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CHEMIE

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VERFAHRENSTECHNIK

VERFAHRENSTECHNIK

Bild 1: Neue Wege, Kohlenstoff-Kohlenstoff-Verbindungen zu synthetisieren, sind in der organischen Chemie sehr gefragt.

Mit Palladium

Neue Kreuzkupplung bei Raumtemperatur

Schlüsselchemikalien werden in vielen Industriezweigen durch Palladiumkatalyse hergestellt. Die beiden wichtigen Reagenzien der Arylhalogenide und Alkyllithiumverbindungen liessen sich auf diese Weise jedoch noch nie direkt miteinander verknüpfen. Chemiker haben herausgefunden, wie die Reaktion unter gewissen Bedingungen sogar bei Raumtemperatur läuft. Die Studie wurde in der Zeitschrift «Angewandte Chemie» veröffentlicht.

Prof. Viktoria H. Däschlein-Gessner¹

Die Palladiumkatalyse ist ein sehr hilfreiches chemisches Verfahren für die organische Synthesechemie. Palladiumkatalysatoren helfen bei der Verknüpfung von einfachen kohlenstoffhaltigen Verbindungen zu komplizierteren Substanzen. Bislang noch nicht möglich war jedoch die Verknüpfung von Arylhalogeniden (bzw. Halogenarene) und Alkyllithiumverbindungen, obwohl beides gängige Synthesereagenzien sind. Insbesondere die Arylchloride (Bild 3, Edukt) sind breit verfügbar und daher sehr wichtige Reagenzien. Für eine sinnvolle Anwendung entstanden bei der Reaktion bislang jedoch zu viele Nebenprodukte.

Das Problem mit den Nebenprodukten

Um Arylhalogenide mit Alkyllithiumverbindungen zu verknüpfen, nehmen Chemiker daher meist einen «Umweg» über weitere Zwischenschritte. Leider erzeugt jeder zusätzliche Syntheseschritt auch chemischen Abfall und verursacht zusätzliche Kosten. Dieses Problem veranlasste Viktoria Gessner und ihr Team von der Ruhr-Universität Bochum, nach neuen Palladiumkatalysatoren zu suchen, die diese schwierige Reaktion durchführen können. «Die Verknüpfung von

Cy Cy P C –+ Cy

P Cy Cy

Bild 2: Struktur von joYPhos.

Arylchlorid und Organolithium-Reagenzien ist eine der schwierigsten Reaktionen, die bei Erfolg eine breite Anwendbarkeit versprechen», erklären die Autoren.

Cl

AlkylLi Pd (Kat.)

joYPhos (Ligand) RT Alkyl

Bild 3: Reaktionsgleichung der neuen Kreuzkupplung.

Wichtigster Schritt der Aktivierung

Als aussichtsreicher Kandidat erwies sich nach eingehender Prüfung vieler bekannter Katalysatoren ein Katalysator mit der Ligandenklasse der Ylid-substituierten Phosphine (kurz: YPhos). YPhos-haltige Palladium-Katalysatoren sind bekannt für gute Leistung bei schwierigen Umsetzungen. YPhos-Liganden enthalten ein negativ geladenes Kohlenstoffatom mit einer positiv geladenen Phosphoniumgruppe (dem Ylid) und ein Phosphan (siehe Bild 2). Phosphane sind eher typische Liganden bei Palladiumkatalysatoren. Dieser Ylid-Phosphan-Aufbau, so die Autoren, fördere durch seine besondere Elektronik die Aktivierung von Arylhalogeniden, den wichtigsten Schritt bei der Kopplungsreaktion. Eine besonders günstige Kombination aus Elektronik und Struktur besass demnach ein joYPhos genannter Ligand (Bild 2). Diese Kombination unterdrücke die vielen sonst beobachteten Nebenreaktionen, schreiben die Wissenschaftler.

Wie Zweikomponentenkleber

Auch als Präkatalysator war das System nützlich: Präkatalysatoren haben – ähnlich wie Zweikomponentenkleber – die beiden Komponenten aus Palladiumquelle und Ligand vorarrangiert und bilden erst in der Mischung die aktive Verbindung. Der Präkatalysator sei stabil, leichter zu handhaben und generiere problemlos den aktiven Katalysator, heisst es in der Studie.

Umwege vermeiden

Die Wissenschaftler stellten einen Baustein des Gichtmedikaments Lesinurad sogar im Grammmassstab her. Auch für viele weitere Arylhalogenide und Organolithium-Reagenzien funktioniert der Katalysator. Die Reaktion sollte also allgemein einsetzbar sein, so die Autoren. Der neue Palladium-Katalysator kann somit dazu beitragen, kostspielige «Umwege» bei organischen Synthesen künftig zu vermeiden.

Originalpublikation Thorsten Scherpf, Henning Steinert, Angela Grossjohann, Katharina Dilchert, Jens Tappen, Ilja Rodstein, Viktoria H. Gessner, «Efficient Pd-Catalyzed Direct Coupling of Aryl Chlorides with Alkyllithium Reagents», Angewandte Chemie (2020); https://doi. org/10.1002/ange.202008866

Medienmitteilung Angewandte Chemie www.angewandte.de

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Ein Radikal in der Blackbox

Betriebsgeheimnis eines Katalysators

Forschende am Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse (Likat) konnten bei einer Redoxreaktion die molekulare Arbeitsweise des Katalysators beobachten und wichtige Zwischenschritte aufklären. Zu diesem Zweck koppelten sie vier hochmoderne Messmethoden miteinander, die in unterschiedlichen Bereichen von Wellenlängen arbeiten. Sie deckten auf diese Weise den kompletten katalytischen Mechanismus für die selektive Oxidation von Benzylalkohol zu Benzaldehyd auf.

Wie so oft in der Chemie läuft auch diese Reaktion quasi in einer Blackbox ab. Ausgangsstoffe, Katalysator und Lösungsmittel kommen in ein Reaktionsgefäss und reagieren dort zum gewünschten Produkt, dem Benzaldehyd. So viel ist klar: Der Katalysator ermöglicht durch seine Anwesenheit diesen Prozess oder beschleunigt ihn zumindest. Doch welche seiner Komponenten in welcher Reihenfolge die Ausgangsstoffe aktivieren, welche reaktiven Zwischenprodukte dabei entstehen und in welcher Weise sie die Reaktion beeinflussen – das bleibt im Dunkeln.

Umweltfreundliches Oxidationsmittel

Diese Informationen sind jedoch für ein gezieltes Katalysatordesign essenziell. Für die Oxidation zu Benzaldehyd verwendet die Industrie üblicherweise Oxidationsmittel, wie Chromat oder Hypochlorid, die für die Umwelt problematisch und aufwendig zu entsorgen sind. Im Labor experimentieren Forscher deshalb weltweit mit Sauerstoff als eleganterem Oxidationsmittel, bekommen allerdings, was etwa die Ausbeute betrifft, nur unzureichende Resultate. Ziel ist es also, den Katalysator zu verbessern, wozu es am besten ist, ihn bei der Arbeit genauestens zu beobachten. Das ist die Spezialität von Prof. Dr. Angelika Brückner, Leiterin des Forschungsbereichs «Katalytische In-situ-Studien» und ihres Themenleiters Dr. Jabor Rabeah. Sie regen dazu Proben mit Strahlung unterschiedlicher Energie und Wellenlänge an. Durch spezifische Absorptionen aller beteiligten Spezies lassen sich Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften, wie Oxidationsstufen oder Bindungssituationen, und somit

Laurent Barthe am Synchrotron Soleil. Der gesamte Versuchsaufbau wurde so modifiziert, dass er in den Röntgenstrahl am Synchrotron in Saint-Aubin (Frankreich) eingebracht werden konnte.

auch auf ihre Funktion und Rolle im chemischen Prozess ziehen.

Hochkomplex und simultan

Herzstück der untersuchten Redoxreaktion ist ein Kupferkomplex, der von einem organischen Liganden, gewissermassen der Rüstung des Katalysators, stabilisiert wird. Zum Katalysator gehört ebenfalls ein Hilfsstoff, in diesem Falle ein Radikal namens «Tempo», eine Bezeichnung, die sich aus dem Akronym seiner chemischen Struktur ableitet: TEtramethylPiperidinylOxyl. Der Katalysator besteht also aus drei Komponenten, hinzu kommen der Ausgangsstoff und das Oxidationsmittel O2. Solch einem «komplexen System», wie Brückner und Rabeah sagen, nähern sie sich am besten mit mehreren unterschiedlichen Methoden. Die Hürde dabei war, dass diese Messungen im selben Reaktionsgefäss, im selben Experiment, d. h. simultan, erfolgen müssen. Brückner: «Nur so können wir identische Versuchsbedingungen garantieren. Die Analysen einzeln und nacheinander vorzunehmen, ist immer mit gewissen Unterschieden in den Reaktionsbedingungen verbunden, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschweren würde.» Die Forschenden wählten für die parallelen Messungen zunächst Infrarot- und etwas energiereichere UV-Strahlen sowie die Elektronen-Paramagnetische-Resonanz

Blick in ein EPR-Spektroskop im Forschungsbereich «Katalytische In-situ-Studien» von Prof. Angelika Brückner.

(EPR-Spektroskopie), die ungepaarte Elektronen erfasst. Zu klären war zum Beispiel die Rolle des Hilfsstoffs Tempo, der solch ein ungepaartes Elektron aufweist – was ihn zum einen hochreaktiv macht und zum anderen die Bezeichnung als «Radikal» einbringt. Tatsächlich konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei ihren ersten Messungen erkennen, dass Tempo in die Reaktion eingreift. Doch auf welche Weise? Wenn die Reaktion startet, verändert ein Teil der Kupferpartikel seine Wertigkeit von Cu(I) in Cu(II). Bisher ging die Fachwelt zumeist davon aus, dass die Cu-IISpezies während der Reaktion eine Verbindung als sogenanntes Dimer eingeht und dass Tempo vor allem für Oxidation des Cu(I )zu Cu(II) verantwortlich ist. Um diese Vermutungen aufzuklären, benötigten die Rostocker Chemiker und Chemikerinnen einen präziseren Blick auf die Kupfer-Komponenten, und zwar mit einem hochenergetischen Röntgenstrahl. Dazu kooperierten sie mit dem Synchrotron Soleil in Paris. Zunächst erwarben sie ein kompaktes EPR-Spektrometer, das sie durch geschickte Modifizierung der Messzelle mit einer IR- und einer UV-Sonde komplettierten. Zudem passten sie es konstruktiv für die Versuchsanordnung am Synchrotron an. Mit vier derart ultrascharfen Sehhilfen bewaffnet konnten die Likat-Forscher und -Forscherinnen am Soleil in Paris erstmals ein und denselben Prozess aus mehreren Perspektiven simultan beobachten. «Und wir konnten endlich aufklären, was in der Fachliteratur bisher kontrovers diskutiert wurde», sagt Rabeah.

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Modellreaktion für künftige Analysen

Sie entdeckten, dass Tempo dabei gar nicht selbst oxidiert wird, wie bisher angenommen. Stattdessen aktiviert es das TT-188_render_1-2 tool-temp.ch

Oxidationsmittel Sauerstoff. Ausserdem konnten sie zwar das vieldiskutierte Dimer tatsächlich nachweisen. Sie fanden aber, dass es sich im Laufe der Reaktion wieder in Monomere spaltet. Brückner: «Das aber hat keinerlei Einfluss auf die Reaktivität des Systems. Demzufolge spielt dieses Dimer für die Reaktion keine Rolle.» Mit den Erkenntnissen kann die Fachwelt nun die Oxidation von Benzylalkohol mittels Sauerstoff weitertreiben und vor allem optimieren. Langfristig laufen diese Arbeiten darauf hinaus, den industriellen Prozess durch einen umweltfreundlichen zu ersetzen. Und wie Rabeah betont, lässt sich die neue Kopplungstechnik auch für mechanistische Analysen anderer Reaktionen nutzen – bis hin zu Stoffwechselvorgängen in lebenden Organismen. Originalpublikation Jabor Rabeah, Valérie Briois, Sven AdoTT-DW160_9kW_render_1-2

meit, Camille La Fontaine, Ursula Bentrup, Angelika Brückner, «Multivariate Analysis of Coupled Operando EPR/XANES/EXAFS/ UV–Vis/ATR-IR Spectroscopy: A New Dimension for Mechanistic Studies of Catalytic Gas-Liquid Phase Reactions», Chemistry Europe (2020); https://doi.org/10. 1002/chem.202000436

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