Stift Wilten Aktuell sommer 2015 - 900 Jahre hl. Norbert 150dpi

Jahrgang 18 ∙ Ausgabe 2/2015

Stift Wilten Aktuell Für Mitbrüder & Freunde des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes Wilten

900 Jahre Bekehrung des heiligen Norbert Der Prämonstratenserorden - das Stift Wilten

LEITWORT

Liebe Freunde unseres Stiftes!

Wenn Sie Autofahrer sind, dann ist es Ihnen wahrscheinlich auch schon passiert – so wie mir vor Kurzem: Ich habe eine falsche Ausfahrt genommen. Statt links bin ich rechts abgebogen. Und so habe ich versucht, sobald als möglich umzukehren und dorthin zurückzufahren, wo ich falsch abgezweigt war.

Abt Raimund Schreier OPraem

Wir sind auf der Straße unseres Lebens unterwegs. Und immer wieder gibt es Abzweigungen in unserem Leben, an denen wir uns entscheiden müssen, welche wir nehmen wollen. Manchmal entscheiden wir uns auch in unserem Leben falsch und müssen umkehren, einen Richtungswechsel vornehmen. Unser Gewissen, ähnlich einem Navigationsgerät, sagt uns: Bitte wenden! Bitte umdrehen! Bitte umkehren!

„Die Lebenswende Norberts - Sturz vom Pferd“, Norbertzyklus in der Pfarrkirche St. Norbert in Innsbruck, Martin Walde 1984

Das Jubiläumsjahr „900 Jahre Bekehrung des hl. Norbert“ lädt uns ein, innezuhalten, stehen zu bleiben, einmal auf die Bremse zu treten, rechts ran zu fahren und sich folgende Fragen zu stellen: Wo bin ich hier und jetzt in meinem Leben? Passt die Richtung noch, oder habe ich schon eine falsche Abzweigung genommen, ohne es zu merken? Bin ich auf dem Weg des Evangeliums? Bin ich gegenüber anderen ehrlich, respektvoll, wohlwollend, oder richte ich über andere? Bin ich nachtragend? Rede ich schlecht über andere?

Bin ich eifersüchtig, neidisch? Tue ich anderen bewusst Böses, um ihnen weh zu tun? Bin ich karrieresüchtig, egozentrisch, gehe ich über Leichen, um meine Ziele zu erreichen? Oder kümmere ich mich um meinen Nächsten? Teile ich? Bin ich wirklich auf dem richtigen Weg und komme ich an mein Ziel, wenn ich so weiterfahre oder weiterlebe? „Kehrt um zu mir!“ Vor 900 Jahren hat unser Ordensgründer, der hl. Norbert von Xanten, diesen Ruf gehört, nachdem er von einem Blitz getroffen von seinem Pferd gestürzt ist. Er hat gewusst: Dies ist ein Zeichen Gottes. Ich muss in meinem Leben eine Kehrtwendung machen. Ich muss anders leben, umkehren.

Die erste Predigt, die Jesus in Galiläa gehalten hat, fasst der Evangelist Markus zusammen in den Worten: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).

Dieses Jubiläumsjahr lädt uns also ein, umzukehren und dann die richtige Ausfahrt zu nehmen, dorthin, wo das Leben ist, das göttliche Leben. Wer auf die Stimme seines Herzens hört, auf die Stimme der Heiligen Schrift, der fährt in die richtige Richtung und sein Leben wird gut. So befinden wir uns auf der geraden Straße hin zum österlichen Licht.

INHALT INHALTSVERZEICHNIS LEITWORT 2 Liebe Freunde unseres Stiftes

KAPITEL 5 24 Norbert gründet Klöster in seiner Erzdiözese - seine letzte Lebensphase

GRUSSWORT 4 900 Jahre Bekehrung des hl. Norbert

25 Die Ordensstruktur der Prämonstratenser und Prämonstratenserinnen

KAPITEL 1 5 Norbert von Xanten bekehrt sich

25 Kernsätze der Ordensregel

6 Auch heute beruft Gott Menschen

26 Vos estis tuba, psalterium, cithara – Vom Singen in der Kirche

7 Prämonstratensersein heute

27 Heutige Angebote des Stiftes Wilten

Impressum Herausgeber PrämonstratenserChorherrenstift Wilten Klostergasse 7 6020 Innsbruck Tel. 0512/58 30 48

KAPITEL 2 10 Norbert verkündet Jesus und seine Botschaft

KAPITEL 6 28 Norbert von Xanten wird als Heiliger verehrt

11 Heute sind wir die Boten Jesu

29 Die Darstellung des hl. Norbert in Wilten und in den Stiftspfarreien

D. Klemens H. Halder

31 Heilige und Selige des Prämonstratenserordens

Redaktion

www.stift-wilten.at Texte über das Leben des hl. Norbert OPraem

12 Die Aufgaben des Stiftes Wilten 13 Derzeitige Mitglieder im Stift Wilten

Reinhold Sigl reinhold.sigl@me.com

32 Die Lebensdaten des hl. Norbert KAPITEL 3 14 Das Charisma Norberts wird in Klostergründungen fruchtbar

Erscheinungshinweis

32 Gottesdienste und Termine

4 x im Jahr Titelbild

15 Die Ordensgemeinschaft

Norbert hört den Ruf Gottes, Stift Wilten,

15 Die Prämonstratenserinnen

Gemälde von Balthasar Renn, 18. Jh.

16 Der Prämonstratenserorden heute Fotos

17 Die Geschichte des Stiftes Wilten

Abtei De Pere, Abtei Geras, Abtei Hamborn,

KAPITEL 4 18 Norberts größerer Wirkungskreis als Erzbischof und Friedensstifter

Abtei Schlägl, Abtei Speinshart, Abtei Windberg, Priorat Mananthavady,

20 Die soziale Dimension unseres Auftrages

Besuchen Sie die Stift Wilten-Homepage:

Stift Wilten,

www.stift-wilten.at

Reinhold Sigl, Vojtěch Vlk

Stift Wilten Aktuell

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GRUSSWORT

900 Jahre Bekehrung des hl. Norbert Gedanken unseres Generalabtes Thomas Handgrätinger OPraem zum „besonderen Jubiläumsjahr“ 2015

Generalabt Thomas Handgrätinger OPraem

Einkleidung in der Stiftskirche Wilten

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Stift Wilten Aktuell

Nach unserer Tradition fand das dramatische Bekehrungserlebnis des hl. Norbert am 28. Mai 1115 statt. Norbert geriet auf dem Ritt nach Vreden in ein Sommergewitter und wurde fast vom Blitz erschlagen.

In seiner Todesangst wandte er sich an den Herrn und hörte die Stimme: „Meide das Böse und tu das Gute!“ Das war der Beginn einer Umkehr, einer beispielhaften Conversio. Norbert kehrt sofort um, ändert sein Leben, sucht eine neue Begründung, einen neuen Lebenssinn, studiert die Heilige Schrift und vertieft seine Beziehung zum Herrn. Er will ab nun nur noch Christus als Führer und als Lehrmeister folgen (Christo solo duce). Diese Berufungs- und Bekehrungsgeschichte des hl. Norbert war kein punktuelles Ereignis, sondern ab da ein lebenslanger Prozess. Norbert macht ernst mit der Nachfolge Jesu, er gewinnt andere Menschen und er stiftet eine Ordensgemeinschaft in Prémontré, aus der unser Prämonstratenserorden erwachsen ist. Norbert ist so für uns Stifter und Vorbild, Inspirator und Beispiel, selber auch ernst zu machen mit unserer Berufung als Kanoniker, selber intensiv an uns zu arbeiten auf dem Weg zur Vollkommenheit, gemein-

sam mit den Mitbrüdern in der Gemeinschaft nach Heiligkeit zu streben gemäß der Schrift: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48).

Dieses besondere „Jahr der Orden“, das Papst Franziskus für 2015 ausgerufen hat, bekommt für uns mit diesem Jubiläum von „900 Jahre Bekehrung des hl. Norbert“ einen besonderen Akzent, einen Aufruf, zum wesentlichen Kern unserer Berufung zurückzukehren, nämlich die Freundschaft mit Christus neu zu beleben. In unserer Profess haben wir einmal feierlich und öffentlich versprochen, nach den evangelischen Räten zu leben und uns um eine „conversio morum meorum“, um die Bekehrung meines Lebens und um eine lebenslange Umkehr zu bemühen. Norbert war sich bewusst, dass der Anstoß dazu von oben kam, dass es der gnadenvolle Anruf des Herrn war, der ihn auf diesen „neuen Weg“ brachte. Und wir wissen nur zu gut, dass auch wir auf diese Gnade, auf diesen Beistand von oben angewiesen sind, in unserer Berufung zu wachsen, uns immer wieder aufzumachen und unser Leben neu auf Christus auszurichten, ihm immer ähnlicher zu werden. Papst Franziskus hat es so formuliert: „Wenn du den Wunsch verspürst, dich zu bessern, dann ist es der Herr, der an deine Tür klopft!“ Es ist an uns - gerade in diesem besonderen Jubiläumsjahr - so aufmerksam und achtsam zu leben, dass wir dieses Anklopfen vernehmen und ihm unsere Herzen öffnen.

Im Gebet für das „Jahr der Orden 2015“ heißt es: „Dreifaltiger Gott, wir danken dir für das Geschenk unserer eigenen Berufung. Mach uns hellhörig für deinen Ruf an uns und hilf uns, ihn zu verstehen und zu leben. Öffne unsere Augen und Ohren und unser Herz für dich.“ + Thomas Handgrätinger OPraem Generalabt

KAPITEL 1

Norbert von Xanten bekehrt sich Norbert stammte aus einer adeligen Familie am Niederrhein. Die Eltern bestimmten ihn für das Leben als Chorherr im Viktorsstift in Xanten. Da er sehr begabt war, erhielt er auch eine höhere Ausbildung am Hof des Erzbischofs von Köln. Er genoss das Ansehen und das feine Leben.

Laut der Lebensbeschreibung setzte er die Gottesfurcht hintan und ließ sich von seinen Gelüsten leiten. Im Jahr 1115, als er gut 30 Jahre alt war, begab es sich eines Tages, dass er, nur von einem Diener begleitet, heimlich einem Ort namens Frethen zueilte, angetan mit feinen, seidenen Gewändern. Als er so dahinzog, wurde er von einer dunklen Wolke überrascht, aus welcher Blitze zuckten und Donner krachten. Plötzlich fuhr ein schrecklicher Blitz mit einem furchtbaren Donnerschlag vor ihm in die Erde. Norbert aber, von seinem Pferd herabgestürzt, vermeinte eine Stimme zu hören, die ihn anklagte.

Norbert nahm sich das unmittelbar zu Herzen. Er zog sich in das Reformkloster Siegburg bei Köln zurück, hielt Besinnung über sein Leben und ließ sich bei nächster Gelegenheit zum Diakon und Priester weihen. Bisher hatte er die Einkünfte als Chorherr genossen, aber nicht den endgültigen Schritt zum ehelosen Leben und priesterlichen Dienst getan.

Nach der Weihe versuchte Norbert die eigene Ordensgemeinschaft in Xanten zu einem ernsteren Leben zu bewegen.

Schon 40 Jahre vorher hatte Papst Gregor VII. den Bemühungen um eine Reform des Klerus und der Christen eine neue Intensität gegeben.

Kirchliche Verantwortliche und damit auch die Gläubigen waren zu sehr verweltlicht, da die Herrscher seit langem Bischöfe und Äbte mit weltlichen Aufga-

ben betraut hatten. Norbert, der sich jetzt der Kirchenreform verpflichtet wusste, erlebte aber bei seinen Mitbrüdern nur Ablehnung.

Norbert von Xanten musste nun den Weg finden, den Gott für ihn bestimmt hatte. Er suchte in weitem Umkreis Reformklöster und einen bekannten Einsiedler auf. Schließlich ließ er sich außerhalb von Xanten bei einem Kirchlein und Gut nieder, das ihm seine Familie vererbt hatte. Er lebte dort zwei Jahre lang als Einsiedler, er widmete sich dem Gebet, der Lesung und der frommen Meditation, kasteite seinen Leib durch Fasten und Nachtwachen und brachte täglich auf dem heiligen Altar kostbare Opfer dar.

Norbert wurde in diesen Jahren offensichtlich immer wieder von Menschen aufgesucht, die ihn um das Gebet baten und um Rat fragten; er richtete auch das Wort des Heiles, das Wort der Heiligen Schrift an sie.

Norbert hört den Ruf Gottes.

Norbert bittet Erzbischof Friedrich von Köln um die Priesterweihe.

Norbert ist bereit zu tun, was Gott von ihm will (Stift Wilten, Glasfenster von Max Spielmann, nach 1950).

Stift Wilten Aktuell

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KAPITEL 1

Auch heute beruft Gott Menschen Im Gespräch mit D. Norbert Gapp OPraem und Fr. Leopold Baumberger OPraem

D. Norbert und Fr. Leopold im Kreuzgang

Ablegung der Ewigen Gelübde in der Stiftskirche 6

Stift Wilten Aktuell

Was hat euch dazu bewogen den Weg als Ordenschrist zu beschreiten?

Fr. Leopold: Am Beginn stand ein Ringen um die immer wieder aufkeimende Berufung, was zur Entscheidung führte, mich auf den Weg der Christusnachfolge als Priester zu begeben. In einem Orden?

Diese Frage vertagte ich und trat in das Linzer Priesterseminar ein. Nach dem Einführungsjahr (Propädeutikum) kam ich ins

Innsbrucker Seminar zum Studium.

Im Anschluss an einen Lorettogebetsabend, beim gemütlichen Beisammensein, brachte mein jetziger Mitbruder Fr. Emmanuel Sojer auf amüsante Weise die Prämonstratenser ins Spiel, die ich aus meiner Heimat vom Stift Schlägl und von Geras her schon kannte. Der eigentliche Anstoß, mir einen Eintritt in das Stift Wilten dann ernsthaft zu überlegen, waren Gespräche mit meinem Seminarkollegen Matthias Giner. Jeder für sich und doch gemeinsam entschieden wir beide, den Sprung ins Ordensleben zu wagen. Matthias ist dann mit mir Ende 2014 – mit dem Ordensnamen Nathanaël – als Novize eingekleidet worden.

D. Norbert: Ich stamme aus der „Prämonstratenserpfarre“ Aldrans. Durch den

Besuch des Paulinums in Schwaz war ich aber während des Schuljahres nicht oft daheim. In unserer Klasse entschieden sich in der 6. Oberstufe - inklusive mir - sechs Burschen Priester zu werden. Viele haben sich deswegen für unsere weitere Entwicklung interessiert. Für mich war die selbstlose und ruhige Art unseres Pfarrers D. Sebastian Birkenmayer OPraem, die ich sehr schätzen gelernt hatte, ausschlaggebend, dass ich mich für ein Leben als Prämonstratenser in Wilten entschied, obwohl man damals ansonsten vom Stift Wilten „nichts Gutes“ hörte. Am 10. Juli 1957 absolvierte ich die Matura, am 11. Juli fuhr ich mit dem Vater auf dessen Traktor nach Wilten, um mich offiziell anzumelden. Der neu gewählte Abt Alois Stöger OPraem lud mich ein, am 1. September zu kommen, am 8. September fand um 6 Uhr die Einkleidung statt.

Als mir Abt Alois mitteilte: „Norbert sollst du heißen“, war mir die große Bedeutung des Namens in unserem Orden noch nicht bewusst.

Was fasziniert euch konkret an der Person des hl. Norbert?

D. Norbert: Seine starke Verehrung der Eucharistie und sein Charisma, Versöhnung und Frieden zu bringen.

Fr. Leopold: Auch für mich ist der Aspekt des Friedensstifters wichtig und dabei dessen Fähigkeit, kleine Probleme im näheren Umkreis ebenso erfolgreich anzugehen wie große, bis hin zum Konflikt zwischen Papst und Kaiser.

Was mir bei Norbert besonders gefällt: Dass er ein Mensch mit Ecken und Kanten ist. Er ist nicht lieblich, er lässt durchaus seiner Energie freien Lauf. Er ist zudem nicht in Prémontré „stehengeblieben“, sondern hat an jedem Ort versucht, das Evangelium bestmöglich zu leben. Norbert hat für mich damit gezeigt, dass überall und in jeder Aufgabe eine gelingende Christusnachfolge möglich ist. „Christum ducem habere“ - Christus

zum Führer haben. Christus steht für Norbert nach seiner Bekehrung bei allem Tun in der Mitte.

Eine letzte Frage: Sind Prämonstratenser noch zeitgemäß?

Fr. Leopold: Das „Herzstück“ des Ordenslebens – sich möglichst nah am Evangelium auszurichten - ist für mich hochaktuell. Das tägliche feierliche Gebet und die Gemeinschaft, verbunden mit der aktiven Seelsorge, sind bei uns Prämonstratensern ein gutes Fundament, um der frohen Botschaft von der Auferstehung ein Gesicht von heute zu geben.

Aus meiner Perspektive waren die Prämonstratenser immer im positiven Sinn flexibel. Die Ordensregel des hl. Augustinus ist zwar kurz, aber eine feste Wurzel, die im Lauf der Zeit – den neuen Anforderungen der jeweiligen Generationen entsprechend – umgesetzt und gelebt wurde.

D. Norbert: Für mich ist die Kontempla-

tion in Verbindung mit der Aktion ein sehr guter Weg. Im Stift wurde und wird immer versucht, die individuellen Fähigkeiten und Charismen der Mitbrüder bestmöglich in der Praxis einzusetzen, egal ob als Pfarrer, als Krankenhausseelsorger oder als Religionslehrer.

Unsere Ordensgemeinschaft empfinde ich als Geschenk. Sie gibt mir - trotz aller momentanen Schwierigkeiten in der Gesellschaft - viel Optimismus für die Zukunft.

Ich würde die Entscheidung Prämonstratenser zu werden wieder treffen.

Fr. Leopold: Im Konvent gibt es eine ausgewogene Mischung zwischen Alt und Jung, wo auch gerne „der Schmäh“ rennt.

Das ist gut so! Es gibt einen Ausspruch, – dem hl. Augustinus zugeschrieben – der das zum Ausdruck bringt: „Mensch, lerne zu tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen“ (lacht).

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Diakonenweihe und ...

Priesterweihe im Dom zu St. Jakob in Innsbruck

Prämonstratensersein heute Interview mit D. Martin Riederer OPraem Warum bist Du Prämonstratenser geworden?

Es war offenbar in der göttlichen Vorsehung so geplant. Als ich 1982 zum Studium nach Innsbruck kam – gedacht für ein Jahr – da war kein Gedanke an Kloster

Cäciliengottesdienst

oder Prämonstratenser da - und Wilten kannte ich überhaupt nicht. Die Mitarbeit in der Wiltener Pfarre Aldrans und die vorbildhafte pastorale Einstellung des Pfarrers Ludwig Tanzer OPraem waren Katalysa-

toren auf dem Weg. Damals war in fast allen Wiltener Pfarren noch sehr lebendige und fröhliche Ministranten- und Jungschararbeit möglich - und die Jugendvesper im Stift war eine Institution. Dabei engagierte ich mich als junger Theologe. Tatsächlich waren es aber die Augustinusregel und die Ordenskonstitutionen, die ich mir aufmerksam durchgelesen hatte, die mich zum Wagnis brachten, als Ordensmann meinen Weg zu suchen.

Wie würdest du das Stift Wilten charakterisieren?

Die Wiltener sind ein Haufen von Individualisten mit dem großen gemeinschaftlichen Selbstbewusstsein des gleichen „Stallgeruchs“. So unterschiedlich die Charaktere der Chorherren auch sein mögen – alle verbindet die Zugehörigkeit zum Stift, die Prägung durch Noviziatsund Klerikatsjahre und die Sorge um die Abertausenden Gläubigen der „Kirche von Wilten“, die uns seit vielen hundert Jahren anvertraut ist. Exerzitien, Gebet,

D. Martin Riederer OPraem

Lange Nacht der Kirchen in Mutters Stift Wilten Aktuell

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KAPITEL 1

Blasiussegen in Völs

Fortbildungen und Gespräche, sowie die unterschiedlichen Interessen und Begabungen werden im Kloster auch durch gegenseitige Unterstützung in Pastoral, Predigt und Feierkultur fruchtbar. Wilten ist heute – und das war es nicht immer – ein wohlhabendes Haus, dank der umsichtigen und gut beratenen Dienstjahre von Abt Alois und Abt Raimund. Wilten ist ein traditionsbewusstes Ordenshaus mit großer Offenheit und Bereitschaft zum

Jugendmesse in Rinn

Taizégebet in St. Norbert

Helfen. Gerade in den letzten Jahren sind wir stark Suchende, was das spirituelle und damit menschliche Miteinander angeht.

Wilten ist nach fast 880 Jahren – Gott sei Dank - immer noch ein Kloster im Wachsen und Werden.

Was sind heute die besonderen Aufgaben der Prämonstratenser von Wilten?

Wir müssen der Versöhnung tatsächlich einen großen Raum schenken.

In einer Klostergemeinschaft gibt es auch ein gerüttelt Maß an Schuld - Schuld

Wallfahrtsmesse in Heiligwasser Erstkommunion in Ampass 8

Stift Wilten Aktuell

Firmung in Patsch

mit- und aneinander und Schuldig-Gebliebenes in der Sendung. Darum müssen wir eine Versöhnungskultur entwickeln und der Barmherzigkeit Gottes in unseren eigenen Reihen und durch uns zum Durchbruch verhelfen. Bald werden andere pastorale Konzepte nötig sein. Die Verantwortung für die Kirche von Wilten, Pfarren und Kloster, bleibt. Bestimmte Wirklichkeiten in Pastoral und Kloster sollten wir aus der Geschichte heraus beantworten, d. h., dass auch nicht zum Seelsorgeraumleiter befähigte Mitbrüder eigenverantwortliche Dienste und Positionen be- und erhalten, dass die Einteilung unserer Pfarren überprüft (denke dabei an das Wiltener „Konstrukt“) und in überschaubarer Form und nach Anzahl der Gläubigen gestaltet wird.

Die momentane Teilung des Seelsorgeraums Ampass-Aldrans-Lans-Sistrans halte ich für gut, d. h., dass die in Ausbildung befindlichen und jüngeren Mitglieder der Kanonie stärker in Teamarbeit ausgebildet und professionell begleitet werden, so dass „Zusammen“-Arbeit geübt wird.

Damit meine ich aber auch, dass das Stift wieder stärker in den Mittelpunkt rückt und die Überlegung pastoraler Betreuung vom Stift aus und die Angebotspalette (z. B. Einkehrtage von Univ. Prof. Siebenrock, aber auch gottesdienstliche Angebote) neu überdacht und im Miteinander neu gestaltet werden könnten und sollten.

Die Stärkung der kategorialen Seelsorge: Schul-, Jugend-, Militär-, Klinik- und Altenpastoral sind wichtige Seelsorgefelder, die uns weiterhin angelegen sein müssen. Darum sind die theoretische und praktische Ausbildung für diese Bereiche, je nach Begabung zu fördern und zu unterstützen.

Der gewinnende Zugang und die Präsenz in den Medien ist nicht zu unterschätzen (Gottesdienstübertragung, Morgenkommentare, Zeitungskolumnen, soziale Netzwerke und Homepage).

Die Schaffung von „Spielräumen“ für bildende Künstler und der Dialog mit und durch sie ist weiterhin als wertvolles Feld in der Verkündigung zu bearbeiten.

du nach über 30 Jahren Ordenszugehörigkeit?

Wir werden unser Ordenscharisma in den Fußstapfen des hl. Augustinus und des Ordensvaters Norbert immer neu formulieren und ins aktuelle Leben übersetzen müssen: In der bewussten, aufmerksamen und hinschauenden Verkündigung , besonders in der Predigttätigkeit und der Katechese im Blick auf die, für die wir gesandt sind, und nicht über deren Köpfe hinweg.

Palmsonntag in Wilten

Gräbersegnung am Tummelplatz in Amras

Die Ermutigung und Unterstützung der jungen Mitbrüder, den Weg zu den Schülern, zu Kindern und Jugendlichen zu suchen, auch mit Präsenz und einer kleinen Stundenzahl in den Schulen scheint mir wesentlich. Genauso wichtig ist es, eine Dialog- und Richtlinienkompetenz in Zusammenarbeit mit Religionslehrern zu suchen, voneinander und miteinander zu „lernen“, Räume der Stille und verschiedene Formen von Gottesdienst zu fördern und Laien zu befähigen und zu ermutigen.

Feldmesse in Hötting

Schließlich und ganz besonders werden wir uns auch weiterhin mit Phantasie, Hingabe und materieller Unterstützung der weltweiten Flüchtlingsproblematik bewusst bleiben und weiterhin helfen.

Welche Vision vom Ordensleben hast

Spirituelle Gruppen

Das Bemühen um Versöhnung und das Bauen von Brücken zwischen Menschen - bei Streitigkeiten in Familien, Dörfern, im Zugang zur Asylantenproblematik, zwischen den Generationen - ist eine unserer vornehmsten norbertinischen Aufgaben.

Im Schauen aufeinander und unkomplizierten Unterstützen und Helfen untereinander und gegenüber der Diözese und dem Bischof erfüllen wir einen wesentlichen Dienst an der Ortskirche, an den gläubigen Menschen.

In der ungeliebten Diskussion um den Umgang mit den materiellen Gütern und der ehrlichen Suche und Versuchen der Erneuerung in diesem Gebiet liegt ein Schlüssel - wohl das emotional geladenste und schwierigste Kapitel in der Welt und auch in der Gemeinschaft – weil scheinbar endlos und ewig ungerecht … aber wenn wir nicht selbst überzeugt und überzeugender mit Besitz und Geld zum Wohl aller verfahren, verfahren wir uns.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

treffen sich im Besinnungszentrum des Stiftes.

Tag des geweihten Lebens in der Stiftskirche

Stift Wilten Aktuell

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KAPITEL 2

Norbert verkündet Jesus und seine Botschaft

Norbert wird auf der Synode von Fritzlar angeklagt.

Papst Gelasius II. erteilt Norbert in Saint-Gilles, Südfrankreich, die Predigterlaubnis.

Norbert und Hugo als Wanderprediger unterwegs 10

Stift Wilten Aktuell

Die Lebensperiode Norberts als Einsiedler ging im Sommer 1118 zu Ende, als er auf der Synode (Bischofsversammlung) von Fritzlar angeklagt wurde.

Es wurde ihm vorgeworfen, dass er ohne kirchliche Beauftragung predige und eine Art Mönchskleid trage, obwohl er noch aus eigenen Einkünften lebe. Norbert zog daraus sofort die Konsequenzen: er gab die kirchlichen Ämter und Einkünfte zurück, verkaufte das väterliche Erbe und gab den Erlös den Armen. Dann ging er auf Pilgerreise, bei der er - von Gott gefügt – in St. Gilles, dem Wirkungs- und Wallfahrtsort des hl. Ägydius in Südfrankreich, Papst Gelasius II. traf, der ihm eine überall gültige Predigterlaubnis Norbert verteilt vor der Pilgerreise seinen Besitz (Stift Wilten, erteilte.

Auf dem Rückweg von dort aus dem Gemäldezyklus von Balthasar Renn, 18. Jh). lernte Norbert offensichtlich das Wirken ist zusammen mit mir am Hof des Königs der französischen Wanderprediger je- erzogen worden, ein adliger Mann, mit ner Zeit kennen, die wie Jesus und seine Glücksgütern gesegnet.“ Der Kaplan Apostel leben und tätig sein wollten. Vor sorgte im Auftrag des Bischofs für Norbert der Karwoche 1119 kam er nach Valen- während dessen Krankheit und fühlte sich ciennes an der Grenze zum heutigen Bel- zur Lebensweise Norberts hingezogen; gien. Die drei Begleiter Norberts starben sein Name war Hugo von Fosses in Belgien. infolge der Strapazen der Winterreise, Hugo gab seinen Dienst beim Bischof auf Norbert selbst erkrankte bald darauf. In und ging mit Norbert in diesem Sommer dieser niederdrückenden Situation eröff- 1119 auf Wanderpredigt in seiner Heimat. nete Gott aber einen Weg auf Zukunft Darüber erzählt die Lebensbeschreibung hin. In Valenciennes war gerade der zu- Norberts: Glücklich über seine Begleitung ständige Bischof Burchard anwesend, den durchzog Norbert die Burgen, Dörfer und Norbert aufsuchte. Als ihn der Bischof trotz Städte, predigte, versöhnte die Zwieträchder großen Kälte barfüßig und nur in ein tigen und wandelte alteingewurzelte grobes Gewand gehüllt sah, fiel er ihm mit Feindschaft in Frieden. Von niemandem einem lauten Aufschrei um den Hals und verlangte er etwas; wenn ihm aber etwas sagte: „O Norbert, wer hätte das je von gebracht wurde, schenkte er es den Ardir geglaubt!“ Der Kaplan des Bischofs men und Aussätzigen. War er doch ganz wunderte sich über den heftigen Gefühls- unbesorgt, dass er von der Gnade Gottes ausbruch des Bischofs. Darauf sagte der alles bekommen würde, was er zum LeBischof zu ihm: “Der, den du hier siehst, ben brauche.

Heute sind wir die Boten Jesu Wie der junge Pfarrer D. Adrian Gstrein OPraem die Seelsorgetätigkeit sieht.

Actio, Contemplatio und Communio (Aktivität, Gebet und Gemeinschaft) sind die drei Säulen unseres Lebens als Prämonstratenser.

Die Kontemplation, das Gebet, braucht jeder gläubige Mensch, um mit Gott im Gespräch zu bleiben und sich ihm anzuvertrauen. Die Communio ist die Gemeinschaft der Mitbrüder, die gepflegt werden muss. Der Mensch ist nämlich ein Gemeinschaftswesen.

Wie schaut nun die Actio im Stift Wilten aus? Die Aktivität der Prämonstratenser ist von Kloster zu Kloster geschichtlich geprägt und sehr unterschiedlich. In Wilten liegt die Actio sicher schwerpunktmäßig in der Pfarrseelsorge und der so genannten kategorialen Seelsorge, die unabhängig von räumlichen Grenzen auf verschiedene Gruppen bezogen ist, z. B. der Militärseelsorge.

Bei dem, was wir Seelen-Sorger tun, sei es im Unterricht, in der Pfarr- oder kategorialen Seelsorge, zählt als Wesentliches - so finde ich - die Menschen zu erreichen, wie es etwa bei Gesprächen in der Vorbereitung auf die Sakramente der Taufe, Erstkommunion, Firmung und Ehe möglich ist.

Wir Seelsorger müssen bei den Menschen sein, bereit, mit ihnen mitzugehen und bei den verschiedenen Feiern mit ihnen in Berührung zu kommen. Persönlicher Kontakt ergibt sich besonders auch bei der Begleitung der Hinterbliebenen von Verstorbenen. Ebenso notwendig scheint mir der Besuch bei älteren Menschen, die nicht mehr regelmäßig zu den Gottesdiensten kommen können, und das damit einhergehende Zusammentreffen mit den Familien derselben. Begegnung mit dem Pfarrer ist aber auch wichtig in der Schule, auf der Straße, im Geschäft, bei Veranstaltungen, auf dem Sportplatz oder auch, angemessen der heutigen Zeit, auf Facebook. Der Seelsorger muss, glaube ich, greif- und ansprechbar sein. Vielleicht liegt es an den neuen Medien, dass gerade die „persön-

Segnung des neuen Kindergartens und der Kinderkrippe in Sistrans

liche Begegnung“ nicht mehr selbstverständlich ist. Umso überraschter und dankbarer sind die Leute, wenn wir Seelsorger uns gerne für sie die Zeit nehmen.

Wiltener Prämonstratenser im Einsatz als Militärseelsorger und als Tourismusseelsorger

Stift Wilten Aktuell

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KAPITEL 2

Die Aufgaben des Stiftes Wilten Contemplatio - communio - actio sind die Säulen unseres Lebens.

Das Prämonstratenser-Chorherrenstift Wilten

Zentrale Aufgabe des Hauskonventes ist die Feier der Eucharistie und des Chorgebetes in der Stiftskirche.

Die Musica Sacra Wilthinensis trägt wesentlich dazu bei, dass sich bei den Gottesdiensten in Wilten Gemeindegesang, solistische Orgelmusik sowie Vokal- und Instrumentalmusik zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen und diese so

zu einem tiefen spirituellen Erlebnis werden.

Das Stift ist Treffpunkt für spirituelle Gruppen und die Jugend der Stiftspfarren.

In der Abtei finden religiöse und kulturelle Veranstaltungen statt.

Von dort aus erfolgt auch die Leitung und Betreuung der international bekannten Wiltener Sängerknaben.

Gemeinsames Gebet in der neu gestalteten Chorkapelle

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Stift Wilten Aktuell

Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Stiftes ist die Pfarrseelsorge in Innsbruck und Umgebung.

Die Pfarrseelsorge des Stiftes - In Innsbruck: Seelsorgeraum (SSR) Wilten-Basilika und Wilten-West, die Pfarren Hötting, Pradl,

St. Norbert, Neupradl, Amras.

Im Dekanat Wilten-Land: SSR Rinn-Tulfes-Volderwald, SSR Aldrans-Ampass, SSR Lans-Sistrans, die Pfarren Ellbögen, Patsch, Igls-Vill, SSR Mutters-Natters, Völs, SSR Gries i. S.-Sellrain-St. Sigmund.

Der Knabengesang in Wilten ist eine alte Tradition. So gab es schon im Mittelalter die sogenannten „Schueller von Ynsprugg“, die unter der Patronanz des Stiftes Wilten in Musik und Chorgesang kostenlos unterrichtet wurden.

1946 wurde an diese Chorknabentradition angeknüpft. Die Wiltener Sängerknaben wurden gegründet. Sie gestalten Gottesdienste mit und führen bedeutende geistliche Werke auf.

Sie werden auch immer wieder zu internationalen Konzertreisen eingeladen (z. B. nach China).

Derzeitige Mitglieder im Stift Wilten Stand Mai 2015 Insgesamt 30 Männer bilden derzeit den Konvent des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes Wilten.

26 Mitbrüder haben sich endgültig in unserer Gemeinschaft durch die ewigen Gelübde Gott geweiht. 23 davon sind

Priester, zwei Ordensbrüder (einer davon ständiger Diakon), ein weiterer Mitbruder Diakon als Vorstufe zum Priestertum. Weiters gehören zwei Studenten mit zeitlichen Gelübden und zwei Studenten als Novizen zur Gemeinschaft.

Am Kirchweihsonntag sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stiftes in das Refektorium (Speisesaal) des Stiftes geladen.

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KAPITEL 3

Das Charisma Norberts wird in Klostergründungen fruchtbar

Die gotische Klosteranlage von Prémontré

Die heutigen barocken Klostergebäude in Prémontré

Der hl. Augustinus übergibt Norbert die Ordensregel (frühe Handschrift aus dem Kloster Schäftlarn).

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Stift Wilten Aktuell

Nach dem baldigen Tod des Papstes Gelasius II. im französischen Exil war dort Calixt II. zum Nachfolger gewählt worden.

Gleich darauf waren auf einer Synode in Toulouse, die er leitete, Auswüchse der Wanderpredigerbewegung verurteilt worden, dass nämlich von manchen die meisten Sakramente, auch die Weihen zum Priester und Bischof, nicht anerkannt wurden. Als der Papst dann im Oktober 1119 in Reims ein großes Konzil abhielt, ging auch Norbert dorthin; er wollte sich wohl seine Predigterlaubnis erneuern lassen. Er erreichte aber keinen Zutritt beim Papst.

Es nahm sich seiner aber Bischof Bartholomäus von Laon in Nordfrankreich an, bei dem der Papst anschließend auf Erholung weilte. Beide bemühten sich, dass Norbert für sich und seine Anhänger die erprobte Lebensweise eines Klosters übernehme. Norbert war schließlich bereit, im einsamen Tal von Prémontré, westlich von Laon, ein Kloster zu gründen. Auf der berühmten Schule von Laon gewann er dafür Kandidaten, weitere bei seiner Wanderpredigt der Jahre 1120/21 im heutigen Belgien. Diese siedelten sich in Prémontré an und bereiteten den Klosterbau vor.

Vor dem Weihnachtsfest 1121 war es nötig, dass Norbert die Entscheidung für die Art der Lebensweise im neuen Kloster traf.

Darüber sagt die Lebensbeschreibung: Damit es nicht den Anschein erwecke, als beeinträchtige er den Stand der Kanoniker (Chorherren), dem er selber und viele, die bei ihm leben wollten, seit Kindheit angehörten, gab er den Befehl, die Regel anzunehmen, die der heilige Augustinus für die Seinen bestimmt hatte. Die Lebensart der Apostel, die er mit seiner Predigttätigkeit angenommen hatte, wünschte er jetzt möglichst genau so zu leben, wie es seines Wissens dieser heilige Mann in der nachapostolischen Zeit geordnet und erneuert hatte. Augustinus hatte in seiner Bischofsstadt Hippo im heutigen Algerien gegen

Ende des 4. Jahrhunderts mit dem Klerus ein Gemeinschaftsleben begonnen, nach dem Beispiel der ersten Christengemeinde in Jerusalem, und dafür eine Lebensregel verfasst. Unter dieser Regel schrieben sich am Weihnachtstag zu Prémontré alle einzeln und aus freien Stücken ein, als Bürger der ewig glücklichen Stadt. Zur Anfangsgemeinschaft gehörten zahlreiche Kleriker, männliche Laien und auch Frauen.

Eine Vision des Gekreuzigten bestätigt Prémontré als Ort des ersten Klosters.

Die Prämonstratenserklöster, die in den Jahrzehnten danach entstanden, waren zu zwei Dritteln Doppelklöster, in denen es strikt getrennte Gemeinschaften von Männern und Frauen gab. Bald nach Prémontré entstanden einzelne weitere Klöster im belgischen und nordfranzösischen Raum. Aufsehen erregte es, als 1122 die Grafen von Cappenberg in Westfalen ihre Burg für ein Kloster schenkten, auch ihren Besitz Ilbenstadt (Wetterau) und Varlar (bei Coesfeld); überall dort konnten Klöster eingerichtet werden. Die Brüder Gottfried und Otto traten auch selbst in den Orden ein.

Im Winter 1125/26 zog Norbert nach Rom, um sich vom Papst die Lebensweise in seinen Klöstern und die Klöster selber bestätigen zu lassen. Im Februar 1126 wurde ihnen, den Anhängern der Lebensweise der Apostel, die päpstliche Bestätigung für die kanonikale Lebensart nach der Augustinusregel in einer Urkunde erteilt.

Die Ordensgemeinschaft Eine voll errichtete Prämonstratensergemeinschaft ist im Sinne des II. Vatikanischen Konzils Kirche am Ort: Das Wort Gottes wird dort verkündet, gehört und soll gelebt werden. Es wird Gottesdienst gefeiert, die Sakramente werden gespendet und emp-

Ordensgelübde (Leben in Gemeinschaft, in Armut, gottgeweihter Ehelosigkeit und Gehorsam) für eine bestimmte Zeit, meist für drei Jahre, ablegen. Die endgültige Bindung an die Gemeinschaft erfolgt durch die Feierliche Profess.

fangen. Die Liebe Christi soll in der Gemeinschaft gelebt und den am Ort lebenden Menschen erwiesen werden.

Meist gibt es für solche, die sich der Gemeinschaft anschließen wollen, eine Kandidatenzeit zum gegenseitigen Kennenlernen. Dann folgt das eigentliche Probejahr (Noviziat). Anschließend kann man die

Die Mitglieder mit Feierlicher Profess bilden das Kanoniekapitel, das in entscheidenden Angelegenheiten der Gemeinschaft mitbestimmt. Das Kanoniekapitel wählt auch den Abt, beziehungsweise einen Prior mit Leitungsgewalt. Der Generalabt kann auch einen Administrator ernennen.

Konventexerzitien der Wiltener Gemeinschaft 2013

Die Prämonstratenserinnen In den ersten Jahrzehnten des Ordens entstand neben einem Männerkloster meistens auch eines für Frauen.

Frauen, oft auch ganze Familien, wollten ein Leben wie die christliche Urgemeinde in Jerusalem führen. Wie es der damaligen Zeit entsprach, nahmen die Prämonstratenserinnen zwar am Gottesdienst der Männer teil, im Übrigen aber lebten sie völlig abgeschlossen von der Außenwelt, das heißt in Klausur. Sie übten hausfrauliche Tätigkeiten aus – auch für das Männerkloster

– wie zum Beispiel die Herstellung und Pflege von Kleidern, sowie Schafzucht samt Wollerzeugung.

Das Frauenkloster in Wilten bestand bis zirka 1300, also gut 160 Jahre lang. Es dürfte nördlich der Stiftskirche gestanden sein und hatte im 13. Jahrhundert eine eigene Kirche, die an der Nordseite der Stiftskirche parallel angebaut war.

Der Generalabt mit Prämonstratenserinnen verschiedener Schwesterngemeinschaften beim Generalkapitel 2012

Stift Wilten Aktuell

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KAPITEL 3

Der Prämonstratenserorden heute Fast 900 Jahre nach seiner Begründung Mit etwa 500 Klöstern in nahezu ganz Europa und zwei Klöstern im Heiligen Land erlebte der Orden um 1200 seine

Indien, in Südamerika und Afrika.

Zum Prämonstratenserorden gehören in Deutschland die Abtei Windberg (bei

größte Ausbreitung. Im 16. Jahrhundert gingen die Klöster in den protestantisch gewordenen Gebieten unter. Der Geist der Aufklärung, der in vielen Ländern in den staatlichen Klosteraufhebungen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wirksam wurde, versetzte dem Orden fast den Todesstoß. Der Orden erfuhr aber bei all dem – vom Geist Gottes bewirkt mehrmals im Lauf der Jahrhunderte eine geistig-geistliche Erneuerung.

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts begann eine Neuausbreitung, sodass die Prämonstratenser heute in allen Erdteilen vertreten sind. Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa im Jahr 1989 konnte dort das Prämonstratenserleben wieder beginnen. Besonders viele neue Berufungen gibt es derzeit in

Straubing) mit dem Priorat Roggenburg (südlich von Ulm); die Abtei Hamborn (in Duisburg) mit einem Priorat in Magdeburg, der ehemaligen Bischofsstadt des hl. Norbert, und der Tertiarengemeinschaft von Sayn; dazu noch die Abtei Speinshart in der Oberpfalz. Deutschsprachige Schwesterngemeinschaften lebeb in Aulendorf (nördlich des Bodensees) und bei Uznach (Westschweiz). In Österreich gibt es neben dem Stift Wilten noch das Stift Schlägl im Mühlviertel, Oberösterreich, und das Stift Geras im Waldviertel, Niederösterreich, dazu noch ein Pfarrpriorat in Wien.

Mit Stand vom August 2014 zählte der Orden 1522 männliche Mitglieder. Von den 294 weiblichen Mitgliedern lebt der kleinere Teil nach der ursprünglichen kon-

Die Gemeinschaft der Kanonie Windberg

Die bayerische Abtei Speinshart

Der Konvent des Priorats Mananthavady mit Generalabt Thomas Handgrätinger

Das Kapitel der Prämonstratenser in Hamborn mit Generalabt Thomas Handgrätinger und dem Vikar für die deutschsprachige Zirkarie des Ordens, Abt Raimund Schreier, bei der Abtwahl 2015.

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Stift Wilten Aktuell

templativen Form, der größere Teil nach der später entstandenen, auch nach außen hin tätigen Form.

Luftaufnahme des Stiftes Geras

Stift Schlägl

Die Geschichte des Stiftes Wilten Das Stift Wilten ist das älteste Prämonstratenserstift im heutigen Österreich.

In Österreich gab es neben den bestehenden Stiften Schlägl und Geras noch das Kloster Griffen in Unterkärnten, das unter Kaiser Josef II. (1780 - 1790) aufgehoben wurde.

Ab dem 5. Jahrhundert hatte Wilten zwei frühchristliche Kirchen: am Ort der Basilika und der Stiftskirche. Spätestens ab dem 10.

Jahrhundert bestand bei der Kirche zum heiligen Laurentius (Stiftskirche) ein Kloster, das nach 1125 von Bischof Reginbert von Brixen den Prämonstratensern übergeben wurde.

Am 30. April 1138 erfolgte die Bestätigung des Papstes für die Prämonstratenser in Wilten wie auch für die Benediktiner in Georgenberg/Fiecht. Bis zirka 1300 gab Gesamtüberblick über die archäologischen Gra-

es in Wilten neben dem Männer- auch ein Frauenkloster. Zwei Klostervorsteher werden als Selige verehrt: Propst Marquard (gestorben 1142) und Abt Wernher (1300 - 1330).

1665 wurde die jetzige Stiftskirche eingeweiht, im 17. Jahrhundert wurde auch ein Großteil der heutigen Klostergebäude errichtet. Zweimal war das Stift aufgehoben: 1807 bis 1816 infolge der bayerischen Herrschaft und 1939 bis 1945 während der nationalsozialistischen Zeit. 1943-1945 erlitt das Stift schwere Kriegszerstörungen. Von 2005 bis 2008 erfolgte eine umfassende Restaurierung der Stiftskirche.

Das romanische Kloster Wilten samt „Leuthaus“ und der Pfarrkirche (heute Basilika), Tafel eines Ursulaaltares von Ludwig Konraiter, 1485/1490, Stift Wilten

bungen der Jahre 2005/06 in der Stiftskirche Bombenangriffe am 19.

Dezember 1943 und 13.

Juni 1944 führten zu schwersten Schäden an Kirche und Stift.

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KAPITEL 4

Norberts größerer Wirkungskreis als Erzbischof und Friedensstifter

Norbert als Erzbischof mit Kreuz und Spaten (Hauskapelle des Magdeburger Bischofs, Holzskulptur von Leibel, 1950)

Norbert zieht mit Papst Innozenz II. und König Lothar in Rom ein.

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Stift Wilten Aktuell

Fast 40 Jahre lang hatte der sogenannte Investiturstreit getobt, bevor 1122 im Wormser Konkordat eine Einigung zwischen Papst und Römisch-Deutschem König/Kaiser erzielt wurde. Der König durfte nicht mehr die Bischöfe ernennen, wie es bis damals de facto der Fall gewesen war. Das geschah nun durch päpstliche Legaten unter Mitsprache der örtlichen Verantwortlichen und mit Gutheißung des Königs. Damit war vorgesorgt, dass nach christlichen Gesichtspunkten geeignete Personen dieses wichtige Amt innehatten.

Der Investiturstreit hatte großen Schaden für das kirchliche Leben und auch schlimme Kampfhandlungen zwischen den Vertretern der jeweiligen Parteien verursacht, da oft Papst beziehungsweise König verschiedene Personen zu Bischöfen ernannten; auch hatten die Könige/Kaiser häufig einen Gegenpapst wählen lassen.

Als für Magdeburg 1126 ein Erzbischof ernannt werden musste, war das neue Verhältnis zwischen Papst und König noch nicht gefestigt. Rom hatte großes Interesse, dass der zukünftige Erzbischof Anhänger der sogenannten Gregorianischen Reform war. Wohl auch aus diesem Grund fiel im Sommer 1126 die Wahl auf Norbert von Xanten. Norbert nahm die Wahl an und zog schnell nach Magdeburg. Die Stadt liegt an der Elbe, welche die damalige Grenze des deutschen Reiches bildete; östlich davon begann das Gebiet der Slawen. Norbert musste sehr bald feststellen, dass viele Güter, welche die Lebensgrundlage des Bistums bildeten - wahrscheinlich durch zu starken Laieneinfluss - verlorengegangen waren; er betrieb deren Rückerstattung. Auch mussten Leben und Dienst des Klerus erneuert werden. Deshalb gab es schnell Widerstand. Die Lebensbeschreibung sagt über die schwierige Situation: Er zauderte nicht, um des Namens Gottes willen Schmach zu leiden. Daher überführte er, wies zurecht und ermahnte,

ob gelegen oder ungelegen, und mühte sich, das Angesicht seiner Kirche sowohl durch geistliche als auch durch materielle Fortschritte zu erneuern.

Als einer der sechs deutschen Erzbischöfe war Norbert einer der höchsten Reichsfürsten. Als solcher war er oft lange Zeit von Magdeburg abwesend; er musste bei Reichstagen des Königs in ganz verschiedenen Landesteilen anwesend sein und konnte sich dabei für gesamtkirchliche Anliegen, zum Beispiel bei Bischofsernennungen, engagieren. Eine besonders schwierige kirchliche Situation ergab sich, als bei der Papstwahl im Feber 1130 zwei Kardinäle zum Papst gewählt wurden. Nachdem der Römisch-Deutsche König Lothar - auch durch Norbert - Informationen eingeholt hatte, entschieden er und die deutsche Kirche sich für Innozenz II. Die Gruppe der Kardinäle, die ihn gewählt hatte, vertrat die Anliegen der Gregorianischen Reform und war für die Fortsetzung der Aussöhnung mit dem deutschen König. Es waren aber in der Folge mehrere Konzilien in Frankreich und im deutschen Reich nötig, an denen zum Teil auch der geflüchtete Papst teilnahm, bis die endgültige Entscheidung für Innozenz II. getroffen war und König Lothar für einen Romzug zur Einsetzung des Papstes bereit war. In Rom hatte bald nach der Wahl von 1130 der Gegenpapst Anaklet II. die Herrschaft ergriffen. Am mühevollen Romzug, der im August 1132 begann, nahm auch Norbert teil. Von Frankreich aus zog Bernhard von Clairvaux, der den neuen Zisterzienserorden zum Aufblühen gebracht hatte, nach Italien, um für die Einsetzung Innozenz II. tätig zu sein. Ab dem 30. April 1133 konnte nach allerhand Widerständen ein Teil Roms unter die Herrschaft Innozenz II. gebracht werden, am 4. Juni wurde Lothar zum Römisch-Deutschen Kaiser gekrönt. Die Lebensbeschreibung Norberts, die gerade in Bezug auf den

Norbert versöhnt Feinde

Romzug als wertvolle Geschichtsquelle gilt, berichtet: Nach der Krönung stellte der Kaiser die wenig überlegte Forderung, der Papst solle ihm zur Ehre des Reiches und zur Befestigung des Bundes, den er mit ihm geschlossen habe, die Investitur der Bischöfe überlassen. Als es nun schien, als wolle der Papst auf diese Forderung eingehen, trat Norbert in die Mitte vor und sprach: „Was tust du, Vater? Wem setzt du die dir anempfohlenen Schäflein aus, dass sie zerrissen werden? Die Kirche, die du als Freie übernommen hast, willst du sie zur Magd machen? Der Stuhl Petri verlangt auch Taten Petri. Wohl habe ich dem heiligen Petrus und dir um des Namens Christi willen Gehorsam versprochen; wenn du aber das tust, was von dir verlangt wird, siehe, so widerspreche ich dir im Angesicht der Kirche.“ Da verzichtete der Kaiser auf seine ungebührliche Forderung und der Papst auf ein unerlaubtes Zugeständnis. Norbert konnte es wagen, so zum Papst zu sprechen, da er in den Jahren zuvor, laut Urkunden des Innozenz zu seinem Vertrauten geworden war.

In den Jahren seiner Wanderpredigt war Norbert Friedensstifter in den Adelsfehden

in Belgien, unter denen die Bevölkerung sehr gelitten hatte; als Erzbischof konnte er im größeren Rahmen des deutschen Reiches und der Kirche für den Frieden tätig sein.

Norbert von Xanten und Bernhard von Clairvaux als Berater von König Lothar (Stiftskirche Wilten, Fresko von Kaspar Waldmann, 18. Jh.)

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KAPITEL 4

Die soziale Dimension unseres Auftrages Prior D. Florian Schomers OPraem

Das Stift Wilten unterstützt die wertvollen Aktivitäten der Dienerinnen Christi in Maradi/Niger.

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Stift Wilten Aktuell

„Vielmehr soll alles unversehrt bewahrt bleiben, zu eurem und der Armen Nutzen …“. Kurz und eindringlich warnt Papst Innozenz II. in der mit 30. April 1138 datierten Bestätigungsurkunde unserer Abtei geistliche wie weltliche Machthaber vor unerlaubtem Zugriff auf das Propst Marquard, einem Schüler Norberts, und seinen rechtmäßigen Nachfolgern anvertraute Gut Wiltens. Innozenz’ großer Kontrahent, Gegenpapst Anaklet II., war erst kurz zuvor (am 25. Januar 1138) gestorben und die Unterwerfung seines - ebenfalls in die Liste der Gegenpäpste gereihten - Nachfolgers Viktor IV. stand unmittelbar bevor (29. Mai 1138). Gott hatte Innozenz II. also nach kräfteraubenden Zeiten des Streits und der Flucht zunächst „Ruhe vor allen Feinden ringsum“ (Dtn 12,10) verschafft.

Freilich drohte bereits der nächste Waffengang: Den Parteigänger Anaklets, den sizilianischen König Roger II., galt es noch zu unterwerfen, was allerdings misslang.

Innozenz selbst geriet in Gefangenschaft und musste Roger weitreichende Zugeständnisse einräumen.

Der Papst wusste also, wovon er sprach: Blutfehden und gewalttätige Auseinandersetzungen, nicht zuletzt im stadtrömischen Adel und den rivalisierenden päpstlichen Parteien, nationale kriegerische Konflikte

und Rachefeldzüge lähmten allenthalben Entwicklung und sozialen Fortschritt im Reich. Ehedem blühende Landstriche lagen brach, manchmal gänzlich entvölkert. Das 1123 auf dem ersten Laterankonzil erlassene Gebot der „Treuga Dei“ suchte zwar die vom Klerus bis zur einfachen Handwerkerfamilie, vom Kaiser bis zum Bauern in allen gesellschaftlichen Schichten etablierte, zuletzt wie eine Pest um sich greifende Blutrache, zumindest zu kanalisieren: Von Mittwoch Abend bis Sonntag Abend habe der „Gottesfriede“ zu gelten, so hatte es das Konzil dekretiert.

Eine tiefgreifende Besserung geschah allerdings nur sehr zögerlich und lokal begrenzt. Sie war nicht zuletzt die Frucht des Wirkens begnadeter Prediger und charismatischer Erweckergestalten.

Während seiner Tätigkeit als Wanderprediger scheint Norbert dieses besondere Charisma besessen zu haben. In seinen Lebensbeschreibungen finden sich Hinweise darauf, dass seine vom 1. Laterankonzil inspirierte Predigt verfeindete Familien wieder miteinander versöhnt habe. „Opus Iustitiae Pax“, das Werk der Gerechtigkeit ist der Friede. Dieses altkirchliche Diktum und zuletzt Wahlspruch Papst Pius XII. ließe sich, auf die Zeit Norberts bezogen, durchaus umkehren: Wo endlich Frieden herrscht, ist auch Gerechtigkeit möglich, daraus erst können Wohlstand und sozioökonomische Entwicklung erwachsen.

Diese bisher in der Rezeption unserer Ordensspiritualität möglicherweise zu wenig beachteten, nicht minder bedeutenden Mosaiksteinchen - Frieden und Gerechtigkeit - möchte ich als Grundbausteine meiner Betrachtung des sozialen Engagements unserer Wiltener Gemeinschaft, über die Jahrhunderte herauf bis heute, bezeichnen.

Tragender Grund ist und bleibt auf jeden Fall der Grundauftrag der sogenannten Goldenen Regel Jesu: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch

ihr ihnen“ (Mt 7,12). Bereits im Alten Testament offenbart sich ja die ungeschuldete Nähe Gottes, auf die auch sein Name hinweist, den er Mose offenbart, als der „Ich bin der Ich-bin-da“ (Ex 3,14), der Gott, der die Menschen befreit aus Sklaverei und Unterdrückung und heimführt in das Land der Verheißung, in dem „Milch und Honig fließen“ (Ex 3,7-8). In der Augustinusregel, die Norbert dem gemeinsamen apostolischen Leben seiner Brüder empfiehlt, heißt es: „Nennt nichts euer Eigentum, sondern alles gehöre euch gemeinsam. Jedem werde von eurem Vorsteher Nahrung und Kleidung zugeteilt, nicht jedem in gleicher Weise, weil ihr nicht alle zum Gleichen fähig seid, sondern einem jeden, wie er es nötig hat. Denn so lest ihr in der Apostelgeschichte: „Sie hatten alles gemeinsam, und jedem wurde zugeteilt, was er nötig hatte“ (Regel des hl. Augustinus I/3). Somit ist klar, dass sich die Gemeinschaft der PrämonstratenserChorherren von Anfang an in dem gesünderen, kirchlich gesinnten Zweig der hochmittelalterlichen Vita-apostolica-Bewegung positioniert, deren ketzerischfanatisiertes, z. T. gewaltbereites Pendant zu jener Zeit Patarener, Katharer, Waldenser, Albigenser, Flagellanten und die Anhänger Arnold von Brescia’s (manchmal nicht ganz zurecht „Arnoldisten“ genannt), bilden. Dominikaner, Franziskaner, Karmeliter und Augustiner-Eremiten werden jedenfalls dem Beispiel Norberts und Bernhards bald folgen und die Klerusreform innerkirchlich vorantreiben. Bewusst wollen wir hier den Unterschied zwischen apostolischer Gütergemeinschaft und Kollektivismus als Ideologie festhalten: Betont erstere Bedürfnis(losigkeit), freiwilligen Verzicht und innere Verfügbarkeit, letzterer aber eine systemische, letztlich unfrei von „oben“ verordnete Gleichmacherei.

Zahlreiche Prämonstratenserklöster, darunter auch Wilten, waren zuerst als Doppelklöster errichtet worden, bis das Generalkapitel des Ordens dies gegen Ende des 13. Jh. untersagte. Der Frauentrakt in Wilten wurde in ein Spital umgewandelt, das später allerdings gegenüber dem

Das Romaprojekt

Innsbrucker Stadtspital immer mehr an Bedeutung verlor. An seine Stelle trat vermutlich das mittelalterliche „Leithaus“ – heute „Leuthaus“ (Leitgeb: altes Wort für Wirt) als Gast- und Raststätte für Durchreisende und Pilger. Wenn wir heute die Größe und Stattlichkeit dieses Hauses bewundern, fühlen wir uns an das in etwa zur selben Zeit von Papst Sixtus IV. umgebaute und vergrößerte Stadtspital Roms Santo Spirito (in Sassia) erinnert: Es war von seinem Grundriss her bewusst etwas größer konzipiert und erbaut als die Kirche Alt-St. Peter im Vatikan.

Aus der frühen Neuzeit rühren die sogenannten „Freudenzüge“ der Innsbruckerinnen und Innsbrucker am Unsinnigen Donnerstag. Alljährlich zog eine Abord-

Waldhüttl in Innsbruck/ Mentlberg

GARTENdankFEST der Religionen im Interkulturellen Garten in Wilten

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KAPITEL 4

Neubau der St. Mary´s Kirche in Chettigudige im indischen Bundesstaat Karnataka. Neben der alten, völlig desolaten Kirche, entsteht das neue Gotteshaus.

nung der Bürgerschaft nach Wilten herauf, wo ihr der Kastner (Verwalter) symbolisch den Schlüssel zur Plünderung von Weinkeller und Vorratskammer überließ. Dieser seit der Barockzeit nicht mehr geübte Brauch beweist Humor und Großzügigkeit der Chorherren. Während der Befreiungskriege von 1809 sowie zur Zeit des Ersten Weltkrieges stellte man die heutigen Museumsräume der Prälatur als Lazarett für Verwundete und Sterbende zur Verfügung.

1822 war Abt Alois Röggl Mitbegründer und Kurator der Ersten Tiroler Sparkasse.

Nun konnten auch die „kleinen Leute“ einen Notgroschen auf die Seite legen und es gab in dieser Zeit erste Anklänge unseres heutigen Sozialversicherungswesens.

Prior Dominicus Dietrich war Gründer der Stiftung Notburgaheim.

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Stift Wilten Aktuell

In den Notzeiten des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, während der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg waren Wiltener Chorherren maßgeblich am Aufbau und Erhalt flächendeckender Armenfürsorge, zunächst der Arbeiterfamilien aus allen Teilen der k. u. k. Monarchie, später der zahllosen Kriegsflüchtlinge und -waisen, beteiligt.

Prior Dominikus Dietrich war Gründer der heute noch existierenden Stiftung Notburgaheim, damals ein Wohn- und Versorgungshaus für mittellose „Dienstboten“, heute Alten- und Pflegeheim.

Nach der Wiedererrichtung des Stiftes im Jahr 1945 setzten sich Wiltener Priester besonders für die Errichtung von Pfarr- und

Patienten und Pflegepersonal des Reservespitals im Stift Wilten während des Ersten Weltkrieges mit Abt Zacher und Prior Dietrich Alfons Kröß OPraem als Seelsorger in einem Lazarett des Ersten Weltkrieges in Innsbruck

Jugendheimen ein, um vor allem die Jugendlichen von der Straße wegzuholen und ihnen eine geistige und geistliche Heimat zu bieten.

Unser jüngstes Engagement für Flüchtlinge brachte der Abtei 1994 eine - im letzten Moment entdeckte und entschärfte Briefbombe des berüchtigten Attentäters Franz Fuchs ein.

Zu den derzeit laufenden Sozial- und Spendenprojekten zählen wir das RomaProjekt „Waldhüttl“, eine dauerhafte Hilfseinrichtung für Erntehelfer und Bettler aus Rumänien und Bulgarien, den von Abt Alois Stöger (1921-1998) gegründeten Sozialfonds als wirksame Soforthilfe für Bedürftige, dazu zahllose Einzelprojekte im In- und Ausland: Von der Unterstützung katholischer Schwestern in einem Flüchtlingscamp im Libanon über eine Hilfsstation von Aidswaisen im afrikanischen Maradi bis zur Bezahlung der Stelle eines Sozialarbeiters der Caritas, um nur einige wenige Initiativen zu benennen.

Wachsam werden wir immer ein Auge auf die Not der jeweiligen Zeit haben: Vom „Fernsten“ zum „Nächsten“ darf und wird uns der Einsatz im Kampf gegen menschliches Elend, Armut, Ungerechtigkeit, kulturelle Entwurzelung und Unfrieden immer ein Hauptanliegen sein, auch wenn wir nicht alle Not sofort beheben können.

Wenn die Lehre der Kirche formuliert, dass die soziale Botschaft des Evangeliums uns zur Erfüllung einer zweifachen Aufgabe führen muss, die zum einen da-

rin besteht, den Menschen bei der Entdeckung der Wahrheit und der Wahl des einzuschlagenden Weges zu helfen, und zum anderen darin, die Christen dazu zu ermutigen, dass sie das Evangelium im sozialen Bereich mit Engagement und Diensteifer bezeugen, dann erweisen wir wirklich den konkreten Menschen, deren Dasein oder Zukunft auf dem Spiel steht (Paul VI.), nach den Prinzipien der Solidarität und der Subsidiarität den Dienst Christi, wie ihn der hl. Norbert verstanden wissen wollte.

Abt Raimund Schreier nahm im Dezember 1994 von Stiftungsobmann Martin Huter den Eduard-Wallnöfer-Preis für die mutigste Initiative zum Wohl des Landes entgegen. Das Stift hatte Wohnmöglichkeiten für illegale Flüchtlinge in besonderen Notsituationen zur Verfügung gestellt.

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KAPITEL 5

Norbert gründet Klöster in seiner Erzdiözese - seine letzte Lebensphase

Hugo von Fosses, der erste Generalabt

Bischof Reginbert übergibt Norbert das Stift Wilten (Stift Wilten, Franz Stainer).

Der hl. Norbert sendet seinen Schüler Marquard nach Wilten.

Begräbnis Norberts in Unser Lieben Frauen in Magdeburg (Bischofskirche St. Sebastian in Magdeburg, Schnitzerei am Chorgestühl, Gebr.

Winkelmann 1982) 24

Stift Wilten Aktuell

Als Norbert 1126 Erzbischof von Magdeburg wurde, gab er zunächst die Leitung über die von ihm im Westen gegründeten Klöster nicht ab; seit der ersten Gelübdeablegung zu Weihnachten 1121 waren erst viereinhalb Jahre vergangen. Aufgrund seiner neuen Lebensumstände zeigte sich aber 1128 die Notwendigkeit, die Leitung anders zu organisieren. Norbert ließ nun in Prémontré Hugo, seinen ersten Gefährten, zum Abt wählen. Dieser rief jährlich die Vertreter der einzelnen Klöster zum Generalkapitel zusammen, um die Einheit des Ordens zu stärken und nötige Regelungen zu treffen. Norbert selber tat in seinem Einflussgebiet als Erzbischof viel für die Erneuerung des christlichen Lebens durch Klöster. Er konnte erreichen, dass in mehreren Benediktiner- und Benediktinerinnenklöstern eine Reformlebensweise eingeführt wurde. In Magdeburg mussten die Mitbrüder, die von Anfang an bei ihm lebten, wohl zuerst in den bischöflichen Gebäuden leben; 1129 konnte Norbert – nach großen Widerständen – das Kanonikerstift Unser Lieben Frauen seinen Mitbrüdern übergeben. Etwas südlich von Magdeburg, an der Grenze von deutschem und slawischem Gebiet, gründete er 1131 das Prämonstratenserkloster Gottesgnaden. In diesen Jahren konnte Norbert auch das Kloster von Pöhlde im südlichen Sachsen und Stade bei Hamburg mit Prämonstratensern besiedeln.

In Zeiten Norberts konnte man wieder daran denken, die Kolonisierung und Christianisierung des Slawenlandes östlich der Elbe neu zu beginnen. Knapp 150 Jahre vorher waren erste Bemühungen des Kaisers Otto I. durch einen großen Slawenaufstand zunichte gemacht worden. Die

von Norbert im Osten neu gegründeten Prämonstratenserklöster sollten sich in der Folgezeit als wesentliche Ausgangspunkte dafür erweisen. Zu bemerken ist, dass bei den Klöstern stets Hospize errichtet wurden, in denen Pilgernde und Fremde, Arme und Kranke aufgenommen wurden.

Beim Romzug war die Abreise Norberts mit Kaiser Lothar aus Rom erst um den 11.

Juli 1133 erfolgt, zu einer Jahreszeit, in der wegen der Malariagefahr ein Aufenthalt in Rom schon gefährlich war.

Auf dem Hin- und Rückweg des Romzugs dürften sie an Wilten vorbeigekommen sein. Norbert könnte in der Bischofstadt Brixen mit dem Reformbischof Reginbert zusammengekommen sein, der um die Besiedlung des schon in Wilten bestehenden Klosters mit Prämonstratensern gebeten haben könnte, was ja in einem der folgenden Jahre geschah. Über die Zeit nach der Rückkehr aus Italien sagt die Chronik „Die Taten der Erzbischöfe von Magdeburg“: Nach der Rückkehr stellte sich allmählich eine Krankheit ein. Trotzdem hielt er sich ungefähr sechs Monate lang beim selben Kaiser zum Nutzen des Staates an verschiedenen Höfen Deutschlands auf. Nach dieser Zeit konnte Norbert nicht mehr reitend nach Magdeburg zurückkehren, sondern wurde im Feber 1134 auf einem Pferdefuhrwerk unter Beschwerden dorthin gebracht; Norbert dürfte an der schleichend verlaufenden Malaria gelitten haben. Von seinem Krankenlager raffte sich Norbert noch einmal auf, um am Gründonnerstag die heiligen Öle zu weihen und am Ostersonntag sitzend das Hochamt zu feiern. In der obengenannten Chronik wird erzählt, dass Norbert nach Ostern immer mehr von Schmerzen geplagt wurde. Auch sagt sie, in den letzten Wochen habe er sehr oft die heilige Kommunion empfangen, was damals noch nicht so üblich war. Norbert starb am 6. Juni 1134, ungefähr 50 Jahre alt.

Die Ordensstruktur der Prämonstratenser und Prämonstratenserinnen Der Generalabt leitet den Gesamtorden. Er wird vom Generalkapitel gewählt, und zwar nach Tod beziehungsweise Resignation des bisherigen Generalabtes.

In der Förderung und Leitung des Ordens stehen dem Generalabt vier Definitoren zur Seite. Die Definitoren werden vom Generalkapitel, das alle sechs Jahre stattfindet, gewählt. Im Generalkapitel sind alle selbständigen Klöster (Kanonien) vertreten.

Das Generalkapitel ist das höchste Beratungs- und Entscheidungsgremium des Ordens. Es erlässt oder passt die Ordenskonstitutionen an, die das Leben der Prämonstratenserklöster regeln. Es leitet wesentliche Entwicklungen einzelner Häuser in die Wege.

Einige Zeit vor einem Generalkapitel füh-

ren zwei Ordensmitglieder aus anderen Kanonien eine Visitation (Überprüfung) über den inneren und materiellen Zustand der einzelnen Kanonien durch. Die Ergebnisse ihrer Treffen mit den besuchten Mitgliedern legen sie dem folgenden Generalkapitel vor.

Die einzelnen Kanonien sind in Sprachgruppen bzw. Kontinenten zusammengefasst. Diese Einheiten heißen Zirkarien.

Treffen der deutschsprachigen Zirkarie in Wilten

Kernsätze der Ordensregel Vor allem, liebe Brüder, soll Gott geliebt werden, sodann der Nächste; denn das sind die Hauptgebote, die uns gegeben sind.

Das Erste, warum ihr in Gemeinschaft zusammenlebt, ist, einmütig im Haus zu wohnen und ein Herz und eine Seele zu sein auf Gott hin.

Nennt nichts euer Eigentum, sondern alles gehöre euch gemeinsam.

Lebt also alle eines Herzens und Sinnes miteinander und ehrt in euch gegenseitig Gott, dessen Tempel ihr seid.

Dem Gebet obliegt mit Eifer zu den festgesetzten Stunden und Zeiten.

Haltet euren Leib in Zucht durch Fasten und Enthaltung von Speise und Trank, soweit es die Gesundheit erlaubt.

Wenn ihr also miteinander in der Kirche oder an einem anderen Ort mit Frauen zusammen seid, habt gegenseitig auf eure Reinheit acht! Gott, der in euch wohnt, wird euch auch darin durch euch selbst bewahren.

Wer aber nie um Verzeihung bitten will oder nie ehrlichen Herzens darum bittet, der ist ohne Berechtigung im Kloster, selbst wenn man ihn nicht ausstößt.

Dem Vorsteher soll man wie einem Vater in Ehrerbietung gehorchen, um nicht Gott in ihm zu beleidigen.

Euer Vorsteher soll sich nicht deshalb glücklich schätzen, weil er Kraft seines Amtes gebieten, sondern weil er in Liebe dienen kann.

Hl. Augustinus, Verfasser der Ordensregel

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KAPITEL 5

Vos estis tuba, psalterium, cithara – Vom Singen in der Kirche Stiftskapellmeister Norbert Matsch Ein beliebtes Bild, das v. a. bei Orgelweihen Verwendung findet, ist jenes, wonach die Orgel die Kirche, die einzelnen Pfeifen aber ihre Glieder symbolisieren. Ähnlich wie die Pfeifen der Orgel ist es die Summe der Gläubigen, die harmonieren soll. Auch Papst Benedikt XVI. verwendete dieses Bild bei der Weihe der nach ihm benannten Orgel in der Alten Kapelle in Regens-

Capella Wilthinensis

Die Festorgel in der Stiftskirche Wilten

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Stift Wilten Aktuell

burg und präzisierte es noch: „Klemmt es hier oder dort, ist eine Pfeife verstimmt, dann ist dies zunächst vielleicht nur für ein geübtes Ohr vernehmbar. Sind mehrere Pfeifen nicht mehr richtig gestimmt, gibt es Disharmonien und es wird unerträglich.

Auch die Pfeifen dieser Orgel sind Temperaturschwankungen und Ermüdungseinflüssen ausgesetzt. Das ist ein Bild für unsere Gemeinschaft in der Kirche.“ Papst Benedikt fand in dieser Predigt über den zuvor musizierten 150. Psalm, in dem all die Instrumente erwähnt werden die zum Lob Gottes beitragen, zu dem Bild mit der Orgel.

Geht man aber zurück zu besagtem Psalm, so kommt man u. a. zum Regelvater der Prämonstratenser, dem hl. Vater Augustinus, der in seinen „Enarrationes in Psalmos“ schreibt: „Vos estis tuba, psalterium, cithara, tympanum, chorus, chordae, et organum, et cymbala iubilationis bene sonantia, quia consonantia.“ (Ihr seid die

Posaune, das Psalterium, die Zither, die Pauke, der Chor, das Saitenspiel, die Orgel und die Zimbeln des Jubelns, die herrlich klingen, weil sie zusammenklingen.) Mit diesem „Vos“ sind wohl alle Glieder der Kirche gemeint, oder alle Glieder einer Gemeinschaft, konkret auch der Kirche von Wilten. Ist das Bild von den harmonierenden Instrumenten und Pfeifen auch im übertragenen Sinn als Wegweiser für ein gemeinschaftliches Lebens zu verstehen, so kann man den Psalm gerade in einem Prämonsteratenser-Chorherrenstift getrost auch wörtlich nehmen, gehört es doch zu den vornehmsten Aufgaben des Konventes, sich mehrmals täglich zum Chorgebet zu versammeln und gleich den genannten Instrumenten Gott zu loben. Der Konvent von Wilten tut dies in gesungener Form, geführt und getragen durch die Orgel. „Nicht dass der Gesang dem Wort hinzugefügt würde, das Wort drängt von sich aus zum Gesang. Nicht Texte werden ‚vertont‘, sondern der festliche Lobpreis Gottes … führt von sich aus zur erhobenen Stimme, zum festlichen Rufen, zum Gesang“ (Rupert Berger). Wenn es aber der innere Drang, wenn es die Begeisterung ob der Frohen Botschaft ist, die uns quasi von innen her zum Erheben der Stimme zwingt, dann gibt es keine andere Lösung, als dieser inneren Freude im Singen Raum zu geben. Diese innere Freude, dieses lodernde Feuer, ist die Urbegründung jeglicher Kirchenmusik. Es gibt viele Arten von Musik, es gibt viele Geschmäcker, aber gemeinsam ist alldem: ohne das Singen geht es nicht. Denn „Vos estis tuba…“ – also „wir“ sind es, die gleich den Instrumenten des 150. Psalms und gleich den Pfeifen einer Orgel aufgrund der uns innewohnenden Freude über die Heilstaten Gottes gar nicht anders können als Gott dafür zu danken und ihn im Singen zu preisen.

Heutige Angebote des Stiftes Wilten Dem Konvent ist es ein großes Anliegen, vor allem Jugendliche - aber auch Erwachsene - für das Leben als lebendige Christen zu begeistern.

Stellvertretend für die vielen unterschiedlichen Angebote werden einige kurz vorgestellt.

Schneidergang - Seit Jänner 2013 sind Interessierte in Rücksprache mit dem Stift Wilten eingeladen, die Ausstellung „Der Weg des Prämonstratensers“ im sogenannten Schneidergang zu besichtigen.

Der laufend aktualisierbare Informationsweg wurde anlässlich des 875-jährigen Jubiläums des Prämonstratenser-Chorherrenstifts Wilten eingerichtet. Dabei wird der Lebensweg/die Berufung zum Prämonstratenser vorgestellt; die Besucher

Führung im Schneidergang

werden zum Nachdenken über den eigenen Lebensweg angeregt; auch soll der breiten Öffentlichkeit aufgezeigt werden, dass das Stift Wilten kein Museum ist, sondern ein spirituelles Zentrum einer lebendigen Gemeinschaft.

Gebet-Gemeinschaft-Gott - Die Montagnacht - Während des Schul- bzw. Studienjahres treffen sich Jugendliche und Junggebliebene einmal monatlich an unterschiedlichen Orten des Wiltener Seelsorgegebietes, um miteinander zu beten, zu singen und anschließend gemütlich zusammenzusitzen.

Ministrantentag – Die Ministrantinnen und Ministranten der Stiftspfarren werden regelmäßig zu Spielen, Gebet und einer Jause in das Stift Wilten eingeladen.

Ministrantentag in Wilten

Firmlingsnachmittage – Von den Jungen der Stiftsgemeinschaft wird ein spannendes und abwechslungsreiches Programm vorbereitet, bei dem die Firmlinge das Stift, die Ordensgemeinschaft, den Abt als Firmspender und sich selbst näher kennenlernen können.

Firmlingsnachmittag

Berufungstage und Glaubenskurse Vortragende, die in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft tätig sind, berichten über ihren persönlichen Berufungsweg bzw. beleuchten Themen wie z. B. die Bedeutung des Apostolischen Schreibens „Evangelii gaudium – die Freude des Evangeliums“ von Papst Franziskus.

Berufungstag und Glaubenskurs im Stift Wilten

Stift Wilten Aktuell

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KAPITEL 6

Norbert von Xanten wird als Heiliger verehrt

Darstellung des hl. Norbert mit der Monstranz (Balthasar Renn, 18. Jh.; Stift Wilten)

Das ehemalige Prämonstratenserkloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg

Norbert erbittet in Würzburg einer blinden Frau das Augenlicht.

Der Norbertschrein in einer Seitenkapelle der Prämonstratenserabteikirche Strahov, Prag 28

Stift Wilten Aktuell

Erzbischof Norbert wurde in der Klosterkirche seiner Mitbrüder zu Magdeburg begraben. Im 16. Jahrhundert begann zur Zeit der katholischen Gegenreformation die Verehrung Norberts als Heiliger der Eucharistie. Das geschah als eine Reaktion auf die Leugnung der tatsächlichen Gegenwart Christi in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein durch Protestanten. Damals wurde darauf zurückgegriffen, dass Norbert 1124 durch seine Predigt und die Ansiedlung seines Ordens im belgischen Antwerpen die Stadt von der Irrlehre Tanchelins, der unter anderem den Wert des Sakramentes des Leibes und Blutes Christi leugnete, befreit hatte. 1582 erreichte der Prämonstratenserorden, dass Norbert als Heiliger offiziell verehrt werden durfte. Während des dreißigjährigen Krieges gelang es, die Gebeine Norberts aus dem mehrheitlich protestantisch gewordenen Magdeburg nach Prag zu bringen, wo sie im Jahr 1627 im Prämonstratenserkloster Strahov feierlich beigesetzt wurden.

Die Darstellung des hl. Norbert in Wilten und in den Stiftspfarreien HR Dr. Franz Caramelle Die früheste Abbildung des hl. Norbert ist auf einer Handschrift des 12. Jahrhunderts (verwahrt in der Bibliothek des ehemaligen Prämonstratenserklosters Schäftlarn in Bayern) überliefert, allerdings ist diese nicht authentisch. Wir wissen also nicht, wie groß er war, welche Statur er hatte oder welche Gesichtszüge ihn charakterisierten. Nicht einmal seine genauen Lebensdaten sind bekannt. Sein Geburtsjahr wird mit „um 1082“ angegeben, sein Todesjahr ist 1134, er ist also ca. fünfzig Jahre alt geworden, ein für die damalige Zeit durchaus respektables Alter. Aus dem Mittelalter gibt es von ihm kaum Abbildungen, was weiter nicht verwundert, da erst 1582 die Verehrung als Heiliger von der Kirche offiziell anerkannt wurde. Umso häufiger sind die Darstellungen des hl. Norbert in der Barockzeit, als - ganz im Sinne der Gegenreformation - die Klöster aufgewertet wurden und die Ordensgründer besondere Verehrung erfuhren. Auch im Stift Wilten ist der Ordensgründer omnipräsent, zumeist zeigt er sich als jugendlicher, asketischer, tatkräftig wirkender Bischof bzw. Ordensmann, der durch sein Attribut - die Monstranz - leicht zu identifizieren ist. Häufig wird er gemeinsam mit dem hl.

Augustinus dargestellt, dessen Ordensregel er übernommen hat. Allein die Stiftskirche kann mit drei derartigen Pendants aufwarten: auf der Balustrade der von Georg Anton Gumpp geplanten, offensichtlich von Bernini beeinflussten Fassade umstehen die von Nikolaus Moll um 1715 geschaffenen, weiß gefassten Holzfiguren von Norbert und Augustinus gemeinsam mit Stefanus und Laurentius die Muttergottes in der Mitte. Am Hochaltar flankieren sie als vergoldete Schnitzfiguren von Josef Stapf (um 1768) das Altarbild von Egyd Schor und am Norbertialtar zieren sie das Altarblatt von Balthasar Renn (um 1720).

Außerdem kommt Norbert auch in den

Fresken von Kaspar Waldmann zweimal vor: am Gewölbe überreicht ihm Maria das weiße Ordenskleid, im Wandgemälde der Norberti-Seitenkapelle fungiert er mit dem hl. Bernhard von Clairvaux als Berater von Kaiser Lothar.

Noch häufiger sind Darstellungen des Ordensgründers in der Prälatur des Klosters zu finden. Zunächst in der Pforte, wo er als Halbfigur (gemalt von Egyd Schor) über dem Portal den Eintretenden begrüßt, und im Atrium, dessen Decke ein monumentales Fresko von Egyd Schor

Eine Vision des gekreuzigten Christus ist für Norbert und seine Gefährten der Hinweis, dass am Ort Prémontré das erste Kloster entstehen soll (Deckenfresko im Vestibül des Stiftes Wilten, Egyd Schor, 1696).

(1696) mit der Kreuzesvision des hl. Norbert trägt. Die weiß gefassten Statuetten an den Seitenwänden (Norbert und Augustinus) schuf Franz Egg 1909. Während im nördlichen Stiegenaufgang auf einem Leinwandbild von Franz Steiner (um 1780) Bischof Reginbert das Kloster Wilten dem heiligen Norbert übergibt, hängt an den Wänden des südlichen Ganges der große Norbertizyklus. In vierzehn monumentalen, von Balthasar Renn um 1720 gemalten Leinwandbildern werden wichtige Ereignisse aus dem Leben des Ordensgründers festgehalten: Bekehrung, Priesterweihe, Ablehnung in Xanten, Spinnenwunder, Synode von Fritzlar, Verteilung seines Vermögens, Predigterlaubnis des Papstes, Norbert mit Bischof Burchard, Wanderpredigt mit Hugo, Norbert und Gereon, Empfang der Ordensregel, Teufel in Gestalt eines Norbert in der Pfarrkirche Hötting

Norbert am Hochaltar in der Pfarrkirche Vill

Norbert von Xanten (Stift Wilten, Emmerich Kerle, 1990) 30

Stift Wilten Aktuell

Bären, Heilung der blinden Frau, Norbert mit König Lothar und Papst Innozenz II..

Der Höhepunkt der Verherrlichung des Heiligen wird im Norbertisaal erreicht, dessen Decke in sieben prächtigen Barockfresken (von Kaspar Waldmann, 1710, der hier sein reifstes Werk hinterlassen hat) auf bedeutende Szenen im Leben des hl. Norbert Bezug nimmt. Das große Mittelbild stellt seine Apotheose dar, die kleinen Seitenfelder zeigen im Westen die Heilung einer Blinden, im Osten die Vorsprache Norberts beim deutschen Kaiser Lothar (Neuschöpfung durch Wolfram Köberl 1957). In den ovalen Gemälden der Hohlkehle erkennt man die Geburt des Heiligen, die Übergabe der Ordensregel durch den hl. Augustinus, die Kreuzesvision und den Empfang des Ordenskleides aus

Norbert in der Pfarrkirche St. Sigmund

den Händen der Muttergottes (W. Köberl).

Schließlich sollen noch das Porträt von Abt Martin Stickler (von Philipp Haller, um 1740), der sich als hl. Norbert präsentiert, und zwei qualitätvolle Leinwandbilder von Kaspar Waldmann (um 1710) im Refektorium (Speisesaal) erwähnt werden.

Auch in den dem Stift Wilten inkorporierten Pfarreien finden sich etliche Abbildungen des hl. Norbert, so z. B. in den Pfarrkirchen von Ellbögen, Hötting, Igls, Lans, Mutters, Pradl, St. Norbert, St. Sigmund, Vill und Wilten.

Zusammenfassend sei festgestellt, dass die zahlreichen Darstellungen des hl. Norbert in Wilten - die vorliegende Liste ist keineswegs vollständig - von hoher künstlerischer Qualität sind sowie einen kunsthistorisch interessanten Querschnitt vom 17. bis ins 20. Jahrhundert bieten und auf vielfältige Weise die große Verehrung der Wiltener Chorherren für ihren Ordensgründer dokumentieren.

Norbert (links) in der Pfarrkirche Pradl

Heilige und Selige des Prämonstratenserordens Immer wieder wurden im Laufe der Jahrhunderte Nachfolgerinnen und Nachfolger des hl. Norbert zu leuchtenden Vorbildern für ihre Mitmenschen.

14. Jänner - Heiliger Gottfried - als Graf von Cappenberg übergab er 1122 seine Besitzungen an Norbert zur Stiftung der ersten deutschen Prämonstratenserklöster, geb. ca. 1097, gest. 1127.

4. Feber - Heiliger Friedrich - Abt von Mariengaarde in Friesland, gest. 1175.

10. Feber - Seliger Hugo - 1. Gefährte des heiligen Norbert, 1. Abt von Prémontré, gab den Gründungen Norberts eine geordnete Struktur und war 1. Generalabt, gest. 1164.

17. Feber - Heiliger Evermod - schloss sich 1120 Norbert an und blieb sein treuer Begleiter, starb als Bischof von Ratzeburg 1153.

26. April - Heiliger Ludolph - Bischof von Ratzeburg in Norddeutschland, gest. 1250.

6. Mai - Seliger Marquard von Wilten - 1.

Propst des Prämonstratenserstiftes Wilten, gest. 1142, seine Gebeine ruhen hinter dem Hochaltar der Stiftskirche.

17. Mai - Abt Wernher von Wilten - als Seliger verehrt, gest. 1331/32, seine Gebeine ruhen hinter dem Hochaltar der Stiftskirche.

21. Mai - Heiliger Hermann Joseph - Chorherr von Steinfeld in der Eifel, Deutschland, gest. 1241.

6. Juni - Heiliger Norbert von Xanten Gründer der Prämonstratenser, Erzbischof von Magdeburg, geb. 1080/85, gest.

6. Juni 1134.

15. Juni - Heiliger Isfried - Bischof von Ratzeburg, gest. 1204.

9. Juli - Heiliger Adrian Jansen - Heiliger Jakob Lacoupe - gest. 1572 als Märtyrer in den Niederlanden.

14. Juli - Seliger Hroznata - Gründer der Abtei Tepl in Tschechien, gest. 1217.

13. August - Selige Gertrud von Altenberg - Tochter der heiligen Elisabeth von Thüringen, Klostervorsteherin von Altenberg bei

Wetzlar, Deutschland, gest. 1297.

28. August - Heiliger Augustinus - gest. 430 in seiner Bischofsstadt Hippo - heute Algerien - wo er mit seinem Seelsorgsklerus in Gemeinschaft lebte.

30. August - Selige Bronislawa - Prämonstratenserin in Zwierzyniec, Krakau, Polen, gest. 1257.

13. Oktober - Seliger Petrus-Adrian Toulorge - 1757 bis 1793, Märtyrer in der Zeit der Französischen Revolution, 2012 seliggesprochen.

20. Oktober - Seliger Jakob Kern - 1897 bis 1927, Chorherr der Abtei Geras, Niederösterreich, 1998 seliggesprochen.

26. Oktober - Heiliger Gilbert - Gründer und Abt von Neuffontaines, Frankreich, gest. 1152.

13. November - Alle Heiligen des Prämonstratenserordens und alle heiligen Chorfrauen und Chorherren.

14. November - Heiliger Siard - Abt von Mariengaarde, Friesland, Deutschland, gest. 1230.

Abt Wernher (1302-1331) vor „Maria unter den vier Säulen“

Seligsprechung des französischen Prämonstratensers Petrus Adrian Toulorge am 29.

April 2012 in Coutances, Normandie

Stift Wilten Aktuell

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Der Gründer des Prämonstratenserordens der heilige Norbert von Xanten 1080/85

Geburt

Kanoniker in Xanten am Niederrhein, spezielle Ausbildung beim Erzbischof von Köln

1115

radikale Lebenswende

1116-1118

Einsiedler

1118-1125

Wanderprediger

1120/21

Gründung des ersten Klosters Prémontré bei Laon in Nordfrankreich

1126

Erzbischof von Magdeburg

1132/33

Romzug mit Kaiser Lothar

6. Juni 1134

Tod in Magdeburg

Eine der ältesten Norbertdarstellungen im ehemaligen Prämonstratenserkloster San Severo, Orvieto (Fresko, 14. Jh.)

Gottesdienste und Termine 7. Juni 2015

10.30 Uhr

Norbertisonntag - 900 Jahre Bekehrung des hl. Vaters Norbert Pontifikalamt mit Marc Kardinal Ouellet in der Stiftskirche

11. Juni 2015 900 Jahre Bekehrung des hl.

Vaters Norbert 20.00 Uhr Wallfahrt mit Eucharistiefeier

am Locherboden

Wolfgang Amadeus Mozart

Missa in honorem Sanctissimae Trinitatis KV 167

Chöre aus den Stiftspfarren

Josef Gasser (Lienz 1873-1957 Neustift)

1910-1923 Regens Chori in Wilten

„Jubilate Deo“

Anton Heiller

„O Jesu, all mein Leben bist du“

Orgelwerke von Johann Sebastian Bach

Concerto in a-moll nach Antonio Vivaldi

BWV 593

Capella Wilthinensis

Musik für Kantor, Chor, Gemeinde und Bläser

Bläser der Capella Wilthinensis