instituti-

zialen Mobilität auseinandersetzen. Eine

onalisiert. Dem war ja nicht immer so. Mit

Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung

dem Ausbau der Autonomie ab den 70-er

aus dem Jahr 2014 über die soziale

Jahren wurde es für die öffentliche Hand

Gerechtigkeit in den einzelnen EU-Ländern

möglich, bildungsfördernde Maßnahmen

reiht Italien auf der Liste der 28 Länder

für die Bevölkerung Südtirols auszubau-

an 23. Stelle. Angeführt wird die Liste von

en. Die Zuständigkeit des Landes Südtirol

den skandinavischen Ländern, gefolgt von

in den Bereichen Schulfürsorge, Hoch-

den Niederlanden, Luxemburg, Österreich

schulförderung und Berufsberatung hat es

(6. Stelle) und Deutschland. Südtirol wür-

bisher ermöglicht, einen sehr hohen Stan-

de höchstwahrscheinlich eine Position

dard der verschiedenen Dienst-, Sach- und

dazwischen einnehmen – leider haben wir

Geldleistungen zu garantieren und das

keinen vergleichbaren Index, weshalb sich

Bildungsniveau der Bevölkerung zu heben.

nur Vermutungen anstellen lassen. Ein derartiger Index wäre für Südtirol aus meiner

Ziel der Schul- und Hochschulförderung

Perspektive deshalb wichtig, weil sich

ist es nach wie vor, Jugendliche aus sozial

Expertinnen und Experten darin einig sind,

schwachen Familien darin zu unterstützen,

dass Bildungsförderung im weitesten Sinne

den eingeschlagenen Bildungsweg zu

– als Stärkung von Bildung, als Sicherung

realisieren. Die Chance und zugleich

des Zugangs zu Bildung und Beschäftigung

die Herausforderung für die zukünftige

sowie als Förderung lebenslangen Lernens

Entwicklung der Bildungsförderung liegen

– nicht nur bildungspolitisch, sondern auch

darin, das hohe Niveau der Förderungen

sozialpolitisch und volkswirtschaftlich ge-

zur Sicherung des Bildungsstandards zu

sehen wichtig ist. Sie stellt ein Element

halten und sie den neuen gesellschaftli-

dar, um soziale Gerechtigkeit zu fördern.

chen Rahmenbedingungen anzupassen.

Die Schulfürsorge, Hochschulförderung, Studieninformation und nicht zuletzt die

Zugang zu Bildung als ein Garant für soziale Gerechtigkeit.

Ausbildungs- und Berufsberatung arbei-

Aus meiner Sicht ist der soziale Aspekt der

Bildungsförderung in diesem Sinne.

ten als Tätigkeitsbereiche der Abteilung

Bildungsförderung aufgrund des schnellen Wandels in Gesellschaft, Bildungs- und

108

Rolanda Tschugguel


109


110


111


Fabian Frener (Vorsitzender seit 2015) und Franz von Walther (Vorsitzender 1955–1957).1

SH.asus - 60 Jahre VordENKERROLLE Grußworte des Vorsitzenden Fabian Frener Signore e signori, cari amici! Vorrei salutare tut-

hat

ti che sono venuti a festeggiare con noi i 60 anni

mer weiter entwickelt, sich verändert – ihre

sich

in

den

della nostra associazione e ringraziare ognuno

Anliegen

blieben

letzten dabei

Jahrzehnten aber

im-

dieselben.

che ha contribuito a realizzare questo evento. In quest‘occasione vorrei anche ringraziare tutti co-

Wenn man unsere Arbeit betrachtet, wird bald

loro che rendono e hanno reso possibile i successi

auffallen,

dell‘asus.sh col loro lavoro e dedizione costante.

wieder wechselt. Als Studierendenverein bleiben

dass

unsere

Führungsspitze

immer

Mitglieder leider höchstens vier bis fünf Jahre Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe

aktiv – auch 10 jährige Studienkarrieren sind zum

SH-lerInnen, mit 60 Jahren kann es gut sein, dass

Leidwesen unseres Vereins rar geworden. Dieser

beim Durchschnittsbürger einzelne graue Haa-

Umstand ist Problem und Möglichkeit zugleich:

re und vielleicht einige Fältchen sichtbar werden.

Die Südtiroler HochschülerInnenschaft ist somit flexibel und passt sich schnell neuen Gegeben-

Ich habe mir überlegt, ob auch die sh.asus in

heiten und Umständen an, geht immer auf neue

ihren Themen und Auftreten älter oder so-

Themen ein und bleibt am Puls der Zeit. Ein Verein

gar reifer geworden ist. Natürlich die, sh.asus

ehrwürdigen Alters der immer jung bleiben wird.

1 Foto Francesca Tonetti

112


Was vereint jene Studenten die sich im Früh-

muss aber zugeben, dass wir in den letzten Jahren

jahr

jene

mit relativ wenigen gesellschaftspolitischen Ver-

StudentInnen, die im Jahre 2015 mit der

anstaltungen aufgewartet haben. Es besteht zwar

Landesregierung diskutieren, Beratungsstellen orga-

noch Interesse und Bereitschaft zur politischen

nisieren oder mit einer bestimmten Partei streiten?

Diskussion, das allgemeine Engagement der Stu-

Vielleicht hört man manche sagen, dass der heu-

dierenden ist aber nicht ansatzmäßig vergleich-

tige Verein außer dem Namen nur mehr wenig mit

bar mit den politisch aktivsten Zeiten der sh.asus.

1955

zusammenschlossen

und

der Südtiroler Hochschülerschaft von 1955 gemein hat. Dem könnte man natürlich entgegnen, dass sich auch der Name geändert hat. Doch unsere Grundprinzipien sind über die Jahre konstant geblieben: Seit 60 Jahren versuchen wir studentische, soziale und gesellschaftliche Interessen der Südtiroler Studierenden zu vertreten, MaturantInnen und StudentInnen einen Beratungsdienst zu bieten und kulturelle Veranstaltungen in unseren Außenstellen zu fördern. Diese Aufgaben stellen wir uns selbst! Einer meiner Vorgänger, Luis Durnwalder, warnte vor 50 Jahren im Rahmen der 10-Jahres-Feier, dass die Hochschulausbildung nicht eine bloße Berufs-

Wir möchten bewusst machen, dass es zukunftsweisend ist, Südtirol nicht als Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Kulturen anzusehen, sondern als Treffpunkt und Modell einer europäischen Kultur des Miteinanders.

ausbildung sein dürfe. Ich denke, diese Problema-

Ich

glaube,

besonders

bei

solchen

Themati-

tik hat sich seitdem nicht gelöst sondern drastisch

ken hatte die sh.asus schon oft im Laufe unse-

verschlimmert. Wir stehen heute vor Universitäten,

rer Geschichte eine gewisse Vordenkerrolle inne.

in denen StudentInnen nahezu am Fließband abgefertigt werden. Universitäre Bildung ist zu einem

Was bleibt nun nach 60 Jahren? Nach 60 Jahren kon-

Massenprodukt geworden. Verstehen Sie mich nicht

stanter Veränderung unseres Vereins?

falsch: Es freut uns, dass immer mehr junge Menschen ein Hochschulstudium aufnehmen wollen und

Ho adesso 21 anni e certamente non posso im-

aufnehmen können, doch müssen dafür auch die sys-

maginare com‘è veder crescere un associazione

temischen Rahmenbedingungen angepasst werden

come la nostra per più di mezzo secolo. Ma ci res-

– die finanzielle Unterstützung der StudentInnen

ta qualche ruga o qualche capello bianco? L‘ as-

und der Universitäten darf nicht zu kurz kommen!

sociazione sarà sempre giovane, anche quando io avrò 60 anni un altro studente giovane, con nuo-

Auch die sh.asus steht vor neuen Herausforderun-

ve idee e con nuovo impegno e dedizione sarà

gen. Eine direkte Auswirkung haben die veränderten

qui al mio posto per tenere il discorso dei 100

universitären Bedingungen auf unsere politische

anni Südtiroler HochschülerInnenschaft o Asso-

Arbeit. Mir ist es zwar ein persönliches Anliegen,

ciazione degli studenti universitari sudtirolesi.

gute Ideen, fortschrittliche Denkansätze und die konstruktive politische Diskussion zu fördern,

Grazie per la vostra Aufmerksamkeit!

113


1

SH.asus - 60 Jahre QUERDENKEN Grußworte des Landesrates Philipp Achammer Liebe SH-lerinnen und SH-ler, danke zuerst

burtstag gratulieren darf im Namen der Landes-

einmal

Einleitung

regierung, und ich muss zu Beginn feststellen: leider

und Vorstellung – hätte ich mir in dieser

hat die SH in der Landesregierung an Rang verloren.

Form fast nicht verdient, würde ich sagen.

Wir haben nämlich keinen ehemaligen Vorsitzenden

für

diese

wunderbare

mehr an der Spitze der Landesregierung, der mit Lieber Vorsitzender, lieber Fabian, liebe ehemalige

Luis Durnwalder ein ehemaliger Vorsitzender an der

Vorsitzende, erster Präsident der Südtiroler Hoch-

Spitze gestanden ist. Wir haben aber eine ehemalige

schülerschaft, sehr geehrter Bundesminister au-

Bezirksvorsitzende in der Landesregierung, nämlich

ßer Dienst Karlheinz Töchterle, liebe Anwesende,

Martha Stocker. Also dementsprechend: die SH bleibt auch in der Südtiroler Landesregierung präsent.

ich freue mich natürlich, dass ich als junger Landesrat, der gerade einmal halb so alt geworden ist

Ich darf ganz herzlich gratulieren zu diesem sech-

im heurigen Jahr als die SH selber, zum runden Ge-

zigsten Geburtstag, und man sieht heute an der

1 Foto Francesca Tonetti

114


zahlreichen Präsenz, an der angenehmen Präsenz

Ich würde aber eines ganz besonders zum Schluss sagen:

der so Vielen, die SH geprägt haben in sechzig Jah-

60 Jahre Hochschülerschaft heißt: 60 Jahre ein ganz besonderes Lebensgefühl.

ren, dass SH eine bewegte und eine bewegende Geschichte ist; und dass 60 Jahre SH, und das sage ich als Dreißigjähriger, sicherlich mehr ist als 60 Jahre Interessens- und Studentenvertretung. Natürlich ist die Interessenvertretung in 60 Jahren SH immer im

Denn ich glaube, das Lebensgefühl der SH verbin-

Vordergrund gestanden: begonnen mit dem Thema

det heute Abend gerade hier – wer einmal auf einer

Studientitelanerkennung bis hin zur Maturanten-

SH-Bude war oder bei einem SH-Festl wird wissen,

beratung, den Studientagungen, die man organi-

wovon ich spreche (auch als noch nicht abgeschlos-

siert hat, die akademische Anerkennung oder die

sener Student – ich bin ja sozusagen Interessens-

akademische Ausbildung der Lehrpersonen – das

mitglied auch der Südtiroler Hochschülerschaft).

geistige Erbe des Josef Ferrari, des Vize-Schulamtsleiters, mit dem man begonnen hat, der Studienbei-

Ich freue mich aber auf eines ganz besonders: na-

hilfen, die Fabian Frener ganz treffend angespro-

türlich auf die gute Zusammenarbeit; und Fabian

chen hat und die heute natürlich immer noch im

Frener hat in den Mittelpunkt gestellt, dass SH auch

Mittelpunkt stehen und immer noch Thema sind.

in Zukunft bewegen wird; die SH wird mit Sicherheit

Sechzig Jahre SHbedeutet aber auch: 60 Jahre Querdenken.

ungemütlich blieben, wenn es um die Interessen der Südtiroler Studierenden geht; wenn es darum geht zu verteidigen, dass wir beste Rahmenbedingungen für Südtiroler Studierende schaffen – ob in Südtirol oder außerhalb Südtirols; dass wir Chancengleich-

Die Südtiroler Hochschülerschaft hat immer ihren

heit und Chancengerechtigkeit in Ausbildung und

gesellschaftlichen, ihren gesellschaftspolitischen,

Universitätsstudium gewährleisten. Die SH wird

ihren kulturellen Auftrag wahrgenommen; und die-

sich einmischen und wird sich nie vereinnahmen

se Geschichte ist eine ganz ganz besondere bis hin

lassen – das hat sie sich nie und wird sie auch heute

zur Position der SH als außerparlamentarische Op-

nicht tun und auch in Zukunft nicht tun – das wün-

position, die sich entwickelt hat in den 60er- und

sche ich mir ganz besonders; sie wird uns auf die

dann ganz besonders in den 70er-Jahren; in den

Zehen steigen – darüber freuen wir uns auch ganz

70er-Jahren bis hin zum Brief der 83, der ja ganz

besonders in den zuständigen Abteilungen weiter-

besonders in die Geschichte eingegangen ist in der

hin; und sie wird die Chancen wahrnehmen – und

Zeit, als Günther Pallaver Vorsitzender war oder Re-

das hat mir besonders in einem Interview des Vor-

nate Mumelter als erste Vorsitzende der Südtiroler

sitzenden gefallen – die sich neu eröffnet haben.

Hochschülerschaft, bis hin zur Position, die man gegenüber der Universität Bozen eingenommen hat, die

Wenn man in der Interessenvertretung daran denkt,

ja auch eine gemischte Geschichte war, von der Ab-

dass irgendwo vor 50 Jahren die Passkontrollen ein

lehnung bis hin zur konstruktiven Zusammenarbeit.

bedeutendes Thema der SH waren und wir heute die Chancen nutzen können nach 60 Jahren SH,

Sechzig Jahre SH würde ich sagen bedeutet aber auch sechzig Jahre ganz normaler Wahnsinn, denn auch das gehört zur Südtiroler Hochschülerschaft dazu:

die uns Europa bietet und den Studenten bietet,

Momente wo es hin bis zur Existenzbedrohung gegan-

werden wir sagen: die Südtiroler Hochschülerschaft

gen ist, Referenden zur Abschaffung der Südtiroler

bleibt ein fixer Teil von Südtirols Studentenlandschaft,

Hochschülerschaft, in den 90er-Jahren den berühm-

aber vor allem ein fixer Teil auch von Südtirols Gesell-

ten berüchtigten WAS-Artikel, wo es um die Finanzkri-

schaft – das dürfen wir nicht vergessen. Alles alles

se der Südtiroler Hochschülerschaft bis hin wiederum

Gute, und ein schönes Geburtstagsfest heute Abend!

dann nutzen wir diese – das ist eine herausragende Chance von jungen Menschen, die optimistisch in die Zukunft blicken, ihren Horizont erweitern und die Chancen nutzen, die auf dem Tisch liegen. Alles alles Gute zum sechzigsten Geburtstag, viel Erfolg auch in Zukunft – auch zum Hundertsten werden wir vielleicht wieder vorbeischauen und auch dann

fast zur Existenzbedrohung gegangen ist – aber auch das gehört zu einer Studentenorganisation mit dazu.

115


1

Die zukunft der Universitären bildung im 21. jahrundert Grußworte des O. Univ.-Prof. Mag. Dr. Karlheinz Töchterle, ehemaliger Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Herr Landeshauptmann, sehr geehrte Mitglieder

Es ist nicht ganz leicht, in einer so launigen und auch

der Südtiroler Landesregierung, vor allem aber sehr

so dichten Runde jetzt noch Ihre Aufmerksamkeit zu

geehrte Funktionäre und Mitglieder der Südtiro-

gewinnen. Mir wurde das Thema „Die Zukunft der

ler HochschülerInnenschaft (das Binnen-I geht mir

universitären Bildung im 21. Jahrhundert“ gestellt.

schwer über die Zunge, aber ich hab’s geschafft).

Wenn man über diese Zukunft nachdenken möchte, dann muss man natürlich auch ein bisschen über

Ich bedanke mich ganz herzlich, hier zu diesem Fest-

die Vergangenheit reden, das heißt, man muss den

vortrag eingeladen zu sein. Ich bin sehr gerne ge-

Ort ausmachen, wo die universitäre Bildung derzeit

kommen und mich verbindet sehr vieles mit Südtirol.

steht, man muss ihr Wesen zu fassen versuchen, um

1 Foto Flora Brugger

116


dann zu schauen, was von diesem Wesen, was an die-

bezogen sich natürlich nicht nur auf Wirtschaft und

sem Ort bestehen kann, was sich ändern muss und

Politik, sondern auch auf geistige Bereiche, die für

was sich ohnehin ändert. Das versuche ich jetzt also

die Universität wohl noch stärker ins Gewicht fielen.

in der mir vorgegebenen Zeit von zwanzig Minuten.

Die wichtigsten Strömungen, die hier zu nennen sind und die diese Universitätsreform beflügelt ha-

Also: Was ist der Ort, was ist das Wesen uni-

ben, waren zweifellos der deutsche Idealismus und

versitärer

her?

der Neuhumanismus. Der deutsche Idealismus, ge-

Ich kann natürlich jetzt nicht die ganze Universitätsge-

nährt von Philosophen wie Kant oder Hegel, Fich-

schichte aufrollen. Ich möchte nur ein paar wesentliche

te, Schelling und anderen, stellte, beruhend auf

Punkte aus dieser Geschichte in Erinnerung rufen, weil

der platonischen Philosophie, das gebildete Indi-

sie auch heute das Wesen der Universität ausmachen.

viduum in den Mittelpunkt seiner Bemühungen.

Bildung

von

ihrer

Genese

Die moderne Universität hat sich in ihren bedeutendsten

Zügen

wohl

doch

im

deutschen

Sprachraum entwickelt, vor allem in Preußen, und hat dieses Gepräge der Welt weitergegeben.

Wenn man heute in der Welt Universität denkt und Universität baut, dann tut man es vielfach nach diesen Mustern, die im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert entstanden und entwickelt worden sind.

Das gebildete Individuum, dessen Bildung nicht darauf beruht, dass es auf etwas hin gebildet wird, sondern darauf, dass seine Persönlichkeit, sein Ich, zu möglichst vollständiger Entfaltung gelangt. Das war der Hauptzweck und das Hauptziel dieser Bildungskonzeption. Also: ein möglichst rundum gebildetes Individuum. Und dazu liefert nun vor allem der Neuhumanismus die entsprechenden Bildungsmittel, die, wie man es

Diese Muster haben natürlich eine Fülle von Kontex-

ganz grob sagen kann, in der griechischen Antike lie-

ten, die teilweise noch gegeben, vielfach aber ver-

gen. Dass das so kam, ist für die Zeit der Aufklärung

gangen sind. Einige Kontexte waren wirtschaftlicher,

und das 18. Jahrhundert durchaus erstaunlich – es

praktischer, ja sogar militärischer Natur: Man sah in

könnte erklärt werden, das würde aber zu weit führen

Deutschland die wirtschaftliche Unterlegenheit ge-

– es war so. Für die Deutschen kamen auch nationale

genüber Frankreich und England im 18. Jahrhundert;

Gründe hinzu, nämlich sich endlich gegenüber den

man sah, vor allem in den napoleonischen Kriegen,

bisher kulturell stets überlegenen Romanen absetzen

die militärische Unterlegenheit. All das waren starke

zu können. Das Ziel und das Ideal dieses Neuhuma-

äußere Impulse, um auch und insbesondere an der

nismus, dieses vor allem deutschen Neuhumanismus,

Bildung anzusetzen, um damit diese Rückstände auf-

war das antike Griechentum, das man idealisiert hat, in

zuholen. Und das ist mit Hilfe der Bildungsreformen

dem man das Menschentum ideal verwirklicht sah und

sowohl im Sekundar- als auch im tertiären Bereich

dem es nun nachzustreben, das es wiederzugewinnen

gelungen: Das deutsche Universitätssystem und auch

galt. Deswegen war im neu konzipierten humanisti-

die deutsche Gesellschaft, Wirtschaft und Wissen-

schen Gymnasium Humboldts Griechisch das eigent-

schaft waren bis zur Katastrophe des Nationalsozialis-

liche Hauptfach, obwohl die meisten Stunden vom La-

mus führend in der Welt. Auch in der Wissenschafts-

teinischen beansprucht wurden – auch das hat seine

sprache war Deutsch bis dorthin und sogar noch ein

Gründe –, aber beide Fächer zusammen halfen eben,

bisschen darüber hinaus dominierend. Erst in den

diese antike Welt wiederzugewinnen, beide Fächer

letzten Jahrzehnten hat Englisch auch als Wissen-

zusammen hatten mehr als 50 Prozent der Stunden

schaftssprache Deutsch und andere Sprachen, etwa

in diesem damaligen humanistischen Gymnasium.

Französisch abgelöst, und ist jetzt die Lingua franca. Die Rahmenbedingungen, die damals herrschten,

Verstärkend dazu kamen andere geistige Bewegun-

117


gen: der Sturm und Drang, die Genieästhetik, die

eine elitäre Adelsethik präferiert hat, hat dagegen den

Romantik mit der „progressiven Universalpoesie“

Selbstzweck und den Eigenwert der Bildung betont,

eines Friedrich Schlegel, der darin das anzustreben-

absolut stimmig im Rahmen seiner Seinsphilosophie.

de Bildungsgut schlechthin sah, mit der Hochbewer-

Dieser Eigenwert, dieser Selbstzweck der Bildung

tung alles Künstlerischen – all das hat dazu geführt,

war dann eben auch ein Kernpunkt der universitären

dass der bürgerliche Bildungskanon wie der univer-

und der gymnasialen Konzepte des 18. und 19. Jahr-

sitäre von diesen Bildungsgütern dominiert wurden.

hunderts. Sie beruhten auf den geistigen Gegebenheiten, die ich jetzt nur ganz grob skizzieren konnte.

Dem allen entsprechend war die Leitwissenschaft dieser damaligen Universität die klassische Philolo-

Die klassische Philologie verlor mit dem Zurückge-

gie. Als klassischer Philologe kann ich natürlich auch

hen des Neuhumanismus im Laufe des frühen 19.

davon sehr gut erzählen und könnte ins Detail gehen.

Jahrhunderts auch ihre Rolle als Leitdisziplin. Sie

Diese Leitwissenschaft hat mit ihrem Studienbetrieb

wurde zuerst abgelöst von anderen Geisteswissen-

auch das Paradigma für das ideale Studium an einer

schaften, vor allem von der Geschichtswissenschaft,

Universität geliefert. Dieser Studienbetrieb hat in sei-

dann aber, vor allem durch den aufkommenden Po-

nem Kern das philologische Seminar gehabt. Friedrich

sitivismus, allmählich von den Naturwissenschaf-

August Wolf, der als der Begründer der modernen klas-

ten, und hier wurden die neuen Leitdisziplinen ge-

sischen Philologie gilt, hat auch dieses philologische

prägt, die allerdings in der Forschungsorganisation

Seminar begründet, zuerst in Halle, später dann an

und auch im Ideal des forschenden Lernens und

der neu geschaffenen Humboldt-Universität in Berlin,

Lehrens den alten Konzepten treu blieben: Auch in

und das Seminar war, was schon der Name sagt: Hier

diesen neuen Disziplinen war das forschende Leh-

wurden die semina (die Samen) gelegt für eine später

ren das zentrale Bildungserlebnis der Universität.

wissenschaftliche Entwicklung. Dieses Seminar war

So ist es bis heute geblieben:

eine Pflanzstätte der Studierenden. Es war geprägt von einer intensiven Interaktion zwischen Lehrenden und Forschenden, und von daher kam auch ein Ideal der Humboldt’schen Universität, nämlich die enge Verbindung von Forschung und Lehre; und auch das Vertrauen darauf, dass jegliche forschende Lehre und jegliche wissenschaftliche Bemühung ein generelles Bildungserlebnis erzeuge. Explizit hat das vor allem Schleiermacher formuliert, ein Mitkämpfer Humboldts in dessen Bildungsbemühungen, und Schleiermacher hat das auf der Basis der platonischen Philosophie gemacht (er war ein großer Platoniker – seine Übersetzung der platonischen Werke wird bis heute benützt); auch hier also steht Platon im Hintergrund. Platon steht noch in einem anderen Zusammenhang

118

Wenn wir heute von idealer Universität schwadronieren, das sage ich jetzt mit Absicht so, dann haben wir immer das Paradigma dieses forschenden Lernens und Lehrens und dieses gemeinsaman-einem-Problem-sich-Abarbeitens, mit dem man sozusagen gemeinsam mit seinen Lehrenden voranschreitet und irgendwann dann selber zum Wissenschaftler wird. Dieses Ideal gab es nie.

mit den Konzeptionen dieser Zeit: Platon selber hat

Ideale gibt es klarerweise in der Realität ohnehin nie

sich vor allem an einem Gegner gerieben, an der So-

(das versteht sich von selbst). Das gab es nie, nicht

phistik. Die Sophistik des späten fünften Jahrhunderts

einmal in den erwähnten Disziplinen, und in anderen

vor Christus in Athen, das war eine erste revolutionä-

schon gar nicht. Sie müssen daran denken, dass diese

re, aufklärerische Bewegung, die den damaligen neu-

Disziplinen, sowohl die klassische Philologie wie auch

en Gegebenheiten, nämlich der Demokratisierung der

die Geschichts- und die Naturwissenschaften, alle aus

Gesellschaft in Athen, Rechnung getragen und ihren

der philosophischen Fakultät entsprungen sind. Und

Adepten versprochen hat: Wenn ihr bei uns in die

diese philosophische Fakultät ist erst im späten 18.

Schule geht, dann werdet ihr euch in dieser neuen de-

Jahrhundert von der Magd, die sie vorher über Jahr-

mokratischen, also aufstiegsorientieren Gesellschaft

hunderte war, zur „Königin“ der Fakultäten geworden,

durchsetzen, dann werdet ihr erfolgreich werden – po-

wie sie Kant bezeichnet. Vorher war sie die Magd der

litisch und ökonomisch. Das heißt, die Sophisten waren

drei „höheren“ Fakultäten Theologie, Jus und Medizin

die ersten, die die Bildung programmatisch und ideo-

gewesen. Diese benötigten die philosophische Fakul-

logisch verzweckt haben. Bildung war immer schon

tät zur Propädeutik, und sie hieß deswegen ja lange

zweckhaft, auch im älteren, adelsbetonten Griechen-

Zeit auch nicht „philosophische“, sondern Artistenfa-

land, aber die Sophisten haben daraus ein Programm

kultät. Nicht, weil man hier irgendwelche Kunststücke

gemacht und haben dieses Programm so stark formu-

lernte, sondern weil sie die septem artes liberales zu

liert, dass sie den Widerspruch Platons evozierten. Und

unterrichten hatte, was eben dann zur Universitätsrei-

Platon, der selber schon auf Grund seiner Herkunft

fe für die drei höheren Fakultäten führte. Aus dieser


Magd wurde also mit Kant und Co. die Königin, und sie

übersieht aber erstens die Tatsache, dass man sich

lieferte dann das Paradigma, in dem wir bis heute so-

den Herausforderungen an die Funktionen und Auf-

zusagen die eigentliche und wahre Universität sehen.

gaben heutiger Universitäten neu stellen muss und hier nicht Ideale des 18. und 19. Jahrhunderts, die

Daneben gab es natürlich immer eine ganz ande-

noch dazu nie Realität waren, in die Zukunft ver-

re Universität und es gibt sie bis heute – das möch-

längern kann; sie übersieht zweitens auch, dass

te ich ausdrücklich ins Bewusstsein rufen, wenn

diese Ideale ja nur für ein ganz schmales Segment

ich jetzt zur Gegenwart und zur Zukunft komme.

überhaupt gültig waren: die drei höheren Fakul-

Die Prägung von damals gilt bis heute als Ideal.

täten waren nie, um Luis Durnwalder zu zitieren,

Für mich war dies faszinierend zu sehen, als ich mich

„lai“ Wissenschaft; sie waren immer – auf wissen-

als Rektor der Universität Innsbruck 2009/2010

schaftlichem Fundament – praktische Ausbildung.

mit der Protestbewegung „Uni brennt“ auseinandersetzte. Diese „Uni brennt“-Bewegung, die

Die Theologie bildete die Priester aus, die juri-

man mit den Attributen „revolutionär“ oder auch

dische Fakultät die diversen juristischen Berufe,

„links“ versehen kann, hat letztlich platonische

den Richter, den Anwalt, den Notar, die Medizin bil-

Ideale vertreten, wohl ohne dass sie es wusste.

dete Ärzte aus. Also: die drei höheren Fakultäten

Ich sagte es ihnen manchmal in den Diskussionen,

waren immer auf „employability“ ausgerichtet,

nämlich: zweckfreie Bildung, kein In-den-Dienst-

so wie es jetzt Bologna wieder verlangt. Das heißt:

Nehmen von Bildung durch irgendwelche Sekun-

die Wissenschaft war immer verzweckt, die Wissenschaft war immer auch dazu da, Menschen für ein praktisches Leben und für eine praktische Tätigkeit auszubilden.

därabsichten, Wissen an sich, all das war in der Programmatik dieser „Uni brennt“-Bewegung. Das heißt:

Wir haben bis heute dieses Ideal ganz stark in unseren Köpfen verankert: Wissenschaft um ihrer selbst willen, Erkenntnis um ihrer selbst willen und nicht für andere Zwecke, und Teilhabe an diesem Erkenntnisprozess, an der Gewinnung neuer Erkenntnisse durch die Studierenden. Wir wissen, dass die Realität heute ganz anders ist:

Das Ideal, dem man hier nachrennt und nachtrauert, war klarerweise nie Realität, und es war für viele Fakultäten nicht einmal je ein Ideal. Insofern ist natürlich die Ausrichtung Bolognas auf die Beschäftigungsfähigkeit plausibel und stimmig, es wird nur dann gefährlich, wenn Wissenschaft ausschließlich unter diesem Aspekt gesehen wird, und wenn sie vor allem ausschließlich ökonomischen Interessen zu dienen hat – das ist klar.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Explosion der Studierendenzahlen. Das Seminar als Idealform

Wissenschaft muss betrieben werden um der Erkennt-

universitären Lehrens und Lernens wird zwar immer

nis willen. Wenn diese Erkenntnis, was häufig der Fall

noch so genannt, ist aber ganz selten der Ort dafür.

und was ein großes Glück für die Wissenschaft ist,

Wir sind heute nicht nur durch die Massenuniversität, aber vor allem durch sie, gefordert, Universität neu zu denken und neu zu konzipieren.

auch Geld bringt, dann soll es uns Recht sein, aber das darf nie der primäre Zweck des Wissenschaftsbetriebs sein. Das wird auch jeder Wissenschaftler so sehen, und er kann gar nicht anders, als dem Erkenntnisdrang zu folgen und am Puls der Erkenntnis zu fühlen und diese Erkenntnis eben weiterzutreiben.

Das geschieht auch. Der stärkste Ausdruck da-

Natürlich hat Bologna, um noch kurz bei diesem Prü-

für ist

die Bologna-Reform: Hier haben eine

gelknaben zu bleiben, schon auch einige Ergebnisse

Fülle von verantwortlichen Politikern in vielen

gezeitigt, die fragwürdig sind und die auch ich kritisiere.

Konferenzen – in Bologna war eine davon und

Vor allem österreichische und deutsche Bildungspoli-

sie hat dem ganzen Prozess den Namen gege-

tiker haben hier übers Ziel geschossen, indem sie ganz

ben – versucht, auf die neuen Herausforderungen

strenge Vorgaben machten für den Bachelor – etwa in

zu reagieren, und bestimmte Vereinbarungen

Österreich, dass er nur sechssemestrig sein dürfe –,

getroffen, die dann von den einzelnen Ländern

und dann haben noch die Studienkommissionen –

unterschiedlich umgesetzt wurden und werden.

inzwischen heißen sie Curriculakommissionen – das ihre draufgelegt, indem sie in diese sechs Semester

Dieser Bologna-Prozess ist inzwischen zum Prü-

mehr hineingepresst haben, als man vorher in einem Di-

gelknaben geworden, zu einer Chiffre für eine fehl-

plomstudium von acht oder zehn Semestern zu lernen

geleitete Universitätspolitik. Die Kritik an Bologna

hatte. Das alles hat zu einer krassen Reglementierung

119


des Studiums, zur sogenannten Verschulung, geführt.

Bei uns ist ja – durch die hervorragenden Berufsausbil-

Ein Übriges hat dazu, was selten beachtet wird, das

dungsmöglichkeiten, die wir haben – die Universität

heute überall grassierende kumulative Prüfungssys-

nicht der alleinige Weg zu einer gelingenden berufli-

tem getan. Man absolviert ein Studium nicht mehr

chen Ausbildung, als der er manchmal hingestellt wird,

wie früher, indem man einfach einmal studiert hat,

vor allem auch von linker Seite in Österreich. Es gibt

sich versucht hat, in ein Fach hineinzuarbeiten und

eine Fülle anderer Wege zu einem gelingenden Leben,

am Schluss dann diese Arbeit und diese Erkenntnis in

zu einer gelingenden beruflichen Ausbildung, und

einer großen Schlussprüfung, in einer großen Schluss-

deswegen muss bei uns auch nicht alles akademisiert

arbeit, nachweist, sondern man addiert nun Prüfung

werden (was manche ja fordern); es muss bei uns auch

um Prüfung und summiert das auch, und am Schluss

nicht jeder, damit er sozusagen für sein Leben ausrei-

hat man dann den Abschluss. Dieses kumulative Prü-

chend ausgestattet ist, durch eine Universität gegan-

fungssystem, dieses Addieren von „Scheinen“, führt

gen sein. Das ist ein wirklicher Fehlschluss, und ich bin

dazu, dass die sogenannte „Verschulung“ und die da-

auch gegen den Akademisierungswahn, der von vielen

für nötige Bürokratie Triumphe feiern, dass nur mehr

Seiten getönt wird, weil ganz klar ist, und das haben

gezählt und gemessen wird. Das Allerschrecklichste

insbesondere die Krisenjahre in letzter Zeit gezeigt,

sind diese ECTS-Punkte (European Credit Transfer

dass z.B. die Jugendarbeitslosigkeit genau in den Län-

System), die Währung, mit der im Bologna-Raum Stu-

dern, wo wir niedere Akademikerquoten haben, aber

dienleistungen verglichen werden. Was messen diese

dafür eine hervorragende außertertiäre Berufsausbil-

Punkte? Sie messen nur Arbeitszeit: Ein ECTS-Punkt

dung, deutlich geringer ist. In Ländern wo das nicht

heißt in Österreich 25 Stunden Arbeit, in Deutschland

der Fall ist, auch wirtschaftlich starken Ländern wie

dreißig Stunden Arbeit, also schon fünf Stunden Un-

etwa Schweden oder Finnland, da haben wir eine sehr

terschied pro Punkt. Wenn man weiß, dass ein Bache-

hohe Jugendarbeitslosigkeit. Und ich weiß, dass Süd-

lorstudium von sechs Semestern mal dreißig Punkten

tirol eine etwas höhere hat als Österreich, aber eine

180 Punkte hat und das mit fünf multipliziert, dann

weitaus niedrigere als anderer Regionen Italiens – ich

ist der Unterschied an Arbeitszeit zwischen einem

nehme an, dass das auch hier ähnlich ist. Also: auch

deutschen und einem österreichischen Studenten

da muss man differenzieren und da würde ich sagen,

nach sechs Semestern neunhundert Stunden. Also:

wir müssen unsere Stärken und unsere Qualitäten in

entweder sind Österreicher viel gescheiter als die

der beruflichen Ausbildung schätzen. Wir dürfen nicht

Deutschen, oder die Deutschen sind viel fleißiger; das

in den Fehler verfallen zu meinen, nur die Universität

zweite, glaube ich, stimmt, das erste bezweifle ich.

führe zu einer erfolgreichen Berufslaufbahn, das wäre völlig falsch gedacht. Für die Universität, und damit

Ich will mit dieser Rechenaufgabe nur den Unsinn

beende ich jetzt diese meine Festrede, wünsche ich

der ECTS-Punkte beleuchten, ich könnte noch vie-

mir, dass sie weiterhin eine Stätte der Erkenntnis

le Scheinwerfer auf diesen Blödsinn werfen. Das

und des Erkenntnisgewinns bleibt, eine Stätte

Trostlose ist, dass der ganze Bologna-Raum diesen

echter Wissenschaft, „lai“ der Wissenschaft, um

Unsinn macht, und noch trostloser ist es, dass eine

wieder Durnwalder zu zitieren. Was heißt das?

Fülle von anderen Gegebenheiten jetzt mit diesen ECTS-Punkten traktiert wird, z.B. Stipendienberechtigung oder (bei uns) Familienbeihilfeberechtigungen etc. Das ist ganz übel und so gibt es einige üble Auswüchse von Bologna, die zurecht kritisiert werden.

Das heißt auch, dass die Universität keine völlige Massenveranstaltung werden kann. Sie muss eine intellektuelle elitäre Institution blei-

Aber ein Grundgedanke von Bologna, die Beschäf-

ben. Wenn sie das nicht ist, ist sie nicht mehr Universi-

tigungsfähigkeit und das Ziel, den Hochschulraum,

tät. Warum nicht? Wissenschaft heißt inzwischen ganz

den Bologna-Raum, der über Europa schon hinaus-

deutlich und unverkennbar, neue Erkenntnisse, und

reicht, einheitlich zu machen, damit die Mobilität

zwar in der weltweiten Konkurrenz, zu gewinnen. Ob

erleichtert wird, und anderes, das alles ist gut. Vor

das nun verwertbare oder nicht sind, das ist zweitran-

allem rechnet Bologna erstmals einfach mit einer

gig – es ist erfreulich, wenn sie dann auch Geld bringen,

anderer Form von Universität, mit einer Universi-

es ist aber zweitrangig; das Ziel ist neue Erkenntnis,

tät, die sich inzwischen unglaublich ausdifferen-

in der Konkurrenz weltweit sich darum Bemühender.

ziert hat, die inzwischen für höhere Bildung in vie-

Und diese Leistung, die kann, will, soll und muss auch

len Ländern nahezu unverzichtbar geworden ist;

gar nicht jeder erbringen, das ist eine Leistung, für die

auch hier haben ja Österreich, Deutschland, die

es eine sehr gute intellektuelle und auch willentliche

Schweiz und wohl auch Südtirol (weil es ja doch nä-

Ausstattung braucht, die nicht jeder hat, und das werfe

her bei unserem Kulturraum ist) eine Sonderstellung.

ich der linken Bildungspolitik sehr vor, dass sie das nicht zu akzeptieren bereit ist. Wobei ich damit kei-

120


2

ne Wertung und auch keine soziale Stufung verbinde;

ich sehe natürlich noch einige Entwicklungsmög-

aber eine intellektuelle Elite ist für mich für Wissen-

lichkeiten, zum Beispiel im Bereich der hochwerti-

schaft und für Universität unabdingbar. Und wenn ich,

gen Berufsausbildung – soviel ich weiß, gibt es hier

und ich habe da inzwischen ja leidvolle Erfahrungen,

noch keine Fachhochschulen (wie in Italien generell

eben sehe, wie sehr das linker Bildungspolitik viel-

nicht), da könnte man also noch etwas überlegen.

fach völlig egal ist, wie sehr es ihnen nur wichtig ist,

Etwas Zweites, was ich glaube, dass es für Süd-

möglichst viele Studierende in die Universitäten zu

tirol

stopfen, aber was dort passiert und welche Qualität

tig wäre, und da und dort wird’s auch versucht:

dort geboten wird, ist ihnen nicht wichtig, wie sehr sie daran interessiert sind, möglichst viele Anforderungen zu senken, um damit hier eben möglichst völlige Gleichheit – und das ist Nivellierung nach unten –, zu erzielen, dann erlaube ich mich hier einfach, manches an der linken Bildungspolitik zu kritisieren, so sehr ich (selber ein Arbeiterkind) weiß, wie wichtig es ist, dass Universität und hohe Bildung allen sozialen Schichten offenstehen muss, und dass alle die gleichen Chancen dafür haben müssen. Aber dann

wie

übrigens

auch

für

Nordtirol

wich-

Man muss die Synergien, die da sind, heben, man muss sie schöpfen, also: Kleingeisterei hat keinen Platz – wir stehen in einer weltweiten Konkurrenz, und dieser Konkurrenz können wir nur standhalten, wenn alle Kräfte an einem Strick ziehen.

haben sie die Verantwortung, die Leistung zu brin-

Ich weiß, dass das nicht leicht ist (ich sehe es auch

gen und an der Erzeugung von Wissen teilzunehmen.

in Innsbruck), aber man muss sich bemühen, die Kräfte zu bündeln und gemeinsam dann ein star-

Darf ich am Schluss noch zwei drei Bemerkungen

ker Standort zu sein. Das ist auch ein Appell und

zu Südtirol selber machen: Südtirol finde ich ist auf

ein Wunsch, dass das in Südtirol gelingen möge.

einem guten Weg im tertiären und im Forschungssektor – Südtirol hat hier einen Rückstand aufzuholen.

Zum Schluss gratuliere ich der jubilierenden SH ganz

Südtirol hat inzwischen einige glänzende Institu-

herzlich zum 60. Geburtstag und wünsche ihr wei-

tionen, die diesen Aufholprozess mittragen, und

terhin viel Kraft, viel Mut und kluge Ideen. Danke.

2 Foto Flora Brugger

121


FundstĂźcke aus 61 Jahren SH Inserat in der FF, 7.-

13. Juli 1990.

Skolast 1971/4, S. 2.

mit Foto von ige zum 30er Ad to Al r de 85. Bericht in , 15. Juni 19 htsfeier 1961 ac hn ei -W der SH

Studienfahrt der SH-Rom Ăźbe

r Tivoli nach Subiaco, 21. Mai

122

1959.


Aus dem SH-Archiv im

Landesarchiv.

Inserat in der FF, 7.-13. Juli

1990.

ucker SH-Bude, 1997.

der Innsbr t den Spargelrisotto auf Silvius Magnago genieĂ&#x;

123


SH-Eule blinzelt aus dem Haus der Kultur.2

Umzüge

Als 1967 das Haus der Kultur „Walther von

gerade einmal 188.000 Lire überweisen

der Vogelweide“ errichtet wurde, übersie-

(was heute in etwa 450 € entsprechen würde).1

delte die SH von der Dr.-Streiter-Gasse 20/II dorthin. Im 4. und letzten Stock belegte man

Der spätere Umzug in die Kapuzinergasse

– direkt gegenüber vom Südtiroler Schüt-

hat offenbar einige Zustellfirmen ver-

zenbund – bis 2007 ein Zweiraumbüro mit

wirrt; Kollege Stephan Illmer staunte nicht

47 Quadratmetern. Dafür war die Miete

schlecht, als er folgende Postsendungen

günstig: 1980 musste die SH monatlich

erhielt:

Adressetikett einer Postsendung.

Hier eine weitere Kostprobe kreativer Adaptionen unseres Vereinsnamens:

Adressetikett einer weiteren Postsendung. 1 Verzeichnis der Mieter im Waltherhaus 1980 ca., SH-Archiv im Südtiroler Landesarchiv (SLA). 2 Cover Skolast 1973/1.

124


Mitgliedschaft Früher war die Mitgliedschaft noch eine

Es folgt eine Reihe von Vorschlägen, was

wesentlich ernstere Angelegenheit als heu-

die sh tun könnte wie z.B.:

te, man trat nicht so einfach in die SH ein und auch ein Austritt wurde mitunter wort-

(…) alle zusammen einmal in einem Kon-

gewaltig begründet. So traf im Sommer

zert (muß ja nicht unbedingt klassische

1979 folgender Brief in der Zentrale ein:

Musik sein, da diese ja nur wenigen gefällt), man könnte sich mit dortigen Sport-

Sehr geehrte Sekretariatsleitung der Süd-

vereinen in Kontakt setzen und dann z.B.

tiroler Hochschülerschaft! Gestern habe

ein Fußballspiel oder Flugballspiel gegen-

ich Ihr Rundschreiben erhalten, in wel-

einander austragen; auch ein gemeinsa-

chem Sie ehemalige Mitglieder darum

mer Pizzaabend (die SH müßte den oder die

bitten, ihren noch ausständigen Mitglieds-

Tische reservieren und vielleicht wäre es

beitrag zu bezahlen. Es tut mir wirklich

nicht schlecht, wenn sie z.B. pro Kopf 1 Bier

Leid, daß Sie ab nun ein Mitglied weniger

bezahlt)3.

haben, aber ich fühle mich mit der SH nicht mehr verbunden. In Bologna, wo ich studiert habe, wurde im letzten Jahr wenig oder gar nichts getan. (…) Ebenfalls gut begründet wurde folgende Austrittserklärung:

Austrittserklärung 1971.4

3 Zuschrift eines ex-Bologna-Mitglieds 31. Juli 1979, SH-Archiv im SLA. 4 SH-Archiv im SLA.

125


Von Präsidenten, VorsitzendeN und Kollektiven

Amtsübergabe 1963 von Hansjörg Kucera (l.) an Josef Ties.5

Amtsübergabe 2008 von Andreas Gschleier (r.) an Markus Gröber.6

In den 60 bzw. mittlerweile 61 Jahren,

NachfolgerIn erfolglos geblieben. In der

die die SH auf dem Buckel hat, standen

SH galt und gilt nämlich der Grundsatz,

ihr fast ebenso viele Vorsitzende vor:

dass einE VorsitzendE erst dann abtre-

Speziell in der ersten Lebenshälfte bis

ten darf, wenn jemand für die Nachfolge

1985 gab es praktisch jedes Jahr einen

gefunden worden ist. Oft genug geschah

Wechsel an der Vereinsspitze, lediglich

dies erst im letzten Moment, direkt bei

Franz von Walther wurde dreimal (1955–

der konstituierenden Ausschusssitzung

1957) hintereinander zum Vorsitzenden

und unter Aufbietung aller erdenkli-

gewählt.

chen

7

Ab 1985 wurden dann Vor-

Überredungskünste.

Sogar

per

standskollektive eingeführt, bei denen

Telefonrundruf war man einmal erfolg-

es oft nur pro forma eine Vereinsspitze

reich…Bis heute standen so insgesamt

(„gesetzliche Vertretung“) gab. Dafür

48 verschiedene Personen dem Verein

konnten nun öfters Leute für eine längere

vor, darunter nur sieben Frauen – viel-

Amtsdauer begeistert werden – vielleicht

leicht waren diese oft weniger eitel bzw.

war aber auch nur die Suche nach eineR

„postengeil“, oder einfach nur vorsichtiger.

7

Dolomitenbericht über die Wahl Alois Durnwalders zum SH-Präsidenten, 23. Dezember 1964.

5 6 7

126

Archiv Hansjörg Kucera. SH-Archiv, Büro Bozen. Ebenfalls dreimal hintereinander an die Spitze des Vereins gewählt wurden Markus Mascelli (1992–1994), Raphael Daum (2000–2002) und Markus Gröber (2008–2010).


Immerhin

haftet

die

Vereinsspitze

scheidende Vorteile mit sich bringen

auch finanziell für alles, was im Verein

würde. Dafür waren einige der 48 Vor-

geschieht: trotz ungezählter Statuten-

sitzenden – wenn man das Statut genau

änderungen brachte man es nie zustande,

nimmt – eigentlich gar nicht korrekt ge-

aus dem ehrenamtlichen Verein (offiziell:

wählt worden. Da aber nie jemand einen

Verein zur Förderung des Gemeinwohls)

Einwand erhob, ist heute alles verjährt.

eine juristische Person zu machen, was

Nur einmal gab es einen Einspruch, 1992,

zumindest in der Haftungsfrage ent-

in dem Jahr des großen „SH-Skandals“:

WAS: Was ist los mit der SH?

Wochenzeitschrift „WAS“, 1. Juni 1992.

In ihrer gesellschaftspolitischen Funktion

Das

widmete sich die SH in den 1980ern ver-

(Norbert Lochmann, David Augscheller,

stärkt dem Thema „Frauen“. Spätestens

Michael Tscholl und Karl Kröss) wollte

ab 1989, als Melitta Pitschl und Claudia

seine

Gasslitter für die Vorstandsarbeit ver-

ließ

antwortlich zeichneten, wurde dies zum

terinnen

alles beherrschenden Thema im Verein

ßen vor. Diese beschwerten sich über

– mit Tagungen, Lesungen, eigenen Sko-

ihre neue Rolle: sie wollten ihre bis-

lastausgaben und einem Frauennetzwerk.

herige Arbeit fortsetzen und weniger

Es liegt in der Natur der Sache, dass nie

als Sekretariat des Vorstandes agieren.

neu

gewählte

eigenen die

Vorstandskollektiv

Akzente

nunmehrigen bei

politischen

setzen

und

BüromitarbeiTreffen

au-

alle Themen gleichzeitig und gleichermaßen vorangebracht werden können

Offensichtlich wurden die Differenzen nie

und so war es auch hier unvermeidlich,

nachhaltig bereinigt, bei der Ausschuss-

dass anderes außen vor blieb. Dies führ-

sitzung vom 29. Feber 1992 trat deshalb

te zu Kritik und als die beiden Frauen im

der erst vor kurzem gewählte Vorstand

Herbst 1991 ihre ehrenamtliche Tätig-

zurück. Ad hoc wählte man einen neuen

keit im Vorstand beendeten und in eine

Vorstand unter dem „Trientner“ Wilfried

bezahlte part-time-Stelle im SH-Büro

Gufler mit Bernhard Hilber und Robert

wechselten, brach der Konflikt offen aus.

Huber. Diese wollten den Kurs ihrer

127


Vorgänger fortsetzen. Da die SH die Förder-

„Der ,rechte Putsch‘ hatte stattgefunden,

gelder von Provinz & Co immer erst im

ohne daß man es gemerkt hatte“,8 wie

Nachhinein erhält, öffnet sich in jedem

prompt das Deutsche Blatt des Alto Adige

Jahr ein Finanzloch. Dieses wird dann

schrieb.

im Laufe des Jahres mit dem Eintreffen der Fördergelder mehr oder weniger

Der Ausschussvorsitzende* Klaus Pancheri

gestopft. Da die SH zudem bei mehreren

hatte jedoch noch ein Ass im Ärmel und

Ämtern um Beiträge angesucht hatte, war

reichte wenige Tage nach der Sitzung,

die Finanzlage öfters unübersichtlich.

am 18. April 1992, einen Rekurs beim

Auf jeden Fall errechnete nun der neue

Aufsichtsrat ein. Dieser stellte Unregel-

Vorstand für das laufende Haushalts-

mäßigkeiten bei der mittlerweile sieben

jahr 1992 einen drohenden Fehlbetrag

Wochen

von fast 97 Millionen Lire und empfahl

wahl fest: Das Statut sah nämlich u.A.

dem

folgenden

vor, dass eine Vorstandwahl nicht ad hoc,

Sitzung zu Ostern eine drastische Aus-

sondern mindestens 20 Tage vor der

gabenreduzierung. Diese sollte über

Sitzung angekündigt und über die Tages-

die Kündigung der vier aktuellen Mit-

ordnung verschickt werden muss. Deshalb

arbeiterinnen

reine

wurde die Vorstandswahl vom Aufsichtsrat

Büroarbeit (ohne Projekte) sollte mit

als ungültig erklärt. Gleiches wurde für alle

einer Vollzeit- und einer Halbzeitstelle

Beschlüsse der vergangenen Ausschuss-

wesentlich

organi-

sitzung festgestellt, da einige Delegierte

siert werden. Den Ausschussmitgliedern

mitgestimmt hatten, obwohl sie gar

wurde die Pistole an die Brust gesetzt:

nicht stimmberechtigt gewesen waren.9

Als Alternative drohte der Vorstand mit

Somit war der vermeintliche Putsch

seinem Rücktritt und stellte gleichzei-

vorerst abgewendet, der Verein aber kurz-

tig jedem einzelnem Mitglied (wegen

fristig kopf- bzw. führungslos geworden.

Ausschuss

bei

der

geschehen.

Die

kostensparender

zurückliegenden

Vorstands-

persönlicher und solidarischer Haftung) eine Haftungssumme von 9,2 Millionen

Wie es der Zufall so will, brachte die

Lire für die aktuellen und anfallenden

Athesia genau im Frühjahr 1992 mit der

Schulden in Aussicht. Der Ausschuss

Wochenzeitschrift „WAS“ ein neues Me-

entschied sich nach längerer Diskussion

dium auf den Markt. Der WAS genügten

mit einer Stimme Mehrheit dafür, so wie

ein paar durchgesickerte Infos, um in

vorgeschlagen das Personal abzubauen…

seiner zweiten Ausgabe eine reißerische Story in bester Bild-Manier zu bringen.

8 Alto Adige, 7. Mai 1992. 9 Protokoll des Aufsichtsrates vom 2. Mai 1992, SH-Archiv, Büro Bozen. * damals wählte der Ausschuss jährlich ein Mitglied, das für Organisation und Ablauf der Ausschusssitzungen zuständig war.

128


Wochenzeitschrift „WAS“, 11. Mai 1992.

Unbeeindruckt von der promt folgenden Gegendarstellung der SH, setzte die WAS eine Woche später noch einen drauf und titelte:

„WAS“, 18. Mai 1992.

In diesem Artikel wird der Kurzzeit-Vorsit-

offensichtlich nur auf einen Knüller aus

zende Gufler öfters zitiert. Später räumte

war und wörtlich gemeint hatte, er [Gufler,

dieser ein, dass er dem Journalisten interne

Anm. d. R.] solle ihm nicht zu viel erzählen,

Unterlagen zugespielt hatte, obwohl dieser

dann könne er schreiben was er wolle.10

10 Protokoll der Ausschusssitzung vom 30. Mai 1992, SH-Archiv, Büro Bozen.

129


Wesentlich sachlicher stellte die FF den Sachverhalt dar:

FF 20/92.

Was vom Putsch und dem Skandal blieb:

an. Die WAS/Athesia musste nach einem gerichtlichen Vergleich Schadensersatz

130

„Die Frauen“ machten ihre Ankündigung

zahlen. Bei der neuerlichen Vorstandswahl

wahr und klagten gegen die WAS. Dieser

gewann ein Kollektiv mit Markus Mascelli,

Klage schloss sich die sh.asus per

Werner Hölzl und Thomas Aichner gegen

Beschluss der folgenden Ausschusssitzung

die erneut angetretene Gruppe um Gufler.


Wenn die Kritisierer kritisiert werden Der Skolast wurde in den Südtiroler Zeitun-

In der letzten Ausgabe beansprucht ein ganz

gen fast immer rezensiert. Besonders die

unfreiwillig geborener Schreiber eine ganze

Dolomiten traten hierbei oftmals als Kritiker

Seite, um bei seinen Lesern Mitleid darüber

in Erscheinung – speziell in den Jahren

auszulösen, daß er geboren wurde – eine Tat-

als im Skolasten die Aufbruchsstimmung

sache, die bei näherer Betrachtung seiner au-

der Jugend stattfand, die Dolomiten aber

genblicklichen Gesinnung eventuell wirklich

noch von erzkonservativen Redakteuren

zu bedauern ist.

dominiert wurde. So wurde im Skolast

(…)

1971/4 unter dem Beitrag „Wir heiraten“

Wahrscheinlich hat der arme Junge kein

ein kritischer Text über die Zwänge

Glück gehabt bei der Suche nach einer Arbeit,

der traditionellen Lebensgestaltung ab-

die ihm gefällt. Im Notfall bliebe aber immer

gedruckt, in dem der Autor unter anderem

noch eine Stelle beim „Skolasten“, denn

die Anklage eines „unfreiwillig geborenen

erstens gibt es eh nur mehr wenige, die die

20-jährigen“ an dessen Eltern beschreibt.

Ausbrüche ihres Geistes in diesem Blatt publizieren, und zweitens braucht man keinen

Unter dem Aufmacher „Notabene zum Sko-

Test zu bestehen, um was in dem „Skolasten“

lasten“ folgte prompt die vernichtende Kri-

zu schreiben.11

tik: Auch die Vertreter/innen des Vereins mussEs werden heute wohl nicht mehr viele sein,

ten einiges über sich ergehen lassen:Bereits

die sich der Belustigung hingeben, im „Sko-

das Gründungs- und Vorstandsmitglied

lasten“, der Zeitschrift e i n i g e r Südtiroler

Rainer Seberich musste sich harsche Kritik

Hochschüler (nicht, wie auf der Titelseite ver-

gefallen lassen, als er später in einer Funk-

merkt: Zeitschrift d e r Südtiroler Hochschü-

tion als Referent für die deutschsprachigen

ler), zu blättern.

Mittel- und Oberschulen am Schulamt auf

(…)

Veranstaltungen der SH auftrat:

Brief an Rainer Seberich 1967, SH-Archiv im SLA. 11 Dolomiten, 28. Dezember 1971.

131


Brief an Florian Kronbichler 1975, SH-Archiv im SLA.

Der streitbare Florian Kronbichler konter-

bescheinigte dem „Flor“, dass niemand

te – einige Jahre später – all seinen Kriti-

so schöne Bettelbriefe schreiben würde,

kern stets geschickt im Skolast, hatte er

wie er. Er wiederum konstatierte dem

– nach eigener Aussage – doch eines bei

Verein zum 50-jährigen im Jahr 2005, dass

der SH gelernt: das Schreiben. Die lang-

er „ordnungsgemäß nicht totzukriegen“ sei.

jährige Sekretärin Rita Mair (1968–1979)

132


Tageszeitung, 10. Juli 2005.

133


Dass früher alles besser war, wusste auch das sh-Urgestein Rita, denn nach ihrem Abgang hat sie auch „nichts Relevantes mehr von der sh gehört“

Tageszeitung, 17. Juli 2005.

134


In späteren Zeiten wurde es dann mo-

intern meist sehr wohl bekannt wa-

dern, seine Kritik unter dem Deck-

ren. Eine günstige Gelegenheit bo-

mantel der Anonymität zu verbreiten,

ten hierfür die Vereinsjubiläen. 1985

wenngleich die Urbheber und -innen

schrieb „dein Zaunpfahl“ zum 30er:

Anonyme Kritik zum Dreißiger, 1985, SH-Archiv im SLA.

135


Als die SH dann 2015 doppelt so alt wurde,

fanden im Gegenzug die Pressemittei-

berichtete erstmals das Online-Nach-

lungen des Vereins meist den direk-

richtenmagazin salto.bz auf seiner Titel-

ten Weg zum digitalen Papierkorb der

seite über die sh.asus. Da sich die SH.asus

Redaktion. Dementsprechend war die

nach Gründung des Portals nicht über-

Überraschung groß, plötzlich einen Auf-

zeugen ließ, sich am Blog zu beteiligen,

macher über die sh.asus zu entdecken.

Aufmacher von salto.bz am 10. August 2015.

Unter dem Pseudonym „le8mani“wurde

diritto allo studio, nel mettersi in rete con

von einem eigens gegründeten Kollektiv

altre rappresentanze studentesche in Ita-

2x3=∞ Le8mani nascono nel 2015 in una città

lie e Austria, nel mettersi in disucssione, nel ricambio generazionale, nelle diversità di vedute, persino nella parità di genere.13

europea – quindi no, non in Sudtirolo. Siamo un collettivo di tre persone, e

In professioneller Manier hatte die Gruppe

siccome l’unione fa la forza, quando scri-

ein tolles Logo und zudem einen Twitter-,

viamo è come se si aggiungessero altre

einen Facebookaccount und einen eigenen

due mani (due per tutte, tutte per due).

Blog angelegt. Doch trotz freundlicher

A volte è una quarta persona a unirsi al

salto-Unterstützung

collettivo: le8mani sono aperte, al fem-

blieb der erhoffte Sturm der Entrüstung

minile, hanno il simbolo dell’infinito ∞.12

und

Sommerloch

aus, nicht einmal der Salurner Lieblingsfeind der sh.asus reagierte. Seitdem ist

Kritik an der sh.asus und speziell an

keinerlei Tätigkeit der „8mani“ mehr er-

der geplanten 60-Jahr-Feier geäußert:

sichtlich; vielleicht sorgt ja dieser Beitrag

L’sh.asus non mostra alcun interesse al

für ein Lebenszeichen?

12 https://leottomani.wordpress.com/kollektiv/, aufgerufen am 12. September 2016. 13 https://www.salto.bz/article/09082015/sh-senza-asus, aufgerufen am 23. August 2016.

136


Totgesagte leben länger Wie Florian Kronbichler in seinem Artikel

raumes anzueignen. (…) Es ist nämlich

zum 50er der sh.asus 2005 schrieb, schaffte

keineswegs so, daß jeder Südtiroler, der

die sh.asus es in all den Jahren nie, eine ih-

ein Hochschulstudium in Italien beginnt,

rer Selbstmorddrohungen wahrzumachen.

jenes geistige Niveau und genügend Rei-

Gelegenheiten dazu gab es wahrlich viele:

fe besitzt, um seine eigene, ursprüngliche kulturelle Prägung gegenüber massiver

Eine der ersten „großen Krisen“ in der

fremdkultureller Einwirkung behaupten

SH gab es gegen Ender der 1960er Jahre.

zu können, geschweige denn, gar sein ei-

Mit Ratifizierung des ersten Notenwech-

genes kulturelles Leben von der fremden

sels zur Studientitelanerkennung und

Kultur befruchten zu lassen und die frem-

dem vorläufigen Abschluss des Verein-

de Kultur selber zu befruchten, wie so oft

saufbaus kam es ab dem Präsidenten

ein wenig großtuerisch behauptet wird.14

Otto Saurer zu einem Umbruch im Verein. Im Geiste der 1968er geschah dieser

Daraufhin folgte vereinsintern ein Sturm

Umbruch vielen zu langsam bzw. war

der Entrüstung, speziell unter den ita-

ihnen dieser zu wenig weitreichend.

lienischen Hochschulgruppen war der Unmut Groß. Im Folgeskolast wurden

Der bereits länger schwelende Konflikt

Zuschriften der Hochschulgruppen aus

hatte sich 1970 zugespitzt: Der damali-

Rom, Padua und Verona veröffentlicht,

ge Vorsitzende Paul Zanon hatte unter

die von vielen Studierenden unterzeich-

dem Titel „kartoffel oder spaghetti oder

net waren. Die Forderungen reichten von

candederli“ einen Leitartikel im Skolast

einer öffentlichen Entschuldigung bis hin

veröffentlicht. Darin argumentierte er,

zum Rücktritt Zanons, wobei gleichzeitig

daß einem jungen Südtiroler unbedingt

der eigene Austritt aus der SH angedroht

empfohlen werden muß, sich akademische

wurde. Der Veroneser Student Bernhard

Bildung an einer Hochschule und an ei-

Pircher forderte ironisch, den 1. Artikel

nem Hochschulort des deutschen Sprach-

des SH-Statutes wie folgt abzuändern:15

Skolast 1970/3, S. 37.

14 Paul Zanon, kartoffel oder spaghetti oder canederli, Skolast 1970/1–2, S. 3–6. 15 Skolast 1970/3, S. 37.

137


Vereinsstruktur 1967.16

In

der

folgenden

außerordentlichen

wie die Dolomiten am darauf folgenden

Ausschusssitzung am 4. Juli wurden die

Montag drauf in einem ausführlichen Ar-

Gegensätze der zwei Lager deutlich: Auf

tikel berichteten. Nach langer Debatte

der einen Seite die „Linken“, die eine

wurde

politische Interessensvertretung wollten,

Ausschuss das Vertrauen ausgesprochen,

und auf der anderen Seite die „Rechten“,

woraufhin von den 32 stimmberechtigten

die die SH als Dachverband für gewerk-

Ausschussmitgliedern etwa ein Drittel

schaftliche Interessensvertretung sahen.

austrat und ihnen etwa 70 Mitglieder

Während die österreichischen Hochschul-

der

schließlich

italienischen

Paul

Zanon

Gruppen

vom

folgten.17

gruppen Zanon verteidigten, fuhren vor allem die italienischen teils schwere An-

Der Verein zählte zu diesem Zeitpunkt

griffe gegen ihn. Im Laufe der Diskussion

1.200 Mitglieder, sodass der Austritt

verhärteten sich die Fronten immer mehr,

verschmerzbar war. Dennoch entschied

16 SH-Archiv im SLA. 17 Dolomiten, 6. Juli 1970, S. 3.

138


man sich in der Folge zu einer Statuten-

Stimmungstest dienen, wie der damali-

reform. Da man sich darin einig scheint,

ge Vorsitzende Christian Alton in seinem

dass sich die SH auch politisch engagie-

Leitartikel im Skolast 1971/3 schrieb.21

ren soll, sollte mit einem neuen Statut dafür gesorgt werden, dass eigene

Das Ergebnis des Referendums war, wie

Organe bzw. Gruppierungen geschaffen

Innenreferent Walter Tappeiner im darauf

werden, um dem Rechnung zu tragen.18

folgenden Skolast darlegte, ziemlich eindeutig. Auch wenn durch den ungünstigen Zeitpunkt die Beteiligung eher gering war, sprach sich mit 87,8% (245 von 279) die überwältigende Mehrheit gegen eine Auflösung aus. Tappeiner meinte hierzu: Das Ergebnis stellt jedenfalls den Auftrag dar weiterzuarbeiten. Vielleicht sollte daher das Schwergewicht mehr auf die Tätigkeit der Standesvertretung als auf eine politische Bestätigung gelegt werden. Es dürfte allerdings schwerfal-

Referendum über die SH-Auflösung 1971.19

len, da eine scharfe Grenze zu ziehen.22

Als wesentliche Änderung in der Organi-

Unter dem Titel Eine bürgerliche Grabrede

sationsform sollten die Stimmrechte im

zum Tode eines bürgerlichen Vereins schrieb

Ausschuss neu verteilt werden. Bislang ge-

ein

schah dies anhand der Mitgliederzahl, die

unter dem Pseudonym Florian Fiedler

proportional in Ausschussdelegierte um-

über das Auflösungsreferendum der SH:

ehemaliges

SH-Auschuss-Mitglied

gewandelt wurde. Um kleine, dafür aber engagierte Hochschulgruppen zu stärken,

Sie stirbt schon seit langem. Gelebt hat

wollte man die Anzahl der Delegierten

sie selten. (…) Nichts hat sie hinterlassen,

anhand der Wahlbeteiligung bei entspre-

was zu würdigen wäre. (…) Unterstütz von

chenden Wahlen an den jeweiligen Hoch-

schwarzen und rosaroten Ministern am

schulorten ermitteln.20 In der Karwoche

Minoritenplatz in Wien, erpreßt und ge-

1971 wurden bei einer Klausurtagung in

fördert von faschistoiden Assessoren im

Sarns zwei Reformvorschläge ausgearbei-

Landhaus in Bozen, (…) Vor einem Jahr

tet,bei der folgenden Ausschusssitzung

sind die Linken ausgetreten (…) der letzte

erhielt jedoch keiner der beiden Vor-

Akt der pervertierten Demokratie sollte das

schläge eine Mehrheit. Vielmehr kam man

Referendum sein, in dem die verbliebenen

überein, über die Zukunft der SH ein Refe-

Rechten sich selbst und ihre Organisati-

rendum über den Fortbestand des Vereins

on funktionsfähig oder auflösungswür-

abzuhalten – auch wenn dies laut Statut

dig beschließen sollten. Wofür immer sie

des Vereins nicht in die Zuständigkeit des

sich entscheiden mögen, das Referendum

Ausschusses fiel, so sollte es dennoch als

selbst beweist, wie tot die SH schon ist.23

18 Skolast 1970/4, S .27–28. 19 SH-Archiv im SLA 20 Skolaste 1971/1 und 1971/2. 21 Skolast, 1971/3, S. 3. 22 Skolast 1971/4, S. 19. 23 Bürgerliche Grabrede für einen bürgerlichen Verein, SH-Archiv im SLA.

139


Fehlt das Moos, ist die Sorge groß Neben den Selbstmorddrohungen stand

Das Kulturheim zeigte sich in der Folge

der Verein auch finanziell gesehen oft

kulant, erst am 31. Juli 1981 flatterte die

vor dem Abgrund – und manches Mal war

2. Mahnung ins Haus: Wir nehmen Bezug

man sogar schon einen Schritt weiter:

auf unsere Mahnung vom 23.1.1981 sowie auf eine Aussprache mit Landesrat Dr.

Am 23. Jänner 1981 trudelte im SH Büro

Anton Zelger, auf welcher Ihre besondere

ein Brief vom Vermieter (der Kulturheim

Lage erörtert wurde. In der Zwischenzeit

Gen.m.b.H.) ein. Betreff: 1. Mahnung. Mit Er-

wurden die Kulturbeiträge zugewiesen und

staunen mußten wir bei Abschluß der Buch-

angeblich auch die Vorschüsse ausgezahlt.

haltung feststellen, daß Sie für 1980 weder

Die Genossenschaft Kulturheim fordert Sie

Miete noch Mietnebenkosten gezahlt haben.

deshalb auf, umgehend mit der Zahlung der geschuldeten Beträge zu beginnen.

Bereits einige Monate zuvor, im September 1980, hatte der Aufsichtsrat in

Erst nach einem weiteren Mahnschreiben

seinem Bericht über das Geschäftsjahr

Ende des Jahres wurden schließlich die

1979/80 festgestellt, daß der mehrma-

Ausstände beglichen. Die beiden Grun-

lige personelle Wechsel im Sekretariat

dübel in der Praxis der Finanzierung der

zu wiederholten Schwierigkeiten bei der

SH – die nachträgliche und nur zu einem

Übernahme und Fortführung der Bücher

Teil erfolgende Erstattung der Kosten –

geführt (hat), sodaß wir dem Verein drin-

blieb allerdings weiterhin bestehen und

gend empfehlen, eine Person dauerhaft mit

bescherte in den Folgejahren dem Verein

der Führung der Buchhaltung zu betrauen.

noch so manchen finanziellen Engpass.24

Offensichtlich

Fort-

So auch 1982/83. Der Bericht des Auf-

gang der Langzeitsekretärin Rita Mair

sichtsrates vermerkt einen Verlust von

(1968–1979) niemand auf die Idee, dass

5,3 Millionen Lire im Geschäftsjahr. Des-

die Büromiete auch weiterhin zu bezah-

halb

len wäre bzw. hatte man die Geldmittel

men vorgeschlagen, um die Finanzen zu

einfach anderweitig eingeplant gehabt.

sanieren, z.B. weniger Veranstaltungen

kam

nach

dem

werden

verschiedene

Maßnah-

24 Schreiben der Kulturheim Gen.m.b.H. vom 23. Jänner, 31. Juli und 16. Dezember 1981, sowie Bericht des Aufsichtsrates vom 25. September 1980, alle Quellen SH-Archiv im SLA.

140


Angebot für einen PC, 1984.27

finanziell mitzuorganisieren, 1984 nur 2

damals war die Leistung

(statt 4) Skolaste zu produzieren, die Auf-

computer“ noch bescheiden, der Preis

wandsentschädigung für den Vorsitzen-

dafür umso stolzer…

der „Mikro-

den zu reduzieren, größeres Bemühen um Spenden und Werbung im Skolast. Abos

Passend dazu fragte sich der bekannte

von Zeitungen und Zeitschriften zu über-

Bozner Rechtsanwalt und Politiker Rudi

denken. N.B: 1984 erschienen 4 Skolaste.

Benedikter

25

in

einem

Skolast-Beitrag:

Brauchen uns die Computer? Und warn1984 wurde auch überlegt, eine super-

te gleichzeitig vor Big Brother im Betrieb

moderne Computeranlage anzuschaffen,

per automatischer Telefonüberwachung.26

25 Bericht des Aufsichtsrates vom 22. September 1983, SH-Archiv im SLA. 26 Skolast, 1984/3, S. 38–39.

141


Doch auch für trivialere Dinge mussten

Veranstaltungen“28 gab und bis weit in die

die knappen Vereinsfinanzen herhalten.

1960er Jahre hinein vereinsinterne Schi-

Während es 1958 mit Hermann Sölva

rennen und Ähnliches veranstaltet wurde,

noch ein „kooptiertes Vorstandsmitglied“,

brachte das Deutsche Blatt des Alto Adige

zuständig u.A. für „für sportliche Angele-

Ende

1984

folgende

Schlagzeile:

genheiten im Referat für gesellschaftliche

Deutsches Blatt im Alto Adige, 22. Dezember 1984.

In der Weihnachtssitzung, in der es bis

nicht im alten Trott weitergehen lasse, wur-

zum heutigen Tag traditionell immer um

de die Montage eines neuen Türschlosses

das Geld bzw. dessen Aufteilung auf die

angeführt. Kulturell wolle man auch wieder

einzelnen Außenstellen geht, wurde 1984

etwas in Gang bringen und – um Körper und

zwischen den Außenstellen um die insge-

Gruppengeist zu stärken – wolle man für ei-

samt zur Verfügung stehenden 7 Millionen

nen Abend die Woche eine Turnhalle mieten.

Liregefeilscht. DasDeutscheBlattberichtete: Hätte der Florentiner nur nichts von der Je weniger Geld, desto höher die Voraus-

Turnhalle gesagt. „Turnhallen und Gesel-

setzungen, an es heranzukommen. Das ist

liges überhaupt sollen sich die Gruppen

immer so. Der Verbindungsmann der Hoch-

selber zahlen. Das darf nicht Anspruch auf

schulgruppe Florenz gibt sich große Mühe,

Zuschüsse erheben“, stellen die beiden Pa-

seine Kollegen aus

duaner grundsätz-

anderen

Universi-

lich klar. (…) Sie,

tätsstädten zu über-

die Paduaner, sei-

zeugen, daß Florenz

en erstens ihrer

heuer unbedingt ei-

viel mehr und hät-

nen etwas höheren

ten „praktisch jede

Beitrag

brauche,

Woche irgend eine

als es der Größe,

Veranstaltung.“

besser gesagt Klein-

Dagegen ließ sich

heit

Gruppe

wenig sagen. Und

eigentlich entsprä-

im übrigen habe

der

che. Die „Bude“ müsse renoviert werden,

Padua schon in Vergangenheit immer den

allzuviele

Florenz-Touristen

höchsten Kostenvoranschlag aller italie-

aus Südtirol würden sie als billige Absteige

nischen Gruppen vorgelegt, rechtfertigte

benutzen und entsprechend abnutzen. Als

ihr Verbindungsmann Markus Kelderer den

Beweis des guten Willens dafür, daß man es

abermals höchsten fürs kommende Jahr.30

ungebetene

27 SH-Archiv im SLA. 28 Neuer Vorstand 1958, Skolast 1958/1, S.3–4. 29 Deutsches Blatt im Alto Adige, 22. Dezember 1984. 30 Deutsches Blatt im Alto Adige, 22. Dezember 1984.

142




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