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Reinraum-Unterhaltsreinigung ist etwas für Profis

Für die Reinerhaltung der Produktion unter reinen Bedingungen – in Sauber- und Reinräumen – werden immer öfter professionelle Reinigungsfirmen zur Beratung, Unterstützung und Ausführung hinzugezogen.

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Die Rohr AG in Hausen (Aargau/Schweiz) gibt anhand eines Praxisbeispiels die Überlegungen und das Vorgehen von Auftraggeber und Reinigungsinstitut weiter, um die Arbeit so effektiv wie möglich durchzuführen. Eine fiktive Geschichte zeigt, wie mithilfe eines Profis bei der Optimierung der Reinraum-Unterhaltsreinigung vorgegangen werden kann.

Mittwochvormittag 7:03, zwei Monate nach dem Start der Reinraum-Unterhaltsreinigung. Anrufer: «Ist dort die Rohr AG? Ja, . . . genau, die Reinraum-Unterhaltsreinigung klappt ganz wunderbar. Danke vielmals dafür. Ich habe aber eine Frage: Unser Einkauf hat mich gefragt, ob wir noch etwas am Preis für die Reinigung machen können. Können Sie dazu bitte morgen vorbeikommen und schnell mal die Reinigung optimieren?»

Jede Änderung birgt Risiken in sich! Schnell mal die Reinraum-Unterhaltsreinigung optimieren kann man machen. Es gibt immer gute Gründe für Optimierungen. Dazu zählen geänderte Vorgaben des Auftraggebers, der stattlichen Autoritäten oder interner Bereiche wie Finanzen, Produktion, Qualitätssicherung (QS) oder Health-Safety-Environment (HSE). Auch die Entwicklungen bei den Industrienormen oder bei Nachhaltigkeit und Umweltschutz können Anpassungen an bestehenden Prozessen erforderlich machen. Ausserdem ist es nachvollziehbar, dass man in dem derzeitig ungünstigen wirtschaftlichen Umfeld versucht ist die bestehenden Kosten zu optimieren. Erfahrungsgemäss ist das Volumen der Reinraum-Unterhaltsreinigungen zudem einer der grösseren Posten im Facility-Management und verspricht ein lukratives Potential für Einsparungen. Es gilt jedoch: haben Sie mögliche Probleme bedacht und die Risiken analysiert, die sich durch eine Veränderung der Reinigung auf die Qualität der hergestellten Produkte ergeben können. Nicht umsonst heisst es: «Never touch a runing system», wenn’s denn schon problemlos läuft. Im teils stark reglementierten Umfeld der Produktion unter reinen Bedingungen ist man darüber hinaus nicht frei einfach so auf die Schnelle Änderungen an einem bereits definierten System vorzunehmen. Aus dieser Erkenntnis heraus ergeben sich grob strukturiert drei Freiheitsgrade, wenn Sie Änderungen am bestehenden Reinigungssystem vornehmen möchten: 1. Keine, bis kaum vorhandene externe

Vorgaben a. unternehmerisches Risiko: Qualitätsmängel (Schäden) wirken sich einzig auf den eigenen Umsatz aus b. Implementierung: Änderungen können rasch implementiert und ihre Auswirkungen live evaluiert werden c. eingebundene Einheiten: Produktion, Facility und FM-Provider 2. freiwillige Vereinbarungen mit den Auftraggebern und normative Vorgaben (SN/EN/DIN/ISO) a. unternehmerisches Risiko: Qualitätsmängel (Schäden) wirken sich auf den eigenen Umsatz und den des Auftraggebers aus mit dem daraus resultierenden Risiko von Regressforderungen b. Implementierung: geplante Änderungen müssen mit dem Auftraggeber abgesprochen und vor Umsetzung von diesem schriftlich genehmigt werden, Auswirkungen

1 EudraLex – Volume 4, EU Guidelines for Good Manufacturing Practice for Medicinal Products for Human and Veterinary Use Annex 15: Qualification and Validation, 2 EudraLex – Volume 4, The Rules Governing Medicinal Products in the European Union, EU Guidelines for Good Manufacturing Practice for Medicinal Products for Human and Veterinary Use, Chapter 1 Pharmaceutical Quality System auf die Qualität der hergestellten Produkte werden bereits im Voraus abgeklärt, entsprechend ist der Prozess wesentlich aufwändiger als bei Ziffer 1 c. eingebundene Einheiten: Auftraggeber, Produktion, Facility, QS und FM-Provider 3. strikte regulative und normative Vorgaben a. unternehmerisches Risiko: Qualitätsmängel (Schäden) wirken sich auf den eigenen Umsatz und den des Auftraggebers aus und können darüber hinaus auch straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben, Personen könnten gesundheitliche Schäden davontragen b. Implementierung: geplante Änderungen müssen mit dem Auftraggeber, und, je nach Kritikalität, mit den Autoritäten abgesprochen und vor Umsetzung von diesen schriftlich genehmigt werden. Mögliche Auswirkungen der Änderung auf die Qualität der hergestellten Produkte müssen bereits im Voraus (eventuell wissenschaftlich) abgeklärt und die Unbedenklichkeit der Änderung belegt werden. Die Umsetzung muss über einen genehmigten ChangeProzess 1 im Rahmen des Qualitätssicherungssystems (PQS 2) erfolgen. Entsprechend ist der Prozess sehr aufwändig und kostspielig, was den Sinn einer finanziellen Optimierung dann eventuell wieder in Frage stellt. c. eingebundene Einheiten: staatliche Autoritäten, Auftraggeber, Management, QS, Produktion, Facility und FM-Provider Was bedeutet das für Ihre Produktion? Als Betreiber von Reinräumen mit technischer Produktion von z.B. Mikromechanik, Optik, Mikrochips etc. haben Sie mehr Freiheiten für Optimierungen als Firmen mit höheren Vorgaben wie z.B. in der Automobilzulieferindustrie oder der noch strenger reglementierten Pharmaproduktion und Medizinaltechnik.

Auf diese Kriterien kommt es an Wie im zweiten Teil der Artikelserie diskutiert, stellt sich bei der Unterhaltsreinigung und oder Desinfektion immer die Frage nach dem erforderlichen Umfang. Das Credo lautet: So wenig Reinigung wie möglich und so viel wie nötig. Doch: Wo liegen die Grenzen? Wie viel ist «wenig» und wie wenig ist «viel»? Reinigung per se liefert keinen Mehrwert. Im Grunde ist eine definierte Reinheit ein Prozessparameter, ohne den Sie nicht produzieren können. Es gilt der Grundsatz: Ohne Aufrechterhaltung eines definierten Reinheitsstatus gibt es kein Produkt und damit auch keinen Umsatz. An welchen Kriterien können Sie daher festmachen ob zu viel, zu wenig oder genau im richtigen Umfang gereinigt und desinfiziert wird? Was sich trivial anhört ist gar nicht so einfach zu beantworten. Auf Seminaren und Tagungen hört man dann oft: «Es hängt davon ab . . .». An welchen Kriterien können Sie also den tatsächlich erforderlichen Reinigungsumfang festmachen? Dazu ein paar Anregungen: Wie hoch sind Ihre derzeitigen Kosten für Ausschuss, wie hoch die Yieldrate? Was zeigen dezidierte Messungen der Reinheit in der Prozessumgebung? Dazu eignen sich Messungen mit optischen Partikelzählern, Restschmutzanalysen oder Partikelfallen, um den Status quo feststellen zu können. In der Pharmazeutischen Industrie, der Medizinaltechnik oder der Nahrungsmittelproduktion ist die Messung der Anzahl an koloniebildende Einheiten (= KBE’s, unter anderem auch Mikroorganismen) Stand der Wissenschaft und Technik, . . . als auch der Gesetzte! Wie sind deren Ergebnisse im zeitlichen Verlauf. Was sagt das Trending über einen längeren Zeitraum aus (siehe Abbildung 1)? Manchmal tut es auch schon der gute alte weisse Handschuh oder ein Reinigungstuch, um den Zustand der Reinheit erfassen zu können. Erst wenn Sie wissen, wo Sie stehen, können Sie sich ohne allzu grosses Risiko bewegen. Als Ergebnis der Mühen erkennen Sie den Spiel-

Abbildung 2: Verminderung des Aufwandes für korrektive Massnahmen durch den Einsatz von präventiven Massnahmen

raum, den Sie bis zur Erreichung bzw. Überschreitung der definierten Grenzwerte zur Verfügung haben.

Wo setzte ich mit den Optimierungen an Kennen Sie den Spielraum sehen Sie sich als nächstes an, ob sich der Eintrag und die Verteilung von Kontaminationen in der reinen Umgebung noch reduzieren lassen. Die günstigste Reinigung ist schliesslich die, die man nicht durchführen muss (siehe Abbildung 2). Dazu steht ein grosses Portfolio an präventiven Massnahmen zur Verhinderung von Kontaminationen im sauberen Produktionsumfeld zur Verfügung. Möglich sind dabei administrative oder bauliche Massnahmen. Zu ersteren zählen eine Anpassung der Prozesse, Schulung der Mitarbeitenden oder die strikte Begleitung von externen Technikern und Monteuren in die saubere Produktion. Zu letzterem zählen die Adaption der Produktionsumgebung, Änderungen an Zu- und/oder Abluftführung mit Vorhängen, die Verlegung von PermanentKlebematten oder der Einbau von zusätzlichen Reinheitsklassenstufen. Ist das geklärt und die Auswirkung der Umsetzung auf die Reinheit evaluiert kann auch an den Stellschrauben der Unterhaltsreinigung und/oder Desinfektion gedreht werden. Diese wären im Einzelnen: – Tätigkeiten: welchen genauen Einfluss haben die einzelnen Reinigungstätigkeiten auf die Reinheit? – Reinigungsverfahren: wie effizient ist der etablierte Prozess? Muss pro Reinigung einmal, zweimal oder sogar dreimal über die Oberfläche gewischt oder die Reinigungsflotte pro Raum gewechselt werden? Wie gross ist der Aufwand für die Arbeitsvorbereitung? – Reinigungstechnik: eine effiziente Reinigungstechnik kann bis zu 25 Prozent

Zeitersparnis bringen – Reinigungsfrequenz: wie oft wird die

Reinigung pro Tag/Woche/Monat/Jahr ausgeführt? – Equipment, Chemie und Verbrauchsmaterial: sind diese optimal an Ihre Anforderungen angepasst? – Qualifikation/Befähigung der Reinigungsfachkräfte: sind die Reinigungsfachkräfte ausreichend geschult, um den

Prozess effizient ausführen zu können? Als nächsten Schritt stellen Sie sich die Frage: «Wieviel bringt es mir ein, wenn ich den Ausschuss um x Prozent verringern kann, und was kosten mich die erforderlichen Massnahmen?». Daraus ergibt sich wie viel Budget Ihnen zur Umsetzung der Optimierung zur Verfügung steht, zumindest dann, wenn Sie nicht im Zuge einer Abweichung oder Reklamation sowieso zur Umsetzung derselben gezwungen sind. Mit der Optimierung selbst versucht man sich an den Sweet-Spot heranzutasten, an den Punkt, an dem die Kosten für die Massnahmen (z.B. Reinigung) optimal zum generierten Nutzen sind (siehe Abbildung 3). Bei diesem Prozess kann ein externer Berater mit dem ungetrübten Blick von aussen sehr wertvoll für Sie sein. Aufgrund seiner Erfahrung hilft er Ihnen dabei die Spreu vom Weizen der Massnahmen zu trennen und schneller ans Ziel zu kommen. Am besten starten Sie dabei mit einer

Abbildung 3: Sweet-Spot an dem die Kosten für die QS-Massnahmen im Optimum zum generierten Nutzen stehen

gemeinsamen Begehung der Produktion. Dabei deckt der Auditor mit seiner Erfahrung rasch Missstände auf und erkennt vielversprechendes Potential. In seinem Auditbericht liefert er Ihnen entsprechende Optimierungsvorschläge in Hinblick auf die Reinerhaltung und Aufrechterhaltung des geforderten Reinheitsstandards. Mit seiner langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Reinigung und Desinfektion in den unterschiedlichsten Branchen kennt er auch die Benchmarks aus ähnlichen Produktionsbetrieben. Ein Wort zur Vorsicht: ein allzu forsches Vorgehen bei der Einleitung von Optimierungen kann auch schnell ins Auge gehen. Warum? Dreht man gleichzeitig und zu stark an zu vielen Rädchen kann dies unvorhersehbare Folgen für die Qualität der Produkte haben. Darüber hinaus können Sie nicht mit Sicherheit sagen, welche Anpassung jetzt tatsächlich den Ausschlag gegeben hat – keine gute Voraussetzung für eine Diskussion mit dem Auftraggeber oder den staatlichen Autoritäten. Daher beginnen Sie idealerweise mit der Stellschraube, die den grössten Nutzen verspricht und warten nach der Umsetzung der Massnahme ab wie sich die kritischen Werte (Ausschuss, YieldRate, mikrobiologisches oder Partikel-Monitoring etc.) entwickeln. Manchmal braucht es einfach einen langen Atem. In der durch das schweizerische Heilmittelgesetz 3 abgedeckten Produktion spielt daher das «Quality Risk Management»

3 FedLex – Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte, (812.21 Heilmittelgesetz, HMG) 4 EudraLex – Volume 4 – Good Manufacturing Practice (GMP) guidelines, Part III – GMP related documents, European Medicines Agency, ICH guideline Q9 on quality risk management (QRM) eine tragende Rolle. Anleitung und Details finden Sie im ICH guideline Q9 on quality risk management 4 . Wir fassen zusammen: Ziel der Optimierung der Reinraum-Unterhaltsreinigung sollte die Anpassung der Reinigungsleistungen an den tatsächlich erforderlichen Umfang sein, ohne dass dabei die definierten Reinheitskriterien bzw. Grenzwerte überschritten werden. Der Spielraum dazu ergibt sich aus dem Monitoring. Gibt es durch den Einsatz von Massnahmen der präventiven Kontaminationskontrolle weniger Verschmutzungen im Reinraum wird dieser Spielraum automatisch grösser.

Wie geht es weiter? Freitagmittag 12:17, drei Monate nach Optimierung der Reinraum-Unterhaltsreinigung. Anrufer: «Ist dort die Rohr AG? Ja, . . . genau, die Monitoring-Ergebnisse nach Anpassung des Reinigungssystems sehen sehr gut aus, die Optimierung hat wunderbar geklappt. Danke vielmals dafür. Ich habe eine Frage: Unsere Qualitätssicherung hat mich gefragt, ob ich eine Schulung für unsere Reinraum-Mitarbeitenden organisieren kann . . . ja . . . genau, der Inspektor von der Swissmedic. Können Sie dazu bitte morgen vorbeikommen und schnell mal eine Schulung für unsere Mitarbeitenden durchführen? Der Projektverantwortliche staunte, als er diese Antwort bekam . . .

Autor: Ing. Arthur Klavora, Key Account Manager Cleanroom und Senior Consultant Cleanroom, Mitglied des Kaders der Rohr AG, klavora@rohrag.ch

Weitere Informationen Rohr AG Obere Holzgasse 8 CH-5212 Hausen +41 58 717 77 00 www.rohrag-reinraum.ch

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